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Stargazer (Abgeschlossen 17.04.2015)


Empfohlene Beiträge

Salvete Comrades,

So, nachdem ich mich mich hier angemeldet hatte, entschied ich mich auch (auf Rat eines Freundes), meine Warhammergeschichte auch hier online zu stellen.
Das erste Kapitel ist ebenfalls auf Sphärentor.de und die Geschichte in der Warhammer-Section von Fanfiction.de nachzulesen.

Allerdings wollte ich sie auch hier updaten, also keine Panik.

Wie alle Autoren freue ich mich natürlich über Kommentare und Rückmeldungen, wenn sie denn der konstruktiven Seite entstammen

Alles Vale

SMN

bearbeitet von SisterMaryNapalm

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Stargazer

1

Das Stampfen tausender Soldaten und dröhnende Rasseln hunderter von Panzern ließ die Ebenen von Agos Virgil erbeben.

Die Imperiale Armee war auf dem Vormarsch – und nichts und niemand würde sie aufhalten können.

In mehreren Säulen bewegten sich die Soldaten auf den Feind zu, flankierten die vorrückenden Panzer und Kampfläufer auf ihrem Weg in Richtung Schlachtfeld, wo Offiziere und Kommissare die Kompanien zu einer breiten Front münden ließen.

Noch mussten große Teile der motorisierten Truppen ihre Aufstellung nehmen, doch bald schon würde die Generalität den Angriffsbefehl geben und damit eine todbringende Maschinerie aus Leibern und Waffen auf den Feind hetzen, um ihn mit der schieren Masse ihres Vorhandenseins zu erdrücken.

Es ging gegen die Orks.

Fünf Regimenter hatte die Imperiale Armee entsandt, um die Feinde des Imperators zu zerschmettern, zehn weitere waren bereits ausgehoben und auf dem Weg durch den Warp in das Kampfgebiet.

Doch auch die Orkoiden waren nicht untätig gewesen. Sämtliche ihrer auf dem Planeten befindlichen Truppen hatten sich zusammengerottet, um den anrückenden Menschen entgegenzutreten. In wenigen Stunden würde an diesem Ort eine blutige Schlacht über das Schicksal dieses Planeten ausgefochten werden, noch aber genügte man sich damit, einander durch gegenseitiges Belauern und Einschüchterung zu bedrohen.

Walküren und Vulture-Bomber kreischten über das baldige Schlachtfeld, sondierten das Gelände und bereiteten sich darauf vor, die anrückende Imperiale Armee mit Feuerkraft und Reservetruppen zu unterstützen.

Baldrian Lenhim maß der Tatsache, Mitglied einer gewaltigen Streitmacht zu sein, wenig Bedeutung zu. Für ihn zählte nur das Stoßkommando, das in dem abgeschlossenen Raum der ihnen zugewiesenen Walküre saß und darauf wartete, an einen Punkt des Schlachtfelds abgesetzt zu werden, um dort eine wichtige Position zu verstärken oder feindlichen Sturmtruppen in den Rücken zu fallen.

Lenhim war ein erfahrener, sehr linear denkender Sergeant mit dunkelblonden Haaren, fast ebenso hellen grünen Augen und einem von Narben gezeichneten, scharfen Gesicht, dessen finsterer Blick allein die meisten Soldaten respektvoll zurückweichen ließ.

Doch so hart sich Lenhim auch gab, er sorgte sich um seine Männer – eine Verhaltensweise, wie man sie in den Regimentern des Gott-Imperators nicht oft fand und die er auch erst mit der Zeit erlernt hatte.

Tatsächlich setzten die Kommandeure ihre Truppen meistens in gewaltigen Massenschlachten ein, selektierten die weniger wertvollen Einheiten aus und setzten die Kerntruppen aus den überlebenden Soldaten zusammen, um eine Elite zu haben, um die sich die neuen Rekruten formieren ließen, denn dafür waren sie schließlich da, oder? Nur in der Schlacht zeigte sie, wer wirklich für den Krieg geeignet war.

Für das Überleben der ihnen anvertrauten Menschen hatten die Kommandeure wenig Sinn, auch wenn das Imperium die erbarmungslose Vernichtung seiner eigenen Soldaten durch den Feind heroisierte.

Das Leben eines Menschen mochte in der Imperialen Armee nicht mehr wert sein als die eisernen Körper der Leman Russ Panzer, doch mit ihnen verhielt es sich genauso wie mit den stählernen Kolossen: je besser man sie pflegte und behandelte, umso länger konnte man sie einsetzen.

So hatte es ihn Galard Ekko, sein Kommandeur, gelehrt. Lenhim konnte oft selbst nicht umhin anzuzweifeln, weshalb man die nahezu unerschöpflichen Ressourcen der imperialen Welten schonen sollte, doch auch das hatte ihm Ekko hinreichend erklärt.

»Einen Soldat misst man nicht an der Masse seines Körpers oder der Anzahl von Schüssen aus seinem Lasergewehr. Man misst ihn an seinem Können und seiner Effektivität gegen den Feind«, murmelte er die Worte des Kommandeurs leise vor sich hin und ließ seine Gedanken kurz in Richtung des Colonels abschweifen.

Ekko war ein vorzüglicher Offizier, der sich vor allem dadurch einen Namen gemacht hatte, dass er seine Männer durch die besten Elitekämpfer seines Regiments schulen ließ.

Soldaten in Ekkos Regiment besaßen eine ungewöhnlich hohe Lebenserwartung und waren zum Teil effektiver als die meisten anderen Imperialen Armeeangehörigen.

Das 512. Regiment Sera, ein Zehntregiment des Planeten Bastet III, war deswegen seit langer Zeit berühmt für die Humanität, die in seinen Reihen herrschte.

Humanität nicht in dem Sinne, dass die Soldaten verhätschelt wurden und verweichlichten, sondern dass einer, der verletzt zurückblieb, sicher sein konnte, dass er wenig später gefunden wurde und einer, der starb, wusste, dass er nicht vergessen wurde. Gerade das war es, was einen Mann wie Lenhim Stolz machte.

Weshalb er jetzt an die Vierte Imperiale Sonate denken musste, konnte er sich selbst nicht erklären, doch die schweren, mächtigen Klänge füllten seine Ohren und seinen Kopf, überstimmten das dumpfe Summen der Turbojet-Triebwerke.

Dann jedoch fiel es ihm wieder ein: Die Vierte Imperiale Sonate hatte man in seiner Heimatstadt an dem Tag gespielt, als das ursprüngliche Regiment ausgehoben worden war. Es war ein Tag gewesen, dem er voller Stolz entgegen gefiebert hatte – fast genauso, wie er dieser Schlacht entgegen blickte und Stolz fühlte: Die erste Schlacht des Regiments seit seiner Neustrukturierung.

Gleichzeitig erinnerte er sich daran, wie viel er in den letzten Jahren erlebt und durchlebt hatte. Sein Trupp selbst war, auch wenn er nur aus zehn Mann bestand, fast eine kleine Chronik des Regiments.

Lenhim sah auf und warf einen Blick auf seine Männer.

Da waren anfangs Klingen und Donja. Sie waren zusammen mit Lenhim die ersten gewesen, die sich für das 512. Regiment Sera gemeldet hatten, als dessen Aushebung noch nicht einmal offiziell gemacht worden war. Man sollte sie besser nicht fragen, wie die drei das damals herausbekommen hatten, aber seitdem dienten sie zusammen in den Reihen des 512.

Sie hatten an allen bisherigen Schlachten des 512. teilgenommen, diverse Kommando- und Strategiewechsel mitgemacht und sogar die beinahe vollständige Auslöschung des Regiments überlebt, in dessen Nachwirkungen Galard Ekko Sera neu strukturiert hatte.

Ebenfalls aus seinem Trupp nicht mehr wegzudenken waren die beiden Cadianer Gorak und Melbin, die direkt vor der letzten Schlacht des alten 512. zu ihnen gestoßen waren und die Lenhim gut und gerne als Phänomen zu bezeichnen wagte, denn Gorak und Melbin hatte man noch nie anders als zu zweit gesehen. Wo Gorak auftauchte, war Melbin ebenfalls bald zu erwarten oder bereits eingetroffen (und natürlich auch andersherum). Sie hatten sich sogar gemeinsam zum Dienst im 512. gemeldet.

Für Lenhim bedeutete das eingespielte Duo einen immensen Vorteil im Gefecht, denn die Erfahrung und Leistung, die die beiden Soldaten gemeinsam erreichten, spielte im Grunde einen kompletten Trupp an die Wand.

Sie hätten sicherlich ein vorzügliches Waffenteam abgegeben, wenn Lenhim nicht so verbissen darum gekämpft hätte, sie bei sich zu behalten.

Tatsächlich war er nur knapp einer Exekution durch den Kommissar des 512., Kolwa Ligrev, entgangen, als er sich gegen den Befehl stemmte, der seine Einheit auseinander reißen sollte und ihn so wieder zum Führer eines Rekrutentrupps gemacht hätte.

Durch das Eingreifen von Colonel Ekko jedoch war das unfreiwillige Ableben Lenhims verhindert worden – allerdings nur unter der Auflage, dass sich der Sergeant mit seinem Trupp insgeheim zur persönlichen Verfügung Ekkos hielt.

Lenhim konnte nur froh sein, dass sein Trupp die inoffizielle Order recht positiv aufgenommen hatte und sich bereitwillig zur ›Elite des Colonels‹ erklärte.

Diese Gedanken ließen seinen Blick zum nächsten seiner Soldaten schweifen, mit dem er bereits viele Kämpfe bestritten und gewonnen hatte: Marek Rebis.

Rebis, Corporal und Stellvertretender Truppführer, diente seit knapp acht Jahren in der Imperialen Armee, hatte jedoch in über zwanzig Schlachten gekämpft und gehörte wohl zu den erfahrensten Männern, die aus dem ursprünglichen 512. Sera noch lebten.

Zwar hatte ihn diese Erfahrung auch einen schlimmen Preis gekostet, denn er war oft verwundet worden und hatte sich von den seelischen Verletzungen niemals wirklich erholt, doch einen besseren Stellvertreter als den schwarzhaarigen, etwa einen Meter achtzig großen Mann, dessen grüne Augen stets wachsam umherschweiften, konnte sich Lenhim nicht wünschen.

Zu Anfang war er der oftmals unangenehmen Art von Rebis sehr skeptisch begegnet, doch inzwischen schätzte er das ehrliche, wenn auch gerne vorschnelle Mundwerk des Corporals genauso wie seine Art zu kämpfen.

Wer an Marek Rebis Seite in die Schlacht zog, konnte sicher sein, dass der Corporal immer darauf Acht gab, einen sicher wieder zurückzubringen. Und dabei war sich Rebis, genauso wie Lenhim, bewusst, dass ein einzelner imperialer Soldat so gut wie keinen Wert für die Strategie der Generäle besaß.

Wer fiel, wurde einfach ersetzt.

Als er das dachte, blickte Lenhim unwillkürlich zu den Neulingen seiner Einheit: Kalor, Hougner, Grouphan und Rahael. Sie waren allesamt Cadianer und stammten aus einem ehemaligen Rekrutenzug, der in der letzten Schlacht des 512. bis auf diese vier Männer aufgerieben worden war. Bisher hatte Lenhim nicht die Zeit gehabt, sich näher mit ihnen zu beschäftigen, denn bereits sechs Wochen danach waren sie verlegt worden, um die nächste Schlacht gegen die Feinde des Imperiums zu bestreiten. Ziel war eine kleine Welt namens Agos Virgil gewesen.

Und wenn sie von hier abrückten, konnte er sicher sein, dass wieder einige seiner Männer tot waren und er die Reihen mit Neulingen auffüllen musste, die in die Fußstapfen der Gefallenen traten – auch, wenn niemand, der gefällt worden war, jemals zu ersetzen gewesen wäre.

Aber Krieg war nun einmal ein grausames Geschäft.

Das brachte ihn zurück ins Hier und Jetzt. Die Imperiale Sonate war längst verstummt, wieder übergegangen in das Jaulen der Turbojet-Turbinen, die ein leises Lied seiner Befehle summten.

Lenhim lehnte sich etwas zurück. Der Auftrag war klar definiert: Aufklärung, Unterstützung, Angriff.

So wie sein Trupp kreisten noch mehr Soldaten in Walküre-Sturmtransportern über dem Aufmarschgebiet und warteten darauf, dass die Schlacht begann. Sobald sich die imperialen Regimenter in Bewegung setzen und den Angriff beginnen würden, mussten die kleinen Trupps sofort bereitstehen, um eventuell Unterstützung für die vorrückende Armee zu stellen, um andere Einheiten zu verstärken oder zu entsetzen oder sogar die Einnahme wichtiger Schlüsselpositionen zu übernehmen.

Als wenn es in dieser trostlosen Ödnis noch irgendetwas besonders wertvolles gegeben hätte.

»Wie es jetzt wohl unten aussieht?«, dachte Rahael laut nach. Der junge Cadianer zog den Kinnriemen des Helms noch ein Stück fester und lehnte sich erwartungsvoll vor. Seine Begeisterung für den Kampf war in Lenhims Trupp wohl ohnegleichen, auch wenn der Sergeant sich wegen der Unerfahrenheit des Soldaten sorgte.

»Bestimmt trostlos«, brummte Rebis. Die anderen Soldaten fingen an, leise zu lachen.

Urplötzlich machte die Walküre einen Satz, heulte auf und neigte sich spürbar nach links. Lenhim griff instinktiv nach der ihm nächsten Haltestange und kämpfte mit wenige Sekunden mit seinem Gleichgewicht, bevor er es schaffte, sich zu stabilisieren.

»Beschuss!«, meldete der Pilot knapp. Wieder bockte das Schiff. »Sie greifen uns mit leichten Waffen an.«

Obwohl er aus der vom Funk verzerrten Stimme des Piloten eine Form von Entwarnung heraushörte, entspannte sich Lenhim kaum. Orks waren heimtückische Monster, die Menschen um jeden Preis zu vernichten versuchten. Sie würden die Walküre sicherlich nicht nur mit leichten Maschinengewehren oder Boltern attackieren.

Die meisten von ihnen mochte sicherlich egal sein, dass die Walküre mit ihren fünfundsiebzig Millimetern Rumpfpanzerung einen einfachen Bolt-Treffer lachend wegsteckte und einfach weiter flog. Die Oberbosse der Grünhäute jedoch waren intelligent genug, um ihre schweren Truppen gegen die Flugmaschinen der Menschen in Gang zu setzen. Und das konnte sehr böse werden.

»Ist jemand verletzt?«, erkundigte sich der Sergeant mit fester Stimme. Egal, wie Furcht erregend sich der Beschuss der Orks auch anfühlen mochte: besonders hier, in der Luft über dem Schlachtfeld, mussten seine Soldaten ruhig und konzentriert bleiben, denn wer einmal in Panik geriet, wurde unberechenbar und vielleicht zu einer Gefahr für die eigenen Leute.

Ob eine Antwort auf die Frage gekommen wäre, erfuhr er nicht mehr.

Ein lauter Knall warf die Soldaten an die Seitenwände oder auf den Boden. Die Walküre machte einen Sprung, sackte dann allerdings schnell in die Tiefe.

»Wir sind getroffen!«, rief irgendjemand, als sich der Transporter ein weiteres Mal schüttelte und heftig nach rechts kippte.

Lenhim fühlte, wie er in die Luft gehoben wurde und ruderte hilflos mit den Armen, bekam eine Haltestange zu fassen und klammerte sich daran fest, als der Sturmtransporter immer weiter kippte und keinerlei Anstalten machte, sich wieder aufzurichten.

Ohne Vorwarnung setzte das Singen der Vector-Turbojets aus. Vorher noch ein sattes Fauchen, wandelte es sich – auf jeden Fall bei einem – zu einem stotternden Wimmern, das Lenhim an das Gurgeln eines Ertrinkenden erinnerte. Oder einen Schrei. Einen Todesschrei.

Dieser Gedanke jagte ihm kalte Schauer über den Rücken, und diese Schauer vertieften sich, als er erkannte, weswegen die Walküre in Todesqualen schrie: Über ihnen verformten sich die Schaufelblätter einer der beiden Turbinen.

Er schaffte es noch »Festhalten!« zu schreien, dann zerriss das Triebwerk kreischend.

Die Walküre brach dermaßen stark nach oben aus, dass Lenhim in die Knie gedrückt wurde und beinahe die Haltestange losgelassen hätte.

Wie Bolts schlugen Metallteile durch die Außenhülle in den Truppenbereich und rissen faustgroße Löcher in die fünfundsiebzig Millimeter dicke Panzerung des Transporters, als wäre sie aus Papier.

Der Sergeant wurde herumgewirbelt und rang verzweifelt gegen die Kräfte, die auf ihn einwirkten, um sich weiter fest zu klammern, als ihn einer der Metallbolzen traf, durch seinen Schulterpanzer krachte und seinen Arm aufschlitzte. Das Blut, das aus der Wunde austrat, wurde durch die heftigen Bewegungen sofort über seinen Körper und die Haltestange verteilt.

Lenhim grunzte, als Blut in sein Auge spritzte und es verklebte.

Noch während die Querschläger durch die Walküre heulten, bahnte sich das nächste Unheil an.

Begleitet vom Knirschen reißenden Metalls brach die Heckklappe auf. Ein tosender Wirbelsturm raste ins Innere des Transporters und versuchte, die Männer hinaus in die Luft zu zerren.

Die Soldaten kämpften regelrecht darum, irgendwo Halt zu finden, damit sie nicht umher geschleudert wurden. Schreie und Flüche rangen mit dem Sturm um die Vorherrschaft im Truppenbereich.

Lenhim betete für sie alle, dass es ihnen gelang, den Absturz zu überleben.

Kalor und Klingen hatten nicht das Glück.

Klingen, bereits von einem Metallteil getötet, das seinen Kopf vom Rumpf getrennt und diesen in einer Blutfontäne zurückgelassen hatte, wurde durch das Schlingern des Transporters umgerissen und wirbelte Richtung Heckklappe, als diese aufsprang. Die Masse des Körpers, der immer noch in der Armaplast-Rüstung steckte, traf den anderen Gardisten und ließ ihn regelrecht von der Haltestange platzen, an die er sich geklammert hatte. Durch die wilden Bewegungen der außer Kontrolle geratenen Walküre wurden die beiden hilflosen Leiber brutal in Richtung Heck katapultiert.

Kalors Schreie verhallten im grausamen Brüllen des Winds, der durch die offene Heckluke in die Walküre vorstieß und an den Soldaten riss, versuchte, sie mit sich zu ziehen.

Schon kurze Zeit später begann die Walküre, unkontrolliert um die Längsachse zu rotieren.

Vor der offenen Heckluke verschwamm die Welt zu einem Kreisel, der mal auf, mal ab tanzte, bevor er sich entschied, nach unten aus dem Blickfeld zu wandern.

Sie stürzten dem Erdboden entgegen.

Unglaubliche Kräfte zerrten an Lenhims Körper, versuchten ihn in alle Richtungen zu drücken und zu ziehen.

Er fühlte, wie sich sein Magen hob, um dann nur wenige Herzschläge später wieder zu fallen und scheinbar mit dem Gewicht von Erz auf seinen Unterleib zu drücken, bevor er wieder nach oben schnellte.

Lenhims Körper wurde gegen die Haltestange geschleudert und schlug mit dem Kopf an die Wand. Sein Headset knackte laut und zerbrach, bevor die Wut der Physik es irgendwo hin schleuderte.

Der Sergeant unterdrückte den Drang, seinen dröhnenden Schädel zu berühren. Dazu hatte er auch gar nicht die Möglichkeit, denn nur einen Augenblick später riss es ihn in die andere Richtung. Lenhim stöhnte auf, als seine eisern um die Haltestange geklammerten Arme seinen bodenlosen Fall unvermittelt stoppten. Heißes Kribbeln zog durch seine Hände, als er wieder der Wand entgegen stürzte und mit dem Oberkörper dagegen krachte. Luft wurde aus seinen Lungen gepresst und vermischte sich mit dem Rauch der brennenden Turbine, der durch die Rotationen des Sturmtransporters um die Walküre verteilt wurde, in den Truppenraum eindrang und den hilflosen Männern fast den gesamten Sauerstoff nahm.

Lenhim hörte jemanden irgendetwas brüllen, konnte jedoch nicht sagen, wer es war oder was er geschrien hatte. Wieder krachte er gegen die Wand und schnappte nach Luft.

Er würde sich nicht mehr lange halten können. Schon spürte der Sergeant, wie sich seine Finger vom Metall der Haltestange zu lösen begannen, während seine von der Belastung schmerzenden Arme sich verkrampften. Eigentlich hielt ihn nur noch sein Wille fest und zwang ihn, sich nicht dem Tod preiszugeben.

Die Piloten, dachte er. Warum reagieren die Piloten nicht?

Er hatte nicht mehr die Zeit, sich diese Frage zu beantworten.

Ohne Vorwarnung schlug die Walküre auf die Planetenoberfläche. Lenhim wurde von der Haltestange abgesprengt, in die Luft gehoben und durch die zerschmetterte Heckklappe aus dem Sturmtransporter geschleudert. Er glaubte, eine Ewigkeit in der Luft zu schweben, bevor er, begleitet von wilden Ruderbewegungen, wieder auf dem Erdboden landete und, von seinem Schwung getrieben, noch etliche Meter weiter rutschte.

Stoff und Haut rissen, als wären sie aus Papier.

Lenhim stöhnte auf. Zu Schreien war er gar nicht mehr in der Lage.

Vor seinen Augen dämmerte wohlige Dunkelheit gleich einem Nebel auf und verdrängte den unerträglichen Schmerz, den er verspürte.

Die trostlose, vom Treiben der Orks verwüstete Welt versank in Schlieren und für einige Zeit fiel der Sergeant in eine tiefe Bewusstlosigkeit, die sein Körper brauchte, um die schrecklichen Schmerzen fürs Erste zu betäuben.

bearbeitet von SisterMaryNapalm

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Und hier kommt das nächste Kapitel

2

Direkt oberhalb des improvisierten Aufmarschgebiets, nur wenige hundert Meter hinter den aufgestellten Basilisk-Schwadronen des 78. cadianischen Artillerie-Regiments, stand unter dem Licht einer blutroten Sonne eine einsame Walküre auf einer Klippe, von der aus man das gesamte Gebiet überblicken konnte, auf dem sich bald die gewaltige Schlacht zwischen der Imperialen Armee und den Orkoiden ereignen sollte.

Das Besondere an dieser einsamen Walküre war, dass sowohl ihre Heckklappe, als auch die Seitentüren, zwar geöffnet waren, jedoch durch große gespannte Sonnenschirme verdeckt wurden, sodass ein improvisiertes, aber nichtsdestoweniger effektives Kommandozelt entstand, von dem aus die komplette eingesetzte Kriegsmaschinerie dieser Streitmacht des Imperiums kontrolliert werden konnte.

Kommissar Kolwa Ligrev folgte der sich formierenden Masse an Kampfläufern, Panzern und Soldaten mit seinen dunkelbraunen Augen und fühlte Stolz. Es war unsagbarer, fanatischer Stolz auf die Macht, die der Hammer des Imperators bereit gestellt hatte, um die Feinde der Menschen zu zerschmettern. Wieder einmal bewies das Imperium, dass es keinem seiner Feinde, die sich erdreisteten, in den Gebieten des von den Menschen eroberten Weltraums zu wüten, Gnade gewährte.

»Wie sieht es mit den anderen Regimentern aus?«, ertönte eine tiefe, nachdenkliche Stimme hinter ihm, deren ruhige Gelassenheit fast wie Desinteresse klang und den Kommissar veranlasste, sich von dem Anblick der aufmarschierenden Armee abzuwenden und den Eingang zum Kommandozelt zugleiten zu lassen.

Als er sich der Stimme zudrehte, hatte bereits eine zweite geantwortet. Es war ein jüngerer Offizier, der mit vier anderen Männern um einen Daten-Globus stand, dessen Projektor man im Inneren der Walküre aufgebaut hatte. Das farbenfrohe Flackern des Hologramms erleuchtete die Seitenwände des Sturmtransporters und ließ sie in mattem Schimmer glänzen.

»Sir, das 78. cadianische Artillerie-Regiment hat in unserer Nähe Stellung bezogen. Derzeit richten die Einheiten ihre Geschütze und Mörser aus und bereiten sich darauf vor, den Angriff unserer Bodentruppen mit schwerem Beschuss zu decken.

Das 41. cadianische Infanterieregiment hat an unserer linken Flanke Aufstellung genommen, das 34. Borodian-Regiment sichert uns an der rechten. Über diese Regimenter sind die Panzer des 35. Desposia-Panzerregiments verteilt.«

Galard Ekko nickte langsam und betrachtete den Daten-Globus nachdenklich, der vor ihm über dem Projektor schwebte.

Natürlich hatte er die Befehle und den Zeitplan der Operation in der Stabsbesprechung mit General Iglianus, dem Kommandeur der Befreiungsstreitmacht von Agos Virgil, mitgeteilt bekommen und ausführlich diskutiert, dachte Ligrev. Er selbst war bei der Besprechung anwesend gewesen.

»Wie weit ist die Aufstellung voran geschritten?«, erkundigte sich der Colonel.

»Neunundsechzig Prozent der Truppen sind bereits im Aufmarschgebiet verteilt und bereit zum Vorrücken«, erhielt er zur Antwort.

Der Kommissar verengte die Augen und versuchte zu ergründen, was der Colonel jetzt wohl denken mochte. Jeder, der Ekko nicht ganz genau kannte, hätte ihn ohne Zweifel tiefgreifend unterschätzt oder ihn möglicherweise sogar für schwach gehalten.

Mit seinen einhundertneunundsiebzig Zentimetern Höhe gehörte der Colonel nicht zu den größten Feldherren, die das Imperium hervorgebracht hatte. Er war auch sonst nicht sonderlich imponierend oder von der Gestalt, dass man sie sich gemerkt hätte.

Seine Grundhaltung war gerade, sein weiches, wenn auch eckiges Gesicht war – ebenso wie sein Körper – schmal und unauffällig. Am ehesten hätte man sich bei ihm noch an die dunklen, widerspenstigen Haare erinnert, die ihm ein Aussehen verliehen, das er selbst gern als ›explodiert‹ bezeichnete und das die Schläue hinter seinen braunen Augen unter einem Mantel von zur Schau getragener Verwirrung verschleierte.

Das eigentlich Interessante an Ekko (und das, woran man sich bei ihm auf jeden Fall erinnerte), war die Tatsache, dass ihn zwei vollkommen gegensätzliche Charakterzüge in einen Zwiespalt zogen, mit dem er jeden Tag eines imperialen Jahres zu kämpfen hatte.

Zum einen sah Ekko das ganze Universum als einen schlechten Ort an, in dem zu leben es sich im Grund gar nicht lohnte. Da er jedoch noch keine Möglichkeit gefunden hatte, möglichst unspektakulär zu sterben, litt er ob dieser Tatsache unter einen tiefen Lebensmüdigkeit, die einen vollkommen irrwitzigen Charakter geboren hatte, der sich in fast jede ihm mögliche Gefahrensituation stürzte mit der Absicht, dieser zum Opfer zu fallen.

Zum anderen jedoch besaß er eine Eigenschaft, die ihn bei seinen Soldaten beliebt machte: Ihm bedeuteten die Leben seiner Truppen etwas. Im Gegensatz zu den meisten anderen Kommandeuren der Imperialen Armee ließ Ekko seine Befehle niemals ohne Rücksicht auf Verluste ausführen.

Er war sogar derart mutig, selbst in der größten Bedrängnis durch seine Vorgesetzten noch den Rückzug zu befehlen und die Konsequenzen … zu überleben.

Ligrev hatte Ekko schon hunderte Mal exekutieren wollen, hatte es jedoch immer wieder gelassen, weil er liebend gern dabei sein wollte, wenn sich der Colonel möglichst sinnlos opferte. Er hoffte jeden Tag, dass Ekko diesen nicht überlebte und wartete fast sehnsüchtig darauf, aus dem Tod des imperialen Offiziers Kapital für die eigene Sache schlagen zu können.

Aber Ekko wollte einfach nicht sterben – auf jeden Fall nicht, wenn er sollte.

Dafür war vermutlich, so vermutete Ligrev, sein innerer Überlebenswille zu stark. Höchstwahrscheinlich war das auch der Grund, weshalb der Colonel seine Abenteuer nicht nur überlebte, sondern das auch noch mit positiven Nachwirkungen.

Noch immer war es für den Kommissar unbegreiflich, wie ein einfacher Sergeant des Planeten Bastet III einen derart kometenhaften Aufstieg hatte hinlegen können, dass er den Rang eines Colonels erreichte, der für die einfachen Bodenkämpfer eigentlich ein unzugängliches Privileg darstellte.

Ligrev brummte missmutig. In anderen Einheiten in anderen Sektoren hätte der Colonel sein Leben bereits längst verwirkt.

Leider waren die Kommandeure der regionalen Sektoren darauf aufmerksam geworden, dass Ekko seine Truppen höchst effizient führte und sie für ihn freiwillig durch jedes Feuer gingen.

Allein nur deswegen konnte sich Ekko Eigenheiten leisten, die wohl keinem anderen Kommandeur zugesprochen worden wären.

Allerdings, das musste der Kommissar dem Colonel zugestehen, setzte sich Ekko auch immer dafür ein, dass Ligrev ebenfalls ein Teil jedes erreichten Ruhms zukam, was besonders aus den Reihen des Regiments mit Unglauben und einem gewissen Maß an Ablehnung aufgenommen wurde.

Das konnte Kolwa Ligrev egal sein. Immerhin war er nicht hier, damit das Regiment ihn liebte. Und wenn Ekko sich erst aus der Gleichung des Imperators gestrichen hatte, war sein Weg zum Ruhm frei.

Ligrev hätte sich noch lange in seinen Träumen vom großen Kriegshelden, der er sein wollte, verherrlichen können, doch eine plötzliche Bewegung in der Kommandozentrale zwang ihn zurück in die Wirklichkeit.

An der Ecke, die an die linke Seitenluke anschloss und wo eigentlich die beiden schweren Bolter des Innenraums außerhalb des Einsatzes gelagert wurden, stand nun an der Wand auf einem Tisch ein Funkgerät, an dem zwei Soldaten bereit waren, um die Befehle und Meldungen, die während der Schlacht übertragen wurden, vom Kommandostab weg und zu ihm hinzuleiten.

Durch ihre Kopfhörer vollkommen abgeschirmt vom sich beratenden Stab, hob einer der beiden Funker seinen Arm und signalisierte so eine kurze Vorrangmeldung, die sofort von Major Carrick, dem Stellvertretenden Regimentskommandeur, quittiert wurde, indem er die anderen Offiziere verließ und sich zu den beiden sitzenden Männern begab.

Ligrev beobachtete, wie der Funker die Nachricht auf einem kleinen Blatt Papier mitschrieb und sie leise bestätigte, bevor Carrick ihm auf die Schulter tippte und zur Antwort den Zettel erhielt.

Der Major las wortlos die Notiz und runzelte verächtlich die Stirn, bevor er wieder an den Daten-Globus trat.

Ligrev musterte den für ihn vorbildlichsten Offizier des gesamten Regiments.

Haestian Carrick stammte ebenso wie die meisten Soldaten des 512. Regiments von Bastet III, war aber für einen Basteter auffallend groß und vor allem blond, was aus der Masse der zumeist dunkelhaarigen, höchstens einen Meter fünfundachtzig großen Menschen heraus stach. Für jemanden wie Ligrev nicht ungewöhnlich, bildete die fast zwei Meter große Gestalt von Carrick im Volk Bastets eine von wenigen Ausnahmen.

Doch so ungewöhnlich er für seine Heimat auch aussehen und erscheinen mochte, das wirklich Bemerkenswerte an ihm war die militärische Disziplin und Verantwortungsbereitschaft, die einen vollkommen Gegenpol zu der Colonel Ekkos bildete.

Es war eine Disziplin, die der von Cadianern glich und die für jeden Soldaten des Imperiums eigentlich beispielhaft gewesen wäre – gäbe es da nicht ein Problem: Genauso wie alle anderen Soldaten des Regiments hing Carrick bereits jetzt an seinem Kommandeur wie eine Haftmine an einem Leman Russ, selbst wenn er ihm erst wenige Monate bekannt war.

Jetzt erhob der Major seine sanfte, wohlklingende Stimme, um die ihm übergebene Nachricht weiterzuleiten. »Entschuldigen Sie, Sir. Vorrangmeldung an Sie von unseren vorgeschobenen Beobachtern.«

Noch immer auf den Daten-Globus konzentriert brummte Ekko nachdenklich, bevor er reagierte. »Was gibt es, Carrick?«

»Sir, einer unserer Walküre-Sturmtransporter wurde abgeschossen«, meldete der Offizier. Urplötzlich breitete sich Stille in der improvisierten Kommandozentrale aus.

»Was haben Sie?« Das Desinteresse in Ekkos Stimme störte Ligrev und jagte ihm Schauer der Wut über den Rücken. Er wusste jedoch, dass er, wenn er Ekko jetzt erschoss, das komplette Regiment gegen sich haben würde – und das wäre ein viel zu großer Preis für die Tat gewesen.

»Sie haben einen Walküre-Sturmtransporter abgeschossen«, wiederholte der Major.

Der Colonel drehte sich langsam und musterte seinen Untergebenen mit ruhigen Blicken. »Welche?«, erkundigte er sich.

»1208 Ignifier«, erhielt er zur Antwort. »Lenhims Trupp.«

Dieser Name ließ Ligrev aufhorchen. Lenhim.

Mit dem Sergeant verband ihn eine fast innige Feindschaft, seit es ihm gelungen war, sich gegenüber dem Kommissar vermessen zu geben und der gerechten Strafe dafür mit Hilfe von Ekko zu entgehen. Seit diesem Vorfall, der Ligrev eine ganze Menge Prestige und Glaubhaftigkeit in den Reihen des Kommissariats gekostet hatte, war er daran interessiert, Lenhim ein ebenso trauriges wie boshaftes Ende zu bescheren, wie Ekko es immer bei sich selbst versuchte.

Leider hatte er selbst sich dabei nicht geschickter angestellt als der Colonel und es nie geschafft, sich für die Schmach, die er erlitten hatte, ordnungsgemäß zu revanchieren.

Hoffentlich starb der vermessene Sergeant jetzt einen qualvollen Tod im Vorfeld der Truppen.

Als Ligrev seinen Blick zurück auf den Colonel richtete, konnte er sehen, dass die Nachricht den Kommandeur des 512. schwer beschäftigte. Einerseits war das gut, denn die Qual, die man Ekko ansehen konnte – zerrissen zwischen seinen Befehlen und seinem selbst auferlegten Auftrag, niemanden seiner Männer zurückzulassen – befriedigte den Kommissar zutiefst.

Zum anderen war das aber auch schlecht, denn Ligrev kannte Ekkos Geist und die wahnwitzigen Ideen, die dieser zu gebären in der Lage war, wenn ihm die konventionellen Ideen auszugehen schienen. Und bereits in dem Moment, indem der Gedanke seine Hirnwindungen verlassen und einen Warnimpuls durch seinen Kopf gejagt hatte, auf alles zu achten, was der Colonel jetzt befehlen würde, begann es.

»Können wir einen unserer Walküre-Sturmtransporter schicken, um nach Überlebenden zu suchen?«, erkundigte sich der Basteter, indem er den Kopf nur ein Stückchen wandte, die Augen jedoch weiter auf den Daten-Globus gerichtet hielt.

Es war Major Carrick, der antwortete. »Theoretisch wäre es möglich, Colonel.«

»Aber?«

Carrick schwieg einen Augenblick nachdenklich, bevor er die Frage aufgriff. »Das Problem ist, dass Lenhims Trupp weit vor unseren Linien abgestürzt ist. Die Orks sind der Absturzstelle recht nah und können sie sowohl mit Artillerie als auch mit Stoßtrupps angreifen. Außerdem befindet sich der Luftraum über dem Wrack tief in ihrer Luftverteidigungszone. Für die Besatzung weiterer Luftfahrzeuge oder einen eigenen Stoßtrupp wäre das eine reine Selbstmordaktion.«

Ligrev konnte sehen, wie Ekko über den Begriff ›Luftverteidigungszone‹ lächelte. Es war ein grimmiges Lächeln, das sich nicht genau einordnen ließ.

»Ich verstehe«, antwortete der Colonel und versank wieder Gedanken.

Obwohl er wohl am besten daran getan hätte, sich nur auf das Aufmarschieren seiner Soldaten zu konzentrieren, brütete er über seinem Daten-Globus, brummte Verwünschungen und schleuderte wortlose cholerische Ausbrüche gegen das Projektionsfeld, während er die dargestellte Umgebung des abgestürzten Sturmtransporters betrachtete.

Die Männer um ihn herum schwiegen, denn niemand wagte es, Galard Ekko jetzt in seiner Konzentration zu stören und eine entsprechend harsche Abreibung dafür zu kassieren.

Schließlich, wenige Minuten und eine gesamte Betrachtung des Schlachtfelds später, richtete sich der Colonel auf. Er drehte sich um und warf einen wütenden Blick auf die Umstehenden. »Wir rücken jetzt vor«, entschied er.

Der Kommissar sah auf. Aus der Warnung in seinem Kopf war ein schriller Alarm geworden. Was plante der Irre jetzt schon wieder? »Nein. Die Truppen sollen erst Aufstellung nehmen.«

Das wütende Funkeln in Ekkos Augen war nicht zu übersehen, als der Colonel sein Kopf in Richtung Ligrev wandte. »Ich sagte: Die Truppen rücken jetzt vor. Ich handle im Namen des Gott-Imperators – und jeder, der sich meinen Befehlen in den Weg stellt, ist ein Häretiker

Ligrev atmete scharf ein, begriff im gleichen Herzschlag jedoch, dass er keinen Zweck hatte, jetzt über den Befehl zu streiten. Im Endeffekt hätte sich der Ausgang des Streits höchstwahrscheinlich in einem Duell auf kürzeste Entfernung manifestiert, in dem beide ihre Pistolen gezogen und die Magazine aufeinander geleert hätten.

Ligrev wusste, dass Ekko bereit war, zu schießen und zu sterben. Er jedoch war es nicht.

Irgendwann würde der Tag kommen, an dem Ekko sein Leben verlor – und diesen Tag würde er feiern. Doch dieser Tag war noch nicht heute. Und wenn Ekko sein Regiment eigenmächtig vernichtete, dann würde Ligrev die Auswirkungen noch mit eigenen Augen sehen können.

Dass er sich mit seinem Verhalten eine Blöße gab, in die Ekko liebend gern hinein stach, war zwar ärgerlich und beschäftigte ihn auch, doch das ließ sich kalkulieren.

Ein dünnes Lächeln teilte seine Lippen. »Wenn Sie meinen, Colonel, dann tun Sie es. Aber General Iglianus wird sich sicherlich mit Ihrer Vermessenheit auseinandersetzen.«

»Darauf freue ich mich schon«, murmelte Ekko gefährlich. »Noch jemand irgendwelche Anmerkungen?«

Wenn nicht sein Tonfall alle, die vielleicht noch etwas zu sagen gehabt hätten, zum Schweigen aufforderte, dann hatte es sein Blick getan. Keiner der Anwesenden wagte es, ihn anzusehen oder die Stimme zu erheben.

Der Colonel ließ die Stille für einige Momente zu Wort kommen, dann wandte er sich von seinem Stab ab und dem an der Wand befindlichen Funkgerät zu, an dem die beiden Funker auf weitere Befehle warteten. »Befehl an alle Einheiten des Regiments: Wir rücken jetzt vor!«

Die Funker wirkten für einen Moment verwirrt, denn der Einsatzplan hatte ursprünglich anders gelautet, dann aber nickten sie und machten sich daran, die Befehle ihres Colonels weiterzugeben.

Als sich Ekko wieder zum Daten-Globus umdrehte, fegten ihre Funksprüche bereits zu den Truppen, die auf dem Vorfeld Gefechtsaufstellung nahmen.

»Azrael an alle: Vormarsch jetzt!«

Azrael war die interne Bezeichnung für die Kommandowalküre. Ekko selbst hatte den Namen für den Sturmtransporter gewählt und benutzte ihn auch als Tarnname stellvertretend für seinen Kommandostab, wenn er mit anderen Einheiten Kontakt aufnahm.

Jetzt funkte Azrael Befehle und Kommandosequenzen in den Äther, um die Truppen des 512. Regiments gegen den Feind in Marsch zu setzen.

Es dauerte nur Sekunden, da brach das erste Chaos aus.

»Bitte wiederholen«, forderte eine ungläubige, schrille Stimme, die Ligrev keinem der Offiziere oder Unteroffiziere zuordnen konnte. »Was sollen wir?«

Ekko regte sich nicht, betrachtete den Daten-Globus, als sei er der Mittelpunkt seines Lebens und schwieg, sodass einer der beiden Funker sich Hilfe suchend umwandte. »Sir?«, fragte er.

Der Colonel erwachte nicht aus seiner Starre – nur seine Lippen zuckten fast unmerklich. »Wiederholen Sie den Befehl.«

Für einen Moment zögerten die Funker, dann führten sie die ihnen aufgetragene Order aus. »Azrael an alle – ich wiederhole: Vormarsch jetzt! Aufstellung abbrechen und gegen den Feind vorrücken!«

Einen Moment lang herrschte völlige Funkstille im Kommunikationssystem, als wären sämtliche Einheiten erstarrt.

Der erste, der nach fast fünfzehn Sekunden Wartezeit antwortete, war der Kommandant der regimentseigenen Sentinels. »Ja, verstanden. Achtung – an alle Läufer: Vorrücken.«

Weitere fünf bis zehn Sekunden vergingen, dann bestätigten sämtliche Einheiten in schneller Reihenfolge.

Ligrev beobachtete Ekko, der ihm zwar den Rücken zugewandt hatte, aber dennoch allein durch seine Haltung die Anspannung widerspiegelte, die sein Inneres sich verkrampfen ließ. Hätte der Kommissar ihn von Vorne betrachten können, das entschlossene Funkeln in seinen Augen hätte ihn sicherlich zurückschrecken lassen.

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3

Nach einer unendlichen Ewigkeit, die er vor sich hingedämmert war, erkämpfte sein Bewusstsein die Kontrolle über seinen Körper zurück und zog ihn wieder in die reale Welt.

Lenhim brüllte erst vor Schmerzen auf, schaffte es dann aber, sich umzudrehen und seinen Kopf ein Stück aufzurichten.

Wenige hundert Meter von ihm entfernt steckte das zerstörte, rauchende Wrack der Walküre tief in der von ihr aufgeschlitzten Erde.

Der tote Transporter ragte auf wie ein Urzeitmonster, das von seinen Feinden gefällt und ausgeweidet worden war.

Lenhim stockte der Atem. Nicht, weil das Bild besonderen Eindruck auf ihn gemacht hätte. Er hatte bereits hunderte zerstörte Panzer, Läufer und Transporter gesehen, sodass er keine besondere Trauer oder ein Verlustgefühl spürte, wenn er sah, wie Technologie, die ihm gedient hatte, zerstört wurde.

Vielmehr bäumte sich sein Innerstes auf, als es verstand, wie qualvoll die Verletzungen wirklich waren. Der Sergeant krümmte sich zusammen, schrie erneut unterdrückt und ergab sich dann für kurze Zeit dem Verlangen seines Körpers, einfach liegen zu bleiben und vor sich hin zu siechen.

Dann allerdings erfasste ihn ein unerklärliches Triumphgefühl – die Erinnerung an die Wort Galard Ekkos: Wer verletzt ist, ist nicht verloren! Wer getötet wird, wird nie vergessen!

Noch war Baldrian Lenhim nicht tot – und auch, wenn die Schmerzen ihn zu übermannen drohten – seine Verletzungen konnten nur oberflächlich sein. Alles andere hätte er sicherlich nicht so stark gespürt, geschweige denn sich trotzdem so verhältnismäßig gut bewegen können. Es gab also noch Hoffnung!

Wenn er es in die Deckung des vernichteten Sturmtransporters schaffte, dann hatte er sogar noch genügend Schutz, um vielleicht unbeschadet lange genug zu überleben, damit ihn das Regiment finden und retten würde.

Bei dem Versuch, sich vom Anblick der gemordeten Walküre abzubringen, entdeckte Lenhim etwas, das ihm zum ersten Mal seit seiner Bewusstlosigkeit den Atem nicht vor Schmerzen, sondern vor Überraschung stocken ließ.

Nur zehn oder zwanzig Meter entfernt lag ein weiterer, lebloser Körper auf der Erde. Lenhim kniff die Augen zusammen, als er die dunklen Haare erkannte, die vom in seine Richtung gewandten Kopf abstanden. Es war sein Corporal.

Der verbeulte Helm des Mannes schien ihm vom Kopf gerissen und weiter gerollt zu sein, denn er befand sich außer Sichtweite. Ob er dem Träger dennoch Schutz vor schweren Verletzungen geboten hatte, konnte Lenhim von da, wo er lag, nicht sagen.

»Marek!«, rief der Sergeant und raffte sich mühsam auf. Sein geschundener Körper wehrte sich gegen die Bewegung, brannte wie Feuer und ließ ihn im Schmerz zusammenzucken.

Für eine weitere Minute spürte er die Welt verschwimmen, in grauen Nebel übergehen und rang mit sich um die Frage, ob er aufschreien sollte oder nicht.

Tränen liefen aus seinen hellgrünen Augen über seine Wangen. Am liebsten hätte er sich wieder auf den Boden sinken lassen und wäre liegen geblieben.

Schließlich jedoch gewannen Stolz und Ausbildung die Oberhand und kämpften den Drang nieder, sich den Verletzungen zu ergeben.

Lenhim richtete sich auf, biss die Zähne zusammen und kroch mehr, als dass er ging, zu seinem Corporal, der nach wie vor reglos auf dem Boden lag.

Seufzend ließ er sich neben dem Mann auf den Boden sinken und atmete tief durch. Seine Arme fühlten sich taub an und eine unerwartete Müdigkeit erfasste ihn.

Gerade jetzt! Gerade jetzt verließen ihn seine Kräfte und zwangen ihn, sich nicht mehr zu bewegen. Für einen Moment focht er einen Kampf gegen die Dunkelheit, die in ihm aufwallte und zwang sich, wach zu bleiben. Dann richtete er sich schmerzerfüllt in einem brutalen Akt auf und befahl seinen halb betäubten, kribbelnden Händen, nach Rebis Halsschlagader zu suchen.

Er versuchte, den Puls des Corporals zu erfühlen, doch sein Herz und sein gesamter Körper pochten selbst so laut, dass es ihm unmöglich gewesen wäre, irgendetwas zu fühlen.

Er versuchte es, nachdem er einige Sekunden gewartet hatte, erneut. Doch sein Körper pochte nur umso stärker, sodass er es jetzt erst recht nicht mehr schaffte.

»Tut mir leid, Marek«, flüsterte er. »Ich kann es nicht.«

Mutlos ließ er sich wieder auf den Boden sinken und nach hinten fallen. Ein Blitz aus Schmerzen schlug durch seinen Körper. Lenhim zuckte zusammen und begann, unkontrolliert zu zittern.

Er hatte das Gefühl, als würde sein gesamter Körper bis auf die Knochen mit Messern durchbohrt, während er gleichzeitig brannte. Wenn er doch nur eine San-Tasche mit Schmerzmitteln finden könnte!

Zuerst bemerkte er es nicht, weil es noch zu leise, zu zaghaft war. Dann jedoch floss es in sein Bewusstsein wie ein Rinnsal, das sich den Weg durch seine Gehirnwindungen bahnte: Ein eigenartiges, kratzendes Geräusch ertönte aus der Walküre.

Adrenalin schoss durch Lenhims Körper und alarmierte alle seine Muskeln, ihre sämtlichen Reserven zu mobilisieren. Schmerzen und Müdigkeit verschwanden und die Taubheit wich einem überschwänglichen Gefühl … freudiger Erwartung.

Die Orks hatten bestimmt die Absturzstelle erreicht und suchten nun nach etwas essbarem oder etwas, das sie anderweitig verwerten konnten.

Das Kratzen wurde schärfer und schwerer, glich dem Knurren eines metallenen Raubtiers. Ob es sich ihm näherte?

Er konnte es nicht genau sagen, aber das war wohl auch egal. Spätestens, wenn einer der Orks aus dem zerstörten Sturmtransporter hervorlugte, war sein Leben verwirkt – und er konnte sich nicht dagegen wehren.

Unter großer Anstrengung versuchte Lenhim, seine Laserpistole aus dem Halfter zu ziehen. Langsam, viel zu langsam, reagierte sein Körper.

Das Adrenalin dämpfte wenigstens die Schmerzen, dass er in der Lage war, die Waffe mit seinen lädierten Armen und Händen überhaupt zu halten.

Als er die Pistole endlich gezogen hatte, war über der zerschmetterten Seitentür jemand aufgetaucht.

Zitternd hob er die Waffe und krümmte seinen Finger um den Abzug. Für einige Herzschläge hielt er die Pistole fest in seinen Händen, dann begannen sie, sich so stark zu verkrampfen, dass er sie wieder senken musste.

Kurz darauf hatte ihn die Gestalt entdeckt.

Als Lenhim die Waffe wieder auf die sich regende Gestalt heben wollte, hielt er inne. Er kannte die schemenhaften Formen und Farben.

Das war kein Ork! Es war der vor seinen Augen verschwimmende Steppentarn von Soldat Rahael.

Mit einem Mal verflüchtigte sich sämtliches Adrenalin aus seinem Körper und wich Erschöpfung.

Er wusste, er hätte die Pistole niemals lange genug halten können, wenn ihm jetzt ein Feind gegenüber gestanden hätte.

Erleichterung erfasste Rahaels Stimme. »Sarge!«, rief er aus und wuchtete sich aus dem Wrack des Sturmtransporters.

Die schweren Schritte seiner Kampfstiefel verhallten irgendwo in den Tiefen von Lenhims Geist. Für einen Moment dämmerte der Basteter vor sich, bevor ihn eine Bewegung neben sich zurück in die Realität holte. Es war Rahael.

»Gorak, Melbin!«, rief er. »Der Sergeant lebt!« Ein kurzer Moment erfüllt von Stille folgte, dann rief er abermals: »Und der Corporal auch!«

Lenhim grunzte, als er versuchte, sich aufzurichten. »Machen Sie … eine Meldung!«, verlangte er mit schmerzverzerrtem Gesicht.

Irgendwer rief etwas Unverständliches. Sofort war Rahael neben ihm. »Nicht bewegen, Sarge«, sagte er fast flehentlich.

Mit aller Kraft stemmt sich Lenhim gegen die Hände, die ihn zurück drücken wollten, bis er schließlich erkannte, dass er ihnen in seinem Zustand nichts entgegenzusetzen vermochte.

Erst, als er sich hatte zurück sinken lassen, begann der Cadianer mit seinen Ausführungen. »Wir sind abgestürzt«, meldete er unnötigerweise.

»Wo?«, hustete der Sergeant. Sein Mund schmeckte metallen.

»Irgendwo zwischen unseren und feindlichen Linien, Sarge.«

Wieder bemühte sich Lenhim, in eine aufrechte Position zu gelangen. Wieder wurde er zurück auf den Boden gedrückt.

»Hören Sie auf, mich Sarge zu nennen, Rahael«, murmelte er mehr als dass er sprach. »Wer hat überlebt?«

»Sie, Gorak und Melbin, Grouphan und Hougner und Corporal Rebis – mit mir sind wir dann sieben, Sir.«

»Und der Rest?«

»Die Piloten waren nicht zu retten, Sir. Sie und Donja sind beim Absturz umgekommen.«

Lenhims Blick trübte sich. »Das ist traurig«, hörte er sich sagen, doch er meinte es nicht. Es gab keine Worte, die beschrieben hätten, welchen Verlust er spürte, als er durch seine von Schmerz vernebelten Gedanken erkannte, dass die beiden Männer, die er von Anfang an gekannt hatte, hier innerhalb nur weniger Minuten getötet worden waren. Die Piloten konnten ihm egal sein.

»Rahael, ich kann mich kaum bewegen«, sagte er schließlich, um sich von dem Gedanken abzubringen, vielleicht als letzter des Trios hier auf den Ebenen von Agos Virgil zu sterben. »Sie müssen für mich Auge und Ohr sein. Sagen Sie mir, was um uns herum ist.«

Der junge Cadianer nickte, als auch schon zwei weitere Gestalten ins Blickfeld des Sergeants kamen. Er konnte sie durch seine verschleierten Augen nicht erkennen.

Ihre Stimmen jedoch hörte er recht gut. Es waren Gorak und Melbin. Irgendetwas packte ihn und hob ihn vom Boden. Sein Körper verbrannte.

Er bekam noch mit, wie er irgendetwas Schmerzerfülltes stöhnte und Goraks leise, beruhigende Stimme darauf antwortete, die Worte jedoch verstand er nicht mehr. Dann versank die Welt in Schwärze.

Zum zweiten Mal an diesem Tag fiel er in eine tiefe Bewusstlosigkeit.

