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TabletopWelt

Stargazer (Abgeschlossen 17.04.2015)


Empfohlene Beiträge

Hallo,

Ich wollte mich auch mal zu Wort melden, ich bin ein großer Fan deiner Geschichte und kann es kaum erwarten, wie es weiter geht.

Großen Respekt an dich, die Story ist der Hammer, du solltest ein echtes Buch darüber verfassen;)

Wann kann man mit dem nächsten Kapitel rechnen?

Der Tod hat einen Plan!Und die Orks sind ein teil davon!

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Salve,

ohohoh - okay - das ist natürlich scharf:-D Da muss ich antworten.

;_D Hallo, an alle Leser.

Keine Sorge, Stargazer geht bald weiter. Im Augenblick bin ich mit einer Projektarbeit beschäftigt, die mich noch bis Ende des Monats fesselt, danach werde ich aber wieder Zeit haben, den einen oder anderen Abschnitt niederzuschreiben. Von daher - innerhalb der nächsten zwei Monate geht es weiter.

So, jetzt zu den Anmerkungen:

Huhu, fraggel1: Danke zurück ^^ Es freut mich immer, wenn ich eine Rückmeldung zu meinen "Arbeiten" bekomme. Schön, dass du noch dabei bist!

Hallöchen, Haran ;_D zu Deiner Anmerkung mit den Soldaten. Ich bin von folgender Idee ausgegangen: Die Soldaten fahren aufgesessen, also AUF dem Rumpf des Panzers, als dieser plötzlich Gas gibt. Jeder, der schon mal mit nem Marder oder einem Fuchs gefahren ist (wenn auch im Innenraum), kennt das Gefühl, wenn das fahrzeug wirklich beschleunigt. Auf dem Rumpf ist das Sitzen dann ziemlich schwer ;-D Also habe ich mir gedacht, die Befehlen der Infanterie, abzuspringen und geben das Gas (die Mistkerle!). Lassen die Infanterie zurück - die natürlich dann hinter den Fahrzeugen herläuft - Klar, dass die TPz und Aufklärer die Infanterie bald darauf zurücklassen. (Es gibt da eine ähnliche Szene bei Black Hawk Down, wo die Ranger von den Panzerfahrzeugen der Pakistanis zurückgelassen werden, weil die Somalier mit RPGs auf die Fahrzeuge schießen - und leider kein Platz mehr für die Infanterie ist. So etwas in der Art habe ich mir vorgestellt).

Zudem - vielleicht war die Infanterie ja zu Fuss auf dem Rückweg. Es ist ja nur eine kleine Gruppe von Einheiten, ein Kampfgemeinschaft, die sich unter Umständen als einzelne Kampfgruppe hat verbergen können. Beispiel während hier kleine Kampfgruppen der deutschen Wehrmacht, die sich während des zweiten Weltkriegs von West- und Ostfront zurückgezogen haben. (Beispiel hierfür ist etwa das Auslösen deutscher Fallschirmjäger aus dem vorrückenden Amerikanischen Brückenkopf während des Unternehmens Stößer.)

Von daher - öhm - ich mag mich da ein bisschen unglücklich ausgedrückt haben. Meine Prioris wird mich dafür sicherlich noch geißeln.

Ja, die Idee mit Leitis Sile, die den Panzer entert - die Szene hat mir auch gefallen. Eigentlich waren die Auswirkungen noch extremer - aber als mich dann eine kurze Berechnung zurück auf den Boden der Tatsachen brachte (200 kg Servorüstung vs. 38 Tonnen Chimäre - hihi) hab ich sie ein bisschen entschärft ;-D

Freut mich, dass du noch dabei bist;-D

Hallo, DerVertrauter6: Danke für deine Wortmeldung *grins*

Das Veröffentlichen ist ja leider so ne Sache ;-D Für Warhammer werd ich da sicherlich nichts versuchen, denn Games Workshop soll da ja recht auf den Rechten sitzen ;_D Da schreib ich lieber was eigenes ^^

Wie gesagt - das nächste Kapitel kommt bald.

Alles Vale

SMN

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Ok ich saß zwar noch nie in einem Marder aber ich erinner mich noch an einen jungen Wehrpflichtigen der auf der Rückbank eines 2-Tonners saß als dieser Gas gabXD

Dann hatte ich deine Intention nicht richtig verstanden,egal^^

Was ich aber auf jedenfall positiv finde bei deiner Geschichte ist die Darstellung deiner Charaktere bzw. die Einbindung von Sachen die da keiner denken sollte/dürfte, das Imperiale Lasergewehr ist doch die beste Waffe des Universums also warum sollte er an einem Lachkrampf sterbenXD

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*lach*

Alles klar ... Ja, ein Glück, dass mir so was noch nicht passiert ist. *teu teu teu* ;-D

Zum Lachkrampf: Das britische Militär forschte schon in den vierziger Jahren im Bereich der "Witzkriegsführung".

So wurden etwa der "tödliche Witz" und der Hum'm'or Mk2 entwickelt.

Man sollte sich also nicht darüber lustig machen. Auch die imperiale Armee fördert den Einsatz solcher Hilfsmittel!

Beispiel?

Okay - Colonel Ekko - Captain Balgor ...

;-D

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So, die Rufe haben mich erreicht †“ und sie wurden erhört! Das nächste Stargazer-Kapitel. Vielen Dank an Nakago, der noch mal drübergelesen hat ^^

Viel Spaß beim Lesen ^^

21

»Sival 1, hier Sival 6!« Die Stimme des Panzerkommandanten schrie bitter gegen das Heulen der heißen Motoren an. »Panzer klar zum Gefecht!«

In mehreren breiten Delta-Formationen dröhnten die Panzerfahrzeuge der Transportgruppe Sival der Schlacht entgegen.

Ekko griff die Kopfhörer, die ihm der Lieutenant während ihrer Fahrt gereicht hatte, und presste sie fester gegen seine Ohren. Es war zwecklos.

Hier draußen lärmten die Triebwerke der Schützenpanzer so laut, dass man sein eigenes Wort nicht einem mit einem künstlichen Verstärker verstanden hätte. Hinzu kamen noch die kräftigen Vibrationen, Rüttler und Schlenker, welche die Panzerfahrzeuge bei ihren fünfundfünfzig Kilometern pro Stunde durchschüttelten. Jede Bewegung, jeden Kurswechsel, übertrugen die schlechten Stoßdämpfer sofort in die Fahrzeuge. Bei der hohen Geschwindigkeit wurde es für Fahrgäste auf dem Rumpf der Panzer nahezu unmöglich, sich auf etwas anderes als festen Halt zu konzentrieren.

»Colonel!«, brüllte der Lieutenant über den Motorenlärm hinweg. Er sollte den Satz nie beenden.

Achtunddreißig Tonnen Chimäre verloren urplötzlich den Halt unter den Ketten und segelten fast vier Meter durch die Luft.

Der Motor heulte schrill auf, als die Drehzahl unaufhaltsam in die Höhe schoss. Für den Bruchteil einer Sekunde fühlte Ekko Schwerelosigkeit nach sich greifen. Dann kehrte die Anziehungskraft mit aller Macht zurück.

Der Stoß war unglaublich. In dem Moment, da der Panzer den Boden berührte, fanden die Ketten wieder Halt. Das Fahrzeug bockte heftig, machte noch einen Satz und stürmte dann weiter vorwärts. Der Motor, protestiert ob der Kräfte, mit denen er zu kämpfen hatte.

Ekko spürte die Zähne in seinem Mund vibrieren. Die Landung hatte ihm den Kiefer auf die Brust getrieben und ließ nun sein ganzes Gebiss nachhallen. In dem brutalen Schlag waren auch seine Kopfhörer abgerissen und irgendwo hinter das Fahrzeug gewirbelt worden. Das zerrissene Übertragungskabel peitschte im Fahrtwind hin und her.

Innerlich verfluchte er sich.

Warum nur? Warum nur hatte er sich entschieden, seinen Salamander bei der Kathedrale zurückzulassen? Nur weil man mit dem Fahrzeug nun deutlich länger als zu Fuß brauchte, um durch die Kathedralenstadt an die Außenmauer zu kommen?

Warum hatte er sich das Fahrzeug nicht einfach irgendwo an einem der inneren Ringe platzieren lassen, sodass er es schnell und ohne große Probleme erreichen konnte? Und was war mit einem Ersatzpanzerwagen? Nein, natürlich nicht für Colonel Ekko. Warum auch?, dachte er sarkastisch. Er hatte ja eine Walküre. Doch die hatte er natürlich auch an der Kathedrale stehen lassen.

Und warum, beim Barte des Propheten der Heiligen Bastet, dachte er gerade jetzt daran? Es gab wichtigere Dinge zu tun.

Ein heftiger Knall erschütterte die Umwelt, drückte für einen Moment sogar den Lärm der dröhnenden Panzermotoren in den Hintergrund.

In einer mächtigen, rotorangen Feuerwolke stieg die Wucht einer schweren Explosion aus dem Staub auf, dort wo die vordere Panzergruppe sein musste. Beim goldenen Thron von Terra!

Der Lieutenant stieß einen unverständlichen Laut aus und rutschte zurück in den Turm. Ekko glaubte schon, er sein von irgendetwas getroffen worden, doch dann tauchte der Panzerkommandant wieder auf.

Er packte den auf einem Drehring am Turmluk arretierten Sturmbolter, entsperrte den Ring und lud die Waffe durch. Unter ihm begann sich der Geschützturm unter dem Jaulen beanspruchter Servomotoren zu drehen.

»Was ist los?«, schrie Ekko gegen den Motorenlärm an.

Der Lieutenant brachte den Bolter in Position, dann wandte er sich zu Ekko um. »Die verdammten Xenos versuchen, uns zu flankieren. Kommen von rechts mit Pikk-Ups.«

»Ah, fantastisch«, murmelte Ekko und verfolgte, wie die rechts von ihnen marschierenden Panzer nun ebenfalls ihre Türme schwenkten.

Unerwartet riss die Staubwolke auf, ermöglichte einen Blick auf weit entfernt vorbeiziehende Erhebungen. Wie weit sie wohl bereits gekommen waren?

Ekko sah hinter sich, doch durch den dichten Staub hinter den Panzern war kaum etwas zu erkennen. Ab und an schob sich der Rumpf eines nachfolgenden Schützenpanzers in seinen Sichtbereich, verschwand jedoch fast gleich darauf wieder in den sandigen Verwirbelungen.

»Hauptschütze!«, kreischte die Stimme des Lieutenants heiser. »Feuer freigegeben!«

Von einem Augenblick auf den nächsten war die Umwelt erfüllt vom hämmernden Zischen der Hauptwaffe, das an ein schallgedämpftes Maschinengewehr erinnerte. Helle Lichtblitze flackerten über die gesamte Breite der rechten Panzerfront, reichten als lange Lanzen aus kohärentem Feuer weit in den sie umwallenden, sandigen Nebel.

Der Lieutenant brüllte Verwünschungen in die Steppe hinaus und zog den Abzug des Sturmbolters durch. Die Waffe donnerte mit ungebändigter Gewalt los. Spuren aus Qualm zuckten über das Gefechtsfeld.

Worauf sie gezielt waren, sah Galard Ekko nicht.

Kein Wunder. Bei dem, was die Panzerketten aufwirbelten, konnte der Feind direkt an ihnen vorbeitrampeln †“ und er würde die Killabots, Pikk-Ups und Orks trotzdem nicht sehen, geschweige denn hören.

Es war Glück, dass die Auspex-Sichtgeräte in den Geschütztürmen der imperialen Kampffahrzeuge auch die Thermalsicht durch den Staub ermöglichten. Ansonsten hätten selbst die Besatzungen den Feind nicht anvisieren können.

Ein Detonationspilz platzte hinter ihnen aus dem Boden, ließ die Erde unter den mahlenden Panzerketten beben.

Links kam ein brennendes Fahrzeugwrack in Sicht. Eine der Chimären, die er gegen die Orks ins Feld geschickt hatte.

Die Besatzung hing aus den Rettungsluken des Panzers, helllodernde Körper vor der verbrannten Kulisse eines stolzen imperialen Fahrzeugs.

Als er die massakrierten Toten entdeckte, schleuderte der Lieutenant erneut wütende Verwünschungen in sein Mikrofon, während er den am Drehring befestigten Bolter hin und her schwenken ließ und großzügig Munition verteilte.

Die Chimäre machte einen neuerlichen Satz, sprang über eine Unebenheit und setzte hart auf. Ekko schlug mit dem Gesicht auf den metallenen Rumpf des Panzers. Der Schatten eines Sentinels huschte vorbei.

Und dann plötzlich war der Pikk-Up neben ihnen. Ein grässliches, hässlich schwarzes Fahrzeug, so ekel- und furchterregend wie seine Benutzer.

»Oh, Thronverd…«, fluchte Ekko, brachte den Satz jedoch nicht mehr zu Ende.

Eine dunkle Rauchfahne löste sich von dem Fahrzeug.

»Rakete von rechts!«, brüllte der Colonel in dem verzweifelten Versuch, das Schlimmste abzuwehren. Er wusste, dass es zu spät war.

Der Lieutenant hatte nicht einem mehr die Gelegenheit, herumzufahren und die Gefahr zu erkennen.

Hell kreischend schlug der Flugkörper in den Rumpf der Chimäre ein.

Der ganze Panzer dehnte sich im Bruchteile einer Sekunde wie bei einem kräftigen Rülpser, dann spie Feuer durch die vormals geschlossenen Luken des Kettenfahrzeugs ins Freie.

Die Explosion war ohrenbetäubend. Ekko fühlte, wie er von den Füßen gehoben wurde. Einen Herzschlag später fand er sich bereits in der Luft schwebend wieder, mit Beinen und Armen wild nach einem Halt rudernd.

Die Wucht der Detonation sprengte den Geschützturm des Schützenpanzers aus seiner Bettung, ließ ihn einen Moment lang über dem Fahrzeug schweben. Dann nahm die Schwerkraft überhand und schleuderte den gut vier Tonnen schweren Waffenträger zurück auf das penetrierte Fahrzeug.

Ekko sah den Lieutenant, der noch immer in der Luke hing, beim Aufschlag wie geboxt zusammenzucken und halb benebelt zurück in das Fahrzeug rutschen. Dann schlug er heftig auf den sandigen Boden. Explosionsartig wich alle Luft aus seinen Lungen.

Quietschende Panzerketten passierten ihn in nicht einmal fünfzig Zentimeter Abstand.

Wild züngelnde Flammen schlossen die noch lebenden Mitglieder der Panzerbesatzung von den rettenden Ausgängen ab.

Kurz darauf setzten die Schreie ein. Panische, schmerzerfüllte Laute klangen aus dem Inneren des zerborstenen Rumpfs. Hilferufe nach Rettung, die niemals kommen sollte.

Die anderen Schützenpanzer donnerten gemäß ihrer Befehle vorbei. Ekko vernahm das charakteristische Stampfen von Läuferfüßen, hörte knatternde Multilaser, sah einen Detonationsblitz aufsteigen.

Ein gellender Knall explodierte aus der Staubwolke, einen Moment später detonierte Munition in der Chimäre. Ein Stakkato aus Querschlägern heulte in alle Richtungen davon, sodass Ekko sich flach auf den Boden fallen ließ. Am liebsten wäre er stehen geblieben und gestorben. Doch das traute er sich nicht.

Heftiges Krachen erschütterte die Umwelt. Ekko, noch immer von seiner unsanften Landung leicht betäubt, kroch neben dem brennenden Wrack der Chimäre in Deckung.

Schreie hörte er keine mehr.

Ein Bolter trommelte irgendwo vor ihm. Heißes Zischen von Multilasern fiel ein.

Panzermotoren heulten auf und erstarben.

Für eine Weile war der Colonel mit dem grässlichen Lärmen der Schlacht allein. Brachial knisterte das Feuer aus dem Wrack der abgeschossenen Chimäre in die Höhe.

Galardin Alberic Ekko, was machst du nur für Sachen?, flüsterte sie. Ihre Stimme war sanft und hell, das leise Klingen einer fernen Glocke vor der grausamen Realität der Schlacht.

Ekko wandte seinen Kopf, um zu sehen, wer sie eigentlich war, doch ein undefinierbarer Nebel verschleierte seine Sicht.

Was er jedoch erahnen konnte, war ihre Schönheit.

Schulterlange, blonde Haare umrahmten ihr schmales Gesicht.

Ein schmal geschnittenes, rotes Kleid, verhüllte ihren Körper, tanzte in der Hitze der lodernden Feuer.

Sie strahlte Reinheit aus. Klare, kristalline Reinheit, die man einer Jungfrau im Dienste des Imperators nachsagte. Sie besaß nichts von der starrenden Kälte Leitis Siles, von der erhabenen Arroganz Marith Calgrows oder der Dunkelheit, die den Geist Schwester Kortessas umwölkte.

Nein, in ihr sah er die vorwärts strebende Reinheit eines imperialen Engels.

Bastet, dachte er.

Sie kam näher, erreichte ihn und ging vor ihm auf die Knie.

Wie lange sie ihn anstarrte, hätte er später nicht mehr sagen können. Es mussten zwei Ewigkeiten gewesen sein.

Seine vom beißenden Rauch tränenden Augen versuchten sie zu erfassen, zwei Zielsucher, die das Ziel nicht fanden.

Doch dann, in einem klaren Augenblick, erkannte er sie.

»Was tust du hier?«, fragte er müde. »Müsstest du nicht irgendwo in den ehrbaren ewigen Heeren des Imperators kämpfen und den Kreaturen des Warp so richtig den Arsch versohlen?«

Seine Liebe beugte sich zu ihm herab, zog ihn an ihre Brust und küsste ihn.

Wie ich dir, meinem Herzen, vertraut habe

In der ewigen Ruhe der Gewissheit,

so traue auch du mir, mein Herz.

Wo der Imperator ist, da ist Größe,

Wo der Imperator ist, da ist Wahrheit.

Wenn du dich fürchtest, so nimm seine Hand,

denn er führt dich in das Licht des ewigen Feuers.

Wo deine Seele rein scheint und dein Innerstes,

von Wärme erfüllt, in den Lobgesang stimmt,

da werde ich sein. Und wie ich dich gefunden,

so wirst du mich finden.

Dann werden wir erkennen, wie wir erkannt sind,

in der einzigen Wahrhaftigkeit, die es zu wissen gibt.

Er lauschte ihren Worten, fand Frieden und Ruhe in ihrer Stimme †“ und doch grauste ihm vor dem, was sie sagte. Wovor er sich fürchtete, hätte er in diesem Moment nicht sagen können. Der innere Frieden, mit dem er immer hatte abtreten wollen, übermannte diese Gedanken.

Wäre er nicht so erschöpft gewesen, er hätte ihr ins Angesicht geweint. Er hätte geheult wie ein Kleinkind, sich eingenässt und um Gnade gebettelt. Doch das konnte er bereits nicht mehr.

»Aber wie? Wie soll ich dich finden?«, flüsterte er entkräftet.

Sie lachte hell auf und stieß ihre Finger in den ehernen Körper der Chimäre. Scharfe, bellende Klänge erschütterten den Rumpf des Fahrzeugs. Tiefe, aufgerissene Löcher, die sich direkt neben dem Colonel durch die Panzerung fraßen.

Ich werde dich finden.

Dann ging sie einfach fort. Ließ ihn zurück in der Todeszone, in dem Niemandsland vor den Mauern der Himmels-Kathedrale.

Es gab nichts, das er jetzt noch hätte tun können. Ekko lehnte sich zurück, ließ seinen Kopf gegen die Panzerung sinken und scheuchte seinen Lebenswillen fort. Das hier war der richtige Ort zum Sterben. Und wenn der Imperator es so wollte, dann würde er ihn bald mit seiner Liebe vereinen.

***

Galard Ekko schlug die Augen auf. War er tot? Beißender Qualm stieg ihm in die Augen. Heißes, flammendes Fauchen umgab ihn.

Feuer! Es brannte!

Irgendeine Flüssigkeit tränkte seine Hose. Benebelt fasste er an den Stoff, betastete ihn, roch dann daran: Promethium!

Nein †“ er konnte nicht tot sein.

Alarmiert blickte er sich um. Aufragend wie ein totes Urzeitmonster lag das fackelnde Wrack der abgeschossenen Chimäre hinter ihm. Dünne Quellen einer trüben Brühe trieben schmale Rinnsale über die Panzerung des Kettenfahrzeugs. Die Tanks waren Leck geschlagen!

Na, fantastisch. Er wurde nicht sinnlos erschossen †“ er verbrannte einfach.

Ekko seufzte leise und fragte sich, ob er lachen sollte. Eben noch hatte er seiner Liebe gelauscht, wie sie von den reinigenden Feuern des Imperators sprach, allerdings nicht damit gerechnet, sie so schnell kennenlernen zu ‚dürfen†˜.

Schon eine thronverdammte Ironie.

Scharfes Heulen anfliegender Granaten riss ihn aus seinen Gedanken. Gut zehn Meter vor ihm stieg eine Säule aus Rauch und Staub in die Himmel. Die Erde bebte unter dem Krachen von Explosionen.

Nein, er war wirklich nicht tot!

Sein Lebenswille kehrte zurück. Lauf, hörte er eine Stimme in seinem Kopf. Lauf, Ekko! Der Colonel rappelte sich auf und strauchelte vorwärts. Wohin er rannte, wusste er nicht, Hauptsache weg von hier.

Über das Dröhnen der Motoren, Kreischen der Ketten und Donnern der Waffen brach ein brutales Fauchen.

Für den Bruchteil einer Sekunde sah der Colonel, wie ein glühendes Projektil in seinen Augenwinkeln entlangzischte. Im nächsten Augenblick hob ihn bereits die Wucht eines kräftigen Stoßes in die Luft. Wild rudernd versuchte der imperiale Offizier, irgendwo Halt zu finden oder seinen Flug abzubremsen. Nur leider konnte man Luft nun einmal nicht greifen.

Eine unendlich lange Zeit, so kam es ihm vor, schwebte er auf Wolken der Unendlichkeit entgegen, dann holte ihn die Realität ein. Ekko spürte die Schwerkraft an sich ziehen, prallte hart auf den Boden und rutschte noch gut zwei Meter weiter.

Der Schlag presste alle Luft aus seinen Lungen. Röchelnd versuchte er, wieder zu Atem zu kommen. Sein Mund war voller Sand.

Er schüttelte sich, bemüht seinen Kopf zu klären. Es war zwecklos. Die Welt um ihn drehte sich wild.

Das Heulen einer vorbeirasenden Chimäre drang an seine Ohren. Ein harter Luftzug streifte ihn. Sein Herz setzte aus.

Beim Thron von Terra, schoss es durch seinen Kopf. Dummheit kennt viele Gesichter †“ aber dieses dürfte selbst ihr neu sein.

Irgendwo vor ihm ertönte das charakteristische Krachen von Boltwaffen. Schreie hallten durch die nebelige Wand aus Staub.

Eine Maschinenwaffe, vermutlich orkisch, knatterte wild los. Schemenhafte Schatten wankten jenseits der dusteren Sichtbarriere umher.

Instinktiv fasste Ekko an sein Tiefziehholster, nur um festzustellen, dass die Pistole gerade herausgesprungen war.

Verwirrt kniete er sich hin und griff nach der Waffe. Sie hopste einen halben Meter nach rechts. Vollkommen überrascht packte er erneut zu, wieder machte sie einen Satz zur Seite.

»Du Miststück!«, rief der Offizier aus. »Bleib hier!«

Seinem Geist dämmerte, dass er sich hier gerade irgendetwas einbildete †“ aber sein Körper wollte davon nichts wissen.

Apathisch fasste er an sein Tiefziehholster, griff eines der Magazine und zog es aus der dafür vorgesehenen Tasche an der Front des Halfters. Er visierte an, atmete tief ein und warf. Er traf die Pistole direkt am Schlitten. Mit einem krächzenden Geräusch kippte die hüpfende Waffe um.

Ekko packte das widerspenstige Stück Technik und hielt es sich prüfend vor das Gesicht. Die Laserwaffe schien zu tanzen. Das war … bemerkenswert.

»Denk daran«, zischte der Colonel, »Ligrev würde dich dafür erschießen.«

Irgendjemand lachte ihn aus. Nervös erhob sich der Colonel, blickte sich um. Welcher thronverdammte Idiot käme an einem Ort wie diesem auf die Idee, resigniert loszulachen? Da ging ihm auf, dass er es selbst war, der lachte.

Was genau ihn so amüsierte, konnte er selbst nicht sagen. Vielleicht war es einfach nur die Tatsache, dass er dem starren Stück Metall in seiner Hand auf häretische Weise ein Eigenleben zugesprochen. So, als würde er sich mit einem der Chaosgötter unterhalten.

Und das, obwohl er wusste, dass es nur eine Wahrheit gab †“ nur eine Wahrheit geben konnte.

Der Boden erbebte. Ekko sah auf.

Das dumpfe Poltern schwerer Läuferschritte näherte sich. Kurz darauf schob sich der dunkle Schatten einer schweren Kampfmaschine durch die dunkle Staubfront auf ihn zu, zerriss den nebligen Vorhang und gab sich als Killabot zu erkennen.

Der massige Ork-Läufer stampfte auf Ekko zu, blieb direkt vor dem imperialen Offizier stehen und nahm ihn ins Visier. Für einen Moment lang schien das Fahrzeug zu überlegen, wie es mit dem Offizier verfahren sollte.

»Nehmt mich!«, rief Ekko betäubt aus und wuchtete sich langsam in die Höhe. »Nehmt mich!«

Wieder begann die Erde unter seinen Füssen zu beben.

Der Killabot hob seinen Waffenarm und wollte den anmaßenden Imperialen gerade flambieren, als ein weiterer Schatten auftauchte. Die leicht schwankende, etwas kopflastige Gangart war typisch für nur eine Klasse von Fahrzeugen im Universum: Sentinels!

Ekko wusste nicht, ob er in diesem Moment hätte lachen oder weinen sollen.

Lasergewitter flammte auf, stanzte wutentbrannt Löcher in den feindlichen Läufer. Aufhalten konnten sie ihn nicht.

Das Orkgefährt fuhr schwerfällig herum, versuchte seinen Gegner auszumachen.

Zu spät!

Der Sentinel sprang den Killabot regelrecht an. Ob es das Ziel des Piloten gewesen war oder er die Entfernung zu der feindlichen Kampfmaschine nur falsch eingeschätzt hatte, würde sie sich im Nachhinein sicherlich nicht mehr feststellen lassen.

Mit einem ohrenbetäubenden Geräusch, bei dem sich Ekkos Nackenhaare aufstellen, prallten die beiden Einheiten aufeinander. Auch, wenn der Ork-Läufer solider und kräftiger war als das imperiale Kampfgerät, so brachte ihn die Kollision dennoch ins Straucheln und ließ ihn schließlich fallen.

Der Sentinel, dessen Aufbau im Zuge des Rammangriffs so gut wie zerquetscht worden war, schaffte es in einem letzten Kraftakt, die feindliche Kampfmaschine mit seinem Laser aufzuschneiden, dann explodierten beide in einer farbenfrohen Blume der Vernichtung.

Die Druckwelle warf Ekko zu Boden, wo er für einen weiteren Moment betäubt liegen blieb. Eine heiße, orangerote Explosionswolke stieg auf.

Sein Geist schrie, schrie so verzweifelt, wie er seit langem nicht mehr geschrien hatte. »Was soll das? Ich sagte, ihr sollt mich nehmen! Nehmt mich!«

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***

Über ihm zerrissen die Staubwolken, lösten sich in die blaue Unendlichkeit des Himmels auf. Für eine Weile blieb Galardin Alberic Ekko mit der tröstenden Ansicht für sich allein. Er hörte nicht. Er fühlte nicht.

Er war fort, irgendwo in der Ferne, wo die Schrecken dieser Galaxis sich wie das entspannende Sprudeln einer warmen Therme anfühlten.

Es tat gut. Keine Schmerzen, kein Leid, keine Sehnsüchte. Nur das ferne, dumpfe Donnern göttlicher Heerscharen, die den Feind mit der Masse ihrer Leiber zermalmten.

Eine zarte, hellhäutige Hand streckte sich ihm entgegen. Die Heilige Bastet lud ihn ein, mit ihr in die Ewigkeit davonzugleiten †“ und er war bereit, das Angebot anzunehmen.

Langsam, von der inneren Ruhe des kommenden Endes beschwichtigt, streckte sich sein Geist der reichenden Hand entgegen. Er hatte sie noch nicht vollständig berührt, da gebot sie ihm zu halten. Verwirrt kam er ihrer Anweisung nach.

Die Hand reckte sich ein letztes Mal in seine Richtung, dann entschwand sie, so schnell sie konnte, in die Wolken.

Nein!, schrie Ekko im schmerzerfüllten Innern seiner Seele. Nein! Lass mich nicht hier!

Irgendetwas packte ihn und zog ihn mit sich, fort vom beruhigenden Dunkel des Endes.

Die lähmende Ohnmacht, die seinen Körper seit dem brutalen Kampf zwischen dem Killabot und dem Sentinel im Griff hielt, löste sich und floh in die trostlose Ebene der Steppe. Sein Geist klärte sich.

Wutentbrannt und panisch ob seiner Hilflosigkeit bäumte sich der Colonel auf, bemüht dem Griff seines Entführers zu entkommen.

»Ich habe gesagt: nehmt mich †“ und nicht, nehmt mich mit!«, schrie er wütend. Irgendwie schaffte er es, sich herumzudrehen und auf die Beine zu kommen. Sein Drillich schnürte ihm die Luft ab. Er röchelte. »Mich nehmt ihr nicht mit, ihr verdammten Grünhäute.«

Der Entführer ließ ihn los, überrascht von der Verteidigungsbereitschaft des imperialen Offiziers. Keuchend rutschte der Colonel von dem Angreifer weg, sog staubige Luft in seine Lungen. Die Welt um ihn drehte sich wild.

Vor seinen verschwimmenden Augen tauchten grelle Schemen auf.

Schwere, eherne Klammern packten ihn bei den Schultern. Eine kühle Brise umwehte ihn. »Colonel, ich bin es. Prioris Leitis Sile!«

Es dauerte, bis der Colonel den Namen verstanden und rekapituliert hatte, was er bedeutete.

»Leitis Sile?!« Er starrte die Schemen fassungslos an. In seinem Kopf begehrte Panik auf. Die Sororita †“ der Todesengel des Imperators †“ sie war hier. Sie würde ihn holen, gleich einer Walküre und forttragen, um ihn im Namen des Imperators zu richten. So, wie sie seine Familie gerichtet hatte, seine Frau, seinen Bruder, seine Eltern.

»Niemals«, zischte er. »Du wirst mich nicht bekommen. Meine Familie habt ihr umgebracht, meinen Bruder und meine Frau auch. Aber mich bringst du nicht um!«

Er griff nach der Pistole in seinem Tiefziehholster. Dieses Mal befand sie sich dort, wo er sie zurückgelassen hatte. Leise ratschend folgte die Waffe der Bewegung seiner Hand, als er den Verschluss des Holsters öffnete und die Pistole herauszog. Leise pfeifend baute sich der Energielevel auf.

»Colonel!«, hauchte ihn das Gift der Ordensschwester verwirrt an. »Beruhigen Sie sich! Ich bin hier, um Sie zu retten.«

»Mich zu retten?« Er versuchte, höhnisch zu lachen, aber seiner Kehle entrann nicht mehr als ein Keuchen.

Allmählich begannen sich sein Kopf und sein Blickfeld zu klären. Der dumpfe Schmerz, der seinen Geist umwölkte, zerplatzte zu einem pochenden Kopfschmerz, der sein Denken im Griff hielt und ihn zusammenzucken ließ.

»Colonel Ekko!« Wieder war es das schleichende Gift Leitis Siles, das an seine Ohren drang. Die kalten, stahlblauen Augen der Sororita musterten ihn mit ernster Sorge. Beinahe hätte er gelacht.

Das schwere Donnern von Panzermotoren ertönte. Dumpfe Schläge schnell feuernder Geschütze erfüllten die heiße Luft.

»Wir sind hier nicht sicher«, stellte Sile fest. Die Prioris reichte dem Offizier ihre Hand. »Kommen Sie, Colonel!«

Erst jetzt bemerkte Ekko, dass sie einen imperialen Flammenwerfer über der blutroten Servorüstung trug. Bemerkenswert. Hatte das Munitorum sie nicht mit einem Lasergewehr ausgerüstet gehabt?

Allerdings †“ wenn er darüber nachdachte, dann wunderte es ihn, dass sie nicht mit einer Maschinenkanone angerückt war, um … ja, um was eigentlich zu tun?

Ihn retten? Er erinnerte sich an ihre Worte, spürte den stechenden Schmerz der Erkenntnis in seinem Kopf emporkochen. Nein †“ das konnte nicht wahr sein!

Er jetzt verstand er, was die Prioris ihm gesagt hatte. Nein!, schoss es durch seinen Kopf. Nein! Nein! Nein!

Heißes Zischen ließ die Luft erzittern. Panzerketten rasselten, begleitet vom röhrenden Heulen schwerer Motoren.

Die Prioris griff den Colonel am Arm und zog ihn in die Höhe. »Kommen Sie!«, wiederholte sie, dann lief sie los. Ekko stolperte überrumpelt hinter ihr her.

Um sie herum lichtete sich der Vorhang aus Staub, ließ Blicke auf die verdorrte Oberfläche Agos Virgils zu.

Ekko sah Fahrzeugwracks, ausgebrannte Rümpfe in der schieren Unendlichkeit der leblosen Steppe. Tote lagen gleich fortgeworfenem Unrat herum, stellweise verbrannt und schwelend.

Knisternde Feuer loderten auf der sandigen Ebene. Dichter, schwarzer Rauch reichte in großen Säulen in den Himmel.

Noch immer befanden sich die Sentinels im schweren Abwehrkampf mit den angreifenden Grünhäuten. Ekko zählte drei, nein, vier. Wann hatten sie die anderen Läufer verloren?

Vereinzelte Chimären rasselten mit wild flammenden Geschützen zurück in Richtung der Kathedrale, die fast acht Kilometer hinter ihnen lag. Waren sie wirklich so weit gekommen?

Er hatte den Gedanken noch nicht vollkommen zu Ende gedacht, als Sile ihm den Arm abriss †“ auf jeden Fall fühlte es sich so an.

In einer ausladenden Bewegung warf die Sororita den imperialen Offizier nach vorn, in die Deckung einer ausqualmenden Chimäre.

Ekko schlug mit dem Kopf gegen die heiße Panzerung, zerdrückte einen häretischen Fluch zwischen den Zähnen und rieb sich den malträtierten Kopf. »Au! Geht das nicht sanfter? Ich bin wirklich nicht gut drauf heute.«

Sile kam neben ihm zum Halten. »Dienen bedeutet, Schmerzen zu erleiden und zu ertragen«, belehrte die imperiale Ordensschwester den Offizier. »Das sollten Sie doch wissen.«

»Ja, leider«, seufzte er, hob die Pistole und ließ sich gegen die die stählerne Kette des Panzerfahrzeugs sinken. »Und selbst, wenn nicht. Sie haben mich ja knallhart daran erinnert.«

Noch immer konnte er es nicht fassen. Zu Anfang war er, in dem festen Glauben an sein baldiges Ende, ausgerückt. Nur, um seine Männer heimzuholen und dabei zu sterben, damit er seine Liebe endlich wiedersah.

Und es hatte ja auch alles danach ausgesehen. Ihr Vorstoß war recht schnell flankiert worden †“ und den Panzerwracks nach zu urteilen durchaus effektiv. Sogar seinen Panzer hatten die Xenos vernichtet. Die Besatzung war verbrannt. Blut und Tod †“ das übliche Ergebnis einer Schlacht wie dieser.

Und da begann, was Ekko definitiv nicht verstand. Anstatt, dass er getroffen wurde, einen schrecklichen Tod fand und sich schließlich mit seiner Liebe vereinte, wurde er durch die Explosion vom Rumpf der Chimäre geschleudert, landete in der leblosen Steppe und ließ sich dabei auch gleich noch mit ekelhaften Kopfschmerzen segnen.

Und anstatt danach am Rumpf des Panzerfahrzeugs zur bleiben, zu verbrennen oder von einschlagenden Geschossen getötet zu werden, gelang ihm die Flucht †“ in die Arme eines Killabots, der ihn eigentlich hätte braten müssen †“ wenn nicht dieser dämliche Sentinel mit seinem Angriff auf die Orks so ungemein ‚erfolgreich†˜ gewesen wäre.

Und zu allem Überfluss war es dann auch noch Leitis Sile, die ihn danach retten musste.

Warum? Warum nur war das Universum so ungerecht? Was, beim Goldenen Thron zu Terra, sollte das?

Sile schüttelte den Kopf. »Wollen Sie mit diesen Laserlichtern den Kampf gewinnen?«

Ekko fiel aus seiner Überlegung, starrte die Sororita an. Es dauerte einige Zeit, bis ihm aufging, dass sie seine Waffe meinte.

»Was denken Sie denn?«, herrschte er zurück und schwenkte die Laserpistole in ihre Richtung »Mit diesem geraubten Feuerzeug, das gleich von Ihrer Rüstung platzt?«

»Was ist mit Ihren Panzern?«, fragte sie. Eisige Schauer griffen nach dem Colonel.

»Panzer?« Er sah sie an. Dann stand er auf, trat neben das schwelende Fahrzeug und ließ seinen Blick über die Steppe schweifen.

Die Prioris verfolgte ihn dabei verwirrt, bis sie sich auch erhob und ihm aus der Deckung folgte.

Ekko musterte die von Toten und Wracks übersäte Ebene und schürzte nachdenklich die Lippen.

»Ich sehe hier keine Panzer«, stellte er nach einer Weile mit unterdrückter Wut fest. »Und, ich weiß nicht warum, aber das ärgert mich. Ich sage das aus dem Grund, weil sie uns vielleicht geholfen hätten.«

Beide verfolgten, wie ein weiter entfernter Sentinel im vollen Lauf von einer Rakete getroffen wurde. Der Kampfläufer strauchelte, schaffte noch einige Meter, stürzte dann jedoch zu Boden und explodierte in schillernden Farben.

»Möglicherweise!«, setzte der Colonel schreiend hinterher und ballte die Fäuste.

Der cholerische Ausbruch verfehlte seine Wirkung nicht. Einige Orks, die von einem Pikk-Up abgesprungen waren, um imperiale Waffe aus einem abgeschossenen Schützenpanzer zu bergen, sahen auf und bemerkten die beiden Menschen, die sich aus der Deckung des verschmorten Berges aus Stahl begeben hatten, der noch vor kurzem ein imperialer Schützenpanzer gewesen war.

Ihr Anführer, ein massiges Wesen aus grünem Fleisch, brüllte markerschütternd auf. Andere Xenos wandten sich um, entdeckten sie ebenfalls. Lärmend gaben sie die Information weiter.

»Oh«, bemerkte Ekko. »Sie haben uns gesehen.«

»Offensichtlich«, antwortete die Prioris, zog den Colonel in die Deckung des Wracks und stellte sich schützend vor ihn.

Das war natürlich doof gelaufen. Ekko atmete tief ein. Erst jetzt registrierte er den beißenden Gestank aus verschmorten Kabeln, glühendem Stahl und schmorendem Fleisch, der über dem Umfeld des rauchenden Wracks schwebte. Übelkeit begehrte in seinem schmerzenden Schädel auf. »Herr auf dem Thron«, keuchte der Colonel.

Sile bemerkte es nicht einmal.

»Da kommen Sie«, flüsterte sie zur Information, bevor sie mitsamt ihrer Waffenlast herumschwang, als würde sie gleich zum Totentanz einladen wollen. »Für den Imperator!« Aus ihrem Mund klang es schön, aber auf unheimliche Weise eisig †“ und unendlich tödlich. Einen Augenblick später ertönte die Antwort der Angreifer.

Was genau ihm den stärkeren Schauer über den Rücken jagte, vermochte er nicht zu sagen, doch es war unmöglich, sich der Gänsehaut zu erwehren, die wie ein Feuer über seine Haut raste.

»Colonel«, rüttelte die Prioris den offensichtlich noch immer betäubten Offizier an ihrer Seite auf. Sie packte ihn an der Schulter. »Der Imperator erwartet von uns, seine Feinde zu vernichten.«

»Wenn ich es mir recht überlege: wir könnten ja auch Wasser aufbrühen und sie zu einer Tasse Tee einladen oder so etwas«, schlug der Basteter vor. »Genug Glut ist ja vorhanden. Und Wasser werden wir sicherlich auch finden … hier irgendwo … in dieser trostlosen Einöde aus Sand und Staub.«

Sile schrie auf †“ ein durchdringender Kampfschrei, bei dem sich Ekko am liebsten unter der Wanne der abgeschossenen Chimäre versteckt hätte †“ und löste das Flammrohr aus. Grässliches Fauchen herrschte für den unendlich langen Zeitraum über dem sich entfernenden Schlachtenlärm.

Erhitzte Luft spie dem Colonel ins Gesicht. Überrascht wandte er sich ab. Das grausige Zischen sich entzündender Körper drang an seine Ohren.

Wie eine Wahnsinnige schwenkte Sile die Sturmwaffe, ließ den entzündeten Brennstoff als feurige Decke auf die Angreifer niederregnen.

Grässlicher Gestank schwängerte die Ebene.

Panisches Kreischen und schmerzerfülltes Jaulen antworteten. Eine gewaltige Fackel torkelte an den Menschen vorbei, strauchelte und fiel, verbrannte bei lebendigem Leib.

»Für den Imperator!«, schrie die imperiale Ordensschwester abermals. »Möge sein reinigendes Feuer über das Universum kommen!«

Ekko zog die Stirn kraus. »Mir dröhnt der Schädel. Ich habe echt keine Nerven dafür!«, brummte er missmutig.

Die Erde unter seinen Füßen erzitterte. Schwüler, stinkender Atem grunzte dem Colonel in den Nacken. Er fuhr herum.

Ein riesiger, hässlicher Ork stand direkt hinter ihm, zwei wuchtige Nahkampfwaffen zum Angriff erhoben. Das schwitzende, übelriechende Ungetüm starrte den Menschen aus seinen Glotzaugen blöd an, dann brüllte es markerschütternd.

Ekko knirschte mit den Zähnen und kniff schmerzerfüllt die Augen zusammen. Er riss die Pistole in die Höhe und feuerte dem Xenos ein Drittel des Magazins blind in das Maul. Die Grünhaut grunzte vor Schmerzen auf, als sich die heißen Laserstrahlen durch seinen Rachen bohrten und hinten aus seinem muskulösen Hals wieder austraten. Der riesige Ork wimmerte noch ein letztes Mal, kippte vorn über und fiel mit einem donnernden Geräusch zu Boden.

»Ich hab gesagt, hier wird nicht geschrien!«, fuhr Ekko das tote Wesen an.

Die letzten Zuckungen der orkischen Muskeln hatten noch nicht vollkommen aufgehört, da stampfte bereits der nächste Gegner auf Ekko zu, Bolter und Axt wild schwingend.

»Das ist ja hier wie bei einer Priesterschau auf Bastet«, murmelte der Colonel und zog den Abzug erneut durch. »Wenn einer fällt, rückt der Nächste nach.«

Die Laserpistole zischte kohärentes Licht ins Gesicht des Angreifers. Dröhnend prallte das grüne Monster gegen die ausgebrannte Chimäre.

Ekko blieb keine Gelegenheit zum Luftholen. Schon im nächsten Augenblick warf sich ein kleines Wesen auf ihn, umklammerte seinen Kopf und versuchte, sich in seiner Haut zu verbeißen. Die Bewegung kam so unerwartet, dass dem Offizier keine Möglichkeit zu einer ordentlichen Abwehr blieb. Mehr als blind nach dem Xeno zu schlagen konnte er nicht.

In einer Mischung aus Panik und Wut warf sich der Colonel nach vorn, rammte seinen Kopf wieder und wieder gegen das Wrack. Explosionsartige Schmerzen platzten in seinen Schädel.

Die um ihn geklammerte Kreatur zischte und quiekte, kreischte vor Schmerz und ließ ihn los.

Mit einer kräftigen Bewegung packte Ekko den Angreifer, schleuderte ihn über die Schulter zu Boden, zielte und durchlöcherte den Kopf des Xenos mit der Laserpistole.

Grausiges Fauchen erfüllte die Luft hinter ihnen. Siles Flammenwerfer spie loderndes Inferno über die angreifenden Orks, verbrannte ihre Körper im ultraheißen Strahl aus entzündetem Promethium.

Wieder brüllten brennende Angreifer, umhüllt von den knisternden Flammen reinigenden Feuers.

Der Flammenwerfer hustete.

»Kein Promethium mehr«, rief die Sororita knapp, bevor sie einem fast zwei Meter hohen Xeno das Flammrohr mit der schieren Kraft ihrer Rüstung in den Schädel trieb.

Auch Ekkos Waffe war entladen. Mit einer schnellen Bewegung seines Daumens klippte er das Magazin aus der Waffe, griff an sein Beinholster und zog ein neues Magazin daraus hervor.

Unterdessen hatte sich ein weiterer Ork auf Sile gestürzt, war von ihr abgewehrt und gegen die Heckpanzerung des Schützenpanzers geschmettert worden. Knackend brachen Genick und Schädelknochen des Angreifers. Grünes Orkblut spritzte.

Ekko konnte nicht anders, als die mechanisch vervielfachte Kraft der Servorüstung zu bewundern. Für einen Moment lang beobachtete er Leitis Sile dabei, wie sie den riesigen Xeno ohne eine Spur von Erregung, Angst oder Bedauern tötete. Das Nachladen vergaß er dabei vollkommen.

Doch dieser Zeitraum reichte bereits. Ein weiteres Wesen, ein Squig, sprang über den toten Rumpf des Schützenpanzers, ignorierte die tödlich um sich schlagende Menschenfrau und stürzte sich auf den imperialen Colonel.

Ekko, noch immer mit dem Nachladen seiner Waffe beschäftigt, entdeckte den angreifenden Xeno erst im letzten Moment. Mehr als seinen Arm in einer Abwehrreaktion hochzureißen fiel ihm nicht mehr ein.

Doch statt des Aufpralls der zähnefletschenden außerirdischen Kreatur spürte er nur einen kurzen Luftzug, ein scharfes Röcheln der Überraschung.

Vorsichtig richtete er sich auf.

Sile hatte das kleine Wesen ziersicher aus der Luft gegriffen und herumgeschwungen. Nun zerquetschte sie seinen hässlichen Kopf mit ihrer gepanzerten Hand. Orkblut platzte aus dem zermalmten Haupt wie Saft aus einer berstenden Wassermelone.

Die Sororita warf den toten Körper achtlos fort.

Bei der Vorstellung, was Ayle mit ihren Händen bei ihren gemeinsamen Nächten angestellt hatte und dem Wissen, wozu die Sororita ihre Hände zuvor vermutlich noch so verwendet hatte, lief es Ekko kalt den Rücken herunter. Mit einem Mal fühlte sich ein persönliches Körperteil von ihm sehr, sehr krank an.

Er wandte sich auf der Suche nach weiteren Gegnern um, fand aber keine. Alle Angreifer waren tot.

Siles gepanzerter Stiefel zerdrückte gerade den Schädelknochen eines noch zuckenden Xeno, bis dieser mit dem hässlichen Knacken einer brechenden Eischale nachgab. Den Flammenwerfer hatte sie ausgemustert.

»Und nun?«, brummte der Colonel. »Laufen wir zurück?«

Sile wollte etwas erwidern, doch sie kam nicht mehr dazu. Dumpfes, metallenes Stampfen umrundete die ausrauchende Chimäre.

Die Prioris, Ekko zugewandt, weitete die Augen.

Knirschend, mit den schweren, grässlichen Geräuschen schlecht gewarteter Maschinen, verstummte das Stampfen hinter dem Colonel.

Ekko seufzte. »Ich vermute … er steht hinter mir, oder?«

Sile nickte vorsichtig, die stahlblauen Augen unverwandt auf den Angreifer gerichtet.

»Na, fantastisch«, zischte der Basteter. »Und Sie haben nichts, mit dem sie ihn aufhalten können?«

Die Schwester schüttelte den Kopf. Das Gold ihrer Haare funkelte in der hoch stehenden Sonne.

Ekko wollte etwas sagen, doch ihm fiel nichts ein. Diese Ironie, dachte er. Diese unglaubliche Ironie. Der Gott-Imperator hasst mich wirklich.

Resigniert wandte er sich um, nahm den Angreifer in Augenschein. Ein mächtiger Killabot ragte vor ihm in die Höhe.

Schicksalsergeben seufzte der Colonel. »Thron von Terra. Noch so einer von der Sorte.«

Der ekelhaft aussehende Ork-Läufer drehte torkelnd auf die beiden Menschen ein, hob seine Waffen und bereitete sich vor, die verhassten Humanoiden zu vernichten. Wieder einmal nahte das Ende.

»Da muss irgendwo ein Nest sein«, sinnierte Ekko.

Siles Hand legte sich auf seine Schulter. Mit sanfter Gewalt, die er ihr niemals zugetraut hätte, zog sie ihn hinter den Schutz ihrer Servorüstung. Ihr Duft streifte ihn. Es war ein lieblicher, jungfräulicher Duft, wie er ihn auch von seiner Liebe kannte und er konnte nicht anders als daran zu denken, wie er sich in ihren blonden Haaren verloren und an ihrer Brust in den Schlaf gefunden hatte.

Sile hingegen … Natürlich würde ihn die Panzerung der Sororita vor den schrecklichen Waffen des monströsen Ork-Läufers nicht retten können, soviel war klar, dennoch †“ aus einem unerfindlichen Grund fühlte er sich sicher. Und er konnte nicht einmal erklären, weshalb er in diesem Augenblick kein Unglück spürte.

»Ich werde bei dir sein, Galard Ekko«, versprach die Schwester, das Haupt fest in Richtung des Orkgefährts gerichtet. »So wahr der Imperator mein Zeuge ist, ich verspüre keine Angst.«

Göttliches Licht umstrahlte ihre aufrechte Gestalt.

Der Killabot explodierte in den Farben einer feurigen Blume.

Die Detonation warf Sile und Ekko zu Boden. Plötzlich fühlte der Colonel, dass ihn die Sororita nicht mehr länger festhielt. Trotz seiner Kopfschmerzen rappelte er sich auf und versuchte auszumachen, was den feindlichen Läufer vernichtet hatte. Ein gleißender Lichtstrahl war aus den Tiefen der Steppe gelodert †“ er kam von keinem der Sentinels.

Direkt vor ihnen, inmitten der wütenden Orks, waren plötzlich zwei flache, tödliche Kettenfahrzeuge aufgetaucht und preschten mit wippender Aufhängung durch die feindlichen Linien.

Grünhäute, die nicht mehr rechtzeitig ausweichen konnten, wurden niedergewalzt und von den mehrere Tonnen schweren Gefährten in den Boden gemahlen.

Ein weiterer Laserstrahl zuckte aus dem vorderen Gefährt und traf einen vorbeitorkelnden Killabot. Der Ork-Läufer zerbarst in der Mitte und versprengte Kleinteile auf das Schlachtfeld.

Über die Explosion gellte lediglich Ekkos irres Lachen: »Jetzt sehe ich Panzer!«

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Salve, Flati

Danke :-D Ich schreibe da, neben meinen anderen Nicht-Warhammer-Projekten, schon ne ewig lange Zeit dran. Es freut mich immer, wenn jemandem meine Geschichten gefallen ;-D

Wanns das nächste Update gibt, weiß ich noch nicht. aber voraussichtlich wird es noch dieses Jahr kommen.

Man wird sehen!

Alles Vale

SMN

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Nach der Begeisterung für das letzte Kapitel war es wirklich nicht schwer für mich, das nächste Kapitel zu schreiben. Da meine Prüfungen und damit auch der Stress nachgelassen haben, habe ich mich bemüht, so schnell wie möglich und effektiv zu schreiben. Ich hoffe, es gefällt!

Vielen Dank an Nakago, der noch mal drübergelesen hat ^^

Viel Spaß beim Lesen ^^

22

Das dumpfe, klirrende Rumpeln nahender Panzerketten versetzte die Umgebung in Aufruhr. Dass zwei schwere imperiale Kampfmaschinen aufgetaucht waren, denen keines der in dieser Schlacht eingesetzten Orkgefährte auch nur annähernd ebenbürtig war, brachte die Schlachtordnung der Xenos †“ insofern man bei riesigen, grünen Bestien von Schlachtordnung sprechen wollte †“ vollkommen durcheinander.

Überrascht sprang die Besatzung eines Pikk-Ups ab und floh in wilder Panik. Zwei Killabots, welche die anrückenden Jagdpanzer attackieren wollten, krachten zusammen und gerieten ins Straucheln.

Eine Panzerjägerrakete löste sich, flog in wilden Kapriolen umher und schlug schließlich in das Gefährt ein, das die Rückstoßwaffe abgefeuert hatte.

In einer kräftigen Detonation zerplatzte der Läufer. Rotoranges Feuer stieg in den wolkenlosen blauen Himmel auf.

Als Ekko zurück zur Himmels-Kathedrale blickte, deren unverwüstliche Form markant in die unendliche Weite hinaufreichte, konnte er sich bereits die Gesichter von Carrick, Balgor und den anderen Offizieren vorstellen, welche die Schlacht gebannt verfolgten. Vermutlich erkannten sie gerade mit Schrecken, dass sowohl Ekko als auch die Sororita, die sie zu seiner Rettung ausgeschickt hatten, nicht mit den überlebenden Chimären zurückgekommen waren.

Bei diesem Gedanken machte er sich eine geistige Notiz, noch ein ernstes Gespräch mit Carrick wegen einer gewissen Adepta Sororita zu führen.

Die beiden Panzerfahrzeuge waren inzwischen ein ganzes Stück näher gerückt. Ihre schmalen Ketten fraßen sich durch die vom Kampf aufgewühlte Erde der Steppe, warfen Staub und Steine in die Luft.

Es waren Modelle des Leman Russ-Musters, flache und tödliche Körper, denen man den Kopf abgeschlagen hatte.

Stattdessen diente ein mächtiges Lasergeschütz, links der Längsachse gelegen, als Hauptwaffe des Kettenfahrzeugs.

Destroyer, schoss es Ekko durch den Kopf. Destroyer-Jagdpanzer.

Neben dem aufragenden Rumpf eines Executioner-Plasma-Panzer war das wohl die schönste Aussicht, die er in diesem Augenblick hätte sehen wollen.

Die unaufhaltsame Lawine aus Stahl schob sich durch die Ebene, rasselte näher und rollte schließlich nahe der abgeschossenen Chimäre aus.

Mit einem kräftigen Ruck kam der schwere Jagdpanzer neben Sile und Ekko zum Halten.

Die Luke des Kommandanten schwang auf. Es dauerte einen Moment, dann lugte ein imperialer Captain daraus hervor, eine Laserpistole zum Zielen eng an den Körper gepresst. Der Mann entdeckte die beiden Menschen, musterte sie kurz, drehte sich dann um seine eigene Achse und suchte die Umgebung nach möglichen Angreifern ab. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass niemand ihn und sein Kommando bedrohte, wandte sich wieder an Ekko und Sile.

»Colonel, Schwester«, begrüßte er die beiden Verlorenen mit dunkler, ruhiger Stimme. »Schön, dass wir noch Überlebende gefunden haben. Wir dachten schon, es wäre zu spät.«

»Oh, wenn Sie Überlebende suchen †“ da finden Sie noch ein paar mehr in der Hütte da hinten«, erwiderte der Basteter.

Der Panzerkommandant folgte der Geste, besah sich die riesige Kathedrale, die weit über die Ödnis aufragte. Es dauerte einige Sekunden, bevor der Imperiale die Worte des ranghöheren Offiziers verstand. Seine Augen weiteten sich. »Das …«, brachte er fassungslos hervor. »Ich habe das für einen Kalkfelsen gehalten, Sir.«

»Tja †“ im Grunde … ist er das auch.« Ekko lächelte und zuckte ahnungsvoll die Schultern.

»Und Sie sind?«, fragte Sile mit ernster Stimme. Ihr gepanzerter Körper diente noch immer als Schutzschild für den Colonel, dessen Leben zu retten sie in den letzten Minuten bemüht gewesen war.

»Captain Jaorah Nurin, Schwester«, rief der Captain über das Rumpeln des Motors hinweg. »35. Desposia-Panzerregiment.«

Für einen Moment lang fühlte sich Ekko verloren. Was interessierte die Mörderschwester, welchen imperialen Offizier sie vor sich hatte?

Natürlich, sie würde nun keine Unvorsichtigkeit begehen, nur weil ein vermeintlich imperialer Offizier aus dem gepanzerten Luk eines Destroyers mit ihnen sprach. Zudem †“ der Mann verbarg sich doch recht gut gegen die Blicke anderer.

Lediglich der Rumpf des Offiziers ragte bis zur Brust aus dem stählernen Körper des Jagdpanzers hinaus.

»Na, Sie fühlen Sie aber nicht gerade sicher, oder?«, rief der Colonel zu dem Offizier, der noch immer die Laserpistole in der Hand hielt.

Der Jagdpanzerkommandant war kurzzeitig verwirrt, dann allerdings fing er sich. »Nein, Colonel. Ich bin nur nicht größer.«

Ekko war noch dabei, sich eine passende Erwiderung zu überlegen, als der Captain wie von einer Tau-Drohne attackiert herumfuhr. Er presste die Kopfhörer, die locker über seinem Kopf hingen, gegen seine Ohren und lauschte der Meldung, dann wandte er sich abermals um. »Herr auf dem Thron«, brachte er hervor.

Sie folgten seinem Blick.

Schnell vorstürmende Läufer und Pikk-Ups näherten sich ihrer Position, wilde Staubfahnen hinter sich herziehend. Bei dem Anblick rutschte ihm das Herz in die Hose.

»Soll ich Sie mitnehmen?«, erkundigte sich der Kommandant, ob der neuen Gefahr kurz angebunden.

Eigentlich war der Colonel versucht, die Einladung dankend abzulehnen, doch ihm blieb nicht einmal die Möglichkeit zu einer Reaktion.

Eine ungeheure Kraft packte ihn und drückte ihn in die Höhe. Mit dem Geräusch eines platzenden Mehlsacks landete er auf dem Fahrzeugheck. Der heiße Motor röhrte unter ihm.

Metall knirschte, als Leitis Sile sich über die Gleiskette am Heck des Destroyers hochzog. Die Sororita beeilte sich, ebenfalls auf das Kampfgefährt zu gelangen und presste den Basteter dann mit dem Gewicht ihrer Servorüstung fest gegen die Panzerung.

»Niemals so eine schwere Frau erlebt«, röchelte er.

»Sind alle an Bord?«, rief der Kommandant.

Ekko nickte, so schwer es ihm unter dem Gewicht der sich festhaltenden Schwester gelang.

Es reichte aber, damit der andere Offizier es erkennen konnte.

»Vorwärts!«, bellte der Kommandant ins Mikrofon seines Kopfhörers.

Der Panzer machte einen heftigen Satz und preschte los.

Mit einiger Mühe verdrehte der Colonel sich den Kopf und sah den zweiten Jagdpanzer neben ihnen auftauchen.

Das Gefährt walzte mit wippender Aufhängung verdorrtes Gras und morsche Äste nieder, als es zu ihnen aufschloss.

Wo hatte sich der Destroyer die ganze Zeit über befunden? Er konnte sich nicht erinnern, den Panzerjäger während seines Gesprächs mit Nurin gesehen zu haben. Als wäre er in Luft aufgelöst gewesen. Vermutlich kam der Funkspruch über die nahenden Feinde von ihm.

Trostlose Ödnis wanderte ihre Flanke entlang, strafte die Welt mit den harten Kontrasten zwischen toter Steppe und dem blauem Himmel, erinnerte einmal mehr an das Schicksal dieser Welt.

Der Regimentskommandeur ballte die Fäuste. Dieses Schicksal hätte sein Schicksal sein sollen. Es hätte!

Sie hatte es ihm versprochen! Aber nein, nein! Wieder hatten der Imperator, das Universum und die Schwesternschaft der Sororitas sich verschworen, um sein Leben in Unglück und Verzweiflung zu stürzen!

Siles Atem strich warm über seine Haut, ihr Haar wischte über sein Gesicht. Dieses Gefühl hatte er vermisst, seitdem er es vor vielen Jahren zum letzten Mal erlebt hatte.

Allerdings … jetzt, in dieser Situation, mit dieser Frau auf den erhitzten Panzerplatten über dem Motor eines Destroyers liegend vor einem aus wilden, grünhäutigen Bestien bestehenden Feind zu fliehen, das gehörte zu den Dingen, die er nicht als besonders romantisch oder erotisch empfand.

Der Basteter schloss die Augen, atmete tief durch und zwang sich, seine Gedanken zurück in klare Bahnen zu lenken. An der Situation konnte er nichts ändern. Auf jeden Fall im Moment nicht.

Der Panzer machte einen Satz. Ekko schlug mit dem Kopf gegen das Lüftungsgitter des Motors.

Sterne explodierten vor seinen Augenlidern. Schmerzerfüllt verzog er das Gesicht.

»Schneller!«, hörte er Nurin schreien. »Wir müssen noch viel schneller!«

Das Triebwerk des Panzers heulte protestierend auf.

Schneller? Noch schneller?!

Der charakteristische Donnerknall sich schlagartig ausdehnender Luft dröhnte über die Ebene. Eine heftige Explosion folgte. Ein Volltreffer.

»Nach rechts!«, rief der Panzerkommandant.

Der Jagdpanzer ruckte und schwang wild nach links.

Für einige Sekunden kam die Himmels-Kathedrale in Sicht. Sie war bereits ein ganzes Stück näher gerückt und füllte das Sichtfeld des Colonels nun fast vollständig aus.

Die mächtige, unüberwindliche Mauer, die sich kilometerweit aus der tristen Steppe erhob, beruhigte den Colonel ungemein … hätte es da nicht ein winziges Detail gegeben, das Schmetterlinge in seinem Bauch aufscheuchte: Die Tore waren verschlossen.

Beim Barte des Propheten! Das konnte doch nicht wahr sein!

Der zweite Jagdpanzer rauschte an ihrer Seite entlang, schwarze Qualmwolken aus seinen Abgasrohren speiend. Urplötzlich schwenkte das schwere Gefährt herum und stoppte unvermittelt.

Soweit er konnte, verrenkte sich der Basteter unter Siles Rüstung Kopf und Augäpfel, um zu sehen, was dann geschah.

Ein gleißender Lichtstrahl, begleitet vom satten Schlag sich jäh ausdehnender Luft, schoss in Richtung der verfolgenden Orks. Explosionsdonner rollte über die Ebene.

Dann nahm der Jagdpanzer wieder Fahrt auf und verschwand nach hinten aus dem Sichtfeld.

Eine Reihe Granateinschläge in ihrer Nähe verschluckte die ersten Momente von Ekkos nächstem Ausbruch hysterischer Freude. »Das nenn†˜ ich ein Laserlicht!«

Sie passierten das Wrack eines abgeschossenen Sentinels. Eines der Beine war durch schwere Treffer abgerissen und fortgewirbelt worden, was die gesamte Maschine zerstört hatte. Bei der Erinnerung daran, dass er beim letzten Mal nur noch vier von neun Sentinels gezählt hatte, richtete sich der Colonel alarmiert auf und versuchte, sich umzuwenden. Wie viele Läufer mochten sie wohl verloren haben? Maryan †“ thronverdammt!

Er versuchte, einen Blick hinter den Destroyer zu werfen, aber eine unüberwindliche Kraft zwang ihn, sich zurück auf die erhitzte Oberfläche des Kühlgitters zu ducken.

Zähneknirschend wandte der Regimentskommandeur den Kopf … und blickte direkt in Leitis Siles Gesicht.

»Colonel«, hauchte ihn die Sororita an. Ihr Blick hatte etwas Sonderbares †“ etwas, das ihn an ein paarungsbereites Eichhörnchen denken ließ. Der feuchte Schimmer in ihren Augen war nicht zu übersehen.

»Prioris«, erwiderte er vorsichtig. Das war nicht gut. Er würde sich jetzt sicherlich nicht von ihr anhimmeln lassen. Nicht von so einer Mörderschwester.

»Colonel, Sie sind ein wahrer …«

Der Destroyer machte einen scharfen Satz. Sile brach ab.

Vor ihnen bellte der Panzerkommandant scharfe Befehle, fuchtelte aufgeregt mit seiner Waffe.

Wildes Brüllen mischte sich unter die Motorengeräusche des Panzerjägers.

Sile und Ekko wandten sich gleichermaßen um. Ein Pikk-Up raste an der Flanke des Destroyers entlang. Lärmende, grünhäutige Bestien hatten sich an der Seite des Fahrzeugs versammelt, bereit zum Sturm auf den imperialen Panzer.

»Keine Sorge, die wollen nur spielen«, murmelte Ekko. »Sprechen Sie ruhig weiter. Ich höre Ihnen gerne zu.«

Ein neuer Stoß erschütterte den Panzerjäger. Sile erhob sich, ließ ihr Gewicht von ihm fallen. Dass sie ihn dabei nicht einmal beachtete, ärgerte ihn irgendwie.

Mit Siles Gewicht verlor der Colonel auch den Halt. Schwerelosigkeit griff nach ihm. Im letzten Moment schaffte er es, seine Finger in dem wuchtigen Lüftungsgitter des Motors zu verankern und sich mit Mühe und Not auf dem wild bockenden Destroyer zu halten.

Nur einen Augenblick später prallte er mit aller Wucht zurück auf die Panzerung des Fahrzeugs. Luft explodierte aus seinen Lungen, in seinem Kopf kochten Schmerzen auf.

»Verdammter Mist!«, stöhnte er und wandte sich um. Sile war fort!

Ekkos Herz schlug in wildem Entsetzen. Die Sororita war doch nicht vom Panzer gefallen?! Thronverdammt, wo war sie?

Auch, wenn er die Schwestern fürchtete und sie hasste wie sonst nichts im Universum, so war sie doch wegen ihm hier draußen. Und dass eine Schwester starb, weil sie ihn rettete, das hätte er sich nie vergeben können. Vor allem nicht, weil er sich jeden Tag daran erinnern würde.

Das Triebwerk des Destroyers heulte auf, das Fahrzeug glitt nach rechts, so als würde es über eine Eisfläche rutschen. Die traurigen, verbrannten Überreste einer abgeschossenen Chimäre rauschten links an ihnen vorbei nach achtern.

Nurin in der Kommandantenluke wurde heftig umhergeworfen. »Verdammt!«, rief er aus. »Ves! Nicht so hart! Wenn uns die Kette abspringt, dann sind wir verloren!«

Ein neuer Mündungsknall schallte in die Trostlosigkeit der Steppe. Der Panzerkommandant drehte sich um. Er warf einen kurzen Blick zu Ekko, wirkte für einen Moment irritiert, da Sile verschwunden war, dann wurde seine Aufmerksam bereits von einer neuen Meldung in seinen Kopfhörern eingenommen.

Eine heftige Explosion platzte aus dem Nichts, sprang unter den Rumpf des Destroyers und ließ das Fahrzeug einen Satz machen. Schwarzer Qualm hustete schwer zwischen den Laufrollen und unter dem Heck des Jagdpanzers hervor. Die Turbine des Fahrzeugs heulte protestierend. Nurin, vom Schlag der Detonation betäubt, rutschte in das Innere des Panzerjägers zurück.

Einen Moment lang glaubte Ekko wirklich, der Destroyer sei getroffen worden und würde im nächsten Augenblick in Flammen aufgehen.

Erinnerungen an seine Fahrt mit der Chimäre kochten hoch. Insgeheim bereitete er sich darauf vor, im nächsten Moment von einer Stichflamme geröstet, einer Detonation in die Luft gesprengt oder vom Panzer geschleudert und zerquetscht zu werden.

Wäre es nach ihm gegangen, er hätte Möglichkeit drei gewählt. Es wäre nur gerecht gewesen.

Doch wieder einmal betrogen ihn der Gott-Imperator und das Universum um seine Wahl.

Mit kreischendem Triebwerk, quietschenden Ketten und dem bedrohlichen Knirschen von Metall fand der Destroyer seine Spur wieder.

Der Fahrer beschleunigte sein dröhnendes Gefährt und setzte über eine Unebenheit hinweg.

Ekko blieb nichts anderes übrig, als sich fest an das Lüftungsgitter zu krallen und weiter nach Sile Ausschau zu halten.

Seine Ohren brannten von dem Lärm, der von überall auf ihn eintrommelte.

Langsam, zögerlich und schwankend tauchte der Jagdpanzerkommandant in einer Wolke aus Qualm aus seinem Luk auf. Er schüttelte sich, hustete verkrampft in den Rauch und fing dann an, mit kratziger Stimme Befehle in sein Mikrofon zu brüllen.

Der zweite Destroyer röhrte an ihrer Flanke entlang, stoppte und fuhr herum. Ein heißes Rauschen drang an Ekkos Gehör, dann blies das Hauptgeschütz gleißendes Licht in die Steppe. Der scharfe Knall schnell expandierender Luft schepperte in den sonnigen Himmel.

»Alles in Ordnung?!«, rief der Colonel zu Nurin hinüber.

»Alles in Ordnung«, bellte dieser zurück. »Nur ein wenig luftig um die Füße.« Er machte eine horizontale Bewegung mit der Hand. »Irgendetwas ist unter der Wanne explodiert.«

Ekko verzog das Gesicht und wandte sich ab. »Ach, wirklich«, murmelte er resigniert. Ob er ohne Nurins helfende Bemerkung auf diesen Gedanken gekommen wäre?

In derselben Sekunde entdeckte er Leitis Sile. Das Herz rutschte ihm in den Unterleib.

»Sie hat doch nicht …«, brachte er fassungslos hervor.

Doch, sie hatte.

Sile hing an der Seite des Pikk-Ups, eine Hand ihrer ehernen Rüstung in den schlecht geschweißten Stahl der Seitenpanzerung gekrallt.

Mit der anderen zog sie gerade einen wild gestikulierenden Boy von der offenen Ladefläche des Transporters.

Fassungslos verfolgte Ekko, wie der kräftige Xeno vollkommen erschüttert und mit einem entsetzten »Warrrgh« über die Brüstung des Truppenraums segelte, unter den Pikk-Up fiel und einen Herzschlag später plattgewalzt wurde.

Siles goldenes Haar flatterte wild im Wind, als sie sich mit einem kräftigen Stoß über die Brüstung katapultierte und im gleichen Atemzug einen weiteren Ork aus dem Truppenraum trat.

Eine Panzerjägerrakete donnerte heran.

»Nach links!«, schrie Nurin, die Augen auf den nahenden Flugkörper gerichtet.

Der Panzer zögerte eine Sekunde, dann brach er nach links aus. Mit einem Geräusch der Überraschung verlor Ekko den Halt unter seinem Körper, rutschte über das Lüftungsgitter.

Er glaubte bereits, sich im nächsten Moment wild segelnd in der Luft wiederzufinden, als ein scharfer Ruck durch seinen Körper schoss. Sein Hände verkrampften sich erneut um das Gitter, verhinderten seinen Fall auf das fast einen halben Meter tiefer liegende, glühend heiße Steuerbordabgasrohr oder seinen Sturz von Bord. Schmerz explodierte um seine verspannten Arme, trieb ihm die Tränen in die Augen.

Sile verlor er aus dem Blickfeld. Aber wenn er sich daran erinnerte, wie heftig die Schwester bisher in seinem Leben gewütet hatte, dann war es kein Problem, sich vorzustellen, wie die Orks von ihr überrannt wurden.

Die Rakete verfehlte den Zerstörer um einige Meter, schlug in die leblose Ödnis. Detonationsdonner rollte über die Ebene.

»Richtschütze: neues Ziel! Auf fünf Uhr, Entfernung circa fünfhundert, feindlicher Transporter †“ Feuer frei!«, bellte Nurins Stimme bitter gegen den Sturm des Panzertriebwerks, den heißen Wind, der das Fahrzeug umstrich. »Festhalten«, fügte er, an Ekko gewandt, hinzu.

Der Destroyer jaulte, verschluckte sich und schwang herum. Die Bewegung kam so unerwartet, dass Ekko erneut wegrutschte. »Beim Barte des Propheten«, presste er angestrengt hervor.

Im Bruchteil einer Sekunde kam das Fahrzeug zum Halten. Zwei Herzschläge vergingen.

»Feuer«, hörte er Nurin sagen. Es klang nicht wie ein Befehl.

Der Jagdpanzer atmete tief ein, ein scharfes, heulendes Seufzen des Motors, dann donnerte das Echo plötzlich erhitzter Luft über die Ebene. Das Fahrzeug erschütterte †“ weniger aufgrund des Geschützrückschlags (warum das so war, wusste Ekko nicht), als vielmehr aufgrund der Druckwelle, die sich um das Fahrzeug herum ausbreitete. In seine Gehörgänge platzte der Schmerz eines mächtigen Überdrucks. Erschrocken presste er die Hände auf die Ohren. Ein entsetzter Schrei befreite sich aus seinem Körper.

Staub wirbelte auf, hüllte den Panzerjäger ein und bahnte sich ihren Weg durch Ekkos Uniform. Kratzender Sand setzte sich auf seiner Haut fest. Sein Kopf fühlte sich an, als sei er von einer Sororita durch den Panzerhandschuh in ihre Servorüstung gezogen worden. Die plötzliche Erinnerung an eine von Balgors Metaphern mit einer vollbusigen Schwester schob sich in seine Gedanken.

Unter ihm beschleunigte das imperiale Kampffahrzeug, schwenkte herum und nahm wieder Kurs auf die Himmels-Kathedrale.

Für eine Weile gestattete es sich Ekko, die beruhigende Sicht auf die gewaltige Makrokathedrale zu genießen, während er den Schmerz aus seinen Gehörgängen weichen ließ.

Wäre es nach ihm gegangen, er hätte sich im Anblick des Bollwerks verloren, ihre schlanken Türme und die aufragende Felsnadel ihres Zentrums bewundert, die Stärke und Ausstrahlung ihres Körpers bestaunt.

Wäre es nach ihm gegangen, er hätte sich zurückgelehnt, das Gaspedal durchgetreten und wäre mit dem Panzer voll in die Außenmauer des Bauwerks gerammt.

Aber natürlich scherten sich der Imperator und das Universum einen Ork um das, was Galard Ekko sich wünschte, was er begehrte und was ihm das Liebste war.

Sie hatten es oft genug bewiesen.

Unverständliche Warnlaute des Panzerkommandanten drangen an sein Ohr, rissen ihn aus seinen Gedanken und zwangen ihn, sich auf die nahende Gefahr zu konzentrieren.

Zu spät! In dem Moment, als Ekko aufsah, konnte er nur noch ungefähr ausmachen, was da aus der Einöde der Steppe herangeschossen kam.

Der Pikk-Up raste auf den Destroyer zu, rammte das Kettenfahrzeug und schrammte an dessen Seite entlang. Funken sprühten, als die beiden Fahrzeuge ihre Kräfte maßen. Tote Orks hingen zerfetzt über dem Rand des Truppenraums, starrten den Colonel aus den grausigen Überresten ihrer Gesichter an. Sile hatte ganze Arbeit geleistet.

Die verlorene Schrottkarre der Xenos drehte nach rechts ab, raste in gerader Linie davon. Nur einen Augenblick später kollidierte sie mit dem neben ihnen entlangdonnernden Destroyer.

Das Ork-Gefährt platzte regelrecht von der Frontpanzerung des imperialen Kampffahrzeugs, wirbelte durch die Luft und prallte schließlich auf die Erde, nur um wenige Sekunden später von den Gleisketten des Jagdpanzers zerrissen zu werden.

Sile landete neben Ekko auf der Heckpanzerung, als sei sie gerade aus dem Himmel gefallen. Die Schwester war über und über mit grünlichem Orkblut bespritzt. In ihrem hübschen Gesicht fanden sich Schnitte und Prellungen und ihr goldenes Haar war von Striemen roten und grünen Blutes verklebt.

Der bereits rötlich verfärbte Waffenrock um die Hüften ihrer Servorüstung hatte ebenfalls eine ordentliche Menge Blut aufgesogen.

»Herr auf dem Thron, wie sehen Sie denn aus?!«, rief der imperiale Colonel der Schwester zu, die nicht einmal außer Atem zu sein schien. Einen Tonfall der Zerknirschung in seine Stimme zu legen, fiel ihm dabei nicht einmal schwer.

Sile bedachte ihn mit einem überlegenen Blick aus ihren stahlblauen Augen, dann blies sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Schon Sebastian Thor schrieb: Wer wahren Dienst am Imperator erfüllt, ist nicht in feines Tuch gehüllt.«

Der Destroyer heulte zustimmend, setzte über eine Unebenheit hinweg und schüttelte sich (vermutlich vor Lachen über den dummen Gesichtsausdruck eines bestimmten imperialen Colonels). Der Fahrer reduzierte die Leistung.

»Na«, brummte der Basteter mit einem Blick auf den verschlossenen Eingang zur Himmels-Kathedrale gedankenverloren, »Wenigstens er kann darüber lachen.«

Die Prioris sah sich verwirrt und ob des Frevels erregt um. »Häretiker?!«

»Nein«, seufzte der Colonel und ließ seinen Kopf in ehrlicher Verzweiflung auf das Gitter sinken. »Ein Panzer. Vergessen Sie es einfach.«

Den finsteren Blick der Prioris ignorierte er einfach.

Sie passierten die ersten der bereits geräumten Schützenlöcher. Es war Ekko weder aufgefallen, dass seine Leute die Vorposten geräumt hatten, noch dass der Destroyer bereits so weit gekommen war.

Jetzt allerdings zwang sich ihm die schiere Größe des unbezwingbaren Bollwerks der Ekklesiarchie zurück ins Gedächtnis. Als er aufsah, konnte er Waffen und Köpfe sehen, die über die steil aufsteigende Außenmauer der Kathedralenstadt reichten.

Vor ihnen geriet die Welt in Bewegung.

Die mächtigen Tore der Außenmauer schoben sich langsam, unter dem Knirschen schwer beanspruchter Motoren, auf. Sand platzte aus der mahlenden Maschinerie, die sich gleich einem gewaltigen Maul langsam öffnete, um die beiden nahenden Fahrzeuge zu verschlingen.

Ekko riskierte einen Blick hinter sich, sah dort allerdings nur den zweiten Destroyer anrollen. Hatten sie wirklich alle feindlichen Fahrzeuge vernichtet?

Einen genaueren Blick erhaschen konnte er jedoch nicht mehr, denn die maschinell verstärkte Kraft Siles presste ihn nur kurz darauf zurück auf das eherne Gitter.

Der Jagdpanzer rasselte zwischen den mächtigen Torbögen hindurch, zwischen denen sein Echo gleich einem Sturm aus Lärm über die Passagiere hinweg fegte. Direkt hinter dem mächtigen Eingang befahl Nurin einen Schwenk nach rechts. Mit dem Geräusch eines sterbenden Raubtiers rollte der Destroyer langsam aus.

Erst, nachdem das Kettenfahrzeug zum Halten gekommen war, ließ Sile den imperialen Colonel los. Dieses Mal jedoch blieb Ekko liegen und gab sich für eine Weile dem Kopfschmerz hin.

***

So still, wie Schlacht vor der Himmels-Kathedrale begonnen hatte, endete sie auch.

Bis auf das Grummeln der laufenden Panzermotoren war kein Laut zu hören, als Enforcer eins und zwo innerhalb der mächtigen Außenmauern des imperialen Bollwerks zum Halten kamen.

Es dauerte nicht lange, da begann sich eine Traube um die beiden Panzerfahrzeuge zu bilden. Soldaten, Sanitäter und Munitorumsangestellte strömten herbei, näherten sich ehrfurchtsvoll den mächtigen Kampfmaschinen, die wie Geister aus dem Ödland der Steppe materialisiert waren. Gleich den himmlischen Schlachtrössern, auf denen der Imperator, die Heilige Bastet an seiner Seite, zu ihnen herniederritt und sie in den Kampf gegen die Xeno-Bestien führte.

Die Schrecken der furiosen Schlacht vor der Toren der Makrokathedrale waren für eine Weile vergessen, als die Menschen ergriffen ihre Hände reckten, die stählernen Ungetüme zu berühren versuchten.

Knirschend und quietschend schoben sich die Einstiegsluken der Fahrzeuge auf, entließen die Besatzungen aus dem glühenden Inneren der stählernen Rümpfe.

Jaorah Nurin hob die Kopfhörer von seinen Ohren und ließ sie auf die dafür vorgesehene Halterung im Kampfraum fallen. Danach löste er das Kehlkopfmikrofon von seinem Hals und hängte es ebenfalls auf.

Gerade eben hatte er den Befehl gegeben, Enforcer eins zu räumen und das Fahrzeug nach den anstrengenden Stunden, die sie im Innern verbracht hatten, zu entlüften.

Dass es in der schweißtreibenden Hitze des Tages unmöglich war, dem Panzerjäger Kühle zuzuführen, wusste er. Aber mehr als es versuchen konnte er nicht. Und die Besatzung befand sich nun seit vier oder fünf Tagen bereits ununterbrochen im Fahrzeug.

Er hatte von Panzerbesatzungen gehört, die lange genug im Gefecht gewesen waren, damit sie mit ihren Geschützwagen verschmolzen und zu einem untrennbaren Teil von ihnen wurden. Das wollte er seinen Männern wirklich nicht zumuten. Vor allem wollte er es sich nicht selbst zumuten.

Er sah, wie Ves und Redek aus dem Innern des Destroyers krochen, vollkommen steif von der unbequemen Position, in der sie mehrere Tage lang verharrt hatten.

Doch kaum waren die beiden Mitglieder seiner Mannschaft dem rollenden Sarg entkommen, da wurden sie bereits von dutzenden Händen begrüßt, die sich ihnen entgegenstreckten, sie willkommen hießen. Dankesgebete und Litaneien erhoben sich als ein Chor hunderter Stimmen, priesen die Heiligen des Imperators, die gekommen waren, um sie alle zu retten.

Enforcer zwo erlebte eine ähnlich euphorische Begrüßung. Rand und seine Männer schafften es nicht einmal, aus dem Destroyer auszusteigen. Tatsächlich hob die begeisterte Menge die Imperialen regelrecht aus den Zugängen ihres Fahrzeugs.

Nurin atmete tief durch, dann schwang er sich selbst aus dem Kommandantenluk ins Freie und begann seinen Abstieg über den Rumpf des Destroyers.

Ähnlich wie die meisten Leman Russ-Baumuster besaßen auch Enforcer eins und zwo keine Trittleitern, über welche die Besatzung an den Flanken des Gefährts herabsteigen konnte †“ und aus einer Höhe von etwa dreieinhalb Metern zu springen gehörte wohl zu den dümmsten Dingen, die sich Jaorah Nurin vorstellen konnte. Er hatte es einmal probiert, während seiner Anfangszeit in der Panzerarmee von Desposia. An den dreiwöchigen Lazarettaufenthalt und die anschließende disziplinare Würdigung, die er für seinen ‚außerordentlichen Beweis immenser Befähigung†™ erhalten hatte, dachte er ungern zurück.

Und wenn er eine Sache daraus gelernt hatte, dann zumindest, dass man nie unüberlegt von einem hohen Objekt springen sollte. Man konnte nie wissen, welche Beschaffenheit der Boden besaß.

Also blieb ihm eigentlich nur der Weg über die heckwärts abfallende Gleiskette, um vom Rumpf des Panzers auf den Boden zu gelangen.

Die meisten Panzerbesatzungen misstrauten dieser Art des ‚Ausbootens†˜, da die Panzerketten in ihrer Breite nicht einmal einen Meter maßen, man aufgrund des Kettenprofils nicht wirklich guten Halt darauf fand und zudem auch noch sehr exponiert gegenüber Angriffen war.

Im Grunde teilte Nurin die Meinung seiner Kameraden, in diesem Falle allerdings stellte der Weg die beste Alternative zu der Kletterpartie im Destroyer dar, die er im Falle eines Ausstiegs durch die Seitenluken hätte vollführen müssen.

Und sich geschwind durch den überhitzten Kampfraum des Panzers zu wringen, seinen Körper zu verbiegen und dann noch auszusteigen, das hätte er in seinem Zustand höchstwahrscheinlich schon nicht mehr hinbekommen.

Mit vorsichtigen Schritten, unter den Einschränkungen seines verkrampften Leibes, begann er den langsamen Abstieg über die steile, vom Sand angekratzte Gleiskette. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, die er von den erwartungsvollen Blicken der Anwesenden verfolgt wurde.

Kaum hatte er die Greifhöhe der Menschenmasse erreicht, ging es plötzlich ganz schnell. Eine nicht näher bestimmbare Kraft zog ihn von den Füßen, stieß ihn von der unsicheren Treppe der Gleiskette.

Nurin konnte nur noch mit den Armen rudern, so sehr überraschte ihn der Angriff.

Er glaubte, gleich mit dem Kopf oder dem Körper auf den Boden zu prallen und er wusste, dass er dagegen nichts würde ausrichten können. Dafür war er im Augenblick einfach zu langsam.

Der Gedanke hatte sich noch nicht vollständig in seinen Hirnwindungen ausgebreitet, als er auf ein weiches Meer aus Händen fiel. Eine Woge menschlicher Energie trug ihn in Windeseile vom beruhigenden Schutz Enforcer eins†˜ fort.