***

Inzwischen hatte Rahael getan, wie ihm vom Sergeant aufgetragen worden war. Der Schock des Absturzes steckte ihm noch in den Gliedern und ließ ihn in unregelmäßigen Abständen vor Zittern straucheln, doch er kämpfte sich wieder hoch und setzte seinen Weg fort.

Außer dem Sergeant, Rebis, Gorak und Melbis hatten Grouphan und Hougner überlebt – also sichtbar überlebt, auch wenn zwei von ihnen, nämlich der Sarge und Rebis, wohl kaum als kampfbereit hätten bezeichnet werden können.

Und jetzt hatte er einen Auftrag auszuführen: Die Augen und Ohren des Sergeants sein!

Thron von Terra, das war eine wichtige Aufgabe! Im Augenblick konnte man sie als tote Männer betrachten, denn so weit, wie sie vor den eigenen Linien lagen, würden die Orks sie im Zweifelsfall wohl eher erreichen als die imperialen Truppen.

Es galt, schnell eine effektive Verteidigung aufzubauen, damit ihnen eine Überlebenschance blieb, bis irgendwann Rettungstruppen eintrafen. Aber wie lange mochte das wohl noch dauern?

Er wusste, was für ein Versprechen der Colonel allen seinen Männern gab – doch würde er es halten können?

In seiner Ausbildung und während seines Lebens hatte Rahael in harten Lektionen lernen müssen, dass er den Versprechungen anderer nur so weit trauen konnte, wie es die Situation zuließ. Und die Situation ließ eigentlich keine Rettung von Seiten des Imperiums zu.

Sie waren auf sich allein gestellt. Also wurde es zwingend notwendig, die Umgebung nach geeigneten Deckungsmöglichkeiten abzusuchen, denn ein großes Problem hatten sie: Die Walküre war in Richtung der Orks abgestürzt – also verdeckte sie sowohl die Sicht auf den Feind als auch jede Möglichkeit, ihn ordentlich zu bekämpfen. Dazu hätten sie sich aus der Deckung begeben müssen – und das wäre einem Todesurteil gleichgekommen. Aber vielleicht konnten sie sich an den Seiten des von der Walküre geschaffenen Grabens positionieren und von dort aus die Orks in alle Richtungen bekämpfen. Einen Blick war es auf jeden Fall wert.

Er schob sich so vorsichtig so weit wie möglich zwischen Rumpf und Grabenwand entlang, versuchte zu ergründen, wie viel Platz ihnen im Falle eines feindlichen Angriffs für die Verteidigung blieb.

Es war nicht viel.

Vielleicht hatte er an der Front mehr Platz, um dort vielleicht einen der schweren Bolter aus dem Innenraum des Sturmtransporters aufzustellen.

In seinem Kopf gestaltete sich bereits ein Plan, als er sich mit einem Fuß von der Walküre abstieß und sich auf die Erde wuchtete. Vorsichtig, mit eng an den Boden gepresstem Körper, robbte er an der Seitenwand des gemordeten Sturmtransports entlang, um ja niemanden auf sich aufmerksam zu machen.

Man konnte nie wissen, wann sich plötzlich eine Grünhaut aus einem Krater erhob und sich vor Wut brüllend auf einen warf. Blieb nur zu hoffen, dass er vor dem Transporter eine gute Deckung fand, um sich einen besseren und längeren Überblick über das Gelände verschaffen zu können.

Er umrundete gerade die Walküre, als ihn der Anblick erstarren ließ. Für einen Augenblick glaubte er, einem stinkenden Feld aus biologischem Abfall gegenüber zu liegen, das durch Artilleriebeschuss zerfetzt worden war, doch schnell merkte er, dass dem nicht so war.

Er würgte und versuchte, seine Übelkeit nieder zu kämpfen.

Sie waren genau am Rand eines Leichenfeldes herunter gekommen. Keine zwei Meter trennten ihn vom ersten zerfledderten Leib eines Toten.

Die Toten trugen die nachtschwarzen Uniformen der ehemaligen Planetaren Verteidigungsstreitkräfte von Agos Virgil.

Viele tote Orks – mehr als zehn Mal so viele wie Menschen – säumten ebenfalls das Feld.

Dies musste die Schlacht gewesen sein, die nur wenige Stunden vor dem Eintreffen der ersten Imperialen Truppen hier stattgefunden haben sollte.

Der Sergeant hatte so etwas in der Art erwähnt: Agos Virgils Planetare Verteidigungsstreitkräfte hatte, mit Hilfe unterbesetzter imperialer Streitkräfte, die Orks mehr als zwei Wochen lang aufgehalten und war schließlich unterlegen.

Diese kalte Beschreibung strafte der Szenerie Lügen.

Er fühlte sich, als würde er Inseln in mitten der grünen See betrachten – und über allem schwebte dieser unerträgliche Gestank der Verwesung.

Rahael hielt es nicht mehr aus – er erbrach sich direkt auf die blutgetränkte Erde.

***

Währenddessen hatten Gorak und Melbin den verletzten und bewusstlosen Lenhim in die sie weit überragende Deckung des Walküren-Rumpfs geschleppt und brachten nun mit sichtlicher Mühe den bewusstlosen Corporal Rebis ebenfalls dorthin.

»Thron von Terra – der Corporal wird allmählich schwer«, brummte Gorak. »Er sollte wirklich mehr Sport machen und weniger essen.«

»Noch weniger essen? Und noch mehr Sport?«, warf der muskulöse Melbin ein. »Was willst du? Seinen Posten?«

Auch die anderen beiden Überlebenden des Trupps, Grouphan und Hougner, hatten sich von ihrem Schock erholt und Ausrüstung aus dem abgestürzten Sturmtransporter geborgen.

Sichtlich erschöpft und verstört versuchten sie nun, ein Funkgerät in Betrieb zu nehmen. Das Gerät jedoch weigerte sich beharrlich, die Bemühungen der beiden jungen Soldaten zu belohnen und blieb stumm.

Während Hougner den Tornister immer wieder drehte und ihn auf Beschädigungen kontrollierte, griff sich Grouphan in unregelmäßigen Abständen an die Ohren, bohrte darin oder schlug dagegen, als versuche er, sie von irgendwelchem Schmutz oder Matsch zu befreien, der sich darin festgesetzt hatte.

Nichts Ungewöhnliches für jemanden, der einen Absturz durchmachen musste.

Die älteren Soldaten mutmaßten, dass er entweder eine Art Hörsturz oder einen Tinitus vom Lärm oder der nervlichen Belastung davongetragen haben musste. Gorak und Melbin nickten einander stumm zu und entschlossen sich, den beiden jüngeren zu helfen.

Während Melbin damit fortfuhr, in die Walküre zu klettern und weitere Ausrüstungsgegenstände zu bergen, ging Gorak zu Hougner und Grouphan und ließ sich bei ihnen auf die Knie sinken. Er klopfte den beiden Fluchenden auf die Schultern und lächelte sie an.

»Beruhigt Euch. Es bringt nichts, wenn Ihr kopflos auf das Ding einhämmert.«

Grouphan sah ihn verzweifelt an. »Aber wie sollen wir es dann in Betrieb nehmen?«

Schulterzuckend deutete der ältere Soldat auf die erloschenen Runen, die den Betriebsstatus des Funk-Tornisters anzeigten. »Es hilft ungemein, wenn man es einschaltet.«

Mit an Panik grenzender Erleichterung griff Hougner an den Energieregler und schaltete ihn ein.

Einen kurzen Augenblick lang gab das Gerät nichts außer Rauschen und Pfeifen von sich, dann plötzlich konnten sie wütendes Gezeter und Befehle vernehmen, die in schneller Reihenfolge gegeben wurden. Meldungen und Anfragen folgten und neue Befehle wurden gegeben.

Überglücklich stellten sie fest, dass sie nicht vom Funkverkehr abgeschnitten waren.

»Na ja«, murmelte Gorak. »Wenigstens ein Erfolg.«

Er lächelte wieder beruhigend. »Also dann, Jungs. Lasst uns sehen, ob man uns hören kann. Hougner, Ihr Auftritt.«

Der junge Cadianer sah ihn aus seinen braunen Augen fragend an, bis er verstand. Er schüttelte eilig den Kopf. »Ich … ich …«

Er verstummt, als ihn Goraks eindringlicher Blick traf. »Ich vertraue Ihnen, Hougner.« Er wies auf Grouphan neben sich, der noch immer an seinen Ohren spielte. »Er hat einen Schaden am Gehör, den ich gleich erst einmal untersuchen muss. Daher sind Sie der Einzige, der uns helfen kann. Außerdem verfügen Sie über die weit beste Funkerfahrung von uns.«

Das war zum Teil natürlich gelogen und das wussten sie. Aber es beruhigte Hougan etwas und lenkte sein Denken auf eine andere Aufgabe.

Er flüsterte ein Gebet und griff nach dem Mikrofon. Ein weiteres Gebet folgte, bevor er auf die Sprechtaste drückte.

»Hilfe! Hilfe! Hilfe! Walküre 1208 abgestürzt! Unsere Position ist unbekannt! Kann mich jemand hören?! Hilfe! Hilfe! Hilfe!«

Dann ließ er die Sprechtaste los.

Keine Antwort.

Gorak wies ihn an, den Funkspruch noch zwei Mal zu wiederholen – mit dem gleichen Resultat.

Verzweifelt sahen Grouphan und Hougner zu dem älteren Soldaten auf, der stirnrunzelnd dastand und sich fragte, wieso, im Namen des heiligen Throns, ihr Komruf nicht beantwortet wurde.

Er nahm Hougan das Mikrofon aus der Hand und versuchte es selbst. Keine Antwort.

»Melbin!«, rief er. »Wir erhalten keine Antwort. Was ist da los?«

Der massige Cadianer ließ sich federleicht von dem Wrack auf die Füße fallen und lief zu ihnen. Er sah sich den Funktornister kurz an und brummte eine Verwünschung, bevor er sich aufrichtete. »Das Gerät ist in Ordnung. Sieht so aus, als wenn wir in den Gefechtsmeldungen unterzugehen scheinen«, stellte er fest. »Vielleicht sollten wir es in einem anderen Jargon versuchen?«

Ein nachdenklicher Moment der Stille folgte.

»Versuch es im Basteter Gefechtsjargon«, forderte Gorak Hougner auf, der sich trotz seiner kurzen Zeit im Basteter Regiment bereits ausführlich mit der Fernmeldesprache der Rand-Imperialen beschäftigt hatte und übergab das Mikrofon wieder an ihn. Höchstwahrscheinlich war es nicht das bereits umfangreiche Wissen des jungen Cadianers über die Fernmeldesprache der Basteter, das Gorak, den bei weitem erfahrensten Soldaten der Anwesenden, veranlasste, ihn wieder mit dieser Aufgabe zu vertrauen.

Erst langsam und unsicher, dann immer sicherer, begann er, den gleichen Funkspruch im Aegyus-Gotisch der Basteter zu wiederholen: »Auxilium! Auxilium! Auxilium! Walküre 1208 occidit! Nostrum locum ignotus est! Audior a quicumque?! Auxilium! Auxilium! Auxilium!«

Er murmelte zuerst, sprach dann immer sicherer und brach zum Schluss selbst nicht ab, als ihm Melbin mit seiner riesigen Pranke auf die Schulter klopfte und ihm dabei beinahe die Schulter zertrümmert hätte.

Jetzt würden sie gerettet werden.

Melbin verfolgte, wie Gorak Grouphan beiseite nahm und seine Ohren kurz untersuchte, bevor er beruhigend auf ihn einredete.

Als sich der massige Cadianer wieder umwandte, um Hougner zu beobachten, lenkte ihn ein neues Geräusch ab.

»Leute«, ertönte eine schwache, kraftlose Stimme. »Hey, Leute!«

Alle wandten sich um. Rebis war erwacht. »Leute, wenn Ihr weiter so einen Lärm macht, dann werden uns die Orks zuerst finden. Also haltet gefälligst die Klappe.«

Betretenes Schweigen setzte ein, nur durch die Signale, die aus dem Funktornister kamen, gefüllt.

Niemand freute sich, dass der Corporal noch lebte oder dass er wieder erwacht war. Allen wurde plötzlich klar, wie sehr sie sich in Gefahr gebracht hatten.

»Oh, verdammt«, murmelte Melbin. »Tut uns leid, Corp.«

Rebis wuchtete sich hoch und winkte ab. »Lassen Sie es gut sein und helfen Sie mir lieber. Ich brauche einen Statusbericht, danach kümmern wir uns um den Rest.« Er sah sich um. »Sind das alle, die überlebt haben?«

Hougner schüttelte aufgeregt den Kopf. »Nein, nicht ganz.«

»Was soll das heißen?«, fragte der Corporal. Als er in die Gesichter der Anwesenden blickte und das betretene Schweigen darin sah, musste er unwillkürlich seufzen.

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***

Rahael schluckte schwer und wischte sich die Tränen fort, als er erkannte, dass er nur noch würgte, sein Körper aber keinen Inhalt mehr freizugeben hatte.

Vorsichtig kroch er an seinem Auswurf vorbei und bemühte sich, nicht zu dicht an die von Wolken schwarzer Flug-Insekten bedeckten Leichen zu kommen.

Einige der Insekten hatten bereits die frische Nahrung entdeckt und lösten sich in Trauben von den Toten, um über das Gemisch aus Magensäure und halb verdauten Nahrungsmitteln herzufallen.

Langsam robbte er weiter auf der Suche nach einer geeigneten Deckung.

Er seufzte leise und schluckte noch einmal, um den lästigen Geschmack nach Säure aus seinem Mund zu bekommen. Dann spie er aus und entdeckte dabei die Mulde, die direkt vor den zermalmten Sensoren am Bug des Sturmtransporters entstanden war.

Das konnte man durchaus als günstige Deckung bezeichnen.

Mit hastigen Bewegungen, in der Hoffnung aus dem Gestank um sich zu gelangen, glitt er an der Flanke des Wracks entlang und rollte sich in die Mulde. Sie war nicht halb so hoch, wie er gehofft hatte und bot ebenfalls zu wenig Platz, um zwei oder mehr Männer aufzunehmen. Wer hier kämpfte, würde allein sein und wäre außerdem nur leicht geschützt.

Fast enttäuscht sah er sich um in der Hoffnung, etwas zu entdecken, das als bessere Deckung ...

Etwas fiel ihm ins Auge. Zuerst wusste er nicht, was es war.

Doch dann, als er den Blick noch mal in diese Richtung lenkte, richtete er sich sofort auf einen der am Boden liegenden Körper.

Er wäre ihm vermutlich nicht einmal aufgefallen, wenn nicht die Insekten einen großen Bogen darum gemacht hätten, als wenn sie verabscheuten, was sich darin befand – oder es nicht bemerkten.

Dazu kam noch die merkwürdige, rötlich-weiße Färbung des ungewöhnlichen Körpers.

»Was ist denn das?«, fragte er sich. Er wusste nicht, warum, aber er wollte unbedingt untersuchen, was er da entdeckt hatte. Seinen Auftrag hatte er vollkommen vergessen.

Mit energischer Kraft, den unmenschlichen Gestank um sich vergessend, wuchtete er sich aus der Deckung und robbte an zerfetzten Toten vorbei auf den ungewöhnlichen Körper, offensichtlich ein Schutzpanzer oder etwas ähnlich massives, zu. Was mochte das sein – und vor allem, von wem?

Er musste es herausfinden – er musste!

Angewidert verzog er das Gesicht, als er in etwas Weiches fasste. Er hielt inne und sah an sich herunter.

Sein Blick offenbarte, dass er unvorsichtiger Weise direkt in den aufgesprengten Magen eines Orks gegriffen hatte. Seltsam grünes, widerlich stinkendes Zeug tropfte von seiner Hand, als er diese zurückzog und er musste ein neuerliches Würgen unterdrücken.

Schnell wischte er seine Hand an einem Kleidungsfetzen des Orks ab, welcher nicht anders als der Mageninhalt roch, und kroch weiter. Als er näher kam, konnte er deutlichere Formen zu erkennen

Es musste der Körperpanzer einer Frau sein. Die Linien verliefen viel enger und weicher als die der wuchtigen Rüstungen, die von der Imperialen Armee oder dem Adeptus Astartes verwendet wurden. Außerdem passte das hellblonde Haar kaum zu den gewaltigen, genmanipulierten Superkriegern, von denen er immer wieder gehört hatte.

Und zu guter Letzt war die Servorüstung sehr viel kleiner als ihre mächtigen Pendants.

Es war zwar nicht viel von der Figur der Trägerin zu erkennen, aber sie schien dennoch gut proportioniert zu sein.

Erst glaubte er, sie habe sich im Blut der Toten gewälzt, doch dann ging ihm auf, dass ihr Körperpanzer eine blutrote Farbe besaß. Der weißliche Waffenrock, gleich einem Epitrachelion der Ekklesiarchie, lag auf der blutdurchtränkten Erde und hatte bereits einen leichten rötlichen Farbton angenommen.

Ein Frau, dachte er. Eine Kriegerin in einem blutroten Panzeranzug.

Er hatte bereits Kriegerinnen gesehen, besonders die Frauen Cadias waren geübt im Umgang mit Waffen, doch eine hier zu finden, mitten auf dem Schlachtfeld, das war eine vollkommen andere Erfahrung. In der Imperialen Armee gab es seines Wissens nicht viele Regimenter mit dienenden Frauen. Ihnen waren spezielle Eliteeinheiten der Ekklesiarchie vorbehalten.

Wie würde sie wohl aussehen? Ähnlich geschunden wie Rebis oder Carrick, die vom Dutzenden von Schlachten gezeichnet waren? Welche Narben mochten ihr Gesicht wohl zieren? Vielleicht sah er gleich in das Gesicht einer blutdurstigen Vollstreckerin.

Ein leichter Schauer zog über seinen Rücken.

»Im Namen des Imperators!«, flüsterte er und kämmte die Haare der Bewusstlosen zur Seite. Sein Herz begann wilder zu schlagen, als er die Hand nach ihr ausstreckte und ihren Kopf zur Seite drehte, um sie besser sehen zu können. Ein fast noch kindliches, schmales Gesicht mit den zarten, ebenmäßigen Zügen der Perfektion kam zum Vorschein.

Erschrocken wich er zurück.

Die Frau schien beinahe noch ein Mädchen zu sein mit heller, makelloser Haut.

Hohe, fast majestätische Wagenknochen und ein schmaler, sinnlicher Mund mit eisfarbenen Lippen verliehen ihr selbst im Schlaf eine geradezu kühle, strenge Schönheit

Wie ein mit Schnee bedecktes Feld im Winter: Gleichzeitig kalt und abweisend – aber auch auf eine magische, gerade zu überirdische Weise wunderschön.

Es sah aus, als wäre einer der Engel gefallen, von denen er in der Schola immer so viel gehört hatte. Die, welche vom Imperator aufs Schlachtfeld entsandt wurden, um die Sterbenden zu sich zu holen.

Im Gegensatz zu allen anderen Toten war dieser Körper nicht verletzt, jedenfalls konnte er keine Verletzungen erkennen.

Der sinnliche Mund mit den zarten, eisfarbenen Lippen war zu einem leichten Lächeln verzogen, so als hätte sie Spaß an dem gehabt, was hier geschehen war.

Ihr Ausdruck war so friedlich, dass man hätte glauben können, sie würde nur schlafen.

Tränen verschleierten Rahaels Blickfeld. Der beißende Gestank kehrte zurück.

Er war so mit sich selbst beschäftigt, dass er die Rufe Corporal Rebis nicht hörte, die über das zerstampfte Feld aus Toten hallten und ihm wüste Verwünschungen entgegen schleuderten, bevor sich der Riese Melbin über die Grabenwand wuchtete und mit unerwarteter Agilität zu ihm aufschloss.

Er hasste das Universum. Er hasste das Imperium. Er hasste den Imperator. Er hasste Agos Virgil. Er wollte einfach hier weg.

Was war das für eine Galaxis, in der Engel auf dem Schlachtfeld starben? Nur das Chaos war so grausam, jeden seiner Diener in den Krieg gegen das restliche Universum zu schicken. Der Imperator hätte es doch nie zugelassen, dass einer seiner Engel durch Feindes Hand den Tod fand … oder doch?

»Was ist los mit dir?«, fragte Melbin den regungslosen, weinenden Mann neben sich, als er ihn erreichte.

Rahael antwortete dem älteren Cadianer nicht. Stattdessen starrte er nach wie vor apathisch auf den bewusstlosen Engel in ihrer blutfarbenen Rüstung, von der das mit Blut beschmutzte Epitrachelion und die papyrusweißen Gebetsschriften wie tote Lianen herab hingen.

Als er keine Antwort erhielt, zog sich Melbin ein Stück vor, um selbst einen Blick auf das zu erhaschen, was den jüngeren Soldaten so sehr fesselte und zugleich bestürzte.

»Eine Schwester«, murmelte er überrascht und versuchte, ihr Gesicht etwas zu drehen, um sie selbst besser betrachten zu können. Auch er zuckte ob der ebenmäßigen Schönheit der jungen Frau kurz zurück, als wage er es nicht, sie anzufassen, dann jedoch fing er sich wieder.

Er wandte sich um und vollführte eine kurze, vertikale Winkbewegung mit der linken Hand.

Gorak und Rebis sahen sich an. Hatten Rahael und Melbin etwas Interessantes entdeckt?

Keiner der Soldaten bemerkte, wie sich die Linien ihrer Armee hinter ihnen immer weiter in ihre Richtung verschoben.

Alle hatten nur Augen für die Linien der Orks und ihre Kameraden, die mitten auf dem Feld zerfetzter Leichen lagen, gut sichtbar für alle Gegner und damit wie auf dem Präsentierteller.

In diesem Augenblick krachte es laut.

Die in der Deckung befindlichen Männer fuhren herum. Über den eigenen Linien stiegen orangerote Feuerblitze auf. Dünne Rauchspuren zogen in Richtung der fernen Wolken davon. Eine ganze Salve von ihnen erhob sich in die Luft.

Er war unverkennbar: Der imperiale Angriff hatte begonnen!

»Verdammt!«, murmelte Rebis. Er wirbelte herum und schrie in Richtung der beiden auf dem Feld Liegenden: »Ihr blöden Idioten! Sie beginnen zu schießen! Kommt sofort zurück!«

Ferner Geschützdonner hallte über die Ebenen und unterstrich seine Worte auf grausame Weise.

Im Vorfeld wandte sich Melbin um und murmelte eine häretische Verwünschung, als er die Spuren der in den Himmel rauschenden Granaten entdeckte. Wie viele Salven mochten wohl bereits unterwegs sein?

»Los, komm!«, sagte er eindringlich zu Rahael, um ihn vom Anblick der Frau loszureißen. »Wir müssen zurück!«

»Bitte«, flehte der junge Cadianer, als er durch die Worte des älteren Soldaten von ihr losgerissen wurde. »Wir dürfen sie nicht zurücklassen.«

»Wir müssen.«

»Nein!« Rahaels Stimme war fest. »Ich werde nicht ohne sie gehen.«

Einige Sekunden lang lagen sie sich gegenüber und maßen einander die Blicke. Schließlich, nach einigen Herzschlägen mehr, gab Rahael nach und sah weg.

»Ich ahne schon, dass mich das in des Chaos Küche bringen wird«, brummte Melbin, erhob sich seufzend auf die Knie und ignorierte die wütenden Schreie Corporal Rebis, er solle gefälligst wieder in Deckung gehen.

In diesem Augenblick versank die Welt um sie herum in Krach, Hitze und Staub. Die Einschläge – gefühlte fünfzig – langen verdammt dicht bei ihnen.

Erde, Splitter und zerfetztes organisches Material regneten auf sie herab.

Als sich der Vorhang aus aufgewirbeltem Dreck lichtete, entdeckte Melbin etwas, das ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ: Die Orks kamen!

Es waren Grots – eine verdammt große Schar Grots. Unirdische Geräusche hallten über die zerschlagene Ebene.

»Rahael!«, schrie Melbin und schob seine massige Arme unter die Panzerung der Frau, um sie mit sich zu ziehen. Der junge Cadianer starrte ihn panisch an und begann, sich verwirrt um die eigene Achse zu drehen, wie ein Roboter, dessen widersprüchliche Eingaben sein Programm vollkommen durcheinander werfen.

»Schieß, verdammt noch mal, schieß!«, schrie Melbin wieder und setzte sich in Bewegung.

Endlich reagierte Rahael. Er erhob sich auf ein Knie und begann, mit seinem Lasergewehr zielgenau Feuerstöße abzugeben.

»Grouphan! Hougner!«, gellte Rebis durchdringende Stimme über das Feld. »Sofort hier …«

Der Rest ging im Krachen von Explosionen unter. Wieder versank die Welt in Staub, der in Massen auf sie herab regnete.

In ihren Ohren rangen Pfeiftöne um die Vorherrschaft mit den fernen Schreien des Corporals.

Als er, halb betäubt durch Druckwellen und Explosionsdonner, etwa ein Viertel des Weges zurückgelegt hatte, fiel Melbin auf, dass Rahael ihm nicht folgte. Wie festgewurzelt kniete er noch immer an der Stelle, an der er das Feuer eröffnet hatte und schoss nach wie vor auf die angreifenden Orks. Wenn er noch länger hier blieb, dann würde er sterben.

Seufzend ließ Melbin die gepanzerte Frau zu Boden sinken und fasste sie neu, um sie sich auf seinen breiten Rücken zu hieven, dann kämpfte er sich zurück und griff Rahael am Kragen seines Kampfanzugs. Als er sich sicher war, dass er seinen Truppkameraden fest gepackt hatte, machte er sich auf den Rückweg zu der schützenden Deckung, in der die anderen auf ihn warteten.

Heftiges Laserfeuer flammte von dort auf und deckte den wuchtigen Cadianer, der die bewusstlose Kriegerin in ihrer schweren Panzerrüstung trug und den wild um sich schießenden und schreienden Rahael hinter sich her zog.

Dann traf die nächste Salve der Basilisken – und zerfetzte die angreifenden Grots, als hätten sie nie existiert.

Melbin schickte dem Imperator ein kurzes Dankesgebet – als er entdeckte, wie viele Orks sich plötzlich aus ihren Deckungen erhoben und auf sie zu stürmten, hätte er es fast in eine Verwünschung umgewandelt.

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4

»Ausrichtung auf drei-eins-fünf – Zielmarkierung grün auf sechs-fünfhundert!«, tönte es aus dem Funkgerät.

Leise heulten die einige hundert Meter entfernten Motoren der Basilisk-Lafetten, als sie sich nach den neuen Zielen ausrichteten. Das unnatürliche Geräusch jagte Major Carrick einen kühlen Schauer über den Rücken, während er dem gehetzten Funkverkehr im Kommandozelt lauschte.

Die gewaltige Kriegsmaschinerie des Imperiums war angelaufen und bewegte sich nun gleich einer riesigen Woge Wassers auf den Gegner zu, um ihn unter tausenden von Stiefelsohlen zu zermalmen.

»Wie sieht es aus?«, brummte die Stimme von Galard Ekko seelenruhig durch das Chaos. Sie war kaum zu vernehmen.

Carrick wandte sich ihm zu, doch sein Bewusstsein befand sich noch immer irgendwo außerhalb des Kommandozelts.

Das Brüllen der Artilleriebeobachter, die auf den Lafetten standen, klang als unverständliches Wirrwarr von außen ins Zelt.

Für einen Moment schlug Carrick das Herz zum Hals, denn er wusste, dass die mächtigen Geschütze ihre Feuerkraft jetzt gleich zum Einsatz bringen würden – und derart viele Basilisken auf einmal beim Schießen aus derart großer Nähe – war für ihn eine Erfahrung, die er nie zuvor gemacht hatte.

»Die Truppen …«, begann er, brach jedoch gleich darauf wieder ab, als durch das Funkgerät der Feuerbefehl ertönte.

Das Krachen der Abschüsse drang von außen herein.

Die Kommandozentrale erzitterte nicht, sie bebte wie bei einem Volltreffer.

Zwei Gläser, die auf dem Tisch standen, sprangen in die Luft und zerbarsten, als sie auf den Boden schlugen.

Sämtliche Anwesende hielten sich wie von einem Raubtier gebissen die Ohren zu.

»Verdammt!«, bellte Ekko, als die Geschütze nachluden und sich die erste Artilleriesalve auf dem Weg befand, in Richtung der unsichtbaren Selbstfahrlafetten. »Warum müssen diese Angeber eigentlich zweihundertsechsunddreißig Basilisken gleichzeitig feuern lassen?«

Dann zentrierte er seine Aufmerksamkeit zurück auf Carrick. »Also«, wiederholte er. »Wie sieht es aus?«

Endlich kam der Major zu seiner Antwort. »Die Truppen der Cadianer haben mit dem Beschuss der feindlichen Stellungen angefangen. Ihre Infanterie hat sich in Bewegung gesetzt und folgt unserer. Bei den Borodianern und den Panzerzügen des Desposia herrscht immer noch Verwirrung vor, aber sie beginnen sich bereits zu sammeln.«

Ekko nickte. »Sehr gut. Wir stoßen weiter frontal vor und werden versuchen, die Orks mit konzentrierter Feuerkraft aufzureiben.«

»Verstanden, Sir.«

Der Colonel nickte. Er warf einen Blick auf die holografischen Darstellungen des Daten-Globus und verfolgte, wie sich ein breiter Keil aus stilisierten Trupps des Imperiums über die Ebene bewegte, direkt auf die roten Linien des Feindes zu.

Die Basilisken begannen wieder zu feuern, jetzt aber einzeln. Jede Sekunde schoss ein Geschütz.

Man konnte die Disziplin der Cadianer nur bewundern. Sie hatten sich als erste von dem unerwarteten Vorstoß der Basteter erholt und ihre eigene Offensive begonnen, um den Anschluss an das angreifende Regiment nicht zu verlieren.

Dem tobenden General Iglianus war nichts anderes übrig geblieben, als sämtlichen Truppen den Angriff zu befehlen.

Tatsächlich hatte sich sogar ein taktischer Vorteil für die Imperiale Armee ergeben. Vollkommen überrascht von dem Angriff hatten sich einzelne Ork-Truppen aus ihren Stellungen erhoben und waren auf die Linien des Imperium zugestürmt, nur um unter den herandonnernden Artilleriesalven der Basilisken und Sturmangriffen der Walküren und Vendettas zerrissen zu werden.

Ein Glück. Es hätte auch anders ausgehen können.

Ekko wusste, dass dieser überstürzte Angriff nur seinem Wunsch, Lenhims Männer zu retten, entsprungen war. Es war nicht einmal sicher, dass überhaupt noch einer von ihnen lebte. Und dafür lastete jeder Tote, der ab jetzt zu beklagen sein würde, auf seinem Gewissen.

Ein verdammt hoher Preis für ein unsicheres Unterfangen. Er seufzte. Wieso hatte ihm das Universum nur eine derartige Bürde auferlegt?

Der Colonel fasste sich mit der Hand ans Kinn und rieb sich über die Barstoppeln. »Diese beschissene Galaxis sollte mich einfach vergessen, wie sie jeden Soldaten vergisst, der sein Leben für das Imperium gibt. Aber nein! Nein! Sie macht mich zum Colonel und dekoriert mich! Was ist das für eine himmelschreiende Ungerechtigkeit?«

»Colonel?«, fragte Carrick, der das Brummen seines Kommandeurs nicht verstanden hatte.

Ekko warf einen beiläufigen, abwesenden Blick zu Carrick und entdeckte den neben ihm stehenden Ligrev. Der Kommissar hatte die Augen verengt und musterte ihn scharf.

Er schien genau mitbekommen zu haben, was Ekko gemurmelt hatte. Verdammt seist du, Kolwa Ligrev.

»Ich habe einige taktische Überlegungen angestellt«, sagte er etwas lauter und wandte sich wieder dem Daten-Globus zu, um zu verfolgen, wie die Truppen auf der durchschimmernden Darstellung der Oberfläche weiter vorrückten.

Bis jetzt kamen sie gut voran und hatten noch keinen Feindkontakt gehabt – aber es waren noch fünf Kilometer über freies Gelände – und das im Laufschritt? Irgendwann würde der Vormarsch ins Stocken geraten und dann wären die Orks in der besseren Position für einen Gegenangriff.

Was soll ein Soldat machen, der bereits erschöpft ist und dann noch kämpfen soll? Er kannte das Gefühl. Während seiner Zeit in den Basteter PVS-Regimentern hatte er einmal gegen Rebellen kämpfen müssen, die sich auf einem Berg eingegraben hatten. Unter seinen Männern war es damals zu einem Blutbad gekommen, als sie nach dem beschwerlichen Aufstieg zum Angriff durch einen anwesenden Kommissar-Oberst gezwungen wurden.

Seine Gedanken wanderten kurz zurück zu den damaligen Tagen und erneute Wut über die Ungerechtigkeit des Universums stieg in ihm auf.

Er schoss einen weiteren Blick zu Ligrev, der gerade zwei Stabsoffiziere mit seinen Aufgaben beschäftigte und schwor sich, Kolwa Ligrev, der arroganten Inkarnation einer für ihn längst obsoleten Organisation der Imperialen Armee, wann immer möglich, Widerstand zu leisten.

Doch er erinnerte sich im gleichen Atemzug daran, dabei möglichst vorsichtig zu sein.

Das letzte, was Galard Ekko wollte, war durch die Hand seiner eigenen Leute zu sterben, selbst verschuldet und als Häretiker oder Verräter abgestempelt. Das war nicht seine Vorstellung eines Todes, wie er ihn sich wünschte.

»Colonel!«, meldete einer der Funker und drückte sich die Kopfhörer an die Ohren. »Wir haben Bewegung im Vorfeld bei der abgestürzten Walküre!«

Ekko und Carrick sahen sich kurz an, dann stürmten sie aus dem Zelt, ließen den fluchenden Ligrev hinter sich zurück.

Der Major nahm sich einen Feldstecher von einer Ablage am Eingang, der Colonel trat vor den Eingang und entwendete dort eines aus den Händen eines verdutzten Gefechtsbeobachters.

»Wo?«, fragte er.

Carrick ließ seinen Feldstecher an die Augen wandern und suchte das entfernte Vorfeld ab. Ein kurzer Blick auf die vorrückenden Truppen, dann ließ er seinen durch die elektronischen Lichtverstärker des Feldstechers schärferen Blick über das trostlose, zerstampfte Vorfeld wandern. Einen Moment später hatte er die Walküre entdeckt.

Kaskaden aus kohärentem Licht flackerten auf, zuckten als lange Strahlen in Richtung angreifender Orks, während mächtige Erdfontänen rings um den zerschlagenen Sturmtransporter aufstiegen.

Es dauerte einen Moment, bis er erkannte, dass dort nicht sinnlos umher geschossen wurde.

Er musste den Feldstecher erst neu justieren, dann hatte er in mitten des wütenden Feuergefechts den mit Steppentarn gekleideten Mann entdeckt.

»Da vorne«, sagte der Major. »Das ist einer von uns.«

»Melbin«, murmelte Ekko neben ihm. »Das ist eindeutig Melbin.«

Carrick nickte unmerklich. »Das stimmt. Aber was, beim heiligen Thron, schleppt er da – und wen zieht er hinter sich her?«

Sie wussten es nicht, aber das war auch egal. Wichtig war zu wissen, dass Männer überlebt hatten. Damit war Ekkos Aktion nicht vollkommen umsonst gewesen.

Rings um die Absturzstelle gingen Granaten nieder.

Schwere Druckwellen schleuderten Erde und Gestein in gewaltigen Fontänen in die Luft und zerfetzten die angreifenden Orks zu Dutzenden.

Melbin marschierte unberührt weiter, durch seine Last in die Knie gedrückt.

Durch den Feldstecher konnten die Offiziere erkennen, wie sich Laserkaskaden durch die angreifenden Grünhäute schnitten.

»Ich zähle vier, nein, fünf!«, rief Carrick aus.

»Dann haben Sie eine ganze Armee zum Angriff geschickt, nur um höchstens sechs Männer zu retten«, ertönte eine leise Stimme neben ihnen. »Ich hoffe, Sie können mit den Verlusten leben.«

Ekko nahm den Feldstecher von den Augen und wandte den Kopf.

Ligrev war neben ihnen aufgetaucht. Vor seinem Gesicht ruhte ein Feldstecher, mit dem er das Umfeld der Walküre beobachtete, während er seine eigene Umgebung scheinbar ignorierte.

In Wirklichkeit jedoch war der Kommissar äußerst aufmerksam.

Ekko lächelte grimmig. »Das geht schon.« Und noch einmal seiest du verdammt, Kolwa Ligrev.

»Sie nehmen das Umfeld des Wracks unter konzentrierten Beschuss«, bemerkte Carrick und veranlasste den Colonel, seine Aufmerksamkeit zurück auf die Walküre zu konzentrieren.

Erdfontänen schossen in die Höhe, zerfetzten Orks und ließen ihre Körperteile als schmutzigen Regen auf die Erde zurückfallen.

»Oh, der war knapp«, kommentierte der Major einen Einschlag, der die improvisierte Verteidigungsstellung in einem Staubregen zurückließ – leergefegt von jeglichem Leben.

Es dauerte fast atemlose fünfzehn Sekunden gefühlter Ewigkeit, bis sich wieder Leben regte. Erneut flackerten die Laserkaskaden auf.

Erschrocken stellten die Offiziere fest, dass sich jetzt, da die imperiale Armee nahte, hunderte von Orks aus ihren Stellungen erhoben.

Und die abgestürzte Walküre lag direkt in ihrem Weg.

»Thron von Terra, wir müssen etwas unternehmen«, murmelte Carrick.

Ekko nickte. »In der Tat. Das müssen wir.«

»Die Männer sind verloren!«, fuhr Ligrev ihn an, als er den Feldstecher von den Augen genommen hatte. »Die Feinde sind zu zahlreich!« Und hoffentlich schnell genug, dass sie Lenhim vor uns erreichen, setzte er in Gedanken hinzu.

»Das werden wir sehen!«, bellte Ekko zurück und wirbelte herum, auf der Suche nach ...

»Sie!«, schrie er einem Sergeant zu, der aus dem Turmluk einer vorbei rasselnden Chimäre auf die Schlacht sah. »Sofort stehen bleiben.«

Der Sergeant, ein Cadianer, starrte den Colonel an und blieb einen Augenblick regungslos stehen, dann gab er den Befehl zum Halten. Abrupt stoppte der Schützenpanzer und gab so dem Basteter die Möglichkeit aufzuschließen.

»Name?«, fragte er.

»Gren Krood, Sir«, meldete der Unteroffizier. »Sergeant der dreiunddreißigsten Kasrkin.«

»Kasrkin«, murmelte Ligrev entrüstet. Verdammt, dieser Ekko hatte viel zu viel Glück.

Das unsichtbare Grinsen des Colonel konnte er förmlich spüren. »Sehr gut. Für den Verlauf der Operation unterstelle ich Sie meinem Kommando. Informieren Sie Ihren Vorgesetzten darüber, dass Sie an einer Sonderoperation des 512. Regiments Sera teilnehmen.«

Für einen Augenblick schien der Sergeant zu überlegen, ob er gegen den Befehl protestieren sollte, dann entschied er sich jedoch anders.

»Ja, verstanden«, antwortete er und verschwand im Luk. Einige Sekunden vergingen, dann öffneten sich die Hecktüren und zehn mit schweren Plattenrüstungen gepanzerte Soldaten traten an die vom Schießen der Basilisken erfüllte Luft.

Sofort trat Sergeant Krood vor Ekko und meldete seinen Trupp. »Sergeant Gren Krood meldet den Fünften Trupp der dreiunddreißigsten Kasrkin zu Ihrer Verfügung. Wo brauchen Sie uns?«, erkundigte sich der Cadianer.

Ekko warf einen Blick auf Ligrev und Carrick, die hinter ihm standen, bevor er mit einem unmerklichen Grinsen antwortete: »Sie werden mich begleiten – bei einer kleinen Operation.«

»Sir, ich ...«, wollte Carrick in plötzlichem Verstehen protestieren, doch Ekko ließ ihn nicht ausreden. »Es geht um einen unserer Walküre-Sturmtransporter, die im Vorfeld gelandet ist. Die Besatzung und der Stoßtrupp, den der Transporter zur Front befördern sollte, haben sich dort als Vorposten eingeigelt und dirigieren das Artilleriefeuer von ihrer vorgeschobenen Position.« Er seufzte leise. »Leider haben diese Idioten sich dabei zu weit vor gewagt und sind damit ins Kreuzfeuer der vorrückenden Orks geraten. Damit sie nicht überrannt werden, will ich sie verstärken – und mich gleichzeitig selbst davon überzeugen, wie die Lage ist. Ich brauche dafür gute, kampffähige und -willige Männer, die mich unterstützen.«

Der Sergeant warf einen Blick auf seine Soldaten. »Wir stehen hinter Ihnen, Sir.«

Carrick und Ligrev sahen sich an. Der Major schüttelte grinsend den Kopf, der Kommissar versuchte gar nicht, seinen angewiderten Blick zu verbergen. Verdammt, Ekko verstand es, die Tatsachen umzudrehen, um jemanden für sich zu gewinnen.

»Sehr gut!« Der Colonel fuhr herum und pfiff durch die Zähne.

Es verging ein Moment, bis der Zelteingang zum Leben erwachte. Aus dem improvisierten Kommandozentrum tauchte einer der beiden Funker mit einem schweren Funkgerät auf dem Rücken auf.

Auf seinem Helm prangte das Regimentsfunkerzeichen.

Soldat Gireth war ursprünglich der dienstjüngste Regimentsfunker des 512. gewesen und bei Neustrukturierung des Regiments zu Ekkos ›persönlichem‹ Funker geworden. Er hatte eine stark gebräunte Haut, wie sie für die Bewohner der sandigen Äquatorebenen Bastets typisch war und durchdringende, braune Augen.

Ekko nickte ihm zu und nahm das Mikrofon, das ihm von dem Soldaten entgegengehalten wurde.

»1208 Ignifier, 1208 Ignifier, hier 0072 Azrael – hören Sie mich? Kommen!« Er unterbrach sich, fuhr herum und adressierte Carrick. »Major, Sie besorgen uns eine Walküre.«

Der Major nickte und verschwand im Kommandozelt. Jeder Appell an die Vernunft wäre zwecklos gewesen.

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5

Hustend und keuchend und mit klingelnden Ohren kam Rebis wieder auf die Beine. Er schien eine Ewigkeit betäubt gewesen zu sein durch … ja, durch was eigentlich?

Als er seinen Kopf über die Grabenwand hob, konnte er erkennen, dass nur drei Meter vor ihnen ein Tremorgeschoss niedergegangen zu sein schien.

Ein tiefer Granattrichter war dort entstanden, wo vor kurzem noch Melbin mit seiner Last und Rahael gewesen war.

»Melbin!«, schrie er in den tosenden Lärm, der sich in seinen Ohren wie das sanfte Rauschen des Meeres anhörte. »Melbin!«

Vor einem Moment noch hatte der riesige Soldat seinen Kameraden vor den Orks gerettet, im nächsten waren er und der jüngere Soldat vom Antlitz Agos Virgils getilgt worden.

Als nächstes würden er und der Rest der Männer den angreifenden Grünhäuten zum Opfer fallen. Einen Augenblick lang hielt der Corporal inne und lenkte seine Gedanken zurück auf sein Leben auf Bastet, an dem er als einziger Mensch nicht mehr teil hatte.

Er dachte an seine Frau, die in ihrem gemeinsamen Haus nun womöglich bis ans Ende ihrer Tage allein leben müsste, an seine früheren Freunde, die er nun nie wiedersehen würde – selbst, wenn er das hier überlebte – und erinnerte sich an die Jahreszeiten Bastets, die Überschwemmungsperioden und Dürrezeiten. All das würde er nie mehr erleben.

Dann entschied er sich, seine Konzentration wieder auf den Feind zu dirigieren. Wenn er schon untergehen musste, dann würde er es in Ehre und mit einem Feuerwerk tun.

Außerdem nahte die Befreiungsstreitmacht. Mit etwas Glück würden er und die Männer vielleicht doch überleben.

Rechts von ihm kamen Gorak und Hougner ebenfalls keuchend auf die Beine und legten sofort wieder an, um die angreifenden Orks zu beschießen. Grouphan kniete noch immer am Boden und schlug sich gegen die blutenden Ohren. Rebis vermutete, dass ihm gerade die Trommelfelle geplatzt waren.

Die Geschosse eines Ork-Bolters ließen die Erde vor ihm aufspritzen. Er kniete sich hinter die Grabenwand und lehnte sich zu Grouphan hinüber.

»Komm hoch!«, rief er und zog den jungen Soldaten mit sich hoch. »Zeigen wir es denen!«

Sein Lasergewehr spie kohärentes Licht aus der Deckung. »Die sollen uns kennen lernen! Für den Imperator!«

Er hatte sich gerade wieder umgewandt und einen Ork zersiebt, als in seinen Augenwinkeln die Mündung eines Schweren Bolters auftauchte und seine Konzentration abermals vom Feind ablenkte.

Neben ihm stand Melbin und hielt die große Waffe in seine Hüfte gepresst. Erstaunt stellte der Basteter fest, dass es eine der schweren Waffen war, die sie aus der Walküre geborgen hatten.

»Melbin.« Erleichterung ließ sich von Rebis Stimme in Richtung des Cadianers tragen. Der nickte ihm zu. »Corporal.«

»Ich dachte schon, Sie wären tot.«

»Ich auch.« Gewaltige Flammenstöße leckten aus der Mündung des Bolters zu den Orks hinüber und mähten mehrere Boyz nieder.

Rebis wandte sich um und entdeckte Rahael, der auf dem Boden vor dem kniete, was Melbin auf seinem Rücken getragen hatte.

»Rahael!«, fuhr er ihn an. »Wenn Sie uns mit Ihren Kampffertigkeiten unterstützen wollen, dann sagen Sie Bescheid!«

Der junge Cadianer sah auf und blickte den Corporal an. Tränen liefen über sein Gesicht. Er sah verzweifelt aus.

Von einer neuerlichen Geschosssalve, die von Melbin tödlich beantwortet wurde, in Deckung gezwungen, nahm sich Rebis die Zeit, genauer zu betrachten, was der Grund für seine letzten cholerischen Ausbrüche gewesen war.

Überrascht stellte er fest, dass es eine Schwester des Adeptus Sororitas war. Heißkalte Schauer liefen über seinen Körper.

Eine Sororita. Wie jeder Basteter fürchtete sich Rebis vor den fanatischen grausamen Schwestern des Adeptus Sororitas, die im Namen der Ekklesiarchie Säuberungen durchführten und mitunter ganze Planeten von Leben reinigten.

Auf Bastet hatten die Ordensschwestern bereits oft gewütet und tausende von Menschen als Häretiker, als Ketzer an der Göttlichkeit des Imperators, hingerichtet.

Aus seiner Familie war noch keiner mit den Schwestern gegangen und nie zurückgekehrt, aber es gab genügend Basteter, die er kannte und denen es so ergangen war.

Rebis starrte das liebliche Gesicht der Sororita an.

Sie schlief in friedlichem, tiefem Schlummer, der nicht einmal durch das wütende Feuer der Waffen um sie herum gestört wurde.

Hinter ihm heulte Melbin einen Kriegsschrei und ließ den Schweren Bolter in seinem Händen Tod und Verderben speien.

Ja, das passte. Die Lieblichkeit der Schwestern im Kontext zur Gnadenlosigkeit und Grausamkeit, mit der sie lebten. Oh ja, das passte wirklich.

Wieso nur hatte Rahael die Sororitas gerettet? Verdammter Cadianer!

»Ist sie tot?«, rief er, um den Gefechtslärm zu übertönen.

Der junge Soldat schüttelte verstört den Kopf.

Sie lebte also – lebte und würde wieder im Namen des Imperators Unschuldige ermorden. Und wegen diesem Miststück vergoss Rahael Tränen?

»Was ist los mit dir?«, brüllte er. »Warum heulst du?«

»Wie kann man einen Engel einfach sterben lassen?«, fragte Rahael weinend.

Rebis schlug ihm ins Gesicht. »Sie ist kein Engel! Und sie ist nicht tot!«

Aber vielleicht konnte man die Gefühle des Cadianers gegen ihn verwenden. Der Corporal lehnte sich vor und zog den blinzelnden und taumelnden Soldaten auf die Beine. »Hoch mit dir!«, fuhr er ihn an. »Wenn Sie leben soll, musst du kämpfen!«

Rahael starrte ihn apathisch an, dann hob er sein Lasergewehr und gab die ersten Schüsse auf die angreifenden Orks ab.

»Sehr gut!«, brüllte Rebis. »Machen wir sie fertig!«

Jetzt müssten nur noch unsere Leute eintreffen, dachte er. Dann haben wir sogar eine Überlebenschance.

Mit triumphierendem Knacken erwachte das Funkgerät zum Leben: »1208 Ignifier, 1208 Ignifier, hier 0072 Azrael – hören Sie mich? Kommen!«

Für einen Moment blieb Rebis wie angewurzelt stehen, dann stürzte er an das Funkgerät.

Seine vor Aufregung zitternden Hände umfassten das Mikrofon und pressten sich auf die Sprechtaste. »0072 Azrael, 0072 Azrael, hier 1208 Ignifier – wir hören Sie! Bitte kommen!«

Wieder schallten aus den Lautsprechern des Funkgeräts für einige Zeit nur uninteressante Gefechtsmeldungen und Befehle, während sich das Feuergefecht um ihn herum intensivierte.

Grouphan war gerade dabei, das Magazin seines Gewehrs zu wechseln und wurde dabei von Hougner und Rahael gedeckt. Gorak vor ihnen feuerte mit tödlicher Präzision auf die vorstürmenden Orks, von denen einer nach dem anderen inmitten der funkelnden Laserkaskaden fiel.

Auf der anderen Seite stand Melbin allein und mähte gerade einen Trupp Grots mit dem Schweren Bolter nieder.

Das Funkgerät rauschte wieder. »Guten Tag, Rebis. Wie ich höre leben Sie noch. Wie sieht es denn aus?«

Der Corporal hätte vor Freude beinahe aufgelacht. »Colonel!«, rief er. »Es ist schön, Sie zu hören.«

»Ja, ich freue mich auch jedes Mal. Also – wie sieht es bei Ihnen aus?«

Rebis ließ seinen Blick noch einmal über die Kämpfenden schweifen und entdeckte, dass sich die Orks bereits auf wenige Meter an ihre improvisierte Stellung herangearbeitet hatten.

»Es sind verdammt viele Grünhäute hier«, meldete er. »Ich weiß nicht, was sie von uns wollen, aber sie kommen sehr zahlreich.«

Ekko auf der anderen Seite schwieg. Als er wieder zu sprechen begann, konnte man im Hintergrund das charakteristische, kreischende Jaulen der Turbojet-Triebwerke einer Walküre vernehmen. »In Ordnung. Wir machen uns jetzt auf den Weg. Halten Sie noch ein paar Minuten aus?«

»Wir werden e...«

Er hätte ihn beinahe nicht bemerkt.

Der Ork hatte sich über die ungedeckte Frontseite der Walküre und das Dach heran gearbeitet und stand plötzlich über der Heckluke.

Sein Schatten fiel auf die Erde und veranlasste Rebis, sich umzuwenden. »Im Namen …!«

Eine Sekunde später befand sich der fast drei Meter hohe Ork bereits wild brüllend in der Luft und schwang eine Furcht erregende, mit verkrustetem Blut bedeckte Axt in seine Richtung.

Der Corporal ließ sich nach hinten fallen uns rollte sich zur Seite weg. Der Ork landete bebend auf dem Boden.

Seine breite Axt ging auf das Funkgerät nieder und hieb es funkensprühend in zwei. Urplötzlich verstummten das atmosphärische Rauschen und die gehetzten Funksprüche und wichen durchdringender Stille, die nur durch den Lärm der tobenden Schlacht um sie herum gefüllt wurde.

Rebis versuchte, sich auf die Beine zu erheben, da hatte ihn der Ork bereits erreicht und packte ihn mit seiner riesigen, dreckigen Hand.

Der Corporal spürte, wie er in die Luft gehoben wurde. Im nächsten Herzschlag sah er den Boden rasch näher kommen.

Der Aufschlag traf ihn hart. Explosionsartig entwich sämtliche Luft aus seinen Lungen und er glaubte, alle seine Lungenbläschen müssten geplatzt sein. Der Ork beugte sich über ihn und brüllte ihn an.

Rebis sah die verfaulten Zähne, roch den stinkenden Atem und spürte die fast erdrückende Luft, die den schmutzigen Körper des riesigen Xenos umwaberte.

War das sein Ende? Würde er so in seinem Dienst für den Imperator sterben?

Der Ork erhob die Axt und grunzte.

Plötzlich war Melbins Arm hinter ihm. Der Ork brüllte auf, als er zurückgerissen wurde und erzitterte ob der Kraft, die ihn von den Füßen hob.

Ein riesiger Arm schloss sich um seinen Hals. Ein hässliches Knacken ertönte, dann segelte der tote Leib in eine Grabenecke.

»Danke«, keuchte Rebis. Melbin nickte und ließ den Bolter wieder sprechen.

Er hatte viel zu sagen.