Dieser Empfang … dieser großartige Empfang nach den schrecklichen Tagen brutaler Schlacht. Diese Verehrung, als wenn sie ihn für einen göttlichen Krieger hielten, gesandt vom Imperator, um ihnen zu helfen.

Er empfand … er konnte nicht sagen, was er empfand.

Hände griffen nach ihm, versuchten, ihn zu berühren. Er spürte feste Griffe, Schulterklopfen, irgendwer drückte ihn.

Es war fantastisch.

Doch so sehr ihn die Anbetung auch überwältigte, in seinem Hinterkopf focht eine leise, hilflose Stimme gegen Verzweiflung, die sich zielsicher ihren Weg durch seinGedächtnis bahnte.

Er erinnerte sich an die schrecklichen Sekunden der Erkenntnis, als Enforcer drei vor seinen Augen mächtige Flammen in das Dunkel der Nacht spie, ganze Teile der schweren Panzerung des Leman Russ fortwirbelten und der gewaltige Plasma-Panzer langsam ausrollte.

An die Momente, in denen er begriff, dass die Besatzung seines dritten Kampffahrzeugs verloren war und er sich darauf konzentrieren musste, seine beiden verbliebenen Einheiten aus der Todeszone zu schaffen.

An die Augenblicke, in denen die Entscheidungsschlacht verloren ging und die gesamte Armee General Iglianus†˜ eingeschlossen wurde.

Er erinnerte sich an die Panik, das heillose Chaos, als die Orks die Flanken des 41. Borodian durchstießen und sich urplötzlich im Rücken der imperialen Streitmacht befanden.

Er roch noch immer den Angstschweiß der Männer, die die beiden Panzer durch den feindlichen Mob navigiert hatten, um der brutalen Kesselschlacht zu entrinnen.

Und er fühlte nach wie vor die Belastung der vier Tage, die er unentwegt in seinem Kommandositz in der brütenden Hitze des stählernen Sargs verbracht hatte, eingepfercht in die wenigen Zentimeter Spielraum, die ihm neben der glühend heißen Batterie des Lasergeschützes, dem dröhnenden Motor und den vielen Kontrollen des Fahrzeugs noch blieben.

Ein sanfter Ruck ging durch die Menschenmenge. Plötzlich fand Nurin wieder festen Boden unter seinen Füßen.

Seine Beine zitterten und Adrenalin schoss durch seinen Körper, dennoch schaffte es der Panzerkommandant, stehenzubleiben und zu seinen übermannten Panzersoldaten zu blicken.

Sie waren umringt von Männern des Munitorums, Zivilisten eines Armeetrosses und Infanteristen.

Der Captain zog die Augenbrauen zusammen. Die Infanteristen …

Unauffällige Steppentarnkampfuniformen, olivfarbene Armaplast-Rüstungen … wo hatte er diese auf unbekannte Weise vertraute Kombination schon einmal gesehen?

Nurin dachte angestrengt nach, doch durch die Strapazen der Kesselschlacht waren alle seine Gedankengänge gelöscht, zumindest jedoch so fokussiert worden, dass er sich nicht daran erinnern konnte.

Eher unauffällig warf er einen Blick auf das Schultersiegel des ihm nächsten Bodenkämpfers †“ eine stilisierte Heilige, welche die Arme erwartend in den Himmel streckte †“ und versuchte zu lesen, was ihn bereits die ganze Zeit über beschäftigte.

Die Regimentszahl selbst konnte er nicht erkennen, den Namen nach einiger Mühe schon.

Sela?Seha?Sera … Sera!

In diesem Augenblick fiel ihm der komplette Name des Regiments wieder ein: 512. Sera von Bastet!

Adrenalin kochte in ihm hoch, brachte ihn zurück auf den Alarmstatus, den er seit nunmehr fünf Tagen aufrechterhielt. Er ballte die Fäuste.

Verdammt! Verdammt! Thronverdammt!, fiel es ihm wieder ein. Seine letzte Begegnung mit den Steppentarnuniformen war gewesen, als das Regiment vom Rest der vorrückenden Armee getrennt wurde, um eine †“ eben diese †“ Basis aufzubauen und in Betrieb zu nehmen.

Und im gleichen Augenblick sprang ihm auch der Name des Regimentskommandeurs zurück ins Gedächtnis

»Galard Ekko, 512. Regiment Sera von Bastet III.«

Genau †“ der Name lautete … Ekko. Dieser Mistkerl!

»Jaorah Nurin, Jagdpanzerschwadron 154, 35. Desposia-Panzerregiment«, antwortete er dem Offizier und legte die Hand zum Salut an die Stirn. Man salutierte dem Rang, nicht dem Mann.

Nur musterte den Colonel, dessen verdreckte Steppentarnuniform etwas fehl an seinem Körper zu sitzen schien. Ekko war nicht sonderlich groß, von normaler Statur und wirkte verwirrt. Auf jeden Fall erweckte er diesen Eindruck auf Nurin. Seine Haare standen ihm zerzaust vom Kopf ab, die braunen Augen wirkten abwesend, starrten irgendwo in eine ferne Leere.

Das also war Colonel Ekko, der Irre, dessen Regiment diese ganze Katastrophe erst initiiert hatte. Sein Aussehen entsprach Nurins Vorstellung.

Es hatte bis kurz vor die entscheidende Schlacht gebraucht, bevor er schließlich hinter die gesamte Dramatik dieses imperialen Vormarsches gekommen war. Bis er endlich Galard Ekko als Urheber des Schreckens identifizieren konnte. Er hatte sich ein Bild von Ekko gemacht, ein umfassendes Bild, was im Grunde gar nicht seiner Philosophie als Jagdpanzerkommandant entsprach, da er Ekko nicht persönlich kannte. Er hatte sich intensiv damit beschäftigt, was er mit Ekko tun würde, wenn er den Grauen des Krieges entkam.

Und nun stand er hier, eingeschlossen in dieses gewaltige imperiale Bollwerk †“ und seine einzige Möglichkeit zu Überleben … stellte eben jener Colonel dar, den er vor wenigen Tagen noch hatte richten wollen.

Doch nicht nur das. Er hatte den Mann und seine Sororita auch noch gerettet! Direkt aus der leblosen Steppe dieser toten Welt.

Der Imperator besaß schon einen eigenartigen Humor.

Hätte Jaorah Nurin diese Informationen früher besessen, seine Entscheidung bezüglich Galard Ekko wäre anders ausgefallen.

Er hätte nicht gebremst und angehalten. Er hätte sich nicht in die Gefahr begeben, die Luke zu öffnen, auszusteigen und sich für den Feind zu exponieren.

Er hätte die beiden Menschen nicht gerettet und sie aufgefordert, sich an Bord seines Destroyers festzukrallen, um sie so schnell wie möglich aus dem Schussfeld zu bringen.

Nein, er hätte Ves befohlen, Gas zu geben, zu beschleunigen und die Mistsäue einfach zu überrollen.

Aber dafür war es jetzt zu spät. Nun stand er hier, inmitten der gewaltigen Feste dieses ekklesiarchischen Palastes, zusammen mit hunderten anderen Menschen, die vermutlich alle unter dem Kommando von Colonel Ekko standen.

Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als der unbestreitbaren Ironie der Situation ins Auge zu blicken und sie zu akzeptieren.

Schließlich musste man Ekko auch zugestehen, dass sein Irrsinn gerade den letzten Strohhalm für die Überlebenden des Massakers an Iglianus Armee bedeutete.

Er entschied, am besten gar nicht über den Colonel und dessen Taten nachzudenken.

»Verdammt gute Arbeit, die Sie da draußen geleistet haben«, riss ihn der Basteter aus seinen Gedanken. »Also, ganz ehrlich †“ wenn Sie jetzt noch einen Plasma-Russ mitgebracht hätten, dann wären Sie mein Held des Tages geworden.«

»Tut mir leid«, erwiderte der Jagdpanzerkommandant gezwungen ruhig. Noch so eine Sache, über die er im Augenblick nicht wirklich nachdenken wollte. »Enforcer 3 ist durch einen Direkttreffer ausgeschaltet worden.«

»Tja«, seufzte Ekko enttäuscht. »Man kann nun einmal nicht alles haben.«

Das stimmt, fügte Jaorah Nurin in Gedanken an.

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Salve,

so, hier das neue Stargazer-Kapitel. Ich danke wieder Nakago, der noch einmal drübergelesen hat.

Ich danke auch allen, die mir ein "Danke" hinterlassen haben. Denn das zeigt mir auch, dass noch jemand liest und auch gut findet, was ich schreibe, auch wenn er keinen Kommentar hinterlässt.

Viel Spaß beim Lesen!

Alles Vale

SMN

23

Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis die Offiziere und Vorgesetzten unter dem Jubel des Augenblicks und der Lobpreisung imperialer Großartigkeit endlich wieder zu einem kleinen Stückchen Professionalität fanden und begannen, ihre Leute beschwingt, aber bestimmt, zu ordnen.

Allmählich löste sich die Versammlung auf, was Ekko die Möglichkeit gab, sich aus der Menge der Anwesenden zu quälen.

Seine Kopfschmerzen hatten inzwischen Besitz von seinem Körper ergriffen, was vermutlich aber auch daher rührte, dass er sich seit letzter Nacht ohne Unterlass im Stress befand. Wie dem auch war, er konnte nicht behaupten, dass er sich nicht über die Verschnaufpause freute †“ selbst wenn ihm diese wieder ungeahnte Möglichkeiten zum Nachdenken bot.

Im Schnelldurchlauf rekapitulierte sein Gedächtnis die Schlacht vor den Toren der Himmelskathedrale, seine Rettung durch Leitis Sile und schließlich das Auftauchen von Jaorah Nurin und seinen Jagdpanzern.

Nurin hatte Eindruck bei Ekko hinterlassen. Der Jagdpanzerkommandant war ein eher kleiner, muskulöser Mann, den sich der Colonel tatsächlich als eine miniaturisierte Form eines Space Marines vorstellen konnte. Ihn in der Rüstung eines Kasrkin †“ und der Effekt ähnelte vermutlich dem eines Cyclops-Sprengstoffträgers neben einem wild um sich feuernden Leman Russ-Kampfpanzer.

Der Gedanke war sicherlich eine nähere Überlegung wert. Er hatte einmal gehört, dass Bodentruppen des Planeten Valhalla Hunde als laufende Panzerminen einsetzten. Vielleicht konnte man so etwas in der Art auch mit winzigen Space Marines …

»Colonel«, riss ihn eine wohlklingende Stimme mit vorwurfsvollem Unterton aus seinen Gedanken. Er erkannte sie sofort als die Major Carricks, wandte sich aber erst um, als er den Atem seines Stellvertreters beinahe im Nacken spürte.

»Major Carrick, schön, dass Sie auch hergefunden haben. Hallo Balgor«, begrüßte er den Captain, der Carrick begleitete.

»Colonel«, erwiderte der Offizier mit unverhältnismäßig scharfer Stimme.

Ekko tat so, als habe er den Einwurf nicht gehört, vor allem, weil er noch immer irgendwo zwischen den höchsten Höhen des Himmels und tiefsten Tiefen der Hölle schwebte, sich beschwingt und verletzt zugleich fühlte und am liebsten seinen Kopf gegen den eines anderen getauscht hätte.

»Bitte geben Sie mir einen Moment Ruhe«, verlangte er. »Ich bin verwirrt, gestresst und genervt.«

»Das gilt nicht«, erwiderte Balgor. »Das sind Sie immer.«

Entnervt gab Ekko nach. »Also gut«, seufzte er und rieb sich über die Stirn. »Punkt für Sie, Captain. Im Augenblick fehlt mir allerdings so ein bisschen der Überblick. Was ist denn passiert?«

»Das fragen Sie, Sir?«, platzte es aus Balgor hervor, bevor Carrick überhaupt die Möglichkeit zu einer Erwiderung erhielt. »Sie haben mit ihrem Entsatzangriff die halbe Ebene in Brand gesteckt. Das sieht aus, als wenn die Heilige ein paar Freiern mit ihrem Feuerschwert den Arsch versohlt hätte.«

»Tut denen sicherlich auch mal ganz gut«, entgegnete der dunkelhaarige Colonel. »Aber das meine ich nicht. Ich will wissen, wie der Entsatz verlaufen ist. Also, Major, berichten Sie«, wandte er sich an Carrick.

Der hochgewachsene Basteter zuckte die Schultern und strich sich durch sein blondes Haar. »Wir sind noch dabei, die Überlebenden zu zählen. Derzeit sieht es aber nach einem Missverhältnis aus, Sir.«

»Ein Missverhältnis?« Ekko runzelte die Stirn, versuchte seinen Kopf zu klären. Vielleicht würde es ihm helfen, wenn er sich bei Calgrow Schmerzmittel besorgte.

Er bedeutete den Offizieren, ihm zu folgen, während er die Ebene hinter dem Haupttor des ersten Rings verließ.

»Erklären Sie das genauer.«

Carrick holte tief Luft, um sich Zeit zu geben, seine nächsten Worte mit Bedacht zu wählen, dann begann er zu berichten. »Unsere Truppen konnten insgesamt dreiundachtzig Überlebende retten, dazu drei Panzerfahrzeuge vom Typ Chimäre und ein Lastkraftfahrzeug.«

»Klingt nicht schlecht«, merkte der Regimentskommandeur an.

Balgor winkte einen jungen, hochgeschossenen Offizier herbei, den Ekko im ersten Moment für schlaksig hielt.

Erst, als sich der Mann vor ihm aufbaute, konnte er erkennen, dass der Mann, ein Cadianer, wohldefinierte Muskeln sein eigenen nannte, die sich sichtbar unter seiner zerschlissenen Kampfuniform abzeichneten.

Das Gesicht des Offiziers wies Schnittwunden und Blessuren auf, erinnerte auf eine etwas unangenehme Weise an seine letzte Begegnung mit Leitis Sile.

»Lieutenant Gess Valeen, Sir«, meldete sich der Lieutenant und salutierte. Tränen brannten in seinen Augen. »Zweite Kompanie, 41. Cadianisches Infanterieregiment. Lob sei dem Imperator. Ich bin verdammt froh, dass er uns zu Ihnen geführt hat.«

Ekko nickte. »Das ist in Ordnung, Junge. Dafür sind wir hier. Sie brauchen nicht zu weinen. Sparen Sie Ihr Wasser.«

Der Offizier nickte, sammelte sich kurz und erstattete dann Meldung: »Sir, ich melde mich und vierundsechzig Überlebende des 41. cadianischen Infanterieregiments zum Dienst, Außerdem sind uns fünfzehn Überlebende des 78. cadianischen Artillerieregiments angeschlossen und drei Überlebende des 34. Borodian-Regiments. Mit Ihrer Erlaubnis übergebe ich Ihnen die Kampfkraft dieser Truppen zur Verteidigung dieser Stätte.«

»Ja«, erwiderte Ekko nachlässig. »Dankend angenommen. Carrick, implementieren Sie die Truppen als neue Kompanie unter dem Kommando von Lieutenant …«

»Valeen, Sir.«

»… Lieutenant Valeen in die Regimentsorganisation.«

Carrick nickte. »Verstanden, Colonel. Unter welchem Namen soll ich die Truppen führen?«

Ekko starrte ihn eine Weile verständnislos an. Die Kopfschmerzen nahmen wieder überhand. »Mann, Carrick, Sie fragen manchmal Sachen«, brummte er und ließ sich gegen die metallene Stütze eines Sperrigels sinken.

Er atmete tief ein, rieb sich über die Stirn und ließ dann seine Hand deprimiert auf sein Bein prallen. »Was weiß ich … 1. Fremdenlegion meinetwegen.«

»1. Fremdenlegion?« Carrick schien der Vorschlag nicht zu überzeugen. »Sir, eine Legion ist eine Armee, so steht es im Strategiehandbuch der Imperialen Armee.«

»Kann sein«, entgegnete der Basteter erschöpft. »Ich bin erst auf Seite fünfunddreißig. Hatte in letzter Zeit nicht viele Möglichkeiten, zum Lesen.« Er stand auf. »Also hören Sie mir zu, Carrick: es ist mir total gleichgültig, wie Sie die Herren ins Regiment einfügen. Nur tun Sie es. Und wenn Sie beim großen Gott-Imperator anfragen, ob er sie mit seinem Rechenschieber beim Zusammenstellen der Trupps unterstützt.«

»Verstanden, Sir«, bestätigte der Major angefressen, machte sich einige Notizen.

Der Regimentskommandeur winkte Valeen heran. »Sagen Sie, Lieutenant. Haben irgendwelche Offiziere überlebt?«

Der Cadianer überlegte kurz. »Außer mir, soweit ich weiß, niemand, Sir.«

»Was ist mit Derend?«, fragte Ekko und ignorierte den anklagenden Blick, den Balgor auf ihn richtete.

»Derend, Sir?«

»Major Derend vom 512. Sera. Etwas älter als Sie, aber etwas kleiner. Haselnussbraune Haare. Hat einen Großteil meiner schweren Waffen mit Ihnen ins Feld geführt.«

»Nein Sir, ein Major Derend ist mir nicht bekannt.« Valeen überlegte einen Moment, dann nahm er Haltung an. »Wir haben allerdings Kommissar-General De Mar retten können.«

Del Mar?! In dem Moment, als der Name des höchsten Kommissars und zugleich Iglianus rechter Hand auf dieser Welt fiel, riss Ekko die Augen auf. Für einen Moment versteckten sich sogar seine Kopfschmerzen vor dem Grauen, das dieser Name in ihm auslöste. »Del Mar?«, brachte er hervor.

»Wir haben ihn gerettet«, wiederholte der Cadianer nicht ohne einen gewissen Stolz.

Ekko ließ ein Stöhnen erklingen. »So ein Scheiß. Hätten Sie den nicht liegen lassen können?«

»Wie meinen?«, wollte Valeen wissen.

Der Colonel seufzte. »Schon gut. Vergessen Sie es einfach. Sie sprachen von einem Missverhältnis, Major?«, fuhr er an Carrick gewandt fort. »Was bedeutet das?«

»Unsere Verluste, Sir«, erklärte der stellvertretende Regimentskommandeur. »Wir haben alle neun Sentinels verloren und elf Chimären. Sämtliche Crews mussten als Totalverlust abgeschrieben werden. Sechs Chimären haben schwere Schäden erlitten und sind nur noch bedingt einsatzfähig. Weitere acht Besatzungsmitglieder wurden getötet.

Insgesamt fallen uns so fünfzehn Chimären und neun Sentinels aus. Zudem ist Major Maryan umgekommen. Diese Verluste stehen in keinem Verhältnis zu dem, was die Unternehmung eingebracht hat.«

»Das klingt ja fast, als wenn Sie den Tod des Majors bedauern, Carrick«, erwiderte Ekko in seinem Anflug bitterer Ironie. Das resignierte Lachen über den Umstand, dass er mehr Leute verloren als gerettet hatte, wollte sich einfach nicht einstellen.

Beim Goldenen Thron von Terra †“ Maryan, dachte er. Das letzte Gespräch mit dem Sentinel-Führer kam ihm in den Sinn. Die Entschlossenheit des imperialen Offiziers, als Ekko ihm die Möglichkeiten eröffnete.

Er dachte an die Ruhe in der Stimme des Majors, als er seiner Einheit kurz darauf den Angriff auf die Grünhäute befahl.

Und das Bild des brennenden Sentinels, den der Destroyer während seiner wilden Flucht passiert hatte, fiel ihm wieder ein.

Als er sich daran erinnerte, schoss ihm unwillkürlich die Frage durch den Kopf, ob es sich dabei vielleicht um Maryans Sentinel gehandelt hatte. Es wäre ihm in der Hitze der Schlacht höchstwahrscheinlich nicht aufgefallen †“ wohl auch nicht, wenn er stehengeblieben wäre und nachgesehen hätte †“ aber ihn beschlich das unbestimmte Gefühl, dass er dem abgeschossenen Läufer seines Untergebenen begegnet war.

»Thronverdammt«, zischte er, bevor er sich daran erinnerte, das Lieutenant Valeen noch bei ihnen stand. »Vielen Dank, Lieutenant. Gehen Sie erst einmal zurück zu Ihren Männern. Major Carrick wird sich darum sorgen, dass Sie integriert und versorgt werden.«

»Jawohl, Sir«, bestätigte Valeen, nahm Haltung an und zog sich zurück, nachdem er dem Colonel salutiert hatte.

Als der Lieutenant die drei Offiziere verlassen hatte, seufzte Ekko. »Beim Barte des Propheten, was für eine Scheiße.«

»Colonel«, ermahnte ihn Carrick, »wir müssen uns überlegen, wie wir weiter vorgehen. Wir haben eine ganze Menge Feuerkraft in einer sinnlosen Aktion verbrannt. Damit sind die Truppen dem Feind regelrecht ausgeliefert.«

»Erzählen Sie mir nichts von sinnlosen Aktionen, Major«, brummte Ekko gereizt. »Wir haben Leben gerettet.«

»Aber damit unser aller Todesurteil unterschrieben, Colonel!« Der Major schüttelte verständnislos den Kopf. »Sir, was sollen wir jetzt machen? Wir haben fast alle unsere schweren Waffen eingebüßt.«

»Wir haben neue«, wandte der Regimentskommandeur ein.

Sein Stellvertreter war schier fassungslos. »Sir, das sind nur zwei Jagdpanzer!«

»Eines von den Scheißteilen ist fünfzehn Chimären wert«, grummelte der dunkelhaarige Basteter.

»Zwanzig, Chef«, warf Balgor ein. »Wenn alle sitzen. Nach zwanzig Schuss ist die Batterie leer und muss neu aufgeladen werden.«

»Aber es sind nicht unsere Leute!«, schoss der Major zurück, nachdem er den Captain an seiner Seite mit bösen Blicken gemaßregelt hatte.

Ekko richtete sich abrupt auf. »Es sind Soldaten! Es sind unsere Leute!«, fuhr er Carrick an. Sein Hirn explodierte regelrecht. Er wandte sich schmerzerfüllt ab. »Gott-Imperator auf dem Thron! Mein Schädel bringt mich um!«

Er stieß einen Zischlaut aus, hielt sich für einen Moment den schmerzenden Kopf, dann atmete er gepresst aus. »Wir reden hier nicht von einem Schweißgerät oder einer Taschenlampe, Major. Das sind Destroyer. Wenn meine Laserpistole eine Mami hätte †“ und die Mami hätte eine Mami - und die Mami hätte eine Urahnin †“ und die Urahnin hätte eine Heilige angebetet … dann wäre diese Heilige in Form eines Destroyers erschienen. Und -«, fuhr er an Balgor gewandt fort, »- es ist ja nicht so, als wenn die Panzerjäger Nahkämpfer sind. Die schießen nicht nur zweiundsiebzig Zoll weit, Balgor. Wir reden hier von bis zu fünf Kilometern Gefechtsentfernung. Bis die leergeschossen sind, haben die die ganze feindliche Armee im Alleingang vernichtet.«

»Nicht mit nur zwanzig Schuss, Chef.«

Ekko überging Balgors Bemerkung. »Wo wir schon bei weiblichen Zerstörern sind †“ was war denn das für eine Aktion mit Sile?«

Carrick und der Captain sahen sich an. »Was für eine Aktion?«, erkundigte sich der gutaussehende Major.

»Sie wissen genau, was ich meine«, grummelte ihr Vorgesetzter missmutig. »Wie konnten Sie mir die Schwester in einer Such- und Rettungsaktion hinterherschicken?«

»Aber, Sir!« Carrick riss die Augen auf. »Keiner von uns hat Sile den Auftrag gegeben, Sie zu suchen und zu retten. Die Schwester war von Ihrem Vorstoß so ergriffen, dass sie Ihnen in die Schlacht gefolgt ist.«

Fassungslos fuhr sich der imperiale Colonel mit seinen Händen durchs Gesicht. »Ich fasse das nicht. Da zieht sie los, um mich zu retten … hätten Sie sie nicht aufhalten können?«

»Ich erinnere mich da an eine Szene im Lazarett. Doktor Calgrows Höschen dürften davon noch immer recht feucht sein, Chef«, wies Balgor seinen Vorgesetzten auf eine bestimmte Situation vor einigen Tagen hin, während Carrick vollkommen fassungslos daneben stand.

Verstehend und nachgiebig nickte der Basteter ihm gegenüber. »Meine Unterbekleidung hat bei dem Vorfall auch leichte Schäden hinnehmen müssen. Danke für die Erinnerung.«

»Immer wieder gerne, Chef.«

Carrick, der die Situation nicht so humoristisch nahm wie Balgor, knirschte deutlich hörbar mit den Zähnen. »Es tut mir wirklich leid, dass niemand von uns schnell genug war, um Leitis Sile von ihrem Vorhaben abzuhalten.«

Einen Augenblick lang überlegte Ekko mit strengem Blick, dann plötzlich schoss sein Finger auf den Offizier, dessen Gesichtszüge im selben Augenblick jeden Glanz verloren. »Fühlen Sie sich schlecht, Major! Fühlen Sie sich jetzt richtig schlecht!«

Unruhiges Schweigen ergriff das Wort. Weder der Regimentskommandeur, noch sein Stellvertreter wagten es, sich die Blöße des nächsten Wortes zu geben. Sie starrten einander lediglich finster an. Balgor sah von einem Offizier zum anderen und suchte fieberhaft nach einer Lösung, mit der er die angespannte Situation hätte entschärfen können. Ihm fiel allerdings keine ein.

Es war schließlich Carrick, der nachgab. »Entschuldigen Sie mich kurz«, empfahl er sich, machte kehrt und marschierte schnellen Schrittes zu einem in der Nähe befindlichen Salamander-Kommandopanzer.

»Hm«, überlegte Ekko, während er seinem Untergebenen nachsah. »Damit fällt eine Bestrafung wohl flach.«

»Keine Bestrafung?«, erkundigte sich Balgor, den Blick weiterhin auf den Major gerichtet.

»Nein, noch nicht.«

»Sie lassen nach, Chef.«

»Ich weiß.«

»Warum ärgert es Sie, dass die Männer Sile nicht aufgehalten haben, als sie sich in die Schlacht warf?«

Ekko seufzte. »Es ärgert mich nicht, dass die Männer Sile nicht aufhalten konnten. Meinetwegen soll sich diese Sororita von einer Walküre mitten ins Orklager absetzen lassen. Was mich ärgert ist die Tatsache, dass sie mich danach gerettet hat.«

»Sie erinnert Sie an sie, richtig?«

»Bitte?«

»Leitis Sile. Sie erinnert Sie an Kortessa, oder?«

Der Colonel schüttelte den Kopf. »Nein. Sie erinnert mich an Ayle.«

Balgor, bestürzt ob des Geständnisses, schüttelte den Kopf. »Was ist da draußen geschehen?«

»Fragen Sie nicht, Balgor. Wenn ich es Ihnen erzähle, dann hängen wir beide über dem nächsten verfügbaren Speikübel. Sie wegen der Details … und ich wegen der Erinnerung daran.«

Balgor verstand. Der Sieg in diesem Duell fiel an Ekko.

Den Rest der Zeit schwiegen sie und verfolgten, wie Carrick im offenen Kommandoraum des Salamanders mit einer anderen Funkstelle über die Anweisungen sprach, die Ekko ihm gegeben hatte.

Der Colonel nahm sich die Zeit, seine Erlebnisse der letzten Stunden zu rekapitulieren, erneut zu verarbeiten und festzustellen, dass ihm die ganze Situation so dermaßen absurd erschien, dass er sich allein bei dem Gedanken daran idiotisch vorkam.

Schließlich beendete Carrick sein Funkgespräch und kehrte zurück zu den beiden anderen Offizieren.

»Sagen Sie«, brummte der sein Vorgesetzter, inzwischen etwas heruntergefahren. »Wo sind eigentlich die Space Marines?«

»Jagen gerade Orks, die versucht haben, die Kathedrale zu umgehen. Schlussendlich konnte ich sie doch nicht mehr aufhalten.«

»Sie haben versucht, Space Marines aufzuhalten?« Ekko hob anerkennend die Augenbrauen. »Carrick, Sie werden ja plötzlich richtig waghalsig.«

Der Major wollte etwas erwidern, zögerte jedoch. »Ich habe nur ausgeführt, was Sie mir befohlen haben, Sir.«

»Habe ich das? Schande über mich. Es hätte jemand zu Schaden kommen können.«

»Wie geht es nun weiter?«, warf Balgor ein, um der wieder erstarkenden Spannung zwischen den beiden Bastetern vorzeitig den Wind aus den Segeln zu nehmen. »Ich meine, nachdem nun unsere Schwachstellen offengelegt sind, sollten wir uns überlegen, wie wir weiter vorgehen. Immerhin ist unser Verteidigungskonzept geschwächt. Wir sollten †“ wir müssen †“ es neu überdenken.«

Ekko nickte zustimmend. »In Ordnung. Stellen Sie mir eine aktuelle Lagezusammenfassung fertig und beordern Sie die Offiziere in †“«, er sah auf sein Chronometer »†“ in vier Stunden in die Kommandozentrale. Das schließt unsere Neuzugänge ein.«

»Verstanden«, bestätigte sein Stellvertreter.

Mit einem kurzen Kopfnicken wechselte der Colonel das Thema. »Wie sieht es mit den Verteidigungsanlagen und Fallen aus?«

»Wir haben die Anlagen um einige weitere Fahrzeugfallen und zwei Sperrriegel erweitert«, informierte ihn der Major. »Die Anlagen befinden sich kurz vor ihrer Fertigstellung und werden dann entsprechend kartographiert. Mit ihnen müssten unser Verteidigungsperimeter dann so gut wie vollständig sein.«

»Sehr schön.« Ekko nickte. »Wer überwacht die Konstruktion?«

»Solmaar und Retexer, Sir.«

»Ausgezeichnet. Schließen Sie sich mit den Captains kurz. Sagen Sie den Männern, dass sie schneller arbeiten sollen und müssen«, schloss er. »Ich werde in der Zwischenzeit kurz bei Doktor Calgrow reinschneien und mir ein Schmerzmittel gegen Schädelexplosionen besorgen.«

Mit diesen Worten drehte sich der Colonel um und wankte mehr, als dass er ging, auf den von Carrick zuvor angesteuerten Kommandopanzer zu, um sich von diesem in den dritten Ring des Kathedralenstadt bringen zu lassen.

Balgor und Carrick sahen zu, wie der Regimentskommandeur in das Fahrzeug einstieg, dessen Besatzung ihm ehrfurchtsvoll dabei behilflich war.

Als sich der Salamander endlich in Bewegung setzte, war es Balgor, der sich berufen fühlte, die Situation zu kommentieren. »Beim Barte des Propheten«, bemerkte der Captain. »Der Chef hat sich da mal wieder eine Aktion geleistet. Das wird sicherlich in die Annalen dieses Regiments eingehen.«

»Wenn das 512. nach Agos Virgil überhaupt noch Annalen führen kann, Captain«, gab Carrick missmutig zu bedenken.

»Und?«, widersprach Balgor. »Selbst, wenn nicht. Dann schreibe eben ich ein Buch darüber: Ekko, Sile und der Jagdpanzer. Eine Liebesgeschichte im Imperium. Was denken Sie?«

»Also lesen werde ich es nicht«, stellte Carrick nüchtern fest und entfernte sich, um Captain Nurin und seine Jagdpanzer einzuweisen.

***

Das Lazarett war in einer Priorei nahe der Kathedrale untergebracht, einem im Vergleich zum Riesenbauwerk winzigen Gebäude von nur drei Stockwerken Höhe.

Ekko musterte die aufragende Front kurz, während er schnellen Schrittes auf das breite Tor des ekklesiarchischen Verwaltungsgebäudes zuging.

Das Erdgeschoss wurde durch einen langen, umlaufenden Säulengang vor den Blicken Außenstehender verborgen. Die weiteren Etagen erhoben sich darüber.

Das gab dem Anwesen ein sehr zerbrechliches Aussehen, kontrastierte es vollkommen zu dem prächtigen Körper der Kathedrale.

Man konnte sofort sehen, dass die Priorei mindestens fünf Millennien nach der Kathedrale entstanden sein musste.

Sie machte einfach einen plumpen, ungalanten Eindruck. Etwa so wie ein fetter Bonze neben der schönen Tochter eines planetaren Gouverneurs.

Ekko zwang sich, seine Gedanken nicht noch weiter in diese Richtung abgleiten zu lassen und zog den Saum seines Drillichs glatt.

Er hatte noch genügend Zeit, um sich Gedanken um schöne Frauen zu machen, wenn er nicht mehr von derart malträtierenden Kopfschmerzen gequält wurde.

Nachlässig salutierte er dem vor dem Verbandsplatz stationierten Wachposten und betrat die Priorei durch das breite, zur besseren Durchlüftung geöffnete Portal, dessen hölzerne Front mit groben Schnitzereien imperialer Fresken versehen war.

Eine überraschende, aber wunderbar angenehme Kühle hieß ihn im Innern willkommen.

Er passierte das basaltfarbene Mauerwerk der Wandelhalle und bog nach links in eine weit größere Versammlungshalle ab, aus der vielstimmiges Gemurmel, Stöhnen und Jammern an seine Ohren drang.

Ein bestialischer Gestank aus Wundbrand, Salben und Desinfektionsmitteln umwaberte die halbgeschlossenen Flügeltüren wie eine warnende Geruchsbarriere.

Sein Verstand riet dem Colonel, das Tor nicht aufzustoßen, doch zwei Gedanken übertönten das vorsichtige Zeichen.

Zum einen musste er zu Calgrow, damit sie ihm ein Schmerzmittel gegen den physikalischen Alptraum in seinem Kopf geben konnte, zum anderen interessierte ihn irgendwie, was einen derartigen Gestank verursachte.

Er hätte es besser sein lassen.

Als der Basteter die Türen aufstieß, sprangen ihn Fäulnis und Verzweiflung an wie die ekelhaft vergammelte Wurzel allen Übels, die Summe aller Furcht, der Beginn allen Wahnsinns. In der Zeit einer Handvoll Herzschläge erlebte der Colonel den intensiven Schrecken des Krieges auf eine Weise, die ihm nie zuvor klar gewesen war.

Etliche Reihen Feldbetten waren in der Halle aufgestellt worden, durchmaßen sowohl die Länge als auch die Breite des improvisierten Lazaretts vollständig.

Ekko stellte eine ungeschickte Schätzung an und kam zu dem Ergebnis, dass sich etwa einhundertfünfzig bis zweihundert Liegen in dem Raum befanden †“ und so gut wie alle waren belegt.

Der Colonel hatte sich zuvor keine wirklichen Gedanken über die Verletzten gemacht, die von Calgrow und ihren Sanitätern an diesem Ort behandelt wurden. Erst jetzt kam ihm in den Sinn, dass sie hier vermutlich sämtliche Verletzte der Schlachten auf Agos Virgil heilten und pflegten.

Als der Kommandeur die Türen aufstieß und durch den Eingang trat, strich sich Marith Calgrow gerade eine Strähne ihres ergrauten Haares zurück.

Die Regimentsärztin stand mit zweien ihrer Sanitäter und medizinischem Personal des Officio Medicae am Krankenbett eines dick bandagierten Soldaten und beriet sich. Immer wieder sah Ekko die ehemalige Kommissarin den Kopf schütteln, auf die Lebensanzeigemonitore weisen und wieder den Kopf schütteln.

Offensichtlich wusste sie nichts Gutes über den Zustand des Soldaten zu berichten.

Er entschied, den Vorgang nicht weiter zu verfolgen, ließ Calgrow und ihren ‚Stab†˜ mit sich allein und sah sich stattdessen ein wenig um. Noch immer erschütterte ihn die schiere Anzahl der Verwundeten, die an diesem Ort zusammengelegt worden waren, ein wenig.

Allein, wenn man nur Augen schloss und die vielfältigen Geräusche in sich aufnahm, das schmerzerfüllte Stöhnen der Verletzten, unruhige Rascheln der Betten, das Grummeln und Brummen unwilliger Geister und das Flüstern der Pfleger und Ärzte vernahm, dann breitet sich ein mulmiges Gefühl in der Magengegend aus. Dazu kam der überwältigende Gestank.

Doch sobald man die Augen öffnete und nicht nur roch und hörte, sondern die erschreckende Verfassung der Menschen sah, die in diesem Lazarett vor sich hinvegetierten, dann konnte man nicht anders, als gegen den Brechreiz zu kämpfen, der sich langsam, aber stetig den hinteren Rachenraum hinaufwölbte.

Hinzu kam, dass die Wellen des Kopfschmerzes in ihm höher schlugen, je länger er an diesem Ort blieb.

»Colonel?«, flüsterte eine geschwächte Stimme neben ihm in ehrlicher Überraschung. Er wandte sich um.

Soldat Gorak, gezeichnet von Schlacht und Krankenbett, richtete sich schwerlich auf. Umgehend trat der Colonel an seine Seite.

»Guten Tag, Gorak«, grüßte er den Soldaten, nur um ihn mit einer energischen Handbewegung zurück in eine waagerechte Position zu befehlen. »Wenn Sie das tun, reißt mir Calgrow die Eier ab.«

Gorak hustete mehr, als dass er lachte. »Wie sieht es aus, Colonel?«

»Viel geschehen«, erwiderte der Vorgesetzte, von seinen Erinnerungen in eine geistige Abwesenheit gedrängt. »Viele Dinge.«

»Was ist mit der Prioris passiert?«

Ekko versuchte zu lächeln. Es fühlte sich gezwungen und gequält an. War es auch. »Sie ist quicklebendig.«

»Das freut mich zu hören, Colonel.« Gorak versuchte wieder, sich aufzurichten. »Wann kann ich …?«

»Gorak«, erklang das arrogante Hochgotisch Marith Calgrows hinter ihn, »habe ich Ihnen nicht befohlen, sich zu schonen?«

»Ja, Ma†™am«, antwortete der Soldat kleinlaut.

Doch die Ärztin war noch lange nicht fertig. »Und gehörte dazu nicht auch, dass Sie sich nicht bewegen sollen, damit Ihr Körper sich regenerieren kann und die Nähte nicht sofort wieder aufreißen, die ich in einer stundenlangen Prozedur auf Sie verwendet habe?«

Natürlich hatte sie Recht. Sie wusste es, Gorak wusste es †“ und Ekko fühlte, dass auch ihm eine gewisse Ahnung innewohnte, die Ärztin könnte schon irgendwo Recht haben.

Aber die Art, wie sie dieses Recht einforderte, widerte ihn an. Diese hochnäsige Weise, ihr Hochgotisch als Aushängeschild ihres nicht vorhandenen aristokratischen Charmes zu versprühen, zwang in ihm den Drang auf †“ heute mehr als je zuvor †“ ihr einfach einmal gepflegt ins Gesicht zu langen und die Nase abzureißen. Er wusste, er durfte diesem Drang nicht nachgeben, auch wenn es sich noch so verlockend anfühlte.

»Calgrow hat Recht, Gorak. Ruhen Sie sich aus«, sagte er stattdessen. »Sie werden Ihre Kraft bald brauchen.«

Der Soldat nickte und ließ sich von der ehemaligen Kommissarin mit sanfter Gewalt zurück auf die Liege drücken.

»Eine Woche will ich Sie noch hier behalten, dann können Sie wieder ins Gefecht«, versprach sie.

Ekko schüttelte belustigt den Kopf. »So lange leben wir nicht mehr.«

Gorak riss die Augen auf. »Doktor?!«, schoss es aus ihm heraus.

Die Ärztin fuhr herum. »Colonel!«

»Öhm …«

»Hören Sie nicht auf den Colonel«, versuchte Calgrow den Soldaten zu beruhigen. Es klang eher nach einem Befehl: Hören Sie nicht auf den Colonel! Andernfalls werde ich Sie erschießen!

»Also gut«, schloss sich Ekko ihrer Meinung an, »dann hören Sie nicht auf mich. Wir werden nicht sterben.«

Calgrows Miene verfinsterte sich weiter, aber sie entschied, nicht auch noch auf die betonte Provokation des Regimentskommandeurs einzugehen. Stattdessen nahm sie seinen Arm †“ oder besser: packte ihn †“ und zog den Colonel vom Krankenbett des Soldaten weg.

»Was wollen Sie hier?«, herrschte sie ihn leise, aber bestimmt an.

»Erfolg gehabt?«, wies er, ohne auf ihre Frage einzugehen, mit einem Nicken auf den zuvor von ihr besuchten Patienten, dem gerade vom Sanitäter ein Medikamentencocktail gereicht wurde.

Die Regimentsärztin folgte seinem Blick, schüttelte in ehrlichem Bedauern den Kopf. »Nein. Ich habe meine Sanitäter angewiesen, ihm die Gnade des Imperators zu gewähren.«

Ekko rümpfte die Nase. »Wie großzügig von Ihnen.«

Calgrow fuhr herum und funkelte den Regimentskommandeur an. Die Reaktion kam so heftig und überraschend, dass der Colonel einen Schritt von ihr wegmachte. »Möchten Sie ihn sich ansehen? Vielleicht sollten Sie ihn kennenlernen? Immerhin ist er wegen Ihrem Ausfall in dieser Lage, Colonel.«

»Nein, vielen Dank«, erwiderte der imperiale Offizier mit finsterem Seitenblick. »Ich bin gerade sehr beschäftigt. Vielleicht werde ich ihn später noch besuchen.«

»Sie sind ein feiger Mistkerl, Ekko.«

Er kommentierte die Bemerkung nicht.

»Also, was wollen Sie hier?«

»Schmerzmittel«, erklärte er lakonisch.

In einem Anflug ehrlichen Erstaunens hob Calgrow die Augenbrauen. »Schmerzmittel? Seit wann nehmen Sie Schmerzmittel? Schmerzen sind doch das Größte für Sie.«

»Ja«, bestätigte er. »Aber im Augenblick werde ich von Schmerzen übermannt. Und ich brauche einen klaren Kopf.«

»Und den wollen Sie mit Schmerzmittel bekommen?« Calgrow schaffte es, soviel Unglauben in ihre Worte zu legen, dass Ekko nichts anderes übrigblieb, als aufzugeben und resigniert zu lachen.

»Geben Sie mir nun etwas gegen höllische Kopfschmerzen? Oder lassen Sie mich in dem Wissen gehen, dass ich meiner Regimentsärztin nicht vertrauen kann?«

Die Ärztin verschluckte sich beinahe an der Bemerkung, die ihr auf der Zunge lag. Der Schlag, den ihr seine Worte verpassten, ließ sich deutlich an ihrem Gesicht ablesen.

Tatsächlich konnte er sich nicht erinnern, irgendwann einmal weiter aufgerissene Augen gesehen zu haben.

Gnädig, wie er war, ließ der Basteter der Cadianerin ausreichend Zeit, um ihre Fassung wiederzuerlangen und sich zu überlegen, wie sie darauf reagieren wollte.

Es dauerte eine Weile, bis sie schließlich zu dem Entschluss gelangte, sich auf ihrem eigenen Gebiet geschlagen zu geben. »Folgen Sie mir.«

Sie führte ihn zwischen den Krankenbetten entlang zum rückwärtigen Teil der Halle, der durch eine Wand aus grünen Laken vom Rest des Raumes abgetrennt worden war.

Auf dem Weg ließ der Colonel seinen Blick immer wieder zu den Verletzten links und rechts ihres Weges schweifen, deren Liegen teilweise so schmal und klein erschienen, dass er sich fragte, ob sie aus den Transporträumen verschiedener Sanitätsfahrzeuge entwendet worden waren.

Lebensanzeigemonitore und unterschiedlichste medizinische Apparaturen standen in den engen Gassen, durch die man sich zwischen den Krankenlagern zwängen musste. Beistelltische mit Ampullen, Spritzen und Untersuchungswerkszeug warteten darauf, dass man sie bei Bedarf zur Hilfe heranzog.

Sanitäter und Mitglieder des Munitorums, namentlich des O.M., standen bei mehr oder weniger schwer verletzten Soldaten, wechselten Bandagen oder gaben Medikamente, von denen sie alle wussten, dass es nicht mehr als verzweifelte Hilfsversuche der Schmerzlinderung waren.

Links von ihnen breiteten zwei Sanitäter gerade eine Decke über einen erschlafften Körper.

Ekkos Unwohlsein schlug in schiere Übelkeit um, gemischt mit einem Hauch von Panik.

Calgrows attraktiver Körper hingegen wiegte sich im seichten, selbstsicheren Schritt, der eine gewisse Abstumpfung gegenüber dem Grauen des Lazaretts erkennen ließ. Er hätte nicht sagen können, ob er sie dafür bewunderte oder verachtete.

Zielsicher dirigierte die Ärztin ihren Regimentskommandeur an den Verwundeten vorbei zu der Front aus grünen Laken, die sie ohne zu zögern zur Seite schob, um sich und den Colonel einzulassen.

Sie gab dem Basteter Zeit, mit ihr einzutreten, dann zog sie den Vorhang in einer eleganten Bewegung wieder zu und bedeutete Ekko, sich aufs Bett zu setzen. Er folgte der anweisenden Geste, obwohl ihn dabei ein nicht näher zu definierender Schauer überkam.

Vor seinem inneren Auge wandte sich eine bedürftige Marith Calgrow zu ihm um und schälte sich erst aus ihrem Kittel, dann aus ihrer Uniform. Als es so weit kam, dass er eigentlich ihre Unterwäsche hätte sehen können, löste sich seine Vorstellung glücklicherweise in Luft auf. Er kam nicht einmal mehr dazu zu prüfen, ob Balgors Behauptung über feuchte Höschen stimmte.

Die echte Marith Calgrow hingegen wandte sich von ihm ab und begann, in einem nahen Medizinschränkchen nach einem Mittel gegen den Kopfschmerz des Regimentskommandeurs zu suchen.

»Ich habe von Ihrer Heldentat gehört, Colonel«, erwähnte die Ärztin ganz beiläufig. »Ich war beeindruckt.«

»Solange Sie jetzt nicht vor mir auf die Knie fallen«, brummte er.

»Keine Sorge, Colonel. So beeindruckt war ich dann doch nicht.«

Ekko ließ ein abwesendes »Mhm« ertönen und machte sich daran, die Umgebung mit musternden Blicken zu sondieren.

Was genau diese kleine, abgeschottete Abteilung darstellte, ließ sich nicht auf Anhieb sagen. Tatsächlich musste sich Ekko gestehen, dass er es auch auf den zweiten und dritten Blick nicht erkannt hätte. Die Liege †“ oder besser der Tisch †“ auf der er saß, konnte in einem Aufgabenbereich irgendwo zwischen Operationen und Autopsien eingesetzt werden. Das Besteck auf dem Beistelltisch ließ ihn etwas Ähnliches annehmen.

Die Medizinschränke und Pharmazeutika, die auf mehrere mobile Regale verteilt standen, wiesen allerdings eher auf eine apothekenartige Funktion hin.

Und dann war da noch diese abgedeckte Bahre, die auf mehreren Beistelltischen ruhte. Er brauchte nicht lange um zu begreifen, welcher Aufgabe sie diente und wer sie gerade belegte.

»Ihr letzter Patient?«, erkundigte sich der Offizier, nachdem er die Wellen des Schauers in seinem Körper unter Kontrolle gebracht hatte.

Calgrow hielt in ihrer Tätigkeit, nach einem passenden Medikament für ihn zu suchen, inne und wandte sich um. »Wie bitte?«, fragte sie.

Kopfnickend wies der Colonel auf den Toten. »Operation erfolgreich?«

»Nein, Colonel. Die Herren sind tot gefunden worden. Ich hätte eine Autopsie vorgenommen, nur leider bin ich derzeit gewissermaßen … beschäftigt.« Sie fuhr fort, den Medizinschrank nach dem entsprechenden Mittel zu durchsuchen.

Ekko stand auf, zog den Saum seiner Uniform glatt und trat an die Liege des Toten. Er atmete durch, um sich auf das Kommende einzustellen, dann zog er das Leichentuch zur Seite. Nichts hätte ihn auf das vorbereiten können, was er sah.

»Oh«, murmelte er und machte unwillkürlich einen Schritt zurück. Der zum Vorschein gekommene Tote war eine verzerrte Fratze, der Ausdruck puren Grauens. Selbst im erschlafften Zustand des Todes konnte man ihm die Furcht und das Entsetzen seiner letzten Lebenssekunden ansehen. Blut war auf die verblassten Ansätze von kurz geschorenem, dunklem Haar und den Brustbereich der Uniformjacke gespritzt, ausgehend von der zerschmetterten Platte einer zerschossenen Stirn.

Der Regimentskommandeur schürzte die Lippen. »Oha«, entwich es ihm. Er warf einen genaueren Blick auf die Uniform des Soldaten, um ihn möglichweise so zu identifizieren. Ein dreifarbiger Tarndruck, in Sand- und Grautönen gehalten und in einem einfachen Splittermuster aufgebracht. Der Colonel konnte nicht sagen, dass ihm diese Art eines Tarnmusters sonderlich bekannt vorkam, die Regimentsbezeichnung auf der Identifikationsmarke des Soldaten hingegen las sich recht vertraut: »34. Borodian«, murmelte er leise, bevor er sich Zeit nahm, näher darüber nachzudenken.

Das 34. Borodian. Hatte nicht dieser Lieutenant Valerio, Valeris oder wie er hieß, von drei Überlebenden des 34. Borodian gesprochen? Ob dies einer von ihnen war? Wenn ja, was war mit ihm geschehen? Hatte er sich selbst umgebracht? War er bereits vorher tot gewesen? Hatten ihn vielleicht sogar seine Kameraden getötet? Und warum fragte er sich das? Nur einen Meter entfernt befand sich eine Frau, die nicht nur als Ärztin kompetent war, sondern darüber hinaus über ein beeindruckendes Wissen im Bereich der Tötungsmethoden und deren Anwendung verfügte.

Als hätte sie seine Gedanken erraten, tauchte Doktor Calgrow plötzlich an seiner Seite auf, ein Döschen mit dem geforderten Schmerzmittel in der Hand. »Kein schöner Anblick, oder?« Sie hielt ihm das Gefäß hin.

»Nein«, antwortete er, ohne die Medikamente zu beachten. »Das ist wirklich kein schöner Anblick.«

Leichter Wind fasste unter die gespannten Laken, ließ sie im Takt der Luftbewegung flattern.

Calgrow wies auf eine kleine, vom Hauptraum zusätzlich abgeschottete Nische. »Dort vorne liegen die anderen beiden.«

»Die Anderen?« Er warf ihr einen Blick zu. »Es gibt noch mehr?«

»Ja«, bestätigte sie. »Zwei.«

Zwei †“ plus ihn … macht drei. Drei Überlebende. Beim Barte des Propheten! »Woran sind sie gestorben?«

Die Ärztin legte den Kopf schief, schürzte die Lippen und verschränkte die Arme vor der Brust. »Kopfschuss, würde ich sagen.«

»Diagnose Kopfschuss, hm?« Er nickte nachdenklich. »Die Art, mit der Sie mir diese Diagnose mitteilen, sagt mir, dass Sie gerade nicht nur als Ärztin sprechen.«

Calgrow sah den Regimentskommandeur düster an. Er zwang sich, ihr zu wiederstehen. Eine gefühlte Ewigkeit starrten die beiden sich an, versuchten einander mit den Blicken niederzuzwingen.

Nach einer Weile begannen die ersten Tränen in Ekkos Augen zu brennen. Er spürte, wie die reinigende Flüssigkeit versuchte, das Austrockenen seiner Netzhaut zu verhindern. Lange würde er dieses Duell nicht mehr austragen können, ohne dass ihm das Wasser über die Wangen lief.

Die Augen der ehemaligen Kommissarin hingegen füllten sich mit Feuer. Mit dem Feuer einer längst vergangenen Episode ihres Lebens, in der sie auf der anderen Seite gestanden hatte. Auf der Seite von elenden Scheißkerlen und Schleimkröten wie Kolwa Ligrev, Del …

Wie ein Schlag traf ihn die Erkenntnis ins Gesicht. Kolwa Ligrev.

»Nein!«, spie der Colonel aus, als er endlich begriff, was die Ärztin im wortlos vermittelt hatte. Glauben konnte er es trotzdem nicht.

Er stieß gepresst Luft auf. »Es war also Ligrev.«

Calgrow bestätigte seine Worte nicht, aber ihre Miene sagte ihm, dass er richtig lag. Es war auch nicht wichtig, dass sie etwas sagte. Wichtig war nur, dass die ehemalige Kommissarin ihm einen verzweifelt gesuchten und zugleich gefürchteten Brocken Information zuwarf.

Der Colonel nickte nachdenklich, schluckte den schlagartig in ihm aufkochenden Cocktail aus Wut und Enttäuschung herunter. Erstaunlicherweise schaffte er es, seinen heftigen inneren Kampf gut vor der Ärztin zu verbergen. Lediglich ein nervöses Händereibe und ein dumpfer Tonfall verrieten ihn. »Warum haben Sie ihn nicht aufgehalten?«

»Ich konnte es nicht.«

»Was?! Der Mistkerl scheißt sich schon bei Ihrem Blick in die Hose. Also erzählen Sie mir nicht, Sie konnten ihn nicht aufhalten!« Das letzte Wort schrie er.

Augenblicklich verstummten sämtliche Geräusche jenseits des Sichtschutzes. Selbst die Maschinen schienen angehalten zu haben.

»Ich sah keinen Grund darin, ihn aufzuhalten«, präzisierte die Regimentsärztin. »Dieser Mann hat ein Exempel statuiert an denen, die es an wahrem Glauben und Ehre mangeln ließen!«

Ekko schnaubte. Als er ihr antwortete, färbte Verbitterung seine Stimme. »Sie klingen ja beinahe wie Retexer: ‚Ehre und wahrer Glaube†˜. Denken Sie eigentlich wirklich daran?«

»Tun Sie es etwa nicht?«

»Ich glaube an den Kampf«, offenbarte er ihr eindringlich. »Und mein Glaube sagt mir: Der Kommissar hat einfach Kampfkraft vernichtet! Er hat drei Männer vernichtet. Drei Männer, die wir vielleicht gebracht hätten!«

»Es waren nur drei Männer«, widersprach die ehemalige Kommissarin.

Der Regimentskommandeur schlug sich mit der Faust auf die flache Hand. »Da draußen haben mir drei Männer das Leben gerettet! Drei Männer, die mit ihrem Gerät orkische Schrottkarren auf Masse vernichtet haben. Erzählen Sie mir nicht, dass drei Mann keinen Wert besitzen, Calgrow!« Es war das erste Mal, dass er die Medizinerin lediglich mit ihrem Namen ansprach.

Sie bedachte ihn mit einem undurchsichtigen Blick. Natürlich wusste sie, wovon er sprach. Sie war Cadianerin, Ex-Kommissarin und Ärztin. Sie kannte alle Aspekte der Ehre und des Kampfes.

»Wo finde ich den Kommissar?«, fragte er, nachdem er einen Moment lang überlegt hatte, mehr an sich selbst als an sie gerichtet. »Sagen Sie nichts: In der Kommandozentrale finde ich ihn, richtig?« Er atmete tief ein. »Also gut. Sie warten hier. Ich gehe jetzt kurz nach oben und raste aus. Vielleicht kriegen Sie dann den einen oder anderen Patienten mehr.«

Er nahm Calgrow die Medikamentendose aus der Hand, wandte sich schwankend ab und verließ das Lazarett.

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Die schießen nicht nur zweiundsiebzig Zoll weit,

Hab mich so aufm Boden gekugelt als ich das gelesen habeXD

Dieser Teil hat mir grade besser gefallen als der letzte. Liegt vlt daran das jetzt wieder was anderes passiert, als dass Ekko auf nen Panzer knallt^^

Aber der arme Marian...mochte den Kerl irgendwie

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Salve Haran,

Ja, die 72 Zoll, das war im Nachhinein eine echt gute Idee. Ich habe zwischenzeitlich wirklich überlegt, ob ich das so lasse.Es erschien mir ein wenig plump.

Aber offensichtlich hat der kleine Hieb seine Wirkung ja doch nicht verfehlt. Freut mich.

Schade, dass dir der letzte Teil offensichtlich nicht so ganz zugesagt hat. Na ja, jeder hat so seine Präferenzen. Dafür schreibe ich ja.

Tja - Maryan wird vermisst werden. Aber wir werden ihn rächen! ;-D

Alles Vale

SMN

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Ja, ich schäme mich ja auch dafür. Aber wenns so weiter geht, dann dauert das noch ne halbe Ewigkeit.

Dafür gebe ich mir ja auch immer die größte Mühe ;_D

Neues Kapitel dauert vermutlich noch etwas. kommt aber.

Alles Vale

SMN

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Lass dir Zeit :-D

Ich habs nicht eilig zu wissen, was da jetzt genau doof war ;-D

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Ich fürchtete schon, meiner Begeisterung zum trotz, dass du diese Aussage tätigen würdest ;-D Ach ja, ich liebe die sprachliche Entfaltung ^^

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Salve,

so, nachdem meine Prüfungen geschrieben, bewertet und bestanden sind, mein Geburtstag gefeiert wurde (danke noch mal an alle Gratulanten) und ich endlich mal wieder ein richtiges Buch verschlingen konnte, geht†™s nun mit Ekkos Irren weiter. Dieses Mal aus der Rubrik: Wie man auf Probleme reagiert. Wir werden zwei eindrucksvolle Einblicke erhalten.

Ich danke Nakago für seine kurze Fluff (Ich habe dieses Wort nie gemocht †“ ab demnächst „Wuff†œ)-Kontrolle und wünsche viel Spaß beim Lesen

Wuff^^

Eure Sister

24

Der blickdichte Vorhang vor dem Eingang zur Kommandozentrale flatterte regelrecht davon, so schnell wehte Galard Ekko in den Raum. Hätte er eine Tür aufschlagen müssen, sie wäre vermutlich aus den Angeln geflogen.

Ein halbes Dutzend Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften sprangen entsetzt von ihren Stühlen auf und zogen sich schnellstmöglich durch das hallenartige Beinhaus in Richtung der ausladenden Fensterfront zurück. Kolwa Ligrev fiel aus den Gedanken, in denen er versunken über dem taktischen Holo-Plot gelehnt hatte.

Keiner von ihnen hatte den Regimentskommandeur des 512. jemals zuvor dermaßen in Rage erlebt. Vermutlich glaubten sie, dass er gleich seine Pistole ziehen und schießen würde.

»Raus!!«, schrie er und warf seinen Daumen in einer energischen Geste über die Schulter. »Alle sofort raus! Außer Sie!« Er zeigte auf Ligrev.

Die Soldaten, vollkommen von ihrem Vorgesetzten überrannt, beeilten sich, dem Befehl nachzukommen. Ligrev blieb erstarrt stehen.

Ekko verharrte in völliger Bewegungslosigkeit, wartete darauf, dass der blickdichte Vorhang hinter ihm zu schwang, dann fuhr er zu Ligrev herum. Seine Stimme, nur schwer unter Kontrolle gehalten, spiegelte die Wut des imperialen Offiziers wieder. »Was für eine thronverdammte Scheiße ziehen Sie hier ab?!«

Ligrev riss die Augen auf. »Wie können Sie es wagen?! Ich bin der Kommissar dieses Regiments!

»Mann, Sie sind doch voll von der Rolle, Sie verdammtes Arschlosch!«, schoss Ekko weiter, ohne die Worte seines gegenüber zu beachten. »Sie haben drei Überlebende erschossen, nur weil es Ihnen gerade passte?!«

»Sie haben das Imperium verraten!«, herrschte der Kommissar.

»Das Imperium verraten?« Unglauben färbte die Stimme des Offiziers. »Wie können Männer, die sich nach einem verlorenen Kampf der nächsten Armee anschließen, Verräter sein?«

Ligrev blieb unnachgiebig, beachtete den Einwurf gar nicht. »Sie haben nicht bis in den Tod gekämpft! Sie sind geflohen wie Feiglinge!«

»Wer bis zum Tod kämpft wird sterben, wer vom Schlachtfeld entkommt, kann bald wieder kämpfen«, rezitierte Ekko einen Merksatz aus dem Taktikhandbuch für Offiziere.

»Es wird Zeit, dass wir den Männern zeigen, wofür Sie kämpfen! Und dass wir keinerlei Schwäche dulden, noch sie vergeben!«

»Schwäche?!«, warf Ekko ungläubig aus. Das Wort klang in seinen Ohren so scharf und reißend wie die aktivierte Klinge eines Kettenschwerts. »Thron von Terra, Ligrev! Die Männer kämpfen, um diese Welt für den Imperator zu erhalten!«

»Das sollten sie auch!«, herrschte der Kommissar mit unterstreichend erhobener Faust. »Es gibt nicht weniger, was der Imperator von ihnen verlangt! So wie er sein Leben für uns gab, müssen wir nun unser Leben für ihn geben!«

»Wir?!«, rief Ekko, ungläubig lachend. »Sie, Herr Kommissar, haben es bisher als einziger an Todesmutigkeit mangeln lassen. Also beenden Sie diesen Blödsinn auf der Stelle!«

»Blödsinn?! Das waren die ersten Exekutionen †“ und es werden weitere folgen. Diese Art der Häresie werde ich nicht dulden †“ nicht mehr!«

»Ach †“ jetzt plötzlich fangen Sie an, mutig zu werden?« Ekko verschränkte die Arme vor der Brust. »Woher kommt denn dieser Sinneswandel?«

Der Kommissar atmete empört ein, versuchte die dreiste Bemerkung zu entwerten oder zu entkräften. Doch wie so oft scheiterte er daran, eine schlagfertige Antwort zu finden. Kolwa Ligrev war nun einmal kein Mann, der gewandt mit Worten umgehen konnte. Und das machte ihn gegenüber verbalen Angriffen sehr verwundbar.

»Ekko«, zischte er, vor Wut bebend. Demonstrativ zog der Kommissar seine Boltpistole, legte sie vor sich auf den Plottisch. »Ich habe Sie im Auge.«

»Können Sie ein ärztliches Attest dafür vorweisen?«, schoss der Colonel so kalt wie möglich zurück.

Nun bebte Ligrev nicht mehr. Er explodierte.

»Der Imperator!«, schrie der Kommissar. »Der Imperator hat mich †“ mich! †“ Kolwa Ligrev †“ mit der Macht ausgestattet, den wahren Dienst an Ihm zu erfüllen! Und Sie, Ekko, werden das nicht verhindern!«

»Wahrer Dienst?« Der Colonel konnte nicht verhindern, dass er laut loslachte. Wahrer Dienst! »Die Einzige, die behaupten kann, dem Imperator auf wahre Weise zu dienen, ist Prioris Si…«, rief er, wandte sich um und starrte direkt in die stahlblauen Augen der Sororita.

Sile war so schlagartig aus dem Dunkel aufgetaucht wie die Erscheinung eines imperialen Engels, dass Ekko und Ligrev jeweils einen erschrockenen Schritt zurückwichen.

»…le. Beim Barte des Propheten, was machen Sie denn hier?«, rief der Regimentskommandeur aus, bevor er sich die Zeit nahm, sie näher zu betrachten.

Die Adepta hatte sich aus ihrer Servorüstung befreit, offensichtlich kurz gewaschen und ein ekklesiarchisches Gewand angelegt. Ihr Gesicht wies nach wie vor Schnitte und Abschürfungen auf, doch das Blut, mit dem sie vor gut einer Stunde noch bespritzt gewesen war, war aus ihren Haaren und von ihrer Haut gespült. Der eisige Hauch gnadenloser Kälte umwehte sie.

Sie wirkte beinahe so unnahbar und erhaben wie immer. So kalt und abweisend, aber gleichzeitig auch schön wie ein schneebedecktes Feld im Winter.

Die Prioris bedachte die beiden Imperialen vor sich mit starrem Blick, so als sei ihr Gespräch an diesem Ort eine Häresie ungeahnten Ausmaßes. Ekko konnte nicht anders, als sich ob der bösartig verengten Augen unmerklich zu verkrampfen.

»Colonel, Kommissar«, begrüßte die Ordensschwester die beiden Imperialen. Ihre Stimme war härter als sonst. Ihr wohnte eine gewisse Aggressivität inne, die ihn an die erste Begegnung zwischen ihr und Ligrev denken ließ. Der heiße Schauer einer bösen Vorahnung wanderte als flüsternde Warnung durch seinen Körper.

»Hat es einen Grund, weshalb Sie in Seinem Haus die Stimme erheben?«

Die flüsternde Warnung in seinem Kopf explodierte zu einem schrillen Alarm. Ligrev hingegen schien nichts zu hören. »Was wollen Sie, Schwester?«

»Ihr Geltungssucht ist verachtenswert«, fauchte die Sororita angewidert. »In Anbetracht unserer Verluste müssten Sie demütig vor Ihm knien und Ihm danken, dass Er Seine schützende Hand über Sie gehalten hat.«

Ekko bemerkte, dass er es lustig fand, wie Sile von ‚ihren†˜ Verlusten sprach, als wären es ihre Leute gewesen, die während der Schlacht gestorben waren. Soweit er sich erinnern konnte war er der einzige, der vor der Himmelskathedrale Kampfkraft eingebüßt hatte.

»Also danken werde ich ihm dafür sicherlich nicht«, brummte er mit einem Nicken in Ligrevs Richtung und wandte sich der Holosphäre zu.

»Tun sie dem Imperium und der Galaxis einen Gefallen, und sterben sie endlich«, verlangte der Kommissar. Wen er damit meinte, ließ sich für Ekko in dem Augenblick nicht feststellen †“ und er würde es in seinem Leben auch nicht mehr erfahren.

Der Colonel schwieg, tat so, als habe er es nicht gehört, doch in seinem Innersten kämpften dunkle Mächte mit seinem Wesen um die Vorherrschaft der rechten Hand, die nur einige Zentimeter über der im Tiefziehholster befindlichen Laserpistole schwebte.

Eine innere Wut ergriff Besitz von seinem Denken, suchte sich sicher und zielstrebig ihren Weg an die Oberfläche, und bereitete sich darauf vor, dort mit der Gewalt eines Orbitalschlags auf die anmaßende Selbstüberschätzung des Kommissars niederzugehen.

Er rang noch mit seinen Dämonen, als eine andere Stimme in das ignorierende Schweigen brach, den Kommissar direkt adressierte.

Es war Sile. »Sie haben den Imperator einmal zu oft verleugnet«, stellte sie nüchtern fest.

Ekko bekam nicht mit, was genau dann geschah, doch nur einen Moment, nachdem sie das gesagt hatte, krachte eine Boltpistole und das Blut des Kommissars spritzte über den Colonel. Verwirrt taumelte er einige Schritte zurück. Die dunklen Mächte verschwanden.

»Mann«, fuhr er sie an, als der Leib des Kommissars mit einem dumpfen Geräusch auf den Boden schlug. »Hackt es bei Ihnen, oder haben Sie nur einen verdammt nervösen Zeigefinger?«

»Der göttliche Imperator duldet weder Verräter, noch Häretiker, die Ihn in ihrer Geltungssucht verleugnen!«, antwortete sie, als ihr Waffenarm die Pistole auf sein Gesicht schwenkte. »Und ich dulde sie auch nicht.«

»Ach ja«, murmelte er. »Ich vergaß.«

In diesem Augenblick flogen die Türen auf und ein gutes Dutzend Basteter stürmte in den Raum, die Lasergewehre im Anschlag.

»Waffe weg!«, brüllte ein hochaufgeregter Sergeant nervös. »Nehmen Sie die Waffe herunter!«

Sile richtete die Boltpistole auf die Imperialen und schrie zurück. »Ich bin der Engel des Imperators! Ich habe Göttern und Dämonen getrotzt! Ich bin das Schild †“ ich bin das Schwert! Ich bin der Engel des Imperators! Ich habe …!«

»Nicht schießen!«, sprang Ekko dazwischen. Das letzte, was diesen wirklich thronverdammten Tag perfekt machen würde, war ein Feuergefecht zwischen der Prioris und seinen Soldaten inmitten der Kommandozentrale. »Herr auf dem Thron, seid ihr alle wahnsinnig?!«

»Weg mit der Pistole!«, fielen weitere Infanteristen ein. »Weg mit der Waffe oder wir schießen! Pistole runter!«

»Sergeant!«, kreischte Ekko so heiser wie nie zuvor. »Herr auf dem Thron! Befehlen Sie Ihren Männern, die Waffen zu senken! Ich will hier keine Schießerei!«

Er wurde nicht einmal beachtet. Seine Infanteristen und die imperiale Ordensschwester fuhren fort, sich anzuschreien und zu bedrohen. Waffenarme zuckten vor und sprangen zurück, eine Spirale der Eskalation und Provokation auf kleinstem Raum.

Jeder andere Mensch in Ekkos Situation wäre vermutlich in Deckung gehechtet. Doch dafür war er inzwischen viel zu müde.

Wieder einmal versuchte ihn das Universum mit der Aussicht auf einen baldigen Tod zu locken und erwartete von ihm, dass er darauf einstieg.

Nun gut. Warum nicht?

»Also dann«, knirschte er und stellte sich direkt zwischen die Adepta und seine Männer.

Schlagartig wurde es still. Sile senkte die Waffe. Die Soldaten taten es ihr zögernd gleich.

»War klar«, grummelte der Colonel. »Ich komme hoch †“ und alle senken die Waffen.«

Endlich bekam er Gelegenheit, die Situation mit einem genaueren Blick zu erfassen.

Die Leiche Kolwa Ligrevs lag vor dem Projektionstisch der hololithischen Anzeige, mit vollkommen zerstörter †“ oder besser ausgedrückt: verschwundener †“ Schädeldecke. Blut pulsierte fröhlich aus dem zertrümmerten Kopf des Kommissars, breitete sich als ständig wachsende Pfütze über den Boden aus.

Leitis Sile stand breitbeinig über ihm, die schlichte Boltwaffe des Mannes in den Händen. In ihren stahlblauen Augen funkelte das schimmernde Lächeln des Todes. Wie sie zu der Waffe gekommen war, wusste nur der Imperator.

Ihr gegenüber hatte sich eine Gefechtslinie aus Soldaten aufgebaut, alle mit der Panik des eigenen Todes in den Mienen. Herr auf dem Thron, wie konnten sich gut zehn ausgebildete Infanteristen so dermaßen vor einer einzelnen Frau fürchten? Nicht, dass er nicht verstanden hätte. Was Sile ihm während der letzten Tage präsentiert hatte, sprach für sie und ihresgleichen.

Der blickdichte Vorhang wehte zur Seite, entließ Balgor und weitere Soldaten in die Kommandozentrale.

»Thron von Terra!«, rief der Captain mit Blick auf das Blutbad aus. »Was ist denn hier passiert?«

Ekko ließ sich erschöpft auf den Plottisch sinken. Er fühlte sich auf einmal sehr, sehr müde. »Sie hat dem Kommissar die Gnade des Imperators gewährt †“ mit seiner eigenen Pistole«, erklärte er atemlos, bevor er sich an den kommandierenden Unteroffizier wandte. »Sergeant, bitte geleiten Sie Kommissar Ligrev hinaus.«

Der Mann, Sergeant Nedor, wie er erst jetzt erkannte, hielt die Prioris unverwandt im Blick, während er mit einem kurzen Wink er vier Mann herbeibefahl, die den toten Körper des Kommissars aufnahmen und ihn aus der Kommandozentrale schafften.

Erst jetzt, da die Situation weitestgehend entschärft war und gerade bereinigt wurde, ließ auch Sile einen Teil der ihr innewohnenden Anspannung fallen. Sie nahm die Pistole des Kommissars †“ ebenjene Waffe, mit der sie ihn gerade gerichtet hatte †“ und ließ sie in den Gürtel ihrer Robe gleiten.

Mit einigen kurzen Befehlen verteilte Ekko Balgors Männer im Raum und wies auch Nedor an, seine Truppen ausschwärmen zu lassen. Nicht jeder musste mithören, was in den folgenden Minuten gesagt wurde.

»Ich denke, ich muss mich bei Ihnen bedanken, oder?«, sprach er die Sororita an.

Sie schwieg einen Moment lang, dann bedachte sie ihn mit einem Blick aus ihren stahlblauen Augen. »Wollen Sie sterben, Colonel Galard Ekko?«

»Nein, verdammte Scheiße. Ich versuche, einfach nur zu überleben!«

Die Sororita verengte ihre Augen. »Dafür stellen Sie sich aber nicht sehr intelligent an.«

»Nein, das stimmt«, keifte er zurück, bevor er seine Arme theatralisch ausbreitete. »Aber was bleibt mir übrig? Diese Galaxis bescheißt mich ohne Pause. Sie hat mir sogar die Ehre genommen, als einfacher Soldat für den Gott-Imperator zu sterben. Stattdessen hat sie mich zum Colonel gemacht und mir kurz darauf ein zweites Paar Augen geschenkt, die immer panisch über meine Schulter blicken und nach Pistolen suchen, die aus den eigenen Reihen auf meinen Nacken gerichtet sind.«

»Sie sind ein sehr ungewöhnlich Mensch, Galard Ekko«, bemerkte sie mit einer winzigen Spur von belustigter Bewunderung in ihrer Stimme †“ aber auch nur einer ganz winzigen.

»Ja«, antwortete er erschöpft. »Menschen mit vier Augen sind meistens ungewöhnlich.«

Alles war gesagt. Für eine Zeit lang ließen sie die Stille zu Wort kommen, verfolgten die Soldaten Balgors und Nedors dabei, wie sie in den hallengroßen Raum ausschwärmten und anfingen, vorsichtshalber alle Ecken und Nischen nach versteckten Sprengfallen, Schussanlagen oder ähnlich bösen Überraschungen absuchten. Nur für den Fall, dass …

Es war die Prioris, die schließlich mit dem Schweigen brach. »Ich denke, ich werde mich nun zurückziehen und meditieren.«

Ekko winkte sie gutheißend fort. »Tun Sie das.«

Sie verneigte sich und ging.

Erst als der Vorhang hinter der Sororita zuschwang, wagte es Balgor, an seinen Vorgesetzten heranzutreten.

»Alles in Ordnung, Chef?«, fragte er.

Der Regimentskommandeur warf seinem Untergebenen einen Blick zu und seufzte matt. »Oh, Mann. Erst räumt sie meinen Kommissar weg, dann geht sie beten. Man könnte meinen, sie möchte mir nur noch Gefallen tun. Apropos Gefallen tun †“ wo kommen Sie eigentlich her?«

»Doktor Calgrow hat mich darüber informiert, Sie würden gerade eine wirklich große Dummheit begehen wollen. Da dachte ich mir, ein wenig Verstärkung könnte nicht schlecht sein.«

»Wie freundlich von ihr †“ und Ihnen«, brummte der Colonel. Er ging zum Holotisch, über dem das knisternd flackernde Abbild der Himmelskathedrale schwebte.

Dort lagen Ligrevs Schirmmütze und Mantel, die er während Leitis Siles Angriff dort liegengelassen, beziehungsweise verloren hatte. Ohne ein Wort gab der Regimentskommandeur die Kopfbedeckung an seinen Untergebenen weiter und wandte sich dem Häufchen dunklen Ledermantels zu, das, leicht rauchend, auf dem steinernen Boden vor seinen Füßen lag.

»Imperator, verdamme mich!«, ärgerte sich der Colonel, als er das zerschossene Kleidungsstück in die Höhe hielt. »Nur den Mantel hat sie nicht heil gelassen.«

Er seufzte und warf die Überreste weg.

»Major Carrick wird durchweg begeistert sein«, brummte der Captain an seiner Seite.

»Glauben Sie?«, fragte sein Vorgesetzter in der gespielten Hoffnung, es könnte so sein.

»Nein.« Balgor betrachtete die Erinnerung an den verhassten Kommissar für eine Weile, dann versteifte er sich. »Colonel, ist Ihnen überhaupt bewusst, was gerade passiert ist?«

»Ich bin noch dabei, die Details zu erfassen«, erwiderte Ekko, von den Kopfschmerzen der Erinnerung gepeinigt. »Ich brauche jetzt erst einmal ein paar Minuten, um mich zu sammeln.«

»Verstanden, Colonel. Wenn Sie uns nicht weiter benötigen, würden wir uns wieder zurückziehen. Es gibt noch einige Aufgaben zu erledigen.« Worte über das Auftauchen Major Carricks und eventueller Wutausbrüche blieben unangetastet.

Ekko nickte abwesend, entließ den Captain mit einem knappen Wink. »Viel Erfolg, Balgor.«

Er registrierte das Nicken des anderen nicht mehr und bekam auch nicht mit, wie sich der erste Trupp des zweiten Zugs wieder sammelte und den Raum an die Operatoren übergab, die ihren Colonel mit alarmierten Blicken bedachten, während sie ihre Stationen wieder besetzten.

Das war es gewesen? Er hatte lange Zeit mit dem Kommissar um die Macht in diesem Regiment gekämpft, hatte Mühe und Schweiß investiert, um dem Mann die Stirn zu bieten. Er war stets mit dem Vorsatz aufgewacht, dem inneren Feind alle möglichen Steine in den Weg zu legen und mit der Frage eingeschlafen, ob dies sein letzter Ausfall gewesen war.

Und nun †“ in einem Augenblick der Entscheidung †“ hatte Prioris Leitis Sile seinen Feind mit dem Zucken ihrer Hand aus seinem Leben gerissen. Fortgewischt, als sei er ein Strich Kreide auf einer Tafel gewesen.

Er hasste das Adeptus Sororitas. Er hasste die Mörderschwestern, die ihm im Namen des Imperators alles genommen hatten außer dem eigenen Leben. Und er hasste Leitis Sile, die ihm all das immer wieder vor Augen führte.

Aber, beim Barte des Propheten der Heiligen Bastet und im Namen des Goldenen Throns von Terra †“ in diesem Moment hätte er sie umarmen können. Er hätte sie küssen und halten können dafür, dass sie ihm diesen so verzweifelt gesuchten Gefallen getan hatte.

Galard Ekko atmete tief durch. Dann zog er ein kleines, schwarzes Notizbuch und einen Stift aus der Innentasche seines Drillichs. Er blätterte einen Moment lang in den Seiten umher, suchte eine bestimmte Zeile in der von ihm erstellten Liste.

Als er sie gefunden hatte, lächelte er in sich hinein. Nun gut, er war es nicht selbst gewesen, aber das sollte in dieser Situation keinen Unterschied machen.

Mit einer energischen Bewegung strich er den dort niedergeschriebenen Namen durch: Kolwa Ligrev.

***

Das hallende Dröhnen schwerer Kampfstiefel echote durch das modrige Halbdunkel des Gangs unter der Dachplattform der Himmelskathedrale.

»Chef«, begrüßte Captain Balgor seinen Vorgesetzten, der eilig die steile Wendeltreppe aus der oberen Ebene herabtrabte.

»Balgor«, bewies Ekko kurz angebunden, dass auch er die Identität des anderen erkannt hatte. »Es ist also bestätigt?«

»Ja, Sir. Azrael konnte es bestätigen. Orktruppen befinden sich im Anmarsch. Eine ganze Horde«, berichtete sein Offizier. »Sie werden im Laufe des morgigen Tages in dieser Gegend aufschlagen.«

»Na, fantastisch«, seufzte Ekko und zuckte, ohne in seinem Schritt innezuhalten, resigniert die Schultern. »Haben Sie noch irgendwelche aufmunternden Worte?«

Ein breites Grinsen zog über das Gesicht seines Freundes. »Sorgt stets dafür, dass ihr niemals in Colonel Ekkos Nähe seid, wenn eine wichtige Aufgabe ansteht. Ihr werdet dann nämlich sicherlich in eine schreckliche Lage kommen, die er überlebt †“ ihr aber …«

»Danke für diese äußerst hilfreichen Ausführungen, Captain«, unterbrach Ekko ihn. »Haben Sie denn einen Plan?«

»Ich?«, murmelte Balgor überrascht. Er wandte sich um, die Stirn zu einem verwirrten Runzeln verzogen. »Chef … Sie sind der Colonel, nicht ich.«

Ekko überlegte einen Moment lang. Schließlich nickte er. »Stimmt, Balgor. Sie haben Recht. Die Frage hätte ich mir selbst stellen müssen.«

»Dann tue ich das für Sie«, bot sich der Captain an. »Also, Chef: Was haben Sie geplant?«

»Wir müssen uns eine neue Strategie überlegen. Dafür brauchen wir eigentlich Catachaner und Elysianer.«

»Aber?«

»Da ich weder Catachaner, noch Elysianer mag, fällt diese Möglichkeit recht unbeachtet ins Wasser.«

»Als ob das etwas mit mögen zu tun hat«, grummelte der Captain.

Sie kamen in Reichweite der vor der Kommandozentrale stationierten Soldaten und unterbrachen ihr Gespräch.

Die Infanteristen nahmen Haltung an, was sowohl Ekko als auch Balgor mit knappen Gesten des Saluts bestätigten, bevor sie zum wiederholten Mal an diesem Tag in die Kommandozentrale eilten.

Die letzten Fetzen verschiedener Gespräche empfahlen sich und passierten sie in Gegenrichtung, als sich eine halbe Centurie Offiziere, Anführer und Vorgesetzte zu ihnen umwandte.

Der Colonel empfand es wieder einmal als fantastisch, wie viele Menschen doch in ein so kleines Beinhaus passten.

Balgor löste sich von ihm und reihte sich in die Gruppe der Offiziere ein, die fast alle den Steppentarn der Basteter trugen.

Die Männer nahmen Haltung an, erwiesen ihm den militärischen Respekt, was sie aufgrund seines eigenen Befehls sonst eigentlich nie taten. Er ließ es einfach geschehen.

Ekko ging weiter, kämpfte mit der Last der Blicke, die auf ihn einschlugen, die ihn sezierten und irgendeinen Makel, irgendein Anzeichen der Furcht suchten, während er seine Augen selbst über die versammelten Offiziere, Kommandanten und Abteilungsführer gleiten ließ. Die Männer, Frauen und Mischwesen aus Mensch und Maschine hingen regelrecht an seinen Lippen, warteten darauf, dass er sprach.

Sie alle wussten inzwischen von der Hochgeschwindigkeitsschlacht zwischen den imperialen Panzern, den Läufern und den Orks. Die meisten kannten die Verluste, hatten die Verwundeten und Toten gesehen und ob der Frage, was nun geschehen würde, verzagt.

Es hätte ihn nicht gewundert, wenn sie während der Begrüßung vor Schreck zusammengezuckt wären.

»Guten Tag, meine Damen und Herren. Vielen Dank, dass Sie so zahlreich erschienen sind«, zentrierte er die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich und zu der Aufgabe, die nun vor ihnen lag. Dann nickte er dem Operator zu, der neben dem Datenglobus bereit stand, um die Ausführungen seines Vorgesetzten mit vorbereiteten Darstellungen zu unterstützen.

Nun aktivierte der Soldat das Bildsystem.

Ein weiteres Mal flackerte das hololithische Abbild der Himmelskathedrale über der Plattform des Holotisches auf, zeigte sich in den flammenden Farben eines mit Photonen erzeugten Lichtbilds. Sie alle kannten diese Ansicht.

Sie hatten während der letzten Tage mehr als oft genüg über der dreidimensionalen Ansicht der Makrokathedrale gebrütet und entworfen und geplant.

Doch dieses Mal war es anders. Dieses Mal planten und entwarfen sie nicht nur für den Ernstfall. Das hier war todernst. Jetzt stand ihr Leben wirklich auf dem Spiel.

Das betraf sie alle.

Aus diesem Grund hatte Ekko entschieden, alle Offiziere und Vorgesetzte mit in die Besprechung einzubeziehen.

Das bedeutete, dass auch Calgrow, die Space Marines, das Munitorum mit seinen Unterabteilungen, seine ranghöchsten Flieger- und Panzerkommandanten und alle wichtigen Abteilungsführer vertreten waren.

War das Beinhaus zuvor lediglich überfüllt gewesen, so platzte es nun förmlich.

Sogar Krood nahm an dem Briefing teil, wenn auch sichtlich unwillig.

Wie Carrick den Grenadier trotzdem zur Teilnahme hatte bewegen können, war Ekko nach wie vor ein Rätsel. Aber er entschied, sich nicht weiter damit zu beschäftigen. Vermutlich hätte ihn die Lösung lediglich wütend oder melancholisch gemacht. Und im Augenblick gab es wichtigeres zu tun.

Stattdessen ließ er seinen Blick zu den weit aufragenden Space Marines schweifen. Die ehernen Hünen in ihren bunt bemalten Rüstungen und die bei ihnen stehende Sororita hatten es trotz der Enge fertiggebracht, eine Sphäre aus Intimität um sich zu erzeugen, durch die keiner der Offiziere oder Beamten zu durchbrechen vermochte.

Während der Panzerschlacht vor der Himmelskathedrale hatten sich die Überkrieger des Imperiums zurückgehalten, und Ekko wusste, dass er sie mit seinen Entscheidungen auf eine Ersatzbank gesetzt hatte, auf der er sie nicht halten würde können, wenn der richtige Kampf begann.

Aber vielleicht musste er das auch gar nicht. Die Schlacht hatte sie einen immensen Teil ihrer offensiven Schlagkraft gekostet, sie weiterer schwerer Waffen beraubt und zum unnötigen Tod imperialer Soldaten und dem Verlust dringend benötigten Materials geführt. Dadurch war er mehr als nur gezwungen, sich ab sofort auf die gewaltige Schlagkraft der ehernen Golems zu verlassen, die glücklicherweise auf seiner Seite kämpften.

Doch auch diese Tatsache konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie sich etwas einfallen lassen mussten, um der drohenden Xeno-Flut etwas entgegensetzen zu können.