***

Inzwischen hatte die Schlacht ihr blutiges Gesicht entfaltet. Wie von Ekko vermutet, gerieten die imperialen Truppen bei ihrem Ansturm ins Stocken, je weiter sie sich den orkischen Linien näherten.

Plötzlich standen Panzer und Läufer ohne Deckung dar, als die Infanterie zurückfiel. Es war Irrsinn gewesen, die Männer über die gesamte Strecke laufen zu lassen – eine Sache, die Ekko beim Geben seiner Befehle nicht bedacht hatte, bis es zu spät gewesen war.

Jetzt mussten die Männer ihre Kräfte erst wieder sammeln, um für den Ansturm gegen die Ork-Stellungen genügend Kraft und Energie zu haben.

Inzwischen jedoch waren sie in Reichweite der Orkwaffen gelangt. Die ihnen entgegenstürmenden Grünhäute hatten bereits begonnen, auf sie zu schießen. Leuchtspuren und Laserstrahlen wechselten die Fronten, erste Soldaten sanken verletzt oder sterbend auf die zerstampfte Erde.

Captain Retexer brüllte Befehle und trieb seinen Infanteriezug mit grimmiger Entschlossenheit vorwärts.

»Tötet Sie!«, schrie er. »Macht sie nieder und tötet sie! Für Bastet! Für unsere Lieben! Für den Imperator!«

Seine Laserpistole spie kohärentes Licht in die Luft.

Die Männer um ihn herum brüllten Siegeshymnen oder Gebete und zeigten die Überschwänglichkeit von zum Sieg marschierenden Soldaten.

Sentinel-Läufer und Höllenhund-Flammpanzer passierten sie links und rechts, füllten die Lücken zu den anderen vorrückenden Infanterietrupps.

Laserkanonen zischten heulend in Richtung der voraus liegenden Orkstellungen, die von hunderten Granaten aus den mächtigen Geschützen der Basilisk-Artilleriepanzer zermalmt wurden.

Walküre-Sturmtransporter kreischten über die Truppen hinweg und eröffneten das Feuer aus Multi-Lasern und Salvenraketenwerfern.

Eine Mauer aus Staub, Rauch und Flammen hüllte die feindlichen Stellungen ein.

Sergeant Kleit beobachtete seinen Vorgesetzten, der mit seiner Laserpistole in die Luft schoss, um die Männer anzutreiben und schüttelte ob der Energieverschwendung, unwillkürlich den Kopf. Was für ein Idiot, dachte er. Schießt sein Magazin noch vor dem ersten Feind leer.

Er hatte den Gedanken gerade zu Ende gedacht, als eine einsame Walküre im Tiefflug über die Bodentruppen hinweg kreischte und Kurs auf das rauchende Etwas nahm, das einmal der Sturmtransporter Ignifier gewesen war.

***

Ekko betrachtete grimmig die behelmten cadianischen Grenadiere, die mit ihm und Gireth im Truppenraum der Walküre saßen und sich in ihren Sicherungsgurten auf den baldigen Kampf vorbereiteten. Die Gesichter, die unter den gepanzerten Dreischichthelmen mit dem charakteristischen Typ XI Atemgerät verborgen waren, sprachen kein Wort und der Colonel konnte sich vorstellen, dass sie sich nicht einmal regten.

Das stetige Schaudern des Raumtransporters, das sich ab und an in heftiges Rütteln oder Sätzen ausmaß, Ekkos Magen in wilden Kapriolen umher tanzen ließ und grüne Farbe in das Gesicht von Gireth malte, schienen sie gar nicht mehr bewusst wahrzunehmen.

Er kannte die Disziplin der Kasrkin, ihren unerschöpflichen Glauben an das Imperium und die Ehre Cadias. Er wusste, dass sie nicht oft sprachen und besonders bei den regulären Truppen gefürchtet waren. Nein, das stimmte nicht ganz. Kasrkin waren im gesamten Imperium gefürchtet, denn sie unterschieden sich nur unwesentlich von Gardisten.

Und von Gardisten wusste man, dass sie die Elitetruppen der Elitetruppen der Imperialen Armee waren.

Er hatte sie sich immer als miniaturisierte Space Marines vorgestellte, die in verdeckten Einsätzen ihre Plattenrüstungen durch die Abwasserrohre irgendeiner Makropole zwängten.

Jetzt jedoch wusste er es besser. Die Kasrkin waren keinesfalls kleine, niedliche Space Marines. Man sollte sich wirklich vor ihnen in Acht nehmen.

Ekko wollte nicht behaupten, dass er in ihrer Gegenwart Angst spürte. Es war vielmehr Respekt – großer Respekt.

»Wir befinden uns jetzt im Anflug«, meldete der Pilot über Funk. Die Walküre neigte sich spürbar zur Seite.

Endlich kam Bewegung in die Kasrkin. Die Männer lehnten sich vor und begannen, ihre Ausrüstung ein letztes Mal zu kontrollieren.

Leises Pfeifen ertönte, als sie die Rückenergietornister ihrer Kantrael-Amp-7- Hochenergielasergewehre einschalteten.

Vor ihnen krachten die Schweren Bolter, als die Bordschützen der Walküre ihre Munitionsgurte in die Waffen einführten.

Auch Ekko machte sich bereit. Er zog die Laserpistole aus seinem Tiefziehholster und prüfte ihren Ladezustand, dann steckte er sie zurück und sah aus dem schmalen Sichtschlitz an der Seitentür.

Unter ihnen zogen die Linien der vorrückenden imperialen Armee entlang wie die Linien eines vielfarbigen Flusses, erste Laserstrahlen zuckten als schmale, glitzernde Linien durch die Luft. Dichte Rauchwolken und Explosionsfontänen stiegen auf, bildeten die grausame Kulisse eines tödlichen Gemetzels.

Vor wenigen Sekunden war der Funkkontakt zu Rebis plötzlich abgebrochen und der lähmenden Frage gewichen, was wohl passiert sein mochte. Ekko hoffte, dass er nicht Ohrenzeuge des Todes der Überlebenden von Ignifier geworden war.

Die Walküre machte einen heftigen Satz, heulte auf und stürzte dann in die Tiefe.

Durch den schmalen Sichtschlitz in der Tür konnte Ekko verfolgen, wie der Boden rasend schnell näher kam. In seinem Körper kämpften unterschiedliche Gefühle um die Vorherrschaft – Angst und Panik, Freude und Erwartung.

Er schluckte. Wenn er ehrlich sein sollte, war auch das nicht gerade eine Art zu sterben, wie er sie sich wünschte … auch wenn sie passend gewesen wäre.

Die Walküre fiel bis wenige Meter über dem Boden, dann schoss sie mit unglaublicher Geschwindigkeit über die Ebene.

Verschwommene Imperiale zogen unter ihnen durch, während sie weiter auf den Feind zu marschierten. Explosionen von Geschossen flammten auf und verschwanden nach Achtern, während aufgewirbelte Erde gleich einem schweren Regen auf die Außenpanzerung des Sturmtransporters prasselte.

Glitzernde Strahlen von Leuchtspurgeschossen fegten an ihnen vorbei. Ab und zu hörte man ein metallenes ›Pling‹, wenn sich eines der Geschosse verirrte oder sein Ziel traf.

Jetzt kam auch das nur als schwarzes Etwas sichtbare, leicht rauchende Wrack der abgestürzten Walküre in Sicht.

Ekko schluckte abermals, als er sah, was noch in Sicht gekommen war. Eine grüne Flut schwappte den Imperialen entgegen. Tausende und abertausende von Orks stürmten aus ihren zerbombten Stellungen.

Die mächtigen Explosionen von Tremorgeschossen in ihren Reihen schienen wie Steine, die man ins Wasser warf – vollkommen unbedeutend.

Bald schon würden sie die Männer an am Wrack überrollt haben. Wenn es jetzt noch Komplikationen gab, waren die Männer nicht mehr zu retten.

In diesem Moment krachte es laut. Die Walküre kippte zur Seite und schwenkte von ihrem Ziel ab.

»Schweres Feuer von allen Seiten!«, tönte es im Funk. »Wir müssen einen anderen Weg versuchen!« Ein neuerliches Krachen und das metallene Scheppern von Schrapnellen auf Ceramit unterstrichen die Worte des Piloten.

Gireth ließ einen Schrei ertönten und klammerte sich an eine der Statuen neben sich.

Ekko aktivierte den Hörclip in seinem Ohr, indem er sich dagegen tippte.

»Verstanden«, antwortete er. »Beeilen Sie sich.«

Uns bleibt nicht mehr lange Zeit.

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Vielen Dank für die vielen Views. Das sagt mir schon, dass die Leute sich die Story auf jeden Fall angucken. Würde mich trotzdem über Rückmeldungen freuen. Alles Vale

6

Ein weiterer Ork starb.

Für den Engel des Imperators!

Rahael kniete sich ab und wechselte gerade sein Magazin, als Grouphans Kopf neben ihm unerwartet explodierte. Ein verirrtes Boltgeschoss hatte ihn getroffen und seinen Schädel in eine breiige, rosafarbene Masse verwandelt, die sich explosionsartig zu allen Richtungen ausbreitete.

Rahael starrte den Körper seines Kameraden an, der einige Sekunden lang schwankte, als er die kinetische Energie des Einschlags absorbierte, und dann auf den Boden stürzte.

Für einen Augenblick konnte sich der junge Cadianer nicht bewegen, wusste nicht vor und zurück und blieb einfach vor dem Leichnam knien, das neue Magazin noch in der Hand.

Er wollte etwas sagen, aber die Worte blieben ihm im Hals stecken. Statt dem hilflosen Ruf, der ihm auf den Lippen gelegen hatte, entfuhr seiner Kehle nur ein Röcheln.

Seinen Kameraden auf derart schreckliche Weise sterben zu sehen, war ein schwerer Schlag für ihn.

Viel Schlimmer jedoch war zu wissen, dass er der Einzige zu sein schien, dem der Verlust ihres Kameraden aufgefallen war.

Melbin und Hougner feuerten weiter, ohne auf das zu achten, was in den eigenen Linien geschah.

Gorak lud ebenfalls gerade nach, warf ihm einen mitleidigen Blick zu und erhob sich dann wieder, um den Orks neue Wellen von Laserfeuer entgegenzuschleudern.

Rahael spürte eine starke Hand an seinem Arm, fuhr erschrocken herum und erkannte Corporal Rebis, dessen zerfurchtes Gesicht ihn ernst musterte.

»Du kannst nichts mehr für ihn tun. Kämpfe weiter«, sagte er, als würde er ihn beruhigen wollen. Erstaunlicherweise schrie er nicht.

In dem Moment fuhren die drei Schützen weiter vorne auf und sprangen auseinander.

»Vorsicht!«, schrie Gorak. Rahael und Rebis wandten sich um.

Hougner kreischte auf und feuerte hilflos mit seinem Lasergewehr in die Luft, als mehre Grots über die Grabenwand sprangen und sich auf ihn warfen. Einen tötete er mit seinem Lasergewehr, ein anderer sprang direkt vor die Mündung und wurde ebenfalls durchlöchert.

Der nächste Grot sprang Hougner an. Die Reaktion des Menschen war, für seine Lage, noch verblüffend. Der Gewehrkolben traf den kleinen, orkähnlichen Krieger wie eine Ramme und zerschmetterte sein hässliches Gesicht. Mit einem Aufschrei ging das Geschöpf zu Boden und blieb wimmernd liegen.

Noch ein weiteres Mal schoss der Gewehrkolben in die Menge der Angreifer, erwischte einen von ihnen und ließ ihn zu Boden gehen.

Dann allerdings hatten sie Hougner umzingelt.

Die Grots waren klein, nicht größer als Kinder, aber sie waren zahlreich. Er hatte keine Chance.

Als er, von mehreren kleinen Stichwaffen getroffen, laut schrie und um sich schlug, lief es Rahael kalt den Rücken herunter.

Er wollte gerade ein Gewehr auf die Feinde richten und in die Menge schießen, als Rebis vorpreschte.

Der Corporal hatte Lenhims Kettenschwert an sich genommen und ließ es umher schwingen, während Hougner von den Grots übermannt wurde.

Die jaulende, reißende Klinge schnitt sich durch die Angreifer und tötete drei, nein, vier, dann brachen neue Grots über die Grabenwand und sprangen ihn an.

Das Kettenschwert jaulte seine Todesmelodie, doch es brachte nichts. Die Feinde waren zu viele. Der Corporal musste seinen Versuch, den Soldaten zu retten, aufgeben. Er tötete drei weitere Grots mit dem Schwert und noch zwei mit der Laserpistole, dann zwangen ihn die Gegner, sich zurückzuziehen.

Sein Glück.

Einen Augenblick später krachte es laut. Eine Druckwelle warf Rebis und Rahael zu Boden und bespritzte sie mit einem Regen aus Fleischfetzen.

Da, wo vor einem Moment noch Hougner mit den Grots gekämpft hatte, lagen nun verstreute Leichenteile um die Krümmung eines kleinen Kraters. Sämtliche Grots waren tot, der junger Cadianer war verschwunden.

Doch kaum war der Weg frei geworden, stürmten bereits die nächsten Grünhäute über die Grabenwand.

Gorak erschoss zwei, die sich auf die beiden Körper von Lenhim und der Sororita stürzen wollten, dann erwischte ihn ein Laserstrahl. Der Brustpanzer und die Armaplast-Weste wehrten den Großteil der Energie ab, doch es drang immer noch genug durch, dass Gorak nach hinten taumelte und zwischen die beiden Körper fiel, wo er leblos liegen blieb.

Der Ork, der ihn getroffen hatte, überlebte nicht viel länger. Eine Laserkaskade aus Rebis Gewehr beendete sein Leben.

Doch wo ein Ork fiel, kamen zwei neue nach. Sie waren einfach zu zahlreich.

Melbin befand sich im Nahkampf. Mit zwei Äxten, die er toten Xenos abgenommen hatte, wehrte er sich gegen mehrere Angreifer.

Die Grünhäute wurden von der schieren Kraft und der Agilität des Mannes überrascht, der mit fast zweieinhalb Metern so groß wie einer ihrer mittleren Artgenossen war.

Einige von ihnen wichen zurück, als die beiden schweren Äxte federleicht durch die Luft sausten und sich in Körperteile schnitten.

Zwei weitere Orks starben heulend.

Rahael schoss wieder. Er traf einen Grot, verletzte einen Boy und traf noch einen, der dann wieder in der Menge verschwand.

Plötzlich war Melbin in seinem Schussfeld, griff an und tötete mit der Effizienz eines geübten Schlachters.

Rahael wandte sich zum Corporal um und entdeckte ihm im Kampf mit zwei eingebrochenen Boyz. Die beiden Xenos attackierten ihn von zwei Seiten. Rebis wehrte sich mit dem Kettenschwert und dem Lasergewehr. Man konnte ihm jedoch ansehen, dass er wegen der Konzentration, die der Kampf benötigte, bereits ermüdete.

Der Cadianer legte an und zielte. Wenn er daneben schoss, würde er nicht den Ork, sondern den Corporal töten – aber wenn er einen Angreifer traf,

dann nahm er seinem Vorgesetzten eine Last. Und bei dem, was der Corporal für ihn getan hatte, fühlte er sich dazu verpflichtet.

Eine weitere Sekunde verstrich, dann krümmte sich sein Finger um den Abzug.

Zischend schoss ein Laserstrahl aus der Waffe … und trennte einen Arm ab. Rahael keuchte auf, als er erkannte, dass es der Arm eines Ork gewesen war.

Der Xeno taumelte zurück, brüllte auf und verstummte, als ihm einen Moment später das Kettenschwert den Kopf von den Schultern trennte.

Ein kurzer, dankbarer Blick des Corporals folgte, dann flog das Kettenschwert zur Seite. Das Lasergewehr hieb vorwärts und krachte mit der Axt des anderen Ork zusammen.

Rahael wandte sich um, stellte den Regler seines Gewehrs auf höchste Energiestufe und feuerte seine Waffe in die Reihen der Angreifer. Schließlich waren ja genug da.

Ein weiterer Ork sprang über das Heck der Walküre und wollte sich von hinten auf Rebis stürzen, der sich noch immer mit dem anderen Angreifer

duellierte, doch Melbin war schneller.

Mit erstarrten Augen kippte der Xeno um, das Bajonett des Riesen war tief in seinen Kopf eingedrungen. Der Cadianer nahm sich keine Zeit, seinen Wurf zu kontrollieren. Die nächsten Orks stürmten bereits heran. Mit einem wütenden Schrei schwang er um seine Achse und nutzte die Bewegung, um seinem Gegner die Axt in den Nacken zu schlagen. Der Ork stolperte und fiel hin, da war Melbin bereits unter dem zweiten durch getaucht und rammte ihm im Vorbeilaufen die zweite Axt in den Bauch. Der Ork grunzte und stürzte.

Gleichzeitig hatte Rebis seinen Gegner aufgespießt und die Boltpistole des gefallenen Xeno gegriffen. Jetzt leerte er das Magazin im Bogen in die Angreifer.

Unirdische Geräusche klangen an, als die Grünhäute fielen und starben.

»Rahael!«, schrie Rebis. »Zurück mit Ihnen! Schützen Sie den Sarge und Gorak!«

Rahael taumelte aus der Nahkampfzone zurück zu dem Engel, Gorak und Lenhim, die wie tot auf dem Boden lagen.

In einiger Entfernung sah er imperiale Infanterie, die sie passierte und weiter vorstürmte. Explosionen und Erdfontänen stiegen rund um sie herum auf und beleuchteten oder verdeckten sie.

Ein neuer Ork stürmte über die Walküre und sprang in den Graben, der bereits mit Körperteilen übersät war.

Er hatte kaum den Erdboden berührt, als auch schon eine Laserkaskade aus Rahaels Gewehr durch die Luft schnitt und ihn durchlöcherte.

Als hätten sich seine Beine verknotet, strauchelte der Xeno vorwärts und fiel der Länge nach hin.

Der Cadianer atmete auf und seufzte. Er hatte verhindert, dass die Grünhäute sich in ihrem Rücken ausbreiten konnten.

Die Imperiale Armee näherte sich in einer breiten Front. Bald schon würden die Orks keine andere Möglichkeit haben, als sich gegen die vorrückenden Truppen zur Wehr zu setzen und von ihrem Angriffsziel abzulassen. So lange mussten sie noch …

Irgendetwas traf ihn im Nacken und schleuderte ihn fort. Er krachte auf den Boden und verlor seine Waffe. Die Luft entfloh seinen Lungen und ließ ihn japsend zurück.

Der junge Soldat wandte den Oberkörper, sah auf und entdeckte zwei Orks, die es über die Walküre geschafft hatten. Nachdem sie ihn hatten fallen sehen, waren sie von ihm abgewichen und untersuchten nun die drei auf dem Boden liegenden Körper.

Mit einem wütenden, verzweifelten Heulen kam Rahael wieder auf die Beine und warf sich gegen die beiden angreifenden Orks, um sie von seinem Sergeant und den beiden anderen abzulenken. Er hatte kein Gewehr mehr, nur noch sein Bajonett. Aber damit konnte er trotzdem noch immensen Schaden anrichten.

Brachial sprang er einen der beiden riesigen Xenos an und trieb ihm das lange Bajonett in den Rücken. Der Ork jaulte auf und schüttelte sich. Sein Artgenosse sah auf und begann, ihn anzubrüllen. Dann hob er einen riesigen Hammer und schwang ihn. Als Rahael, der sich noch immer fest an die glitschige, ekelig-grüne Haut des Xenos klammerte, begriff, was das bedeutete, war es beinahe zu spät.

Er ließ sich fallen und wurde durch die Luft geschleudert, als der Hammer ihn streifte und einen Herzschlag später auf die Stelle traf, an der er gerade noch geklammert hatte. Ein hässliches Geräusch, gleich dem brechender Baumstämme, ertönte, als sämtliche Knochen im Körper des Orks zerschmettert wurden. Der riesige Xenos fiel tot auf die von Artillerieeinschlägen bebende Erde. Sein Artgenosse brüllte.

Rahael fiel wieder hart. Er japste auf und versuchte, sich aufzurichten, als sich ein riesiger Fuß auf seinen Brustpanzer setzte und ihn eindrückte.

»Melbin«, keuchte er. »Hilfe!«

Der Riese hörte und sah ihn nicht. Er war von Orks eingeschlossen. Ab und zu konnte man noch einmal eine der beiden Äxte sehen, die durch die Luft schwangen und einen Ork fällten, dann verschwand er wieder.

Rebis erging es ähnlich. Nachdem er nun sämtliche in seiner Nähe befindlichen Waffen verschossen hatte, klammerte er sich an ein Seitenruder der Walküre und warf die letzten Handgranaten, die er noch bei sich trug.

Eine Reihe von Explosionen sprengte eine Gruppe von Grots auseinander, die gerade über die Grabenwand stürmen wollten. Dünne Raumspuren zeugten davon, dass sie von etwas unter Beschuss genommen worden waren, das aus der Luft kam.

Dann sah Rahael auch schon den Hammer, den der Ork erhob, um ihm das Gesicht zu zerschmettern. Er schien merkwürdig weit weg zu sein und sah unerwartet freundlich aus in dem in ihm aufsteigenden Nebel, der ihn mit einem Wohlgefühl erfasste und betäubte.

Die Schreie eines Todesengels – vielleicht eine Schwester des Engels, den er gefunden hatte – erfüllten die Umwelt. Der Ork sah auf.

Neben ihnen ging mit ohrenbetäubendem Kreischen eine Walküre nieder.

Noch während der Sturmtransporter sich Staub aufwirbelnd zu Boden senkte, glitten die Seitentüren auf und Schwere Bolter eröffneten das Feuer. Der Ork, der sich gerade auf den jungen Cadianer stürzen wollte, um ihm den Gnadenstoß zu verpassen, zerfetzte regelrecht – ebenso wie ein Dutzend andere, die mit Rebis und Melbin kämpften.

An den Flügelkanten befindliche Vertikalschubdüsen flammten auf und sandten heiße Triebwerksstrahlen Richtung Erde. Die auf dem Boden verteilte Orkkörper lösten sich in Flammen auf.

Der Sturmtransporter war noch nicht vollständig gelandet, da sprangen bereits die ersten Insassen hinaus, große, schwer gepanzerte Infanteristen mit Hochenergielasergewehren. Ihr Vorgehen war sehr viel organisierter und bedachter als das normaler Soldaten, dennoch eröffneten sie sofort das Feuer. Kaskaden bläulich-weiß glühender Strahlen schnitten sich in die Angreifer und fällten sie wie frisch gemähtes Gras.

Innerhalb weniger Sekunden hatte sich ein schützender Kokon aus gepanzerten Körpern um sie gebildet, die den feindlichen Angriff mit aller Macht zurückschlugen.

Fragmentgranaten krachten, Querschläger surrten durch die Luft.

Wie Geister glitten die unbekannten Soldaten vorwärts, scheinbar unbesiegbar und unverwundbar. Zwei der Männer stiegen über ihn hinweg, als sei er gar nicht existent und feuerten ihre hell blitzenden Waffen scheinbar wahllos in die Reihen des Gegners.

Rahael entdeckte in seinem verschwimmenden Sichtfeld die Umrisse eines Mannes mit Tornister auf dem Rücken. Er erkannte, dass es ein Funkgerät war und hätte beinahe gelacht.

Jetzt.

Jetzt, wo alle tot waren, trafen Verstärkungstruppen mit einem Funker ein.

Er hörte, wie der Mann etwas zu ihm sagte, verstand es jedoch nicht.

Dann sah er noch eine Person. Es war kein regulärer Soldat, sondern ein Offizier – oder ein Kommissar mit dunklem Mantel.

Er kannte diesen Mantel. Er gehörte …

Das Letzte, was Rahael sah, war das Gesicht von Colonel Ekko, der sich über ihn beugte. Ihm gehörte der Mantel!

Der Colonel. Sein benebeltes Gehirn riet ihm, noch eine Meldung zu erstatten, bevor sein Körper den Dienst versagte.

»Sir, wir haben sie gerettet«, flüsterte er schwach mit vollem Stolz. Dann fiel er in die Dunkelheit.

***

Um Sie herum hatte sich die Hölle geöffnet. Heftiges Bolterfeuer zwang Dutzende von imperialen Soldaten in Deckung.

Captain Retexer lag im Dreck und sah sich um. Sein Zug hatte in einem halben Dutzend Granattrichter Deckung gesucht und wartete auf das Ende des feindlichen Feuers. Um Sie herum wurden Soldaten gefällt. Ein Höllenhund explodierte und setzte die Umgebung in Brand. Mehrere Soldaten starben schreiend.

Die Orks kamen näher.

»Gefechtslinie bilden!«, brüllte der Captain und wedelte mit den Armen, als wolle er gleich wegfliegen. »Gefechtslinie bilden!«

Die Köpfe von Soldaten tauchten aus den Granattrichtern auf und legten an.

»Schwere Waffen gesichtet. Scheinen so etwas wie Granatwerfer zu sein«, drang die Stimme des Beobachters durch den Kommunikator an sein Ohr.

Fast im gleichen Moment heulte irgendeine Art von Rakete heran und sprengte ein großes Loch in die Erde. Dahinter stürmten die riesigen Körper der Grünhäute auf sie zu.

»Sir«, wandte sich ein Sergeant, der neben ihm lag, an ihn. »Wir sollten eventuell Feuerunterstützung anfordern.«

»Das Gebiet bombardieren lassen?«, fragte der Captain unwillig. »Sergeant, Sie wollen der Artillerie das Feld überlassen?«

In diesem Moment eröffneten weiter vorne einige Basteter das Feuer. Sie wollten ihre Linie gegen die vorstürmenden Orks verteidigen.

Heftiges Bolterfeuer antwortete. Die Männer wurden einfach überrannt. Schreie und wütendes Brüllen hallten über das Feld, während Retexers Männer hilflos verfolgten, wie die Grünhäute ihre Kameraden abschlachteten.

Jetzt lagen nur noch einige wenige Soldaten in ihren Explosionskratern zwischen seinem Zug und den Orks. Das Laserfeuer um sie herum intensivierte sich. Granaten explodierten.

Es stand außer Frage, ob sie ein Bombardement haben wollten. Tatsache war, dass sie es benötigten.

Retexer wandte sich um und winkte den Funker des Ersten Trupps zu sich. Der Mann kroch zu ihm. »Captain?«

»Fordern Sie sofort ein Artilleriebombardement an. Sie sollen das gesamte Gebiet beschießen!«

Der Funker sah ihn scharf an. Für einen Augenblick lang wirkte er unschlüssig, dann nickte er. »Verstanden – Artillerie, Artillerie, hier 5120401. Kommen.«

»Hier Artillerie. Wir hören«, antwortete die Stimme eines Artillerieoffiziers.

»5120401 erbittet Flächenbombardement gegen feindliche Einheiten, die in Richtung der imperialen Stellungen vorrücken.«

»Verstanden. Geben Sie die Koordinaten durch.«

Sofort ging ein halbes Dutzend Elektrofeldstecher nach oben und begann, die Gegend abzurastern, um die Entfernung zu den sich nähernden Schatten zu verifizieren.

Der Captain las die Anzeige ab und dachte kurz nach, dann wandte er sich um. »Koordinaten … Unsere Position plus drei-sechs-zwei Meter in nordöstlicher Richtung.«

Der Funker nickte, kontrollierte die Position und gab die neuen Informationen weiter.

Es dauerte einen Moment, dann bestätigte der Artillerieoffizier. »Verstanden. Sie erhalten eine Salve, dann werden wir unser Feuer wieder auf die feindlichen Stellungen konzentrieren.«

Das Funkgerät begann zu rauschen. »An alle Einheiten: Artillerieschlag! Artillerieschlag! Achtung: Artillerieschlag! Koordinaten Fünf-sechs-sechs-null zu drei-vier-acht. Feuer frei für alle Geschütze! Ende!«

Hinter den eigenen Linien blitzte es. Dünne Rauchfahnen stiegen in den Himmel.

»Volle Deckung!«, schrie Retexer und wedelte wild mit der Hand. Die Sergeants gaben die Befehle weiter. Einen Moment später war keiner seiner Männer mehr zu sehen.

Um sie herum brach plötzlich Hektik aus. Männer suchten Deckung, Panzer und Läufer stoppten oder legten den Rückwärtsgang ein, um den ankommenden Tremorgeschossen auszuweichen. Eine improvisierte Verteidigungslinie begann zu sich formieren.

Der ferne Geschützdonner wäre beinahe im Lärm der sie umgebenden Schlacht untergegangen. Die ersten Orks erreichten gerade die einzelnen Soldaten in den Granattrichtern vor ihnen, da versank die Welt in blutrotem Feuer.

Wellen aus konzentrierter Hitze dehnten sich aus und fegten über die improvisierte Stellung hinweg. Jeder suchte, so gut es ging, Schutz.

Retexer presste sein Gesicht in die nasse Erde und zählte endlose dreißig Sekunden, in denen die Basilisken das gesamte Areal vor den Trupps in eine Gluthölle verwandelten. Donner ungeahnter Intensität ließ die Erde erbeben. Wenn jetzt einer der Richtschützen nicht richtig aufgepasst hatte, dann würden die nächsten Sekunden hier recht aufregend.

Das Heulen und Brüllen der Xenos versiegte zwischen dem ohrenbetäubenden Lärm des Beschusses. Sie mussten zu Dutzenden, zu Hunderten zerrissen und zerfetzt worden sein.

Urplötzlich verstummte der Lärm. Der Beschuss war vorbei.

Stille breitete sich aus, legte sich einem Leichentuch gleich auf die vom Trommelfeuer zerstampfte Ebene.

Der Captain hob leicht den Kopf und lauschte in die Staubwolke hinein. Schreie und Stöhnen erfüllten die plötzliche Ruhe.

»In Deckung bleiben«, befahl er. Sein Befehl ging im Flüsterton durch die Reihen der Soldaten. Irgendwo heulten die Motoren eines Sentinels auf und kurz darauf konnte er das charakteristische Stampfen der Läuferfüße vernehmen.

War der Feind vernichtet? Oder würde er trotz allem dennoch zuschlagen?

Sekunden der Ungewissheiten kamen … und gingen vorüber. Wie ein Seufzen kehrte die Resignation in den Geist des Captains zurück, als er das nervenaufreibende Brüllen und das Heulen der meterhohen Xenos vernahm. Kurz darauf sah er sie aus den Staubwolken heranstürmen.

Er riss seinen Arm in die Höhe.

»Feuer!« schrie er, während er den erhobenen Arm in einer Sammelbewegung kreisen ließ, um allen zu zeigen, dass die gesamte Einheit gemeint war. »Feuer!«

Sofort warfen sich die Soldaten auf die Böschung ihrer improvisierten Schützenlöcher. Magazine knallten in ihre Fassungen, Repetierhebel knirschten, Energielevels wurden pfeifend aufgebaut.

Irgendwo neben ihm begann ein Bolter auf die angreifenden Orks zu feuern.

Der Imperiale Angriff geriet vollends ins Stocken.

***

2081 Virago unterschied nur eine Tatsache von allen anderen Sturmtransportern, die sich im Einsatz gegen die Orks befanden: Sie flog in die Gegenrichtung.

An Bord des kreischenden Luftfahrzeugs lehnte sich Ekko gegen die Panzerung und sah durch den engen Sichtschlitz an der Seitentür auf eine Schwadron Vendettas, die in Formation mit blitzenden Maschinenkanonen auf die mächtigen Rauchwolken zuhielten, die von den orkischen Stellungen aufstiegen.

Verdammt und verwünscht – was er mit seinem Befehl in Gang gesetzt hatte, war verheerender als alles, was er jemals zuvor gesehen hatte.

Wenn die Offensive beendet war, dann würde man ihn zur Rechenschaft für sein eigenmächtiges Verhalten ziehen. Es würde schon eines Wunders bedürfen, damit er diesen Tag überlebte. Nicht, dass er darauf hoffte.

Dieses Mal hatte er sich zu weit aus seinem Befugnisbereich gelehnt.

Leider bedeutete dass, dass er durch die Hand eines Offiziers aus den eigenen Reihen oder seine eigene Hand sterben würde.

Nicht gerade das, was er sich unter einem Tod vorstellte, wie er ihn sich wünschte.

Offensichtlich hasste ihn der Gott-Imperator mehr als er ahnte.

Ekko ließ seinen Blick durch den Truppenraum der Walküre schweifen. Jetzt, ohne schwer gepanzerte und kampfbereite Soldaten in seinem Innern, wirkte der Sturmtransporter auf traurige Weise leer und verwaist.

Das bekümmerte Jaulen der Triebwerke leistete seinen Betrag zur traurigen Stimmung der Maschine.

Ekko seufzte leise.

Es tat ihm leid, die Kasrkin zurückgelassen zu haben, aber für sie alle wäre kein Platz mehr gewesen. Krood hatte es verstanden. Mit grimmiger Entschlossenheit hatten er und seine Männer die angreifenden Grünhäute bekämpft und getötet, während ihr Funker immer neue Koordinaten für das massive Artilleriefeuer durchgegeben hatte.

Tapfere Männer. Verdammt gute Männer. Er wäre stolz darauf gewesen, sie in seinem Regiment zu haben.

Sein Blick wanderte zu den Verletzten und Toten, die auf dem Boden des Transporters lagen und saßen. Lenhim und sein Trupp, noch fünf Mann von einstmals zehn. Getötet innerhalb weniger Minuten auf den Ebenen von Agos Virgil, nachdem sie seit Gründung des Regiments in seinen Reihen gekämpft hatten.

Er hatte eigentlich nie die Gelegenheit erhalten, die Männer besser kennenzulernen, die er zu seinem ›persönlichen‹ Trupp gemacht hatte.

Was sie im Angesicht derart vieler Feinde geleistet hatten und was ihnen gelungen war, ließ sich nur ermessen.

Er hätte viel lieber gesehen und miterlebt, wie sie sich trotz des nahen Todes so tapfer verteidigten.

Dafür sah er jetzt drei bewusstlos auf dem Boden liegende Soldaten und zwei, die wortlos und mit apathischem Blick ihre verwundeten Kameraden versorgten.

Melbin und Rebis würdigten ihren Kommandeur keines einzigen Blickes, was er ihnen auch nicht verübeln konnte.

Die Männer waren durch die Hölle gegangen und daraus zurückgekehrt.

Nun würden die Kasrkin von Sergeant Krood ihren Platz übernehmen. Das tat ihm eigentlich noch mehr leid. Er hatte eine ihm vollkommen fremde Einheit in seinen Dienst gestellt und sie zurückgelassen, um seine eigenen Einheiten retten zu können. Das war nicht gerade das, was man von einem guten Offizier der Garde erwartete.

Beim Barte des Propheten der Heiligen Bastet, er wäre am liebsten vorn geblieben, um sich von den Orks abschlachten zu lassen, aber da gab es noch eine Sache, die ihn veranlasst hatte, zurückzukehren.

Diese Ordensschwester des Adeptus Sororitas hatte sein Interesse geweckt und ihn veranlasst, mit seinen Männern den Rückflug anzutreten.

Wieder glitt sein Blick in den Innenraum des Sturmtransporters, dieses Mal aber auf die blutrote Rüstung und das engelhafte Gesicht der jungen Frau, die auf dem Boden lag und deren Kopf sich beim unruhigen Flug der Walküre hin und her bewegte.

Wo kam sie her und was hatte sie hier gewollt?

Der Colonel lehnte sich zurück und seufzte leise. Wieder einmal hatte das Universum ihn um einen sinnlosen Tod betrogen.

Ekko wischte sein Hände in seinem dunklen Offiziersmantel ab und bemerkte, dass sie schweißnass waren.

Die Walküre legte sich in eine Kurve und flog die eigenen Linien an.

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Und das nächste Kapitel!

So, ich werde mich jetzt der Allgemeinheit anschließen und es als Textblöcke formatieren. Scheint ja eher Gang und Gäbe zu sein hier. Also, bis zum nächsten Mal!

7

Nahkampf!

Maschinenkanonen donnerten rechts von ihnen Leuchtspurmunition in die feindlichen Linien. Links fauchte der heiße Flammstrahl eines Höllenhund-Flammpanzers über die Granattrichter hinweg und senkte sich wie eine feuerrote Decke auf die anstürmenden Orks.

Ein Gewitter aus Laserstrahlen, Boltergeschossen und Flammstrahlen bildete eine fast undurchdringliche Mauer für die angreifenden Feinde, die in Scharen fielen.

Mächtige Explosionen warfen riesige Erdfontänen in die Luft, die als staubiger Regen auf die Erde zurückrieselten.

Feuerlanzen malten unheimliche Muster in die brennende, von Staub und Rauch erfüllte Luft.

Die Orks blieben hartnäckig. Sie hatten sich durch den Todeshagel bereits bis auf zwanzig Meter an die Imperialen herangearbeitet.

Bald waren sie zu nah, um sie mit schweren Waffen zu bekämpfen.

Neben Retexers Zug war bereits eine Maschinenkanone verstummt und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis auch die zweite … dann verstarb auch sie wimmernd, während sich ihre beiden Schützen mit ihren Lasergewehren ins Feuergefecht stürzten.

Aber das war nicht das einzige Problem. Allmählich gingen den Soldaten die Energiezellen aus und woher der Feind kam oder wie zahlreich er noch anrücken würde, wusste niemand. Die Lage war aber nicht ganz hoffnungslos.

Das Befehlschaos hatte sich gelegt und die Truppen begannen langsam, sich zu organisieren.

Mit heißen Abgasstrahlen und dünnen Rauchfahnen pfiffen Raketengeschosse über die die Verteidigungslinie zu den Orks hinüber.

Schwere Explosionen wirbelten kiloweise Erde und Extremitäten in die Luft.

Sergeant Kleit ließ seinen Kopf unter den Rand des Granatkraters tauchen, als Boltschüsse die Erde vor ihm aufwühlten.

Er nutzte die Zeit, um das Bajonett von seinem Gürtel zu lösen und an die dafür vorgesehene Halterung an seinem Gewehr zu pflanzen. Er hielt nichts von Pistolen.

Die fünf Männer, die mit ihm in der tiefen Mulde Deckung gesucht hatten, taten es ihm schweigend gleich.

Er sah die Entschlossenheit in ihren Augen und glaubte die Furcht zu riechen, die sich trotz aller Ausbildung und Erlebnisse den Weg durch die Poren ihrer Haut suchte.

Der Sergeant war sich sicher, dass sie im Angesicht des Feindes dennoch alle ihr bestes geben würden.

Er hob das Gewehr über den Rand des Trichters und gab einige ungezielte Schüsse in Richtung der Orks ab.

Ob er jemanden getroffen hatte, wusste, er nicht, aber nur einen Augenblick später war das auch egal.

Urplötzlich war ein drei Meter großer Xeno zwischen ihnen, schlug mit seiner bloßen Hand einem Soldaten den Kopf von den Schultern und brüllte Furcht erregend.

Kleit warf sich zur Seite, als das Ungetüm seine Faust niedergehen ließ, um den imperialen Sergeant mit einem Hieb zu töten, dann fuhr er herum und zog den Abzug seines Lasergewehrs durch. Kohärentes Licht flammte auf und stanzte Löcher in den Kopf des Angreifers.

Das Ungetüm brummte etwas Unverständliches und fiel vorn über, direkt auf Kleit.

Der Sergeant japste auf und versuchte, das schwere Gewicht von seinem Körper zu drücken, schaffte es aber nicht.

»Helft mir mal«, röchelte er, doch niemand war in der Lage, ihm zu helfen.

Zwei weitere Orks sprangen in den Graben und stürzten sich heulend auf die Männer.

Ein kurzer Nahkampf entbrannte.

Soldat Perus wurde von einem Bolter erwischt und fiel als toter Leib auf den Boden, noch bevor jemand reagieren konnte.

Der Schaft einer weitere Waffe traf Soldat Terin und schleuderte ihn zurück, doch im Gegensatz zu Perus rappelte er sich wieder auf und ließ sein Gewehr sprechen. Der Ork ging durchlöchert zu Boden.

Neben ihm hatte sich Corporal Aledan von seinem Schreck erholt und den zweiten Ork angegriffen. Sein Bajonet steckte tief im Hals der Grünhaut, aus dem eine eklige Pampe pulsierte. Der Corporal drehte und riss an seiner Nahkampfwaffe, um die Wunde zu vergrößern und seine Waffe wieder frei zu bekommen.

Der dritte Soldat, ein Mann, den er nicht kannte, hieb immer wieder mit seinem Gewehrkolben auf den erstochenen Feind ein, so als fürchtete er, die Grünhaut könnte wieder aufstehen.

Die Erde bebte.

Der tote Ork auf Kleit geriet ins Rutschen und der Sergeant konnte sich befreien. Er glaubte, die Artillerie habe ihr Feuer wieder auf das Vorfeld der imperialen Truppen konzentriert, doch ein kurzer Blick belehrte ihn eines Besseren.

»Nein!«, rief er aus und starrte entsetzt auf das stampfende Ungetüm, dass sich ihnen näherte.

Ein Killabot!

Killabots, die Kampfläufer der grünhäutigen Xenos, bullige Kampfmaschinen mit demselben ekelerregenden Gestank wie seine Erbauer und Furcht erregenden Waffen.

Sie waren die minderwertigen Gegenstücke zu den großen Cybots des Adeptus Astartes und besaßen entsetzliche Nahkampffähigkeiten.

Jetzt stand er hier und konnte nichts tun als zu warten, bis das Ungetüm ihn und seine Männer erreicht hatte und sie grausam tötete.

Er sah sich kurz um. Einen Krater links von ihnen stand eine verlassene Maschinenkanone, die Schützen lagen neben der Waffe im Dreck und schossen mit ihren Lasergewehren.

Rechts von ihnen wurden gerade Granaten geworfen, um anstürmende Xenos zu zerreißen. Nichts, was einen Kampfläufer gestoppt hätte.

Kleit sah zwei Orks auf sich zurennen und schoss. Er traf beide mehrmals und verfolgte, wie sie zu Boden gingen.

Der Killabot direkt vor ihm trampelte in einen tiefen Granattrichter und geriet ins Schwanken.

Für einen Augenblick glaubte Sergeant Kleit, dass das Ungetüm stürzen und damit unschädlich werden würde, aber seine Hoffnung wurde enttäuscht.

Der Ork-Läufer stabilisierte sich wieder und machte einige Schritte vorwärts, während Orks hinter ihm in den Trichter sprangen.

»Achtung!«, schrie er und duckte sich weg, in Erwartung des baldigen Todes.

Ein ultraheller Strahl traf die Vorderseite der Kampfmaschine, dann ein zweiter. Kleit sah auf.

Schlecht zusammengeschweißter Stahl barst und spritzte als Metallregen in alle Richtungen davon. Der Killabot taumelte rückwärts, wandte sich um seine eigene Achse.

Ein weiterer Laserstrahl traf.

Kleit fuhr herum und entdeckte einen hoch aufragenden Sentinel-Läufer, der langsam vorwärts schritt, begleitet von zwei anderen in cadianischem Tarn gemusterten Kampfmaschinen.

Ihre Lasergeschütze feuerten abermals. Das gleißende Licht ließ Kleit zurückzucken.

Der Killabot wurde durchlöchert und stürzte zurück in den Krater, den er gerade überwunden hatte.

Er begrub sämtliche Orks, die darin gewartet hatten.

***

Soldat Itias lag einige Meter weiter im Dreck. Als er von Bastet aus in das 512. Regiment versetzt worden war, direkt nach seiner Neugründung, war er voller Tatendrang und Illusionen über den Dienst für den Gott-Imperator gewesen.

Aber dann kamen sie auf Agos Virgil an und er erkannte, dass nichts so war, was es zu sein schien.

Seinem Kameraden war von einem Boltgeschoss der Kopf weggefetzt worden und nun teilte sich der junge Soldat den Granattrichter mit einer Leiche, aus der pausenlos Blut pulsierte.

Das Heulen von Artillerie, Rasseln von Panzer, Schreie, Schüsse und Befehle bildeten eine beständige Hintergrundkulisse, vor der Flammenwerfer fauchten, Walküren tödliche Ladungen von Bomben abwarfen und Männer starben.

Und dann war da der Gestank. Es stank nach Blut, gekochtem und gebratenem Fleisch und … nach Tod.

Er zitterte.

Die Waffe lag neben ihm im Dreck. Er hatte nicht einen Schuss abgegeben.

Stattdessen kauerte er sich zusammen und schrie †“ schrie so laut, als wolle er den Gefechtslärm übertönen. Er hoffte, den Gefechtslärm zu übertönen.

Nein, so hatte er sich gewiss nicht vorgestellt, in den Kampf zu gehen.

Eine Explosion ließ ihn zusammenzucken.

Er merkte, wie Erde und Steine auf ihn herab regneten. Große Brocken mussten es sein. Er presste die Augen fest zusammen und versuchte, sich nicht auf die Feuchtigkeit zu konzentrieren, die sein Gesicht, seine Uniform und seine nackte Haut benetzte.

Ein großer Brocken Erde rollte über seinen Körper. Er hob die Hand, um ihn wegzustoßen †“ bloß nichts, was ihn jetzt berühren konnte †“ und erstarrte. Das war gewiss keine Erde!

Furchtsam öffnete er die Augen, um im vielfarbigen Blitzgewitter des Grauens einen Blick auf das zu erhaschen, was ihm so einen Schreck eingejagt hatte.

Doch statt sich zu beruhigen, blieb sein Herz fast stehen. Eine Hand! Da krabbelte eine Hand auf ihm herum!

Gepackt von Panik stieß er die zuckende Extremität von sich weg, machte sich nicht einmal die Mühe, sein Gewehr zu greifen und sprang auf, um zu rennen.

Bloß weg von hier!

***

Captain Retexer sah den einzelnen Soldaten aufspringen und vorstürmen. Das war seine Chance!

Er sprang selbst auf, seine Laserpistole spie kohärentes Licht in die Luft.

»Vorwärts!«, schrie er und scheuchte die Männer aus seinem Krater auf. »Vorwärts! Für Bastet! Für unsere Lieben! Für den Imperator!«

Um ihn herum stürmten Soldaten los und stürzten sich wild schreien auf den Feind.

Heute würde der Tag sein, Ruhm und Ehre für sich und seine Familie zu erringen!

***

»Langsam geht er mir wirklich auf die Nerven«, brummte Kleit, als er sich ein paar Granattrichter weiter ebenfalls erhob und die Männer in den Deckungen um sich herum anspornte, sich in den Todeshagel über ihren Köpfen zu begeben. »Vorwärts! Zeigen wir es diesen Xenos!«

Promethium-Bomben fielen vor ihnen zwischen die Grünhäute und malten flimmernde Hitzebilder in die Luft. Laserkaskaden erhellten die Luft.

Wieder stürmte das Basteter Regiment allen anderen voran in Richtung der Orks.

***

Doktor Marith Calgrow verfolgte, wie Sanitäter weitere Verletzte ins Lazarett trugen.

Ihre Wunden waren vielfältig. Maschinen- und Sturmwaffen der Orks hatten Körperteile zerfetzt und schrecklich blutende Löcher in das Fleisch der Soldaten gerissen.

Von Flammenwerfern und Plasmawaffen verbrannte Körper zuckten, obwohl ihre Träger von den zurückgebliebenen Schmerzen gelähmt auf den Tragen lagen.

Schreie und schmerzerfülltes Stöhnen unterdrückten das Donnern der sich entfernenden Schlacht. Nur ab und zu brach eine Explosion oder das Salvenschießen der Basilisk-Schwadrone irgendwo vor dem Lazarett durch den Lärm, der um sie herum herrschte.

Immer wieder wurden schreiende Männer mit grausamen Wunden hereingetragen, während draußen Sanitätschimären rasselten und Lastkraftwagen röhrten. Ab und an heulte eine Walküre heran und lud Verletzte aus, bevor sie sich wieder in die Luft erhob und neues Personal an die Front beförderte.

Diese Szenerie, so schrecklich sie auch sein mochte, war ihr durchaus vertraut.

Calgrow war seit vielen Jahren Ärztin in den Reihen der Imperialen Armee, hatte zuerst in verschiedenen Regimentern ihrer Heimatwelt Cadia gedient, war später dann als Unterstützung zum 512. Regiment Sera gewechselt †“ und hier geblieben.

Was genau sie verschlagen hatte, an der Seite des Verrückten Galard Ekko und seines Zehntregiments zu bleiben, konnte sie sich selbst nicht genau erklären, doch vielleicht war es der Stil, mit dem der Colonel seine Truppen führte.

Hier hatte sie genau das wiedergefunden, was sie in den Regimentern von Cadia immer vermisst hatte.

Calgrow hatte die Schola Progenium abgeschlossen und war als Kommissarin in die Imperiale Armee eingetreten, da sie durch ihr inspirierendes Vorbild die Männer und Frauen hatten anleiten wollen.

Ihr war daran gelegen gewesen, in den Fußstapfen von Helden wie Ibram Gaunt, Ciaphias Cain und Yarrick den Truppen voranzustürmen und ihnen Kampfgeist einzuhauchen.

Doch mit der Zeit hatte sie erkennen müssen, dass man mit inspirierendem Verhalten nicht verhindern konnte, dass die Männer wie wertloses Getier fortgewischt wurden, dass man neue Soldaten rekrutieren musste und die Regimenter nach jeder Schlacht um etliche Trupps oder gar Züge aufgefüllt werden mussten. Vor allem aber, als ein guter Freund und ehemaliger Mit-Absolvent der Schola vor ihren Augen den Tod fand, weil der zuständige Kommissar den Mann lieber erschoss, als die dringend benötigte medizinische Unterstützung zukommen zu lassen, war ihr Vertrauen in die Rechtmäßigkeit ihres Tuns tief erschüttert worden.

Geschockt und geprägt von diesem Ereignis hatte sie sich entschieden, den Weg einer Militärärztin einzuschlagen.

Bereits kurz darauf war sie, dank ihrer Macht als Kommissarin, in die Reihen des Officio Medicae gelangt, dem Department für medizinische Versorgung der Imperialen Armee. Dort hatte sie sich weiterbilden lassen und war schließlich neu in den Dienst eingetreten †“ dieses Mal als professionelle Stabsärztin, angegliedert an die Hauptquartiere diverser Regimenter, bevor sie mit dem 512. Sera das erste Mal in Kontakt gekommen war.

Die eigenartige Art der Soldaten, ihre Sprache und ihr Wesen hatten sie zuerst erschreckt, besonders ihr Colonel. Galard Ekko war ihr von Anfang wie ein lebensmüder Irrer vorgekommen, der in ihr stets den Wunsch geweckt hatte, ihn mit allen möglichen Ressourcen zu disziplinieren.

Sie hatte ihn erst als Menschen erkannt, als sie seine Geschichte erfuhr und sah, wie sehr er sich um seine Männer kümmerte. Trotzdem, ihre Voreingenommenheit blieb, ebenso, wie er gegenüber ihr voreingenommen war.

»Macht Platz!«, rief eine tiefe Stimme noch durch den Lärm im Lazarett und ließ Calgrow aufhorchen.

In diesem Moment trat der Colonel höchstpersönlich durch die Tür des Lazaretts. In seinen Armen trug er einen leblosen, noch vom Steppentarn und der dunklen Oberkörperpanzerung des 512. geschützten Körper. »Zur Seite! Ich bringe einen Verletzten.«

»Was ist passiert?«, fragte sie kurz angebunden und dirigierte ihn zu einer leeren Liege, die man zu einem improvisierten Untersuchungstisch umfunktioniert hatte.

Sanitäter und Melbin trugen die anderen leblosen Körper zu weiteren Untersuchungstischen.

Ekko legte den blutenden Körper auf den Tisch und brummte unwillig. »Er war zu mutig.«

Calgrow beugte sich über den Verletzten und hob erschrocken die Augenbrauen. Es war der junge Cadianer Rahael. Sie hatte ihn bereits wenige Tage nach seiner Versetzung ins 512. kennen gelernt †“ und fast sofort ins Herz geschlossen.

Dass er ihr geholfen hatte, als sie ein gutes Dutzend Instrumente nach einem Wutanfall über den Boden verteilt und tränenverschmiert versucht hatte, sie wieder zusammenzusammeln, schmälerte diesen Eindruck kaum.

Ihn jetzt so hilflos, mit erstarrtem Gesicht und vollkommen ohne Leben zu sehen, erfüllte sie mit Mitleid.

Doch noch bevor sie überhaupt Gelegenheit bekam, näher darüber nachzudenken, übernahmen automatische Abläufe in ihrem Kopf die Kontrolle über ihr Handeln.

Sie durfte sich von ihren Gefühlen nicht überwältigen lassen.

Während sie den Verletzten untersuchte, murmelte sie in Ekkos Richtung. »Klingt irgendwie nach ihm. Haben Sie ihn gerettet?«

Das Kopfschütteln, mit dem er antwortete, sprach beinahe Bände.

»Das wiederum klingt nicht nach Ihnen.« Fast allen im Regiment war Galard Ekkos Ruf bekannt, ein Draufgänger zu sein, aber nur ganz wenige wusste, weshalb er sich so selbstlos in jede Schlacht warf. Calgrow konnte nicht umhin sich zu fragen, ob sie wirklich darauf stolz sein sollte, Mitglied in diesem †ºelitären†¹ Kreis zu sein.