Zudem flatterten seine Nerven noch immer wie wild. Da konnte der Imperator beschützen, wie er wollte, Galardin Alberic Ekko war fertig mit dem Universum.

Das schwere Gefecht mit den Grünhäuten, seine Flucht an Bord des Jagdpanzers und das darauffolgende Nachspiel mit Ligrev, Sile und den verschiedenen Exekutionen hatten ihre Spuren in seinem Geist hinterlassen.

Am liebsten hätte er sich in die Ecke geworfen und vor Wut über seine eigene Dummheit geheult. Sein Kopf pulsierte noch immer im Takt der an- und abschwellenden Schmerzen. Er erinnerte sich daran, von Doktor Calgrow ein Fläschchen mit Medizin erhalten zu haben, konnte sich aber beim besten Willen nicht erinnern, wo er es hingestellt hatte.

Hinzu gesellte sich die vollkommene Trostlosigkeit ihrer Situation.

Das Kommandozentrum wirkte noch immer, als befinde es sich in der Schockstarre, in der er es einige Stunden zuvor zurückgelassen hatte.

Scharfe Schatten, von den aufgestellten Scheinwerfern hinter jede Ecke und Kante des Beinhauses, der Geräte und der Menschen geworfen, ließen den Raum in einem unwirklichen Zustand des Stillstands erscheinen. Jede Bewegung, jede Regung, wirkte scharf und schwach zugleich, abgeschottet vom weichen Licht des ziehenden Tages.

Nicht einmal die schmalen Streifen schwindender Helligkeit konnten sich durch die mit Stahl verbarrikadierten Fenster ins Innere des Beinhauses zwängen.

Ekko ließ seinen Blick durch den Raum schweifen, blieb bei der Stelle hängen, wo Ligrev verschieden war.

Irgendjemand hatte versucht, das Blut des Kommissars zu entfernen †“ und es dabei zu einer breiten Spur verwischt, die nun fröhlich in den steinernen Boden einsickerte.

Und obwohl Ekko den Mann gehasst hatte, war er nicht in der Lage, seine Augen von dem zu wenden, was an das unrühmliche Ende des anderen erinnerte.

Man konnte es nicht anders ausdrücken: Ligrevs Tod war ein herber Verlust für das 512. Selbst, wenn Offiziere wie Ekko oder Balgor lediglich den notwendigsten Respekt für den Kommissar geheuchelt hatten, war er dennoch eine Konstante in der Organisation des Regiments gewesen. Diese Konstante fiel nun weg.

Zum einen senkte das die Moral der Männer, denn trotz seiner kolossalen Unfähigkeit in den Bereichen der Truppenführung und des taktischen Geschicks war Ligrev Kommissar gewesen und als solcher recht bewandert darin, immer und überall da aufzutauchen und zuzuhören, wo man ihn am wenigsten erwartete und erst recht nicht haben wollte.

Das hatte natürlich die Aufmerksamkeit und Vorsicht der meisten Männer, ebenso wie ihren Eifer trotz aller anders lautenden Behauptungen seinerseits geschärft und gesteigert.

Dieser ‚Kommissariatsbonus†˜ fiel mit dem Ausscheiden Ligrevs aus dem aktiven Dienst natürlich weg.

Allerdings †“ und das empfand Ekko als viel bedrohlicher: stieg gleichzeitig die Furcht der Männer vor Leitis Sile. Normalerweise war das nicht schlecht, denn Angst veranlasste die Männer, vorsichtiger und vor allem umsichtiger zu agieren. Mit der Prioris im Rücken konnte sich der Effekt allerdings allzu schnell ins Gegenteil verkehren. Höchstwahrscheinlich würden die meisten Infanteristen stets den eigenen Rücken im Blick behalten, damit die Schaum geifernde Mörderschwester nicht im Wahn über sie herfiel und ihnen bei lebendigem Leibe das Fleisch von den Knochen nagte.

Das war natürlich schlecht. Denn wenn die Soldaten Sile zu sehr fürchteten, würden sie in der Schlacht nicht an ihrer Seite kämpfen wollen, was natürlich die Effektivität der Verteidigung ungemein schmälerte.

Er wusste das, er hatte es immer gewusst und auch während seiner großteilig kalkuliert geplanten Machtspiele mit dem Kommissar nie vergessen.

Aber selbst wenn: vor gut einer Stunde hatte ihn sein Stellvertreter noch einmal umfassend an die Folgen erinnert, die Ligrevs Tod mit sich brachte.

Leider, und das hätte er am liebsten auch seinem Stellvertreter mitgeteilt, hatte er die wandelnde, gut gebaute Zeitbombe unterschätzt, die in wenigen Tagen wohl mehr Männern ins Lazarett verholfen hatte als die Orks in derselben Zeit.

Allerdings hatte er sich während des Gesprächs dann doch anders entschieden, denn trotz Balgors Versprechen, Carrick würde durchweg begeistert sein, fand der Major nicht gerade lobende Worte zu Siles Tat. Tatsächlich fielen mehrfach die Begriffe Häresie, thronverdammt und Imperatorverflucht. Zumeist in Kombination mit den Namen Leitis Sile, Del Mar, Haestian Carrick, Galard Ekko, Kolwa Ligrev und Iglianus, wobei er erstere thronverdammte, letztere auf häretische Weise ermordet fand und mittlere bereits als vom Imperator verflucht ansah.

Diese Ansicht der Dinge mochte wahr sein †“ aber sie war nicht minder lustig. Und tatsächlich gehörte der Gedanke an die fast schon verzweifelt anmutende Cholerik seines Stellvertreters zu den wenigen Dingen, über die er im Augenblick lächeln konnte.

Werde nie Choleriker, da kriegst du leicht die Cholera.

Nicht, dass Carrick in irgendeiner Form cholerisch gewesen wäre, aber er selbst wusste, dass er es bisweilen fertigbrachte, den Major zur Weißglut zu treiben. In der letzten Zeit wohl leider mehr als oft genug.

Nun gut. Blieb nur zu hoffen, dass sie es schafften, sich trotz allen Stresses und aller Verbitterung dennoch wieder zusammenzuraufen. Ansonsten sah er für sie keine Rettung mehr.

Doch bevor sie damit begannen, musste er eine andere, unangenehme Pflicht wahrnehmen. »Eine Schweigeminute für unseren heroischen Kommissar †“ reicht.«

Er atmete tief ein. »Kommissar-General Del Mar wird die Plichten Kommissar Ligrevs übernehmen, sobald er aus seinem Koma erwacht ist. Sollte jemand damit nicht einverstanden sein, bitte ich an dieser Stelle um Wortmeldung für das Protokoll.«

Gut hundert Augen musterten ihn in der peinlichen Stille eines Wissens, das niemand aussprechen wollte.

»Kommen wir also zu den Geschehnissen des heutigen Tages und den daraus resultierenden Konsequenzen, den Gründen, aus denen ich Sie hergerufen habe.«

Er ließ die Worte in die Stille verhallen, wartete auf Antwort aus dem Dunkel der in Schatten gehüllten Hallendecke. Doch er erhielt keine.

Zeit, um fortzufahren.

»Ich will Sie nicht anlügen: Die Operation war in ihrer Planung und Ausführung gut vorbereitet und professionell ausgeführt«, log er. Natürlich hatte er den ganzen Einsatz aus einer Laune heraus initiiert und die Truppen, die in das Unternehmen involviert wurden, damit vollkommen unvorbereitet getroffen. Carricks und Balgors Blicke zeigten das ganz deutlich. Aber wenn er das jetzt zugab, dann würde auch das letzte bisschen Vertrauen in seine Fähigkeiten so schnell platzen wie ein Luftballon in den Klauen eines Blutdämons. Stattdessen entschied er, die göttliche Karte auszuspielen. »Doch offensichtlich war der Gott-Imperator nicht mit uns.«

Der Knall eines lautlosen Schlages dröhnte durch das Beinhaus. Allgemein wurde scharf eingeatmet. »Blasphemie!«, zischte es aus der Gruppe.

Nein! Das war dumm gewesen. Schnell rekapitulierte der Colonel die letzten Minuten, überlegte, wie er sich auf irgendeine Weise aus der Situation retten konnte. Er fand keine.

Egal, was er sagte, egal, wie er fortfuhr, er konnte seine Worte nicht mehr zurücknehmen. Herr auf dem Thron, was für eine Scheiße!, schalt er sich wortlos. Dann atmete er durch. Nun gut, im Augenblick konnte er nichts daran ändern.

»Das hat uns eine Menge Truppen und Potential gekostet. Tatsächlich haben wir während der Situation sämtliche offensive Schlagkraft unserer Sentinels eingebüßt. Damit fallen uns neun Einheiten weg, die bei der Verteidigung der Kathedrale schnell und effektiv hätten eingesetzt werden können. Zusätzlich haben wir fünfzehn Chimären verloren, elf davon Totalverlust.«

Wieder versank er in Schweigen, ließ die Worte wirken. Dieses Mal jedoch klang ganz deutlich eine kleine, hämische Stimme in seinem Kopf an, die ihn beschimpfte und als Verräter am Imperator brandmarkte. Am liebsten hätte er sie dafür gewürgt, war es doch sein eigenes Gewissen, das ihn auf diese Weise verbal hieb.

Er entschied, nicht weiter darauf einzugehen, nickte stattdessen in Balgors Richtung. »Captain Balgor hat mich soeben informiert, dass eine unserer Walküren eine orkische Streitkraft ausgemacht hat, deren Marschrichtung sie direkt zu uns führt. Im Laufe des morgigen Tages werden diese Truppenverbände gegen die Mauern der Himmelskathedrale branden. Und so, wie wir ihre Artgenossen verprügelt haben, dürfte ihre Begeisterung über unser Hiersein recht bescheiden ausfallen.«

Aus den Augenwinkeln sah er Solmaar, Balgor und Retexer böse grinsen, wobei letzterer wohl aus anderem Grund grinste wie die anderen beiden. Carrick hatte ein ernstes Gesicht aufgesetzt, das den Worten des Colonels klar zustimmte. Die meisten anderen Anwesenden wirkten beunruhigt und verunsichert. Wer sollte es ihnen verdenken?

»Mit dem Tod von General Iglianus und aufgrund des Fehlens weiterer Kommandeure bin ich zum höchsten Befehlshaber der Imperialen Armee auf diesem Planeten aufgestiegen. Im Rahmen dieses neuen Aufgabengebiets und der damit einhergehenden Befehlsbefugnisse biete ich Ihnen nun zwei Möglichkeiten«, offenbarte er ihnen. »Die erste Möglichkeit ist der Rückzug aus der Kathedrale. Wir räumen das Gebiet, nehmen die Beine in die Hand und hoffen, dass uns der Feind nicht den Arsch aufreißt. Oder wir bleiben, igeln uns ein und Geben denen eins auf die Fresse, dass sie schreiend zu Mama zurücklaufen!«

Jetzt endlich erzielte er den gewünschten Effekt. Die Männer riefen, lachten laut und bekundeten ihre Zustimmung.

Er gab ihnen gnädig dafür Zeit, bevor er fortfuhr. »In Anbetracht der Tatsache, dass wir trotz unserer Verluste einen Erfolg verbuchen konnten, indem wir zwei Jagdpanzer unter dem Kommando von Captain Jaorah Nurin †“«, er deutete auf den kleinen Panzerkommandanten, »†“ sowie drei Chimären und über achtzig Mann vor dem sicheren Tod retten konnten, habe ich für mich bereits entschieden, die Herausforderung des Gott-Imperators, Seine Prüfung an uns, anzunehmen und Ihm zu beweisen, dass wir es wert sind, weiter Dienst an Ihm zu leisten.«

Zustimmendes Murmeln hieß seine Worte willkommen. Besonders Sile, deren goldene, kalte Schönheit die bei weitem größte Zierde in diesem toten Beinhaus darstellte, schien den Tränen nahe zu sein.

Er betete zum Gott-Imperator, dass sie nicht in einen Weinkrampf imperialer Lobpreisung ausbrach.

»Ich möchte aber nichts ohne Sie entscheiden, denn schließlich sind es Ihre Leben, die später mit mir im Staub liegen werden.«

Wieder war es Leitis Sile, die den Ton angab. Ihre erfrischende Stimme wehte fest durch den Raum, zwang sie alle zur Kooperation: »Wir kämpfen!«

»Für Bastet! Für unsere Lieben! Für den Imperator!«, stimmte Retexer zu.

»Kämpfen!«, nickte Balgor.

Solmaar lächelte finster. »Kämpfen.«

Carrick sah seinem Vorgesetzten direkt ins Gesicht, dann bestätigte auch er sein Vertrauen in die Fähigkeiten des Basteters. »Kämpfen.«

»Kämpfen!«, schloss sich die Masse der Anwesenden an. Besonders die Bässe der Space Marines dröhnten penetrant aus dem Lärm.

Ekko atmete tief ein, als der Tumult sogar das Beinhaus erzittern ließ. Er hatte bereits gefürchtet, dass sich Carrick und das Munitorum gegen ein Halten der Makrokathedrale aussprechen würden. Doch auch sie hielten zu ihm und seiner Idee, wenigstens ihr Leben, ihre Seelen und ihre Herzen teuer zu verkaufen, sollten sich die Grünhäute entscheiden, ihre Stellung zu stürmen.

»Also gut«, rief er aus, um die Kontrolle über die Begeisterung seiner Leute zurückzuerlangen. »Ich möchte, dass wir heute einen Sturm der Himmelskathedrale durch den Xeno-Abschaum durchspielen. Aus diesem Grund sind auch alle Vorgesetzten und Abteilungsführer zu dieser Besprechung gebeten worden. Ziel ist es, jeden uns möglichen Feindkontakt taktisch abstrakt durchzuexerzieren und uns einen Plan zurechtlegen, mit dem wir darauf reagieren können. Das heißt: jede Lage, jede Situation, so unwahrscheinlich und unmöglich sie auch erscheinen mag, wird Gegenstand dieser Besprechung sein. Soweit verstanden?«

Grimmige Zustimmung antwortete ihm.

»In Ordnung. Das scheint eine sehr lange Nacht zu werden. Gehen Sie also am besten vorher alle noch einmal pinkeln. Es wird sobald keine Gelegenheit mehr dazu geben.«

bearbeitet von SisterMaryNapalm

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Salve, liebe Stargazer-Leser. Ein neues Jahr ist ins Land getreten †“ und bereits einigen auf den Fuß, wie ich aus dem Freundeskreis vernehmen durfte.

Also, das Jahr 2012, gerade einmal 4 Tage alt und schon so hässlich und regnerisch, als wenn es seinem Ende entgegensieht. Zeit, Eure Herzen zu wärmen ;-D

Allen ein frohes Neues und viel Spaß mit dem neuen Stargazer-Kapitel. Ich habe mich selbst gepeitscht, dass ich es nicht früher mit dem Veröffentlichen geschafft habe, aber es ging leider nicht.

Wie immer vielen Dank an Nakago für seine kurze Fluff-Kontrolle und Viel Spaß beim Lesen!

25

Als Ekko das nächste Mal die Gelegenheit nutzte, auf sein Chronometer zu blicken, war es bereits nach drei Uhr morgens Regimentszeit. Er stellte eine ungeschickte Kopfrechnung an und gelangte so zu dem Schluss, dass sie bereits seit acht oder neun Stunden in der kalten, künstlichen Beleuchtung des Kommandozentrums zugebracht haben mussten.

Zwischenzeitlich war die Anzahl der Anwesenden auf eine überschaubare Zahl abgesunken. Weniger als der Hälfte der von ihm ursprünglich zu der Besprechung Gerufenen stand noch mit ihm an der holografischen Darstellung der Himmelskathedrale. Besonders die Angestellten des Munitorums, Calgrow und ihre Chefsanitäter und ein Teil der Captains hatten sich zurückgezogen, um die ihnen zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen, ihre Bereiche vorzubereiten oder weitere Pionierarbeiten in den Verteidigungszonen der Kathedralenstadt durchzuführen.

Der Colonel seufzte leise und streckte sich. Sein Rücken schmerzte von der Zeit, die er brütend über der dreidimensionalen Karte verbracht hatte und seine Augen brannten ob der scharfen Kontraste, welche die militärisch karge Wandbeleuchtung in das Beinhaus warf.

Warum gehörte das Beinhaus eigentlich nicht zu den Gebäudeteilen, denen eine exzellente Ausleuchtung durch mächtige Deckenlampen zu Teil wurde, wie man sie den Haupt- und Querschiffen und dem Turm des riesigen Gemäuers fand?

Ach ja, richtig. Die Space Marines und Kroods Kasrkin hatten jede Chance auf eine Beleuchtung zunichte gemacht.

Die Trümmer- und Scherbenhaufen, die sich als notdürftig zusammengekehrte Häufchen gegen die Wände des Raums duckten, erinnerten mehr als deutlich daran.

»Also, egal wie wir es drehen und wenden«, zog ihn die zweifelnde Stimme Captain Balgors aus seinen Gedanken, »am Ende verlieren wir die Schlacht so oder so.«

Bei den Worten richtete der Colonel seinen Blick zurück auf die flimmernde Darstellung, die ein ums andere Mal in der roten Woge aus Feinden ertrank.

Sie hatten, aufgrund fehlender Information über die genaue Feindstärke, mit zwei imperialen Korps gerechnet, bestehend aus insgesamt sechs Divisionen, aufgeteilt zu jeweils drei Regimentern. Einhundertvierzigtausend Mann, welche die Kathedrale einkreisten und sich dann Stück für Stück vorarbeiteten, bis sie schließlich die Verteidigungsringe zerbrachen und als stilisierte Flut durch die Gassen und Häuser der mächtigen Stadt schwappten. Den Rest malte sich die Fantasie aus. Und dabei war sie nicht einmal unkreativ.

»Vielen Dank für diese Information, Balgor«, gab der Regimentskommandeur ungeniert von sich, noch bevor er es verhindern konnte. »Ich glaube auch nicht, dass irgendjemand von uns dieser kleinen Bastion imperialer Macht noch irgendeine Chance eingeräumt hätte, oder?« Sein Blick wanderte durch die Anwesenden. Er sah durchweg in betretene Gesichter. »Dachte ich mir. Es steht also nur noch die Frage, wie teuer wir unsere Leben verkaufen.«

Grummelnde Zustimmung erhob sich aus den Reihen der Offiziere.

Während ihrer theoretischen Abwehrschlacht hatten sie es geschafft, gut dreißigtausend Gegner direkt am äußeren Ring zu vernichten, weitere dreißigtausend bezahlten den Sturm durch die ersten beiden Ringe mit dem Leben. Hinzu kamen zehn- bis fünfzehntausend, die durch Sprengfallen und improvisierte Abwehrmechanismen ausgeschaltet wurden.

Der finale Angriff kostete die Feinde zusätzlich fünftausend Kämpfer, bevor sie die Verteidigungsstellungen der Basteter durchbrachen. Von dort an schrumpften die Zahlen der Verteidiger im Sekundentakt mehrstellig, bis schließlich keiner von ihnen mehr übrig war.

Machte also im besten Falle gut achtzigtausend Gegner, die von Ekkos Soldaten neutralisiert werden konnten, bevor die schiere Masse des feindlichen Sturms sie überrannte und erdrückte.

Damit blieben also noch gut sechzigtausend Gegner übrig. Definitiv zu viele, als dass diese durch weitere Fallen bis auf den letzten Mann dezimiert werden konnten.

Balgor hatte es also ganz richtig festgestellt: So oder so, sie hatten keine Chance. Doch das musste nicht bedeuten, dass sie nun verzagten und sich im Angesicht der Übermacht ihrem Schicksal fügten.

Im Gegenteil. Ekko war sich sicher, dass seine Leute alles geben würden, um seinem Vertrauen in sie alle Ehre zu machen. Und manchmal vollbrachte auch die Heilige Bastet im Namen des Imperators schier unglaubliche Wunder.

Das hoffte er zumindest.

»Entschuldigen Sie«, meldete sich die kompakte Gestalt Jaorah Nurins zu Wort. Der Captain war bereits vor einziger der Diskussion entflohen und in seinen eigenen Gedanken versunken. Ekko hatte schon geglaubt, der imperiale Offizier würde sich schließlich verabschieden und einfach gehen, doch wie es schien, kehrte er nun zu ihnen zurück. Und das mit Gedanken und Ideen.

Tja, wo ein eiserner Geist, war auch meist ein gepflasterter Weg.

So sagte man zumindest auf Bastet. Wie Carrick und Maryan schien auch Nurin zu den Personen zu gehören, denen man ihr Wissen und ihre Gedankenwelt nicht unbedingt auf den ersten Blick ansah.

Gutheißend ruckte er mit dem Kopf, gestattete dem Desposianer, fortzufahren.

»Ich habe mich gefragt, wie es mit dem Untergrund aussieht«, erkundigte sich der Captain.

Retexer, der nur zwei oder drei Meter entfernt stand, konnte nicht an sich halten. »Dem was?«

»Was ist denn mit dem Keller?«, präzisierte der Panzerkommandant.

Damit erlangte er schließlich die vollständige Aufmerksamkeit aller Anwesenden. Sämtliche Offiziere wandten sich zu ihm um.

Ein tonloser Pfiff entwich dem Colonel. Beim Barte von Bastets Propheten, der Mann hatte recht!

Die Katakomben waren ein gewaltiges unterirdisches Feld aus Trümmern, Bauten und Hallen, durch die eine ganze Armeegruppe bequem hätte marschieren können, ohne von angreifenden †“ in diesem Fall verteidigenden †“ Truppen behelligt zu werden.

Er selbst hatte die Katakomben in seinem Defensivplan außer Acht gelassen, da ihm keine Möglichkeit eingefallen war, die Unterwelt so zu verteidigen, dass seine Truppen von Attacken der Grünhäute unbehelligt blieben.

Maryan hingegen hatte einen umfassenden Plan für die Defensive der Kanalisation aufgestellt, seine Ausführung jedoch auf Grund von Zeit- und Personalmangel verschoben. Nun schlug die Erinnerung an die verdrängte Gefahr mit voller Kraft zurück.

Er hörte scharfes Einatmen. Offensichtlich erschraken einige Offiziere gerade, als ihnen dieses viel zu wenig erwogene Bedrohung ins Gedächtnis fiel.

Andere dachten nicht soweit.

Captain Solmaar, seit einer ganzen Weile mit der Betrachtung der Himmelskathedrale beschäftigt, runzelte die Stirn. »Wie meinen Sie das?«

Unbeeindruckt zuckte der Panzerkommandant die Schultern. »Das ist doch so eine Art riesiges Haus-Stadt-Dingens. So was muss doch einen Keller haben.«

»Der Keller«, entfuhr es schließlich auch Carrick, der ob seiner eigenen Überraschung für eine Sekunde die Kontrolle über seine Ordnung verlor, sich aber kurz darauf wieder fing.

Aus den Augenwinkeln sah Ekko, wie sich der Major zu ihm herüberlehnte. »Sir, haben wir die Unterstadt bedacht?«, raunte die Stimme des blonden Offiziers.

Ekko warf seinen Stellvertreter einen eindeutigen Blick zu.

»Thronverdammt«, erschauderte der Major.

Retexer, offensichtlich in seiner Sicht eines ehrenhaften Kampfes gestört, fuhr auf, als sich niemand fand, das Wort vor ihm zu ergreifen.

»Meine Leute haben die Katakomben durchmessen«, berichtete der Offizier. Sein kritischer Seitenblick in Richtung Ekko war nicht zu übersehen. »Sie schließen nach allen Richtungen ins Nichts ab.«

»Ins Nichts?« Solmaar runzelte die Stirn.

Captain Rosol an seiner Seite wirkte ebenso irritiert. »Wie meinen Sie das, Retexer: ‚Die Eingänge führen ins Nichts†˜?«

Heftig, als habe er es mit der größten Beleidigung seit der Horus-Häresie zu tun, erschoss Retexer die beiden unverständigen Männer mit seinen Blicken. »Das bedeutet, dass die Gänge plötzlich und ohne erkennbare Fortführung in abgeschlossenen Räumen, eingestürzten Gängen oder vor gepanzerten Wänden enden. Es gibt von Innen nirgends sichtbare Ausgänge †“ und im Umfeld der Kathedralenstadt gibt es keinerlei oberirdische Zugänge. Die Katakomben sind ein in sich geschlossenes System, das lediglich Totengruben und die Abwässer der Stadt beherbergt.«

»Vielen Dank für Ihre umfassende Analyse«, murmelte Ekko halb zynisch, halb abwesend. Das alles klang für seine Ohren äußerst eigenartig und er fragte sich unwillkürlich, was die Erbauer wohl mit dieser Art der Konstruktion hatten bezwecken wollen. Zudem konnte er sich kaum vorstellen, dass die Anlage genauso geplant und bebaut worden war, wie der Captain sie beschrieb, zumal ihnen eine umfassende Kartografie der entsprechenden Areale fehlte.

»Und selbst, wenn die Kanalisation ein in sich geschlossenes System darstellt. Sobald der Gegner die Außenmauern durchbricht, hat er die Möglichkeit, die Unterstadt zu betreten. Und dann?«, gab Nurin in Richtung Retexer zu bedenken.

»Sämtliche Abflüsse, Eingänge und Versorgungstunnel sind massiv zugemauert worden. Man müsste sich gewaltsam Zutritt verschaffen. Und dazu wären viele Tonnen Sprengstoff notwendig.«

»Es ist nicht unbedingt notwendig, die Abflüsse freizusprengen, um in die Kanalisation zu gelangen. Es reicht ein einfacher Geschütztreffer, der den Erdboden aufreißt«, warnte sein Diskussionsgegner weiter. »Wenn ich mir die Karte ansehe †“«, er wies auf die dreidimensionale Darstellung, die geduldig in der Luft schwebte und darauf wartete, dass die Menschen ihren Disput beendeten, »dann sehe ich ein Netz aus hunderten Abflüssen, Tunneln und Gängen, die um diese riesige Unterstadt verlaufen. Da ist es leicht, bei einem heftigen Feuergefecht den Boden soweit aufzureißen, dass der Gegner unsere Verteidigungsstellungen unterminieren kann.«

Carrick schüttelte fassungslos den Kopf. »Colonel, ich kann mir nicht vorstellen, dass die Grünhäute wirklich nach einer Möglichkeit suchen werden, uns zu unterwandern«, überlegte er, an Ekko gewandt, leise. »Immerhin reden wir hier von den Orks.«

Der Colonel zuckte die Achseln. »Aber reden auch von den Orks, die eine komplette Armeegruppe eingeschlossen und vernichtet haben.«

»Man müsste sich durch viele Meter Gestein graben, um die Katakomben zu erreichen«, wiedersprach derweil Retexer dem ranggleichen Panzeroffizier. »Und selbst danach muss man sich noch immer in die Katakomben herablassen.«

Nurin blieb unbeeindruckt. »Das Durchgraben ist kein Problem. Das schaffen wir mit dem Laser Destroyer in nur zwei Schuss.«

»Nurin, Sie gehen mir allmählich auf die Nerven«, erboste sich Retexer, der durch die scharfe Analyse des anderen Offiziers vor einem Gesichtsverlust zu stehen schien. »Ihre vermeintliche Kenntnis dieses Geländes entbehrt jeder Grundlage. Sie haben nie bei der Infanterie gedient. Sie wissen doch gar nicht, wie man das Gelände einsetzt.«

»Gelände ist eine stete Konstante des Gefechts. Sie wird nicht als vorgefertigtes Element aufs Schlachtfeld gestellt und dient dann als Deckung oder Sichtschutz, kann aber nicht bewegt werden. Das Gelände formt die Schlacht und wird von ihr geformt. So etwas bringt man uns Panzerjägern bei. Und Sie als Infanterieführer sollten das auch wissen, Captain.«

»Na ja«, stichelte Balgor »Captain Retexer war ja auch der Meinung, meine Flammenwerfer könnten ihm im Schützengraben nichts anhaben.«

»Balgor«, wies Ekko ihn zurecht, bevor der ehrbesessene Basteter die Gelegenheit zu einer harschen Antwort erhielt. »Sie können woanders blöd sein.«

Der Captain nahm Haltung an. »Woanders blöd sein. Jawohl, Colonel.«

»Dann ist das geklärt. Sehr gut. Also, Nurin, nehmen wir einmal an, der Gegner schafft es, in die Kanalisation und die Katakomben vorzudringen. Wie kommt er von dort wieder an die Oberfläche? Sämtliche Eingänge und Abflüsse sind meterdick verbarrikadiert und einbetoniert.«

»Ich habe gesehen, dass die Eingänge und Abflüsse verbarrikadiert und zugemauert worden sind. Aber das unterstützt doch die Abwehrmaßnahmen innerhalb der Kathedrale nicht. Die Sprengwirkung von Hohlladungskörpern oder Ladungsträgern wird auf diese Weise doch lediglich vervielfacht und reißt mächtige Löcher in die Abwehrmaßnahmen dieses sowieso schon schwierig zu verteidigenden Geländes. Zudem«, wandte der Captain ein, »Irgendwie müssen Captain Retexer und seine Leute ja in die Unterwelt gelangt sein. Das heißt, es gibt bereits erhebliche Schwachstellen in der Barrikade.«

Ekko brummte verstehend. Er überlegte eine Weile, in der die anderen Anwesenden so allmählich begriffen, was der Panzerkommandant entdeckt hatte. Schließlich bedeutete er dem rangniederen Offizier, fortzufahren. »Ihre Vorschläge?«

»Sprengsätze«, erklärte der Desposianer bestimmt. »Wir müssen die Unterwelt so stark verminen, dass der Gegner nicht hindurch kommen kann.«

»Es würde Jahre dauern, die Katakomben vollständig zu verminen!«, gab Solmaar zu bedenken.

Captain Fendel nickte zustimmend. »Zudem gibt es keine vollständigen Pläne der Unterstadt. Wir wissen also gar nicht, ob wir wirklich alle Gänge, Wartungsschächte und Abwassertunnel vermint haben.«

»Aus dem Grund sollten wir auch größere Sprengsätze verwenden. Die haben genug Sprengkraft, um einen ganzen Abschnitt zu räumen, sobald sie detonieren. Gibt es so etwas in Ihrem Arsenal, Sir?«, fragte Nurin, an Ekko gewandt.

»Ja †“ es gab da so eine Idee mit einigen Nuklearwaffen. Wir haben sie aufgrund eines winzig kleinen Problems verworfen.«

Nurin runzelte die Stirn. »Welches Problem?«

»Wir wären mit in die Luft geflogen.« Der Regimentskommandeur kratzte sich am Kopf. Im fiel auf Anhieb auch keine Lösung für das Problem ein, auch wenn im klar war, dass Nurin ein wirklich ernstes Problem angesprochen hatte. »Ich muss mir die ganze Sache noch mal durch den Kopf gehen lassen«, entschied er mit einem Blick auf die Anzeige.

Eine Weile brütete er über der Frage, wie nun weiter zu verfahren war, kam allerdings zu dem Schluss, dass er vorerst keine zufriedene Antwort darauf fand, geschweige denn eine Lösung für ihre Lage parat hatte.

Alle ihre Probleme waren angesprochen und mehr oder weniger abgehandelt worden. Damit fiel jede weitere Diskussion in dieser Richtung weg. Auf jeden Fall von seiner Seite.

»Noch irgendwelche Anmerkungen, Herr Komm…«, fragte er und wandte sich um. Betretenes Schweigen setzte ein.

Ligrev fehlte.

»Ach ja«, entfuhr es dem Colonel, bevor er laut verkündete: »Der Kommissar scheint keine Einwände zu erheben. Noch irgendwelche Fragen?«

Hallende Stille bedachte ihn mit dem müden Lächeln der Leblosigkeit. Natürlich hatte niemand mehr Fragen. Dafür waren sie bereits alle zu erschöpft und mit Informationen überladen.

»Nun gut«, beschloss er die Besprechung. »Sollten weitere Fragen oder Anregungen ihr hässliches Haupt erheben, wenden Sie sich vertrauensvoll an mich oder Major Carrick. « Er stockte kurz. »Wohl doch eher an Major Carrick. Damit beende diese Besprechung. Tod und Verderben, meine Herren.«

»Tod und Verderben«, erhielt er zur Antwort, als die Gruppe sich auflöste, um ihren Aufgaben nachzugehen.

Balgor und Carrick traten an die Seite ihres Vorgesetzten. »Tod und Verderben, Colonel?«, erkundigte sich der Captain, wieder einmal mit hochgezogenen Augenbrauen.

Ekko bedachte ihn mit dem Blick. »Müssen Sie mich jetzt jedes Mal darauf ansprechen, Balgor?«

Der Captain hob spielerisch die Hände zur lautlosen Abwehr.

Major Carrick neben ihm war in weniger guter Stimmung. »Colonel, was Sie von den Männern erwarten, ist fast unmöglich!«, gab der Major zu bedenken.

Ekko nickte müde. »Ja, ich weiß. Aber auch nur fast. Und wenn wir wirklich überleben wollen, hilft es nicht, an den Eutern der Heiligen zu nuckeln. Wir müssen uns selbst etwas einfallen lassen.«

»Das ist Blasphemie, Sir«, erboste sich sein Stellvertreter.

»Nein. Das nennt sich Pragmatismus, Major«, stoppte der Colonel jede weitere Diskussion in diese Richtung. »Sie sollen nur die richtige Sicht auf die Dinge erhalten. Zudem: Wenn die Heilige meine Worte als Blasphemie auffasst, dann wird sie mich zu entsprechender Zeit pfählen.«

»Bei Ihrem Glück pfählt sie daneben«, warf Balgor dazwischen, bevor ihm richtig klar wurde, was er gerade gesagt hatte.

»Captain«, zischte Carrick entrüstet, während Ekkos Miene schlagartig entgleiste.

Sich der Blicke der beiden anderen Offiziere bewusst murmelte der Balgor eine Entschuldigung und zog es dann vor, für die nächste Zeit zu schweigen.

»Herr auf dem Thron«, stieß der Colonel aus und rieb sich über die Augen. »Gibt es da noch irgendetwas, das ich eigentlich lieber nicht wissen möchte, Carrick?«

Der Major überlegte einen Moment, räusperte sich dann. »Es gibt da noch eine Sache, mit der ich Sie eigentlich nicht belästigen wollte, da Sie auf die Dame bisher sowieso nicht so gut zu sprechen waren.«

Bei diesen Worten sah Ekko auf und warf einen alarmierten Blick aus weit aufgerissenen Augen hinüber zu seinem Untergebenen. Oh, Herr auf dem Thron, bitte nicht!, schoss es ihm durch den Kopf. Oh, großer Gott-Imperator, bitte lass es nichts mit Sile zu tun haben! »Ich … verstehe. Dann tun Sie es jetzt: Also †“ ich höre?«

»Die Ekklesiarchin hat darum gebeten, unsere Fahrzeuge und Soldaten in einer Zeremonie mit geweihtem Rauch segnen zu dürfen.«

Stille übernahm die Gesprächsführung. Es war eine unangenehme Stille, die munter drauf losplapperte und Anekdoten aus ihrem Leben erzählte, während Ekkos Innere Dämonen um die Vorherrschaft rangen, ihre Pläne für seine nächste Reaktion schmiedeten.

Er wusste nicht, ob er vor Glück lachen sollte, dass es nichts mit Sile zu tun hatte, wütend die Hände über dem Kopf zusammenschlagen sollte, dass er bereits in Wahnvorstellungen vor dieser Frau lebte oder einfach nur resigniert seufzte.

Er ließ die Dämonen flüstern, wie sie wollten und entschied sich für die vierte Möglichkeit. »Nein †“ Ich will nicht, dass die alte Wachtel unsere Fahrzeuge mit Rauchbomben segnet.«

Carrick und Balgor sahen ihn verständnislos an.

»Irgendwann vergreift sie sich« Ekko ahmte eine kräftige Explosion mit seinen Händen nach und würzte die Geste mit entsprechender Geräuschkulisse. »Whoooosch †“ und dann?«

Die beiden anderen Offiziere zeigten sich weiterhin vollkommen überwältigt von den chaotischen Gedankengängen ihres Vorgesetzten.

»Dann heißt es wieder: Colonel, warum haben Sie zugelassen, dass uns Kampfkraft verloren geht?«, erklärte er.

Major Carrick schüttelte seinen Kopf in dem Versuch, ihn von allen freischwebenden Gedanken zu befreien. »Ich verstehe die Aussage nicht«, gestand er schließlich.

Entnervt winkte Ekko ab. »Ich vermute einfach einmal ganz stark, dass ich die Dame sowieso nicht davon abhalten kann, an diesem Ort wie wild herumzuqualmen. Also lassen Sie es einfach zu, Carrick. Vielleicht gibt das den Männern wenigstens ein bisschen Hoffnung.« Nachlässig wedelte er mit der Hand, scheuchte den Major und alle weiteren Probleme mit ihm fort.

Sein Stellvertreter nickte, salutierte befehlsgewohnt und zog sich dann wortlos zurück.

Balgor blieb bei Ekko. Die beiden Imperialen bedachten die traurig vor sich hin flimmernde hololithische Anzeige, auf der ein ums andere Mal die Mächte des Imperiums gegeneinander aufwogten, miteinander rangen, sich vermischten und trennten, wie ein Liebespaar †“ ein recht flüssiges Liebespaar zwar, aber doch ein Liebespaar.

Der Colonel schüttelte sich. Wenn er jetzt weiter in dieser Richtung dachte, würde er sich spätestens in ein paar Minuten in einer Einbahnstraße ohne Wendemöglichkeit wiederfinden. In einem reißenden Strom ohne die ruhigen Stellen völligen Stillstands, wo er seine Kräfte sammeln und ans Ufer schwimmen konnte. Und er fühlte, dass er dann unrettbar verloren war.

Zudem … ein unablässiges Kitzeln machte sich in seiner Nase breit. Wie das Krabbeln einer Spinne, die sich zielsicher ihren Weg in Richtung Opfer suchte, belästigte ihn das unangenehme Gefühl dermaßen penetrant, dass er schließlich nicht anders konnte als zu Niesen.

»Gesundheit«, wünschte der Captain an seiner Seite. Er meinte es ehrlich.

»Danke«, erwiderte sein Vorgesetzter schniefend. »Es überkam mich plötzlich.«

»Da denkt wohl gerade jemand an Sie.«

Ekko riss ein weiteres Mal alarmiert die Augen auf, warf suchende Blick in den Raum. In dem harten Licht der Scheinwerfer und den von ihnen gezeichneten, scharfkantigen Schatten ließ sich jedoch nichts ausmachen, das den Offizier hätte beunruhigen müssten.

Außer ihm, Balgor, den Operatoren der Nachtschicht und den Wachsoldaten vor dem Eingang zur Kommandozentrale hatten bereits alle anderen das Gemäuer verlassen.

Allerdings schien es auch genau das zu sein, was ihn so sehr beunruhigte.

Das leise Summen der arbeitenden Kommunikations- und Darstellungsgeräte lachte ihn durch die einkehrende Stille hindurch aus. Und aus einem für ihn nicht näher definierbaren Grund kam er sich in dem Augenblick zu Recht ein wenig dämlich vor.

»Ich hoffe nicht«, zischte der Colonel. »Denn wenn ich mir überlege, wer gerade an mich denken könnte, dann schließt das nur zwei Möglichkeiten ein: eine gewisse blonde Prioris ertrinkt gerade in Freudentränen †“ oder irgendwer hat es wieder einmal auf mich abgesehen.«

Balgor zuckte die Achseln. Seine Mine verzog sich zu einem schalkhaften Grinsen. »Eine liebestolle Sororita wirft einen Teppich aus und betet gen Ekko«, sinnierte er.

»Sie können mich mal, Balgor.« Ekko schüttelte resigniert den Kopf, bevor er seine Uniform straffte. »Ich werde mal eine kleine Runde machen. Vielleicht hilft mir das beim Abschalten.«

Er nickte seinem Untergebenen zu, wünschte den Operatoren noch ruhigen Dienst und verließ das Beinhaus.

Ein kühler Hauch fremder Macht begleitete ihn dabei.

***

Das dunkle Herz der Finsternis senkte sich als beruhigende Decke über die verbrannten Ebenen von Agos Virgil, ertränkte all die Pein und das Leid in einem Balsam aus Dunkelheit.

Die lange Nacht, das Ende allen Friedens, nahte für die Männer und Frauen, die sich im Schutz der Himmelskathedrale verbarrikadiert hatten und nun auf den Feind warteten, der sie bereits morgen erreichen und in einen verzweifelten Kampf um Leben und Tod zwingen würde.

Soldat Rahael erschauderte, als er das von Verletzten belegte Feldlazarett verließ, das Doktor Calgrows Sanitäter in einer Priorei nahe der Himmelskathedrale eingerichtet hatten.

Kühle, stellenweise bereits erkaltende Nachtluft hieß den jungen imperialen Soldaten in ihrem Schoß willkommen. Noch schien sich das Wetter auf dieser Welt nicht recht entscheiden zu können, wie es mit der planetenweiten Zerstörung der Natur und menschlichen Behausungen, deren steter Wechsel seit Jahrhunderten seine Witterungen bestimmt hatten, umgehen sollte. Allerdings war er sich sicher, dass das globale Klima bald aus allen Wolken fallen würde †“ im wahrsten Sinne des Wortes.

Bis eben hatte er am Bett seines Sergeants gewacht, zusammen mit Itias und Rebis, den derzeit einzigen einsatzfähigen Soldaten aus Lenhims Trupp.

Alle anderen gehörten inzwischen zur Belegschaft des Lazaretts und genossen die Führsorge der Regimentsärztin und ihrer Untergebenen.

Wie gerne hätte er sich ebenfalls einfach in eine dunkle Ecke geworfen, die Augen geschlossen und wäre an seinen Selbstzweifeln zugrunde gegangen. Doch das ging nicht †“ er konnte nicht!

Seit dem Kampf seiner Kameraden und der Kasrkin gegen die Space Marines war viel geschehen. Zu viel, als dass er es jetzt in Gedanken hätte abhandeln können †“ doch in all den Tagen seitdem hatte er den Eindruck gewonnen, nicht genug getan zu haben.

Wie die meisten anderen hatte er während der Panzerschlacht vor der Himmelskathedrale Ausschau gehalten und zum Imperator gebetet, er möge die Männer in den stählernen Fahrzeugen sicher heim geleiten.

Wie alle anderen hatte er mit einem Raunen auf das Gerücht reagiert, dass Colonel Ekko und Prioris Leitis Sile vorne bei der kämpfenden Truppe standen.

Und wie alle hatte er die siegreiche Rückkehr der beiden Helden auf den stählernen Schlachtrössern bejubelt.

Doch nun, wo er Zeit hatte, endlich über die Ereignisse zu rekapitulieren, fielen all die Begeisterung und die Freude von ihm ab. Zurück blieben lediglich Angst und Verzweiflung. Er fühlte sich klein, unbedeutend, als wenn er versagt hatte.