Sie streifte die blutgetränkten Handschuhe von ihren Fingern und griff sich ein neues Paar. Währenddessen wies sie zwei Sanitäter an, den jungen Cadianer auf ein Bett in der Ecke zu legen.

»Er hat einen mächtigen Schlag aufgesetzt bekommen. Hat ihn ziemlich durchgerüttelt«, stellte sie sachlich fest, als sie ihn berührte und ihre weiteren Anweisungen an die beiden Männer gab. »Befreien Sie ihn erst einmal von seiner Koppel und …«

Angewidert zuckte sie zurück und verzog das Gesicht. »Er riecht, als wenn er mit einem Ork gebadet hätte.«

»Höchstens in einem«, brummte Melbin, der auf einer nahen Liege von einem Sanitäter verbunden wurde. Calgrow sah ihn fragend an.

Der Riese zuckte die Schultern. »Davon waren so viele übers Feld verteilt, dass es unmöglich gewesen wäre, allen auszuweichen.«

Calgrow nickte vorsichtig, schüttelte sich kurz und nahm den Faden wieder auf. »Und sorgen Sie dafür, dass er gut fixiert wird. Am besten ist, Sie spritzen ihm ein Beruhigungsmittel, damit sein Kopf nicht explodiert, wenn er wieder aufwacht.«

Die Männer nickten und nahmen Rahael vom Untersuchungstisch.

»Danke, Doktor«, sagte Ekko. Man konnte ihm ansehen, dass er die Worte nicht gern aussprach.

»Doktor, würden Sie bitte einmal kommen?«

Calgrow wandte sich um und folgte der Stimme bis an einen improvisierten Untersuchungstisch, wo man eine äußerst hübsche und junge Frau in einer blutroten Rüstung platziert hatte.

»Was ist das?«, verlangte sie zu wissen. »Wer ist das?«

»Offensichtlich ist sie eine Schwester des Adeptus Sororitas«, erhielt sie zur Antwort.

Calgrow stockte kurz, bevor sie langsam wiederholte, was der Sanitäter ihr gesagt hatte. »Eine Schwester des ...? Wo haben Sie die denn aufgegabelt, Colonel?«, fragte sie in Ekkos Richtung und zeichnete die Linien der Servorüstung mit ihren Fingern nach. »Seien Sie vorsichtig beim Öffnen der Rüstung«, wies sie ihre Sanitäter an.

»Da müssen Sie Lenhims Stoßtrupp fragen«, antwortete Ekko und warf einen Blick zu den verwundeten und bewusstlosen Soldaten, die wie die anderen von Sanitätern umschwärmten Verletzten auf Krankenliegen versorgt wurden.

Wieder stiegen Schuldgefühle in ihm auf. Lenhim und seine Männer hatten trotz ihrer eigenen misslichen Lage ihre Stellung gehalten, nicht nur, um gerettet zu werden, sondern auch, um diese Sororita zu retten.

Sollte ihr Einsatz etwa vergeben gewesen sein? Das wäre vermutlich die schrecklichste Ironie des heutigen Tages gewesen †“ noch schrecklicher als seine kurzentschlossenen Befehle, welche die gesamte eingesetzte Streitmacht des Imperiums fast vollkommen unvorbereitet in einen brutalen Angriff gegen die Orks geworfen hatten.

Das durfte nicht vollkommen umsonst geschehen sein!

»Sie muss um jeden Preis überleben!«, verlangte Ekko.

Calgrow runzelte die Stirn, nickte aber. Egal, was für eine Idee der Colonel wieder ausbrütete, er hatte sie längst dafür eingespannt. Es war also besser, sich nicht dagegen zu wehren und die Ausführung zu behindern.

»Wie sieht es aus?«, rief Calgrow dem Chefsanitäter zu und wies mit einem knappen Kopfnicken auf die Überreste von Lenhims Stoßtrupp.

Der Mann antwortete, ohne aufzusehen: »Haben beide viel Blut verloren und sind schwer verwundet. Ich weiß nicht, ob wir sie retten können, Doktor.«

»Ich bin sofort bei Ihnen.«

Major Carrick trat durch den Eingang des Lazaretts und verzog das Gesicht. Kein Soldat fühlte sich in den gereinigten, nach Desinfektionsmitteln und Weihrauch riechenden Räumen eines Feldlazaretts wirklich wohl. In von schreienden Verwundeten und Sterbenden überfüllten Räumen, in denen der Boden glitschig von Blut und die Luft vom Pesthauch des Todes verseucht war, war es sogar noch schlimmer.

Ekko entdeckte den hochgewachsenen, blonden Basteter sofort und winkte ihn zu sich und Calgrow heran.

Voller Unbehagen folgte Carrick der Aufforderung seines Kommandeurs und passierte mit sichtbarem Unwohlsein die Reihen der Verletzten und Sterbenden, die von Sanitätern und Predigern betreut wurden.

»Was für ein Blutbad«, sagte Carrick leise und bedachte Ekko mit nachdenklichen Blicken. »Lenhim, Rebis, Gorak, Melbin und Rahael haben überlebt †“ der Rest ist tot?«

Der Colonel nickte und wies auf die Liegen, an denen Sanitäter um die Leben von Lenhim und Gorak kämpften. »Und niemand weiß, ob Lenhim und Gorak überleben werden.« Er schwieg einen Augenblick und trommelte auf den nahen Untersuchungstisch, an dem Calgrow und die Sanitäter bemüht waren, die Sororita aus ihrer Rüstung zu schälen und ihre Behandlung zu beginnen.

Carrick verzog das Gesicht und eine unausgesprochene Frage drängte ein Runzeln auf seine Stirn.

»Geben Sie mir eine kurze Einweisung in die Lage«, verlangte der Colonel, um ihn abzulenken.

Der Major zwang sich, den Blick von der bewusstlosen Frau zu wenden und sah den Colonel an. »Ja, Sir. Die Orks wurden auf der gesamten Front zurückgeschlagen und befinden sich auf der Flucht. Panzer und Infanterie stoßen nach, um sie vollkommen zu vernichten. Etwa fünfzig Kilometer tief in Rückzugsrichtung des Feindes hat General Iglianus einen Aufmarschpunkt festgelegt, an dem wir uns neu sammeln werden und dann erneut nachstoßen.«

»Sehr vernünftig von ihm«, kommentierte Ekko die Ausführung. »Ich hätte es genauso gemacht, wenn es meine Armee gewesen wäre.«

Die absichtlich sarkastisch angehauchte Bemerkung zwang Carrick zu einem grimmigen Lächeln. Ekko hatte abermals klar darauf hingewiesen, dass er es gewesen war, der den Angriff mit seinem eigenmächtigen Verhalten ausgelöst hatte.

Vermutlich erwartete er jetzt eine Reaktion seines Majors. Doch wie so oft war Carrick auch dieses Mal nicht bereit, seinen Colonel in seinen selbstzerstörerischen Tätigkeiten zu unterstützen.

»Ich sicherlich auch, Sir«, antwortete er.

Ekko sah ihn an und verstand. Ein gehässiges Grinsen teilte seine Lippen. »Gibt es sonst noch etwas?«

»Ja, Sir«, bestätigte Carrick. »Sergeant Krood hat sich kurz vor Ihrer Ankunft gemeldet und Verstärkung angefordert.«

Das Grinsen in Ekkos Gesicht entgleiste. »Mist †“ den habe ich vollkommen vergessen!«

Er sah sich fast verstohlen um, als hätte er Angst, irgendjemand könnte ihn hören und verpfeifen, und zog Carrick dann zur Seite. »Besorgen Sie sich Leute, die sie zur Unterstützung schicken können. Egal, wen! Sorgen Sie dafür, dass sein Trupp abgeholt wird. Lassen Sie niemanden da draußen. Also: rein, unterstützen, evakuieren, räumen! Klar soweit?«

»Ich denke, dafür ist es jetzt zu spät, Sir.«

Ekko hielt in seinen Ausführungen inne und schluckte hart. »Sind Sie sicher?«

»Ja, Sir«, antwortete Carrick. »Unsere Truppen haben die Walküre bereits erreicht und die Überlebenden gerettet.«

»Wie viele?«

»Drei, Sir.«

Ekko schloss die Augen und versuchte, sich den Schock nicht anmerken zu lassen. War das wirklich nur seine Ignoranz gewesen? Sein beharrlicher Wunsch, alle seine Männer zu retten und dafür das Leben der Kasrkin zu geben?

»Verdammt«, murmelte er.

Er hatte gehofft, dass mehr der Männer überlebt hätten, aber wie so oft im Krieg war diese Hoffnung vergebens gewesen.

Vorhin hatte ihn Ligrev gefragt, ob er die vielen Verluste verschmerzen konnte. Er hatte sich sicherlich nicht auf die Kasrkin bezogen, aber wenn ihm Ekko jetzt hätte antworten müssen, hätte er sicherlich gesagt: †ºBei der Masse ist es mir leichter gefallen†¹. Nicht, dass das jetzt noch einen Unterschied gespielt hätte.

»Also gut. Machen wir weiter wie bisher. Ich werde mich gleich erst einmal zurück zu Azrael begeben und mir die neuesten Gefechtsmeldungen ansehen. Mal gucken, was unser Kommissar in meiner Abwesenheit ausgebrütet hat.«

Dann adressierte er Carrick direkt: »Ich möchte eine konkrete Liste aller Verluste dieses Regiments haben. Sorgen Sie dafür, dass ich sie so schnell wie möglich erhalte.«

»Verstanden, Sir«, brummte der Major und salutierte, als Ekko das Lazarett verließ. Er bemerkte nicht, dass Doktor Calgrow sie beobachtet hatte und sich ihre eigenen Gedanken machte.

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8

Die Orks flohen. Ihr Angriff war von der imperialen Streitmacht gestoppt und zurückgeschlagen worden.

Der urplötzliche Sturm der Basteter hatte die Grünhäute vollkommen aus dem Konzept gebracht. Jetzt wandten sie den Imperialen in ihrer Gesamtheit den Rücken liefen um ihr Leben.

An Bord seines Jagdpanzers vom Typ »Destroyer«, einem äußerst flachen Panzerfahrzeug, das man auch als Scharfschütze unter den Panzern bezeichnete, verfolgte Captain Jaorah Nurin, wie cadianische Infanterie vor ihm auf die feindlichen Schützengräben zustürmte. Schützengräber, dachte er bei sich. Die Offensive hatte vollkommen unvermittelt und ohne einen erkennbaren Plan begonnen und damit nicht nur die eingesetzten Truppen, sondern auch ihre Kommandeure und vor allem ihre Fähigkeiten sehr strapaziert.

Inzwischen war schon zu ihm durchgesickert, dass irgendeiner der Offiziere eines der anderen Regimenter offenbar ausgerastet war und eigenmächtig den kompletten Angriff in Gang gesetzt hatte. Wenn er den Mann erwischte, der das gewesen war, dann würde dieser umgehend die Gnade des Imperators zu spüren bekommen. Später †“ irgendwann später, wenn diese Schlacht geschlagen war.

Jetzt galt erst einmal, diese Feinde des Imperiums zu eliminieren.

Nurin sah durch das Zielgerät und ließ das Sichtperiskop dreihundertsechzig Grad um den vorwärts rollenden Jagdpanzer rotieren.

Da!

»Richtschütze: neues Ziel! Auf zehn Uhr, zweihundertfünfzig, feindlicher Gargbot †“ Feuer frei!«

Nurin verfolgte durch den schmalen Sichtschlitz, wie sein Richtschütze das Rohr in der Vertikalen ausrichtete, während der Fahrer das Kettenfahrzeug herumschwingen ließ. Knappe Befehle und Bestätigungen im Kom begleiteten das eingespielte Ausrichten des Kampfgefährts.

Abrupt hielt der Panzer, verharrte auf der Stelle und wartete, bis seine menschlichen Insassen den Feind im Visier hatten.

Das Jaulen des Geschützrohrs drang gedämpft in den Innenraum des Jagdpanzers.

»Zwo †“ eins †“ Feuer!«, rief der Richtschütze.

»Feuer!«, wiederholten sämtlichen Besatzungsmitglieder des Destroyers, um den beim Schuss entstehenden Druck in ihren Ohren auszugleichen.

Ein saugendes Geräusch ertönte, dann blies der Panzerjäger einen gleißenden, kohärenten Lichtstrahl auf den feindlichen Bot.

Das aus schlechtem Material zusammengeschweißte Kampfgefährt wurde direkt getroffen und zerbarst, von dem Laser säuberlich durchschlagen.

Der zweite Jagdpanzer der Panzerschwadron preschte mit wippender Aufhängung an seinem eigenen Fahrzeug vorbei, um seinerseits einen feindlichen Läufer ins Visier zu nehmen.

»Panzer, marsch!«, befahl Nurin und sein Kampffahrzeug setzte sich wieder in Bewegung.

Rechts von ihnen ging ein Leman Russ-Kampfpanzer in den Schießhalt. Die Schweren Bolter in den Seitenkuppen schwangen großzügig umher und verteilten Boltpatronen in die Reihen der Orks.

Die Hauptkanone feuerte und jagte eine Fontäne aus Erde und Leibern in die Luft. Tief reichender Explosionsdonner ließ den Stahl des Jagdpanzers erzittern.

Nurin drehte das Sichtperiskop ein Stück weiter und sah eine andere Gruppe Panzer, die inmitten wogender Infanterie auf rasselnden Kettengliedern vorwärts rollten. Blitzende Maschinenwaffen brachten die Luft vor ihnen zum Flimmern.

Er sah einen Kommandanten hoch aufgerichtet im Turmluk stehen und brüllen. Nein, das war kein Panzerkommandant. Das war ein Kommissar.

Er sah heroisch aus mit seinem wehenden Mantel und dem Energieschwert, das er in Angriffsrichtung gerichtet hatte und der Kommissariats-Schirmmütze, die fest auf seinem Kopf saß, während um ihn herum die Panzer und Infanteristen Wut heulend Tod und Verderben brachten.

Verdammt, es konnte doch nicht sein, dass das … Kijo Nitsch war, sein Regimentskommissar?

Auch, wenn Nurin ihn in der von Explosionen, Flammenwerfern, Lasern und Abgasen aufgeheizten, flimmernden Luft selbst mit der maximalen Vergrößerung des Periskops nicht richtig erkennen konnte, war er sich sicher, dass es Nitsch sein musste. Der Kommissar war immer der Erste in der vorstürmenden Linie und peitschte die Männer um sich herum mit gellenden Schlachtrufen und feurigem, ansteckendem Eifer gegen den Feind vorwärts.

Es musste Nitsch sein. Man konnte seinen Feuereifer bis hier in die enge, stickige Kabine des Destroyers spüren.

»Kommandant!«, schrie der Richtschütze durchs Interkom.

Nurin schwenkte das Sehrohr wieder nach vorne und entdeckte im letzten Moment den orkischen Beutepanzer, ein ehemaliges Modell der imperialen Armee.

Der Captain riss die Augen auf und vergaß über den Schreck seine Nachlässigkeit.

»Panzer haaaalt!«, schrie er. Der Fahrer stoppte so unvermittelt, dass sich Nurin den Kopf am Sichtgerät schlug.

Der feindliche Panzer feuerte.

Eine Explosion fegte vor dem Jagdpanzer in die Luft, ließ das Gefährt schwer schaukeln und Erde sowie Steine als harten Regen gegen die Panzerung prasseln.

Der Staub hatte sich noch nicht verzogen, da bellte Nurin bereits wieder: »Vorwärts!«

Der Jagdpanzer heulte auf und machte einen Satz nach vorn.

Das Hauptgeschütz des feindlichen Kampffahrzeugs krachte abermals. Dieses Mal flog die Granate zu weit und schlug in eine Gruppe laufender Gardisten ein. Zerfetzte Leiber wurden in die Luft gewirbelt.

»Halt!«, schrie der Captain. »Richtschütze!« Er gab keine genaue Ansage für das Ziel, denn sie alle wussten, wo und wie weit entfernt es war. Er hatte keine Zeit für eine protokollarische Zielangabe.

Der Destroyer ruckte heftig und wippte auf seinem Fahrgestell, als er brutal abgestoppt wurde. Nurin schlug sich wieder den Kopf an.

»Zehn Grad links!«, rief der Richtschütze im Kom.

Protestierend heulte der Motor auf, als das tonnenschwere Gefährt herumschwenkte.

»Gut so! Zwo †“ eins †“ Feuer!«

»Feuer!«, wiederholte die Besatzung.

Wieder saugte das Geschütz an seinem Generator und blies dann einen energetischen Strahl auf das anvisierte Ziel.

Der Laser schnitt chirurgisch präzise in den Turm des feindlichen Panzers und zerschmolz ihn.

Hochgehende Munition ließ das Fahrzeug zerplatzen. Eine heftige Explosionswelle und weitere Detonationen rissen eine tiefe Lücke in die Orks, die in Massen aus ihren Schützengräben flüchteten.

»Guter Schuss!«, rief Nurin und verfolgte, wie das rauchende Wrack noch einige Meter weiterrollte und dann stehen blieb. Ein abgeschossenes Stück Stahl, das nur ein weiteres Opfer der grausamen Schlacht darstellte.

Nurin korrigierte sein Zielvisier und musterte die Umgebung mit einem weiteren Rundblick.

Vor ihnen sanken tiefe Furchen in den Boden: die Schützengräben der Orks.

Erste Infanteristen stürmten über die Wände und verschwanden in der Tiefe, während heftiges Flackern die dunklen Einschnitte in der Oberfläche erhellte und ab und an Flammen emporschnellten oder Erdfontänen aufstiegen.

Der Captain schwenkte das Periskop weiter und entdeckte etwas, das ihm den Atem stocken ließ.

Der Leman Russ, auf dem der Kommissar gestanden und seine Leute vorwärts gepeitscht hatte, brannte in hellen Flammen und beleuchtete die Uniformen der laufenden und schießenden Gardisten.

Wann hatte er denn einen derart verheerenden Treffer erhalten?

Verdammt und verwünscht! Blieb nur zu hoffen, dass Nitsch überlebt hatte. So einen guten und hingebungsvollen Kommissar würde das Regiment sicherlich nirgendwo sonst finden.

»Enforcer eins, Enforcer eins, hier Enforcer zwo, melden!« Statische Interferenzen überlagerten die aus dem wilden Kom-Kauderwelsch hervor dringende Stimme des zweiten Panzerjägers seiner Einheit.

»Hier Enforcer eins für Enforcer zwo, melden.«

»Boss, wie sieht es denn aus, melden?«

»Wir haben bereits zwei Abschüsse und liegen gut davor, die Infanterie sollte aber vielleicht noch die Schützengräber säubern, melden?«

»Die was?«, erkundigte sich der Kommandant von Enforcer zwo.

Nurin stockte. Hatte er gerade wirklich Schützengräber gesagt? Innerlich verfluchte er sich. Er musste dringend aufhören, sich zu viele Gedanken um die Schlacht zu machen.

»Schützengräben, Mann«, schnauzte er, um seine Wut über seinen Patzer zu verschleiern und den anderen Offizier abzulenken. »Was haben Sie denn verstanden, melden?«

»Schützengräber, Sir. Muss wohl eine Störung gewesen sein, melden.«

Nurin atmete tief ein. »Scheint so, melden.«

»Verstanden. Weitere Befehle? Melden.«

»Zurück in Formation, melden.«

»Verstanden, eins. Ende.«

Nurin nickte, als das Klicken im Kom ihm bestätigte, dass der zweite Jagdpanzer die Verbindung beendet hatte und sich wieder in Richtung des Kommandopanzers in Bewegung setzte.

»Enforcer drei, hier Enforcer eins, melden.«

»Enforcer eins, hier Enforcer drei, melden.«

Enforcer drei war ein älterer Leman Russ, ein hoch aufragendes Ungetüm mit Plasmakanonen als Hauptbewaffnung und in den Seitenkuppeln.

Man hatte ihm Enforcer drei als Ersatz für den ursprünglichen Jagdpanzer in seiner Schwadron zugeteilt, nachdem jemandem aufgefallen war, dass Nurin nicht, wie vom Munitorium eigentlich vorgegeben, einen, sondern drei Jagdpanzer befehligte.

Aus diesem Grund war sein dritter Jagdpanzer abgezogen worden. Enforcer zwo hatte man ihm auch noch nehmen wollen, doch das hatte er verhindern können.

Nichtsdestotrotz war ihm eine neue Einheit unterstellt worden, damit auch die Bücher des Munitoriums wieder stimmten. Die Wahl war auf einen Leman Russ Executioner gefallen, dessen letzte Schwadron bis auf dieses eine Fahrzeug vernichtet worden war.

Man konnte zwar nicht umhin, die Erhabenheit und Feuerkraft des betagten Riesen zu bewundern, Nurin hasste ihn trotzdem.

Zwei Jagdpanzer mit einem Leman Russ Executioner in der Formation †“ das war, als würde man Ballett mit einem Klotz am Bein tanzen.

Doch so sehr Nurin das wuchtige Panzerfahrzeug wegen seiner Unförmigkeit auch verachten mochte, es besaß unbestreitbare Vorteile in Situationen wie dieser.

In erster Linie war der Plasma-Panzer ein tödlicher Vernichter, der alles, Leiber als auch Panzerung, mühelos durchschlug und verdampfte.

Im Gegensatz zu den beiden Jagdpanzern besaß er damit ein weniger zielgerichtetes Zerstörungspotenzial, das sich nun voll entfalten ließ.

»Enforcer drei, Ihr Auftritt. Enforcer zwo und ich geben Rückendeckung, melden.«

»Verstanden, eins. Drei übernimmt die Führung, melden.«

»Enforcer eins an Enforcer zwo. Haben Sie mitgehört, melden?«

»Hier Enforcer zwo. Haben mitgehört. Warten auf weitere Anweisungen, melden.«

»Eins an zwo und drei. Ausführung. Ende!«

Nurin verfolgte, wie der große Kampfpanzer seinen Destroyer überholte und sich Schlamm aufwirbelnd an die Spitze der Formation setzte, während er mit flammenden Plasmakanonen über die breiten Schützengräben hinwegsetzte, die von Massen imperialer Infanterie geflutet wurden.

Zwei gute Panzerlängen vor Enforcer drei setzten Höllenhunde mit langen Flammenlanzen aus ihrer Hauptbewaffnung die Umgebung in Brand und versengten grüne Orkkörper zu Dutzenden.

Grimmig lächelte der Captain. Auch wenn ein überhasteter Befehl und schlechte Kommandostrukturen den Angriff eingeleitet haben mochten, der Erfolg sprach für sich.

Eines musste man dem irren Architekten dieses Sturms lassen: Er schien sich den richtigen Zeitpunkt für sein Handeln ausgesucht zu haben.

Mit ratternden Maschinengewehren heulte ein Pikk-Up auf die imperialen Stoßtruppen zu.

Ein neues Ziel für Jaorah Nurin und seinen Destroyer. Der Captain war sich sicher: Er würde der letzte sein, an dem die Operation scheiterte!

»Richtschütze! Auf zwei Uhr, circa dreihundert, feindlicher Transporter †“ Feuer frei!«

***

Die Holosphäre flackerte gerade, als Ekko das Kommandozelt betrat.

Ligrev sah auf, sichtlich erfreut, einen der Kommandooffiziere zu sehen und sich der ihm kurzzeitig übertragenen Verantwortung für das vorrückende Regiment entziehen zu können.

Als er erkannte, wer ihm die Verantwortung abnehmen würde, verzog der das Gesicht. »Colonel Ekko«, murmelte er.

»In der Tat«, antwortete Ekko und trat sofort an die holografische Anzeige, die ihm einen Überblick über das Schlachtfeld bot. Er dachte nicht einmal daran, Ligrev um eine kurze Einweisung zu bitten.

An einigen Stellen der Karte flackerten kurze Abschnitte in bedrohlichem Rot auf. Dort schienen heftige Nahkämpfe im Gange zu sein.

Allerdings hatten die Imperialen viel an Boden gut gemacht. Sogar verdammt viel, musste er zugeben.

Wie hatten die Truppen es geschafft, soweit vorzurücken? Das war … fantastisch!

Tatsächlich hatten die ersten Infanterietrupps die Schützengräben der Orks gestürmt und räucherten sie nun aus, um alle Reste des grünen Abschaums zu vernichten, während eine Beule aus Kampffahrzeugen des 35sten Desposia den fliehenden Xenos nachsetzte und sie in Scharen ausrottete. Was ursprünglich von ihm in einer unbedachten Reaktion ausgelöst worden war, um seine Männer zu retten, hatte eine Eigendynamik entwickelt, die jede im ursprünglichen Plan errechnete Erfolgschance bei weitem übertraf.

»Großartig«, murmelte er zu sich selbst. »Der Angriff läuft fast wie von selbst.«

Ligrev, der sich sofort angesprochen fühlte, schnaubte verächtlich. »Nur dank des Wirkens von General Iglianus. Der General befindet sich im Kommandozentrum und versucht, Ihre kolossale Unfähigkeit auszubügeln. Er hat verlautbaren lassen, dass er sich noch mit Ihnen befassen wird.«

»Das ist gut«, stimmte Ekko zu. »Endlich interessiert sich mal jemand für mich.« Dann beachtete er Ligrev nicht weiter.

»Fünfhundertzwölftes stürmt jetzt die feindlichen Linien«, meldete ein Gefechtsbeobachter im Kom.

Ekko nickte seinen Funkern zu. »Sehr gut. Sorgen wir dafür, dass die Offensive in Schwung bleibt. Stellen Sie mir eine Verbindung zu Captain Balgor her.«

»Verstanden, Sir.«

Der Colonel warf einen kurzen Blick zu Gireth, der bereits wieder seinen Platz eingenommen hatte und pflichtbewusst die einkommenden Gefechtsmeldungen bestätigte.

Man konnte seiner Körperhaltung jedoch ansehen, dass er noch immer unter dem Eindruck der Ereignisse stand und Ekko konnte sich sehr gut vorstellen, dass der junge Basteter erst noch die volle Wucht des Erlebnisses zu spüren bekommen würde. Später, wenn der Kampf abgeflaut war.

Es war dringend notwendig, dass er mit jemandem sprach †“ am besten Carrick oder einem anderen, auf keinem Fall Ligrev oder ihm selbst.

Bei ersterem würde er sich vermutlich selbst sofort erschießen, bei letzterem …

Ekko unterbrach seine Gedanken, als er eine schnoddrige, raue Stimme vernahm, die durchs Funkgerät dröhnte.

»Nachricht vom Chef? Was ist denn los?«

»Colonel, ich habe Captain Balgor!«, meldete einer der Funker. Ekko trat an das Funkgerät, ignorierte den stechenden Blick, den der Kommissar auf ihn richtete und griff sich einen bereitliegenden Hörclip mit Mikrofon.

»5120201, hier Azrael. Wie hören Sie mich?«

»Laut und deutlich, Chef.«

»Wo sind Sie gerade, Balgor?«

»Sie meinen, bevor Sie mich in Deckung zwangen?«

Balgor diente seit vielen Jahren mit Ekko. Tatsächlich hatte Ekko den Captain aus seiner Zeit bei der PVS mitgebracht und ihre Freundschaft hatte nicht nur einige Dinge erlebt, sondern auch viele von Ekkos Eigenschaften auf Balgor übertragen †“ unter anderem eine recht eigenwillige Art, mit anderen umzugehen.

Ekko selbst hatte oft Schwierigkeiten, mit der Art seines Untergebenen klar zu kommen, vor allem, weil er wusste, dass er selbst so war. Und wie wohl Abermilliarden andere Menschen vor ihm hatte er sich nie einen Plan zurechtgelegt für den Fall, es einmal mit sich selbst als Gegner zu tun zu bekommen.

»Bestätigt«, sagte er nur.

»Fünfzig Meter hinter dem Vierten Zug, Boss.«

Retexer, dachte Ekko. Retexer war bekannt dafür, immer der Erste an der Front zu sein, um seiner Familie Ruhm und Ehre zu bringen.

Wäre Ekko nicht Ekko gewesen, dann hätte er den Captain für wahnsinnig gehalten. Aber leider †“ oder glücklicherweise †“ stand ihm ein solches Urteil nicht zu.

An die Gründe dafür brauchte er sich jetzt nicht zu erinnern.

»Dann will ich Sie auch nicht länger als nötig aufhalten, Balgor!«

Als der Captain antwortete, klang er überrascht. »Dann … war schön, dass Sie mal reingehört haben.«

»Ich habe nicht gesagt, dass Sie keinen Auftrag haben, Captain!«, stellte Ekko klar.

Balgor lachte auf. Ein Kettenfahrzeug passierte seine Position mit rasselnden Ketten. Es klang unheimlich. »Habe ich nie angenommen, Colonel. Also, was soll ich tun?«

Ekko unterdrückte ein Seufzen. Er war verdammt schwer, seine Leute am Leben zu halten. Balgor stellte jedoch unter ihnen allerdings noch eine Besonderheit dar.

Er besaß eine derart treffende Art, unbedachte Äußerungen zu parieren, dass Ekko selbst ihn oft genug schon hatte erschießen wollen.

Ligrev wusste das und wartete nur auf die Gelegenheit. Grund genug, sie ihm nicht zu geben.

»Wir wissen zwar, dass die PVS diese Schützengräben ursprünglich als Schutz vor den im Ödland lebenden Orks errichtet hatte, aber nachdem die Grünhäute die PVS als … Besitzer ablösten, haben sie sicherlich einige unangenehme Überraschungen für uns zurückgelassen.«

Stille herrschte am anderen Ende der Leitung vor, bis die Verbindung wieder zu knistern begann. Heftiges Laserfeuer und Schreie waren im Hintergrund zu vernehmen. »Worauf wollen Sie hinaus, Ekko?«

»Verbrennen Sie die Gräben, Balgor. Bis nichts mehr übrig bleibt.«

»Was ist mit den Überresten der PVS?«

»Ich denke nicht, dass da noch irgendetwas von PVS lebt, Balgor.«

»Außer vielleicht den zurückgelassenen Rationen«, sinnierte der andere. Eine heftige Explosion ließ die Funkverbindung kurz knistern und verstümmelte eine häretische Verwünschung des Captains.

»Nicht verstanden?«, fragte Ekko.

»Ich sagte: Ein Hoch auf unsere Artillerie.«

»Gut, gut«, murmelte Ekko und versuchte, Ligrevs Blick in seinem Rücken weiterhin zu ignorieren. Es fiel ihm nicht gerade leicht. »Also †“ falls Ihnen Rationen der PVS über denen Weg laufen, nehmen Sie sie fest. Wir katalogisieren die neuen Lebensformen später.

Alles andere verbrennen Sie, verstanden?«

Wieder schwieg Balgor.

Das Besondere an den Wortgefechten zwischen dem Captain und dem Colonel war, dass sie ausgeglichen abliefen. Mal gewann der eine, das andere Mal der andere. So war es schon seit langem und so würde es vermutlich bis ans Ende ihrer Tage sein. Beide hatten sich damit abgefunden. Es war ihre Art, einander den Respekt entgegenzubringen, der ihre Freundschaft ausmachte.

Als dem Captain aufging, dass er dieses Mal den kürzeren gezogen hatte, meldete er sich. »Habe verstanden, Azrael. Wir werden die Schützengräben ausbrennen.

5120201, Ende!«

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***

Retexers Zug stürmte die Schützengräben.

Direkt vor dem Captain sprangen die Soldaten Lenner und Halto in den tiefen Graben, aus dem die Orks ihren Angriff gestartet hatten. Beide wurden von der Tiefe überrascht, in die sie fielen und legten sich unelegant hin, wie vermutlich ein großer Teil der eingesetzten Infanteristen.

Bolterfeuer krachte.

Ein anderer Soldat, der neben dem Captain in den Graben fiel, wurde förmlich zerrissen und bespritzte die nachfolgenden Männer und die Grabenwand mit seinen Innereien.

Doch wo dieser eine Soldat fiel, sprangen zehn Mann nach. Lasergewehre zischten. Das Bolterfeuer verstummte.

Eine nahe Serie Granateinschläge imperiale Artillerie ließ den Boden unter seinen Füßen erzittern.

»Wie sieht es aus?«, rief Retexer über den Lärm der schreienden und schießenden Soldaten hinweg.

Wejoun, sein Adjutant, sagte etwas in das Mikrofon, das vom großen Funktornister auf seinem Rücken über seine Schulter baumelte, wartete die Antwort ab und lief dann zum Captain.

»Sir, wir sind die ersten, die die Gräben gestürmt haben«, meldete der erschöpfte Funker atemlos.

Retexer nickte und konnte sein Lächeln nicht verbergen. Wieder einmal war es ihm gelungen, Ruhm und Ehre zu erlangen!

Um sie herum fielen weitere Soldaten in die Schützengräben, die die Orks offensichtlich für ihre Körpergröße modifiziert hatten.

Die schleimigen Grabenwände waren brutal verbreitert worden und recht instabil, was Retexer beim Fallen zu spüren bekommen hatte.

Wahrscheinlich hatten die Orks ohne große Anstrengungen improvisierte Arbeiten begonnen, ohne die Auswirkungen auf die Stabilität der menschlichen Konstruktion zu bedenken.

Typisch für die Xenos.

Ein Teil der Grabenwand fiel in sich zusammen, als zwei Soldaten über den Rand rutschten.

Er begrub einen der Männer bis zur Hüfte und ließ den zweiten stürzen.

Ein irrsinnig kichernder Grot mit einer schweren Anti-Panzer-Sprengladung auf dem Kopf rannte auf sie zu. Der Stift aus der Handgranate in seiner Hand war bereits gezogen. Wo beim Thron war der denn hergekommen?

»Vorsicht!«, rief ein Soldat.

Männer wandten sich um und begannen zu schießen.

Sie durchlöcherten den anstürmenden Feind und töten ihn.

Die Granate fiel auf den Boden. Der Grot fiel drauf.

»Volle Deckung!«, schrie Retexer.

Die Explosion fegte als kanalisierter Strom aus Hitze und Staub durch den Schützengraben. Männer, die nicht mehr rechtzeitig reagieren konnten, wurden von der Detonationswelle erfasst und umgerissen.

Dort, wo vorher die beiden Soldaten versucht hatten, aus dem Schutt der Grabenwand freizukommen, ragten nun zwei grausam verdrehte Körper wie abartig aussehende Baumstümpfe in die Höhe.

Retexer würgte und wandte sich dann um. »Alle Sergeants zu mir!«

Er konnte sehen, wie die Sergeants Lovin, Helt und Kelba sich von ihren Trupps lösten und im Laufschritt zu ihm trabten.

Kleit sprang gerade hinter ihm in den Graben.

»Hören Sie zu!«, rief er laut, damit ihn die Männer auch über den sie umtosenden Gefechtslärm hören konnten. »Das war eine böse Überraschung. Eine zweite will ich nicht erleben. Säubern Sie die Gräben, verstanden?«

»Ja, Sir!«, lautete die einhellige Antwort der Unteroffiziere. Dann machten sie sich wieder auf zu ihren Trupps, wobei Kleit seinem Kommandanten noch einen Blick zuwarf, den Retexer bewusst ignorierte.

»Retexer!«

Er wandte sich um.

Captain Balgor vom zweiten Zug kam durch den seichten Matsch angetrabt, den der Schleim mit der aufgewirbelten Erde gebildet hatte.

Balgor war ein recht gut aussehender Mann, zwar schon etwas älter, aber gepflegt und mit einem nachdenklichen Blick, der sich immer nach der Ferne richtete, so als wenn der Captain auf etwas warten würde, das er hinter dem Horizont vermutete.

»Ja?«, fragte er.

»Die Männer sollen die Schützengräben verlassen und sie von den Flammenwerfern ausbrennen lassen.«

»Das können wir nicht!«, widersprach der Captain des vierten Zugs. »Wir müssen die Schützengräben einnehmen und die Verteidigung wiederherstellen.«

»Die Verteidigung von was?«, fuhr Balgor ihn an. »Auf dieser Welt lebt nichts mehr, Mann!«

Retexer wollte antworten, doch ihm ging auf, dass Balgor recht hatte. Als die Imperiale Armee eingetroffen war, hatten die Orks nicht nur die Verteidigung, sondern auch sämtliche Siedlungen Agos Virgils bereits vernichtet gehabt. Es gab auf dieser Welt im Grunde nichts mehr, für das es sich zu kämpfen lohnte.

Aber sein Ehrgefühl, sein unbeirrbarer Geist wollte nicht wahrhaben, dass es zu Ende war. Es musste hier doch irgendwo noch Ruhm geben.

»Hören Sie, Retexer: Ich bin an Ihrer Ruhmessache nicht interessiert. Ich brauche sie nicht und will sie nicht. Für mich zählt der Auftrag, klar?«

Weiter vorne schrien Männer wütend auf, als ein imperialer Leman Russ-Kampfpanzer über den Graben hinweg walzte und ihn auf einer Strecke von fast fünfundzwanzig Metern zum Einsturz brachte.

Unbeirrt fuhr Balgor fort. »Der Colonel hat mir befohlen, die Gräben auszubrennen, also schaffen Sie Ihre Leute hier raus! Ich werde sie sonst ohne Gewissensbisse mit abfackeln!«

Er wartete nicht auf die Antwort, sondern schob sich an dem verblüfften Retexer vorbei und dirigierte seine Flammenwerfer in Position. »Also dann, Leute! Feuer frei!«

»Verdammt!«, fluchte der Captain, als die fauchenden Flammenwerfer ihr Vernichtungswerk begannen. »Wejoun!«

Der Funker kam angetrabt. »Sir?«

»Sagen Sie allen, sie sollen die Gräben räumen und Platz machen für die Flammenwerfer!«

»Ja, Sir!« Wejoun entfernte sich und begann, in sein Funkgerät zu sprechen.

Hinter ihm ballte Retexer die Hände zu Fäusten. »Verdammt! Verdammt! Verdammt!«

***

»Holen Sie mir eine neue Klemme!«, befahl Calgrow schroff und strich sich mit dem blutigen Handschuh Stränen ihres ergrauten Haares zurück.

Der angesprochene Sanitäter verschwand kurz im Chaos des überfüllten Feldlazaretts, während sein Kamerad den wild um sich schlagenden und schreienden Soldaten auf die Liege drückte.

Die Ärztin hielt ihre behandschuhten Finger auf die offene Oberschenkelwunde gepresst, aus der fröhlich Blut spritzte.

»Los!«, drängte sie ungerichtet in den Saal. »Beeilung!«

Der Sanitäter tauchte wieder auf und reichte ihr ein unförmiges Instrument, mit dem sie begann, das verletzte Bein zu bearbeiten.

Momente wie dieser waren es, die sie an ihrem Ärztedasein so sehr hasste.

Momente, in denen sie sich so hilflos fühlte.

Momente, in denen die rote Suppe überall auf die Liege, den Boden und ihre Kleidung spritzte und sie wusste, dass keine Dusche im Universum die Erinnerung fortwaschen konnte.

Momente, in denen sie sich wünschte, nicht mit dem Leben eines ihr anvertrauten Menschen balancieren zu müssen unter der ständigen Gefahr, mit ihm in ihren Armen zu stürzen und ihn damit umzubringen.

Momente, in denen sie sich wünschte, noch immer Kommissarin zu sein.

Mit einem kleinen Kopfschuss wäre die Sache erledigt gewesen.

Doch das, so hatte sie entschieden, war nicht mehr ihre Welt. Sie wollte den Mann retten. Sie würde den Mann retten.

»Es tut weh, Doc«, murmelte der Soldat betäubt.

Sie nickte beruhigend. »Ich weiß. Ich kriege Sie wieder hin.«

Verdammt, wo war die Arterie?

Innerlich verfluchte sie sich.

Es gelang ihr einfach nicht, diese Arterie zu fassen zu bekommen. Immer wieder glitt sie ihr aus den Fingern, wobei Schwälle aus rotem Blut auf ihre Maske und ihr Gesicht spritzten.

Momente wie diese waren es, in denen sie alles hinschmeißen und gehen wollte. Tschüss, ich bin weg! Sagt dem Colonel, dass ich Urlaub genommen habe.

Der Soldat vor ihr wand sich, als hätte er über ihre grimmigen Gedanken gelacht, dann erschlaffte er.

Jetzt bekam sie die Arterie zu fassen.

Es war zu spät.

Moment wie dieser waren es, in denen sie einfach nur verzweifeln wollte.

»Doktor, wir haben ihn verloren«, bemerkte der Sanitäter

»Das weiß ich selbst!«, fauchte sie.

Dann ließ sie von dem Toten ab, sodass die Sanitäter ihn wegtragen konnten.

Calgrow ließ sich an die Lehne sinken und nahm sich einen Augenblick, um durchzuatmen.

Sie betrachtete das Chaos, das vor wenigen Stunden noch ein sauberes Lazarett gewesen war.

Jetzt lagen benutzte Verbände auf dem Boden, durchtränkt vom Blut schreiender und sterbender Soldaten, um die sich Ärzte und Sanitäter scharrten, um ihre Leben zu retten.

Klemmen und OP-Besteck lagen auf rot gesprenkelten Beistelltischen, die wie fahrbare Gerüste im Raum standen, teilweise verwendet, teilweise verlassen.

Soldaten streuten Massen von Sand auf den Boden und versuchten, dem rutschenden medizinischen Personal etwas Halt zu bieten, damit sie nicht mitten in einer OP stürzten und sich oder jemand anderen verletzten.

Calgrow entschied, dass sie nun genügend Zeit zum Erholen gehabt hatte. Etwas, das sie noch aus ihrer Zeit beim Kommissariat mitgebracht hatte: Eiserne Disziplin.

»Also gut«, sagte sie. »Geben Sie mir den nächsten.«

»Es sind keine neuen Verwundeten hereingekommen, Frau Doktor«, antwortete der Sanitäter.

Keine Verwundeten? Was bedeutete das?

»Wie bitte?«

»Es sind keine neuen Verwundeten hereingekommen.«

War die Schlacht etwa beendet? Die Artillerie feuerte doch noch immer.

Wie konnte das sein?

»Also gut«, entschloss sie. »Dann sehen Sie zu, dass Sie woanders helfen können. Wenn ich Sie brauche, rufe ich sie.«

Mit einem Wink scheuchte sie die Männer weg und lehnte sich abermals erschöpft gegen die Lehne.

Sie hatte es satt. Sie hatte es so satt, diesen verzweifelten Kampf gegen den Tod zu kämpfen und von ihm ein ums andere Mal besiegt zu werden. Selbst, wenn es ihr gelang, die Männer zu retten, wusste sie, dass es nur ein Aufschub gewesen war. Der Tod würde sie unweigerlich alle einholen.

Calgrow sah auf, als sie etwas in ihrem Nacken spürte, das instinktive Gefühl, beobachtet zu werden, das jeder Kommissar mit der Zeit entwickelte.

Sie fuhr herum und sah sich dem Gesicht der Prioris gegenüber, die sie aus stahlblauen Augen musterte †“ kalt, fanatisch.

Marith Calgrow hatte sich stets für eine entschlossene Frau gehalten, der nicht so schnell der Rock hochging, wenn sie sich einem ebenbürtigen Offizier oder Kommissar gegenüber sah, doch bei diesem Blick war sie zum ersten Mal in ihrem Leben aus anderen Gründen als medizinischen froh, keine Kommissarin mehr zu sein.

Ansonsten hätte sie jetzt nämlich tätig werden und jemanden wegen Feigheit exekutieren müssen. Aber wer erschießt sich schon gerne selbst?

Dann ging ihr auf, dass die Sororita nicht mehr in ihrem Bett lag. Sie stand ihr in der Enge des Lazaretts gegenüber. Es war ihr zuvor gar nicht aufgefallen. Wann war sie aufgewacht?

Calgrow brauchte einige Sekunden, bis sie sich durchringen konnte, die Schwester anzusprechen. »Sie sollten im Bett liegen.«

»Ich weiß«, erhielt sie zur Antwort.

Verblüfft zögerte die Ärztin. »Und was tun Sie dann hier?«

Die Sororita funkelte sie aus ihren stahlblauen Augen an. »Ich muss den kommandierenden Offizier sprechen«, sagte sie entschlossen. »Sofort!«

Marith Calgrow wagte es nicht zu widersprechen.

Es waren Momente wie dieser, in denen sie froh war, keine Kommissarin mehr zu sein.

»Folgen Sie mir«, forderte sie die Prioris auf.

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9

Als sie kamen, hatte er gekämpft.

Die Panzer, mehrere Leman Russ, und Soldaten standen vor der Makropole.

Ihre Feinde waren Rebellen, Hunderte von ehemaligen Bauarbeitern.

Aber die Imperiale Armee würde siegen †“ immerhin waren sie im Namen des Imperators ausgerückt, um den Feind zu besiegen. Gerade erklommen ihre Truppen die Mauern der Makropole. Mehrere Männer stürzten nach Direkttreffern der Rebellen ab und starben einen grausamen Tod.

Dann jedoch führte er, Galardin Ekko, die Männer an und erklomm die Mauer. Mehrere Feinde attackierten ihn direkt, doch sein Kettenschwert zerschnitt sie. Hinter ihm stürmten andere Soldaten das Haupttor und öffneten es. Die Panzer, die vor dem Tor gewartet hatten, sprangen dröhnend an und fuhren mit alles zermalmenden Ketten durch das Tor. Die Rebellen hatten keine Chance.

Die Makropole war genommen.

Die Menschen würden ihn bejubeln und ihn als Kriegshelden feiern †“ als Nachfolger des großen Ibram Gaunt. Als heldenhafter wie Kommissar Yarrick. Als tapferer wie Ciaphas Cain.

Dann jedoch geschah etwas, das er nicht erwartet hatte.

Angst kroch seine Glieder hinauf. Sie ließ sich nicht genau an etwas festmachen, sie war einfach … da.

War es die Luft? Nein.

Waren es die Geräusche der Natur, die so urplötzlich verstummt waren? Auch nicht.

Er stand auf und sah sich suchend um. Was war das?

Tränen traten in seine Augen. Er fürchtete sich schrecklich †“ so schrecklich, wie sich ein Ibram Gaunt, ein Ciaphas Cain, ein Yarrick nie gefürchtet hatte.

Er war auch kein Kommissar, kein siegreicher Offizier. Er war bloß ein kleiner Junge, der Krieg spielte und vom Heldentum träumte.

Jetzt aber ergriff Panik ihn und er überlegte, ob er nach seinem Bruder rufen sollte.

Die Imperialen hatten sich längst in Makropole verschanzt.

Geräusche erklangen von vorne, von der Haustür.

Galardin verließ seinen Spielplatz und kroch unter knorrige Bäume zu einem Busch, den er schon vor langer Zeit gegen den Widerstand seines Bruders beschnitten und zu seinem Versteck gemacht hatte, weil er von dort aus die Vordertür des Hauses sehen konnte und trotzdem hinter dem hohen Gartenzaun vor den Blicken anderer geschützt war.

Als er seinen Beobachtungsplatz bezogen hatte und alles gut sehen konnte, stockte ihm der Atem. Vor dem Haus hatte sich eine Gruppe von Frauen versammelt, junge Kriegerinnen mit großen Waffen, die entfernt an die Gewehre der Planetaren Verteidigungsstreitkräfte von Bastet erinnerten, aber sehr viel schöner aussahen und auch tödlicher.

Alle Frauen waren von einem Körperpanzer geschützt, in einem dunklen Blau, vielleicht schwarz gehalten und mit roten Gewändern geschmückt.

Es stank widerlich süßlich nach Weihrauch, der als beinahe beißender Qualm aus den schweren Weihrauchfässern drang, die an langen Ketten an den Rüstungen der gepanzerten, weißhaarigen Erinnyen baumelten.

Er verfolgte, wie die Kriegerinnen sich um die Haustür versammelten. Eine von ihnen mit einer Art von Schrein mit brennenden Kerzen auf dem Rücken und langen papyrusähnlichen Reinheitssiegeln an ihrer Rüstung, schritt aus seinem Sichtfeld und bollerte gegen die Tür.

Dann sah Galardin noch eine Frau auftauchen. Sie trug eine goldene Rüstung, wirkte jedoch nicht so kampferfahren wie die anderen, mit dunklen Rüstungen gepanzerten Frauen und schien sich auch sonst von den anderen abzuheben.

Wer war sie? Kam sie von den Tempeln des Imperators oder der Heiligen Bastet?

Er hörte seinen Bruder die Tür öffnen. Ein Schrei ertönte. Die Tür schlug zu, dann flog sie krachend aus den Angeln.

In Panik kreischte Galardin.

Die andere, in goldene Rüstung gehüllte Frau wirbelte herum und starrte auf den Zaun. »Da ist noch einer!«, brüllte sie.

Sofort stürmten mehrere der Frauen in ihren dunklen Rüstungen auf sein Versteck zu.

Er konnte sich nicht rühren.

Er hörte, wie sein Bruder mit der großen Frau kämpfte, die wohl die Anführerin gewesen war, und seinen Namen rief.

»Lauf, Alb!«, schrie er. »Lauf und versteck dich!«

Ein dumpfer Schlag ertönte.

»Egal, wer es ist †“ holt ihn!«, ertönte nun auch die Stimme der Anführerin, die noch immer mit seinem Bruder rang. Wer immer diese Furien waren, sie wollten sein Leben und das seines Bruders †“ so wie das Chaos die Menschen vernichten wollte.

Das spürte er.

Von dieser Erkenntnis wachgerüttelt, robbte er rückwärts aus dem Unterholz, so wie er es bei den Männern der Planetenverteidigungsstreitkräfte gesehen hatte.

Vor ihm krachten schwere Rüstungen in den Gartenzaun und ließen ihn zersplittern. Er hörte fluchende Stimmen, als sich die Frauen im dichten Gestrüpp verfingen.

Panisch sprang er auf und rannte los. Er traute sich nicht zu schreien oder um Hilfe zu rufen, sondern rannte einfach nur.

Es ging um sein Leben.

Das Fenster der Terrassentür zerbarst in Splitter und die Anführerin trat heraus. Wo war sein Bruder?

Sie sah ihn einen Augenblick lang an und richtete dann ihre Pistole auf ihn. Feuer leckte daraus hervor.

Der Baum hinter ihm zerfetzte.

Jetzt schrie Galardin.

Er schrie sogar noch, als er den nahen Wald erreichte und ins Unterholz brach. Hinter ihm krachten und knackten Äste, zertreten von schweren Kampfstiefeln.

»Los!«, schrie eine metallisch verzerrte, weibliche Stimme. »Er ist in das Unterholz geflüchtet. Schwärmt aus und findet ihn!«

Andere Stimmen antworteten.

Er rannte weiter, stolperte und fiel hin, rappelte sich wieder auf und ignorierte sein brennendes Bein. Ein Ast schlug ihm ins Gesicht und hinterließ eine hässliche Schramme.

Wo war er? Wohin sollte er laufen?

Tränen liefen über seine Wangen.

Sie kamen näher. Er hörte sie hinter sich.

Plötzlich tauchte ein gewaltiger, uralter Baum vor ihm auf. Erst jetzt wusste er, wo er war.

Seine Beine und sein Unterbewusstsein hatten ihn hierher geleitet, wo er sich sicher, sich geborgen fühlte.

Er sprang auf ein mächtiges auf dem Boden liegendes Holz, das den Umfang von vier Männern hatte.

Andere Leute hätten das dicke Holz für einen verknorpelten, verbrannten Stamm gehalten, der durch einen gewaltigen Sturm umgeknickt war, doch Galardin wusste es besser.

Dieser †ºStamm†¹ war in Wahrheit eine Wurzel und gehörte zu dem uralten Baum, der sich bereits vor Jahrtausenden tief ins Erdreich gegraben und so kleine Höhlen geschaffen hatte, unter die kein Erwachsener passte †“ ein Kind jedoch hatte einigermaßen Platz.

Voller Angst schwer atmend kletterte er über das Holz und ließ sich in den kleinen Hohlraum darunter gleiten. Es roch moderig und nach Mutterboden.

Er zwang sich, ruhiger zu atmen und auf sein Umfeld zu achten, sich darauf zu konzentrieren, jedes Geräusch wahrzunehmen, so wie sein Bruder es ihm gezeigt hatte.

Die Stille, die sich um ihn herum ausbreitete, war noch stiller als lautlos. Es war, als hätte die Natur aufgehört zu atmen und sich vor den wütenden Frauen versteckt, die ihn so in Panik versetzt hatten.

Ein Paar Stiefel kam näher. Es knackte hässlich, als sie einen Ast zertraten.

Galardin zuckte zusammen und kauerte sich noch tiefer unter die Wurzel. Er betete zum Gott-Imperator, wie es ihm sein Bruder immer beigebracht hatte.

»Oh, großer Imperator der Menschheit,

Richte Deinen gütigen Blick auf mich,

Wache über mich, Deinen Diener und Soldaten,

und behüte mich vor der Gefahr.

Oh, großer Imperator der Menschheit,

Richte Deinen gütigen Blick auf ...«

Er wusste nicht, wie oft er das Gebet vor sich hin murmelte und wie sehr er sich trotz seiner Furcht anstrengte, es wirklich zu glauben, doch die Stimme, die es immerzu vor seinem geistigen Gehör flüsterte †“ die Stimme seines Bruders †“ gab ihm genug Kraft, um irgendwann aufzuhören und zu horchen, ob sie ihn noch immer suchten.

Vollkommene Stille.

Das Gebet hatte ihn gerettet. Er dankte dem Gott-Imperator und öffnete die Augen.

Urplötzlich stand sie vor ihm. Er hätte vor Schreck beinahe geschrien.

Die Frau sah ihn an. Sie hatte ein zartes, fast noch kindliches Gesicht, aus dem zwei grüne Smaragde voller Energie leuchteten und ihn mit erbarmungsloser Strenge musterten. Für eine Ewigkeit schlug ihm das Herz bis zum Hals, verkrampfte sich sein Körper in unsäglicher Panik, wie sie regungslos vor ihm stand, den großen Bolter in den schwarz gepanzerten Händen, gleich einem Todesengel, von denen sein Großvater ihm in viel jüngeren Jahren erzählt hatte.

Tränen liefen über sein Gesicht. Wollte sie kommen, um ihn zu holen? Und hatte sie seinen Bruder bereits geholt?

Jetzt erst erkannte er, dass es nicht die Anführerin war, die vor ihm stand. Es war eine der anderen Frauen.

Mit leiser, fast sanfter Stimme begann sie zu sprechen. »Wer bist du?«

Der Bolter ruhte nach wie vor in ihren Händen, kalt, leblos und bewegte sich nicht, obwohl Galardin das Gefühl hatte, die Waffe würde ihn verdeckt anstarren und nur darauf warten, sich auf ihn zu stürzen wie ein grausames Raubtier, das von seiner Herrin entfesselt wurde.

»Wer bist du?«, wiederholte sie.

Die Panik kehrte zurück †“ der Imperator und sein Bruder waren gegangen und hatten ihn allein gelassen.

»Rede.«

Der Bolter knurrte ihn an und zuckte vor. Entsetzt wicht Galardin ein Stück zurück und stieß an die Wurzel.

Die Frau machte einen Schritt auf ihn zu.

»Ich bin kein schlechter Mensch«, flüsterte er erstickt. »Bitte nimm mich nicht mit. Der Imperator beschützt! Der Imperator beschützt!«

Dann brach er wieder in Tränen aus, rollte sich zusammen und zitterte unkontrolliert. »Der Imperator beschützt! Der Imperator beschützt!«

Mit einem Mal schloss sich ihre gepanzerte Hand um seinen Kopf und hinderte ihn an Schreien, als sie ihn zu sich drehte und ihn aus der Nähe betrachtete.

»Wage es nicht zu schreien, wenn du leben willst«, befahl sie. »Hast du das verstanden?«

Er nickte verzweifelt, fühlte, wie die Todesangst seine Glieder herauf kroch.

»Gut«, wisperte sie und löste ihre gepanzerte Hand wieder von seinem Kopf.

»Also«, wiederholte sie. »Wer bist du?« Ihre Smaragdaugen glitzerten erwartungsvoll.

»Ich bin Ga... Ga... Galardin«, zitterte er.

»Galardin«, wiederholte sie. »Ein schöner Name. Hat er eine besondere Bedeutung?«

»I-ich wei... weiß nicht.«

»Schade. Es hätte mich sehr interessiert.« Ihre Stimme war kalt, leidenschaftslos und durchsetzt von einer kaum wahrnehmbaren Grausamkeit, bei der sich ihm der Magen umdrehte.

»Was soll ich jetzt mit dir machen, kleiner Galardin?«, fragte sie fast traurig. »Wärest du doch nur an einem anderen Ort gewesen.«

Der Bolter knurrte und erschauderte wohlig, als sie an ihm zog. Er hustete metallisch.

»Es tut mir leid.« Sie schien es ehrlich zu meinen. Der Bolter starrte ihn mit seinem leeren Auge an.

»Kortessa!«, rief eine andere weibliche Stimme. »Schwester, melde dich! Wo bist du denn?«

Schwester Kortessa sah alarmiert auf und blieb einige Sekunden lang reglos stehen.

Schließlich schweiften ihre Augen zurück zu Galardin.

»Bitte nimm mich nicht mit«, flüsterte er erstickt. »Der Imperator beschützt! Der …!«

»Schweig!«, forderte sie ihn auf und bedachte ihn abermals mit eindringlichen Blicken, bevor sie sich abwandte. Der Bolter knurrte noch einmal und ignorierte ihn dann auch, als seine Herrin ihm das Blickfeld auf sein Opfer versperrte.

Dann ging sie einfach fort, so als hätte er nie existiert.

Der Junge blieb zitternd liegen und wartete, was nun passieren würde.

Einige Momente lang herrschte Schweigen, während die Schwester sich entfernte. Dann hörte er wieder Stimmen.

»Wo warst du denn?«, fragte die andere Frau, offensichtlich sehr aufgeregt. Sie klang genauso jung wie Kortessa. »Und warum hast du dein Funkgerät abgeschaltet? Die Inquisitorin und die Prokura sind bereits sehr ungehalten.«

»Schwester Kortessa!«, erschallte eine neue Stimme. Sie klang wütend und erinnerte Galardin an die der Frau in der goldenen Rüstung. »Ich hoffe, Ihr habt eine gute Erklärung für die lange Abwesenheit.«

»Ich dachte, ich hätte jemanden gesehen und wollte ihn nicht auf mich aufmerksam machen. Daher habe ich das Funkgerät auf lautlos gestellt. Aber ich hatte mich geirrt. Es ist niemand mehr hier, Inquisitorin«, berichtete sie der neuen körperlosen Stimme.

Die goldene Frau hieß also †ºInquisitorin†¹. Galardin schwor sich, diesen Namen nie zu vergessen. Ebenso wenig wie den Namen Kortessa.

Einen Augenblick herrschte Schweigen, ein Moment, der Galardin wie ein Jahr vorkam.

Endlich erhielt sie ihre Antwort. »Sehr gut, Kortessa. Unsere Mission ist damit erfüllt.«

Der Junge hörte, wie Befehle gegeben und bestätigt wurden, dann rückten die Kriegerinnen ab. Galardin blieb liegen und rührte sich nicht, seine Gedanken jedoch rasten.

Die Frau wusste sicherlich nicht, welchen Eindruck sie auf ihn machte, wie tief sie sich in sein Gedächtnis gebrannt hatte, doch in all den Jahren, die noch kommen würden, würde sie ihm in all seinen Wunschgedanken zur Seite stehen als grausame Rächerin †“ und in all seinen Träumen würde sie ihm nehmen, was ihm lieb und teuer war.

Sie war zum greifbaren Mittelpunkt dessen geworden, was er sich immer unter dem Begriff »Ekklesiarchie« vorzustellen in der Lage gewesen war.

Endlich wusste er genau, wovor er sich fürchten und was er hassen musste. Zitternd blieb er sitzen.

Eine Stunde.

Dann zwei.

Es wurde bereits dunkel, als er sich wieder in die Nähe des Hauses traute. Die Frauen mit ihren stinkenden Weihrauchfässchen waren fort.

Eine Macht, stärker als die des Gott-Imperators, hatte die Sand-Makropole vernichtet und gut drei Viertel seiner Truppen unter riesigen Haufen von Sand begraben. Die Verluste erinnerten an die Schlacht um die Vervun-Makropole, an der das berühmte 1. Tanith teilgenommen hatte.

Sieben der acht Leman Russ waren zertreten.

Warum?

Seine zitternde Hand fasste den überlebenden Leman Russ und hob ihn auf. Er drückte sich den Panzer fest an den Körper und stolperte vorwärts.

Er betrat das Haus und rief den Namen seines Bruders.

Es kam keine Antwort.

Galardin setzte seine Suche fort.

Je länger er suchte, umso panischer wurde er. Sollte er nun allein sein? Wo war sein Bruder hingegangen? Wieso hatte er ihn verlassen?

Er wusste nicht, wie lange er durch das Gebäude geirrt war, gerufen und geweint hatte, aber als er schließlich wieder im Zimmer seines Bruders ankam und das Bett noch immer leer vor fand, ging ihm auf, dass das kein Spaß war.

Sein Bruder war irgendwo hingegangen und hatte ihn zurückgelassen.

Erschöpft sank er gegen den Bettpfosten, der in der Dunkelheit nur wie ein Schatten aufragte und begann zu schluchzen.

Tränen wollten nicht mehr fließen.

Durch die Stille knarrte die Haustür so laut, als würde das gesamte Haus knirschend einstürzen.

Für einen Moment hoffte Galardin, sein Bruder wäre wieder da, doch nichts regte sich. Da waren nur die schweren Schritte von Kampfstiefeln, die über den Boden schabten und langsam die Stufen der Treppe erklommen.

Galardin erstarrte vor Angst, als er an die gepanzerten Furien erinnert wurde, die ihn durch das Unterholz gejagt hatten. Er konnte sich nicht rühren.

Der Leman Russ hatte bereits irgendwo Deckung gefunden und wartete das Kommende ab.

Ein Gewehr tauchte um die Ecke und sah sich suchend im Raum um, dann senkte es sich und zog einen Soldaten hinter dem Rahmen hervor, der sich ebenfalls umsah, bis er den auf dem Boden sitzenden Jungen entdeckte.

Es war Ilor Lohah, ein älterer Mann, der einige Häuser weiter weg wohnte und ehemaliger Soldat der PVS war.

Galardin wusste das, weil der Alte seine Rüstung stets zur Schau stellte und gerne Geschichten aus seinem Leben erzählte.

Ilor ging auf ihn zu und ließ sich vor ihm auf die Knie sinken. »Galardin. Als die Schwestern kamen, fürchteten wir, dass wir Euch beide verlieren würden.«

»Wo ist er?«, fragte der Junge. Trauer und Schmerz füllten Ilors Augen. »Wo ist mein Bruder?«

»Dein Bruder wird nicht zurückkommen, Galardin«, sagte der alte Mann langsam. »Er ist fort und wird nie wiederkommen, verstehst du das?«

Galardin nickte.

Er verstand, was ihm gesagt wurde †“ aber er verstand nicht, wieso. Er hatte sich stets bemüht, ihm nie Kummer zu bereiten oder sich mit ihm zu streiten.

Er wusste auch nicht, welche Rolle die Frauen gespielt hatten †“ er sollte es erst sehr viel später begreifen.

Wichtig war nur: Sein Bruder war fort. Er hatte ihn allein gelassen.

Doch Galardin Alberic Ekko weinte nicht. Er begann zu hassen.

***

»Und jetzt lassen Sie uns durch, oder ich garantiere Ihnen, dass die nächste …!«

»Das hier ist ein gesicherter Bereich.«

»Sie fangen sich gleich eine gesicherte Ohrfeige, Soldat!«

Die feste Stimme von Doktor Calgrow und das erregte Geschnatter eines Wachsoldaten zogen ihn zurück in die Realität. Einen Augenblick lang war er vollkommen verwirrt und musste sich erst noch von der schmerzlichen Erinnerung lösen, dann jedoch kam er von der hololithischen Anzeige hoch und zwang sich, seinen Blick nicht mehr so verloren auf die flammenden Punkte zu richten, die auf dem Tisch vor ihm in wilder Wut tanzten.

Verdammte Tagträumerei.

Er rieb sich über das Gesicht und seufzte tief, dann sah er sich verstohlen um.

Niemand hatte etwas bemerkt. Ligrev war bereits vor zwei Stunden gegangen und die Funker waren so beschäftigt, dass ihn nicht einmal aufgefallen wäre, wenn das Zelt über ihren Köpfen abgebrannt wäre.

Vor gut dreißig Minuten hatten beherzte Elemente der orkischen Streitmacht einen Gegenangriff begonnen, der mit tödlicher Brutalität durch die Reihen der imperialen Armee zu brechen versuchte.

»Jetzt lassen Sie uns durch! Colonel Ekko!«

»Was gibt es?«, brummte er, indem er aus dem Zelt trat, und rieb sich die Augen.

Nach dem grellen, alles erleuchtenden Licht des Kommandozelts an die frische Luft zu treten und direkt in die aufziehende Dämmerung, schmerzte nicht nur den Augen, sondern ermattete darüber hinaus ungemein.

Der Wachposten und Calgrow sahen ihn beide an, aber noch bevor der Mann den Mund aufmachen konnte, hatte Calgrow mit ihrem unheimlich hochnäsigen Akzent des Hochgotischen begonnen, ihren Colonel zu adressieren.

»Colonel Ekko, dieser Wachposten hat sich standhaft geweigert, mich zu Ihnen zu lassen.«

Ekko lächelte müde. »Auf meinen Befehl hin. Ich wollte verhindern, dass sich irgendwer ungebeten Zugang zu meinen intimsten Gedanken verschafft.«

Calgrow starrte ihn an. Man konnte fast sehen, wie sie überlegte.

Einen Augenblick später verstand die Ärztin und öffnete den Mund, brachte aber keinen Ton heraus.

Ekko lächelte abermals tragisch, dann winkte er ab. »Also, Doktor, was kann ich für Sie tun?«

In ihren Augen funkelte etwas, das er nicht genau einordnen konnte, aber es ließ eine innere Anspannung in ihrem aufwallen.

»Die Prioris ist aufgewacht und möchte sie sprechen.«

Calgrow wies hinter sich. Dort stand die Sororita in der hereinbrechenden Dunkelheit und musterte den Offizier, mit dem Calgrow einige Worte wechselte.

Dass sie hinter der Ärztin gestanden hatte, war ihm vorher gar nicht aufgefallen.

Sie jetzt, in ihrer ganzen Schönheit unter der sinkenden Sonne Agos Virgils zu sehen, verwirrte und überraschte ihn.

Er hatte ihre Anmut auf den Dornröschenschlaf geschoben, in dem sie die junge Frau auf den Ebenen gefunden hatte, doch er schien sich geirrt zu haben.

In Wahrheit entfaltete sich ihre Anziehungskraft erst jetzt, da sie voller Leben vor ihm stand.

Sie war wirklich eine Sororita.

Im Namen des Throns, wie er die Schwestern hasste.

Ekko riss seinen Blick von ihr los und wandte sich wieder Calgrow zu. »Vielen Dank, Doktor. Ich denke, ich sollte Sie nicht weiter von Ihren Pflichten abhalten.«

Sie machte ein Geräusch, das wie Ausspeien klang, dann wandte sie sich um und marschierte zum Lazarett zurück.

Sile trat vor. Ihr blondes Haar funkelte golden wie die Reinheit einer Lebenden Heiligen.

Ekko schluckte. »Co-Colonel Galardin Ekko, 512. Sera«, stellte er sich vor und zwang sich, nicht weiter in den Bann der mysteriösen Schwester zu geraten. Es gelang ihm nur teilweise.

»Prioris Leitis Sile vom Orden des Gläubigen Geistes«, antwortete sie. Weitere Worte waren vorerst nicht notwendig.

Ihre Stimme war hell, aber weich, wie eine erfrischende Brise †“ oder schleichendes Gift.

Die in Tonfall und Stimme versteckte Warnung war nicht an ihm vorbeigegangen. Sie warnte ihn, sich vor ihr in acht zu nehmen.

»Holen Sie Kommissar Ligrev und Major Carrick und bitten Sie sie, zum Kommandozelt zu kommen«, wies er einen der Soldaten an, der vor dem Eingang Wache hielt.

Dann forderte er die Prioris mit einer einladenden Handbewegung auf, in das Kommandozelt zu treten.

Die Funker sahen alarmiert auf, als Ekko die fremde Person hereinführte. Ganz versunken waren Sie also doch nicht gewesen.

Funksprüche knisterten aus den Lautsprechern.

»Remembrance Zwei-Sechs an Halo drei-neun, passieren jetzt Delta-Romeo.«

»Halo drei-neun: verstanden, Remembrance zwei-sechs! Ende!

Remembrance, dachte Ekko. Ein Andenken. Aber für wen?

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***

Als Kolwa Ligrev das Kommandozelt erreichte und durch den Eingang trat, sahen Ekko, Carrick und die Sororita auf.

Der Major war nur einen Augenblick vor ihm eingetreten und wahrte noch Distanz zu der jungen Frau, die im Halbdunkel in einer Ecke stand und der Dinge harrte, die jetzt kommen würden.

Der Kommissar schoss Ekko einen verachtenden Blick zu und musterte kurz den trotz der spätnächtlichen Stunde tadellos gekleideten Carrick.

Dann wandte er sich der Sororita zu.

Für einige Sekunden stockte ihm der Atem unter der Maske aus Abscheu, die sich auf sein Gesicht gelegt hatte.

Die liebliche, sanfte Form ihres Gesichts und das hellblonde Haar, das an die Spiegelung funkelnden Goldes erinnerte, bildeten einen vollkommen Kontrast zu der strengen Aura, die sie umgab.

Stahlblaue Augen musterten ihn mit einer Kälte, die ihn frösteln ließ und dennoch erregte, auf eine unerklärliche und undefinierbare Weise.

Sie wirkte gut proportioniert, selbst unter der schlichten Krankenrobe, die sie angelegt hatte und die ihre Körperform sehr geschickt verbarg.

Ligrev fragte sich, ob sie auf einem Liebhaber eine ebenso gute Figur machen würde wie hier vor den drei Offizieren.

Er wusste, dass die Sororitas zwar keusch waren, aber keinem Zölibat unterlagen, was sich vielleicht sogar zu seinem Vorteil auswirken konnte. Er musste sie nur unter seine Kontrolle bringen.

Macht war der Schlüssel zu ihrem Herzen †“ wie bei allen ergebenen Dienerinnen des Imperiums.

Als der Kommissar das Zelt vollends betreten hatte, nickte Ekko der Schwester zu.

»Mein Name ist Leitis Sile. Ich bin Prioris des Ordens des Gläubigen Geistes«, stellte sie sich vor und sah sowohl Kommissar als auch Colonel und seinen Stellvertreter herausfordernd an.

Ekko schoss einen Blick zu Ligrev, bevor er sich wieder der Sororita zuwandte.

Darauf hatte der Kommissar nur gewartet. Noch bevor der Colonel in der Lage war, den Mund aufzumachen, hatte er die Vorstellung kurz und knapp mit der Hilfe von Gesten begonnen. Macht war der Schlüssel.

»Kolwa Ligrev: Kommissar, Haestian Carrick: Major, Galard Ekko: Colonel. Also †“ was wollen Sie hier?«

Ekko und Carrick sahen sich überrascht an.

Die stahlblauen Augen der Prioris richteten sich auf den Redner, bevor sie ihre eisfarbenen Lippen bewegte. »Mir gefällt Ihr Ton nicht, Kommissar.«

»Mir gefällt es nicht, dass Sie hier sind. Sie sollten besser verschwinden, Schwester.«

Sile schwieg einen Augenblick, bevor sie mit einem Tonfall antwortete, der sich mit der Kälte der Eiswelt Valhalla hätte messen können. »Sie scheinen ein sehr dummer Mann zu sein, Kommissar Kolwa Ligrev. Sie wissen nämlich nicht, mit wem Sie sich anlegen.«

Sie war schwerer zu knacken als er gedacht hatte.

»Doch«, antwortete er mit abwertendem Ton in seiner Stimme. »Ich kenne Euch Schwestern genau.«

Die hellblonde Frau starrte ihn an, als sei er ein niederes Insekt, das zu zertreten sie nur gerade keine Lust hatte.

Ekko hatte die Zeit über geschwiegen, nun aber schaltete er sich in das Gespräch ein. Sein plötzlicher Themenwechsel erschien wie ein plumper Versuch der Deeskalation. War er auch.

»Was haben Sie hier gemacht?«, fragte der Colonel ganz unverblühmt. »Meine Späher haben Sie inmitten einer gewaltigen Orkstreitmacht gefunden. Mindestens tausend Kopf stark. Haben Sie die alle allein weggeräumt?«

Sie lächelte zwar, aber ein Schatten zog über ihr Gesicht. »Nein, auch wenn es mir eine Ehre gewesen wäre, dem Imperator so zu dienen.«

Ihr Blick richtete sich abermals auf Ligrev. Es war keine Warnung. Es war eine Drohung.

Der Kommissar verstand. Er war zu weit gegangen und hatte sich einen bösartigen Feind geschaffen. Diese Schwester war Fanatikerin, Kriegerin für den Imperator bis in den Tod.

Für sie gab es nur eine Macht †“ und an der zu rütteln wäre einer Häresie gleichgekommen.

Sile beachtete ihn nicht weiter. »Ich habe an der Seite meiner Schwestern gekämpft. Leider hat der Feind uns besiegt.«

Unstillbarer Hass wallte in ihm auf.

»Schwestern?«, erkundigte sich Carrick ehrlich überrascht ob der Vorstellung, dass hier noch mehr blonde Schönheiten in Rüstungen umherliefen, doch Ekko hatte die unausgesprochene Frage bereits verstanden. »Oh, ich denke: Wenn sie nicht geflohen sind ...«

»Die Sororitas fliehen niemals!«, herrschte sie ihn an.

Er ließ sich von ihrem Ausbruch nur insofern beeindrucken, dass er nachdenklich und schweigend nickte, als würde er ihr dabei zustimmen, bevor er zum Eingang des Zeltes ging und sich wieder umwandte.

»Wie gesagt: wenn das so ist, tja …« Ekko schob die Plane beiseite, sodass sie einen überwältigenden Blick auf das ferne, in Nachtschatten getauchte Schlachtfeld hatten, auf dem mächtige Explosionen und schillernde Farben feuernder Waffen die kaum sichtbare Masse aus wogenden Leibern und Maschinen erhellten und die von den Flammenwerfern angezündeten Schützengräben, die wie Mahnfackeln vor dieser Kulisse des Grauens brannten.

»... dann liegen sie wohl noch da irgendwo«, beendet der Colonel seinen Satz.

Sile trat näher und starrte wie erfroren auf die vielfarbige Auseinandersetzung der imperialen Truppen mit den angreifenden Orks.

»Thron von Terra«, brachte sie hervor.

»Der Thron kann Ihnen auch nicht mehr helfen«, bemerkte Ligrev.

»Sind Sie ein Ketzer?«, fragte sie.

Ekko zuckte die Schultern. »Darüber kann man streiten. Wir prüfen das noch.«

»Ekko!«, schrie Ligrev so laut, dass die Funker unter ihren Geräten zusammenzuckten und herumfuhren. Ekko würde ihn nicht lächerlich machen und unterminieren †“ nein, Ekko nicht!

»Ligrev!«, bellte Ekko zurück. Dieser arrogante Mistkerl! Was maßte er sich an, Kolwa Ligrev ausstechen zu wollen?

»Das heißt Kommissar Ligrev!«, erinnerte Ligrev Ekko.

»Und ich bin Colonel Ekko!«, antwortete dieser.

Alles eine Frage der Macht.

Die beiden Männer standen sich gegenüber und schossen unsichtbare Laserstrahlen aus ihren Augen aufeinander. Der, der zuerst zucken würde, wäre Verlierer dieses Duells.

»Ich verachte Männer, denen die Geltung nach Ruhm wichtiger ist als ihr Dienst für den Imperator«, bemerkte Sile. »Sie sind den Platz im Universum nicht wert, den der Imperator für Sie reserviert hat.«

Die beiden Streithähne wandten sich ihr überrascht zu.

»Ihr Schwestern macht einem nur Ärger«, zischte Ligrev. Ein Fehler.

Urplötzlich starrte er in den Lauf einer Laserpistole.

Die Funker sprangen auf. Ligrev wich zurück. Ekko staunte.

Erst jetzt ging ihnen auf, dass sie die Pistole aus dem Gürtelhalfter von Major Carrick gezogen hatte, der gut einen Meter entfernt stand und überrascht an das leere Halfter fasste.

Im Namen des Throns, sie war schnell.

Die Funker zogen ihre Pistolen und richteten sie gegen Sile, die vollkommen konzentriert auf Ligrev blickte, mit der kalten Präzision einer geübten Killerin.

Die beiden Wachposten, die vor dem Zelt gestanden hatten, kamen mit ihren Gewehren im Anschlag in das Kommandozelt und nahmen links und rechts der Tür Stellung ein, um ein freies Schussfeld auf Sile zu erhalten.

»Nicht feuern«, befahl Ekko.

Alle Anwesenden entschieden in diesem Augenblick, niemals ein Spielchen mit Leitis Sile zu treiben †“ außer Kolwa Ligrev, der damit beschäftigt war, seine sich leise entleerende Blase unter Kontrolle zu bringen.

»Ich denke, wir sollten uns beruhigen«, schlug Carrick vorsichtig vor.

Ekko lachte.

Es war eine irreale Situation.

Alle sahen ihn an.

Er hustete. »Entschuldigen Sie. Es kam gerade über mich. Habe ich Ihnen den Text versaut? Das tut mir leid. Wo waren wir?«

Die Imperialen †“ ausgenommen Ligrev †“ mussten schmunzeln, trotz der bedrohlichen Situation.

Sile zuckte mit keiner Wimper. Sie öffnete ihren Mund. Schleichendes Gift strömte daraus hervor. »Haben Sie Angst, Kolwa Ligrev?«

Ligrev atmete schwer ein und aus, so als würde er mit Herzproblemen kämpfen.

»Das sollten Sie. Ein aufrechter Mann hat stets Angst.«

Ihr Finger krümmte sich um den Abzug. »Angst, dass sein Dienst an den Imperator durch seine eigene Einfältigkeit zunichte gemacht und verraten wird. Haben Sie davor Angst, Kolwa Ligrev?«

Jetzt schaffte sie es, auch Ekko in Sorge zu versetzen. »Major Carrick hat recht. Wir sollten uns wirklich beruhigen.«

Er machte einen Schritt auf Sile zu. Die Pistole zuckte vor. Alle wichen zurück.

»Haben Sie Angst, den Imperator zu verraten, Kolwa Ligrev?«, schrie Sile. Ihre Stimme stürmte durch die Kommandozentrale.

»Ja«, japste Ligrev. »Ja, um des Throns Willen!«

Sile senkte die Waffe und ließ sie in ihrer Hand herumschwingen, bevor sie sie zurück an Carrick reichte.

Der Major griff danach, wobei er versuchte, so viel Abstand wie möglich zu der Sororita zu halten, als fürchtete er, sie könnte ihn mit einem plötzlichen Handkantenschlag ausschalten.

»Das reicht vorerst«, bemerkte sie. »Nutzen Sie die Chance, Kommissar. Es wird Ihre letzte sein.«

Dann ging sie einfach, als hätte es den Tumult nie gegeben.

Ekko schnippte nach den beiden Wachposten und deutete auf den Zelteingang.

Passt auf sie auf, aber kommt ihr nicht zu nahe.

Die Männer nickten knapp und folgten der Sororita aus der Kommandozentrale.

Ein weiterer Moment der Stille verging. Ligrev stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch.

»Kommissar Ligrev †“ Erlaubnis, offen zu sprechen?«

Der Kommissar musterte den Colonel, als wäre er Abschaum, warf einen kurzen Blick zum Eingang des Zeltes, durch den die Sororita nach draußen verschwunden war und nickte dann.

Als er das Zeichen sah, fuhr der Colonel herum und funkelte den Kommissar an.

»Was †“ im Namen des Gott-Imperators †“ sollte das?«, herrschte er. »Sind Sie wahnsinnig, Mann? Das ist eine Sororita. Die mampft Sie zum Frühstück weg und hängt sich Ihren Kopf als Trophäe zwischen die Beine ... und meinen an den Gürtel.«

»Sie ist nur eine Braut des Imperators. Und ist allein †“ wir sind ein Regiment!«, stellte der Kommissar fest. »Sie wird es nicht wagen, einen von uns anzurühren.«

Ekko legte den Kopf schief und riss die Augen auf. »Sie wird es nicht … was beim Thron war das denn gerade eben? Und wenn wir eine ganze Armeegruppe wären. Was auch immer die Schwester hierher verschlagen hat, wird sie zu Ende bringen. Dabei wird sie niemand von uns behindern. Und als †ºBraut†¹ des Imperators würde ich sie an Ihrer Stelle nicht bezeichnen.«

»Lassen Sie diese Hexe nicht zu nahe an sich heran!«, warnte der Kommissar den Offizier mit bedrohlich zitternder Stimme. Ekko konnte keinen Zweifel daran haben, wer sich hier gerade zu seinem potenziellen Feind erklärte. »Niemand, nicht einmal eine Vollstreckerin der Inquisition, darf diesem Regiment übergeordnet werden. Das Gesetz hier bin ich. Sie sind es nicht †“ und Sie -« Er neigte seinen Kopf zum Zelteingang, »- ist es erst Recht nicht.«

»Sie ist keine Hexe. Sie ist eine Hexenjägerin«, antwortete Ekko, von den Worten des Kommissars vollkommen unberührt. »Außerdem wird sie das sicherlich nicht ganz so gerne hören wie Sie es gerade gesagt haben. Im Übrigen bin ich recht überrascht, dass Sie das Maul jetzt noch soweit aufreißen, Ligrev.«

In diesem Augenblick begann der Daten-Globus an einigen Punkten wild zu blinken und dirigierte die Aufmerksamkeit des Colonels auf sich. Die breite Front aus blauen, stilisierten Trupps, Läufern und Panzern bewegte sich auf eine fast ebenso breite Front von stilisierten Orks zu, die zum erneuten Gegenangriff ansetzten.

Nur einige Momente später flammte die gesamte Front auf, als die beiden Seiten aufeinander trafen.

Das bereitstehende Funkgerät, bedient durch zwei Soldaten, die in der Ecke mit großen Kopfhörern auf eintreffende Nachrichten warteten, wurde knisternd aktiv.

»Colonel, Captain Balgor hat den Auftrag ausgeführt. Die Gräben brennen. Er erkundigt sich, was er jetzt mit den Flammenwerfern machen soll.«

»Sie sollen zurückkommen und neu tanken. Und bitten Sie sie, auf dem Rückweg nach einer gefällten Streitmacht des Adeptus Sororitas Ausschau zu halten.«

Der Funker gab Ekkos Auftrag weiter und wartete auf die Bestätigung. Einige Sekunden später drehte er sich um. »Sollen Sie sie mitnehmen?«

»Nein. Liegen lassen.«

Wieder sprach der Funker in sein Mikrofon und wartete. »Befehl bestätigt«, sagte er schließlich.

»Sehr schön«, kommentierte der Colonel die Bestätigung, die bereits quittiert wurde.

»Auf wessen Seite stehen Sie eigentlich, Ekko?«, erkundigte sich der Kommissar zitternd. »Sind Sie auf der Seite der Guten oder der Bösen?«

Ekko sah von seinem Daten-Globus auf und warf ihm einen spöttischen Blick zu. »Nur dieses Universum teilt sich in Gut und Böse. Ich stehe irgendwo dazwischen †“ eben da, wo es Spaß macht.

Dabei fällt mir ein †“ sollten Sie nicht an vorderster Stelle todesmutig vorstürmen, Herr Kommissar?«

Ligrev schoss noch einen vernichtenden Blick zu Ekko, bevor er auf dem Absatz kehrt machte und die improvisierte Kommandozentrale verließ.

»Was für eine Katastrophe«, bemerkte Carrick.

Ekko nickte. »Das können Sie laut sagen«, brummte er. »Ausgerechnet eine Schwester des Adeptus Sororitas.«

Er schwieg einen Augenblick und grinste dann wieder. »Lustig war es irgendwie trotzdem, oder?«

***

Die Prioris stand vor dem Zelt und verfolgte, wie die imperialen Truppen den Gegenangriff der Orks blutig zurückschlugen.

Ihre schlanke Figur wurde von den stroboskopartig flackernden Energieentladung tausender Waffen ein ums andere Mal erhellt.

Sie schien von der tobenden Wut der Schlacht fasziniert, so gebannt und reglos verfolgte die den Kampf.

Nein, das war es nicht.

Im grellen Scheinwerferlicht einer sie überquerenden Walküre sah er die Wahrheit.

Sile hatte ihn gesehen †“ oder gehört †“ was unmöglich sein konnte, weil sie in die andere Richtung blickte.

Sie wischte sich verdeckt über die Augen, dann wandte sie sich um und sah ihn direkt an. Der Colonel trat näher.

Es gab in diesem Regiment wohl niemanden, der die Schwestern des Adeptus Sororitas mehr hasste als er †“ und dennoch: Diese Sororita, so allein und verloren sie auch wirken mochte, interessierte ihn.

Was hatte sie hier mit den anderen Schwestern gewollt, die auf dem Schlachtfeld, auf dem Lenhims Soldaten sie gefunden hatten, gefallen waren?

Ohne Frage hatte es nicht mit ihm oder seinem Regiment zu tun, noch mit seiner Heimatwelt. Trotzdem waren die Parallelen zu einigen Abschnitten der Geschichte von Bastet unverkennbar.

Er wollte es verstehen †“ musste es verstehen †“ wie ein Forscher ein gefährliches Raubtier oder Kampfsportler einen unberechenbaren Feind zu verstehen versuchte.

»Sie stammen von Bastet, nicht wahr?«, fragte sie, als er neben ihr stand. Ihr Blick blieb auf das sich entfernende Flackern der riesigen Schlacht gerichtet.

»Ja«, offenbarte er. »Das stimmt. Ich stamme von Bastet III, der Hauptwelt des Systems.«

»Dachte ich mir«, erwiderte sie nachdenklich. Dann schwieg sie eine Weile und ließ das dumpfe Donnern von Explosionen und das Wirrwarr aus geisterhaft leuchtenden Kaskaden auf sich wirken.

Ekko konnte aus dem Kommandozelt die wilden Rufe, Befehle und Funksprüche hören, die das organisierte Chaos der Schlacht begleiteten.

Zwei Walküren starteten hinter ihnen, wo das Lazarett lag und kreischten über sie hinweg. Der Lärm war ohrenbetäubend.

Für einen Augenblick dachte Ekko an die Verletzten aus Lenhims Trupp und den restlichen Einheiten seines Regiments. Und er dachte an die Toten.

Krieg bedeutete Tote, das ließ sich nicht vermeiden. Aber Galard Ekko hatte es als nie wirklich akzeptabel befunden, jemand anderen als sich in den Tod zu senden †“ und mochte ihm derjenige auch noch so zu unbekannt sein.

So unbekannt wie Gren Krood und seine Kasrkin.

Eine Reihe flammender Blitze ging auf das Schlachtfeld nieder, ein heftiger Luftangriff imperialer Sturmtransporter.

Der Colonel schluckte leise, als eine anklagende Stimme, die seines Mentors in der Schola Progenium, in seinem Kopf aufbegehrte und ihn mit Tadel überhäufte. †ºWie kann dein Gewissen rein sein, wenn du weißt, dass das, was du tust, falsch ist? Wie kannst du die Lehren des Imperators leben, wenn du stets danach trachtest, ihn zu verraten?†¹

Aber ich verrate ihn doch ni...

Er brach den Gedanken ab und wischte ihn wütend fort. Nur ein weiterer Grund, sein Leben unter die vom Imperator angedachte Zeitspanne zu verkürzen.

†ºSiehst du? Du willst ihn schon wieder verraten†¹, flüsterte die Stimme hämisch.

Leitis Sile neben ihm entschied sich just im selben Moment, ihr Schweigen zu brechen. »Ich habe noch nie einen Menschen aus dem Bastet-System gesehen, der meinen Schwestern in irgendeiner Weise wohlgesonnen gegenübergetreten wäre.«

»Das bin ich auch nicht«, gab er zu und zuckte die Achseln. »Aber ich bin jemand, der Kosten und Nutzen gegeneinander abwägt. Und ich sehe keinen Nutzen darin, Ihnen Probleme zu bereiten. Dann sind Sie schneller weg und kann meinen Auftrag wieder in Ruhe ausführen.«

»Eine Mentalität, die man wirklich nur bei der Imperialen Armee zu finden scheint«, murmelte sie.

Er lachte auf. »Ich denke, man muss dafür geboren sein, diese Mentalität zu besitzen. Ich habe schon vollkommen andere Charaktere in der Imperialen Armee erlebt.«

»Das glaube ich Ihnen gerne, Colonel.«

»Das klingt, als wenn Sie das verurteilen.«

»Nein, sicherlich nicht. So lange man seinen Dienst für den Imperator gewissenhaft erfüllt, habe ich nichts dagegen einzuwenden.«

Eine flammende Perlenkette reichte in den Himmel und leckte nach den Wolken. Kurze, abgehackte Schläge wie bei einer Ohrfeige folgten.

Die Antwort bestand aus einer Serie Donnerschläge.

Ekko seufzte. »Ich hoffe, Sie denken von mir nicht genauso schlecht wie von Kommissar Ligrev?«

»Würde das für Sie einen Unterschied machen?

»Nein, sicherlich nicht.«

»Dann wäre es verschwendete Mühe, Ihr Gewissen zu beruhigen.«

Dann schwiegen sie eine Weile. Nur der Krieg sprach.

»Ich bin von Ihnen beeindruckt«, gab Ekko schließlich zu. »Ich habe noch nie jemanden eine Pistole so schnell aus einem Halfter ziehen sehen, das ihm nicht gehörte.«

»Jahrelanges Training, Colonel.«

»Sie dienen dem Imperator sicherlich gut, Prioris.« Ekko ballte die Fäuste. Er konnte nicht glauben, dass er das gerade wirklich gesagt hatte.

»Kommissar Ligrev scheint das nicht so zu sehen.«

»Ligrev ist ein Idiot. Ich habe noch nie einen Menschen gesehen, der sich selbst mehr wert gewesen wäre als ihn.«

Sile warf ihm einen überraschten Blick zu. Ihre stahlblauen Augen funkelten. »Sie lehnen sich sehr weit vor, Colonel. Passen Sie auf, dass Sie nicht stürzen.«

»Keine Sorge. Ich hoffe jeden Tag darauf und habe es nie geschafft.«

»Wie meinen Sie das?«, fragte Sile stirnrunzelnd. Ekko winkte ab. »Nicht so wichtig.«

Eine heftige Explosion beleuchtete die Wolken. Schwerer Donner rollte über sie hinweg.

Die Schlacht klang aus der Ferne wie eigenartige Musik grausam verstimmter Instrumente †“ oder ein erregter Wortwechsel in einer Sprache, die er nicht verstand, auch wenn er sie sprach.

Zeit, sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren.

»Was genau haben Sie hier eigentlich gemacht, Schwester?«

»Es gibt Dinge, die von großer Bedeutung sind, Colonel. Um solche Dinge kümmern meine Schwestern und ich uns.«

»Dann sind Sie eine Celestia?«

Sile wandte den Kopf und funkelte ihn an. »Jetzt bin ich beeindruckt. Sie scheinen gut informiert zu sein.«

»Ich bin nicht Ligrev. Ich ziehe es vor, meinen Feind zu kennen.«

»Eine löbliche Einstellung, Colonel. Kommissar Ligrev ahnt nicht, in welcher Gefahr er sich befindet«, stellte sie fest.

»Das hat er noch nie gewusst«, pflichtete Ekko ihr bei. »Und wenn er es merkt, wird es zu spät sein. Aber das sollte uns nicht kümmern. Wie Sie bereits sagten, Prioris: Es gibt Dinge, die wichtiger sind.«

Zwei Walküren heulten an ihnen vorbei und schossen nach hinten aus dem Sichtfeld, vermutlich um Verletzte zum Lazarett zu bringen.

Ekko sah ihnen nach. »Und nun stehen Sie hier draußen?«

Siles Stimme war zu einem Flüstern geworden, zum einen Windhauch. Zerbrechlich und kaum zu vernehmen. »Ich versuche, es zu verstehen.«

»Was zu verstehen?«

»Dass ich versagt habe.«

»Sie haben versagt?«, fragte er überrascht.

»Ich habe noch nie eine meiner Schwestern verloren«, tat sie kund. Ihre Stimme klang verzweifelt.

Verluste. Ekko sah weg und schloss die Augen. Verdammte Verluste. Er sah Kroods Gesicht vor sich, sein energisches Nicken, als er erfuhr, dass es nicht genügend Platz für all seine Männer gab.

Er sah das Gesicht seines Bruders vor sich, wie er entschlossen gegen die Prokura kämpfte, die die Sororitas bei seiner Verhaftung anführte, um seinem kleinen Bruder die Chance zu geben, ihnen zu entkommen.

Er sah hunderte von Männern, die er kannte oder auch nicht, die aber für ihn gekämpft hatten und gestorben waren.

Noch ein Grund, sein Leben zu verkürzen. Wie würde er jemals damit leben können?

»Wie soll ich damit leben?« Sile sah ihn an.

»Heißt Leitis nicht so etwas wie: †ºDie, die immer glücklich ist†¹ oder so?«, erwiderte er und starrte zurück.

Sie sah ihn hasserfüllt an. »Dafür könnte ich Sie töten.«

»Irgendwie hatte ich gehofft, dass Sie das jetzt sagen würden«, überlegte er nachdenklich. »Aber dann wäre die Geschichte ja zu Ende.«

»Sie sind nicht der Mittelpunkt der Geschichte.«

»Natürlich. Meiner eigenen kleinen Geschichte, Prioris«, erwiderte er und lächelte freundlich. »Schlafen Sie erst einmal eine Nacht und sehen Sie dann weiter, wie es morgen vorangeht.«

Bin ich irgendwie verrückt oder so etwas in der Art?, dachte er. Seit wann rede ich mit einer verdammten Mörderin, als wäre sie meine beste Freundin?

»Colonel! Colonel Ekko!«

Die beiden drehten sich um.

Ein Soldat im Steppentarn der Basteter stürmte über die dunkle Ebene, als wären sämtliche Chaosdämonen auf seinen Fersen.

Die Atemlosigkeit des Mann alarmierte Ekko bereits soweit, dass er ihm kurz angebunden entgegen bellte: »Was gibt es?«

Der Soldat kam schlitternd zum Stehen. »Colonel, es ist Rahael. Er rastet total aus.«

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Salvete,

Vielen Dank für den Kommentar. Es freut mich riesig, wenn jemandem meine Wort-/Satzschöpfungen gefallen. Schön, dass der Satz gefallen hat!

Und damit kommt auch schon der nächste Teil.

10

»Also, was ist los?«, erkundigte sich Ekko, als er auf die attraktive Figur von Doktor Calgrow zusteuerte. Trotz ihres bereits fortgeschrittenen Alters wirkte sie noch immer recht anziehend und er konnte sich vorstellen, dass die Frau, die nun in einem Alter von fast fünfzig Jahren vor ihm stand, als junges Mädchen kein Problem gehabt haben musste, einen Verehrer zu finden.

»Ich habe einen von Ihren irren Armaplast-Trägern, der in meinem Lazarett Amok läuft. Das ist los.«

Ekko hob überrascht und ärgerlich die Augenbrauen. Er hatte keine Zeit für dämliche Spielchen, die die War-mal-Kommissarin-bin-jetzt-Doktor-(aber-eigentlich-noch-immer-Kommissarin)-Ärztin gern zu spielen pflegte.

Er legte übermäßig starke Betonung in seine nächsten Worte, eine Präzisierung der ursprünglichen Frage: »Also, Doktor, was genau ist mit Rahael los?«

»Sie wissen es genau, Colonel«, sagte sie mit anklagender Stimme. »Wir bezeichnen es als †ºSpontan-Häresie†¹.«

»Ja, natürlich«, brummte Ekko zurück. »Ein junger Cadianer voller Illusionen über ein gerechtes Universum und mit einem unerschütterlichen Glauben an den Gott-Imperator entscheidet sich spontan, zu einem Ketzer an seinem Glauben zu werden und gerade in Ihrem Lazarett zu randalieren. Nehmen Sie sich nicht so wichtig.« Er funkelte sie an. »Sie wissen genau, was es ist, Doktor.«

»Natürlich.« Ihre Stimme war wissend, voller Ruhe und aus ihren Augen strahlte Mitleid für den jungen Mann, der sich gerade anschickte, sein Leben zu verwirken. »Es ist einfach nur Stress, Colonel.«

»Also behandeln Sie es auch so!«, herrschte er sie an. »Sie sind Ärztin. Ich dachte, Ihr Dasein gilt dem Leben von Patienten, nicht deren Exekution.«

Er brauchte nicht zu sagen, was er ihr wirklich an den Kopf hatte schleudern wollen. Sie wusste, dass Ekko Kommissare verachtete, nicht nur Kolwa Ligrev. Und Sie wusste, dass er sie wegen ihrer Vergangenheit höchstens tolerierte.

Sie hatte stets versucht, sich Colonel Ekko nicht zum Feind zu machen, denn er war ein unberechenbarer Mensch, den nicht einmal ein Politischer Offizier kontrollieren konnte. Und er war sehr beliebt bei seinen Leuten.

Das wichtigste Argument jedoch war, dass er recht hatte †“ von einem menschlichen Standpunkt aus.

Und das war nun einmal Ekkos Problem. Er war manchmal zu menschlich.

Sie folgte ihm, als er durch die Tür und sofort in den Gefahrenbereich trat.

Rahael fuhr herum, die Augen weit aufgerissen. »Verräter!«, schrie er und wies auf Ekko.

Die Menschentraube wandte sich um. Es waren hauptsächlich Sanitäter und leicht verletzte Soldaten unterschiedlicher Regimenter, die wortlos im Halbkreis um den wütend um sich schlagenden Cadianer standen und gafften, aber auch Wachsoldaten, die alarmiert ins Lazarett gestürmt waren.

»Raus!«, ordnete Ekko an. »Schicken Sie alle raus!«

»Sie haben den Colonel gehört!«, befahl Calgrow mit vernehmlicher Stimme. »Alle verlassen sofort den Bereich. Kommt schon, Leute! Raus mit euch!«

Man merkte sofort, dass sie vor langer Zeit Kommissarin gewesen war, denn ihre Stimme war befehlsgewohnt und mit warnendem Unterton.

Sie hielt ein gutes Dutzend Sanitäter zurück, die bei den Schwerverletzten bleiben sollten und für den Fall, dass man sie benötigte.

»Was ist mit den Wachen?«, erkundigte sie die Ärztin, als die Soldaten sich weigerten, es ihren Kameraden gleichzutun.

»Auch raus. Ich will hier niemanden, den er als Bedrohung auffassen könnte.«

»Aber, Colonel!«, wehrte sich ein Sergeant gegen den Befehl.

Ekko schwang herum und wehte die Männer mit erhobener Hand zur Tür hinaus. »Raus!«

Die Männer stolperten an belegten Betten vorbei zum Eingang und verließen das Lazarett, um davor für alle Fälle in Position zu gehen.

Trotzdem kam es Ekko so vor, als wäre der Raum nach wie vor brechend voll. Er warf einen kurzen Blick auf die Betten und entdeckte Captain Solmaar, einen Riesen, der beinahe so breit wie groß war und mit einem dicken Verband um seine rechte Kopfhälfte aufmerksam auf seinem Bett saß und verfolgte, was geschah.

»Colonel!«, rief Rahael. »Sie haben versprochen, dass Sie jeden retten.«

»Das habe ich«, antwortete der Colonel. »Alle sind am Leben. Sergeant Lenhim, Corporal Rebis, Gorak und Melbin †“ und Sie, Rahael.«

»Das meine ich nicht«, sagte er verzweifelt.

Ekko hob fragend die Hände. »Was meinen Sie denn?«

Rahael starrte ihn für einen Moment an, dann schien er sich zusammenzureißen. »Sie wissen, was ich meine.«

Wieder hob der Colonel die Hände. »Sagen Sie es mir, Rahael.«

»Wo ist sie?«, schrie der junge Cadianer. »Wo ist der Engel?«

»Welcher Engel?«

»Oh, nein«, sagte Calgrow leise. »Jetzt verstehe ich, was er meint.«

Ekko warf ihr einen fragenden Blick zu.

»Die Prioris«, erklärte sie. »Er hat mich vorhin gefragt, ob die Sororita überlebt hat. Da waren Sie mit der Schwester beschäftigt.«

Ein resigniertes Seufzen entfuhr Ekko. »Und Sie haben †ºNein†¹ gesagt.«

»Nein«, gestand sie. »Ich habe ihm gesagt, es hätte nie einen Engel gegeben.«

Der Colonel musterte sie einen Augenblick, dann seufzte er abermals. Scheiß Ex-Kommissare. »Erinnern Sie mich daran, dass ich Sie bei nächster Gelegenheit tot schlage, Doktor.«

Er wandte sich wieder Rahael zu und versuchte, den jungen Cadianer zu beruhigen, kam aber nicht mehr zu Wort.

»Wo ist der Engel!«, schrie Rahael abermals.

»Ich bin hier.«

Stille breitete sich aus.

Die Stimme, auch wenn sie so unspektakulär und weich klang, dass man sie leicht hätte überhören können, hatte die Wort kraftvoll und so entschieden eingeworfen, dass sämtlichen Anwesenden verstummten.

Ekko spürte einen heißkalten Schauer über seinen Rücken laufen und drehte sich um. Leitis Sile stand im Eingang zum Lazarett und fixierte den jungen Cadianer mit ihrem Blick. Sie sah entschlossen aus. Irgendetwas an ihr war komisch.

Ekko musste kurz an Ligrevs Konfrontation mit der Sororita denken und versuchte sich zu erinnern.

Die restlichen Anwesenden, vor allem Rahael, waren gefangen von ihren Augen.

Sie machte einige Schritte auf ihn zu und öffnete einladend ihre Arme.

»Du lebst«, flüsterte Rahael.

Sie lächelte und kam näher. »Ja.«

Die Anwesenden wichen zurück, als würde eine magische Aura sie auseinander drängen.

Keiner konnte die Augen von ihr abwenden.

Rahaels Stimme klang so dünn, dass man glauben konnte, seine Stimmbänder wären gerade im Begriff zu reißen. »Ich dachte, du bist tot.«

»Ich bin nicht tot.« Fast zärtlich schloss sie die Arme um ihn und ließ seinen Kopf an ihre Brust sinken. »Siehst du? Alles wird gut.«

Ihre Hand wanderte beruhigend über seinen Rücken und streichelte seinen zitternden Körper.

Herr auf dem Thron, es waren ihre Augen †“ der kalte Blick in ihren Augen!

Irgendetwas blitzte in ihrer Hand auf.

Ein Skalpell, schrie Ekkos Geist. Ein verdammtes Skalpell!

»Vorsicht, sie ist bewaffnet!«, rief einer der Sanitäter aus.

Stirb, du Ketzer! Die Sororita wollte gerade zustechen, als sein Arm heranschoss und ihre Hand wegschlug. In einer grazilen Bewegung wirbelte sie herum und versetzte dem Colonel einen Schlag auf den Hinterkopf, der ihn in einen Beistelltisch schleuderte.

»Er muss sterben!«, schrie sie und wandte sich wieder Rahael zu, der auf dem Boden gefallen war und vor Panik brüllte. »Das Chaos hat ihn … das Chaos!«

Im selben Moment sprang einer von Calgrows Sanitätern sie an. Der Mann war muskulös und fasste sie sofort so, dass es kein Entrinnen für sie geben konnte.

Im nächsten Augenblick segelte er quer durch den Raum.

»Wache!«, brüllte Solmaar und warf sich auf den Boden, als das Skalpell aus ihrer Hand in seine Richtung sauste.

Ekko kam wieder auf und Beine und stürzte sich auf die Frau. Seine Faust ging auf sie nieder und traf sie direkt am Kopf. Sie taumelte zurück und bekam ein Instrumententablett zu fassen. Nur wenige Herzschläge später flog das Tablett dem Colonel in die Rippen und warf ihn auf den Boden.

Von der anderen Seite griffen zwei leicht verletzte Soldaten des 512. in den Kampf ein. Sie waren bei Ausbruch des Kampfes von ihren Betten gesprungen und hatten auf die nächste Möglichkeit gewartet, ihren Colonel zu unterstützen.

Jetzt warfen sie sich auf die Prioris und drängten sie mit einem Hageln an Faustschlägen nach hinten.

Sie zuckte zusammen und keuchte auf, als hätte sie einen schweren Schlag hinnehmen müssen, dann ging einer der Männer stöhnend zu Boden, einen Augenblick später wurde der zweite von einem gut platzierten Fußtritt zurückgeschleudert.

Ekko sprang auf und wischte das Blut, das aus seiner Nase lief, mit dem Handrücken ab. Dann griff er wieder an.

Er setzte so viel Energie wie möglich in seinen nächsten Schlag, um sie außer Gefecht zu setzen, doch er griff ins Leere. Ein Schmerz zuckte durch sein Bein und ließ ihn wieder stürzen.

Hinter ihm kam Sile aus ihrer Drehung und fuhr auf der Suche nach dem nächsten Gegner herum.

Starke Hände fassten sie von hinten und versuchten sie zu fixieren. Es war der muskulöse Sanitäter. Er ließ seine breiten Arme um ihren Körper gleiten und presste sie fest aneinander, damit sie sich aus der Umklammerung nicht lösen konnte, doch er hatte nicht mit ihrer Agilität gerechnet.

Wie ein Aal glitt sie aus seinen Händen, fiel auf den Boden und rollte sich ab, nur um ihm dann die Beine wegzutreten. Er heulte auf und schlug hart hin.