Aber war es nicht auch so?

Der Colonel hatte ihm das Leben gerettet, inzwischen sogar mehrmals. Itias und Gireth, mit denen er sich mittlerweile sehr gut verstand, wussten ähnliche Geschichten zu erzählen.

Im Gegenzug konnte er allerdings nichts vorweisen, das das in ihn gesetzte Vertrauen und die auf ihn verwendete Energie in irgendeiner Weise gerechtfertigt hätten erscheinen lassen können.

Es kam ihm vor, als wenn er Colonel Ekko enttäuscht hatte, den Mann, den er am Wenigsten enttäuschen wollte.

Ekko, wenn er auch als recht eigen und draufgängerisch galt, gehörte er wohl zu den umsichtigsten und überlegtesten Menschen, die Rahael in seinem kurzen Leben bislang kennengelernt hatte. Er wäre an der Seite des Basteters bis ins Herz der Finsternis, bis zum Ende der Galaxie marschiert. Nein, er wollte den Colonel wirklich nicht enttäuschen.

Und Calgrow, eine erfahrene Ärztin und kampferprobte Frau, die wie er von Cadia stammte, wollte er ebenso wenig enttäuschen, wenn auch aus anderen Gründen.

Zum einen, weil sie als Cadianerin eine unerbittliche Dienerin des Imperators war, deren Verständnis von Hingabe und Ehre sich maßgeblich von dem unterschied, was ein junger und unerfahrener Soldat wie er sich vorstellte.

Zum anderen, weil er wusste, dass sie eine ehemalige Kommissarin war und anders als Ekko ein Versagen nie vergeben würde.

Kurzum †“ er hatte Angst. Panische Angst vor dem Versagen, vor der Unehre - und davor, mit dem Wissen zu sterben, dass er seine Vorgesetzten enttäuscht, dass er sie verraten hatte.

Doch mit wem hätte er über diese Ängste sprechen sollen? Mit dem Colonel? Mit Captain Balgor? Mit Rebis oder einem aus dem Trupp?

Nein, das ging nicht. Das konnte er nicht. Wir hätte er ihnen sagen sollen? Wie hätten sie von ihm gedacht? Dass er ein kleiner, feiger Häretiker war, der vor seiner eigenen Angst zurückschreckte?

Es blieb also nur eine Möglichkeit: Die Basilika. Er würde vor den Altar treten, die Heilige Janaͯs und den Imperator anrufen und um ihren Beistand bitten, damit er seinen Dienst auf diesem verdammten Planeten, an diesem Heiligen Ort imperialer Macht fortführen konnte und hoffentlich auch überlebte.

Rahael seufzte leise, ließ den Tag hinter sich und betrat die Himmelskathedrale durch die schier winzige Tür in den gewaltigen, mit Schädeln besetzten Toren, aus deren Zentrum ihn die Heilige mit musternden Blicken bedachte. Ihr Schwert wies drohend auf ihn.

Der junge Cadianer schluckte. Er musste unwillkürlich an die gern zitierten Worte Colonel Ekkos denken: ‚Lasset alle Hoffnung fahren, die die Ihr hier eindringt …†˜. Dass er selbst nicht wusste, wie die Litanei fortgeführt wurde, beruhigte ihn nicht im Mindesten.

Als Rahael die Kathedrale betrat, fiel die Temperatur um ihn herum. War sie bisher immer recht angenehm gewesen, so fröstelte es ihn nun. Kälte kroch unter seiner Uniform umher, suchte sich Wege durch die Unterbekleidung und packte seinen Körper mit eisigen Klauen.

Er beschleunigte seine Schritte, bemühte sich das Zittern in seinem Körper unter Kontrolle zu bringen.

In dem Gemäuer selbst herrschte deprimierendes Zwielicht. Erinnerungen an den Tag, als sie die mächtige Kathedrale mit dem gewaltigen Zorn eines Gewittersturms im Nacken erreicht hatten, wurden in dem Cadianer wach. Damals hatten lediglich Blitze die mächtigen Schiffe des Ekklesiarchie-Palasts erhellt, den Soldaten einen wagen Eindruck von der Herrlichkeit dieses Orts verschafft, bis schließlich die grelle Deckenbeleuchtung eingeschaltet wurde und das Gemäuer in strahlender Helligkeit erwachte.

Heute allerdings schlief der Bau in derselben erwartenden Furcht, die auch die Stimmung der Soldaten drückte.

Nur wenige Lichter brannten noch als schwache Leuchtfeuer in der Dunkelheit, Wegweiser in den Schoß der Heiligen. Ein letzter Strahl des Lichts zu dem Ort, an dem sie Ruhe und Frieden fanden und den Imperator vor der letzten Schlacht noch einmal um Beistand bitten konnten.

Vorsichtig und mit leisen Schritten, um ja nicht den gespenstischen Schlaf des Gemäuers zu unterbrechen, machte sich Rahael auf den Weg durch den riesigen Bau, der jedes seiner Geräusche aufnahm und in einer riesigen Umkehrschleife zurück an seinen Ursprungsort warf. Echos hallten durch das allgewaltige Kirchenschiff, sprangen vom Langhaus in den Chor und zurück.

Draußen heulte der Sturm schwerer Vector-Turbojets aus der tiefen Dunkelheit der Nacht heran. Das scharfe Glühen gezündeter Triebwerke huschte an den prächtigen Buntglasfenstern des Hauptschiffs vorbei. Schatten eilten über die entgegengesetzte Flanke des Raums, umschlichen als unscharfe Formen die hoch aufragenden Säulen und Arkaden.

Gruselige Schauer tanzten Rahaels Wirbelsäule hinauf, schwärmten auf seine Haut aus und umarmten ihn. Schrecken der Erinnerung bahnten sich ihren hässlichen Weg durch seine Gedanken, lenkten seinen Blick auf die nun leeren Reihen der Bänke. Vor seinem geistigen Auge knieten die Toten, beteten als leise murmelnde Körper ohne Leben zur erhabenen Gestalt der Heiligen, die ihnen die letzte Absolution erteilte, bevor sie ihre Körper im gleißenden Feuer ihres Schwertes verbrannte.

Durch das Halbdunkel des aufragenden Kirchenschiffs war nicht viel zu erkennen, doch Rahael spürte Bewegungen, immaterielle Berührungen, die ihn streiften, ihm zuflüsterten.

Unsicher und unruhig zugleich setzte er seinen Weg fort, zwang sich zwischen die zerschmetterten Bänke.

Schnell stellte er fest, dass er wirklich nicht allein war. Eine niedrige, in Demut gebeugte Gestalt kniete vor dem riesigen Altar, dieser goldenen Hingabe an die Unendlichkeit des Imperators, in deren Verlängerung die Heilige Janaͯs wachte, Gewalt und Wissen in ihren Händen. Die Ekklesiarchin!

Rahael fühlte eine schwere Last von seinem Herzen fallen. Vielleicht konnte sie ihm Rat und Sicherheit geben.

Entschlossen lenkte er seine Schritte durch das Innere der geweihten Basilika. Die Temperatur sank weiter. Feine Dampfwölkchen bildeten sich vor seinem Gesicht, verflüchtigten sich in das Zwielicht. Ein neuerlicher Schauer zog über seinen Rücken. Das dumpfe Gefühl, von hunderten Augenpaaren verfolgt zu werden, beschlich ihn.

»Heilige Mutter, habt Ihr einen Moment Zeit für mich?«, rief der junge Cadianer ins Halbdunkel des leblosen Baus. Echos hallten von den steinernen Wänden wieder, umkreisten ihn und schrien ihn klagend an.

Wenigstens war er sich nun ihrer Aufmerksamkeit gewiss.

Doch die Frau, die dort, nur in einfachste Roben gehüllt, vor der mächtigen Statue der Heiligen kniete, war nicht die Frau, die er suchte.

»Die Ekklesiarchin ist gerade nicht hier. Kann vielleicht ich Ihnen helfen, Rahael?«, hieß ihn die erfrischende Stimme Leitis Siles willkommen.

Erschrocken wich er zurück. All die Gedanken, die in seinem Kopf umherwanderten, all die Worte auf seiner Zunge, starben einen schrecklichen Tod der Erkenntnis.

Die Stimme der Vernunft riet ihm, sich umzuwenden und um sein Leben zu laufen. Und für einen Moment war er versucht, der geflüsterten Warnung nachzugeben.

Allerdings, und das hielt ihn schließlich davon ab zu flüchten, erinnerte er sich noch allzu gut daran, wie schnell, agil und stark die Sororita war.

»Ich bin eine Dienerin der Ekklesiarchie †“ wenn auch eine kämpfende«, holte ihn die Prioris aus seinen Gedanken. »Was auch immer Sie der Ekklesiarchin sagen wollten, sie dürfen und können es mir ebenso anvertrauen.«

Sie lächelte freundlich, doch in ihren stahlfarbenen Augen herrschte ein gefährliches Glitzern vor. Rahael verstand. Sie ließ ihm keine Wahl.

»Schwester Sile, ich würde gerne eine Beichte ablegen«, gestand er.

Die Prioris hob die Augenbrauen. »Eine Beichte?«, fragte sie. Das unmerkliche Zögern ehrlicher Überraschung belegte ihre Stimme. »Sie haben einen guten Offizier«, sagte sie zu Rahael. »Colonel Ekko kümmert sich um seine Leute. Das sieht man nicht oft. Weshalb sind Sie nicht zu ihm gegangen?«

»Aber es geht um den Colonel«, versuchte er zu erklären.

Das wiederrum erstaunte die Sororita nun offensichtlich. Ohne weitere Worte führte sie ihn zu der ersten Reihe Bänke, auf deren dunklem Holz sie Platz nahmen.

Nachdem sie dem Soldaten Zeit zum Sammeln gegeben hatte, lehnte sich die imperiale Ordensschwester zurück. »Also«, forderte sie Rahael auf. »Was ist mit Colonel Ekko?«

»Ich … ich«, begann er und brach ab. Wie sollte er es ihr erklären? Vor allem: wie sollte er ihr es erklären, ohne dass sie ihn sofort läuterte?

Wie hätte Colonel Ekko in diesem Moment reagiert? Rahael hatte den Regimentskommandeur bereits einige Male erlebt und wusste, dass dem Offizier in einer solchen Situation stets eine passende und erbauende Antwort einfiel.

Doch er war nun einmal nicht Ekko.

Er entschloss, dass es am besten war, wenn er ihr die Wahrheit sagte. »Ich fürchte, dass ich den Colonel enttäuscht habe.«

»Enttäuscht?«, hakte sie nach, so als habe er zu undeutlich gesprochen.

Der Cadianer nickte. »Ja, enttäuscht.«

»Wie das?«

Die Geschwindigkeit und gleichzeitige Beiläufigkeit, mit der Sile nach dem Kern seiner Sorgen bohrte, brachte Rahael ins Stocken. Er kam nicht umhin sich zu fragen, ob sie vielleicht längst wusste, was ihn bedrückte und ihm nur die Chance geben wollte, sich zu erklären †“ oder sich zu verraten.

»Nach alldem, was passiert ist †“ der Eroberung der Kathedrale, der Panzerschlacht und Vorbereitung auf den Sturm der Xenos †“ fühle ich mich, als wenn ich selbst nicht genug getan habe. Als wenn ich dem Colonel und dem Imperator nicht treu und ergeben genug gedient habe.«

Die Sororita hörte sich seine Gedanken an, dann überließ sie der Stille das Wort und dachte etwas länger darüber nach.

So, wie sie den Blick von ihm abwandte, fühlte er bereits die Hitze eines reinigenden Feuers in sich aufsteigen.

Die nach wie vor präsente Erinnerung an ihren Angriff im Lazarett kochte in ihm auf, gepaart mit der Furcht, sie könnte im nächsten Augenblick vorschnellen und ihn mit einem unter ihrer Robe verborgenen Aquila oder Kruzifix meucheln.

»Ich denke, Sie sind ein wahrer Diener des Imperators, Rahael«, kehrte sie schließlich in die Wirklichkeit zurück. »Nur ein wahrer Diener sorgt sich, nicht genug für Ihn getan zu haben. Doch sich stets Gedanken darüber zu machen, wie ergeben und treu man ist, hindert einen genauso oft daran, tatkräftig zu werden.

Colonel Ekko hat das richtig erkannt. Er ist ein großer Krieger. Er denkt nicht darüber nach, wie er seine Loyalität zum Imperium beweisen kann. Er tut es einfach. Und er lässt keine Gelegenheit aus, seine Hingabe zu beweisen.«

Rahael nickte vorsichtig. Was sie sagte, ergab Sinn. Doch beruhigt fühlte er sich dadurch trotzdem nicht.

»Manche mögen behaupten, dass sein Verhalten Selbstmord gleichkommt, ich allerdings glaube das nicht«, fuhr die Sororita fort. »Der Colonel vertraut in die Macht des Imperators. Mit Ihm an seiner Seite weiß er sich sicher. Und deswegen ist er in der Lage, all diese Dinge zu vollbringen.« Sie ließ ihre Hände in einer allumfassenden Geste in die Luft gleiten, bevor sie dem Büßer ihren schlanken Finger auf die Brust legte. »Und das solltest du auch tun. Hab Vertrauen in den Imperator, aber vertraue auch darauf, dass sein Vertrauen in dich gerechtfertigt ist. Also zweifle nicht daran, ob du würdig bist, sondern beweise es. Sei festen Herzens und klaren Geistes, dann wird der Imperator dich führen. Und du wirst keine Furcht mehr spüren.«

Er nickte, von ihren Worten inspiriert und in seinem Glauben gefestigt. Ein tiefer Wunsch begehrte in seinem Innersten auf, zog ihn in ihren Bann. Er merkte es nicht einmal wirklich.

Sie legte ihm die Hand auf den Kopf, erteilte leise die Absolution. »Deine Sünden sollen dir vergeben sein.«

Ihre stahlblauen Augen funkelten ihn an. Wie an dem Tag, als sie ihn umzubringen versucht hatte. Er wollte zurückweichen, doch er konnte nicht. Ihr Griff hielt ihn fest. Hätte sie eine Servorüstung getragen, sie hätte ihm den Schädel einfach zerquetschen können.

»Nun bete mit mir«, forderte sie ihn auf. Dann ließ sie ihn los, senkte den Kopf und bekreuzigte sich mit dem Aquila.

Rahael tat es ihr gleich. So verbrachten sie die nächste Zeit in stiller Andacht und Selbstkasteiung, bemerkten nicht einmal, wie Major Carrick und Captain Solmaar die Kathedrale betraten, sich beim Chor niederließen und jeder für sich ein Gebet an den Imperator sprachen, bevor sie wieder gingen.

Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte sich Rahael erfüllt. Als wenn ihn die Heilige persönlich geküsst und belebt hätte.

Als wenn sie ihn mitnahm und weit fortführte an einen Ort, wo all sein Schwelgen, all sein Sehnen erfüllt wurden. Den Nexus seiner Wünsche.

Sie tanzte mit ihm, lachte ihn an. Sie schenkte ihm eine Strähne ihres goldenen Haars, gestattete ihm, seinen Kopf an ihre Brust zu betten und ließ ihn den Schlag ihres Herzens hören.

Rahael verlor sich in ihrer Anmut und Schönheit. Es dauerte nicht lange, bis er in die Dunkelheit eines traumlosen Schlafes hinabglitt.

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Nachdem auf das letzte Kapitel so viel Resonanz folgte, besonders in Richtung Rahael, der ja so gut angekommen ist (klang das jetzt irgendwie ironisch?), habe ich mich entschieden, ein etwas ruhigeres Ekkokapitel in altgewohnter Schnoddrigkeit einzufügen.

Ich hoffe, dass das jetzt mehr zusagt. Für eventuelle Typos, Satzbaufehler und sonstiges übernehme ich keine Haftung. Meine Muse ist im Augenblick irgendwie unmotiviert, kreativ zu werden.

Wie immer danke ich Nakago für seine kurze Fluff-Kontrolle, wünsche viel Spaß beim Lesen und bis zum nächsten Mal!

Alles Vale

26

Das scharfe Heulen der Vector-Turbojets sang in Ekkos Ohren, als der Colonel sich geduckt von der gelandeten Walküre entfernte. Kaum hatte er den Strahlbereich der Triebwerke verlassen, da hob der Einweiser bereits wieder die Arme und schickte das imperiale Fluggerät zurück in seinen natürlichen Lebensraum.

Ekko nickte dem Mann kurz zu, bevor er sich abwandte und sich auf den Weg machte, das um die Kathedrale liegende Forum zu verlassen. Erst jetzt, wo er sich nicht mehr den heißen Abgasen des Sturmtransporters ausgesetzt sah, fiel ihm auf, wie kalt es in den letzten Stunden geworden war.

Feine Dampfwölkchen flohen mit jedem Atemzug aus seinem Mund, verflüchtigten sich in die nächtliche Luft.

Der Colonel zog den schweren Armeemantel zu, im Anschluss versenkte er seine Hände in den ausladenden Taschen des dick gefütterten Kleidungsstücks. Beiläufig blickte er in den sternenklaren Himmel der ariden Graslandschaft hinauf, bemerkte das helle Funkeln ferner Himmelskörper.

Das kleine Büchlein in seiner Drillichtasche rief sich in Erinnerung, genauso wie der Name, den er erst vor kurzem aus der Liste getilgt hatte.

Er zögerte kurz und überlegte, es aus der Brusttasche zu ziehen und darin zu blättern, so wie er es häufig tat. Schließlich jedoch entschied er sich dagegen und setzte seinen Weg fort.

Der Basteter hatte noch nicht einmal die Hälfte der Strecke zum Rand des Forums zurückgelegt, als er junge Stimmen vernahm, von denen er zumindest eine auf Anhieb erkannte. Zwei Schatten standen in der relativen Dunkelheit der Nacht und sinnierten, offensichtlich über den Imperator und Galaxie.

»Guten Abend, meine Herren«, kündigte sich der Regimentskommandeur an, als er zu ihnen zwischen die am Rand des Forums gestapelten Kisten trat.

Die beiden Männer nahmen Haltung an. »Sir«, begrüßte ihn Soldat Gireth. Itias neben ihm verkrampfte sich merklich.

»Stehen Sie bequem«, wehrte Ekko jede weitere Ehrbezeugung ab. »Kosmische Gedanken?«

»Nein, Sir«, bemühte sich Gireth eilig zu erklären. »Wir haben uns nur gefragt, wer die Heilige Janaͯs eigentlich war und welche Taten sie vollbracht hat, dass man sie zur Heiligen ernannt hat.«

Ekko zögerte, maß die beiden Soldaten mit kritischen Blicken. Fetzen leiser Gespräche wehten aus den unteren Ebenen der Kathedralenstadt zu ihnen hinauf, vermischten sich mit dem sachten Säuseln des Windes.

Irgendwo bellte ein Offizier seine Truppen in Position, dem harschen Ton nach zu urteilen war es vermutlich Retexer.

In den Außenbezirken heulte der Motor einer Chimäre protestierend, als sich das Fahrzeug zwischen den eng gesetzten Panzer- und Personenfallen hindurchquälte.

Ekko lauschte dem nächtlichen Betrieb für eine Weile, briet die beiden jungen Soldaten unter seinen Blicken. Als sie knusprig braun waren, löste er sich aus seiner Starre und ließ sich gegen den metallenen Körper eines Transportcontainers fallen.

»Worüber sich junge Leute heutzutage Gedanken machen«, murmelte er missmutig, kramte gedankenverloren in den Taschen seines Mantels und fand dort zu seiner eigenen Überraschung ein zerknittertes Päckchen mit Lho-Stäbchen. Er wunderte sich ein wenig über die Tatsache es nicht früher entdeckt zu haben, tat sie anschließend als gegeben ab und nahm das Geschenk einfach an.

Nachdenklich klopfte sich der Regimentskommandeur eines der Stäbchen in die Hand, steckte es in seinen Mundwinkel und ließ das Päckchen wieder in die Manteltasche gleiten. »Raucht einer von Ihnen?«, wollte er wissen, als ihm aufging, dass seine Suche nach einem Feuerzeug vergebens sein würde.

»Rauchen Sie denn?«, fragte Gireth zweifelnd zurück. Tatsächlich hatte noch nie einer von ihnen den Colonel zu einer Zigarre oder einem Stäbchen greifen sehen.

Er zuckte die Schultern. »Ich hatte meiner Frau eigentlich versprochen, irgendwann damit anzufangen. Aber bis jetzt hatte sich leider keine Gelegenheit dazu ergeben.« Er kramte weiter nach einer Zündquelle. »Wie kommen Sie eigentlich auf diese Gedanken?«

»Ich habe Sie zuvor noch nie rauchen sehen, Sir«, gestand Gireth vollkommen ehrlich.

Ekko hielt inne und starrte den jungen Soldaten an, als ob der seinen Verstand verloren hatte. Wie deutlich sich das an seinem Gesicht abzeichnete, war auf der unglücklichen Miene des Funkers zu lesen.

Kurz darauf sprang der Funke der Erkenntnis auch auf den Colonel über. Herr auf dem Thron, was war er blöd! Resigniert seufzte er und gab die Suche auf. »Ich weiß, was Sie denken †“ und Sie haben recht, Gireth. Ich habe mich auch noch nie rauchen sehen. Vermutlich, weil ich mich nie dabei betrachte.« Mit einem Wink wischte er die Bemerkung zur Seite. »Vergessen Sie es. Ich qualme einfach virtuell.«

Mit einer gekonnten Offiziersgeste fischte er das Stäbchen aus seinem Mundwinkel und malte mit dem nicht vorhandenen Rauch Kringel in die Luft. »Worauf ich eigentlich hinauswollte, war Ihre Bemerkung in Bezug auf die Heilige. Wie kommen Sie auf solch einen Gedanken?«

Gireth und Itias sahen sich kurz an, dann zuckte der Funker die Schultern. »Wir haben die Himmelskathedrale betrachtet, Sir. Weder Itias, noch ich können uns erklären, weshalb sie so groß ist. Da haben wir uns einfach gefragt, was die Heilige getan hat, um zur Heiligen zu werden.« Hoffnungsvoll wandte sich der Basteter an seinen Vorgesetzten. »Sir, wissen Sie vielleicht …?«

»Beim Barte des Propheten!«, wehrte Ekko ab. »Was belästigen Sie mich mit solch einer Frage?!« Es folgte eine wilde Geste mit dem Lho-Stäbchen. »Ich bin nun wirklich der Letzte, der diese Frage qualifiziert beantworten könnte. Vermutlich war sie dem Gott-Imperator zu Diensten.«

Gireths Augen weiteten sich, als in seinem Kopf Bilder gewaltiger Schlachten aufbegehrten. »Sie muss Ihm wirklich sehr gut gedient haben.«

»Ja«, stimmte Itias an seiner Seite mit Blick auf die mächtige Statue im Haupteingang der Kathedrale zu. »Man kann sich wirklich vorstellen, wie sie in Demut niederkniet und ...«

»Verdammt!«, hustete der Colonel sein Lho-Stäbchen aus und schwang sich auf.

»Aber, Sir …«, rief Gireth erschüttert, als sich sein Kommandeur regelrecht verschluckte.

»Nein, bitte nicht«, wies Ekko jede Hilfeleistung ab, als wisse er um eine tödliche Verstrahlung in seinem Körper. »Ich habe gerade wirklich sehr dreckige Assoziationen.«

Die beiden Männer sahen ihn verständnislos an.

»Sie ist gestorben«, bemerkte der Colonel vollkommen richtig. »Das hat sie schließlich zur Heiligen gemacht. So, ich habe noch eine weite Runde vor mir. Gehen Sie bald schlafen und seien Sie Morgen ausgeruht. Gute Nacht.«

Mit diesen Worten entfernte er sich möglichst schnell von den beiden Soldaten, bemüht, die Bilder einer ‚kniend dienenden†˜ Heiligen aus seinem Kopf zu verbannen.

***

Es dauerte bis weit in den zweiten Ring, bevor Ekko seinen Kopf endlich soweit geklärt hatte, dass er sich nicht bei jedem Blick ins Dunkel einen blonden Engel vorstellte, deren Kopf wild vor dem Goldenen Thron von Terra auf†“ und abtanzte, während der Heilige Schein des Imperators unkontrolliert flackerte.

Was seine Fantasien schließlich vollständig abtötete, war die Vorstellung, dass dieser Blondschopf Leitis Sile …

Nein! Das durfte einfach nicht sein!

Er schüttelte sich, versenkte die Hände noch tiefer in den Manteltaschen und blickte auf die karge Ödnis hinaus, die sich wie ein blasses Meer aus der Düsternis der Nacht schälte.

Ab und an blitzten die Strahlen nicht abgeblendeter Scheinwerfer durch den schwarzen Himmel, scheinende Reflektionen vom Erdboden, die vom nahenden Grauen kündeten.

Die Orks waren also bereits recht nah. Er brummte eine häretische Verwünschung und setzte seinen Weg fort, obwohl er gar nicht wusste, wohin er eigentlich noch gehen wollte.

Inzwischen meldeten sich auch die Kopfschmerzen wieder zu Wort, ein verzweifelter Hilferuf seines Körpers nach dringend benötigter Ruhe.

Ekko seufzte, zwang die Erinnerung an die Überreizung seiner Nerven nieder und sah sich um. Er stand am Rande eines weitläufigen Anwesens, dessen Grundstück sich weit über die ihm zugewiesene Terrasse erstreckte.

Das dazugehörige Gebäude, dessen von Säulen getragener Körper sich hinter die künstliche Sichtbarriere angelegter Zierbäume duckte, besaß einen fantastischen Ausblick über das sich um die Kathedralenstadt ausbreitende Brachland.

Eine perfekte Position für einen Scharfschützen, dachte Ekko. Natürlich brauchte er alle seine Leute im äußeren Verteidigungsring, um die Orks so lange wie möglich zu beschäftigen und so viele wie möglich zu töten, bevor sich die Basteter in den nächsten Verteidigungsring zurückzogen und die anbrandende Flut Grünhäute erneut abwehrte. Allerdings besaß der Gedanke, hier oben Präzisionsschützen, zum Beispiel Kroods Kasrkin, einzusetzen und somit angreifende Gegner auf weite Entfernungen zu eliminieren, einen gewissen taktischen Reiz.

Traumverloren stocherte er mit seiner Stiefelspitze in der schmalen Kettenspur eines imperialen Panzers umher, der vor einige Zeit auf das Anwesen gerollt war.

Für eine Weile wurde ihm gar nicht wirklich bewusst, was er da eigentlich tat, doch dann begriff er und folgte der Spur auf das Anwesen.

Seine Intuition betrog ihn nicht.

Zwei Scharfschützen lagen hier bereits auf der Lauer.

Nurins Jagdpanzer hatten sich übereinander zwischen den mächtigen Terrassen im zweiten Ring der Kathedralenstadt positioniert, direkt auf Sichtlinie mit dem gewaltigen Haupttor. Von hier oben und mit der maximalen Elevation, der Rohrerhöhung von elf Grad im Steigungswinkel, konnten beide Fahrzeuge sowohl das Haupttor, als auch das davor und dahinterliegende Gelände, sowie das Gebiet im Durchmesser von insgesamt zehn Grad um das Haupttor unter Beschuss nehmen. Eine beachtliche Feuerkraft, bedachte man die Zielgenauigkeit, mit der die Panzerjäger die Energien ihrer Lasergeschütze auf ihre Opfer entfesselten.

Dass die Energie des Lasers bei den Gefechtsentfernungen von gut sieben Kilometern, welche die imperialen Panzerkampfwagen vom Eingang in der Außenmauer trennte, eine ganze Menge Energie an Zielgenauigkeit einbüßten und zudem auch noch maßlos Energie verloren, störte in diesem Fall weniger. Solange die Xenos keine Superschweren Panzer oder Kreaturen wie den Squiggofanten einsetzten, würden die Destroyer blutige Ernte unter den Angreifern halten †“ oder schrottige, je nachdem, an was man nun glaubte.

Schrottige Ernte … Er nahm sich Zeit, über diesen Gedankengang zu lachen und machte sich dann auf den Weg zu den Kampffahrzeugen.

Bereits als er sich den Fahrzeugen näherte, erkannte er, dass sich diese Panzerjägerstellung von jeder anderen Abwehrstellung unterschied, die er jemals zuvor gesehen hatte.

Zwei schwere Generatoren saßen, auf einem Anhänger hinter einer abgedeckten Trojan-Zugmaschine platziert, gut versteckt zwischen den Bäumen und Hecken des Anwesens. Lange Starkstromkabel schlängelten sich gleich Tentakel zu den Panzerstörern hinüber und verschmolzen dort mit den gut verborgenen Steckdosen, welche die Hauptbatterien der Fahrzeuge speisten.

Ekko kannte sich nicht mit der Technik imperialer Panzerfahrzeuge aus †“ wer tat das schon, einmal abgesehen von den Techpriestern, die generell alles zu wissen schienen und auf alles eine Antwort hatten †“ aber er wusste, dass die Destroyer normalerweise als Selbstversorger vollkommen unabhängig von einer externen Energieversorgung agieren konnten.

Zusätzlich verwirrte ihn die eigenartige Felsenkonstruktion, unter der die Fahrzeuge verborgen lagen.

Nun gut, im Grunde sollte ihm egal sein, wie sich die Panzerjäger auf die kommende Schlacht vorbereiteten, solange sie es im Gefecht nicht an Effektivität mangeln ließen.

»Einen wunderschönen Abend«, begrüßte er einen Schatten, der sich just in diesem Moment von einem der beiden Panzer löste.

Die Person verharrte für einen Augenblick, versuchte die scheinbar körperlose Stimme zu identifizieren.

Erst spät erkannte der Mann Ekko und winkte ihn herbei. »Colonel Ekko? Passen Sie auf. Wir haben hier Kabel verlegt.«

Wie man an der Stimme erkennen konnte, war es Nurin.

»Wirklich?«, rief der Basteter zurück. »Ist mir gar nicht aufgefallen.«

»Das ist Starkstrom«, führte der Panzerkommandant aus, als sein neuer Vorgesetzter ihn schließlich erreichte.

»Herr auf dem Thron, da kann man sich ja verletzen!«, brummte Ekko, an den Captain gewandt. »Wofür brauchen Sie all diese komplizierten Todesfallen?«

»Mit den Kabeln können wir unsere Geschütze mit Energie versorgen, ohne unsere Motoren und Batterien zu verbrauchen und somit unsere Position zu verraten.«

»Ah, ich verstehe. Aber würde nicht ein einziger Schuss Ihre Position verraten, Nurin?«, versuchte der Colonel eine Schwachstelle im Plan des Panzerkommandanten zu offenbaren.

»Natürlich, Sir«, erwiderte der Captain unbeeindruckt. »Aber wer sollte zurückschießen? Während des Angriffs steht das ganze Gebiet hier unter einem Schutzschirm.«

»Ja, auch wieder wahr.«

»Zudem haben wir ja noch das hier.« Beinahe stolz wies der Desposianer auf das, was Ekko im ersten Augenblick für eine schlecht gehauene Skulptur eines Hügels gehalten hatte.

»Und was †“ beim Steiß aller von Rheuma geplagten Chaosdämonen †“ ist das?«, entfuhr es ihm.

Nurin bedachte ihn mit demselben Blick, den er erst vor kurzem bei Gireth selbst angewendet hatte. »Das nennt sich Tarnnetz, Colonel. Panzerfahrer verwenden so etwas des Öfteren«, erklärte der Panzerkommandant mit einer Spur von Ungeduld in seiner Stimme.

»Ich weiß, was Tarnnetze sind«, merkte Ekko an, als sei das eine Leistung, auf die stolz zu sein jeder hatte. »Aber wozu müssen Sie ihre Panzer unter einem zerrissenen Bettlaken verstecken?«

»Das dient der Sichtverschleierung«, erklärte Nurin, als sei es selbstverständlich. War es im Grunde auch.

»Aber warum?« Es wollte Ekko allerdings nicht in den Kopf, weshalb die Panzerleute ihre Kampffahrzeuge verbargen, wenn ihnen doch klar war, dass sie sich beim ersten Schuss verrieten †“ und sie das im Grunde gar nicht störte, das sie sich hier oben außerhalb der Reichweite aller orkischen Waffen befanden.

Irgendwie kam ihm allein der Gedankengang schon recht kompliziert vor.

Nun war es Nurin, der für eine Weile nachdenken musste. »Einfachste Tarnung ist die … ähm … einfachste Tarnung, Sir«, löste er das Geheimnis.

Schier überwältigt von der pragmatischen Weisheit, die hinter Nurins Worten stand, schüttelte der Colonel fassungslos den Kopf. »Ich bin begeistert.«

Er gab es auf, weiter nachzubohren. Irgendwie vermutete er in den Tiefen des aufziehenden Gesprächs ein ähnliches Missverständnis wie bei Itias und Gireth. Das wollte er gerne vermeiden.

»Wie ist die Lage?«, schwenkte er seine und Nurins Gedanken von den Panzern weg. Wenigstens lief er auf diese Weise nicht Gefahr, ein verstecktes Feuerwerk zu zünden.

In der Kommandantenkuppel des oberen Jagdpanzers erschien der Kopf eines anderen Soldaten. Der Mann musterte Nurin und Ekko kurz, dann salutierte er nachlässig und verschwand zurück ins Inneren des Fahrzeugs. Das Luk zog er über sich zu.

Nurin schürzte abschätzig die Lippen. »Schwer zu sagen Colonel. Die Moral meiner Männer ist niedrig. Wir haben so gut wie alles verloren. Und hier erwartet uns nur der Tod.« Seine Hand wies nachlässig auf die nahenden Xenis.

Ekko nickte, den nachdenklich auf die entfernt flammenden Lichter des Feindes gerichtet. »Ich verstehe, was Sie meinen. Mich verfolgt dieses Gefühl seit Jahren.«

Der Panzerkommandant lehnte sich schweigend an den Rumpf seines Fahrzeugs. Eine Weile verbrachten die beiden Männer auf die Weise. Leise säuselnder Wind umstrich sie, das letzte Aufbäumen einer inzwischen gefallenen Welt. In der Ferne grollten die anmarschierenden Streitkräfte.

Schließlich wandte sich Nurin seinem Kommandeur zu. »Sir, ich würde Sie gerne etwas fragen.«

»Was würden Sie tun, wenn ich ‚Nein†˜ sage?«, fragte Ekko rhetorisch, doch die nicht kaschierte Abneigung im Ton des Captains alarmierte in seinem Innersten sämtliche Sinne der Vorsicht.

Der Desposianer beachtete die Frage nicht einmal. »Warum, Sir?«, verlangte er zu wissen. »Warum haben Sie das getan?«

»Ich habe was getan?«, hakte der Colonel nach. Er klang dabei so desinteressiert und abwesend, dass es nur gekünstelt sein konnte.

»Diesen verdammten Angriff«, knurrte Nurin. Der imperiale Offizier lehnte sich aggressiv in Richtung des ranghöheren Basteters vor und bedachte ihn mit einem finsteren Funkeln aus seinen Augen.

»Herr auf dem Thron«, seufzte Ekko und ließ den Kopf hängen. »Seit dieser Operation fragt mich das jeder.«

»Vielleicht, weil es keiner versteht«, ging der Captain seinen Vorgesetzten an. »Wie konnten Sie das tun?«

Ekkos Miene hellte sich auf. »Oh, das war ganz leicht«, erklärte er in der gespielten naiven Fröhlichkeit, endlich eine ausreichende Antwort geben zu können. »Ich habe dieses Frequenzmodulationsgerät verwendet, das allgemein als Funkgerät bezeichnet wird, und einen von der imperialen Armee akzeptierten Gefechtsbefehl gegeben, um den Vormarsch sämtlicher Truppen zu initiieren.«

Er lächelte freundlich, so als würde seine Erklärung sämtliche Fragen beantworten. Um sie herum frischte der nächtliche Wind auf. Die schweren Tarnnetze der Panzerjäger raschelten protestierend.

Nurins Verbitterung vertiefte sich zusehends. Ohne ein weiteres Wort funkelte der imperiale Captain den Colonel an, versuchte ihn mit der Macht der Stille niederzuzwingen. Es verging eine gefühlte Ewigkeit, in der sich die beiden Männer mit ihren Blicken maßen, bevor Ekko letztlich nachgab. Allerdings tat er es nicht, weil Nurins Blick ihn verstört oder gar bezwungen hatte. Nein, seine Gründe waren viel banaler.

»Also gut«, wischte er sämtlichen Blödsinn aus seinen Gedanken. »Dann stelle ich Ihnen einmal die Gegenfrage: Weshalb sind Sie nach der Vernichtung des Armeegruppe zur Himmelskathedrale geflohen? Woher wussten Sie, dass an diesem verfluchten Ort, dieser vom Gott-Imperator verlassenen Ödnis am Ende der Galaxie noch irgendein menschliches Lebenszeichen existierte?«

Vollkommen überrumpelt von dem abrupten Themenwechsel war es auf einmal Nurin, der sich in der Defensive wiederfand. Er versteifte sich merklich, so als erwartete er verrückte Fangfrage, bei der eine falsche Antwort den Tod bedeutete. »Ich wusste es nicht«, gab er zu. »Mir war nur die ungefähre Marschroute Ihres Regiments bekannt, daher habe ich auf einer Landkarte unsere Position und den daraus folgenden Kurs für ein Rendezvous berechnet, Sir. Es war ein Entschluss aus Logik und Gefühl zu beiden Teilen.«

»Sehen Sie?«, versuchte sich der Basteter zu erklären. »Nicht anders erging es mir bei meiner Entscheidung.« Natürlich war das eine Lüge. Ekko wusste das. Und selbst, wenn Nurin von den wahren Umständen keine Ahnung hatte, so schien er trotzdem die Unwahrheit in den Worten seines Vorgesetzten zu spüren.

Wieder funkelten die Augen des kompakten Mannes im seichten Mondscheinlicht wild. »Das stellt mich aber nicht zufrieden«, zischte er seinen Vorgesetzten an.

Ekko, der bereits mit einer derartigen Reaktion gerechnet hatte, wehrte den gegen ihn gerichteten Angriff entschieden und unnachgiebig ab. »Schlucken Sie es, Nurin«, unterband der Colonel jede weitere Bemerkung des Panzerkommandanten. »Es ist nicht meine Aufgabe, andere Leute zufrieden zu stellen. Dafür haben wir diese dick geschminkten Frauen im Tross.«

Von der abweisenden Bemerkung aus dem Konzept gebracht, bereitet der desposianische Captain einen weiteren Schlag gegen den Regimentskommandeur des 512. vor, den Ekko allerdings bereits vor der Ausführung mit einem entschiedenen Machtwort vereitelte.

»Ich habe weder die Zeit, noch die Lust, meine Entscheidungen mit Ihnen zu diskutieren, Captain Nurin«, betonte er den Rang des anderen. »Halten Sie sich an Ihren Auftrag und erledigen Sie Ihre Aufgabe.«

»Tun Sie dasselbe«, gab der Panzerkommandant bedrohlich zurück.

Ekko schnaubte vergnügt. »Wenn nicht, werden Sie es sicherlich bald merken.«

Er entließ den Panzerkommandanten †“ oder vielmehr sich selbst †“ mit einem gutheißenden Nicken aus dem Gespräch und trat den Rückweg an.

***

Nachdem er Nurin verlassen hatte, entschied Ekko, dass er seinen Weg in den äußersten Ring der Stadt nicht mehr fortsetzen wollte. Stattdessen bog er wieder in Richtung der Himmelskathedrale ab, deren erhabener Körper sich weit über die vom Mondlicht beschienen Schutzmauer erhob.

Kalter Wind strich wissend über das Gesicht des Offiziers, so als wenn seine Liebe ihre Finger in Eiswasser getaucht und ihn dann berührt hätte.

Er ließ sich von der eisigen Nachtluft umwehen und genoss deren kühlende Wirkung, während er zurück in den dritten Ring des Kathedralenstadt stapfte.

Gerade, als er die Schaugärten hinter sich gelassen hatte, entdeckte er einen stummen Zuschauer seines Aufstiegs.

Balgor lehnte an der arkanen Steinmauer des inneren Rings, den Blick ins Nichts gerichtet. Offensichtlich wartete er auf etwas, das aber nicht kam.

»Balgor«, sprach der Colonel ihn überrascht an, als er nähergekommen war. »Was machen Sie denn hier?«

»Woanders blöd sein«, erhielt er zur Antwort. »Haben Sie mich doch angewiesen.«

Ekko gab sich geschlagen, hob abwehrend die Hände. »Stellst du dumme Fragen, kriegst du dumme Antworten«, grummelte er. »Wieder ein Punkt für Sie.«

Die Miene des Captain hellte sich merklich auf. »Vielen Dank, Sir. Soll ich mir noch einen verdienen?«

»Mir gefällt nicht, wie das ‚Soll ich mir noch einen verdienen?†˜ betonen.« Der Regimentskommandeur verzog das Gesicht. »Was gibt es denn dieses Mal?«

»Ich war gerade bei Doktor Calgrow«, begann sein Freund zu erzählen.

Ekko nickte. »Das klingt schon mal schlecht«, gab er zu.

Balgor ignorierte den Einwurf. »Del Mar befindet sich auf dem Weg der Besserung.«

»Ja«, bekräftigte sein Vorgesetzter. »Definitiv schlecht.«

Balgor lachte, als läge ihm nichts ferner, denn seinen Kommandeur noch weiter zu beschäftigen. Die unterschwellige Verzweiflung überhörte Ekko jedoch nicht.

»Ja, das hat mich auch sehr begeistert«, gestand sein Gegenüber. »Aber jetzt †“ halten Sie sich fest, Chef †“ was uns Calgrow bisher nicht gesagt hatte, war die Tatsache, dass Del Mar noch einen Kommissar und eine Sororita mitgebracht hat.«

Ekkos Miene brach in einer Mischung aus ehrlichem Erstaunen und Entsetzen. »Was?!«, brachte er schärfer hervor als gewollt und bedeckte sein Gesicht mit den Händen. »Noch einen Kommissar und noch eine Sororita?!«

»Ja«, bestätigte der imperiale Captain. »Irgendein Kommissar Reit von der 108. Straflegion, die der Armeegruppe als Pionier- und Minensucheinheit zugewiesen war. Neben einem jungen Soldaten übrigens das Einzige, was vom gesamten Tross und den begleitenden Munitorumseinheiten übrig geblieben ist.«

»Na, Dank sei dem Gott-Imperator!«, pries Ekko die Worte seines Freundes und Untergebenen. »Ich möchte mir nicht ausmalen, was ich gemacht hätte, wenn der Haufen noch dabei gewesen wäre †“ mitsamt Aufsehern.«

Balgor grinste wölfisch.

»Herr auf dem Thron!«, klagte der Colonel. »Warum tust du mir das an?« Er lenkte seine Aufmerksamkeit zurück auf den Captain ihm gegenüber. »Und was ist mit der Sororita?«

»Ich habe keine Ahnung«, gestand der. »Sie hat wohl den Kommissar abgeliefert und geistert nun durch die Stadt.«

»Warten Sie mal, bis die mit Sile zusammentrifft«, dachte Ekko die Situation weiter. Was seine Fantasie aus dieser Überlegung erschuf, machte ihn nicht unbedingt glücklicher. »Das gibt ein Feuerwerk.«

»Oh, ja.« Sein Untergebener zuckte die Achseln. »Carrick weiß es noch nicht.« Er zögerte kurz, in eine Starre der Überlegung verfallen. »Glaube ich zumindest. Die Frage ist, was tun wir, wenn er es erfährt.«

»Ich kann nicht ohne Del Mar handeln«, erklärte Ekko. »Und mit diesem Kommissar kann ich auch nichts anfangen. Wir müssen ihn zu irgendeiner Untereinheit abschieben, damit er mir nicht im Weg steht.«

»Das klingt gut«, stimmte Balgor zu. »Aber wohin sollten wir ihn versetzen?«

In einer theatralischen Geste riss der Regimentskommandeur die Hände in die Höhe. »Mir egal. Hauptsache, weit weg von mir.« Er hielt sich den Kopf. »Haben Sie diesen Reit schon gesehen oder kennengelernt?«

»Nein, Sir. Bisher noch nicht.« Der Captain runzelte nachdenklich die Stirn. »Ob er groß in unsere Operation einwirken wird?«

Bestimmt schüttelte Ekko den Kopf. »Nein. Das lasse ich nicht zu. Und wenn ich ihn dafür zu Sile schleifen muss. Um den soll sich gefälligst jemand anderes kümmern.«

Er atmete tief ein und entkrampfte seine zu Fäusten geballten Hände. Merkwürdig. Wann hatten sie sich so dermaßen verkrampft?

Ein tiefen Seufzer ausstoßend gab er die Wut auf den Gott-Imperator und das Universum fürs Erste auf. »Also gut. Ich werde mich morgen früh darum kümmern«, entschied er.

Balgor nickte. »Wie Sie meinen, Chef. Aber warten Sie nicht zu lange.« Er nickte in Richtung der nahenden Front. »Die Grünen sind auf dem Vormarsch.«

Ekko, bereits halb durch das Tor in der Mauer getreten, winkte müde ab. »Ich weiß, ich …«

Durch einen Körper in seinem Weg unterbrachen brach er ab und sah auf.

Leitis Sile stand ihm gegenüber, die Augen überrascht aufgerissen. Das war doof.

Er musterte sie einen Moment länger, dann drehte er sich um und ging den Weg möglichst unauffällig zurück. Vielleicht hatte sie ihn noch nicht entdeckt oder erkannt.

Beachten Sie mich gar nicht, Prioris. Ich bin nicht hier, Sie haben mich nicht gesehen und werden mich deswegen auch nicht ansprechen.

Doch Sile zerriss seine Hoffnung zielgerichtet.

»Colonel«, hielt ihn die Sororita eilig auf, bevor er sich hinter eine Säule, Mauerecke oder ein Luftmolekül retten konnte. »Weichen Sie mir aus?«

Er wandte sich ihr wieder zu. »Öhm … nö. Warum sollte ich?«

Eine Spur Traurigkeit färbte ihre Stimme, als sie näher trat. Das fahle Mondlicht präsentierte Ekko ein verdächtiges Glitzern in ihren Augen. »Seitdem wir aus den Ebenen zurück sind, scheinen Sie sich von mir fernhalten zu wollen.«

»Nein«, wiederholte er. »Sie müssen sich irren.«

Sile kam noch näher heran. Nun stand sie so dicht vor Ekko, dass ihn ihr jungfräulicher Duft einfing und er glaubte, die erkaltete Luft ihrer Aura um sich zu spüren.

Eigentlich hätte er jetzt nur nach vorne reichen müssen und wäre in der Lage gewesen, sie vollständig zu umfassen.

Dass sie lediglich eine einfache Robe trug, die darüber hinaus in der Dunkelheit wie ein etwas festeres Nachthemd wirkte, machte es auch nicht gerade einfach, ihr standhaft ins Gesicht zu sehen.

Leise Schritte brandeten auf.

Balgor erschien, die Hand unauffällig auf das Gürtelhalfter seiner Laserpistole gelegt, wie aus dem Nichts an der Seite seines Vorgesetzten.

Schmerzen der Erinnerung schossen in Ekkos Gedächtnis. Er erinnerte sich an die wütenden Sororitas, Prioris Kortessa, die seine Liebe fest im Griff hielt und den furchtsamen, wissenden Blick seiner Frau. Damals hatte ihm Balgor ebenfalls beigestanden, wenn auch nur als einfacher Soldat.

Natürlich ließen sich die Situationen damals und heute in keiner Weise vergleichen, denn die Bedrohung, die ihm damals den letzten Funken Hoffnung genommen hatte, bestand dieses Mal nicht.

Allerdings empfand er ähnlich. Die Verlorenheit. Die Einsamkeit. Die Furcht vor der Zukunft ohne den Gegenpol in seinem Leben. Der Hass auf den Imperator, der ihm das Liebste genommen hatte. Und natürlich die Wut auf das Adeptus Sororitas, die Todesengel des Imperators.

Jetzt, wo er wieder daran dachte, wurde ihm bewusst, dass er sich nach wie vor mit dem ernsten Blick der Prioris konfrontiert sah, die bereits einige seiner Barrieren durchschmolzen hatte und versuchte, sein Innerstes zu erreichen, um dort nach dem Kern für sein Verhalten zu suchen.

Schnell reparierte er seine gebrochene Maske.

»Was verbergen Sie?«, fragte Sile.

»Nichts«, beharrte er abwesend. »Sie müssen sich irren.«

Schwerfällig schob er sich an der imperialen Schwester vorbei, bevor er sich ein letztes Mal umwandte. »Ruhen Sie sich aus, Schwester. Sie natürlich auch, Captain. Sie werden Ihre Kräfte spätestens Morgen benötigen.«

Dann ging er.

***

In dem Moment, als der Schatten seines Vorgesetzten in der Dunkelheit hinter dem Torbogen verschwand, löste sich auch die Anspannung aus Captain Balgors Körper.

»Wo ist er gewesen?«, fragte Sile den imperialen Offizier, bevor auch er sich in die Finsternis der Nacht retten konnte.

Im Gegensatz zu Ekko machte Balgor jedoch keine Anstalten, sich urplötzlich ins nächste Gebüsch zu schlagen und dort mit dem Untergrund zu verschmelzen, um ihren Fragen auszuweichen.

»Das weiß nur er allein«, erklärte der dunkelhaarige Mann und strich sich durch den gepflegten Bart. Es folgte ein knappes, kaum erkennbares Schulterzucken.

»Hat er ein Problem gelöst?«, bohrte sie weiter. Sie kannte Ekko zwar erst einige Tage, doch in dieser Zeit hatte der imperiale Offizier eine tiefe Verehrung in ihr geweckt, die sich nur mit der Verehrung an eine Prokura oder Principalis vergleichen ließ.

Höchstwahrscheinlich wäre er eine wirklich gute Ordens- oder Konventsmutter geworden.

»Colonel Ekko löst keine Probleme«, bemerkte Balgor mit einem finsteren Lächeln auf den Lippen. »Er duelliert sich so lange mit ihnen, bis sie von selbst aufgeben.« Seine wegwerfende Handbewegung wäre nur im ersten Moment falsch zu verstehen gewesen.

»Das verstehe ich nicht«, gab sie zu, eine Aufforderung an ihn, die Bemerkung weiter auszuführen.

Balgor lachte leise. »Das glaube ich Ihnen, Schwester.«

»Was ist das Besondere an ihm? Was gibt ihm diese Kraft?«, wollte sie wissen. Eine Frage, die sie bereits seit ihrem ersten Treffen mit dem Colonel faszinierte und beschäftigte. Wo fand der imperiale Regimentskommandeur die Kraft, die Energie, um all die Dinge zu vollbringen, die er vollbrachte. Der Captain schien seinen Vorgesetzten bereits sehr lange zu kennen †“ auf jeden Fall erhielt man diesen Eindruck, wenn man die beiden miteinander reden oder arbeiten sah. Vielleicht konnte er ihr erklären, wie Ekko all das vollbrachte, was er tat.

Als sie zu Balgor sah, konnte sie sehen, dass der Captain nachdenklich geworden war. Seine dunklen Augen fischten in den Tiefen seiner Erinnerungen lange nach einer Erklärung, bevor er schließlich in die Realität zurückkehrte.

»Die Männer … wir nennen ihn †ºStargazer†¹«, erklärte Balgor der Sororita, als sie verfolgten, wie die schemenhaften Formen des anderen Offiziers langsam ins geisterhaft schimmernde Mondlicht zurückkehrten, während er den Gipfel des Hügels erklomm.

»Stargazer?«, wiederholte sie. »Warum das?«

Nachdenklich ließ der Captain seinen Blick über die Flanke des Hügels gleiten, dessen steile Steigung in den unteren Ebenen der Kathedralenstadt immer weiter abflachte. Schließlich verfolgte er die näherkommenden Lichtreflektionen, denen zeitweilig grummelndes Donnern folgte. »Jeden Abend, seitdem ich ihn kenne, geht er mit seinem Datenblock von uns weg und bleibt dann eine Stunde lang fort«, sagte er.

»Und was macht er?«, wollte sie wissen.

»Er sieht in den Himmel.«

Sile wandte sich dem Captain zu, der sie mit einem ernsten Blick bedachte. »Er tut was?«

»Er sieht in den Himmel«, sagte er nochmal. »Und er erinnert sich an alle, mit denen er noch eine Rechnung offen hat und schwört ihnen, dass er sie finden und vernichten wird.«

Mit großen Augen starrte Sile den Offizier an. Das hatte sie wirklich nicht erwartet, auch wenn sie es nicht unbedingt als unmöglich erachtete. Ekko gehörte zu einer Sorte von Menschen, denen das pragmatische, analytische Denken genauso lag wie die ausschweifende Fantasie mancher Televid-Autoren.

Er konnte sich einfach in jede Lage versetzen, sie in all ihren Aspekten beleuchten und von allen Seiten betrachten, bevor er sie zerlegte und sich Stück für Stück eine Gegenlage entwickelte, bis er jeden Plan des Feindes bedacht und entsprechend negiert hatte.

Eine wirklich großartige Gabe, mit der er wohl einen Großteil der imperialen Kommandeure ausstach.

Doch viel wichtiger war: Ekko schien in der Kunst psychologischer Kriegsführung geschult zu sein, möglicherweise sogar auf die Abwehr psionischer Angriffe. Er ließ sich kein Geheimnis, keine Informationen entlocken, wenn er nicht selbst bereit war, seinem gegenüber etwas preis zu geben.

Und er besaß Charisma. Nicht das Charisma eines Offiziers, sondern das eines Anführers, das einer wahren Hingabe. Eben jene Art von Ausstrahlung, der man sich nicht entziehen konnte.

Eine Ausstrahlung, bei der sogar eine willensstarke Frau wie sie bisweilen schwach wurde. Eigentlich war es unbegreiflich, dass er in seinem Leben bisher keine willige Partnerin gefunden hatte, um mit ihrem Nachkommen für den Imperator zu zeugen.

Ihr zumindest wäre es eine Ehre gewesen, sich mit ihm zu vereinigen, um so dem Imperium †“ und vor allem dem Imperator einen wahren Dienst zu leisten.

Natürlich konnte der Colonel der ungebändigten Übermacht eines Astartes nichts entgegensetzen, aber das glich er durch Intelligenz und Entschlossenheit aus.

Diese vollkommen neue Seite an ihm zu finden, nahm man einmal an, dass Captain Balgor die Wahrheit sagte, überraschte und beflügelte sie zugleich auf eine Weise, die sie selbst nicht verstand.

Als junge Progena wäre sie nun aufgesprungen, um dem Colonel nachzulaufen, ihn wild zu küssen und ihm zu Diensten zu sein in der Hoffnung, dass er der Vater ihres Geschenkes an den Imperator wurde.

Jetzt allerdings, im Angesicht des Captains, kämpfte sie ihre Gefühle nieder und zwang sich, eine distanzierte Haltung zu wahren †“ selbst ob des Schwarms aus Schmetterlingen, der in ihrem Magen tanzte.

»Ich sehe«, stellte sie nüchtern fest, »dass ich Colonel Ekko unterschätzt zu haben scheine.«

»Sein Sie froh«, riet ihr der dunkelhaarige Basteter. »Andere hauchen diese Feststellung mit ihrem letzten Atemzug aus.«

Der Wind frischte auf. Eine kleinere Erinnerung daran, dass er derjenige war, der als letzter auf dieser Welt etwas aushauchte.

Balgor verschränkte die Arme. »Aber sind wir nicht alle Stargazers?«

Sile bedachte ihn mit nachdenklichen Blicken. »Wie meinen Sie das?«

»Jeder von uns hier ist doch nicht das, was er zu sein scheint, oder? Ich meine: Sie, ich, Retexer, und all die anderen. Jeder von uns hat Wünsche, Träume und Sorgen, die er irgendwo zwischen den Sternen sucht.«

Die Prioris verstand. »Da haben Sie wohl recht, Captain.«

Sie kannte derlei Gefühle ebenfalls. Ihr Dienst für den Imperator, die einzige Aufgabe ihres Lebens, hatte sie bisher immer von ihrem einzigen Wunsch, ihrem Lebenstraum, abgehalten: einmal im Leben nach Terra zu fliegen und an den Goldenen Thron des Imperators zu gelangen, um den großen Hüter der Menschheit zu waschen und zu salben. Und ihre einzige Sorge bestand darin, dass ihr dieser Wunsch niemals erfüllt würde, dass sie vor seiner Erfüllung starb (was natürlich auch ein wahrer Dienst gewesen wäre, aber eben nicht so schön wie …).

Balgor zuckte die Achseln, als sie ihm weitere Antworten schuldig blieb. »Außer natürlich der Colonel. Der hat vermutlich nur den Wunsch, möglichst schnell zu verscheiden.«

Sile wirbelte herum, funkelte den Captain an. »So etwas würde er niemals tun!«, stellte die Schwester wie ein wütendes Kind klar, dessen Lieblingshaustier beschuldigt wurde, ein Vogelnest zerstört zu haben. »Colonel Ekko ist ein wahrer Kriegsheld«, fügte sie, in voller Bewunderung für den Basteter, an.

Der Captain wirkte nicht ganz so überzeugt. »Den Schaden hat er schon mal. Aber ob das in seinen Augen für einen Kriegshelden reichen würde?«

»Eigentlich müsste ich Sie für diese Blasphemie töten!«

»Ich weiß«, brummte Balgor missmutig. »Aber dann wäre die Geschichte ja zu Ende.«

Daraufhin schwiegen sie. Während Balgor die unverhoffte Stille genoss, suchte Sile sichtlich angestrengt in ihrem Geist nach der Person, der sie dieses Zitat zuordnen konnte.

»Dasselbe habe ich bereits von jemand anderem gehört«, überlegte sie laut. »Ich kann mich nur nicht mehr erinnern, von wem.«

Balgor lächelte. »Das ist vermutlich auch besser so †“ für Sie und ihn.« Er nahm Haltung an, salutierte nachlässig und ließ die Prioris mit ihrem Gedanken allein.

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Salve, liebe Stargazer-Leser,

so, endlich geht es weiter!

Das nächste Stargazer-Kapitel ist da!

Wie immer danke ich Nakago für seine kurze Fluff-Kontrolle und wünsche viel Spaß beim Lesen.

Alles Vale

27

Das Grauen rückte näher.

Es klang wie eine abgehende Lawine, entfernter Donner eines Crescendo aus tausenden Füßen, Motoren, Rüstungen, Rädern und Ketten, die in breiter Front auf sie zu marschierten.

Der Horizont flackerte wie von einem Waldbrand erleuchtet.

Ekko trotzte dem geheimnisvoll und gefährlich anmutenden Spektakel, maß die anrollende Flut mit kritischen Blicken. Er versuchte sich auszumalen, in welcher Größenordnung der Feind auf die Mauern der Kathedrale prallen würde.

Eigentlich das Einzige, was ihm nun noch zu tun blieb. Die Würfel waren gerollt, die Wetten platziert worden.

Und man konnte nicht sagen, dass sie als Sieger gehandelt wurden. Wenn er ehrlich sein sollte, musste er zugeben, dass selbst er keine Perspektive mehr sah. Mit der Vernichtung von General Iglianus Armee fehlten ihnen einfach die Truppen und Mittel, um sich gegen die Wand aus Verwüstung zu stellen, die sich unaufhaltsam auf sie zuschob.

Der Feind besaß einmal mehr sowohl die taktische, als auch die strategische Initiative, mehr Truppen, Fahrzeuge und Waffen als seine Leute.

Es gab kein Wunder, das diese Bedrohung vergessen oder ungeschehen hätte machen können.

Zudem spürte er nun endlich die so verzweifelt ersehnte Müdigkeit einsetzen. Kurz nach dem Gespräch mit Nurin hatte ihn die überwältigende Ermattung angefallen und sich in seinem Geist verbissen.

Sie saß auf seinen Schultern, schmiegte sich eng an ihn und benebelte ihm Kopf und Sinne.

Ekko wusste im ersten Moment nicht, wie ihm geschah, als sämtliche Anspannung und Energie aus seinem Körper entwich.

Es fühlte sich an, als hätte die kurze Diskussion mit Nurin eine verklemmte Last aus dem Innern seines Geistes gelöst, die ihn die ganze Zeit über wach gehalten hatte. Nun kehrte die Leere einer tiefen Erschöpfung ein, erinnerte den Basteter daran, dass auch er in erster Linie noch ein Sterblicher war.

Plötzlich fühlte er sich schwach und einsam. Eigentlich wollte er sich einfach hinlegen und den Rest seines Lebens schlafend verbringen.

Aber, so paradox es schien, wieder einmal fand das Universum einen Weg, ihm einen Stich durch seine Rechnung zu machen (wobei man Strich mit etwas gutem Willen bereits als Balken klassifizieren konnte).

Er fand einfach keine Gelegenheit, seinen Körper und seinen Geist zur Ruhe zu betten. Dafür schwirrten zu viele Gedanken in seinem Kopf umher. So blieb dem Colonel nichts anderes, als rastlos durch die Nacht zu streifen und zu hoffen, dass sich seine Gedankenwelt an irgendeinem Baum oder einem Mauervorsprung verfing, um sich so von ihm zu lösen.

Aber irgendwie kam es ihm nicht so vor, als wenn der Imperator oder das Universum ihm diesen Gefallen tun würden.

Und zu versuchen, sie vom Dach der Kathedrale zu werfen, kam ihm im Augenblick auch nicht sonderlich intelligent vor.

Leise, seichte Schritte näherten sich. Ekko wandte sich um.

Es war die alte Ekklesiarchin. Er hatte die Frau mit dem langen, schlohweißen Haar bereits einige Male gesehen, seitdem sie Krood und den Kasrkin im Beinhaus begegnet war, doch sich immer auf Abstand zu ihr gehalten.

Die Ekklesiarchie war nun einmal nichts, mit dem Galardin Ekko noch viel anfangen konnte oder wollte.

Und wäre dies eine normale Begegnung an einem normalen Tag gewesen, er wäre aufgestanden und gegangen.

Allerdings war dies kein normaler Tag †“ und er fand auch nicht die Lust, aufzustehen und ein Spielchen mit der Dame zu treiben.

Es war ihm schlichtweg egal.

Kurz darauf erreichte ihn die alte Frau und stellte sich an seine Seite. »Sie wirken so ernst«, sprach sie ihn an.

Er nickte. »Vielen Dank. Auch Ihnen wünsche ich einen guten Abend.«

Die Ekklesiarchin lächelte ein dünnes Lächeln, das so spartanisch und vorsichtig über ihre Lippen kam, dass es nur von einer Person stammen konnte, die ihr Leben lang nicht mehr besessen hatte als den Glauben zum Imperator. Deren Leben aus Gebet und Selbstkasteiung bestand †“ also Dingen, von denen Galard Ekko nicht die geringste Ahnung hatte.

»Also«, wiederholte sie. »Weshalb sind Sie so ernst?«

Obwohl sein Geist ihm riet, ihr irgendeine zynische Antwort entgegenzuschleudern, sah er keinen Grund, weshalb er ihre Frage nicht beantworten sollte. Mit einer ausholenden Handbewegung schloss er die Kathedrale in seine Worte ein. »Ich frage mich, wie lange wir dem Ansturm der Orks standhalten können. Meine Leute werden schreckliche Verluste erleiden.«

»Das ist nun einmal die Wirklichkeit, Colonel.«

Er zuckte desinteressiert die Schultern. »Ich lehne Ihre Wirklichkeit ab. Ich nehme lieber meine eigene.« Einige Zeit lang ließ der imperiale Offizier den scharfen Wind das Gewicht seiner Worte unterstreichen, bevor er sich entschloss, einen Punkt anzusprechen, der ihn bereits seit einiger Zeit interessierte, den anzusprechen er aber bisher keine Gelegenheit gehabt hatte. »Ich habe da allerdings eine andere, brennende Frage.«

Die Ekklesiarchin wandte sich ihm zu. Ihr langes, zerschlissenes Gewand raschelte leise.

»Wussten Sie, dass die Space Marines Kernwaffen unter der Stadt positioniert hatten, als meine Männer Sie fanden?«, wollte Ekko wissen.

Sie nickte lediglich. Mehr war auch nicht nötig. Die sorgenvolle Miene, mit der sie ihn bedachte, reichte vollkommen, um dem Colonel aufzuzeigen, dass er mit seiner Vermutung vollkommen richtig lag.

»Herr auf dem Thron«, seufzte er. »Und wir sind mittenrein und haben den Kram abgebaut.« Die bittere Verwünschung, die bereits auf seinen Lippen lag, verkniff er sich im Angesicht der Heiligen Mutter.

»Natürlich war es für die Imperiale Armee wichtig, diesen Ort zu sichern und ihre Operationsbasis hier aufzubauen.« Er schlug sich mit der Faust in die offene Hand. »Hätte ich gewusst, was noch alles passiert, hätte ich diesen Ort in die Luft gesprengt und wäre heim geflogen.«

»Aber Sie haben es nicht getan.« Die Augen der alten Frau blitzten. »Das ist der Stoff, aus dem Legenden sind«, erinnerte sie den Offizier.

»Höchstens Idioten.« Ekko lachte auf und winkte ab. »Legenden gibt es nicht †“ ebenso wenig wie Helden. Die Menschen schaffen sich ihre Legenden, weil sie hoffen, dass es Dinge im Universum gibt, die im Gegensatz zu allem Schlechten stehen.«

»Dem Erzfeind?«

»Nein, nicht dem Erzfeind. Ich meine im Allgemeinen. Nehmen Sie mich als Beispiel. Es gibt bestimmt hunderte Heldengeschichten, die über mich kursieren. Aber was ist nun, wenn ich Ihnen sage, dass ich mich nur umbringen wollte? Wie sehen Sie die Sache dann? Was genau macht mich jetzt zur Legende? Zum Helden?

Ist das nicht eigentlich nur der Wunsch der anderen zu glauben, dass ich nicht versucht habe, mich selbst zu töten, sondern einzig und allein vorwärts gestürmt bin, um mich meinen Männern voran in den Kampf zu werfen und das Blatt der Schlacht zu wenden? Ist es nicht viel eher so, dass all die Geschichten nur dem Zufall entsprungen sind, durch den ich überlebte und für den ich das Universum und den Gott-Imperator Tag meines Lebens verfluchen werde?«

Die Ekklesiarchin dachte lange darüber nach. Als sie auf sah, stand in ihrem Blick ein nicht zu definierender Schmerz. »Damit mögen Sie recht haben. Aber sind Sie wirklich so traurig und verbittert, dass Ihnen nur diese eine Ansicht der Dinge geblieben ist, Ekko?«

Ein wehleidiges Lächeln quälte sich über die Lippen des Offiziers. »Es konnte mir bisher niemand das Gegenteil beweisen.«

»Dieser jemand wird kommen, Colonel. Irgendwann †“ und er wird Sie erlösen«, versprach sie. Sie meinte es ehrlich, das konnte er aus der Art schließen, wie sie ihn ansah. Herr auf dem Thron, vermutlich legte diese Frau sogar noch ein Wort in ihrem Nachtgebet für ihn ein.

Er ließ die Worte einfach an sich abprallen. »Ich hoffe ja noch immer auf eine sie.«

Für eine Weile schwiegen sie, betrachteten den schwarzen Nachthimmel, dessen Sterne sich langsam, aber allmählich vor der nahenden Streitmacht der Xenos zurückzuziehen begannen.

Schließlich entschied die Ekklesiarchin, den Faden ihres Gespräches wieder aufzunehmen.

»Wie ich Sie einschätze, warten Sie darauf, dass bald das große Schwinden einsetzt und das Imperium einen langsamen, aber qualvollen Tod stirbt.«

»Wenn Sie mich so einschätzen«, erwiderte er.

»Das Schwinden wird kommen«, prophezeite die alte Frau. »Es ist bereits im Gange.«

Es gelang ihm, ein Lachen aus seiner Kehle zu pressen, obwohl die Weise, mit der die Frau das Ende des Imperiums prophezeite, ihm kalte Schauer über den Rücken jagte. »Das Schwinden? So, wie meine Truppen gerade schwinden?«

»Nein. Gegen dieses Schwinden wird Ihr eigenes nahezu lächerlich anmuten.«

Aus der Ferne grollte dumpfer Donner heran, bedeckte den Lärm, den die imperialen Truppen in der Makrostätte der Kathedralenstadt produzierten.

Ekko ließ sich von der rumorenden Warnung berühren, genoss das schaurige Zittern, das unter seinen Füßen gleich einer Welle durch den Boden zog. Als er sich der Ekklesiarchin zuwandte, konnte er sehen, wie sehr sie die brutale Geräuschkulisse verschreckte und verunsicherte.

»Es gibt Leute, die diese Worte als Häresie auslegen könnten«, gab er zu bedenken.

»Fraglos«, stimmte sie zu. »Das allerdings wird die Wahrheit nicht ungeschehen machen.«

»Na, da bin ich aber beruhigt«, warf er ihr sarkastisch entgegen. »Doch das hat noch etwas Zeit, oder?«

»Ja, das hat noch etwas Zeit.«

»Gut. Im Augenblick interessiert mich nur das Schwinden meiner eigenen Truppen.«

Wieder grollte Donner aus der Ferne heran, stritt mit dem Wind der Höhe um die Vorherrschaft auf dem Plateau, dem Dach der Himmelskathedrale.

Der finstere Unterton steter Bedrohung begleitete ihn dabei wie das schleichende Gift, das von Zeit zu Zeit Leitis Siles erfrischende Stimme tränkte.

Zeit, den Rückzug anzutreten.

»Nun gut«, brummte der Basteter gedankenverloren. »Ich denke, ich werde mich in die Abgeschiedenheit meines Bettes begeben. An diesem Ort hat findet man wohl sonst keine Ruhe vor dem Sturm.« Er wandte sich der Ekklesiarchin zu, verabschiedete sich mit einem angedeuteten Salut und verschwand dann schnellen Schrittes in das tröstende Dunkel der Nacht.

Die geflüsterte Antwort der Frau bekam er bereits nicht mehr mit: »Dieser Ort kennt keine Ruhe vor dem Sturm, Colonel.«

***

Es war still geworden in der Kommandozentrale.

Mit dem Ende der Besprechung hatte hier wieder die ruhige, von den Echos ernster Konzentration durchsetzte Atmosphäre vollkommener Professionalität eingesetzt, in der Haestian Carrick normalerweise vollkommen aufging.

Allerdings fand er gerade in diesem wichtigen Moment nicht einmal ansatzweise dahin zurück. Stattdessen fühlte er eine unerträgliche Unruhe in seinem Geist, die sein Denken im Griff hielt und ihn in beinahe regelmäßigen Abständen entweder zum Plot oder zu den Funkern blicken ließ, die an ihren Geräten saßen und auf Kontakt- oder Gefechtsmeldungen warteten.

Doch nach wie vor wussten weder die Menschen, noch das flimmernde Bild des holografischen Plots etwas zu berichten, das in diesem Augenblick für ihn oder Colonel Ekko von Interesse gewesen wäre.

Carrick seufzte richtete sich auf.

Tatsächlich wollte es ihm so vorkommen, als wenn sich das Wesentliche des Kampfes †“ also der Feind und die eigene Koordination †“ bewusst verborgen hielten, um ihm als Stellvertreter seines Kommandanten eine stete Sorge zu bereiten. Um ihn zu zwingen, seine Gedanken immer wieder umherirren zu lassen und sich zu fragen, ob sie alle Gefahren und Möglichkeiten der Verteidigung ausgeschöpft hatten.

Er wusste, dass es so war †“ auf jeden Fall fast. Ihr Problem mit der Sicherung der mächtigen Katakomben hatte sich noch immer nicht lösen lassen, was wohl auch eher an dem unangenehmen Faktum lag, dass ihnen keine Truppen mehr zur Verfügung standen, die eine solche Sicherung hätten vornehmen können.

Und auch die Mittel zur Verminung, zum Erstellen improvisierter Sprengladungen, gingen ihnen so allmählich aus †“ zumindest die konventionellen. Seitdem die Truppen des 512. die Kernwaffen der Space Marines deaktiviert und diese von den ehernen Hünen zurück in den Kern der Himmelskathedrale gebracht worden waren, schwieg sich der Colonel über die weitere Nutzung der zwölf Atombomben aus, die nun unter seinem Kommando darauf warteten, doch noch in Aktion treten und den Himmel Agos Virgils erleuchten zu dürfen.

Carrick hätte das Thema seinem Regimentskommandeur gegenüber gerne noch einmal angesprochen, aber er nahm nicht an, dass der andere Offizier sich auf noch eine Diskussion einlassen, geschweige denn eine plausible Erklärung geben würde.

Tatsächlich hatte sich der Colonel seit ihrer Ankunft hier extrem gewandelt. Er war finster geworden, verschlossen und abweisend. So, als würden ihn Geister der Vergangenheit heimsuchen und ihn zwingen, sich von all dem hier zu distanzieren, nur um in den Schmerzen der Erinnerung zu ertrinken.

Carrick kannte seinen Kommandeur noch nicht besonders lange, nur wenige Monate, aber er hatte bereits gelernt, die unorthodoxe Art des Vorgesetzten zu akzeptieren.

Doch seit dem Erreichen der Himmelskathedrale verstand er den Mann nicht mehr. Konnte es sein, dass Colonel Ekko das Betreten dieses heiligen Ortes mit seiner Seele und seinem Verstand bezahlt hatte?

Er unternahm lange Spaziergänge, war in diesen Zeiträumen nicht erreichbar und distanzierte sich allgemein von der Truppe und seinen Offizieren. Lediglich Captain Balgor, den er aus seiner ehemaligen Einheit mitgebracht hatte, drang von Zeit zu Zeit noch zu dem einsamen Offizier vor.

Das war nicht gut.

Ein Offizier, der zu lange hinter der kämpfenden Truppe steht, verliert irgendwann den Blick auf die Realität, dachte der Major, bevor er seinen Blick erneut zu den Funkern schweifen ließ, die in konzentriertem Schweigen vor ihren Geräten saßen und darauf warteten, dass neue Nachrichten eintrafen.

Bisher hatte nur die Walküre Azrael, Ekkos vormaliger Kommandoposten, einen kurzen Sichtkontakt zu den anrückenden Xenos herstellen können. Somit wussten Ekkos Leute, von wo der Feind kam und dass er sehr, sehr zahlreich sein würde.

Aber genauere Informationen würden sie erst erhalten, wenn die Truppen in Sichtweite waren †“ und dann war es für eine Umstrukturierung ihrer Verteidigung ohne Frage zu spät.

Feste Schritte näherten sich als wiederhallende Echos dem improvisierten Kommandozentrum, die entschlossene Ankündigung eines nahenden Menschen.

Leise Worte wurden gewechselt, dann hörte der Major das Rascheln des blickdichten Vorhangs, der sie vom Rest der Außenwelt trennte.

»Major Carrick?«, erkannte ihn die Stimme Marith Calgrows.

Er wandte sich um. »Doktor?«

Die ergraute, aber noch immer äußerst attraktive Ärztin machte einige eher vorsichtige Schritte in den Raum, als wenn sie in eine ihr vollkommen fremde Welt eintrat und sich davor fürchtete, von dieser verschluckt zu werden und nicht mehr frei zu kommen.

Der Major versuchte, ein zuversichtliches Lächeln aufzusetzen. »Nur keine Scheu, Doktor. Kommen Sie.«

»Scheu?«, fragte die Ärztin, eine Spur bitterer Belustigung in der hochgotisch akzentuierten Stimme. »Mit Nichten! Ich bemühe mich lediglich, einer Konfrontation mit dem Colonel aus dem Weg zu gehen.«

Wer tut das im Augenblick nicht?, dachte der Major, sprach seine Überlegungen jedoch nicht aus. »Dafür ist die Kommandozentrale aber ein denkbar schlechter Ort«, erinnerte er die Frau stattdessen.

»Mir blieb nur einmal keine andere Möglichkeit, mein Anliegen vorzutragen«, erwiderte sie bestimmt.

Der stellvertretende Regimentskommandeur zog die Augenbrauen zusammen. Er kannte Doktor Calgrow als resolute Frau, die ihre Entscheidungen zumeist ohne Absprache mit dem Colonel oder der Führungsebene traf, aber dennoch nie die Reglements ihres Auftrags übertrat.

Dass sie sich nun soweit herabließ, das Regimentskommando über ihr Vorhaben zu informieren †“ ja, es sogar um die Erlaubnis zu einem Vorhaben zu bitten †“ konnte eigentlich nur eines bedeuten.

»Also, was ist Ihr Anliegen?«, wollte er wissen.

Das heiße Heulen eines anfliegenden Walküre schabte schrill an der Außenmauer des Turmes entlang.

Calgrow straffte sich. »Ich bitte darum, einen Sanitätsvorposten im äußeren Ring errichten zu dürfen.«

»Einen …« Carrick brach ab und entschied, über ihre Worte nachzudenken, bevor er ihr Ersuchen in Vertretung für seinen Kommandeur bewilligte oder ablehnte. Was die Regimentsärztin vorschlug, ergab durchaus Sinn.

In einem brutalen Gefecht, besonders in den unübersichtlichen Häuserschluchten einer mächtigen Stadt konnte es bisweilen recht verworren und hektisch zugehen, sodass Sanitäter oft nur die notwendigsten Wundversorgungen vornehmen konnten. Ein zentraler Verbandsplatz, der gut zu erreichen und zudem auch gut zu evakuieren war, konnte eine Menge Last von der kämpfenden Truppe nehmen.

Allerdings †“ sollte der Verbandsplatz eingeschlossen und aufgerieben werden, konnte das dort eingebundene Personal als Gesamtverlust abgeschrieben werden. Und so, wie Carrick Doktor Calgrow einschätzte, würde sie nicht im sicheren dritten Ring bleiben, um die Drittversorgung der Patienten vorzunehmen.

»Colonel Ekko wird davon nicht sehr begeistert sein«, gab der Major zu bedenken.

Calgrow stieß angewidert Luft aus. »Ich denke auch nicht, dass sich Colonel Ekko ein Urteil darüber anmaßen kann.« Eine wegwerfende Handbewegung folgte. »Ich glaube nicht einmal, dass der Colonel überhaupt versteht, was in der Welt um ihn herum passiert. Dafür ist er viel zu selbstzentriert.«

Carrick versteifte sich. Selbst, wenn er ihr zugestimmt hätte, sein Ehrgefühl und seine Loyalität zu seinem Vorgesetzten verboten es ihm, solcherlei öffentlich zu äußern. Vor allem, wenn sich niedere Dienstränge im Raum befanden, deren naiv-beschränkte Sicht auf die Legionen des Imperators es nötig machten, ihr Vertrauen und ihren Glauben in die höheren Offiziersränge zu festigen.

Worte wie die Calgrows konnte man als Blasphemie ansehen.

Für einen Moment lang überlegte der Major, die Ärztin ob ihres Verhaltens zu recht zu weisen, doch er entschied sich dagegen. Zum einen wusste der Basteter, dass die Cadianerin ihre Worte generell nicht zurücknehmen würde, zum anderen vermutete er insgeheim, dass Calgrow sich sehr wohl bewusst war, was sie gesagt hatte und warum.

Sie war nun einmal eine ehemalige Kommissarin und als solche manipulativ; eine Eigenschaft, die der Major gleichermaßen bewunderte und verachtete.

Natürlich wusste die Frau, wie sie die Truppen motivieren konnte, aber sie konnte genauso gut Misstrauen und Zwietracht säen. Nur einer der Gründe, aus denen sich Carrick vornahm, Marith Calgrow niemals zu seinem Feind zu erklären.

Aber abgesehen von diesen Überlegungen und Befürchtungen sah er eigentlich keinen Grund, aus denen er der Regimentsärztin ihre Bitte hätte verweigern müssen. »Meinetwegen. Aber sagen Sie Ihren Leuten, dass sie vorsichtig sein sollen.«

Sie nickte, unmerklich erleichtert ob der Tatsache, dass das Thema dermaßen glatt über die Bühne gegangen war.

»Und«, schränkte er die Erlaubnis im gleichen Atemzug wieder ein, um in ihr keine falschen Hoffnungen zu wecken. »Ich werde Colonel Ekko darüber Bericht erstatten müssen. Sollte er meine Freigabe zurücknehmen …«

»Werde ich das akzeptieren müssen«, beendete die Ärztin den Satz. »Ja, Major Carrick, ich habe Ihre Bedenken verstanden.« Sie lächelte freundlos. »Hoffen wir das Beste.«

Die Worte der Ärztin klangen nicht wirklich zuversichtlich und irgendwie beschlich den Major das Gefühl, dass es nicht so einfach werden würde, wie er sich die Situation vorstellte.

»Dann wünsche ich Ihnen eine ruhige Nacht«, verabschiedete sie sich.

Carrick vollführte eine zustimmende Geste. »Ich Ihnen auch, Doktor.«

Calgrow wandte sich ab und verließ die Kommandozentrale so unauffällig und diskret, dass man auf den Gedanken hätte kommen können, sie habe sich von einer auf die andere Sekunde vollständig in Luft aufgelöst.

Auf jeden Fall empfand der Basteter es so. Aber was hätte man auch anderes erwarten sollen von einer Frau, die ihre Fähigkeiten in einem unbarmherzigen Krieg gewonnen und verfeinert hatte?

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***

Grauer Qualm schwelte in unspektakulären Formen in die dunkle Nachtluft hinauf, als Captain Balgor einen weiteren tiefen Zug des Lho-Stäbchens nahm, an dem er seinen bereits recht erkalteten Körper wärmte.

Seitdem ihn die Sororita verlassen hatte (wobei ihm die eindeutige Doppeldeutigkeit des Gedankens auf tragische Weise doch recht lustig vorkam), war so ungefähr eine halbe Stunde vergangen.

In dieser Zeit hatte er sich zurück in den dritten Ring der Kathedralenstadt begeben, um einen letzten Moment in Ruhe und Frieden zu verbringen, bevor er zu seinen Leuten zurück an die ‚Front†˜ musste.

Der Feind kam näher.

Inzwischen brannte der Horizont in voller Ausdehnung vor künstlichem und natürlichem Feuer, die deutlichen Vorboten der grünen Flutwelle eines barbarischen Sturms, der auf sie zurollte.

Dumpfes Grollen und Donnern wehte, getragen von einem kühlen Nordwestwind, als passende Untermalung wie das dumpfe Schlagen ferner Stammestrommeln, zu Ihnen hinüber.

Quisque est barbarus alii, dachte er. Jeder ist jedem anderen gegenüber ein Barbar.

Es würde nicht leicht werden, soviel war klar. Tatsächlich vermutete der Captain insgeheim, dass sogar Colonel Ekko ihnen nicht viel Chancen auf einen Sieg oder gar ein Überleben ausrechnete. Zwar hatte der Regimentskommandeur nicht viel Worte oder philosophische Gedanken in diese Richtung verschwendet †“ das tat er eigentlich nie, wenn er nicht doch eine Plan wusste, mit dem er den Kern der Bedrohung fassen und zersetzen konnte †“ aber man merkte es an der Art, wie er sich gab.

Im Grunde wollte Balgor eigentlich nicht daran denken, denn die Sorgen, die er bei der Erinnerung an das selbstmörderische Wesen seines Freundes empfand, zwangen ihn mehr als oft genug, seine Aufmerksamkeit zwischen Ekko und seinen eigenen Aufgaben einzuteilen.

Ein ungutes Gefühl machte sich in seinem Körper breit … obwohl … eigentlich war es eher das Gefühl. Er seufzte schicksalsergeben. Wer Armasec sät, wird Urin ernten, schoss es ihm durch den Kopf, während er sich bereits im Geiste eine Staumauer skizzierte, die seine Blase vom Ausfluss der Harnröhre abschottete.

Dass ihn dieses Thema gerade jetzt beschäftigen musste. Als wenn es in der Stadt nicht schon genug Strahlwaffen gab. Hilfreich. Äußerst hilfreich.

Der Captain kaute eine Weile auf dem völlig zerknitterten Lho-Stäbchen, während er sich im Kopf die Route in die Unterstadt skizzierte. Es wurde Zeit, dass er sich wieder auf den Weg zu seinen Truppen machte. In seiner Vorstellung funkte bereits ein vollkommen aufgelöster Soldat Jelard panisch alle Fernmeldeeinrichtungen in der Himmelskathedrale an, um den Aufenthaltsort seines Kommandanten herauszufinden.

Für den extremsten Notfall zeichnete er gleich eine Stelle für eine kurze Erleichterungspause mit ein. Man konnte nie wissen.

Tief in Gedanken versunken schnippte er das ausgebrannte Stäbchen von sich, bevor er sich zum Gehen wandte.

»Guten Abend, Captain Balgor«, begrüßte ihn unvermittelt eine Stimme, die sich unbemerkt von hinten genähert hatte.

Er sah auf

Captain Solmaar trat auf ihn zu. Ähnlich wie Ekko und er selbst war auch Solmaar ein typischer Basteter, mit dunklem Haar und dunklen Augen. Anders als sie jedoch war der Captain ähnlich groß wie Major Carrick, fast einen Meter fünfundachtzig und mit einem Körperbau, auf den ein Kleiderschrank neidisch gewesen wäre.

»Solmaar«, begrüßte Balgor den anderen Offizier. »Was kann ich für Sie tun?«

Ertappt hob der Mann die Hände. »Nichts«, versicherte er aufrichtig. »Ich sah Sie nur hier stehen und habe mich gefragt, ob wir uns einen Moment lang unterhalten könnten.«

In der Nähe rief jemand einen Befehl, der lauthals bestätigt wurde.