Zwei Wachposten stürzten durch den Eingang. Die beiden rissen ihre Lasergewehre hoch und wollten gerade auf die Sororita schießen, als Ekkos Stimme aus dem Kampfgetümmel brach. »Ich will sie lebend!«

Vollkommen erstaunt verfolgten sie, wie Captain Solmaar der Furie entgegen rannte und sie mit aller Kraft zu Boden zu drücken versuchte, jedoch selbst stürzte, als sie seinen Schwung abfederte und sich mit ihm fallen ließ, nur um ihm dann in den Magen zu schlagen und mit einer schneller Drehung wieder auf die Beine zu kommen.

Jetzt stürzten sie sich ebenfalls in den Kampf.

Rund um sie herum flohen die übrig gebliebenen Patienten und Sanitäter, soweit es ihnen möglich war, aus dem Raum.

Zwei weitere Wachsoldaten stürzten durch die Tür und sprangen ins Getümmel.

Vor ihnen ging einer ihrer Kameraden nach einem Kinntreffer zu Boden, der zweite erlitt einen Schlag in den Bauch und taumelte zurück.

Die neu Eingetroffenen warfen sich sofort in den Kampf und bearbeiteten die Prioris mit ihren Gewehrkolben. Sie wehrte die ersten Schläge mit ihren Armen ab, dann griff sie einen der Gewehrkolben und rammte dem Träger den Lauf ins Gesicht. Er schrie auf und ließ seine Waffe los.

In einer schnellen Drehung ließ die Sororita die Waffe herum schwingen und schlug sie dem zweiten Soldaten ins Gesicht. Er stolperte und fiel ebenfalls.

Im gleichen Moment jedoch kam Solmaar von links und tauchte unter dem heran schwingenden Gewehr durch. Er wollte gerade zum Schlag ausholen, als ihn der Lauf im Nacken traf und er sein Gleichgewicht verlor.

Er wäre beinahe in sie gefallen, hätte sie nicht im letzten Augenblick einige Schritte zur Seite gemacht.

Ekko nutzte diesen Moment der Unachtsamkeit aus und riss ihr das Gewehr aus den Händen, um es wegzuschleudern.

Ein Schlag traf ihn ins Gesicht und warf ihn nach hinten. Er fiel hin und bemerkte, dass die Regimentsärztin hinter ihm stand, wie paralysiert auf den Kampf starrend.

»Haben Sie sie vorhin Drogen gesetzt?«, fuhr Ekko Calgrow an und rappelte sich auf. Sie schüttelte den Kopf, die Augen weit aufgerissen. »Ich … ich!«

»Tun Sie endlich was!« Eine Hand fasste ihn von hinten. Er fuhr herum, um sich aus dem Griff winden, doch eine grazile Bewegung verwendete seinen Schwung gegen ihn.

»Oh, neeeein!«, konnte Ekko noch rufen, dann krachte er in die ihm nächsten Krankenbetten.

Die Tür flog wieder auf und noch mehr Soldaten stürmten ins Lazarett.

Calgrow, durch die Worte des Colonels endlich aus ihrer Schreckstarre erwacht, griff nach einem bereitliegenden Injektor mit einem Betäubungsmittel, da schoss ein neues Skalpell heran. Die Prioris setzte ihre komplette Kraft in den Stoß und versuchte, die kleine Waffe zwischen Calgrows Brüste zu rammen.

Solmaar schlug ihr in die Seite. Sie fuhr zusammen. Ihre Hand rutschte mit dem Skalpell weg und schnitt dem Captain in den Arm.

Die Ärztin taumelte zurück, als ihr Mantel aufgeschlitzt wurde und fiel zitternd auf den Boden.

Zeitgleich schoss einer der Wachsoldaten heran und griff Siles Arme. »Weg mit dem Ding!«, schrie er.

Die Prioris rammte ihren Kopf in seinen Bauch und warf ihn über den Rücken. Dann stürzte sie sich auf Rahael, der etwas abseits des Kampfes kauerte.

Sie hatte ihn beinahe erreicht, als eine große Masse sie traf und aus dem Gleichgewicht brachte. Ekko rollte sich über die linke Schulter ab, wirbelte herum und ignorierte seinen schmerzenden Körper.

Sile schüttelte den Kopf und taumelte. Er musste sie hart getroffen haben.

Ein weiterer Gewehrkolben ging auf die Schwester nieder, die sich heftig zur Wehr setzte. Sie stürzte zu Boden. Das Skalpell glitt aus ihrer Hand.

Einer der Wachsoldaten wollte sie gerade greifen, als ihre Hand in tödlicher Wut nach oben schoss. Er seufzte auf und sank in sich zusammen. Sein Lasergewehr fand sich in ihren Händen wieder und spie kohärentes Licht in die Luft.

Alle warfen sich in Deckung.

»Nicht auf sie schießen!«, bellte Ekko nachdrücklich hinter einem vom Kampf umgeworfenen Krankenbett. »Ich will sie lebend.«

Solmaar neben ihm schüttelte den Kopf. »Was haben Sie vor, Colonel?«

»Fragen Sie mich nochmal, wenn ich Zeit hatte, mir was zu überlegen«, gab er zurück.

Vor ihnen schrie die Sororita wie in Trance und zerstrahlte den Raum.

»Ihr Magazin ist bald verbraucht«, versicherte der Colonel.

Der Captain presste sich noch enger an den Boden. »Hoffentlich.«

Plötzlich zerriss ein Stoffvorhang. Sile warf den Kopf herum, da wurde sie auch schon in die Luft gehoben. Ein riesiger Arm schloss sich um ihren Hals. Es knackte hässlich.

Sie erschlaffte.

»Tut mir leid, Sir«, entschuldigte sich Melbin. »Ich bin etwas spät.«

Ekko keuchte auf und versuchte, seine malträtierten Rippen zu reiben. »Schon okay. Ist sie tot?«

»Nein, Sir, nur betäubt«, sagte der Cadianer leise und legte die Prioris vorsichtig auf eines der Betten, wo sie sofort von in den Raum flutenden Sanitätern und Soldaten umschwärmt wurde, die sich bemühten, sie ausbruchsicher zu fixieren.

»Ein Hoch auf ihre Sanftheit, Melbin. Hipp, hipp †“ Hurra.«

Calgrow trat zu Ekko und half ihm, sich richtig aufzurichten, bevor sie begann, seinen Brustkorb abzutasten. »Sie haben sich ganz schön ins Zeug gelegt, Colonel«, stellte sie sachlich fest. »Das würde ich gerne genauer untersuchen.«

Ekko sah die Ärztin an und schüttelte langsam den Kopf. »Und sie kam mir so nett vor«, sagte er.

Calgrow warf ihm einen mitleidigen Blick zu und reichte ihm ein Tuch, damit er seine blutende Nase abwischen konnte.

»Es kommt noch besser«, murmelte Solmaar, dessen Arm von einem Sanitäter verbunden wurde, und deutete auf den Zelteingang. Dort stand Ligrev.

Der Kommissar ließ seinen Blick angewidert durch das Lazarett schweifen, bis er Ekko entdeckte und ohne Umschweife auf ihn zutrat. »Wie ich sehe, wäre es wohl besser gewesen, sie sofort zu erschießen, oder?«

»Was wollen Sie?«, brummte Ekko ungehalten.

Der Kommissar lächelte selbstgefällig. »General Iglianus fordert Sie auf, sich sofort zu ihm zu begeben.«

»Sehr gut«, antwortete Ekko und verfolgte befriedigt, wie Ligrevs Züge entgleisten. »Captain Solmaar, bitte informieren Sie Major Carrick, dass Prioris Leitis Sile bis auf weiteres in der Kommandozentrale festgehalten wird. Ich will, dass es ihr gut geht, wenn ich zurückkomme.«

»Verstanden.«

Ekko nickte bestätigend und wandte sich zum Gehen, da bemerkte er den zitternden Rahael, der von zwei Sanitätern auf eine Liege gesetzt wurde. Der arme Junge hatte wirklich viel mitmachen müssen in den letzten Tagen.

Mit dieser Aktion hatte er in den Augen dieses abartigen Schweins von Kommissar sicherlich sein Leben verwirkt. Ligrev würde ihn erschießen, so viel war sicher †“ so sicher, wie er es bei Lenhim versucht hatte.

»Ach ja«, fügte Ekko leise an. »Soldat Rahael wird auch nichts geschehen.«

Ligrev versteifte sich. »Colonel!«, mahnte er.

Ekko verengte die Augen und nickte Ligrev zum Abschied zu. »Kommissar Ligrev.«

Dann verließ er das Zelt.

Der Kommissar brauchte nur ein oder zwei Sekunden länger, dann fasste er den Griff der Boltpistole in seinem Holster und schickte sich an, Ekko zu folgen. Jetzt würde er es zu Ende bringen. Der Colonel war zu weit gegangen.

»Lassen Sie es, Ligrev.« Die starke, weibliche Stimme, die ihn in Verbindung mit dem Arm stoppte, war die von Calgrow. Die Ärztin musterte ihn aus ihren energischen, klaren Augen und forderte ihn so auf, Ekko nicht nachzulaufen. »Es wird Ihnen nichts bringen.«

»Das stimmt«, ertönte eine andere Stimme. Beide wandten sich um.

»Er hat nur versucht, Sie aufzuhalten, als Sie die Prioris erschießen wollten«, bemerkte Melbin, der sich wieder auf seinem Bett niedergelassen hatte. »Wir haben es alle gesehen.«

Ligrev funkelte ihn hasserfüllt aus seinen dunkelbraunen Augen an.

Auch Calgrow erschoss ihn mit ihren Blicken. »Halten Sie die Klappe, Melbin.«

Der große Cadianer verzog eingeschnappt den Mund und wandte sich von den beiden ab.

Calgrow wartete, bis der Cadianer ihnen nicht mehr zusah, dann adressierte sie Ligrev wieder. Obwohl sie ihre Stimme gesenkt hatte, schrie das Feuer in ihren Augen ihn regelrecht an.

»Herr Kommissar, wenn Sie wirklich gut sind, wissen Sie, wer ich bin. Und im Zuge dieses Wissen dürfte Ihnen bekannt sein, was zu tun ich in der Lage bin. Versuchen Sie also nichts, was Ihnen oder uns in irgendeiner Weise schaden könnte. Colonel Ekko wird sicherlich zu gegebener Zeit diszipliniert werden †“ aber dieser Tag wird nicht heute sein, haben Sie mich verstanden?«

»Wie können Sie es wagen, Doktor?«, platzte es aus Ligrev heraus. »Sich so vermessen zu geben und zu glauben, dass Sie mir etwas vorschreiben könnten. Das wird Konsequenzen für Sie haben, glauben Sie mir!«

»Ligrev, Sie sind ein himmelschreiender Idiot und wissen gar nicht, was Sie sich gerade antun.« Calgrow klang gelangweilt und sonderbar gereizt, als habe sie gerade den schlechtesten Sex ihres Lebens gehabt. »Ich könnte Sie einfach verschwinden lassen, Kommissar, so als wären Sie von mir eingesaugt worden wie ein Planet von der Gravitation eines Schwarzen Lochs, und niemand würde je wieder Ihre Existenz auch bloß erwähnen. Selbst mein Tod würde Sie verfolgen wie ein Albtraum und schließlich in Blut und Tränen für Sie enden. Ich hoffe, Sie denken daran, wenn Sie sich entscheiden, sich gegen mich zu stellen.«

Ligrev wollte etwas erwidern, doch ihm fiel nichts ein, sodass er nur seine Boltpistole zurück ins Halfter gleiten ließ und wutschnaubend aus dem Lazarett stapfte.

»Doktor.«

»Ja, Melbin?«

»Sie sind die beste Frau im Universum.«

Calgrow lachte leise. »Vielen Dank, Melbin.«

»Jetzt, wo Sie ihn zurecht gewiesen haben, wird er es nicht noch einmal wagen, sich gegen einen von uns zu stellen«, stellte er grinsend fest.

»Oh, Melbin«, sagte sie und bedachte den massigen Cadianer mit einem eiskalten Lächeln, »Das beweist doch nur, wie unfähig er im Grunde ist. In meinen besten Zeiten hätte ich an seiner Stelle das ganze Regiment exekutieren lassen †“ und wo wir schon beim Sterben sind: Könnten Sie mir kurz bei Sergeant Lenhim helfen? Er wird es sonst nicht mehr lange mitmachen.«

Die Fröhlichkeit aus Melbins Gesicht verschwand.

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***

Das wütende Toben von General Iglianus prallte wie eine Flutwelle an die Wände seines Büros, während der vor Wut beinahe glühende General unruhig auf und ab tigerte, als wäre er hinter den Gitterstäben der Verantwortung gefangen.

Ekko fragte sich, ob er vielleicht gleich von Innen heraus platzen würde.

»Verdammt, Colonel!«, rief der etwas breitere Offizier aus und bedachte seinen stumm neben ihm in einem ledernen Sessel residierenden Kommissar. »Wie konnten Sie das tun?«

»Ich habe eine Entscheidung getroffen, Sir«, erwiderte Ekko ruhig †“ bereits zum fünften Mal seit seiner Ankunft im Kommando-Leviathan des Armeekommandos, der gemächlich über die Ebenen Agos Virgils kroch.

Der General schnaubte vor Unglauben, dass der Colonel es wagte, ihn zu unterbrechen. Es klang wie ein verstimmtes Vulture-Kanonenboot. »Halten sie die Klappe, Ekko! Sie haben sich mit ihrer kleinen Eskapade ziemlich viel geleistet und wenn es nach Kommissar-General Del Mar ginge, hätten Sie bereits vor Stunden Ihre Ende gefunden!«

Natürlich. Ekko hat bereits viel von der Härte des Kommissar-Generals gehört. Der Mann war eiskalt und tödlich und schreckte vor nichts zurück.

»Tatsächlich würde auch ich Sie am liebsten an die Wand stellen!«, versetzte Iglianus.

»War eine verdammte Schweinerei, die Sie da angerichtet haben, Ekko«, fügte Del Mar an.

Ekko musterte ihn genauer. Er war ein hochgeschossener Mann mit einer gebrochenen Nase, mehreren Narben im Gesicht und Augen, bei denen sich sein Rücken am liebsten unter einer Gänsehaut versteckt hätte. Er klang kalt und desinteressiert, so als ginge ihn das alles nichts an. »Können Sie all die Toten verkraften, Colonel?«

Ekko zuckte die Schultern. »Kommt drauf an, wie viele aus meinem Regiment sind, Sir.«

Unangenehmes Schweigen erfüllte den Raum.

Del Mar schoss einen stummen Blick zu Iglianus. Obwohl er kein Wort verlor, konnte Ekko die eiskalte Stimme hören, die im Plauderton fragte: »Sind Sie sich sicher, dass er es wert ist?«

Der General seufzte unbehaglich. »Die Verluste gingen überraschend glimpflich für uns aus, Ekko. Deswegen haben Sie verdammtes Glück gehabt.

Insgesamt gingen uns nur dreihundertfünfundvierzig Soldaten verloren, davon zweihundertneununddreißig neununddreißig Totalverlust, was weit unter den Einschätzungen des Tacticae lag. Damit haben Sie uns im Grunde sogar noch einen Dienst erwiesen.«

»Ich bin froh, dass ich helfen konnte, Sir.«

»Gibt es eigentlich einmal irgendeine Situation, die Sie nicht kommentieren?«

»Ich habe noch keine erlebt, Sir.«

Del Mar löste sich von der Wand.

»An ihrer Stelle, Colonel«, sagte er gefährlich ruhig, »würde ich mein vorlautes Mundwerk halten und zuhören. Sie bekommen gerade die Chance, meiner Gerechtigkeit zu entgehen. Nutzen Sie sie besser.«

Ekko ließ seine Augen unmerklich von dem Kommissar zurück zu Iglianus schweifen. Obwohl er sich bemühte, seine Furcht nicht überhand nehmen zu lassen, ging ihm auf, dass er mit Del Mar einen weitaus gefährlicheren Gegner vor sich hatte als mit Ligrev.

Eher jemanden wie Marith Calgrow oder diese Leitis Sile: Entschieden, zurückhaltend und dennoch aufmerksam. Ein gefährliches Raubtier, das ihn beschlich und bereit war, ihn bei der nächsten Gelegenheit zu vernichten.

Und jetzt diese eigenartige Sache mit der Chance, Del Mars Gerechtigkeit zu entgehen. Wovon, beim Barte des Propheten der Heiligen Bastet, redeten die Männer da?

»Wovon, im Namen des Throns, reden Sie, Sir?«

»Colonel, in Anbetracht der Situation habe ich entschieden, dass Sie scheinbar der Richtige sind für eine kleine Operation, die abseits unseres Hauptvorstoßes stattfinden wird.«

»Wie meinen Sie das?«, hakte Ekko ungläubig nach.

»Ich habe mich für Sie eingesetzt, Ekko.«

Del Mar schürzte die Lippen. »Ich heiße das nach wie vor nicht gut, General. Ich denke, das könnte den Truppen das falsche Bild ...«

»Es war meine Entscheidung«, unterbrach Iglianus. »Um die Bestrafung können wir uns danach immer noch Gedanken machen.«

Ekko seufzte. Schon wieder hatte ihn das Universum beschissen. »Das hier ist Bestrafung genug, Sir.«

Del Mar fixierte ihn. »Sie sind ein Mistkerl, Ekko.«

»Vielen Dank. Man wollte mich auch schon zum Kommissar machen.«

Die Augenlider des Kommissars begannen, wütend zu flackern. Er wollte eine harsche Erwiderung in Richtung des Colonels schleudern und ihm mitteilen, was am Besten in sein Gesicht passen würde.

Iglianus hielt ihn mit einer knappen Geste zurück.

»Ekko«, brummte er mit erstaunlicher Selbstbeherrschung trotz des unglaublich vermessenen Verhaltens seines Offiziers, »man sollte die Hand, die einen füttert, besser nicht beißen.«

Dann wandte er sich um, einem hololithischen Daten-Globus zu, der sich nach einer kurzen Berührung des Bedienelements aktivierte.

Sofort wurden die Regimenter als stilisierte Truppen dargestellt, die sich durch die riesige, durchsichtige Ebene von Agos Virgil zwängten, während die Orks bereits einen weiten Vorsprung gewonnen hatten †“ auf jeden Fall das, was noch von ihnen übrig war.

Iglianus räusperte sich. »Also, Ekko, zurück zu meiner Entscheidung. Wir haben hier, nördlich von uns, eine Basilika der Ekklesiarchie, die Himmels-Kathedrale. Sie wurde von den Orks überrannt und geschändet.«

Das hololithische Bild flackerte und verschob sich. Ein massives Bauwerk schimmerte in matten Blau über die aus Licht nachgebildete Landschaft. Es wirkte mächtig und elementar, dass man glauben konnte, es stünde bereits seit Anbeginn der Zeit da.

Iglianus wies auf die Darstellung. »Da die Priesterschaft und das örtliche Pilgertum niedergemetzelt worden sind, bietet sich diese Makro-Kathedrale als neue Basis unserer Operationen geradezu an. Ich denke, es wäre sogar nur rechtens, wen von diesem geheiligten Ort aus die restlichen Truppen des Imperiums aus zu uns stoßen, wenn sie eingetroffen sind.

Dabei gibt es nur eine Schwierigkeit: Wir haben seltsame Kom-Signale von dort erhalten, die nicht orkisch sind, wir aber auch nicht entschlüsseln können.«

Eigentlich würde ich dem Ganzen etwas mehr Interesse entgegenbringen. Allerdings war Ihr eigenmächtiges Verhalten für unsere Truppen so inspirierend und für den Feind derart niederschmetternd, dass ich eigentlich keines der Regimenter entbehren kann, um die Basilika zu säubern und eine neue Operationsbasis zu schaffen.

Allerdings haben die Basteter unter Ihrem Kommando bewiesen, dass Sie und Ihre Männer dafür mehr als prädestiniert sind.

Das wird Ihre neue Aufgabe sein: Gehen sie dorthin und reinigen sie diesen Ort für uns.«

Es klang so dermaßen beiläufig, dass es einfach wichtig sein musste.

»Sie lassen mich eine verdammte Kirche einnehmen?«, fragte Ekko ungläubig. »Ich will weiter an der Front kämpfen, Sir!«

»Halten sie das Maul, Ekko!«, schnauzte Del Mar. »Sie sind ein imperator-verfluchtes Arschloch, das es versaut hat, also sorgen Sie dafür, dass Sie es wieder hinbiegen, sonst mache ich es selber und dann können Sie Ihr schwarz verbranntes Gehirn von der Wand wischen!«

Der Kommissar-General trat nah an ihn heran. »Was sollen wir dann mit Ihren Männern machen? Wenn Sie tot sind, wird sich niemand um sie kümmern und es wird mir eine Ehre sein, das Kommando zu übernehmen, Sie kleiner unbedeutender Wicht! Also benehmen Sie sich!«, zischte er.

Noch bevor Ekko reagieren konnte, mischte sich Iglianus ein. »Sie haben genügend Schaden angerichtet, Ekko. Ich will Sie bei was wissen, das Sie nicht versauen können, haben Sie das verstanden?!«, fragte er. »Außerdem ist es hilfreich, wenn wir den Siegestaumel Ihrer Männer ein bisschen bremsen. Nicht, dass jemand auf häretische Gedanken kommt.

Und verdammt noch mal - nehmen Sie Haltung an, wenn ich mit Ihnen rede!«

Ekko straffte sich, auf wenn sich in seinem Kopf alles drehte. Konnte das sein? War das wirklich wahr? Hatte Iglianus ihm gerade offenbart, dass er und Del Mar beabsichtigten, seine Männer gegen ihn aufzubringen?

»Ach, ja«, fügte Iglianus an. Wieder so verdammt beiläufig. »Wir werden sämtliches schweres Gerät, Ihre Transporter und Läufer mitnehmen.«

Jetzt konnte Ekko nicht anders, als erschrocken zusammenzusinken. »Was?«

»Das Regiment wird sich an keiner Vorwärtsbewegung unserer Truppen auf diesem Planeten mehr beteiligen. Sie werden das Gebiet halten und befestigen. Daher werden Sie den Großteil ihres Fuhrparks nicht benötigen.«

»Aber, Sir«, brachte Ekko ungläubig hervor.

»Ruhe!«, bellte Del Mar.

Iglianus fuhr ungerührt fort. »Sie behalten ein paar Chimären, neun Läufer und eine Schwadron Walküren zurück. Suchen Sie sich die Truppen aus, die Sie mitnehmen wollen und dann machen Sie sich auf den Weg. Bis 1400 sind Sie auf dem Weg. Sie haben immerhin gut vierzig Kilometer Strecke vor sich.«

»Sir, ich ...«

»Sie haben Ihre Befehle, Colonel!«, fauchte Del Mar. »Führen Sie sie aus †“ oder sterben Sie.«

Ekko biss die Zähne wütend zusammen. Del Mar und Iglianus hatten ihn ausgetrickst und ihn in eine Zwickmühle manövriert, das wurde ihm klar. Er wollte nicht sterben, das war sicher, nicht durch Del Mars Hand. Aber wenn er sich entschied, den Auftrag auszuführen, dann würde das einen Gesichtsverlust gegenüber seinen Männern bedeuten.

So oder so, er würde einen herben Verlust erleiden.

»Gibt es weitere Anweisungen?«, knirschte er.

»Zu diesem Zeitpunkt nicht. Setzen Sie sich mit dem Munitorium in Verbindung. Dort wird man Ihnen die neuen Einheiten zuteilen und Ihre Truppen abziehen.«

»Verstanden, Sir.« Der Colonel straffte sich abermals, salutierte und machte kehrt. Dieser Schlag hatte ihn eher getroffen als alles, was er bis dahin in seiner Laufbahn erlebt hatte (abgesehen von einigen persönlichen Rückschlägen).

»Und, Ekko«, endete der General. »Sie sehen beschissen aus.«

»So fühle ich mich auch, General.«

Iglianus ignorierte die versteckte Beleidigung. »Seien Sie froh, dass es für Sie derart glimpflich ausgeht, Ekko. Wenn ich nicht Männer wie Sie brauchen würde, dann hätte ich Sie längst exekutieren lassen.«

Ekko nickte verstehend. »Ja, General«, pflichtete er bei. »Wenn es danach ginge, dann hätte ich mich sicherlich bereits selbst exekutiert.«

»Verschwinden Sie, Ekko«, grummelte der massige Mann bedrohlich. Der Colonel deutete einen kurzen Salut an und machte abermals auf dem Absatz kehrt, bevor er den Raum durch die zur Seite gleitende Tür verließ.

Ob das vorsichtige Lächeln in seinem Gesicht jetzt von Wut oder Triumph geprägt wurde, konnte er selbst nicht genau sagen.

***

Der Tag brach an und Ekko fühlte, wie der emporstrebende Schlaf ihn umwölkte.

Der Rückflug verlief ereignislos.

Ekko spürte den stechenden Blick des Frachtoffiziers der Walküre, mit der er flog, auf sich ruhen. Es fühlte sich an, als würde er mit tausend Messerstichen durchbohrt.

Die Maschine zog unruhig über den hell werdenden Himmel und die Müdigkeit kletterte ihm in die Poren.

Diese Walküre war kein speziell hergerichtetes Modell für den Transport von wichtigen Personen, sondern ein einfacher Fracht- und Truppentransporter. Dementsprechend einsam und unbequem war der Transport.

Am Schlimmsten jedoch war, alle paar Sekunden aus dem Dämmerschlaf gerissen zu werden, wenn die Maschine ruckte und ihm der Kopf gegen die Seitenwand schlug oder nach vorne kippte. Jedes Mal wachte er erschrocken und desorientiert auf, nur um sich dann noch müder zu fühlen.

Er fand einfach keine Ruhe, dafür dröhnte ihm aber der Kopf. Keine gute Kombination.

Wann er das nächste Mal Schlaf finden würde, wusste er nicht. Vielleicht war es die Resignation, die er aufgrund dessen verspürte, die ihn wach hielt, aber wenn er sowieso nicht richtig zur Ruhe kam, dann musste er sich die Zeit eben anders vertreiben.

Er atmete tief ein. »Geben Sie durch, dass sich sämtliche Führungsoffiziere bei Azrael versammeln sollen. Meine Leute wissen, was damit gemeint ist.«

Der Frachtoffizier nickte zweifelnd und sprach dann in sein Funkmikro.

Einige Sekunden später nickte er einer körperlosen Stimme zu, bevor er sich an Ekko wandte. »Der Pilot wird es gleich senden, Sir. Er meldet mir, sobald er eine Bestätigung erhält.«

Ekko neigte kurz den Kopf und wandte sich dann dem schmalen Sichtschlitz zu. Vor nicht all zu langer Zeit hatte er ebenfalls auf diese Weise aus dem Innenraum eines Sturmtransporters auf die Rauchschwaden geblickt, die von einer brennenden Ebene aufstiegen, auf der sich die Imperiale Armee der grünen Flut des Feindes entgegen gestemmt hatte.

Bei dem Gedanken daran fasste er kurz an das Tiefziehholster seiner Laserpistole.

War das wirklich erst kaum dreizehn Stunden her?

Die Nächte auf Agos Virgil waren sehr kurz, das wusste er, doch wenn er sich jetzt daran erinnerte, hatte er nicht mehr als einen schmalen Streifen Dunkelheit gesehen, bemalt vom fernen Flackern des Grauens.

Die Landschaft zog unter ihnen entlang, staubige, unwirtliche Ebene, wie sie nur die Steppen eines außerirdischen Planeten haben konnte.

Gräulich-beiger Sand und dürre, verbrannte Vegetation wechselten sich ab mit einigen Flecken grüner Erde, wo die Natur dem unerbittlichen Wirken des Universums und selbst der Zerstörung durch Menschen und Grünhäute getrotzt hatte.

Aber das war es auch. In der Ferne konnte man die rauchenden Überreste von etwas erkennen, das vor langer Zeit die aufstrebende Makropole Golgarad gewesen war, jetzt ein Synonym für die vollständige Auslöschung jeglichen menschlichen Lebens auf dieser Welt.

Sie waren zu spät gekommen.

Was, im Namen des Throns, taten sie noch hier?

Diese Welt war tot, übersät mit dem Makel der Grünhäute und verseucht von ihrem Wirken. Es gab hier nichts, für das es sich zu kämpfen lohnte.

Also genau die richtige Welt für ihn. Genau die richtige Welt, um hier den Tod zu finden.

Was aber das Armeekommando veranlasste, weiter an diesem Ort festzuhalten, war ihm schleierhaft. So sollte es wohl auch bleiben.

»Befehl wurde bestätigt«, bemerkte der Frachtoffizier.

Ekko nickte abwesend.

Der Krieg ermüdete ihn. Er hätte bereits vor langer Zeit seinen Tod finden sollen, aber immer wieder wurde er darum betrogen, so als hätte der Gott-Imperator gerade ihn sich herausgesucht, um sich an seinem Unglück zu belustigen und ihn zu quälen.

Die Walküre machte einen Satz und sank tiefer. Leuchtspurgarben zischten vor der Sichtluke vorbei.

Ekko rieb sich die Augen. Waren das gerade wirklich …?

Nein, es war nur Einbildung gewesen, ein Streich, den ihm die aufgehende Sonne gespielt hatte.

Er ließ den Streich Streich sein und lehnte sich zurück. Eine Erschütterung donnerte seinen Kopf gegen die Wand.

Er biss die Zähne zusammen und stützte sich auf seine Ellenbögen. Nur einen Moment Ruhe, auch wenn es ihm nicht vergönnt sein würde zu schlafen.

Irgendetwas schüttelte ihn. Er schlug die Augen auf.

Der Frachtoffizier stand direkt vor ihm und hielt sich mit einer Hand an der in die Decke eingelassenen Haltestange fest, während er den Colonel an der Schulter schüttelte. »Noch zwanzig Sekunden«, meldete er.

Noch zwanzig Sekunden? Der Flug vom Armeekommando bis zur Front dauerte gut fünfundvierzig Minuten.

Erstaunt erkannte Ekko, dass die Kopfschmerzen zwar nicht verschwunden waren, sich aber in die hintersten Windungen seines Gehirns zurückgezogen hatten, wo sie als beharrliches Flüstern weiter existierten. Pass auf dich auf, Soldat!

Das Heulen der Triebwerke veränderte sich, als der Pilot den Schub auf die an den Flügeln liegenden vertikalen Schubdüsen umleitete. Sie sanken schnell.

Die Walküre war ursprünglich als Sturmtransporter gebaut worden, sollte also weder für Komfort bieten, noch das Wohlbefinden der Passagiere befriedigen.

Aber eine Landung in einer Walküre spottet dieser Beschreibung. Jeder, der noch nie mit einem Sturmtransporter geflogen war oder ein festes Nervenkostüm besaß, hätte sich vermutlich ob dieses kontrollierten Absturzes in die Hose gemacht, wobei Ekko insgeheim vermutete, dass die Piloten Offizieren wie ihm damit nur eins auswischen wollten. Ihm sollte es recht sein †“ so lange aus dem kontrollierten Absturz kein unkontrollierter wurde.

Ein spürbarer Ruck ließ seinen Magen hüpfen. Sie waren gelandet.

Der Frachtoffizier nickte Ekko zu, erhob sich und öffnete die Seitentür, während der Colonel ungeschickt versuchte, sich aus den Gurten zu befreien.

Plötzlich wandelte sich das gedämpfte Jaulen der Triebwerke zu einem kreischenden Heulen, das schmerzhaft in die Ohren drang und ihn zu betäuben versuchte.

Ekko erhob sich und verließ die Walküre, wobei er seine Schirmmütze mit einer fließenden Bewegung auf seinen Kopf setzte und den Salut des Frachtoffiziers gleichgültig abnahm. Als er den Sturmtransporter verlassen hatte, knallte die Seitentür hinter ihm zu und die Turbinen liefen wieder an.

Das Kreischen brannte sich durch sein Trommelfell.

Der Boden fühlte sich seltsam weich und irreal an, während er über den improvisierten Landeplatz zum Kommandozelt ging, an dessen Eingang Carrick und die Captains warteten.

Ligrev stand ebenfalls bei ihnen. Der Kommissar stellte ein hässliches, grausames Grinsen zur Schau, als wollte er den Sieg über seinen Feind Galard Ekko feiern.

Aber soweit war es nicht †“ noch lange nicht.

Die Walküre schrie auf und erhob sich wieder in die Luft. Ekko betete, dass der entstehende Luftzug ihm seine Mütze nicht vom Kopf wehen würde, als er die Hitze der Triebwerke in seinem Nacken spürte.

»Wie sieht es aus?«, fragte Carrick, der wie die anderen wohl überrascht war, dass Ekko lebend zurückgekommen war.

»Sie müssen den Armasec wohl wieder kalt stellen, Herr Kommissar. Ich bin noch nicht tot.«

»Zu schade«, brummte Ligrev.

»Und jetzt, Sir?«

»Wir haben einen neuen Auftrag«, eröffnete Ekko ihnen, als er an den Versammelten vorbei schritt und sich anschickte, das Innere von Azrael zu betreten.

Carrick runzelte die Stirn. »Das klingt … interessant.«

»Es wird Ihnen nicht gefallen, Carrick. Ihnen übrigens auch nicht, meine Herren. Es scheint, als habe ich Sie dieses Mal wirklich tief mit rein geritten.«

»Wen wundert's?«, fragte Balgor. »Sie sind Basteter.«

Alle lachten †“ außer Ligrev.

»Nun gut. Egal, wie viel Mist ich dieses Mal gebaut habe, es gibt etwas zu erledigen. Ich denke, wir sollten es angehen.« Ekko betrat die Kommandozentrale. »Oder haben Sie etwas anderes zu tun?«

Grimmiges Lächeln antwortete, als die Männer ihm folgten.

bearbeitet von SisterMaryNapalm

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aloha, ich bin eigentlich nur so nen stiller konsument. trotzdem wollt ich mal anfragen ob du hier weiterschreibst. zusammen mit dem verschwindibus von nakago und ein paar anderen war das immer mein lichtblick fuer montag morgen. richtig konstruktive kritik hab jetzt nicht grade fuer dich, aber die geschichte und stil gefallen mir. wuerd mich freuen wenns weiter geht. cheers!

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Salve

Ja, geht noch weiter. Hab im Augenblick dienstlich einiges um die Ohren und daher keine Zeit, mir den Kram vorzueditieren. Ich mache aber weiter.

Alles Vale

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Und das nächste Kapitel. Frohe Ostern wünsche ich schon mal!

11

Im Laufe der Besprechung kristallisierte sich mehr und mehr heraus, das die Sache wirklich keinem gefiel. Um ehrlich zu sein, diese Besprechung war die größte Katastrophe, die Ekko jemals erlebt hatte. Abgesehen von Balgor (der gewaltsam versuchte, einen Witz zu machen) war die Stimmung unter den Nullpunkt gesunken.

Als dann auch noch ein Funker die vom Oberkommando angeforderten Einheiten vorlas, sank die restliche Zuversicht der Offiziere ins Bodenlose und wich schließlich unverhohlener Resignation.

Nur Ligrev war bester Dinge.

»Dann werde ich die Männer auf die Ihnen bevorstehende Aufgabe einschwören«, sagte er und empfahl sich.

Alle waren froh, ihn los zu sein.

»Und jetzt?«, fragte Captain Solmaar in die Runde. Der Captain war noch immer um Kopf und den von Sile aufgeschlitzten Arm verbunden, aber wie die meisten Offiziere, die Ekko kannte, hatte er die nächste sich ihm bietende Gelegenheit genutzt, um zurück zur kämpfenden Truppe zu gelangen.

Jetzt stand er mit verschränkten Armen etwa abseits der anderen und betrachtete die niedergeschlagene Runde mit aufmerksamen Blicken.

»Ich denke, es ist am Einfachsten, wenn wir unsere Befehle ausführen, oder?«, warf Carrick in den Raum.

»Befehle ausführen?«, herrschte Major Maryan ihn an.

Maryan war der Kommandant der regimentseigenen Sentinels und wie alle Sentinel-Piloten ein Einzelgänger und Störenfried. Da er im Grunde den gleichen Rang bekleidete wie Carrick, gab es zwischen den beiden eine versteckte Feindschaft, weil jeder sich als eigentlich legitime Nummer Zwei des Regiments sah, direkt nach Ekko.

Da aber Maryan nun einmal ein Sentinel-Pilot war, und Sentinel-Piloten weitestgehend autonom operierten †“ und weil Ekko Carrick mehr vertraute als Maryan †“ hatte der hochgewachsene, blonde Basteter das Rennen gegen den stämmigen, dunkelhäutigen Mann gewonnen.

Seitdem kritisierte letzterer ersteren bei jeder sich ihm bietenden Gelegenheit. Heute war Ekko sogar gewillt, ihm zuzustimmen.

»Wir reden hier davon, ein Drittel des ganzen Regiments abzuziehen †“ und zwar das Drittel, in dem sich all unsere schweren Waffen befinden. Und das wollen Sie einfach so zulassen?«, fragte Maryan giftig.

»Uns bleibt keine Wahl«, erinnerte Balgor ihn. Er schüttelte den Kopf. »Wenn wir uns weigern, bekommt Ligrev von Del Mar und Iglianus freie Hand. Also das möchte ich wirklich nicht erleben.«

Maryan fluchte. Einige der dreiunddreißig Anwesenden taten es ihm nach.

»Himmel, Dreck und Chaosmakel. Dass gerade jetzt so eine Scheiße passieren muss. Dann werde ich mal meine Männer für den Abmarsch vorbereiten.«

»Nicht so schnell«, stoppte Ekko den Major, bevor er den Raum verlassen konnte. »Sie werden nicht gehen.«

»Bitte, was?«

»Sie bleiben bei mir. Ich will Sie bei mir haben, wenn etwas schief geht.« Ekko nickte einem sehr niedrig gebauten Offizier mit haselnussbraunen Haaren zu, der ihn überrascht ansah. »Major Derend wird die Truppen übernehmen. Unterstellen Sie Ihre Sentinels seinem Kommando und suchen Sie sich acht Piloten aus, die bei uns bleiben.«

»Ich muss protestieren, Sir!«, rief Maryan aus.

Ekko schlug auf den Tisch. Urplötzlich wurde es leise. Alle anderen Geräusche schrie der Colonel nieder. »Noch bin ich der verdammte, beschissene Kommandeur dieses verfluchten Regiments und wenn ich eine Anweisung gebe, dann erwarte ich †“ thronverflucht noch mal †“ dass diese ausgeführt wird, Scheiße verdammt. Unsere verfluchten Truppen werden diese Waffenteams und Sentinels bekommen, damit wir unsere Ruhe haben und die Kathedrale einnehmen können, damit die beschissenen Verstärkungstruppen diese Welt anfliegen und verdammt noch mal befreien können. Haben Sie das verstanden, Maryan?«

Der Major schluckte. »Vollkommen, Sir.«

Ekko funkelte ihn wie ein Wahnsinniger an. »Gut.«

Solmaar räusperte sich. In der Stille klang es fast gekünstelt. »Eine Frage, wenn Sie gestatten.«

»Was?«, knurrte Ekko.

»Was ist, wenn unsere Truppen scheitern, bevor die Verstärkung eintrifft?«

Ekko zuckte die Schultern. »Dann sind wir sowieso am Arsch und brauchen auch keine schweren Waffen mehr.«

Die Männer verstanden schweigend.

»Also gut«, schloss Ekko. »An die Captains: Bereiten Sie Ihre Männer vor. Lassen Sie sie sämtliche Aufrüstung aufnehmen, noch etwas essen und ihre Magazine auffüllen. Um dreizehnhundert sind sie vollständig abmarschbereit, verstanden?«

»Ja, Sir«, lautete die einstimmige Antwort.

»Carrick, Maryan, Derend«, wandte sich Ekko an die drei Majors, »organisieren Sie die Trennung der Truppenverbände und die Neuzusammenstellung der Trupps, die Verluste erlitten haben. Sprechen Sie sich mit den jeweiligen Captains ab und bereiten Sie alles vor.«

Dass Derend unglücklich aussah und beinahe wie ein Fisch auf dem Trockenen zappeln wollte, ignorierte er.

»Ich selbst werde mich mit dem Munitorium auseinander setzen. Alle Aufgaben verteilt? Also dann, meine Herren: Tod und Verderben.«

»Tod und Verderben«, wiederholten sie.

Als die Männer Ekko verließen, um die Befehle auszugeben, fühlte er sich allein, so als hätte er sie alle verscheucht.

Balgor blieb zurück und wartete, bis die anderen gegangen waren. »Haben Sie kurz Zeit?«

Schon vor Jahren hatte Ekko Balgor das Du angeboten, was vom Captain aber nie genutzt worden war.

Er hatte das immer mit dem Gedanken begründet, sich diese persönliche Anrede für einen angemessenen Moment aufheben zu wollen.

In Augenblick wie diesem konnte der Colonel es seinem Untergeben und Freund auch nicht verdenken.

Eine Beleidigung war im †ºDu†¹ sehr viel schneller gesagt als im †ºSie†¹.

»Raus mit der Sprache, ich kann Sie Ihnen ja doch nicht verbieten.

Balgor trat näher. Als er sprach, hatte er die Stimme soweit gesenkt, dass es klang, als würde er wie eine Schlange zischen. »Sie hätten wirklich nicht so angeben brauchen, Colonel. Die Männer vertrauen Ihnen auch, ohne dass Sie das gesamte Regiment beleidigen.«

Ekko zuckte die Schultern. »Es war nötig, ein Machtwort zu sprechen.«

»Und woher kommen diese neuen, fanatischen Töne von Ihnen?«

Ekko funkelte den Captain an. »Was meinen Sie?«

»Tod und Verderben?«, grunzte Balgor. »Wo haben Sie denn den aufgeschnappt?«

»Ich fand ihn passend«, erwiderte Ekko.

Sein Gegenüber schüttelte den Kopf. »Mag sein, aber er passt so wenig zu Ihnen wie eine vollbusige Schwester in eine Plattenrüstung.«

Ekko runzelte die Stirn. »Ich verstehe, was Sie meinen. Alles quillt so lange heraus, bis der Rahmen gesprengt wird.«

Jetzt war es Balgor, der die Stirn runzelte. »Ich nehme an, dass Sie meine Metapher gerade falsch verstanden haben, Sir.«

»Irgendwie mache ich mich heute vollends zum Deppen. Und der Tag fing so gut an«, brummte Ekko.

Balgor zuckte die Schultern. »Machen Sie sich nicht fertig, Chef. Sie konnten nicht ahnen, dass der Gott-Imperator diesen Weg für uns wählte. Und selbst wenn, Sie hätten nichts dran ändern können.«

»Dieses Mal habe ich wirklich verdammten Mist gebaut.«

»Da haben Sie Recht, Sir. Trotzdem sind Sie für die meisten Leute aus unserem Regiment ein echter Held.«

»Helden sind verdammte Idioten, die einfach nur Glück hatten.«

»Das mag stimmen, Chef, aber was sind Sie dann?«, dachte Balgor laut nach.

»Ein verdammter Idiot, der einfach nur Glück hatte, Captain.«

Sie schwiegen eine Weile.

Schließlich seufzte Ekko. »Wenn Ihnen nicht noch etwas auf dem Gemüt brennen würde, hätten Sie sich schon längst auf den Weg nach draußen gemacht. Also, was ist noch?«

Balgor zögerte. »Halten Sie es für gut, Derend das Kommando zu übergeben? Er ist ein Neuling. Vielleicht ist er mit der Truppenführung überfordert.«

»Lassen Sie das meine Sorge sein, Captain. Wenn er sich das nicht zutrauen würde, hätte er das gesagt.«

»Sie haben gar nicht gemerkt, wie unglücklich er war, Chef. Sie haben alle zusammengeschrien. Ist doch klar, dass der Junge da nichts sagt.« Balgor seufzte. »Muss ich Ihnen ins Gewissen reden, Sir? Sie wissen, dass Sie die guten Leute nicht immer bei sich behalten können. Das macht Sie in aller Augen unglaubwürdig.«

Ekko nickte. »Ich weiß.«

Balgor wollte noch etwas sagen, merkte aber, dass es an Ekko abprallen würde. Also entschied er sich dagegen, salutierte knapp und ging zum Ausgang.

»Ich habe von ihr geträumt«, informierte Ekko ihn.

Balgor drehte sich um. »Von wem?«

»Kortessa.«

Der Captain runzelte die Stirn. »Wie lange ist das jetzt her, Chef? Fünf Jahre? Sechs? Es ist klar, dass Sie das noch immer verfolgt. Das ist ganz natürlich.«

»Sie haben mich falsch verstanden, Balgor«, berichtigte Ekko. »Ich meinte, meine erste Begegnung mit ihr.«

Balgor hob überrascht eine Augenbraue.

Ekko lehnte sich gegen den Holotisch. »Ich weiß nicht mehr genau, wie alt ich war, aber der Tag, an dem ich sie zum ersten Mal sah, wird ewig in meinem Gedächtnis bleiben.«

»Tut mir leid, das zu hören, Chef.«

»Seien Sie froh, dass Sie nicht dabei waren, Balgor.«

»Bin ich, Colonel. Sehr froh sogar.«

»Ich frage mich nur, ob das etwas zu bedeuten hat. Erst die Begegnung mit Sile, dann der Traum von Kortessa †“ und die Sache im Lazarett. Irgendetwas sagt mir, dass da mehr dahinter steckt.«

»Ich verstehe nicht viel von mystischen Dingen, Colonel«, gestand Balgor. »Sie kennen mich ja. Aber ich denke, dass alles im Universum einen Grund hat. Alles hängt miteinander zusammen, weil der Gott-Imperator es so bestimmt hat. Man muss es nur richtig einordnen †“ apropos †ºeinordnen†¹«, fügte der Captain an und kramte in seiner Drillichtasche.

»Hier«, rief er und warf Ekko ein verrostetes Eisenpäckchen zu. Der Colonel fing es überrascht und erkannte, dass es ein Rationspack war, wie man sie für Notrationen verwendete.

»Wir haben es Horatius genannt.«

Ekko besah sich das Päckchen näher. »Die Form stimmt«, stellte er fest.

»Es ließ sich widerstandslos abführen. Das Katalogisieren übernehmen Sie ja.«

Dann verließ auch Balgor den Kommandostand und Ekko blieb mit der Notration allein zurück.

Der Colonel seufzte leise und betrachtete das Päckchen. »1101965.M41. Vor zwei Jahren abgelaufen.« Na, herzlichen Glückwunsch. »Du wirst mir sicherlich nicht helfen, meine ganzen Probleme zu lösen, oder?«

Die Notration schwieg vornehm.

Ekko nickte. »Dachte ich mir.«

***

Das Munitorium, beziehungsweise seine Vertreter auf Agos Virgil, waren überraschend kooperativ, als sich Ekko mit ihnen in Verbindung setzte. Innerhalb von nur einer halben Stunde waren sämtliche angeforderten Fahrzeuge, Materialien und Versorgungsgüter zum 512. transferiert, was für sich genommen schon eine Leistung war, die im von der Bürokratie beherrschten Munitorium ihresgleichen suchte.

Noch beeindruckender jedoch war, dass bereits eine halbe Stunde später der Konvoi für die Bodentruppen des Regiments bereit stand.

Der Colonel verfolgte mit unverhohlener Überraschung, wie die von sicherer Hand geführten Fahrzeuge sich etwas abseits der Hauptkolonne formierten, die zur selben Zeit wie Ekkos Truppen in Marsch gesetzt und auf die Jagd nach den Orks gesandt werden würde.

Die verantwortlichen Munitoriums-Angestellten waren höchst freundlich, zuvorkommend und hilfsbereit, was Ekko bereits nach dieser Stunde Zusammenarbeit mehr auf die Nerven ging als das Trödeln ihrer Kollegen auf Bastet. Es hatte mehr von Heuchelei.

Sie schienen verdammt froh zu sein, dass Ekko und sein Regiment vorhatten, die Armeegruppe zu verlassen.

Vielleicht hatten sie aber auch nur Angst vor dem Irren, der die gesamte imperiale Streitmacht in Marsch gesetzt und so die Orks zur Flucht veranlasst hatte.

Egal, was es war und wie sehr es ihm auf die Nerven ging, Ekko konnte nicht sagen, dass ihn ihre schnelle und vorzügliche Arbeit unglücklich gestimmt hätte. Ganz im Gegenteil. Er fühlte im Grunde das Gleiche wie sie: Er war froh, wenn er die Armeegruppe verlassen hatte und weitestgehend autonom operieren konnte.

Es waren Momente wie dieser, in denen er sich fragte, weshalb er eigentlich nicht zu den Läufern gegangen war.

Während er zurück zum ehernen Rumpf von Azrael ging, die noch immer einsam über dem ehemaligen Schlachtfeld wachte, blieb er ab und zu kurz stehen, betrachtete die Überbleibsel des Gemetzel oder sprach kurz mit Soldaten aus seinem Regiment.

Er wollte wissen, welche Stimmung seine Leute erfasst hatte. Man konnte die nachlassende Hochstimmung noch immer fühlen, aber es war spürbar, dass die Männer zunehmend unzufriedener mit ihrer Lage wurden.

Man konnte es ihnen nicht verübeln.

Als Ekko die Truppen verließ und sich auf den Weg in Richtung Azrael machte, tauchte plötzlich Balgor neben ihm auf.

»Balgor?«

»Chef, wir haben da ein Problem.«

Ekko runzelte die Stirn und trat mit seinem Stiefel staubige Erde in die Luft. »Irgendwie dachte ich mir, dass man mich heute nicht in Ruhe lassen würde. Was gibt es?«

»Ligrev hat erfahren, dass die Sororita behauptet hatte, Rahael sei vom Makel erfüllt. Nun sucht er einen Weg, um Rahael zu töten.«

Ekko schürzte genervt die Lippen. »Natürlich sucht er einen Weg. Er will Lenhim und mir damit eins auswischen. Ist der Junge in akuter Gefahr?«

Der Captain schüttelte den Kopf. »Nein, derzeit nicht. Zwei meiner Jungs passen auf ihn auf.«

»Sehr gut«, pflichtete Ekko Balgor bei. »Egal, was Ligrev versucht. Es darf ihm nicht gelingen. Den Gefallen werden wir ihm nicht tun.«

»Bin ich Ihrer Meinung, Chef. Ich kümmere mich darum.«

»Danke, Balgor.«

»Für Sie doch immer.« Der Captain nickte. »Achso, eine Sache noch. Es geht um Retexer.«

Überrascht hob Ekko die Augenbrauen. »Ich gebe zu, dass mich das überrascht, obwohl es das eigentlich nicht tut.«

»Der Captain ist so versessen darauf, Ruhm und Ehre zu erlangen, dass er seine Leute in Gefahr bringt«, fuhr Balgor fort, ohne auf den Einwurf seines Gegenübers einzugehen.

Aufmerksam nickte Ekko. »Aha?«

»Er wollte die Schützengräben entgegen Ihres Befehls weiter stürmen, obwohl ich ihm gesagt habe, dass ich seine Leute dann mit abfackle«, teilte der Captain kurz mit.

»Verstehe«, brummte der Colonel und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. »Gut, ich werde ihn in der nächsten Zeit zur Seite nehmen und gucken, ob ich ihm ein schlechtes Gewissen einreden kann.«

»Ihm das Glied abzuhacken wäre, glaube ich, angebrachter«, bemerkte Balgor, hob aber auf Ekkos Blick hin entschuldigend die Hände. »Schon gut, schon gut. Ich weiß ja, wie sie zu fairen Strafen stehen.«

Ekko öffnete den Mund für eine entsprechend harsche Antwort, schloss ihn dann aber unverrichteter Dinge wieder. Ihm fiel einfach keine passende Entgegnung ein. Er schüttelte den Kopf und entließ Balgor mit einem Wink.

Der Captain grinste über seinen Sieg in diesem Duell und entfernte sich, um wieder seinen Aufgaben nachzugehen.

Ekko blieb zurück und sah in den Himmel, dessen Färbung nach wie vor von aufgewirbeltem Staub und Rauch bestimmt wurde. Der sandige Dunst beeinträchtigte nicht nur die Sicht, er legte sich auch als Millimeter dicke Schicht auf Menschen und Material und die verbrannte Erde der gemordeten Welt wie ein Leichentuch, das sich über sie alle zu senken gedachte. Irgendwann. Ganz willkürlich.

Es war der Moment, auf den er sehnsüchtig wartete. Der Augenblick, in dem er wusste, dass all das, wofür er gelebt, wofür er gekämpft hatte, schlussendlich vergebens gewesen war und er die Chance erhielt, mit seinem beschissenen Leben abzuschließen.

Doch der Mist, den er sich hier eingebrockt hatte, war etwas vollkommen anderes †“ auch wenn er praktisch gesehen genau das war, was sich Ekko gewünscht hatte: vom Universum langsam, aber allmählich zerstört und schließlich gleich einem kaputten Spielzeug weggeworfen zu werden.

Aber das hier war nicht seine Art, den Weg ins Grab zu suchen. Immerhin zog er unter Umständen sein ganzes Regiment mit sich in den Untergang.

Was für ein katastrophaler Tag. Konnte es überhaupt noch schlimmer kommen?

»Sir, haben Sie einen Augenblick Zeit für mich?«

Ekko fuhr herum. Major Derend stand hinter ihm. Er hatte den rangjüngeren Mann gar nicht kommen hören.

Der Colonel seufzte leise. Warum beschrie er es eigentlich immer wieder? »Was gibt es, Derend?«

Unbehaglich fuhr sich der Major mit der Hand durch die haselnussbraunen Haare. »Ich wollte mit Ihnen über meine Designation zum Truppenkommandanten sprechen.«

Ekko stieß genervt Luft aus. »Muss das sein? Ich dachte, das wäre geklärt.«

»Nein, Sir … es tut mir leid. Ich fühle mich dazu nicht in der Lage.«

Wieder ein Seufzen von Ekko. »Und das wollten Sie mir nicht vorher sagen, weil …?«

Unsicher zögerte der Major. »Ganz ehrlich? Ich hatte Angst, Sie noch mehr zu enttäuschen als wir es sowieso schon getan haben.«

Balgor hatte also recht mit seiner Vermutung gehabt. Ekko presste die Lippen fest zusammen und versuchte, sich seinen aufkeimenden Ärger über die eigene Dummheit nicht anzumerken zu lassen. Er hatte sich hier in eine Sackgasse manövriert, aus der es kein Entkommen gab. Ihm fiel nichts ein, mit dem er seinen Wutausbruch während des Briefings vor dem Major hätte rechtfertigen können. So sehr er es versuchte, so sehr er sich wand, er verknotete sich nur noch fester in dem Netz aus Überlegungen.

Es blieb ihm wohl nur die Standardantwort. »Ich habe vollstes Vertrauen in Ihre Fähigkeiten.«

Major Derend schien nicht überzeugt. Wieder rauschte seine Hand nervös durchs haselnussbraune Haar.

»Sir, ich bin mir wirklich nicht sicher, ob nicht doch Major Carrick oder Major Maryan viel besser ...«

Ekko unterbrach den Major, während er sich über die Augen rieb. »Sehen Sie, Derend: Ich brauche die altgedienten Führungsoffiziere bei mir, weil ich Sorge habe, dass ich die Leute †“ und vor allem Ligrev †“ nicht bei Laune halten kann, wenn wir uns um dieses dämliche Ziel kümmern.

Sie dagegen werden einzig und allein das Problem haben, die Männer kaum zurückhalten zu können.«

Verzweifelt versuchte der junge Major, eine Lösung für sein Problem zu finden und rang mit sich.

Ekko konnte die Mitleid erregende Unsicherheit des Mannes nicht mit ansehen. Was im Namen des Imperators hatte er in der Schola gelernt? »Major, was wollen Sie? Ewig im Schatten von Carrick und Maryan stehen? Dann schlage ich vor, ich mache Sie wieder zum einfachen Soldaten ohne Verantwortung.«

Sofort versteifte sich der Offizier. »Auf keinen Fall, Sir.«

»Dachte ich mir. Ist ein dreckiges Leben im Staub, Derend«, stellte Ekko fest, bevor er fortfuhr: »Ich vertraue Ihnen. Ich möchte, dass Sie mehr Erfahrung sammeln und zu einem für mich verlässlichen und brauchbaren Mann werden, damit ich weiß, dass ich auf Sie zählen kann, wenn die Männer gute Führer benötigen.«

»Ich verstehe, Sir«, sagte Derend. Er klang nicht überzeugt.

Der ältere Basteter legte dem jüngeren Mann die Hand auf die Schulter. »Sie können das. Sie haben gute Leute. Zeigen Sie den Grünhäuten, wo der Hammer des Gott-Imperators hängt.«

Derend lächelte dünn. »Das werde ich. Vielen Dank, Sir.« Er wirkte trotzdem noch immer nicht wirklich glücklich.

Der Colonel nickte stumm.

Problem gelöst. Möge das nächste an die Tür klopfen.

Derend schwieg einen Augenblick, dann setzte er wieder an. »Es gäbe da noch eine Sache, um die Sie sich kümmern sollten, Sir.«

»Woher wusste ich das?«, brummte Ekko.

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***

Der Major war bemüht, ihm alle Sachverhalte korrekt und in der richtigen Reihenfolge zu präsentieren, damit der Colonel sich ein genaues Bild von der Situation machen konnte. In seiner Aufregung setzte er mehrmals neu an, verhaspelte sich und stockte, bis Ekko ihn schließlich stoppte. »Einen Moment, Major. Fangen Sie noch einmal von Vorne an. Langsam.«

Derend schwieg einen Moment lang, bis er seine Gedanken geordnet hatte und neu ansetzte. »Eigentlich begann es während unseres Angriffs auf die Ork-Stellungen. Unsere Züge steckten im Angriff der Orks fest und hatten sich in die von der Artillerie gerissenen Krater geworfen, um den tödlichen Waffen der Xenos zu entgehen.«

»Ja, das weiß ich. Ich konnte sie sehen«, merkte Ekko an, ungehalten darüber, dass er immer wieder an seine Entscheidung erinnert wurde, die ihm die ganze jetzige Lage eingebrockt hatte.

Der Major verzog unglücklich das Gesicht, riss sich dann aber zusammen. »Während dieses Feuergefechts sprang Soldat Itias plötzlich auf und stürmte den feindlichen Truppen entgegen, was einige Zugführer zum Anlass nahmen, ihre Männer vorwärts stürmen zu lassen. Dadurch wurde der Schwung unseres Angriffs auf sämtliche Einheiten übertragen.«

»Ja, ja«, winkte Ekko ab. »Ich war dabei. Und wo liegt das Problem?«

»Nun stellte sich allerdings heraus, dass Soldat Itias nur in die falschen Richtung gelaufen ist.«

Ekko runzelte die Stirn. »Ach … so. Wo wollte er denn eigentlich hin?«

»Zurück, Sir.«

»Hatte er etwas vergessen?«

»Sir? … Nein, Sir. Er wollte fliehen.«

»Oh.« Ekko nickte verstehend.

»Ja, †ºoh†¹, Sir. In der Tat.«

»Und wo liegt das Problem?«

Derend hob Hilfe suchend die Hände. »Sein Zugführer ist Captain Retexer, Sir.«

Ekko ließ ein angewidertes Geräusch ertönen, eine Mischung aus Stöhnen und Ekel erregtem Seufzen.

»Retexer ist außer sich vor Wut. Er will Soldat Itias hinrichten lassen, weil dieser die Ehre des Regiments beschmutzt hat«, führte der Major weiter aus.

»Was für ein Idiot«, stellte Ekko kopfschüttelnd fest. »Also gut, darum kümmere ich mich auch noch. Sorgen Sie nur dafür, dass Ihre Truppen einsatzbereit sind, wenn es losgeht.«

Derend nickte. »Verstanden, Sir.« Dann entfernte er sich.

Ekko eilte zurück. Er wusste, dass seine schnellen Schritte ihn vermutlich aussehen ließen, als suche er dringend eine Toilette, aber im Augenblick war ihm das egal.

Als er die ersten seiner Männer erreichte, verfiel er in einen leichten Trab.

»Wo ist Retexer?!«, verlangte er zu wissen. »Wo finde ich Captain Retexer?«

Keiner von ihnen konnte ihm helfen.

»Wo ist der Vierte Zug?«, sprach er eine Gruppe von Soldaten an, die, Lho-Stäbchen rauchend, am Wrack eines zerschossenen Ork-Transporters standen und dieses begutachteten.

»Vorne, circa sechshundert Meter in diese Richtung«, informierte ihn einer der Soldaten. »Da, wo die Chimären stehen.«

»Danke«, erwiderte der Colonel kurz angebunden und lief wieder los. Von der Sorge getrieben, vielleicht zu spät zu kommen und dem jungen Soldaten nicht mehr helfen zu können, beschleunigte er seinen Trab und rannte beinahe postwendend einen anderen Soldaten über den Haufen, der zufällig hinter einen Radfahrzeug hervor kam.

Während der Mann fluchend seine fallengelassene Ausrüstung zusammensammelte und dabei den hirnlosen Idioten beschimpfte, der ihn umgeworfen hatte, lief Ekko weiter. Er hatte keine Zeit, um sich bei dem Mann mit einem sarkastischen Kommentar in Erinnerung zu rufen.

Als er bei den Chimären ankam, traf er auch gleich auf Soldat Merling aus Sergeant Kleits Trupp. Endlich eine Einheit aus dem Vierten Zug.

»Wo ist Retexer?«

Merling erhob sich und versuchte, trotz seiner schweren Ausrüstung eine schneidige Meldung zu machen.

Ekko winkte ab. »Ich habe keine Zeit dafür. Wo ist Retexer?«

Überrascht und verwirrt wies der Soldat auf eines der Fahrzeuge. »Er und ein paar seiner Männer sind nach hinten gegangen, hinter eine der Chimären.«

»Oh, nein«, murmelte Ekko und beschleunigte seine Schritte.

Als er zwischen die Transportpanzer trat, konnte er die Männer bereits sehen. Sie hatten sich nicht einmal die Mühe gemacht, Abstand zur Truppe zu bekommen, sondern sich gleich hinter das ihnen am geeignetsten scheinende Fahrzeug gestellt.

Die Männer standen im Halbkreis um das gepanzerte Transportvehikel und starrten auf etwas in ihrer Mitte. Sie ignorierten Ekko vollkommen, als er zu ihnen trat. Ob sie das absichtlich taten oder ihn einfach nur nicht kommen hörten, wusste er nicht, aber das war für ihn in diesem Augenblick auch unerheblich.

Sie gaben ihm damit unwissentlich die Chance, ihnen vollkommen den Spaß zu verderben.

Gerade murmelte Retexer eine Litanei, die der Colonel im Rausch des Adrenalins nicht mitbekam, doch er erkannte, dass jetzt jeder Herzschlag zählte. Zielsicher hob er die Waffe und drückte den Lauf in Retexers Nacken.

Augenblicklich brach der Captain ab und schwieg. Die Männer bei ihm bemerkten erst jetzt den Colonel, der eine gezogene Laserpistole auf ihren Kommandanten gerichtet hatte und ihr Kreis brach auf. Endlich bekam Ekko die Gelegenheit zu sehen, was hier vorgegangen war.

Itias stand in der Mitte, Tränen in den Augen und vollkommen verzweifelt. Sie hatten ihn an den Transporter gestellt und ihn zwischen sich eingeschlossen, so dass er nicht entkommen konnte. Sie waren also wirklich dazu bereit gewesen.

Ekko konnte es beinahe nicht glauben. Männer aus seinem Regiment bemühten sich um Selbstjustiz. Thronverdammte Schweine. Er hätte sie am Liebsten alle hingerichtet.

Retexer hatte aber noch nicht mit seiner Aufgabe abgeschlossen. »Amen«, sagte er leise und zog langsam, ganz allmählich, den Abzug seiner Laserpistole nach hinten.

»Probieren Sie es gar nicht erst, Captain«, warnte der Colonel ihn. »Wenn sie noch weiter Durchziehen, wird es ihre letzte Handbewegung gewesen sein.«

Langsam senkte Retexer seine eigene Waffe. »Lassen Sie mich das erledigen, Sir!«, zischte er. »Dann brauchen Sie sich nicht die Hände schmutzig zu machen und die Sache ist bereinigt. Und es hat nie eine Ehr-Beschmutzung in diesem Regiment gegeben.«

»Retexer, ich verstehe das nicht: Dieser junge Soldat hat, so wie ich das verstanden habe, den gesamten Angriff ausgelöst, indem er vorwärts stürmte. Dafür wollen Sie ihn jetzt erschießen?«

»Er wollte fliehen!«, warf Retexer ein.

»Ja, und?«, schleuderte Ekko dem Captain entgegen. »Jeden von uns ergreift irgendwann die Panik. Hatten Sie etwa keine Panik, als die Massen an Orks auf Sie zustürmten?«

»Nein, Sir!«, erwiderte Retexer vollkommen ehrlich.

»Natürlich nicht«, stimmte Ekko zu. »Aber Sie haben Ihre Männer willentlich in Gefahr gebracht, um sich selbst Ruhm zu sichern, der Ihnen überhaupt nicht zusteht! War das keine Panik? Also maßen Sie sich nicht an, über Ehr-Beschmutzung sprechen zu wollen. Dann müssten Sie sich als ersten hinrichten.«

Retexer riss, bebend vor Wut, die Augen auf.

»Wenn Sie darauf bestehen, Soldat Itias zu erschießen, dann werde ich Sie ebenfalls töten †“ einfach nur, um das Universum auf diese Weise auszugleichen, verstehen Sie?«, fragte Ekko voller Gleichgültigkeit. »Der Gott-Imperator wird Ihre Ansicht von Ehre sicherlich höchst interessant finden.«

Er verstärkte den Druck auf seinen Waffenarm. Vom sich in seinen Hals bohrenden Lauf der Laserpistole überzeugt, sicherte Retexer seine eigene Pistole und reichte sie über die Schulter an Ekko weiter.

Der Colonel nahm sie in Empfang und betrachtete sie kurz. »Wieso funktioniert Ihre Energieanzeige nicht?«, wollte er wissen.

»Die Waffe war gar nicht geladen, Sir!«, erklärte Retexer. »Ich habe eine leere Batterie eingesetzt, um dem Jungen Angst zu machen.«

Ekko starrte ihn überrascht an. So etwas hätte er von Retexer tatsächlich nicht erwartet. Trotzdem. Seine Worte zurückzunehmen kam ihm gar nicht in den Sinn. Stattdessen lächelte er kalt. »Ich nicht«, sagte er mit fester Stimme. »Und ich war entschlossen, Sie zu erschießen.«

Die Gesichtszüge des Captains entgleisten. Vor seinen Untergebenen von seinem Kommandeur bloß gestellt zu werden, schmeckte Retexer überhaupt nicht.

»Verschwinden Sie«, forderte Ekko die Männer auf und gab die Waffe an Retexer zurück. »Bevor ich es mir anders überlege und Sie alle erschießen lasse.«

Sie wussten, dass er es ernst meinte und waren sichtlich froh, wenn auch verstimmt, ihre Strafe nicht durchführen zu können, als er sie gehen ließ.

»Wir sprechen uns noch«, drohte Ekko Retexer. Der Captain nickte matt, noch immer sichtlich überrascht von der Härte seines Kommandanten. Die Männer gruppierten sich um ihn.

Dann waren sie fort.

Itias sank zu Boden und blieb schluchzend sitzen. »Es tut mir leid, Sir. Ich bin einfach durchgedreht.«

»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Itias. So etwas kann jedem irgendwann passieren.«

»Ist es Ihnen schon passiert?«, fragte Itias nach.

Ekko nickte, wagte aber nicht zu sagen, wann. »Ja, mir ist so etwas schon öfter geschehen.«

»Wird man diese Panik vor dem Versagen irgendwann einmal los?«

»Nein, nicht, wenn man sich nur darauf konzentriert. Jeder versagt in seinem Leben. Es kommt darauf an, wie man damit umgeht.«

Diese Antwort machte den jungen Soldaten auch nicht glücklicher.

»Normalerweise würde ich Sie zum Doktor schicken, damit sie Ihnen ein Beruhigungsmittel gibt, aber ich kenne ja Doktor Calgrow. Ich denke kaum, dass sie Ihnen dieses Verhalten verzeihen würde. Und im Gegensatz zu Retexer dürfte ihre Regelung der Lage recht endgültig sein.«

Das war ein Grund für Itias, noch geschockter auszusehen.

Ekko zuckte die Schultern. »Ich weiß, dass das alles hier ein großer Schock für sie ist und weiß, wie Sie sich fühlen. Da ist es ganz natürlich, dass Sie versuchen, dem Ganzen zu entfliehen.«

Noch während er diese Worte aussprach, fragte er sich gleichzeitig, was, beim Thron er hier eigentlich redete. Wie konnte es angehen, dass er diesen jungen Mann nur noch weiter ängstigte? Er brauchte dringend Schlaf, sehr dringend.

»So wie Sie?«, fragte Itias durch seine Tränen unverblühmt, bevor ihm klar wurde, was er gesagt hatte.

Verwundert und von derartiger Respektlosigkeit gegenüber einem Vorgesetzten aus dem Konzept gebracht, fiel dem Colonel nicht besseres ein, als die Augenbrauen zu heben und ein »Bitte?« hervorzubringen.

Es reichte, damit Itias erbleichte und zögernd erklärte, was er gemeint hatte. »Kommissar Ligrev hat gesagt, dass Sie versuchen, sich gewaltsam umzubringen, um Ihrer Pflicht dem Imperium gegenüber zu entfliehen.«

Ekko schaffte es im letzten Moment, seine Miene zu retten, um vor dem Soldaten nicht vollkommen das Gesicht zu verlieren, einen wenig kaschierten Ausruf der Überraschung vermochte er aber nicht mehr zu verhindern. »Tut er das?«

Der junge Soldat nickte. Er sah verängstigt aus, verwirrt und verschreckt. Fast noch ein Kind. Es war kein Wunder, dass er den Glauben an sich und das Imperium verloren hatte.

Nur damit war er Freiwild und nicht lebensfähig. Vor allem aber wurde er so zu einem idealen Ziel für Ligrev, denn seine eigene Angst vor dem Versagen machte ihn anfällig für die Suggestionen des Kommissars, auch wenn er nie gedacht hätte, dass Ligrev ...

Und wie er eben selbst bewiesen hatte, begann Itias, den Worten Ligrevs Glauben zu schenken, zumindest aber an den Motiven seines Kommandeurs zu zweifeln. Leider wusste Ekko nicht, wie er das aufhalten konnte. Es zu verleugnen gäbe dem Soldaten nur noch mehr Grund, sich vor dem Colonel in acht zu nehmen.

»Hm«, brummte Ekko. »Man sagt ja, dass diejenigen, die ihren ersten Schock vermasseln, länger leben. Also denken Sie daran. Eine zweite Chance werden Sie vielleicht nicht erhalten. Aber für alle Fälle versetze ich Sie zu Sergeant Lenhims Trupp. Die können da neue Leute gebrauchen. Und Lenhim kümmert sich um seine Soldaten. Außerdem haben die da einen anderen Jungspund.

Allerdings, aufgrund der Schweres Ihres Vergehens, da hat Captain Retexer nicht ganz unrecht, sehe ich mich gezwungen, Sie mit einer zweimonatigen Kürzung des Solds zu bestrafen. Ist das für Sie annehmbar?«

Itias sprang beinahe auf, so schnell erhob er sich. »Ja, Sir!«, sagte er eilig und wischte sich die Tränen weg. »Vielen Dank, Sir!«

»Gut«, bestätigte Ekko. »Dann packen Sie Ihren Kram zusammen und melden Sie sich bei Corporal Rebis.«

Itias salutierte und eilte von dannen.

Ekko starrte ins Leere. Er hätte es eigentlich ahnen müssen, thronverdammt! Vielleicht hatte Ligrev das geplant, vielleicht auch nur den Moment genutzt.

Egal, wie man es drehte, er hatte sich den perfekten Moment für eine Hetzkampagne gegen den Colonel ausgesucht.

Er war beim Oberkommando in Ungnade gefallen und bekam deswegen eine Strafaufgabe, die seine Leute unwillig stimmte.

Rahaels Ausraster im Lazarett und die dabei gefallenen Worte waren der Situation auch nicht besonders zuträglich gewesen.

Und Ligrev suchte sich die richtigen Leute für seine Kampagne aus. Leute wie den armen Itias, der schon genug verschreckt war, um Ligrevs Worten Glauben zu schenken und an seinem Kommandanten zu zweifeln.

Kurzum: Wieder einmal hatte sich das Universum unter dem Banner des Gott-Imperators versammelt, um sich göttlich über in zu amüsieren. Das war genug Ärger für einen Tag.

Noch mehr Schwierigkeiten konnte er jetzt nicht gebrauchen.

»Sir?«, sprach Carrick ihn von der Seite an.

Der Colonel machte beinahe einen Luftsprung, so sehr erschrak er sich. »Im Namen des …! Thron! Carrick! Schleichen Sie sich nicht noch einmal so leise an mich heran!«

»Es tut mir leid«, brachte der Major überrascht hervor, aber das schadenfrohe Lachen, das sich gewaltsam durch seine Miene zu brechen bemüht war, entwertete seine Aufrichtigkeit vollkommen.

»Schön, dass Sie das lustig finden!«, brummte Ekko, konnte sich ein Grinsen aber auch nicht verkneifen. »Was gibt es?«

»Colonel, Leitis Sile hat darum gebeten, mit Ihnen sprechen zu dürfen.«

Ekko sah Carrick an und rümpfte die Nase. »Vielleicht will ich nicht mit ihr sprechen.«

»Das mag sein, Sir. Aber was sollen wir dann mit ihr machen? Was passiert, wenn Del Mar und Iglianus herauskriegen, dass Sie sie vor ihnen verborgen haben? Ich meine, wir wissen seit mehr als siebzehn Stunden von ihrer Existenz. Und Sie haben Sie gute sieben Stunden ignoriert, Sir. Ich mache mir vor allem Sorgen, dass Ligrev es erfährt.«

»Ist ja gut«, unterbrach Ekko ihn. »Ich kümmere mich um die Schwester.« Er schüttelte den Kopf. »Ligrev erfährt dies, Ligrev erfährt das. Woher kriegt der Mann eigentlich seine Informationen?«

»Keine Ahnung, Sir. Soll ich das herausfinden?«

»Tun Sie das, aber bleiben Sie diskret.«

Carrick nickte, salutierte und wandte sich ab. Ekko verfolgte den Major mit seinen Blicken, als er wieder zwischen den Chimären verschwand.

Nebenbei fragte er sich, ob er einen Sender an seiner Uniform trug. Wie hatte Carrick ihn zwischen den Transportern finden können?

Er schnaubte noch einmal, zog seinen Uniformdrillich glatt und marschierte dann in Richtung Azrael.

***

Sile stand mit verschränkten Armen an den Rumpf der Kommandowalküre gelehnt und verfolgte mit harten, stahlblauen Augen, wie Ekko sich ihr näherte.

Schon von weitem war für den Colonel zu erkennen gewesen, dass die beiden Wachen einen äußerst großen Sicherheitsabstand zu der Schwester eingenommen hatten, was auf einen zufälligen Betrachter höchstwahrscheinlich lächerlich gewirkt hätte.

Ekko jedoch konnte sich noch gut an die Schläge und Tritte erinnern, die sie im Lazarett verteilt hatte und fand es recht vernünftig, dass die beiden Männer so vorsichtig waren. Außerdem machte es das Gespräch mit Sile sehr viel leichter.

Mit einem kurzen Wink befahl er ihnen, sich noch weiter zu entfernen und blieb gut zwei Meter vor der Schwester stehen.

»Was wollen Sie, Sile?«

Sie funkelte ihn an. »Zeigen Sie mehr Respekt, Colonel«, forderte sie ihn auf. »So können Sie mich nicht behandeln.«

»Respekt?«, fragte er überrascht. »Nach Ihrem Auftritt?«

»Wie ich bereits sagte, Colonel, es gibt Dinge, die von großer Bedeutung sind.«

»Dann scheinen sich die wichtigen Aufgaben der Celestias ja gewandelt zu haben. Ich wusste gar nicht, dass Sie in Lazarett hilflose Kinder verprügeln müssen. Oder sind Sie bloß so tief gesunken?«

Sile sprang vor †“ schneller als Ekko reagieren konnte. Als sie direkt vor ihm stand, hallte bereits der Schall der kräftigen Ohrfeige, die sie ihm verpasst hatte, über die Ebene. »Wie können Sie es wagen?«

Er schüttelte den Kopf und nahm den lieblichen Duft ihres Körpers auf. »Herr auf dem Thron, bei der Klaue wackeln einem ja die Zähne im Mund.«

Ihre stahlblauen Augen versuchten, ihm niederzuzwingen, doch er begegnete ihr mit aller gebotenen Gewalt. Er wollte ihr widerstehen, ihr beweisen, dass sie ihre Macht nicht über ihn ausüben konnte.

»Wie ich sehe, haben Sie sich recht gut und schnell erholt. Kann man von Rahael nicht sagen«, zischte er.

Sile lächelte. »Gut. Sein Leben ist sowieso nichts mehr wert.«

»Leben wird überbewertet«, antwortete Ekko. Verdammt, warum blinzelte sie nicht? »Aber Sie verstehen einen Dreck vom Leben, Sile.«

»Meinen Sie?«

Gut, dachte Ekko. Wenn es dir solchen Spaß macht, dann werden wir dir das Ganze etwas bitterer machen. »Rahael ist nicht besessen, wie Sie meinen.«

»Das sehe ich anders.« Siles Haare wehten sanft in der Brise, die seine Haut frösteln ließ. Unwillkürlich musste er an eine Eisprinzessin denken, die versuchte, ihn mit ihren kalten Finger zu lähmen, um ihn dann einzufrieren und zu besitzen. Aber das würde ihr nicht gelingen. Nicht bei ihm.

»Er hat für Sie gekämpft †“ selbst im Angesicht des Todes. Das Einzige, von dem er besessen ist, ist sein Fanatismus für den Imperator. So, wie ihm das gedankt wird, kann ich das gar nicht verstehen. Die Einzige, die etwas Respekt zeigen sollte, sind Sie. Sie sollten die Hingabe respektieren, mit der er Sie und Ihr Ziel verteidigt hat. Aber so verblendete Individuen wie Sie sind dazu gar nicht in der Lage.«

»Ich konnte darin keine Hingabe erkennen«, gab sie zu. Es klang nicht wirklich ehrlich.

Ekko schnaubte. »Ich sollte Sie für Ihre Verblendung erschießen.«

Die Prioris lachte auf. »Dann sind wir jetzt wohl quitt, richtig?«

Beide verstanden es als Signal, ein Patt erreicht zu haben, das sich im Augenblick von keiner Seite überwinden ließ. Also lösten sie sich voneinander.

Sile verschränkte wieder die Arme unter der Brust. »Ich gebe zu, diesen neuen Aspekt nicht bedacht zu haben, als ich mich zu meiner Aktion entschied. Unter diesem neuen Gesichtspunkt bin ich natürlich bereit, die Angelegenheit neu zu bewerten.«

»Das freut mich«, schleuderte er ihr sarkastisch entgegen.

Die Sororita sah auf das vor ihnen liegende Schlachtfeld, auf dem sich nun die Trosse der imperialen Bodentruppen zu sammeln begannen, um den vorrückenden Bodentruppen folgen zu können, die sich weiter vorne formierten.

Es war Zeit für den Abmarsch.

»Ihnen liegen Ihre Leute sehr am Herzen, nicht wahr?«

Er hustete rau auf, als ihm das vorbereitete Lachen im Hals stecken blieb. Sie hatte einen wunden Punkt getroffen. Einen sehr wunden.

»Ja. Mehr als mein eigenes Leben es tut.«

Sile nickte nachdenklich. »Das zeichnet einen wahren Anführer aus. Ein Colonel, der sein Leben für seine Leute opfern würde, ist ein guter Offizier.«

Ekko schwieg über das offensichtliche Missverständnis zwischen ihnen, denn so lange Sile nicht auf die Idee kam, sich daraus eine Legende zu basteln, war alles in Ordnung.

»Ich möchte Sie begleiten, Colonel. Sie und Ihr Regiment.«

Das saß. »Wie kommen Sie darauf, dass ich Sie mitnehme?«

»Ich denke, wir haben das gleiche Ziel«, erklärte sie.

Endlich gelang Ekko sein Lachen, wenn auch reichlich verspätet. »Das denke ich nicht.«

Die Prioris richtete ihre stahlblauen Augen zurück auf den Colonel und bedachte ihn mit einem Blick, der ehrliche Überraschung verriet. Sie war wirklich davon ausgegangen, dass er sie mitnehmen würde, wenn sie fragte, ging ihm auf.

»Wie kommen Sie auf die Idee?«, setzte er nach.

»Sie haben dem General meine Anwesenheit nicht gemeldet, obwohl Sie dazu verpflichtet gewesen wären. Warum nicht, wenn Sie mich so offensichtlich hassen?«

Ekko zuckte die Schultern. »Das Beste hebt man sich zum Schluss auf, oder?«

Sile verzog das Gesicht, offensichtlich beleidigt.

»Ich denke, damit ist das Thema erledigt, richtig?«, setzte er nach.

Die Prioris schwieg und senkte den Kopf. Ekko verschränkte zufrieden die Arme. Das Thema war erledigt. Jetzt hatte er sie überwunden. Er wandte sich zum Gehen.

»Ligrev wettert ordentlich gegen Sie, Colonel.«

Ekko wirbelte herum. »Bitte?«

Sile lächelte. Sie hatte ihn bewusst provoziert, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Das Thema war doch nicht erledigt. Sie war noch längst nicht überwunden.

»Kommissar Ligrev diskreditiert Sie öffentlich vor den Männern Ihres Regiments.«

Der Colonel versuchte, möglichst ruhig und desinteressiert die Schultern zu zucken, verkrampfte dabei aber unwillkürlich. »Das tut er, seitdem ich ihn kenne.«

»Das mag sein«, bestätigte Sile. »Aber so, wie ich die Situation in den letzten Stunden erlebt habe, war er dabei noch nie so erfolgreich wie heute.«

Ekko sagte nichts. Er knirschte nur mit den Zähnen.

»Ich denke, es ist von Vorteil, wenn Sie mich mitnehmen«, stellte die Prioris fest. »Sie benötigen jemanden, dem Sie vertrauen können.«

»Ach, ich kann Ihnen vertrauen?«

Sile überging die offensive Beleidigung elegant. »Wie Sie diene auch ich dem Imperator mit meinem Leben. Mein Herz und meinem Seele gehören ihm. Und genau das ist es, was Sie brauchen.«

Ekko hob überrascht und ungläubig die Augenbrauen. Was, beim Thron, dachte sich die Frau dabei, ihn über die Führung seines Regiments belehren zu wollen? »Das meinen Sie nicht ehrlich, oder?«

Sile nahm seine Antwort zum Anlass, ihren Gedanken weiter auszuführen. »Colonel, Sie benötigen jemanden, der das Feuer Ihrer Leute wach hält und ihnen Vertrauen einflößt. Kommissar Ligrev ist dazu nicht in der Lage. Sie haben es bereits gesagt: Er ist sich dafür selbst viel zu wichtig.

Lassen Sie mich diese Aufgabe übernehmen. Für den Imperator.«

Für den Imperator? Ekko runzelte die Stirn. Er hatte genügend Fanatiker erlebt, um zu wissen, dass Sile es ehrlich meinte. Vermutlich war das der Grund, weshalb er sich in ihrer Nähe so unbehaglich fühlte †“ abgesehen davon, dass sie eine Sororita war. »Auch wenn ich mir in meinen tiefsten Träumereien wünsche, dass Sie sich mir anbieten, klingt das Ganze zu gut, um wahr zu sein. Was springt für Sie dabei raus?«

»Ich kann meinem Dienst für den Imperator nachkommen, so gut es mir in der derzeitigen Situation möglich ist«, entgegnete sie mit erschreckender Ehrlichkeit. Er hatte sich also nicht geirrt. Sile war eine Fanatikerin, eine wahre Kämpferin der Ekklesiarchie. Unberührbar, unkorrumpierbar. Sie konnte eine mächtige Verbündete sein †“ oder ein schrecklicher Feind. Je nachdem, auf welcher Seite man stand.

»In Ordnung«, sagte Ekko. Vielleicht war es gar nicht so schlecht, wenn er Sile an seiner Seite hielt. Zum Einen hatte er dann ein Auge auf sie, zum anderen stimmte natürlich, was ihm alle predigten. Sollten Iglianus oder Del Mar herausfinden, dass er ihnen eine Schwester des Adeptus Sororitas vorenthielt, dann würden die Konsequenzen für ihn äußerst unangenehm ausfallen. Er ahnte bereits, dass seine Entscheidung so oder so Konsequenzen haben für ihn haben würde. Welcher Art, das wusste er noch nicht. Warum sollte er ihnen nicht in die Augen sehen? »Sprechen Sie mit Major Carrick. Er wird Ihnen sicherlich weiterhelfen können.«

Sile nickte und wandte sich zum Gehen. »Ich werde mich beeilen, Colonel.«

»Ach ja«, schloss Ekko. Sile hielt inne, sah ihn aber nicht an. »Wenn ich höre, dass Sie Rahael irgendetwas getan haben, dann werden Sie die restlichen paar Minuten Ihres Lebens nicht mehr froh werden, verstanden?«

Die Prioris neigte den Kopf. »Vollkommen, Colonel.«

Dann entfernte sie sich. Ihre Wachen folgten in gebührendem Abstand.

Balgor kam ihnen entgegen und sah sie irritiert an. Sile nickte ihm respektvoll zu und setzte ihren Weg fort.

»Was war denn das eben, Chef?«, erkundigte sich der Captain, als er Ekko erreichte.

Der Colonel hob ahnungsvoll die Schultern. »Ihre neue Mama, Balgor †“ auf jeden Fall für den Rest unserer Operation hier.«

Balgors Stirn legte sich in Falten, er unterließ jede weitere Frage aber. »Major Carrick richtet seine Grüße aus. Er lässt melden, dass die Truppen jetzt zum Abmarsch bereit sind.«

Ekko warf einen Blick auf sein Chrono. »Sogar im Zeitplan. Ich bin begeistert.« Er seufzte. »Also gut, wenn wir noch länger warten, pinkle ich mir in die Hose. Abmarsch in †“ sagen wir †“ dreißig?«

Balgor konsultierte sein eigenes Chrono. »Also um dreizehnhundertfünfzehn?«

»Richtig.«

»Sehr gut. Ich werde das so weiter geben.«

»Na dann: Tod und Verderben.«

»Der gefällt Ihnen wirklich, oder?«

»Ja, kommt ja auch von mir.«

Balgor lachte kurz, dann wurde er wieder ernst. »Erlaubnis, offen zu sprechen?«

Ekko rollte die Augen. »Ich kann Sie ja doch nicht davon abhalten.«

Der Captain deutete mit einem knappen Nicken hinter sich. »Was mich interessiert: Die Sororita †“ Leitis Sile †“ was hat sie hier gemacht?«

»Gute Frage.« Ekko schürzte die Lippen. »Sollte auf jeden Fall noch geklärt werden. Mich interessiert im Augenblick allerdings mehr, was sie jetzt von uns will.«

»Da haben Sie recht, Sir«, bestätigte Balgor. »Ich melde mich dann ab.«

Ekko entließ ihn mit einer nachlässigen Geste, bevor er sich wieder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigte.

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***

Die Panzer und Truppentransporter der imperialen Streitmacht rollten über die leblosen Ebenen von Agos Virgil und ließen die lange Kolonne aus Menschen und Material in einer dunstigen Wolke aus aufgewirbeltem Staub verschwinden.

Ekko stand aufrecht im offenen Turm des Salamander-Kommandopanzers, den man ihm zur Verfügung gestellt hatte und grunzte in das steppentarnfarbene Halstuch, das er sich als Schutz vor dem Dunst aus Dreckmassen ums Gesicht gebunden hatte. Nicht, dass es was geholfen hätte.

Der Sand war hartnäckig. Unaufhaltsam bahnte er sich seinen Weg durch Vertiefungen und kleine Risse in der Uniform, durchdrang die Jacken und Hosen und rieselte überall, wo es ihm möglich war, unter die Kleidung.

Ekko brummte unwillig und schüttelte sich. Der Sand kratzte und scheuerte †“ es fühlte sich an, als führe er eine komplette Wüste in seinem Kampfanzug mit sich.

»Carime eins, Carime eins, hier Azrael. Funktest, Funktest, kommen«, blökte die Stimme eines Piloten in seinen Kopfhörern.

Ekko brummte unwillig und zog das Staubtuch vom Gesicht. Sofort setzte sich der Staub in seinem Gesicht fest und drang ihm in Nase und Mund.

»Azrael, hier Carime eins. Ich höre Sie, kommen.«

»Carime eins, hier Azrael. Wir hören Sie ebenfalls gut. Ende.«

Nachdem der kurze Funktest abgeschlossen war, legte Ekko die Kopfhörer zur Seite, setzte das Halstuch wieder auf und wandte sich nach rechts, wo endlos lange Kolonnen aus Panzern, Läufern und Fahrzeugen die marschierenden Soldaten passierten.

Neben seinem langsam vorwärts rollenden Kommandofahrzeug ging Major Derend, gefolgt von seinem Funker und einer Abteilung Basteter, die im eintönigen Braun der aufsteigenden Schwaden verschwanden. Ekko wusste, dass es nur die erste von etlichen war, denn er hatte über fünfhundert Männer abgeben müssen, um den während seiner Abwesenheit fortlaufenden Angriff zu unterstützen. Und das war nur Infanterie. Mit allen Läufern, Schweren Waffen und Soldaten, die zur Unterstützung bei der Hauptarmee blieben, standen von seinen knapp dreitausend Soldaten zu Anfang des Agos Virgil-Feldzugs noch ganze zweitausendeinhundert unter seinem Kommando. Außerdem hatte er die Hälfte seiner Flammenwerfertrupps, so gut wie alle Schweren Waffen und einen Großteil seiner offensiven Schlagkraft †“ sprich Läufer und Transporter †“ verloren.

Dafür hatte man ihm gut die Hälfte der sechstausend bei der Armee befindlichen Angehörigen des Munitoriums unterstellt, damit diese die Basilika zum Armeelager umfunktionierten und Vorbereitungen für die triumphale Landung der bald eintreffenden Armeegruppe zu treffen.

Beim Thron, wie er sich ärgerte. Er hätte wirklich an der Front bleiben und sich töten lassen sollen, anstatt diese irre Schwester zu retten, die bereits jetzt mehr Chaos angerichtet hatte als … das Chaos selbst.

»Sir, ich wollte mich noch einmal bei Ihnen dafür bedanken, dass ich diese Chance erhalte. Ich werde Sie sicherlich nicht enttäuschen.« Derends Stimme klang dünn und brüchig durch den Mundschutz, den er trug und ging beinahe im Lärm der vorbei rasselnden Kettenfahrzeuge unter.

»Dessen bin ich mir sicher«, versicherte der Colonel. »Wenn doch, dann wissen Sie ja, wer Ihnen in den Arsch tritt.«

Man konnte das Gesicht des Majors unter dem dicken Halstuch nicht sehen, aber Ekko konnte sich sehr gut vorstellen, wie die Gesichtszüge des Mannes entgleisten. Zeit, den diskreten Abgang zu beginnen. Er lächelte grimmig. Sein Abgang †“ was für ein passender Gedanke

»Also, dann«, murmelte der Colonel und setzte sich die Kopfhörer auf.

Er nickte Derend zu und lehnte sich dann auf die Panzerung des Kommandostands. »Links aus der Formation schwenken. Wir machen uns auf den Weg.«

»Verstanden«, antwortete der Fahrer und ließ den Kommandopanzer anziehen.

Hinter ihnen reihte sich eine Formation aus gut dreihundert Fahrzeugen, zumeist schwerfällige Lastwagen und Raupenschlepper, ein. Walküren und weitere Fahrzeuge mit zusätzlichem Material würden folgen, sobald die Basilika in imperialer Hand war.

Ekko murmelte eine Verwünschung und zog sein Staubtuch tiefer ins Gesicht.

***

Jaorah Nurin saß auf dem Rand des Kommandantenluks seines vorwärts kriechenden Jagdpanzers und verfolgte, wie sich das einsame Regiment mit dem merkwürdig unauffälligen Steppentarn und den olivfarbenen Armaplastrüstungen vom Rest der vorrückenden Armee trennte.

Das also war jenes Regiment, dessen Kommandant ein wahnsinniger Irrer war und ihrer aller Leben aufs Spiel gesetzt hatte.

Nurin konnte nicht behaupten, dass er die Strafe als angemessen empfand. Wieso wurde das Regiment nur abgezogen? Damit verringerte man nicht nur die Schlagkraft der vorrückenden Truppen, sondern vermittelte den übrigen Männer obendrein noch ein vollkommen weiches Bild der Truppenführung.

Natürlich dürften die Offiziere da oben ihre Gründe für die Entscheidung gehabt haben, aber Nurin an ihrer Stelle hätte eine standrechtliche Erschießung für den Kommandanten des Regiments vor aller Öffentlichkeit inszeniert, um ein klares Bild von sich zu präsentieren.

Er schüttelte den Kopf. War denn die ganze Armeegruppe verrückt geworden?

Es knackte in seinen Kopfhörern. »Enforcer zwo an Enforcer eins, melden.«

»Enforcer eins hier, melden.«

»Jetzt werden wir keine bösen Überraschungen mehr erleben, Boss, oder? Melden.«

»Da haben Sie wohl Recht, Enforcer zwo, melden.«

»Wollt's nur wissen. Enforcer zwo, Ende.«

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12

Als sie sich von der Armee trennten, konnte man die Spannung regelrecht spüren, die Ekkos Männer ergriffen hatte und ihre Stimmung drückte.

Das Leichentuch des ewigen Staubs, den die Läufer, Transportfahrzeuge und Laster aufwirbelten, legte sich auf die Niederlage zuvor noch von Siegestaumel erfüllten Soldaten.

Die leblose Steppe, gefüllt mit abertausenden Kilometern von zerstampfter Erde und einigen wenigen Oasen vertrockneten Grases, in denen es vor Jahren sicherlich blühendes Leben gegeben hatte, machten die Männer zusätzlich nervös.

Es gab wohl keinen, dem im Angesicht der über die einst blühende Welt gekommen Zerstörung nicht der Sieg wie ein bitterer Kloß im Hals stecken geblieben wäre.

Dafür war das Gesehene einfach zu trostlos.

Wofür kämpften sie eigentlich noch? Es gab hier nichts mehr, für das es sich zu kämpfen gelohnt hätte.

Aus dem Kommandostand seines Salamander-Kommandopanzers sah Ekko nach hinten auf die viele Kilometer lange Kolonne, die sich durch das unbefestigte Gelände quälte.

Die dichte Staubwolke, die die Fahrzeuge aufwirbelten, musste für die Orks beeindruckend aussehen †“ als würde sich eine zweite imperiale Streitmacht an ihrer Flanke entlang bewegen und versuchen, sie in einer schnellen Zangenbewegung zu umgehen. Nicht, dass das bei der derzeitigen Geschwindigkeit möglich gewesen wäre.

Ekko wettete mit sich selbst, dass die Orks in diesem Augenblick sämtliche von der Imperialen Armee aufgestellten Geschwindigkeitsrekorde für Fußtruppen brachen, während sie in wilder Panik vor der mahlenden Maschinerie mehrerer Regimenter flohen.

Nicht, dass es seine eigene Stimmung gehoben hätte.

Kurz vor drei Uhr erreichten sie die Ausläufer einer Wüste, die sich am Rand ihres Wegs erstreckte.

Es war, als hätten sie eine fremde Welt betreten, jenseits jeder Zivilisation.

Die unaufhaltsam vorrückende Wüste schickte sich an, das Land unter einer tiefen sandigen Schicht aus perfekter Reinheit zu vergraben, um sich mit stoischer Ruhe weiter gen Osten zu wälzen. Unaufhörlich. Unaufhaltsam.

Kleine Wirbelwinde aus Sand überquerten eine unbefestigte, von Schlaglöchern und Pflanzen überwucherte Straße, die nur spärlich unter der Fläche aus Erde und verwelktem Gras zu erkennen war. Offensichtlich hatte sie vor langem als Verkehrsader gedient, war aber dann vergessen und von der Natur verschlungen worden.

Direkt vor ihnen, nur wenige Kilometer entfernt, erhoben sich die Silhouetten niedriger Bauten aus der drückend warmen Luft wie klobige Riesen mit spitzen Hüten, die sich an den Boden pressten.

Unzweifelhaft eine Siedlung.

Je näher sie dem kleinen Ort kamen, umso stärker kämpften die Fahrzeuge mit der vorrückenden Flut aus Sand.

Sogar die Sentinels hatte immense Probleme, auf dem körnigen Grund voran zu kommen. Vier der Kampfläufer hatten sich als Aufklärer gute zwei Kilometer vor ihnen postiert und suchten die Umgebung nach Bedrohungen ab, die anderen vier polterten als Flankenschutz die Kolonne entlang.

Die tiefen Spuren ihrer Füße zeugten von den Schwierigkeiten ihrer Piloten, das Gleichgewicht der bipedalen Läufer zu halten.

Wir hätten Sprung-Sentinels gebrauchen können, sinnierte Ekko. Die sind wenigstens so kompakt, dass man die im Notfall hätte rollen können.

Er warf einen Blick auf sein Chronometer.

Unaufhaltsam zählte es weiter, Sekunde für Sekunde, Minute für Minute.

Die Sonne brannte heiß vom Himmel auf ihn hinab und ließ ihn schwitzen. Dichte, stickige Luft stand so erdrückend schwer über dem flimmernden Boden, dass es vermutlich Panzer mit Räumschaufeln gebraucht hätte, um sie so schnell wie möglich zur Seite zu räumen.

Das Dorf rückte immer näher.

Es schälte sich wie eine Reihe von dunklen Phantomen aus der erhitzten Luft.

Der Turmschütze lud den Zwillingsbolter der Hauptbewaffnung durch, als das Fahrzeug weiter vorwärts rollte und richtete die Waffe auf das unbekannte Terrain aus.

Ekko schob sich das Halstuch tiefer ins Gesicht. Seine Miene verfinsterte sich.

»Carime eins an Gruppe Stalker, kommen.«

»Hier Stalker eins, ich höre Sie, kommen«, antwortete Maryan. Seine Stimme klang so verzerrt, als würde sie von der Hitze verwaschen.

Ekko wollte sich nicht ausmalen, wie sehr die Sentinelpiloten in ihren abgeschlossenen Cockpits unter der Hitze brieten. Es sprach für sie, dass sie sich davon nicht beeindrucken ließen.

»Maryan, ich möchte, dass Sie das Dorf da rechts vor uns unter die Lupe nehmen. Ich schicke Ihnen eine Chimäre mit einem Aufklärungstrupp zur Unterstützung. Ende.«

Der Salamander rumpelte über unebenes Gelände. Der Motor heulte auf.

Ekko wurde von einem Stoß in den Rücken gegen die Wand des Kommandostands gedrückt und fuhr herum.

Hinter ihm torkelte Gireth im heftigen Rütteln des Kommandopanzers.

»Tu-tut mir leid, Sir«, stammelte er mit aschfahlem Gesicht. Ekko erkannte sofort, was das bedeutete. Mit sicherer Hand griff er den jungen Funker und drückte ihn über den Rand der hinteren Türen. Seine Vorahnung hatte ihn nicht getäuscht. Einen Augenblick später erbrach sich Gireth jämmerlich auf die von den Panzerketten aufgewühlte Erde.

Die ersten Würgkrämpfe des Funkers waren noch ziemlich heftig, dann beruhigte er sich langsam.

Ekko sah den Schützen an, der ihm ein wissendes Lächeln schenkte. Mitgliedern der Fahrzeugbesatzung waren die Unannehmlichkeiten der Infanteristen in den schaukelnden Gefährten gut bekannt. Doch für mehr als über die ‚sandfressenden Weicheier†™ zu lächeln waren sich die Panzercrews meist zu schade.

Der Colonel warf ihm noch einen scharfen Blick zu und aktivierte das Mikro.

»5120102, hier Carime eins. Kommen.«

»Hier Rebis, Sir. Ich höre, kommen?«

»Rebis. Folgen Sie den Stalker-Einheiten bis zu dem Dorf einige Kilometer vor uns. Klären Sie die Situation und räumen Sie das Gebiet. Kommen«

»Verstanden, Sir. Kommen.«

»Carime eins. Ende.«

Ekko wandte sich um und warf noch einen Blick auf Gireth, der würgend über der Heckpanzerung hing, dann richtete er seine Augen nach hinten, wo sich aus dem Staub, den sein Fahrzeug erzeugte, die Silhouetten der anderen Transportpanzer und LKWs schälten.

Die vierte Chimäre der Kolonne schob ihre achtunddreißig Tonnen Gewicht mit einem Mal nach rechts aus der Reihe der marschierenden Fahrzeuge. Der Motor des gepanzerten Truppentransporters keuchte im staubigen Vorhang, den die drei Transportpanzer vor ihr aufwirbelten, dann setzte die Chimäre zum Überholen an. Auch wenn das Fahrzeug mit seinen beinahe sechzig Kilometern pro Stunde recht langsam war, zog es zügig an der kriechenden Kolonne vorbei.

Ekko sah Corporal Rebis auf dem Rücken des Kettenfahrzeugs sitzen, ein Bein angewinkelt und das andere durch die obere Rumpfluke im Inneren des Rumpfs verborgen.

Der Corporal warf ihm einen kurzen Blick zu, machte eine halb verborgene Geste, die so viel wie ‚Bis dann†™ bedeutete und starrte dann weiter auf den Weg, als sich die Chimäre vor den Kommandopanzer setzte.

Einen Moment später tauchte der Salamander in die Staubfahne ein, die die Chimäre hinter sich zurück ließ.

Ekko duckte sich hinter die Panzerung, wandte sich ab und wischte sich über die Augen. Dieser verdammte Sand! Er musste sich dringend eine Schutzbrille zulegen.

Als er aufsah konnte er erkennen, dass Gireth ihm gegenüber saß. Im engen Kommandoraum des Salamanders berührten sich ihre Füße beinahe.

Er sah noch immer nicht gesund aus.

»Alles in Ordnung mit Ihnen?«, erkundigte sich Ekko.

Der Funker nickte schwach. »Muss das Essen gewesen sein«, murmelte er.

***

Stalker eins und vier wirbelten Wölkchen aus Sand auf, während sie der Chimäre mit dem Rufzeichen Sival drei vorauseilten.

Die schnellen Läufer legten den Weg zu ihrem Ziel innerhalb kürzester Zeit zurück und schwenkten dann nach links und rechts weg, um dem Truppentransporter den Weg frei zu machen. In dem Augenblick, in dem der Panzermotor aufheulte und sich das Gefährt über einen Trümmerhaufen schob, der einmal ein Gebäude gewesen war, rutschte Rebis zurück in den Transportraum. Die offene Tür der Dachluke schlug er wie beiläufig über sich zu.

»In Ordnung«, sagte er mit ruhiger, kräftiger Stimme. »Nur noch ein paar Sekunden. Ihr wisst, was das bedeutet. Melbin, Sie übernehmen die zweite Gruppe.«

Der massige Cadianer nickte.

»Rahael, Lawn und Talic folgen mir, Tesket, Lados und Itias gehen mit dem Corporal«, wies er die Soldaten an.

Das war Lenhims neuer Trupp †“ derzeit noch unter Sollstärke. Gorak und Lenhim lagen noch immer im Lazarett und sollten nach Sicherung der Basilika mit einer Walküre, zusammen mit den anderen schwer verletzten, zu dem ruhigen Ort transferiert werden, da sich die vorrückende Armee nicht mit ihnen belasten konnte.

Deswegen führte derzeit auch Rebis den Trupp. Und das machte er gar nicht schlecht, sah man einmal davon ab, dass die Soldaten unter seinem Kommando aus unterschiedlichen Trupps zusammengewürfelt worden waren.

Rebis und Melbin bemühten sich, die Männer bei Laune zu halten, aber sie hatten es noch sichtlich schwer, die Soldaten zu einer Einheit zu verschweißen.

Natürlich waren sie erst seit wenigen Stunden miteinander bekannt, aber trotzdem hatte sich Rahael bereits seine Meinung über die ‚Neuzugänge†˜ gebildet.

Besonders schwer schien es Itias zu haben. Weshalb das so war, wusste er nicht, aber das war vermutlich im Augenblick auch nicht wichtig.

»Fertigmachen!«, dröhnte die Stimme des Kommandanten über den Motorenlärm.

»Fertigmachen!«, gab Rebis weiter.

Rahael atmete tief durch. Noch immer stand er unter dem Einfluss der letzten Stunden und fühlte sich aufgedreht.

Er wusste, dass er mehr als vierundzwanzig Stunden nicht geschlafen hatte, aber auch wenn er es beim besten Willen gewollt hätte, wäre es ihm nicht gelungen, jetzt zur Ruhe zu kommen.

Außerdem hatten sie einen recht hohen Gast. Prioris Leitis Sile hatte darum gebeten, mit ihnen fahren zu dürfen und saß nun in der blutroten Rüstung ihres Ordens gegenüber von Melbin.

Allein ihre Anwesenheit hätte verhindert, dass Rahael jetzt die Augen zu schließen in der Lage gewesen wäre.

Die Erlebnisse aus dem Lazarett verfolgten ihn noch immer und auch wenn er nach wie vor stolz darauf war, ihr Leben gerettet und so für sie gekämpft zu haben, wünschte er sich, er hätte danach nie wieder einen Gedanken an sie verschwendet.

Unauffällig warf er ihr einen verstohlenen Blick zu. Ihre hellblonden Haare waren zu einem Zopf gebunden und ihre stahlblauen Augen fixierten einen Punkt auf der Innenwand des Truppentransporters, den er nicht sah.

Auf ihren Knien ruhte ein Lasergewehr der Imperialen Armee, über das sie überhaupt nicht glücklich zu sein schien.

»Prioris Sile«, eröffnete Rebis ihr, »schließen Sie sich einfach einer Gruppe an.«

»Das werde ich tun«, antwortete sie mit ihrer weichen Stimme.

Die Chimäre ruckte, ihr Motor brüllte auf, dann stoppte sie unvermittelt.

Servomotoren heulten, klickend lösten sich Klammern. Die Heckrampe fiel krachend herunter. Helles Sonnenlicht flutete den Raum.

Rahael kniff die Augen zusammen.

»Los, los, los!«, bellte Rebis.

Rahael sah, wie vor ihm Tesket und Lawn über die Rampe ans Licht stürmten, dann plötzlich war er frei und stand geduckt im Gang. Er spürte, wie sich hinter ihm ebenfalls jemand erhob und lief vorwärts.

Mit einem Mal war die Enge des Transporters verschwunden und er sprang nach rechts von der Rampe in den Sand, in den er sofort einsank. In einer fließenden Bewegung ließ er sich nach Vorne auf ein Knie fallen und richtete sein Lasergewehr auf die Häuserruinen. Hinter ihm kamen die anderen Soldaten aus dem Fahrzeug.

Aus den Augenwinkeln sah er Melbin, der seine Gruppe zu sich winkte.

Wortlos erhob sich der junge Soldat und kontrollierte beim Aufschließen zu ihrem Gruppenführer, wo die beiden anderen Gruppenmitglieder sich befanden.

Er brauchte nur einen Augenblick, bevor er sie entdeckte.

Lawn und Talic, beide Basteter und ihm weitestgehend unbekannt, zogen ähnlich grimmige Gesichter wie Sergeant Lenhim und schienen auch nicht minder kampferfahren zu sein.

Die Art, wie sie sich bewegten, die Weise, auf die sie ihre Umgebung wahrnahmen und sondierten, das alles zeugte von dem Wissen alteingesessener Veteranen.

Rahael merkte sich vor, sie niemals vollkommen aus den Augen zu lassen.

Leise jaulend wurde die Heckklappe der Chimäre wieder hochgefahren, dann legte der Fahrer den Rückwärtsgang ein und setzte zurück.

Als Rahael sich kurz umwandte, stockte ihm für einen Moment das Herz. Hinter ihm stand Leitis Sile, das Lasergewehr in Pirschhaltung.

Sie bewegte ihren Kopf nicht und ihre stahlblauen Augen waren in eine weite Ferne gerichtet. Trotzdem beschlich ihn das Gefühl, dass sie jedes Detail der Umgebung aufnahm.

Eine Sekunde später sah sie ihn direkt an. »Nicht stehen bleiben«, erinnerte sie ihn.

Dann war sie an ihm vorbei.

Erst jetzt nahm Rahael bewusst wahr, wie es in ihrem Umfeld aussah.

Es war tatsächlich einmal ein Dorf gewesen, höchstwahrscheinlich im Stadium frühzeitlicher Industrialisierung. Erkennbar war das nur noch an den schweren Schornsteinen und Backsteinen, von denen einige aus den schwarz verbrannten Trümmern der einstigen Siedlung herausragten. Verkohlte Holzpfosten, welche die einstigen Grenzen der Gebäude markierten, waren auch noch zu erkennen. Aber aus viel mehr bestand das Dorf auch nicht mehr. Sein Name, die Gebäude und Einwohner waren aus der Geschichte getilgt.

Es roch nach … Sand. Dieser Geruch nach heißem, leblosem Sand, gepaart mit dem Gestank der Asche, die vom stoßweise auffrischenden Wind über den bröckligen Boden getragen wurde, gleich einem rastlosen Heulen der Toten, deren Überreste über die verlorene Ebene wanderten.

Es roch nach Niederlage. Nach Tod. Andere Gerüche fehlten ganz.

In der staubigen, trockenen Ödnis schluckte Rahael schwer. Er warf einen Blick zu Leitis Sile, die sich etwas von der Gruppe entfernt hatte und auf eigene Faust durch die Ruinen streifte. Ihre rote Rüstung verschwamm im Flimmern der erhitzten Luft.

»Rahael, wo bleibst du?!«, rief Melbins Stimme ihn nachsichtig.

Der junge Cadianer schreckte aus seinen Gedanken auf und bemerkte, dass die anderen Soldaten ihren Weg bereits fortgesetzt hatten.

Er beeilte sich, zu ihnen aufzuschließen.

»Oh, Thron. Was für eine verdammte Scheiße«, brummte Lawn und schwenkte seine Waffe wachsam.

»Ob man die Leute hier rechtzeitig evakuiert hat?«

»Nein«, erinnerte Talic ihn. »Haste bei der Einweisung nicht zugehört? Auf dieser Welt lebt nichts mehr.«

»Warum, beim Barte des Propheten, sind wir dann hier?«, maulte der andere Basteter.

Eine Frage, die er sich auch schon gestellt hatte.

Rahael löste sich aus seiner Zuhörerrolle. Etwas in der Nähe war ihm aufgefallen. Etwas, das in den Boden gebrannt worden war.

Interessiert besah er sich den dunklen Fleck genauer. Hier, inmitten der Zerstörung auf dem sandigen Platz wirkten Aussehen und Form des Flecks eigenartig absonderlich.

Die Form erinnerte fast an einen … Rahael machte einen Satz rückwärts †“ und zwar so schnell, dass Lawn in der Nähe herumfuhr und sein Gewehr hochriss.

»Was, beim Barte des Propheten, ist denn mit dir los?«, rief er.

Rahael würgte. »Das ist … das war ein ...«

»Mensch«, beendete Melbin den Satz. Erschreckt fuhr Rahael herum. Wie hatte der massige Mann es geschafft, sich unbemerkt anzunähern?

»Du hast echt ein Talent dafür, gleich die interessantesten Dinge zu finden, oder?«, erkundigte sich der andere Cadianer freundlich, aber nicht ohne eine Spur von Ironie.

»Was†™n das?«, rief Rebis an Melbin gewandt zu ihnen herüber.

»Tote«, informierte der massige Cadianer ihn.

»Verstehe!«, antwortete Rebis und deutete auf ein Feld inmitten der Trümmer. »Hier drüben liegen noch welche.«

Rufe der anderen Soldaten, die sich in der hallenden Stille verloren, bestätigten die Sichtung weiterer Toten.

Was beim goldenen Thron von Terra, war hier bloß geschehen?

»Orks«, stellte Sile fest, die in diesem Augenblick wieder zu ihnen stieß. Wo sie her kam und wo sie die ganze Zeit über gewesen war, konnte sich Rahael zu seinem eigenen Erstaunen nicht beantworten.

Das schleichende Gift ihrer Stimme wehte als frische Brise durch seinen Kopf. Ihm schwindelte in der drückenden Hitze..

»Eindeutig«, pflichtete Lawn der Prioris bei.

Melbin nickte schweigend.

Rahael schluckte abermals und ging weiter rückwärts von dem Toten weg.

Unabsichtlich stieß er an einen verkohlten Pfeiler. Es knackte, als das schwarze Stück Holz abbrach und auf die Erde fiel. Vor den Augen des erschrockenen Soldaten zersplitterte es beim Aufschlag wie Glas.

Das regelmäßige Poltern marschierender Läuferfüße bahnte sich seinen Weg in ihre Richtung.

Einer der beiden Sentinels kam nahe bei ihnen zum Stehen und senkte sich knirschend auf seine Füße, damit er nicht das Gleichgewicht verlor. Die Seitentür öffnete sich und das Gesicht von Maryan erschien. Er trug seinen Helm nicht mehr.

»Wie sieht's aus?«, rief er ihnen zu.

»Wie vom Warp verwüstet«, antwortete Melbin. »Die Orks haben hier alles verbrannt †“ bis auf die Knochen.«

Der Sentinelkommandant und -schwadronsführer schüttelte den Kopf. »Verdammte Grünhäute.« Er pausierte einen Augenblick, in dem er die Umgebung musterte, bevor er sich wieder an Melbin wandte. »Stalker vier und ich machen uns dann mal wieder auf den Weg. Wir wollen das Gebiet klären, denn so wie es aussieht, will der Colonel doch nicht anhalten und das Aroma dieses Orts und die wunderbare Aussicht genießen.«

»Wen wunderts?«, rief Melbin ihm zu. »Viel Erfolg«

»Danke«, antwortete er. »Euch auch.« Rahael glaubte noch zu hören, wie er leiser hinterher sagte: »und bleibt am Leben.«

Der junge Cadianer konnte nicht sagen, dass ihn das sonderlich beruhigt hätte.

Röhrend erhob sich der Sentinel wieder und setzte seinen Weg fort. Einige Momente später folgte der Zweite.

Das metallene Poltern der Läuferfüße nahm ab, als die beiden Sentinels sich wieder auf den Weg machten, um ihre Aufklärung fortzusetzen.

Rahael wandte sich um, als dafür das Dröhnen der Motoren hinter ihnen überhandnahm.

Es war ein fantastischer Anblick. Die Staubwolke, die die schier endlose Kolonne von Fahrzeugen in die Luft wirbelte, musste mindestens vier Kilometer in den Himmel reichen.

Ein Großteil der Transportpanzer, Zugmaschinen und Lastwagen war nur zu erahnen. Immer wieder schälten sich die Umrisse eines Fahrzeugs aus dem Dunst, als es an dem Überresten der Siedlung vorbei zog.

Ekkos Kommando-Salamander hatte den Ort bereits passiert. Man konnte den Colonel aufrecht im Kommandoturm stehen sehen.

Es folgten mehrere Chimären, die mit rasselnden Ketten und vollkommen unbeeindruckt von dem Grauen, das hier stattgefunden hatte, dem Kommandopanzer folgten.

Dann passierte sie ein Lastwagen. Die Soldaten standen teilweise auf der Ladefläche und sahen auf die Überreste des einstigen Dorfes. Rahael konnte sich gut vorstellen, dass sie sich ihre eigenen Gedanken über die langsam nach Achtern wandernde Ansammlung von Ruinen machten und die nicht minder verstörenden, überall verstreuten und verkohlten Leichen mit aufsteigendem Grauen betrachteten, an denen die Kolonne langsam vorbei rollte.

Was auch immer hier geschehen war, es stand in krassem Gegensatz zu den Erlebnissen, die sie mit den Orks gehabt hatten.

Ob die Xenos ihre Wut bereits an diesen Menschen ausgelassen hatten und deswegen die Imperiale Armee nicht hatten überwinden können? Oder war das hier nur ein Vorgeschmack auf das, was sie noch erwartete?

»... Tote gefunden, die ziemlich übel zugerichtet wurden. Egal, was hier geschehen ist. Es hat die Leute vollständig zu Asche verbrannt«, sprach Rebis, auf dem Rücken der Chimäre kniend, ins Funkgerät. Höchstwahrscheinlich sprach er mit Ekko.

Er lauschte einige Zeit, dann nickte er. »Verstanden.«

Nachdem er die Kopfhörer an den Panzerkommandanten zurückgegeben hatte, sprang er von der Chimäre.

»Also dann«, rief Rebis. »Alles aufsitzen. Wir fahren weiter.«

Als Rahael sich umdrehte, um zurück zur Chimäre zu gehen, wäre er beinahe mit Leitis Sile zusammengestoßen, die aufmerksam die Umgebung in musterte.

»Dem Tod auf dem Schlachtfeld zu begegnen, ist eine Sache. Ihm hilflos gegenüberzustehen, eine andere, nicht wahr?«, sinnierte sie gedankenverloren.

Eine Ewigkeit standen sie sich gegenüber. Eine Ewigkeit, in der alle Geräusche, Gerüche und Ereignisse um sie herum zu Unkenntlichkeit verschwammen.

Rahael bemerkte erst jetzt, wie schön Leitis Sile wirklich war. Ihr Gesicht besaß eine unglaubliche Reinheit, die durch die helle, weiche Haut nur verstärkt wurde. Ihre stahlblauen Augen verstrahlten eine unglaubliche Klarheit, die einen in ihrem Bann hielt und ihr eine himmlische Ausstrahlung verlieh. Die Ausstrahlung eines Engels. Eines Todesengels.

In ihrer Rüstung erschien sie wie eine Lebende Heilige, die gekommen war, um den Feinden des Imperators den Tod zu bringen.

Rahael spürte, wie seine Beine zu zittern anfingen.

»Ich denke, wir sollten jetzt zu Corporal Rebis zurückkehren«, merkte Sile an und lächelte. Wie ein schneebedecktes Feld im Winter.

Trotz der drückenden Hitze fröstelte der junge Cadianer.

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***

Kaum hatten sie die Überreste der einstigen Siedlung passiert, begannen die Probleme.

Um sechzehn Uhr dreißig versagte spontan der Motor eines der riesigen LKWs und sprang nicht wieder an, um sechzehn Uhr dreiundfünfzig verreckte ein zweiter.

Gegen siebzehn Uhr zwei, noch während die Bergungstrupps Material der beiden toten Riesen auf andere Fahrzeuge verluden, damit nichts vergeudet wurde, explodierte in einer mitten in der Kolonne fahrenden Chimäre Munition.

Schreie und wütend gebrüllte Befehle beherrschten die vom Motorenlärm erfüllte Luft, als gut zweitausend Basteter von ihren Transportern absprangen und in Deckung hechteten.

Der satte Knall der Explosion drückte den aufgewirbelten Staub in einem Umkreis von einhundert Metern um das detonierte Fahrzeug weg und ließ die Staubwolke aussehen, als hätte in ihrem Inneren gerade ein Chaosdämon gerülpst.

Ekko fuhr herum und starrte entgeistert auf die eigenartige, pilzförmige Wolke aus Sand, Rauch und Flammen, die sich weit über den Konvoi erhob.

Was, beim Thron, war geschehen?

Noch während er vollkommen fassungslos auf das verschwommene Bild sah und sich fragte, von was er gerade Ohrenzeuge gewesen war, schossen zwei Sentinels vorbei.

Die metallenen Schritte der Läufer hallten weit über die Ebene, während sich in seinen Kopfhörern wildes Geschnatter in Panik geratener Munitoriumseinheiten überlagerte.

Irgendwer brüllte etwas von einem Angriff, jemand anderes befahl dem Konvoi, sich aufzulösen †“ heilloses Chaos.

»Ruhe!«, schrie Ekko ins Funkmkro. »Sofortige Stille im Kom. Befehlspanzer ruft alle 512 zur Meldung an Kommandeur! Was ist da los?«

Noch zwei Sentinels stürmten vorbei.

»5120101! Hier Carrick!«, meldete sich der Major. »Explosion in der Mitte der Kolonne. Es gibt Tote und Verletzte Wir können nicht erkennen, ob wir beschossen wurden oder es sich um einen Unfall handelte.«

»Verstanden.« Ekko wechselte die Frequenz. »Stalker eins, hier Carime eins. Maryan, sofort Flankenpatrouille. Ich will wissen, ob wir angegriffen wurden.«

»Verstanden.«

Ekko wandte sich an den Schützen. »Sagen Sie dem Fahrer, er soll wenden.«

Hinter ihnen rollte die erste Chimäre heran. Balgor sah aus dem Turm. »Was war das denn?«, schrie er seinem Colonel entgegen.

»Das weiß ich nicht!«, antwortete der. »Aber ich werde es mir ansehen! Fahren Sie weiter, Balgor. Wir müssen in Bewegung bleiben!«

»War ja klar!«, maulte der Captain lauthals. »Jetzt wo es spannend wird, lassen Sie mich weiterfahren.«

»Das Recht des Kommandeurs!«, bellte Ekko zurück, salutierte nachlässig und winkte den Transportpanzer vorbei, als der Salamander herumruckte.

Mit Sand und Erde aufwirbelnden Ketten rasselten sie zurück in die Staubwolke.

***

»Hier ist Stalker Eins!«, war Maryans Stimme zu vernehmen. »Also der Scheißladen ist so leer wie 'ne tote Wüste leer sein sollte.«

Major Carrick stand bei dem ausgebrannten Wrack der Chimäre, während Transportpanzer und LKWs sich langsam wieder in Bewegung setzten.

Als die Explosion zu hören gewesen und die Kolonne ins Stocken geraten war, hatte Carrick den Soldaten befohlen, sofort abzusitzen und die Umgebung abzusichern. Jetzt mussten die Soldaten erst wieder Trupp für Trupp einsteigen, sodass sie nur schleppend voran kamen. Der Major vermutete, dass es noch bis zum Dunkeln dauerte, bis das letzte Fahrzeug der Kolonne wieder in Marsch gesetzt werden konnte.

Was für ein thronverfluchter Dreck.

»Verstanden, Stalker eins!«, ertönte Ekkos Stimme aus dem Funkgerät. »Flankensicherung fortsetzen.«

Carrick drehte sich um und sah einen hoch aufragenden Lastwagen an sich vorbei rollen. Das schwere Gefährt kämpfte sichtlich mit dem fließenden Übergang zwischen Steppe und Wüste und der Major fürchtete, hier den nächsten baldigen Totalverlust vor sich zu haben.

Einige Meter entfernt schnauzte ein Corporal einige seiner Soldaten an, sofort wieder in ihre Chimäre einzusteigen.

Carrick runzelte die Stirn. Die Männer waren bereits nervös und gereizt und die Explosion des Munitionstransporters konnte man nicht gerade als hilfreiche Entwicklung bezeichnen. Es war ein Wunder, dass noch keiner durchgedreht und ausgerastet war.

Nahe dem Vorfall mit dem Corporal bahnte sich neuer Ärger an.

Soldat Terric versuchte, die angespannte Stimmung etwas aufzulockern, indem er einen Witz erzählte, den er irgendwo einmal gehört hatte. »Zwei Hostpitalinnen auf dem Rückweg zu ihrem Konvent. Plötzlich bemerken sie, dass ihnen ein Soldat der PVS folgt.

Sie beschleunigen ihre Schritte und versuchen, ihn abzuschütteln, aber er folgt ihnen weiter.

Als sie an eine Weggabelung kommen, entscheiden sie sich, dass sie sich trennen, damit wenigstens eine Schwester entkommen und Hilfe holen kann.

Der Plan geht auf. Der Mann folgt der ersten Schwester. Die Zweite geht, bis sie außer Sichtweise ist, dann beginnt sie zu laufen.

Sie will Hilfe holen, doch als sie, vor Erschöpfung japsend, am Konvent ankommt, erkennt sie, dass die andere Schwester ebenfalls gerade dort eingetroffen ist. Überrascht wendet sie sich an die Frau: †ºSchwester! Was bin ich froh, Euch zu sehen! Wie konntet Ihr dem Lüstling entkommen?†¹

Darauf antwortet die andere: †ºNachdem wir uns getrennt hatten, holte er mich ein und stellte mich. Das Unvermeidbare geschah: Ich hob meine Kutte, er ließ seine Hose runter.†¹

Erregt und wütend über die offensichtliche Schändung fragt die zweite Schwester: †ºUnd dann?†¹

†ºEinfachste Logik†¹, antwortet die Erste: †ºEine Schwester mit erhobener Kutte kann schneller laufen als ein Soldat mit herunter gelassener Hose.†¹«

Schallendes Lachen der ihn umgebenden Männer ertönte und endete dann abrupt.

Für einen Moment war der Soldat verwirrt und versuchte, den Grund für das Schweigen der Männer ausfindig zu machen, dann ging ihm auf, dass die anderen nicht ihn ansehen. Sie sahen über ihn hinweg.

»Sie steht hinter mir, oder?«, presste er hervor. Unmerkliches Nicken bestätigte seine Annahme. Er grunzte. »Warum, beim Warp, passiert eigentlich immer mir so eine Scheiße?«

Dann wandte er sich um und sah genau in die stahlblauen Augen von Leitis Sile. Die Prioris musterte ihn kalt. »Der war nicht schlecht. Aber wollen Sie einmal wirklich was zu lachen haben?«

Die Soldaten schwiegen. Sie alle wussten von den Geschehnissen im Lazarett.

»Ja?«, fragte Sile mit ihrer weichen, erfrischenden Stimme, dann beugte sie sich vor und zog das Bajonett von ihrem Gewehr.

»Ich habe schon weit tapferere Männer als Sie getötet«, flüsterte sie bedrohlich und ließ die Stichwaffe niedergehen. Sie rutschte aus ihrer Hand und bohrte sich in den staubigen Untergrund.

Terric folgte mit seinem Blick dem Weg ihres Wurfs und sah, dass sie mit dem Bajonett einen etwa mausgroßen Skorpion gespalten hatte, der sich, halb unter Sand und Erde verborgen, direkt zwischen seinen Füßen befunden hatte.

Er atmete tief und erschrocken ein.

»Schön, dass Sie Ihren Humor noch nicht verloren haben«, sagte Sile leise und ging.

Carrick wandte sich ab und atmete seinerseits tief durch. Ein Glück, dass die Prioris nicht weiter auf den dummen Witz eingegangen war.

Bei der Vorstellung, die sie Ekko, Solmaar und den Wachen im Lazarett geliefert hatte, hätte sie höchstwahrscheinlich den ganzen Trupp auseinander genommen, wenn die Lage eskaliert wäre.

Offensichtlich hatte das Gespräch mit dem Colonel tatsächlich was gebracht.

Trotzdem konnte es nicht schaden, wenn sie noch länger unter Beobachtung blieb.

Durch das Brummen der Fahrzeugmotoren näherte sich das eilige Rasseln schnell laufender Ketten.

Der Major kniff die Augen zusammen. Ein Salamander glitt durch den staubigen Nebel auf ihn zu.

Ekkos Kommandopanzer war noch nicht vollkommen ausgerollt, da flogen bereits die Hecktüren auf und der Colonel sprang aus dem Fahrzeug, den aschfahlen Gireth mit seinem schweren Funkgerät im Schlepptau.

»Major!«, rief der Colonel den ihn entgegenkommenden Carrick. »Was ist passiert?«

»Sir, gegen siebzehn Uhr ist eine Munitionschimäre des Munitoriums explodiert. Der Grund dafür ist unbekannt«, meldete der Major schnell. »Ein feindlicher Angriff scheint es aber nicht gewesen zu sein.«

»Dann würde es hier auch sicherlich anders aussehen«, dachte Ekko laut nach. »Was vermuten Sie?«

Der blonde Basteter zuckte unglücklich die Schultern. »Sie wissen ja, wie die vom Munitorium sind. Die finden überall noch Platz für Munition. Scheint so, als hätten sie es dieses Mal übertrieben.«

Ekko kniff sich mit den Fingern in den Nasenrücken. Er sah sehr müde aus. »Verluste?«

»Die Besatzung hat's vollständig zerrissen«, sagte der Major. »Die Explosion hat zwei begleitende Kradfahrer zum Imperator geweht. Außerdem ist uns ein LKW schwer beschädigt worden und nicht mehr fahrtüchtig. Und meine Nerven sind hin.«

Zwei braune Augen musterten ihn. »Ist der LKW noch zu gebrauchen? Können wir das Ding mit einem Bergepanzer hochheben und abschleppen?«

»Das würde gehen, aber das Oberkommando hat sämtliche Atlasse mitgenommen.« Der Atlas-Bergepanzer war das Zugpferd alle imperialer Panzerkompanien.

»Dann hängt den LKW an eine Trojan und zieht ihn einfach«, wies Ekko seinen Stellvertreter an. »Wir brauchen die Fahrzeuge. Noch mehr umladen können wir nicht.«

»Verstanden, Sir«, bestätigte Carrick.

»Gut.« Ekko sah sich um. »Wo ist Ligrev?«

»Als ich anhalten ließ, hat der Kommissar eine Chimäre requiriert und ist damit weitergefahren. Ich habe keine Ahnung, wo er sich im Augenblick befindet.«

»Fantastisch«, wetterte der Colonel. »Schwierigkeiten über Schwierigkeiten. Tote, Verletzte, Explosionen †“ und Ligrev? Der requiriert eine Chimäre und macht sich aus dem Staub.« Seine Hand winkte in eine weite Ferne. »Wirklich schade, dass er sich dafür nicht selbst exekutieren muss. Ich hätte ihm gerne dabei zugesehen.«

Carrick runzelte die Stirn. Selbst Ekko wirkte aggressiv und gereizt. Sein sonst so zynisches und überlegenes Wesen war noch bösartiger und gleichzeitig einem einfachen, von raschen Erwägungen getriebenen Geist gewichen, der auf eine nicht näher definierbare Weise mehr Unruhe verbreitete als dass er sie tilgte.

So hatte er Ekko noch nie erlebt †“ und wenn er ehrlich sein sollte: Das machte ihm Sorgen.

Sie standen einige Minuten beieinander, dann plötzlich setzte sich der Colonel in Bewegung. Irgendetwas schien seine Aufmerksamkeit erregt zu haben.

Bemüht, an seinem Kommandeur zu bleiben, beschleunigte Carrick seine Schritte und folgte dem dunkelhaarigen Basteter.

Nur wenige Schritte später blieb Ekko wieder stehen und betrachtete ein merkwürdiges Objekt, das halb im Sand vergraben, vor ihnen lag.

Carrick benötigte einen Moment um festzustellen, was es war. Es handelte sich um eine klobige Staubschutzbrille, die vermutlich einer der Kradfahrer während der Explosion verloren hatte.

»Was für ein thronverfluchter Mist«, brummte Ekko und hob die Schutzbrille auf.

»Die gehörte wohl einem der Kradfahrer«, teilte Carrick seine Vermutung mit.

Der Colonel nickte matt. »Heute läuft wirklich alles schief«, murmelte er und schwenkte die Schutzbrille in seine Hand umher. Sie schien nicht beschädigt zu sein.

Carrick verfolgte verblüfft, wie Ekko sie über seine Mütze zog und ihren Sitz kontrollierte. Sie war etwas zu groß und saß auch nicht ganz richtig, doch der Colonel schien damit vollends zufrieden zu sein. »Passt«, freute er sich.

Als er Carricks überraschten Blick bemerkte, zuckte er die Schultern. »Ein Gutes hat die Sache. Er hat mir seine Schutzbrille da gelassen.«

Carrick nickte. Als der Colonel sich umdrehte, um zu seinem Kommandopanzer zurückzugehen, war er froh, über den Zynismus in Ekkos Worten lächeln zu müssen.

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***

Am frühen Abend zogen bedrohlich bleigraue Gewitterwolken am Horizont auf. Früher Abend, das war nach der Uhrzeit eigentlich später Abend, denn sie überschritt die zwanzig Uhr. Aber Abend, das war auf Agos Virgil auch ein relatives Wort, denn die Nächte auf der Welt waren kurz. Sie dauerten nicht einmal neun Stunden.

Ekko lehnte auf der Seitenpanzerung und betrachtete die dunkle Front, auf sie sie direkt zuhielten.

Neben ihm hatten sich Gireth, der Schütze, sowie Leitis Sile und sogar der riesige Melbin in den Kommandoturm des Salamanders gezwängt.

Letztere waren beim letzten Halt des Panzers bei einer Lagepeilung zugestiegen, wobei Leitis Sile darum gebeten hatte und Melbin von Rebis für alle Fälle mitgeschickt worden war.

Jetzt wirkte der sowieso schon so enge Raum des Kommandoturms dermaßen überladen, dass sie eigentlich nach oben hätten herausquellen müssen. Wie sie es schafften, sich trotzdem mit ihrem Platz zu arrangieren, wusste nur der Imperator.

Das Gelände war hügelig geworden, wenn auch nicht weniger trostlos. Die sandige Wüste hatten sie inzwischen hinter sich gelassen, auch wenn Ekko vermutete, dass die am Ende der Kolonne fahrenden Fahrzeuge noch immer am Rand des Sandmeers fuhren.

»Da!«, rief Melbin und wies auf eine Stelle, etwa dreißig bis fünfunddreißig Grad nach rechts.

Alles folgte seinem Blick.

Ekko hob den Feldstecher an die Augen. Er brauchte einen Moment, bis er sah, was Melbin entdeckt hatte.

Die Basilika hob sich sichtbar gegen den dunklen Himmel ab. Sie sah aus wie ein gewaltiger, aufwärts abgefeuerter Strahl, der im Stadium höchster Intensität auf die Wolken getroffen und eingefroren war.

Das Gebäude reichte mindestens tausendfünfhundert Meter in den Himmel.

Näheres war noch nicht zu erkennen, aber bereits jetzt ergriff eine undefinierbare Furcht Galard Ekko. Zum ersten Mal in seinem Leben würde er eine Stätte der Ekklesiarchie betreten.

Er malte sich bereits unterschiedliche Weisen aus, auf die er sie schänden und entweihen konnte, nur um es den bösartigen Angreifern, die sein Leben zerstört hatten, heimzuzahlen. Er war sich sicher, was die Orks gemacht hatten, wäre dagegen nur ein lächerlicher Witz gewesen.

Allerdings gab es eine Sache, die ihn im Augenblick noch mehr beschäftigte.

»Das ist doch … Die ist doch an einem ganz anderen … Gireth, die Karte!« Er gab Melbin den Feldstecher. »Herzlichen Glückwunsch, Melbin. Sie haben unser Ziel entdeckt.«

Der Funker hinter ihnen knisterte mit der Karte, in der ihr Ziel eingezeichnet war.

Er versuchte ungeschickt, die Karte im Fahrtwind auszubreiten, bis Ekko sie ihm ungeduldig aus der Hand nahm. »Geben Sie her, Soldat.«

Der Colonel breitete sie innerhalb des Kommandostands aus und wies Gireth und den Schützen an, sie gegen die Seitenwand des Innenraums zu drücken. Dann beugte er sich etwas vor und begann, die feinen Linien nachzuzeichnen. Dabei murmelte er leise Litaneien, gepaart mit Verwünschungen.

»Wo befinden wir uns?«, fragte Sile, die in ihrer roten Servorüstung den meisten Platz im Kommandoturm einnahm, und warf einen Blick über Ekkos Schulter.

»Hier«, erwiderte er gedankenverloren und tippte auf die Karte. »Aber diese Karten stimmen nicht. Wenn die Basilika †“ wir sehen sie ja †“ hier ist, dann … müssten wir eigentlich da sein und nicht hier … wo wir ja hier sehen, dass wir da sind.«

Die Sororita sah ihn mit einem scharfen Blick an. »Was bedeutet das?«

»Gar nichts«, brummte er. »Nur, dass die vom Munitorium unverschämte Idioten sind.«

»Das kann keine Basilika sein«, murmelte Melbin neben ihm ergriffen. »Das ist eine Makropole!«

Ekko hörte die Worte des Soldaten, ignorierte sie aber.

»Fahrer, drehen Sie nach rechts auf zwei Uhr!«, befahl er über Funk.

Die Antwort kam prompt. »Auf zwei Uhr drehen. Verstanden, Colonel!«

Der Kommandopanzer ruckte herum und zog wieder an.

Mit einem Blick nach hinten vergewisserte Ekko sich, dass die anderen Transportpanzer ihnen folgten.

Hinter ihnen kam die erste Chimäre herum. Im Funkgerät erklang eine Warnung, dass die Kolonne vorne nach rechts schwenkte.

Bestätigungen folgten.

Ekko richtete sich auf und wies Gireth an, die Karte wieder wegzupacken. Dann wandte er sich um und richtete seine Augen abermals auf die Masse rollenden Materials, die seinem Kommandopanzer gehorsam folgte.

Wieder einmal überwältigte ihn der Anblick.

Jetzt, wo sie sich von der marschierenden Kolonne entfernten, konnte man die mehrere Meilen hohe Staubwolke sehen, welche die Fahrzeuge einhüllte.

Ein beinahe unbeschreibliches Bild.

Während seiner Zeit bei den Planetaren Verteidigungsstreitkräften Bastets hatte er bereits unglaubliche Dinge gesehen, meistens in den südlichen Bergen des Jareth-Bezirks, aber das hier sprengte die Dimensionen seiner Erinnerungen bei weitem.

Es war größer als eine wütende Herde Karikas. Es war beeindruckender als ein Artillerieangriff aus einhundert Geschützen und es war faszinierender als eine Parade zu Ehren der Heiligen Bastet, deren Prozession sich quer durch die Schluchten des Dah-Tals zog.

Aber so beeindruckend sie auch aussah, diese Kolonne war äußerst verwundbar.

Bei einem Angriff oder einem Hinterhalt würde das totale Chaos ausbrechen und die Soldaten somit vollkommen desorientiert und hilflos werden. Die Explosion der Chimäre hatte es bewiesen.

Wenn ihnen so etwas direkt vor der Kathedrale passierte, dann wäre das die endgültige Katastrophe. Doch so sehr er sie sich auch herbeisehnte, zwei wichtige Faktoren hielten ihn davon ab, einfach weiter zu fahren.

Zum einen wollte er weder Ligrev, noch Del Mar oder Iglianus den Triumph gönnen, ihn endlich und vollständig besiegt zu haben, indem er sich selbst mit dem Großteil seines Regiments vernichtete und somit nicht nur im Kampf, sondern auch in Ungnade fiel.

Zum anderen wollte er seine Männer nicht verlieren. Weder im sinnlosen Tod noch an einen anderen Kommandeur. Das wollte und würde er niemals zulassen.

Entschlossen wandte er sich seinem Funker zu. »Die nächste Chimäre soll uns folgen. Wir werden dem Konvoi voraus fahren und uns die Sache mal ansehen. Ich mag es nicht, wenn wir so ganz ohne Kenntnis der Lage ins Unbekannte fahren.«

»Aber, Sir!«, protestierte Gireth. »Der Kommandeur …«

»Sparen Sie sich Ihre Belehrungen. Die haben Sie sowieso nur von Carrick geklaut. Führen Sie meinen Befehl aus, Gireth!«

Kleinlaut gab der Funker nach. »Ja, Colonel.« Sich mit seinem Kommandeur anlegen, das wollte er dann doch nicht.

Ekko beachtete ihn auch nicht weiter, sondern adressierte sofort danach den Fahrer. »Geben Sie Gas †“ direkt auf die Basilika zu, verstanden?«

»Verstanden«, antwortete ihm die körperlose Stimme.

Hinter ihnen heulte der Motor der ersten Chimäre in der Kolonne auf, als das Fahrzeug los preschte, um ihnen auf der gefährlichen Aufklärungsmission zu folgen.

Sie waren auf dem Weg, die Entscheidungen waren getroffen und selbst, wenn Ekko sie jetzt gerne rückgängig gemacht hätte, so wäre es doch recht schwierig geworden, die Befehle zu stornieren und die Kolonne umzulenken.

Außerdem konnte es verdammt unangenehm werden, die Aktion im Nachhinein vor Iglianus und Del Mar zu erklären.

Die beiden Fahrzeuge rasselten schaukelnd vorwärts.

Je weiter sie sich dem monströsen Bauwerk näherten, umso mehr Details waren für Ekko zu erkennen. Und je größer der Ort wurde, desto stärker zog er den Colonel in seinen Bann.

Es war eine Basilika †“ aber was für eine!

Ekko erinnerte sich an die Worte Melbins. Die Basilika erinnerte mit ihrer Form tatsächlich an eine Makropole.

Eine riesige Mauer schützte die unteren Ebenen gleich einer Festung, aus denen nur die in blassem Gold gedeckten Spitzdächer von Gebäuden herausragten, offensichtlich die Arbeits- und Wohngebäude der Bediensteten.

Dahinter erhob sich eine riesige, fast dreihundert Meter hohe Kathedrale, die schließlich in einem Turm endete, der den gesamten Berg umfasste und in weitere Ebenen überging.

Wie ein Termitenhügel schmiegte sich die Himmels-Kathedrale den Berg hinauf gleich einer Spindel, die in gleichmäßigen Abständen von unterschiedlich großen Türmen durchsetzt war und sich nach oben hin immer weiter verjüngte, bis sie schließlich wenige Meter unter der Spitzes des Berges in einer gewaltigen, kreuzförmigen Anlage endete, aus der vier Türme die Spitze des Berges flankierten.

Das ganze Gebilde erinnerte eine mächtige, von Menschenhand gebaute und dann in den Fels gewachsene Kletterpflanze im Baustil einer längst vergessenen Kultur der Menschen.

Er konnte sich irren und vielleicht von den Sonnenstrahlen täuschen lassen, aber die Fassade der Basilika schien weißer zu werden, je höher sie in den Himmel reichte.

Es war ein faszinierendes Farbspiel, das nicht weniger als die Erhabenheit dieses Orts unterstrich.

Der Colonel war so fasziniert, dass er ergriffen schwieg, bis sie die Außenmauer der Kathedrale erreicht hatten.

Erst jetzt machte ihn einer der Soldaten auf ein offensichtliches Problem aufmerksam, das ihm entgangen war.

»Wo ist denn das Tor?«, erkundigte sich Melbin.

Ekko fiel auf, dass der Cadianer recht hatte. Es schien wirklich kein Tor zu geben. Er schürzte die Lippen. »Fahrer, nach rechts. Folgen Sie der Mauer.«

Der Kommandopanzer knirschte, als der Fahrer das Fahrzeug herumschwenkte.

Sie rollten die Außenmauer entlang.

»Nimmt diese Mauer denn gar kein Ende?«, fragte Melbin, während Gireth sprachlos auf die riesige, schier unzerstörbare Wand aus betonartigem Material starrte, die sich zu ihrer Linken erhob.

Verheerte, verkratzte Embleme der Ekklesiarchie lagen zersplittert auf dem Erdboden oder hingen, in teilweise abgerissen, in ihren Halterungen an der Mauer.

Tiefe Einschläge, verkrustetes Blut und auf die Insignien gespießte Tote in abscheulichen Posen begleiteten sie ihren Weg als mahnende Zeugen der Grausamkeiten, die hier stattgefunden hatten.

Noch mehr böse Vorzeichen, dachte Ekko bei sich. Als hätte es den Tag lang noch nicht genug davon gegeben.

Die Staubwolke der Kolonne war bereits nicht mehr zu sehen, wurde von der hoch aufragenden Außenmauer der Kathedrale verdeckt, als sie endlich einen Eingang fanden. Er war verschlossen.

Ein ehernes Tor, fast so groß wie ein imperialer Warhound-Titan, versperrte den Zugang zur Kirche.

»Hier halten«, befahl Ekko ins Funkgerät.

Der Kommandopanzer rollte aus und blieb schließlich stehen.

Ekko wies den Schützen an, wachsam zu bleiben, dann öffnete er die Heckluke und stieg aus. Die Staubschutzbrille auf seiner Mütze verrutschte. Er rückte sie zurecht, zog den Saum seines Uniformdrillichs glatt und marschierte dann zielstrebig auf das große Tor zu.

Hinter ihm ließ sich Sile trotz ihrer Servorüstung vollkommen weich und beinahe geräuschlos auf die Erde gleiten.

Gireth neben ihr fiel wie ein nasser Sack auf den Boden. Das schwere Funkgerät auf seinem Rücken ließ ihn beinahe vorne überkippen. Um die Balance zu halten rammte er den Lauf seines Lasergewehrs in die Erde, nur um im nächsten Moment zu begreifen, dass das ein schlimmer Fehler gewesen war.

Während Ekko mit der Sororita im Schlepptau in Richtung des Tors ging, folgte der junge Funker ihnen in einigem Abstand und versuchte, den Lauf seines Gewehrs wieder freizuräumen.

Einige Meter neben ihnen hielt die Chimäre. Die Heckluke fiel herunter, heraus stürmte ein Infanterietrupp mit Balgor an der Spitze. Die Männer schwärmten aus, während der Captain sofort zu seinem Kommandeur stieß

»Mann, Chef, Sie finden aber auch überall Dinge, die anzugucken es sich lohnt.«

»Ziemlich riesig.« Ergriffen lehnte sich Gireth zurück, versuchte die massive Konstruktion in ihrer Gesamtheit zu betrachten.

Balgor hielt ihn fest. »Vorsicht, Gireth, sonst fallen Sie noch hinten über. Und bei dem Gewicht würde Sie nicht einmal ein Atlas-Bergepanzer wieder hochkriegen.«

Der Funker wurde leicht rot. Zum einen lag das an der Tatsache, dass Balgor ihn auf etwas aufmerksam gemacht hatte, was er selbst hätte wissen müssen, zum anderen, weil der Captain ihn mit seinem Namen angesprochen hatte. Für einen jungen, einfachen Soldaten gab es wohl nichts, was der Tatsache gleich kam, von den Offizieren namentlich genannt zu werden.

Vor ihnen verschränkte Sile die Arme und warf Ekko einen Seitenblick zu. »Also, was haben Sie jetzt vor?«

Ekko griff an sein Tiefziehholster und öffnete es. Danach zog er die Laserpistole und richtete sie auf das Tor. »Was wohl passiert, wenn ich darauf schieße?«

»Besser nicht«, riet Balgor. »Bei Ihrem Glück heute erwischen Sie noch einen von uns.«

Die Sororita neben ihm verzog das Gesicht und erwiderte gereizt: »Meines Wissens gibt es so etwas wie Glück nicht.«

Gireth gaffte sie schockiert an. »Sie wollen sagen, dass er das plant?«

»Natürlich«, warf Ekko ein. »Von langer Hand. Ich habe Sie nur hierher geführt, um sie möglichst originell aus dem Weg zu räumen, Gireth.«

Sile warf ihm einen bösen Blick zu, enthielt sich jedoch eines weiteren Kommentars. Dass er ihre Bemerkung absichtlich auf sich und nicht auf den Imperator bezog, der ja bekanntlich alles Geschick der Menschheit steuerte, war im Grunde keinerlei Erwähnung wert. Es hätte ja auch sein können, dass sie sich auf ihn bezog †“ so genau hatte sie sich auch nicht ausgedrückt.

Das Stampfen von Läuferfüßen drang an ihre Ohren.

Stalker eins und vier polterten heran.

Die beiden Sentinels kamen bis zu ihnen und stoppten dann. Die Cockpits senkten sich auf die Beine ab, dann öffnete sich die Cockpittür von Stalker eins. Maryans Gesicht erschien in der Luke.

»Tut mir leid«, rief der Sentinelführer. »Wir hatten uns total verlaufen.«

»Wenn das ein Witz sein sollte †“ oder ein Wortspiel †“, dann war das ziemlich schlecht, Maryan«, hielt Ekko fest.

Der Sentinelführer verzog das Gesicht und überlegte angestrengt eine entsprechende Antwort. Er kam jedoch nicht mehr dazu, den Gedanken zu Ende zu führen.

»Herr auf dem Thron, ist das ruhig hier«, bemerkte Balgor.

Eine plumpe Ablenkung, welche aber ihren Zweck erfüllte. Die Anwesenden schwiegen und horchten auf.

Der Captain hatte recht gehabt. Vollkommene Stille umgab sie. In der hereinbrechenden Dunkelheit dröhnten die im Leerlauf befindlichen Motoren der Truppentransporter und Sentinels unnatürlich laut.

»Abschalten«, befahl Ekko. »Motoren aus!«

Balgor wandte sich zu der Chimäre um und deutete mit seiner Hand das Durchtrennen der Kehle an.

Einige Augenblicke später erstarb der Panzermotor.

Zur gleichen Zeit schalteten Stalker eins und Stalker vier ebenfalls ihre Motoren ab. Seufzend sanken die Sentinels in den Ruhezustand und verharrten wie in der Bewegung erstarrte, leblose Bestien.

Augenblicklich hielt die Welt den Atem an.

Sie lauschten angestrengt. Es war nichts zu vernehmen. Kein Geräusch. Kein Wind. Keine Tiere oder Natur. Nichts. Nur in der Ferne grollten die Motoren der anderen Fahrzeuge.

»Also ich hör nichts«, brummte Maryan nach einer Weile.

»Er hat recht«, stimmte Sile zu. »Es ist totenstill.«

Ekko nickte nachdenklich. »Klingt bestimmt abgedroschen, wenn ich sage: Das gefällt mir nicht †“ aber: Das gefällt mir nicht. Gireth!«

Der junge Funker richtete sich ertappt auf. Er hatte es noch immer nicht geschafft, den Lauf seiner Waffe freizuräumen. »Sir?«

»Die ersten drei Züge nach vorn. Ich will hier eine Sicherung haben, wenn das Tor aufgeht.«

»Verstanden, Colonel!«, rief Gireth und entfernte sich, um Carrick über die Befehle zu informieren.

Zeit, sich wieder der eigentlich Frage zuzuwenden: Wie bekamen Sie das Tor auf?

»Also«, wandte sich Ekko an die anderen. »Vorschläge?«

»Vielleicht gibt es eine Sprachsteuerung? Ein Passwort oder so etwas?«, schlug Balgor vor.

»Gute Idee«, pflichtete Ekko bei. Er wandte sich an die Stahlkonstruktion und hob gebieterisch die Hände. »Sesam, öffne dich!«, rief er. Das Tor blieb reglos. Genauso gut hätte es sich auch totlachen können.

»Thronverdammt«, brummte der Colonel.

»Was ist?«, fragte Sile.

Ekko kratzte sich am Kopf und warf einen Blick in die Runde der Anwesenden. »Haben Sie einen Schlüssel für das Teil?«

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Hallo, Leute. Hier das nächste Kapitel. Es geht so langsam aufs Ende meiner Reserven zu. Einige Kapitel habe ich noch inpetto, aber dann wird man sich auf längere Wartezeiten einstellen müssen. Ich gebe dies nur als Information bekannt.

Jetzt aber viel Spaß beim Lesen.

13

Es dauerte knapp eine Stunde, dann war das singende Jaulen von Vector-Turbojet-Triebwerken zu vernehmen. Am südwestlichen Himmel zeichnete sich eine Formation von drei Flugmaschinen ab, die rasch größer wurden.

Während Ekko verfolgte, wie sie sich ihnen näherten, hoffte er inständig, dass es die von Gireth in seinem Namen angeforderte Unterstützung war und nicht eine feindliche Aufklärungseinheit.

Er nahm den Feldstecher von den Augen und ließ seinen Blick über die Umgebung schweifen.

Seit ihrer Ankunft hatte sich eine beeindruckende Traube an Fahrzeugen um das mächtige Tor gebildet, das noch immer den Zugang zu der Basilika verschloss. Sie standen kreuz und quer, ohne einen wirklichen Plan dort abgestellt, wo sie zum Halten gekommen waren.

Zu Anfang war das noch niemandem aufgefallen, denn es war nicht wichtig. Die Chimären und Aufklärungsfahrzeuge stoppten und spien Truppen aus, die sofort in die Gegend ausschwärmten und das Umfeld sondierten, um einen hinterhältigen Angriff der Orks frühzeitig zu entdecken und Abwehrmaßnahmen ergreifen zu können.

Doch je mehr Fahrzeuge auf die stehenden auffuhren und ebenfalls stoppten, umso deutlicher wurde, dass die Imperialen einen bedeutenden Fehler begangen hatten.

Das Knäuel aus Transportpanzern, Lastern, Zugmaschinen, Aufklärungs- und Kommandofahrzeugen zog sich enger und weitete sich gleichzeitig aus. Es jetzt schnell zu entwirren und die Fahrt fortzusetzen war so gut wie unmöglich.

Ekko verfluchte sich im Stillen. Hätte er doch nur eher darauf geachtet.

Nun gut, er hätte sich denken können, dass man sie nicht mit offenen Armen empfing. Aber genau da lag das Problem. Er hatte es nicht getan.

Carrick neben ihm hob seinen eigenen Feldstecher an die Augen. »Sieht aus, als wären das welche von unseren †“ oder, Sir?«

»Das will ich hoffen«, antwortete Ekko und verfolgte, wie sich langsam Formen aus den Silhouetten der Flugzeuge schälten.

Es waren in der Tat Walküren. Die klobigen Sturmtransporter heulten tief über dem Erdboden heran und passierten das wartende Knäuel aus Fahrzeugen und Menschen kreischend mit Überschallgeschwindigkeit, bevor sie die Flanke der Kathedrale entlang steil in den Himmel stiegen.

»Was für Angeber«, brummte Ekko, während die Männer um ihn sich abduckten, um nicht von den heißen Strahlen der Triebwerke umgeblasen oder mit Massen von aufgewirbeltem Staub eingedeckt zu werden. »Irgendwann müssen sie runterkommen. Und dann sind sie fällig.«

Aufgewirbelter Staub bedeckte sein Gesicht, verklebte Augen und füllt seine Nase, dass er angewidert niesen musste.

»So, das war†™s!«, brummte er missmutig. »Jetzt sind sie fällig!«

Er hörte, wie Carrick neben ihm leise mit den Zähnen knirschte, wandte ihm seinen Blick jedoch nicht zu †“ auch wenn es ihn interessiert hätte zu sehen, ob der Major auch wirklich wütend auf die waghalsigen Piloten war oder einfach nur krampfhaft versuchte, ein Lachen zu unterdrücken.

Die Sturmtransporter donnerten in einer weiten Schleife erneut über die wartenden Truppen, bevor sie auf die Kathedrale einschwenkten. Man konnte die Führungsmaschine gut erkennen, deren in rot nachgezogene Linien einen stilisierten Vogel darstellten.

In Gireths Funkgerät begann es zu knistern.

»5120100, hier 0072 Azrael. Hören Sie mich? Kommen.«

Der junge Funker trat aufgeregt zu seinem Kommandeur und reichte ihm das Sprechgerät.

»Hier 5120100. Ich höre«, meldete sich der Colonel.

»0072 Azrael meldet sich und zwei Maschinen mit drei Trupps zur Stelle.«

»Sehr schön«, antwortete Ekko, dann wies er Carrick mit einem kurzen Wink an, ihm die Karte zu bringen.

Der Major nickte und winkte seinerseits einen Adjutanten heran, damit er ihm die Karte brachte.

Ekko schürzte die Lippen und stellte sich vor, wie eine ganze Legion von Adjutanten nun wild zu winken begannen, damit von dem gut zwanzig bis dreißig Meter entfernten Kommandopanzer eine spezielle Karte aufgelesen und zu ihrem Colonel gebracht wurde.

Nicht, dass es ihn belustigt hätte.

Einen Moment später tauchte der Soldat mit der zerschlissenen Karte auf und brachte sie Carrick, welcher sie an Ekko weiterreichte.

»Zu freundlich«, kommentierte der Colonel die Aktion. Er kniete sich auf den trockenen Sandboden und breitete die Karte aus.

Es war eine Ansicht der Himmels-Kathedrale.

Ekko fuhr die feinen Linien auf dem Papier nach und orientierte sich.

Genau genommen bestand die Makro-Kathedrale aus sieben Ebenen. Das Zentrum der Anlage wandte sich um einen dünnen, fast felsnadelspitzen Berg, dessen Ursprünge in der langen und wilden Geschichte von Agos Virgil lagen.

Eine ausladende Plattform thronte auf dem Berg, auf der ein reich verziertes Beinhaus stand. Die gesamte Plattform war nur durch vier Haupttürme mit dem vierhundert Meter tiefer liegenden Ende des Kirchengebäudes verbunden. Eine schmale, von der Außenwelt abgeschottete Wendeltreppe schlängelte sich, gleich einer Kletterpflanze, um die Felsnadel und durch die Türme bis zur obersten Ebene der Kathedrale.

Die Kathedrale selbst war ein gewaltiges, in alle vier Himmelsrichtungen reichendes Gebäude, dessen Zentrum ein mächtiger Turm war, der den dürren Berg einschloss und das Fundament der vier Stütztürme bildete. Darum lang ein ausladender Platz, der noch einmal die doppelte Größe des Kirchenbaus maß.

Bereits allein dieses im Vergleich winzige System bildete die ersten zwei Ebenen der Himmels-Kathedrale.

Ging man nach der Karte, konnte man das Gebäude und alle seine Türme, Zitadellen und Kuppeln als innersten Verteidigungsring des makropolgleichen Komplexes sehen, der sich um den prächtigen Bau gebildet hatte.

Den nächsten Ring (und die nächsten zwei Ebenen) bildeten die beiden inneren Mauern, welche die einflussreichen und wohlhabenden Kleriker und Bewohner der Stätte von den unteren drei Ebenen abschotteten, wo die weniger wohlhabenden Kleriker, dann die Handwerker, Diener und deren Familien und schlussendlich die restlichen Menschen, also das, was man in der Imperialen Armee als ‚Tross†˜ bezeichnet hätte, an der Außenmauer gelebt hatten.

So konnte man die Makrokathedrale in drei, mit der Kathedrale selbst, in vier Verteidigungszonen einteilen, die jede für sich autark überleben konnte. Das bedeutete, dass jeder dieser Verteidigungsringe über eigene Strom- und Wasserversorgung verfügte.

Die entsprechenden Generatoren und unterirdischen Reservoirs waren eingezeichnet.

»In Ordnung. Hört mir zu. Die Himmels-Kathedrale besitzt drei Hauptgeneratorräume, welche die gesamte Stadt mit Energie versorgen. Wir müssen eine dieser Anlagen wieder in Betrieb nehmen und die zur Verfügung gestellte Energie in die Außentore umleiten.«

»Verstanden, Wo sollen wir suchen?«

Ekko musterte die Quadranten, in welche die Karte eingeteilt war. »Quadrant Elysia Acht sieht am Vielversprechendsten aus. Probiert es dort.«

»Verstanden, Azrael Ende.« Das Heulen der Turbojet-Triebwerke schwoll wieder an, als die schnellen Sturmtransporter über die Makro-Kathedrale hinweg zogen.

Gireth, der den Funkverkehr mitgehört hatte, runzelte die Stirn. »Sir, was machen Sie da?«

Ekko schürzte die Lippen und faltete die Karte zusammen. »Ich folge einer alten Weisheit: Wenn keiner aufmacht, lass dich selbst herein.«

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