Balgor nickte. »Natürlich. Aber ich muss zurück zu meinen Männern. Begleiten Sie mich ein Stück?«

Solmaar lächelte. »Nach Ihnen, Captain.«

Sie machten sich auf den Weg. Ihre Kampfstiefel knirschten auf dem von Panzerketten zerschlissenen Kopfsteinpflaster.

»Sie haben sich gut erholt«, bemerkte Balgor, als er das von frischen Narben überzogene Gesicht des ranggleichen Offiziers betrachtete.

»Ja«, bestätigte der Mann und fasste an die Stelle, wo vor kurzem noch ein dicker Verband die rechte Hälfte seines Gesichtes bedeckt hatte. »Doktors Calgrows Sanitäter haben wirklich gute Arbeit geleistet. Wer weiß, wie ich sonst aussehen würde.«

Eine Gruppe Munitorumsangestellte passierte sie schnellen Schrittes. Weißer Dampf kondensierte bei jedem ihrer metallenen rasselnden Atemzüge vor den eisernen Masken, die ihre Münder bedeckten.

Offensichtlich hatten sie es sehr eilig, aus der kühlen Nachtluft in die wärmende Helligkeit eines der requirierten Gebäude zu gelangen.

Balgor konnte es ihnen nicht verdenken. Immerhin gehörten die Adepten zu der Gattung der Zivilisten, die generell recht anfällig gegenüber äußeren Einflüssen war.

»Darf ich Sie etwas fragen?«, wechselte Solmaar so unvermittelt das Thema, dass Balgor regelrecht aus seiner Gedankenwelt fiel.

Er ließ einen schiefen Blick zu dem Hünen von einem Captain schweifen, der mit riesigen Schritten neben ihm herging. »Kann ich Sie denn davon abhalten?«

Überrascht ob des Sarkasmus in der Stimme seines Kameraden zögerte Solmaar kurzzeitig, fing sich jedoch relativ schnell und brach in Gelächter aus. »Sie klingen ja fast wie Colonel Ekko.«

Resigniert stimmte Balgor zu. »Es gibt Tage, an denen mir das auch wieder in den Sinn kommt. Wer so viele Jahre an der Seite des Colonels gekämpft hat, nimmt von Zeit zu Zeit dessen Gepflogenheiten an.« Auf die hochgezogenen Augenbrauen des anderen Captains zuckte er wehleidig die Schultern. »Wissen Sie, was das Schlimmste daran ist? Es macht mir auch noch Spaß. Irgendwann wird der Gott-Imperator mich für diesen Frevel bestimmt bestrafen.«

Damit schaffte er es, den anderen Captain vollständig zu verwirren. »Was hat denn der Gott-Imperator …?«, wollte Solmaar wissen, brach allerdings mitten im Satz ab und tat dann mit einem Wink ab, worüber sie geredet hatten. »Egal. Aber das trifft eigentlich den Kern dessen, worüber ich mit Ihnen sprechen wollte.«

Balgors Kopf ruckte herum, um seinen Kameraden mit einem begreifenden Blick zu bedenken. »Also wollten Sie doch etwas von mir«, stellte er fest.

Solmaar zögerte ob der scharfen Worte des anderen Basteters. Schließlich entschied er, einfach mit der Sprache herauszurücken. »Was denken Sie über die Verteidigungsstrategie des Colonels?«

»Die Verteidigungsstrategie des Colonels?«, wiederholte der langjährige Weggefährte Ekkos, den diese doch sehr direkte Frage nicht gerade vorbereitet traf. »Wie kommen Sie denn da drauf?«

»Wir haben uns da einige Gedanken gemacht«, erklärte sich der andere Basteter.

»Wer sind wir?«, wollte Balgor wissen.

»Fendel, Gaer und ich.«

»Aha.« Verstehend nickte Balgor. »Und Sie wollten mich über das Ergebnis dieser operativen Neuplanung informieren?«

»Nein.« Solmaar runzelte verwirrt die Stirn. »Nein. Ich habe eher eine Frage.«

Gutheißend ließ der Zugführer des zweiten Zuges seinen gleichrangigen Kameraden fortfahren.

Der Hüne nahm sich Zeit zu überlegen, wie er den Kern des Themas, das ihn beschäftigte, richtig anschnitt. Zumindest wirkte er beunruhigt, was auch in Balgor einen gewissen inneren Unfrieden aufstaute.

»Die Männer … wir fragen uns, weshalb wir die Atomwaffen nicht einsetzen. Immerhin befinden sich gut ein Dutzend dieser Sprengkörper in unserem Arsenal.«

»Wer sind denn jetzt schon wieder die Männer?«

»Fendel, Gaer und ich.«

»Aha.« Verstehend nickte Balgor. Natürlich. Das Thema mit den Sprengkörpern. Carrick und er selbst hatten auch schon darüber nachgegrübelt, was Ekko wohl veranlasste, die Atomwaffen unter Verschluss zu halten, anstatt sie effektiv gegen den Feind einzusetzen.

»Wie stellen Sie sich denn den Einsatz der Sprengkörper vor?«, verlangte er eine kurze Analyse des Problems.

»Wir dachten uns, so eine Form von Minensperrgürtel zu errichten, so etwa zwanzig bis dreißig Meilen vor der Kathedrale. Dort vergraben wir alle Bomben und jagen sie dann in die Luft, wenn die Grünhäute drüberfahren. Das ist eigentlich der Kern. Details lassen sich dann ja beizeiten noch ausarbeiten.«

Balgor nickte. »Ja, ich verstehe. Und im Grunde hatte ich bereits dieselbe Idee. Allerdings †“ und das ist der Blickwinkel, aus dem es der Colonel und Major Carrick sehen müssen †“ dürfen Sie auch nicht vergessen, dass unsere Kapazitäten recht begrenzt sind.«

»Aber das hat den Colonel auch nicht davon abgehalten, wertvolle Ressourcen in einer Schlacht zu verfeuern, die im Grunde vollkommen sinnlos gewesen ist«; protestierte Solmaar brummig.

»Deswegen«, stimmte Balgor zu, »wird sich der Colonel hüten, noch mehr Ressourcen zu opfern, wenn es nicht unbedingt nötig ist.«

Im Grunde hatte Solmaar ja recht. Ekkos Verhalten mochte im Angesicht der Situation nicht gerade Sinn ergeben, und wenn Balgor seinen Vorgesetzten nicht besser und nicht länger gekannt hätte, dann wäre er vermutlich auch davon ausgegangen, dass Ekko eigentlich gar keine Ahnung von dem Beruf hatte, den er da ausübte.

Allerdings †“ und seine zynische innere Stimme fragte ihn hämisch, ob er wirklich darauf stolz sein wollte †“ kannte er Ekko bereits eine ganze Weile und wusste, dass die Wege des Colonels oft so unergründlich schienen wie die Weisheiten des Imperators, aber meistens auch genauso effektiv.

Und selbst, wenn der Basteter seine erfahrungsgemäß recht überhasteten Aktionen erst im Verlauf der eigentlichen Aktion zu planen begann, stand hinter seinem Wahnsinn mehr als nur Methode.

»Eine Atomwaffe wird erst dann taktisch, wenn sie mindestens hundert Meilen weit entfernt explodiert und der Wind den radioaktiven Niederschlag in die andere Richtung trägt«, fuhr er fort, das Problem zu erklären. »Das bedeutet also, wir müssen einen mehr oder weniger großen Abstand zwischen uns und den Waffenträger bringen. Die einzigen Einheiten, die schnell genug wären, die Sprengkörper von der Kathedrale wegzubringen und sie im Weg der anrückenden Xenos zu platzieren, wären unsere Walküren. Allerdings haben die wiederrum kein Material an Bord, um eine entsprechend große Erdbewegung auszuführen, damit wir die Bomben auch tief genug vergraben können und sie nicht gleich entdeckt werden.

Wenn man es von der Seite aus betrachtet, haben wir dafür gar kein Fahrzeug. Die einzigen Kräfte, die eine solche Grabungsoperation durchführen könnten, wären Infanteristen mit Spitzhacke und Feldspaten. Und die wiederrum würden viel zu lange benötigen, um eine entsprechend tiefe Grube auszuheben.«

»Kommt immer auf die Größe der Einheit an«, wandte der große Offizier an seiner Seite ein.

»Wie viele Infanteristen wollen Sie denn einsetzen? Zu viele Köche verderben den Brei, Solmaar. Mehr als zehn Mann können sie pro Erdloch nicht arbeiten lassen. Und bei zwölf Bomben … einhundertzwanzig Mann. Wie wollen Sie die alle zeitnah an einen Ort bringen und später auch wieder abholen? Zudem brauchen sie Sicherungstruppen.« Er senkte verschwörerisch die Stimme. »Und, einmal ganz unter uns: Ich glaube nicht, dass die Orks es einfach so hinnehmen, wenn wir einen halben Ordonanzwagen in ihrem Weg vergraben †“ geschweige denn ein Dutzend.«

»Und wenn wir sie von einer Walküre überfliegen lassen und ihnen das Ding auf die grässlichen Fratzen schmeißen?«

Balgor ließ die Worte einen Moment in der Luft schweben, bevor er sie schließlich mit nachdenklich wiegendem Kopf aufnahm. »Nicht unmöglich, aber in unserer Situation schwierig zu realisieren: «

Auf den befremdeten Blick des anderen Captains fuhr er erklärend fort: »Die Walküre ist ein Sturmtransporter. Sie ist zum Mannschaftstransport, als fliegender Versorger und Kommandoeinheit geeignet, aber nicht für den primären Einsatz als Waffenplattform. Sie besitzt nicht einmal die richtigen Lastschienen, um einen Sprengkörper dieser Größe an der Außenseite anzubringen. Sie würde die Last im Truppenraum transportieren müssen. «

»Das geht mit Drop Sentinels auch«, bemerkte Solmaar.

Balgor nickte. »Natürlich. Aber die sind auch für das Absetzen aus der Walküre präpariert. Mit einem Atomsprengkörper geht das nicht so einfach. Der Sprengkörper muss für den Einsatz vorbereitet werden. Sie erinnern sich sicherlich an die Aufsetz- und Durchstart-Übungen, die von der PVS auf Bastet durchgeführt wurden? Diese riesigen Paletten und Container, die mit Hilfe von Gravschirmen und Bremsschirmen aus den Walküren gezogen wurden, während diese niedrig über die Abwurfzone hinwegdonnerten?

So ähnlich dürfen Sie sich den Abwurf der Atomwaffe vorstellen. Dabei gibt es dann zwei Probleme: Erstens, wie mache ich den Zünder manuell scharf? Atomwaffen sind nicht gerade für zuverlässige Maschinengeister bekannt. Als Flugzeugbesatzung würde ich mich nicht darauf verlassen, dass zwanzig Kilotonnen Sprengkraft in der dünnen Luft nicht vielleicht doch schon frühzeitig auslösen und mich in die Atmosphäre verteilen. Vor allem, wenn ich es innerhalb meiner Maschine aktivieren muss.«

»Und das zweite Problem? «, wollte Solmaar wissen.

»Wie treffe ich den Gegner? Das Problem von ungelenkten Gravschirmabwürfen aus großen Höhen ist, dass man nie weiß, wohin der Körper, den man abwirft, auch wirklich hintreibt. «

Sein Gegenüber wirkte nach wie vor nicht überzeugt. »Aber wir müssen den Abwurf ja nicht aus zehn Kilometern Höhe durchführen. Würden nicht auch nur ein- bis zweitausend Meter Höhe reichen? «

»So wie bei Lenhims Trupp oder die paar Dutzend anderen Flieger, die unsere Armeegruppe gegen die Grünhäute eingesetzt hat?«, wollte Balgor wissen. Der Sarkasmus in seiner Stimme hielt sich dabei erfolgreich in Erinnerung. Sogar so erfolgreich, dass weitere Worte lediglich Verschwendung gewesen wären.

»Verdammt«, musste Solmaar zugeben. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen hatte er diese Möglichkeit zuvor wahrscheinlich überhaupt nicht in Betracht gezogen.

»Genau«, bestätigte der kleinere Captain. »Verdammt. Vermutlich wird die Bombe mit dem abstürzenden Transporter beim Aufprall zerschellen, der Sprengstoff geht hoch und es gibt eine kleine Explosion, die den einen oder anderen Ork anschwärzt. Das war es dann aber auch. Glück gehabt. Lediglich die Maschine und eine Bombe verloren. Bleiben noch zwei zu elf.« Er holte tief Luft. »Geht es aber so weit, dass die Bombe heilbleibt, dann wird es für uns recht ärgerlich. Denn dann haben nämlich die Grünen die Bombe. Und wir stehen plötzlich ziemlich nackt da.«

Solmaar verstand schweigend.

»Natürlich kann ich nicht für den Colonel sprechen«, schloss Balgor. »Aber er wird seine Gründe für sein Verhalten haben. Immerhin sind die Atomwaffen das letzte Mittel, dem Gegner schwerste Verluste beizubringen. Und dieses Mittel wird der Colonel sicherlich nicht verfrüht oder falsch einsetzen.« Er schüttelte den Kopf. »Wenn er so weit geht, dann könnte er sich auch gleich selbst umbringen.«

Bei diesem Gedanken spürte er es in seinem Innern rumoren †“ aber dieses Mal war der Grund dafür nicht das Reservoir, das sich gerade in seiner Blase ansammelte.

Ich denke, ich sollte jetzt noch einmal nach ihm sehen, entschied er. Nicht, dass er noch irgendwelche Dummheiten macht.

Dass er seine Gedanken laut ausgesprochen hatte, bemerkte er erst, als Solmaar sich angesprochen fühlte. »Glauben Sie das?«

»Wie Sie bereits ganz richtig festgestellt haben«, beendete Balgor das Gespräch in der Hoffnung, keinen allzu großen Schaden im Ansehen seines Vorgesetzten angerichtet zu haben. »Ich kenne ihn von uns allen am besten. Wenn er zu viel Zeit hat, heckt er die innovativsten Pläne aus.«

***

Der Mond verbarg sein Antlitz hinter neu aufziehenden Wolken, als Galardin Ekko in die nächtliche Stille des Hauptturms hinaustrat.

In der letzten Stunde hatte er sich bemüht, endlich ein wenig Schlaf zu finden, doch recht schnell festgestellt, dass weder sein Körper, noch sein Geist Ruhe zulassen wollten. Adrenalin pumpte in mächtigen Schüben durch seine Adern und der pochende Kopfschmerz, der ihn bereits seit etlichen Stunden traktierte, hatte sich auch wieder eingefunden.

Es war fast, als ob alte Freunde ihn besuchen würden. Freunde allerdings, auf die er in diesem Moment liebend gern hätte verzichten können.

Tatsächlich wollte es ihm so vorkommen, als wenn kleine Grots in seinem Kopf umhersprangen, seine Synapsen quetschten und seine Hirnwindungen fraßen wie Rost einen Leman Russ.

Und die Nachtluft bot wenig Abkühlung, selbst wenn er sich direkt in den eisigen Wind stellte, der hier oben um das Beinhaus schnitt.

Im Grunde war das auch nicht wichtig. Hier, wo er stand, sah er sich den kalten Klauen des Wetters sowieso mit seiner vollen Breitseite ausgesetzt.

Ekko atmete tief ein und entschied, alle weiteren Gedanken an Wind lediglich leises Hintergrundflüstern in seinem Kopf zu sein, bevor er an den Rand der Dachplattform trat und den tiefen Abgrund betrachtete, der sich vor ihm auftat.

In seiner Jugend, also zu jener Zeit, als ihm sein Bruder genommen worden war, hatte er sich stets vorgestellt, eines Tages die letzte, alles entscheidende große Schlacht gegen seine Feinde (die gerüsteten Bestien des Adeptus Sororitas) zu schlagen und dann, unter den dankbaren Blicken der Bevölkerung, in die Wüste gen untergehende Sonne zu marschieren.

Nun gut, die Situation hatte sich zwischenzeitlich geringfügig geändert. Tatsächlich verschluckte die tiefe Schwärze der Nacht die kilometerlange Strecke zum Boden, an deren Ende der Tod auf ihn lauerte.

Immer wieder war es dem Universum mit Hilfe des Gott-Imperators gelungen, ihn zu quälen und um sein verdientes Ende zu bringen. Sie hatten ihn regelrecht mit Leben gefoltert, bis er sich in sein Schicksal ergeben hatte und zu der Ansicht gekommen war, ihr Spiel so lange einfach mitzuspielen, bis sich ihm ein Ausweg bot.

Die Worte der Ekklesiarchin indes hatten ihn nachdenklich werden lassen. Vielleicht hatte sie ihm einen bisher versteckten Weg offenbart, sein Vorhaben doch noch durchzuführen.

Legenden hin oder her.

War es zuvor sein erklärtes Ziel gewesen, alle seine Männer von diesem leblosen Stück Gestein wegzubringen, das die Schlacht zwischen Menschen und Orks aus einem einstmals blühenden Ort gemacht hatte, so überlegte er inzwischen wieder verstärkt, sich jetzt endlich aus der Gleichung des Imperators weg zu kürzen. Im Augenblick zumindest bot sich ihm die Gelegenheit dafür.

Wenn er vor der Schlacht starb, dann würde das ohne Frage einen immensen Schlag für seine Männer bedeuten. Sicherlich würden Fragen aufkommen, Spekulationen über seinen so unerwarteten Tod.

Vermutlich würden sie eine breite Bandbreite abdecken †“ vom unehrenhaften Tod durch Selbstmord bis zur hinterhältigen Ermordung durch einen Attentäter.

Allerdings war es besser, wenn er jetzt ausschied, als wenn er während des Abwehrkampfes mit dem Makel des Selbstmords vom Feld ging.

Natürlich war es sein Ziel möglichst unspektakulär zu verscheiden. Aber das Letzte, was er tun wollte, war seinen Leuten ein schlechtes Vorbild zu sein. Genauso wenig wie ein Held, auch wenn das wiederrum eine vollkommen andere Geschichte war.

Langsam zog er das Büchlein, das seine ‚Schwarze Liste†˜ barg, aus der Brusttasche seines Drillichs und blätterte ein weiteres Mal die Seiten durch.

Auf dramatisch humoristische Weise besaß dieses kleine, in einen dunklen Einband geschlagene Buch eine lebenswichtige Bedeutung für ihn. Immerhin hatte es seinen Verstand über die letzten Jahre in einem wachen und klaren Zustand bewahrt.

Es hatte ihn Tag um Tag am Leben und auf sein Ziel gerichtet erhalten, sodass er sich zumindest noch ansatzweise in den Prüfungen, mit der ihn der Gott-Imperator und das Universum bedachten, behaupten konnte.

Die Ekklesiarchin hatte schon recht gehabt. Er hätte am liebsten einfach dagesessen und darauf gewartet, dass sich das Imperium aus einer grausamen Laune des Universums heraus selbst fraß. Wie hatte sie es genannt? Ach ja - ‚das Schwinden†œ.

Doch je weiter ihn sein Weg durch die Galaxie führte, je weiter ihn die Pistole in seinem Rücken vorwärtsdrängte, umso stärker reifte in ihrem die Erkenntnis, dass er die Liste in seinem Büchlein niemals würde abarbeiten können.

Und mit dieser Erkenntnis wurde auch sein Lebensgrund seltsam wertlos.

Er hatte einfach keine Lust mehr. Er wollte nicht mehr. Er hatte diesen Dienst nicht gewollt, diesen Rang nicht und auch die Pflichten und Privilegien, die mit seiner Stellung einhergingen, hatte er nicht gewollt.

Er wäre am liebsten ein einfacher Sergeant geblieben, ein Streiter der PVS auf Bastet III, mit dem sicheren Wissen um das Herz seiner Liebe.

Aber so, Kamerad, haben wir nicht gewettet.

Wieder einmal keimte in ihm die Frage auf, was den Imperator verärgert hatte, dass Er ihn so dermaßen quälte.

Warnendes Grollen dröhnte über die Ebene, welche die Himmelskathedrale einschloss. Es war nicht mehr viel Zeit, bis die Orks die Himmelskathedrale erreichten. Der Colonel verstand das Zeichen. Jetzt †“ oder nie!

Er traf seine Entscheidung.

Galardin Alberic Ekko, Colonel der Imperialen Armee, Kommandeur des 512. Regiments Sera, gefallen im Jahre des Imperators 996M41. Sturz vom Dach der Himmelskathedrale auf Agos Virgil.

Der Basteter grinste bitter. Schade eigentlich. Unter anderen Umständen hätte es ein gutes, ein glückliches Leben unter dem Schutz des Imperators werden können.

Fast geräuschlos legte er das schwarze Buch ab, straffte seine Uniform und nahm Haltung an. »Bald werden wir uns wiedersehen«, flüsterte er seiner Liebe zu. »So wie es der Imperator will.«

Ein letzter, tiefer Atemzug folgte, dann trat Colonel Galardin Alberic Ekko in die Bodenlosigkeit…

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Salve, liebe Stargazerleser!

Hier kommt ein neues Kapitel, nachdem das letzte ja mit einem derart üblen Cliffhanger endete.

Wie immer Danke an Nakago für seine Fluff-Kontrolle.

Viel Spaß beim Lesen!

28

Die Turbinen der Walküre heulten auf, dann drückte sich der Körper von 2081 Virago unter dem schweren Keuchen der in den Flügelspitzen verankerten, stationären Auslassdüsen zitternd zurück in seinen natürlichen Lebensraum.

Der scharfe Gestank heißer Abgasstrahlen schwängerte die Luft um Balgor, als der Captain sich aus der abgeknieten Position erhob, in der er den Aufstieg des Sturmtransporters abgewartet hatte.

Er verfolgte, wie der Senkrechtstarter über den rechten Flügel abkippte und dann mit rasender Geschwindigkeit dem Erdboden entgegenfiel, nur um einige Sekunden später mit der Ebenholzschwärze der Nacht zu verschmelzen. Lediglich das grelle Leuchten der Abgasstrahlen zeichnete den halsbrecherischen Flug der Maschine nach.

Balgor schüttelte den Kopf und atmete tief durch. Manche Piloten waren schon irre Gestalten †“ genauso wie manche Offiziere.

Der Captain richtete sich auf, straffte seine Uniform und fröstelte beinahe im gleichen Augenblick ob des kalten Windes, der hier oben herrschte. Das Wetter war nicht so schlimm wie vor einigen Tagen, als sie mitten in diesen Gewittersturm geraten waren, aber es als angenehm zu bezeichnen, wäre der Wahrheit wohl auch kaum nahe gekommen.

Er sah sich flüchtig um, ließ seinen Blick über die künstlich bebaute Spitze der Felsnadel gleiten.

Wonach er suchte, konnte er eigentlich gar nicht wirklich sagen. Das Plateau war leer. Keine Silhouette, keine Regung, hob sich gegen die vom matt schimmernden Mond ab und an flüchtig erhellten Formen des Kathedralendachs ab.

Und doch war ihm, als wenn er beobachtet wurde. Als wenn ihn jemand mit der selbstverständlichen Sicherheit eines Zielvisiers verfolgte †“ und ihn warnte.

Er kannte diesen Blick. Er war beim letzten Mal vor einer sehr langen Zeit auf Bastet III von ihm gestreift worden. Und die Besitzerin hatte ihn mit einem ernsten Funkeln ihrer Augen ermahnt, ja auf den Menschen aufzupassen, der ihr im Leben am Meisten bedeutete.

Vielleicht verursachte das jenes ungute Gefühl, das ihn seit seinem Gespräch mit Captain Solmaar gleich einem bösen Geist unsichtbar verfolgte und ihn zur Ruhelosigkeit drängte.

Dieser Ort †“ die Himmelskathedrale †“ war bemerkenswert, das hatte Balgor bereits beim Betreten der Makrokathedrale festgestellt. Aber, dass er so bemerkenswert unheimlich sein konnte, das erkannte der Captain erst jetzt.

Es war, als wenn der Ekklesiarchiepalast Geister und Schatten beherbergte, die von Zeit zu Zeit erschienen, sich wieder auflösten und in die Dunkelheit der tief verwinkelten Gassen verschwanden.

Colonel Ekko hatte ihm bereits von Erscheinungen erzählt, von Tagträumen und rastlosen Gedanken, die ihn seit ihrer Ankunft heimsuchten. Tatsächlich jedoch hatte Captain Balgor diese für eine Form von Wahnvorstellung gehalten, mit der sich der Geist des Regimentskommandeurs gegen die Belastung wehrte, der er ausgesetzt war.

Wie es schien, lag er da falsch.

Tatsächlich fragte er sich in diesem Augenblick ernsthaft, ob Wahnvorstellungen ansteckend waren. Vielleicht gingen hier irgendwelche Chaoskreaturen um. Es konnte kein Zufall sein, dass die ekklesiarchische Belegschaft der Kathedrale kollektiven Selbstmord begangen hatte. Auch, wenn die Space Marines den Offizieren versichert hatten, dass dies einzig und allein dem Wahn des Obersten zu verdanken war.

Wobei sich da auch nicht klar sagen ließ, ob der möglicherweise …

Mit einem ärgerlichen Schnaufen schob er den Gedanken zur Seite. Wie kam er dazu, sich jetzt über so etwas Gedanken zu machen? Eigentlich war er doch aus einem vollkommen anderen Grund hier oben.

Seit dem Gespräch mit Solmaar hatte er bereits mehrfach versucht, seinen Regimentskommandeur zu kontaktieren, aber dabei auch nicht mehr herausgefunden, als dass der imperiale Offizier bisher von niemandem mehr gesehen, geschweige denn gefunden worden war (wofür Balgor in diesem Moment eigentlich nur dankbar sein konnte). Nicht einmal Gireth, den Ekko zu seinem persönlichen Funker erkoren hatte, wusste genau, wo sich sein Vorgesetzter befand, was deutlich ungewöhnlich und merklich schlecht war.

Ekko gehörte nun einmal zu den Menschen, die dazu neigten, von Zeit zu Zeit wirklich dumme Dinge zu tun. Und im Gegensatz zu vielen anderen brauchte er dafür nicht einmal Publikum. Und wenn sein geistiger Zustand wirklich so schlecht war, wie Balgor vermutete, dann war ihm alles zuzutrauen.

Wobei man auch nie genau sagen konnte, wie es um Ekko stand †“ was aber auch nicht gerade gegen Balgors Sorgen sprach.

Der Captain entschied, seine Unruhe in Bezug auf den Colonel vorübergehend beiseite zu schieben und sich darauf zu konzentrieren, erst einmal Klarheit über den Verbleib seines Vorgesetzten zu erlangen. Am Ehesten ließ sich Ekko wohl bei Carrick in der Kommandozentrale finden. Auf jeden Fall hoffte Balgor das.

Der Captain grunzte ein unwilliges »Mistkerl«, dann machte er sich auf, möglichst schnell aus der ungeschützten Fläche der Dachplattform ins Innere des Beinhauses zu gelangen.

Er hatte nicht einmal ein Fünftel des dazu notwendigen Weges zurückgelegt, da ebbte ohne Vorwarnung der Wind ab. Er erstarb so plötzlich, dass sich einem der Gedanke aufdrängte, der Imperator habe seinen persönlichen Ventilator abgestellt.

In die plötzliche Stille brach das ferne Rumoren der Xeno-Horde, ihr dumpfes Donnern vor der tiefnächtlichen Ruhe, in der selbst die Geräusche der großen Militärstreitmacht des 512. Regiments verstummten.

Aber davor tönte etwas anderes. Etwas, das der Captain im ersten Augenblick nicht wirklich zuordnen konnte. Etwas, das …

Er spitzte die Ohren. Waren das Stimmen, die sich ihren Weg an sein Gehör bahnten?

Aufmerksam blieb er stehen und versuchte, die ungefähre Richtung des Geräusches auszumachen.

Ja, definitiv. Das mussten Stimmen sein. Was genau sie sagten, ließ sich nicht verstehen, aber er konnte sie deutlich vor dem Hintergrund des lärmenden Feindes hören.

Allerdings hatte er bisher noch niemanden auf der Dachplattform gesehen. Und dass sich auch jetzt niemand zeigte, ließ ebenso wenig Gutes erahnen.

Ob er es hier mit Spionen zu tun hatte? Zwar hatte Captain Balgor noch nie davon gehört, dass die Xenos in irgendeiner Form Spione gegen Nicht-Orks eingesetzt hätten.

Man konnte jedoch nie wissen †“ und Balgor empfand ein unbestimmtes Maß an Nervosität, als er die Laserpistole aus seinem Holster zog und den Ladezustand der Waffe überprüfte.

Vorsichtig schlich er über das Kathedralendach, Pistole und Ohren im Anschlag. Seine Stiefel knirschten leise auf dem steinernen Boden.

Wenn er die Geräuschkulisse richtig peilte, dann musste sich die Quelle direkt vor ihm befinden … und zwar …

Sein Fuß stieß gegen irgendetwas, das sich nur dadurch ausmachen ließ, dass es bei dem Tritt raschelnd in Bewegung geriet. Schnell bückte er sich und griff danach.

Zu seiner eigenen Überraschung war es Papier, sogar ein ganzer Haufen davon, gebunden in einen schwarzen Einband.

Das schwarze … Herr auf dem Thron! Ekko!

Eilig erhob sich der Captain und schlich an die kaum erkennbare Kante, die das lebensrettende Topp der Himmelskathedrale vom bodenlosen Abgrund trennte, bevor er sich auf alle Viere sinken ließ.

Bleicher Vollmond belächelte sein tastendes Vorrücken, ließ die kantige Oberfläche des Dachplateaus matt schimmern.

Noch immer zerstob der Wind die Sätze in alle Himmelsrichtungen, aber als Balgor den Rand der Plattform erreichte, konnte er ganz deutlich hören, dass tatsächlich jemand sprach †“ nein †“ eher fluchte. Und der Lautstärke nach zu urteilen, durfte die Person nicht weit entfernt sein. Vielleicht fünf, sechs Meter unter ihm.

»Warum passiert eigentlich mir so etwas immer?«, wetterte die Stimme. »Das ist doch zum Abkotzen. Warum betrügt mich der Gott-Imperator immer auf diese Weise?«

Sie war ihm nicht unbekannt. Auch die Worte klangen vertraut. Er hoffte trotzdem, dass das, was ihm gerade in den Sinn kam, nur ein Hirngespinst war. Eine Vermutung, die sich glücklicherweise nicht als Wahrheit herausstellen würde. Denn sollte es anders sein … Herr auf dem Thron †“ das würde noch Spekulationen geben … und sicherlich auch massiven Ärger.

Wort- und geräuschlos schob Balgor die Laserwaffe zurück in sein Holster, bevor er seinen Oberkörper über den Rand des Bergs in die Bodenlosigkeit des Himmels schob. Nein. Das hier hatte definitiv nichts mit dem Feind oder Spionage zu tun. Jedoch konnte der Basteter nicht behaupten, dass ihm die Möglichkeit, die sich ihm nun mit selbstverständlicher Offensichtlichkeit präsentierte, eher behagt hätte.

Die Hände als Stütze fest auf den felsigen Boden gepresst zwang sich der Captain, nicht in die tief unter ihm residierende Dunkelheit zu starren, während er gleichzeitig bemüht war, die wütende Stimme genauer zu lokalisieren.

Ohne Frage war Captain Balgor kein Mann allzu großer Akrophobie, doch seinen Körper bewusst über einen Abgrund zu schieben gehörte zu den Dingen, die selbst in ihm Beklemmung auslösten. Vor allem, wenn man wusste, dass unter einem hunderte Meter tief nichts weiter existierte als dunkle, kalte Nachtluft.

Allerdings †“ und das ließ ihn sein Unwohlsein vergessen †“ schoss ihm nur wenige Augenblicke später der Schreck der Erkenntnis durch den Leib, ließ seine Beine weich werden und seine Arme sich versteifen.

»Colonel!«, rief der Offizier aus. »Was machen Sie denn da?«

Galard Ekko, der gut fünf Meter unter ihm in einer sichtlich unbequemen Position vom Kopf eines der in den Fels geschlagenen Wasserspeier baumelte, sah wenig begeistert zu ihm auf.

»Ich hänge hier herum«, antwortete der Basteter resigniert. »Was dachten Sie denn?«

Wie es schien, hatte sich der Colonel bei seinem Sturz auf wundersame Weise mit seinem Drillich an zumindest einem Ohr des Tierkopfes verfangen. Sauber von dem steinernen Gebilde aufgegabelt, hing er nun, sämtlicher Bewegungsfreiheit beraubt, gleich einer gehissten, aber erschlafften Flagge, über dem Abgrund von der Flanke des Kathedralenturms.

Trotz der bedrohlichen Situation haftete der Szene eine nicht zu verleugnende Komik an und Balgor konnte nicht anders, als nach einigen Sekunden des Begreifens in haltloses Gelächter auszubrechen.

Ekko gab ihm gnädig Zeit, sich erst einmal von dem plötzlichen Heiterkeitsausbruch zu erholen, bevor er sich dazu entschloss, die Aufmerksamkeit seines Untergebenen zurück auf den Kern der Situation zu lenken. »Es freut mich, dass ich Ihnen zu dermaßen guter Laune verhelfen konnte, Balgor.«

»Es tut mir leid«, prustete der Captain, abwechselnd damit beschäftigt, seinen vom Lachen schmerzenden Bauch zu halten und die Balance nicht zu verlieren, »aber … ich … Sie … ich meine …« Er lachte aus und räusperte sich dann. »Ich meine: wie †“ beim Barte des Propheten der Heiligen Bastet †“ sind Sie dorthin gekommen?«

»Oh, da unten brüten Orktöter«, antwortete Ekko sarkastisch und deutete nachlässig in Richtung der Flanke des Gebäudes. »Als ich ihr Nest betrachten wollte, bin ich abgerutscht. Ein Glück, dass sich mein Drillich in dem Wasserspeier verfangen hat. Stellen Sie sich nur vor, was passiert wäre, wenn …« Er hob in einer theatralischen Mischung aus Aufregung und schlecht kaschierter Verzweiflung, dass sein Plan misslungen war, steif die Arme und vollführte eine schwerfällige Geste in Richtung Boden.

»Sie wären tot«, schloss Balgor völlig richtig aus der Bewegung.

Der Colonel drehte ihm seinen Kopf zu. »Ja«, brummte er. »Ich wäre tot. Vielen Dank, Balgor, für diese Erkenntnis.«

»Gerne.« Der Captain nickte freundschaftlich. »Und was ist wirklich passiert?«, bohrte er weiter.

»Ballistische Flugbahn falsch berechnet«, gab der Colonel trocken und mit einem gewissen Anteil von Verzweiflung in seiner Stimme zurück.

»Aber †“ warum?«

»Ich bin schlecht in Mathe, Balgor.« Ekko versuchte, resigniert die Schultern zu zucken, was ihm aufgrund seiner Lage allerdings nicht gelang. Vielmehr hörten die beiden Offiziere das kratzende Reißen von Stoff.

Aufgerüttelt hielt Ekko inne. »Oh, nicht gut«, kommentierte er das Geräusch und sah zu Balgor auf, in dessen Körper im Schlag einer Sekunde jeglicher Resthumor unter dem aufschäumenden Adrenalin plötzlichen Verstehens und alarmierter Panik ertrank.

»Ich hole Hilfe. Bewegen Sie sich nicht«, rief er Ekko zu, schwang sich auf und trabte im Laufschritt in Richtung Beinhaus.

»Danke, Balgor, für diesen überaus freundlichen Ratschlag«, seufzte der Colonel, von der schieren Weisheit in den Worten seines Untergebenen überwältigt. »In Ordnung. Ich hänge hier dann weiter ab.«

***

Es dauerte nicht ganz fünf Minuten, dann kehrte Balgor mit einem höchst aufgeregten Major Carrick zurück.

»Colonel!«, rief der stellvertretende Regimentskommandeur aus, als er neben dem Captain an den Rand der Dachplattform glitt. Auf dem Bauch liegend sah er auf seinen Vorgesetzten hinab.

Ekko erwiderte den Blick gelangweilt. »Major«, brummte er zurück.

»Was machen da unten?«, wollte der blonde Basteter wissen.

Der Regimentskommandeur bemühte sich, dieses Mal nicht mit den Achseln zu zucken. »Ich hänge hier ab.«

»Sagte ich doch«, warf Balgor, an Carrick gerichtet, ein.

Dafür erntete er böse Blicke, bevor ihn der Major mit Nichtachtung strafte.

»Aber was ist geschehen, Colonel?«, erkundigte sich der Stellvertreter.

Ekko schüttelte entnervt den Kopf. »Was vermuten Sie denn?«, fragte er so freundlich er in diesem Moment konnte. Es hörte sich eigenartig fremd an.

Carrick zuckte ahnungslos die Schultern. »Hat Sie jemand heruntergestoßen?«, riet er drauflos.

»Sie sind nahe dran, Major.« Zwar konnte der Colonel sich in seiner Lage nicht wirklich bewegen, aber das zustimmende Nicken zeigte sich deutlich in seiner Miene.

Darüber musste Carrick für eine Weile nachdenken. Es dauerte deutlich länger als bei Balgor, bis auch er schließlich den Gedanken fasste, auf den ihn Ekko stoßen wollte.

»Herr auf dem Thron«, brachte der Major hervor. »Das ist nicht …?« Er schlug mit der Faust auf den kalten Stein der Dachplattform. »Thronverdammt! Colonel, sagen Sie mir, dass das nicht wahr ist!«

»Major«, seufzte Ekko, von der Reaktion seines Stellvertreters sichtlich unbeeindruckt. »wenn Sie bald fertig sind und Zeit haben: Es wird allmählich kalt im Unterbauchbereich. Es wäre also sehr freundlich, wenn mich irgendjemand von hier herunterholen könnte. Auf die eine oder andere Weise.«

Carrick stieß einen weiteren, unverständlichen Schwall häretischer Verwünschungen aus, bevor er sich Captain Balgor zuwandte. »Laufen Sie in die Kommandozentrale und rufen Sie Captain Solmaar. Erkundigen Sie sich, wann der Infanterietrupp eintrifft. Sie sollen Bergegeschirr und Strahler für die Ausleuchtung mitbringen.«

Balgor nickte. »Infanterietrupp, Bergegeschirr und Strahler«, fasste er das benötigte Personal und Material zusammen. »Geht klar.« An Ekko gewandt fuhr er fort: »Bin gleich zurück, Chef.«

Der versuchte, möglichst bewegungsarm abzuwinken. »Nur keine Umstände, Balgor. Ich habe heute nichts mehr vor.«

Das trockene Knirschen schwerer Tritte auf dem harten Steinboden verhallte eilends, als der Captain aufsprang und die Strecke zum Beinhaus im Laufschritt zurücklegte.

Carrick wartete, bis der rangniedere Offizier vollends verschwunden war, dann wandte er sich an den von der Kathedrale hängenden Basteter. »Colonel, warum, beim Barte des Propheten?«

»Sehen Sie mich nicht so vorwurfsvoll an«, verlangte Ekko, den Blick missbilligend in die Ferne gerichtet.

»Aber ich habe doch gar nicht …« Der Major brach ab, atmete tief durch und begann von neuem. »Colonel, die Orks sind im Anmarsch«, erinnerte er seinen Vorgesetzten. »Welche Auswirkungen wird es auf die Moral der Truppe haben, wenn ihr Vorgesetzter in diesem Moment vom Dach der Himmelskathedrale fällt?«

»Na ja«, widersprach Ekko. »Als Fall kann man diese Peinlichkeit nicht bezeichnen.«

Carrick beachtete die Bemerkung nur am Rande. »Sie wissen, was ich meine. Wenn die Männer erfahren, was hier oben geschehen ist, dann werden sie Mut und Glauben verlieren.«

»Ja, und?«, knurrte sein Vorgesetzter. »Wenn die Moral zu weit sinkt, dann lassen wir die Nonne auf sie los.«

»Colonel! Es ist mir ernst.«

»Ja, mir auch«, entgegnete der dunkelhaarige Offizier. »Was meinen Sie, wie die dann plötzlich kämpfen können. Ich habe das genau durchdacht.«

Angesichts der undurchdringlichen Barriere aus Sturheit gab der hochgewachsene Basteter auf. »Wie Sie befehlen, Colonel.«

Für eine kurze Zeit übernahm das dumpfe Donnern der fernen Feindhorde überhand. Keiner der beiden Offiziere wagte es, die festgefahrenen Fronten zu brechen.

Es dauerte aber auch nicht lange, bis schwere Schritte aus den Tiefen des Beinhauses zu ihnen hinüberhallten.

Mit dem gedämpften, knirschenden Geräusch eines in Stoff gehüllten Festkörpers landete Balgor keuchend neben dem liegenden Major Carrick auf dem Dachplateau. »Befehl ausgeführt«, meldete er atemlos. »Der Infanterietrupp sollte in wenigen Minuten eintreffen.«

»Gut gemacht«, lobte Carrick den rangniederen Offizier.

»Dann hoffen wir, dass der Wind bis dahin nicht auffrischt«, fügte Ekko an.

Balgor neigte bestätigend den Kopf, als er sich an den Regimentskommandeur wandte. »Keine Sorge, Chef. Doktor Calgrow kommt auch. Die kann Sie im Notfall wieder zusammenflicken.«

»Na, vielen Dank«, schimpfte Ekko. »Schön, dass Sie die Dame gleich mit eingeladen haben. Warum holen Sie denn nicht auch noch die Schwester †“ für die letzte Ölung?«

»Kein Grund, sarkastisch zu werden«, wehrte Balgor ab. »Ich bin es schließlich nicht gewesen, der versucht hat, vom Turm zu springen.«

»Captain!«, setzte Carrick zu einer scharfen Maßregelung an, die jedoch die nächste Bemerkung seines Vorgesetzten nicht überlebte.

»Nein, aber Sie kommen aus einer Steinmetzfamilie«, wetterte Ekko, so gut es in seiner Situation möglich war. »Womöglich haben Sie mir diesen Schafskopf in den Weg gemeißelt!«

Dass es sich eigentlich um ein stolz aufragendes Fabelwesen aus der Geschichte Agos Virgils handelte, ließ der Colonel außer Acht. Er wusste es nicht einmal (und hätte er es gewusst, es wäre ihm höchstwahrscheinlich egal gewesen).

»Sein Sie froh«, murmelte Balgor beleidigt, als er seinen Blick in die Dunkelheit hinabgleiten ließ, in die sein Kommandeur beinahe gestürzt wäre. »Das hätte sonst einen hässlichen Fettfleck gegeben.«

Jetzt konnte Ekko nicht anders, als resigniert aufzulachen und den Kopf zu schütteln. »In Ordnung, Balgor. Das war jetzt eindeutig ein Punkt für Sie.«

Major Carrick kam gar nicht dazu, die verbale Insubordination anzuprangern, mit der der Captain seinen Colonel belegt hatte.

»Carrick«, lenkte Ekko die Konzentration seines Stellvertreters auf sich. »Ich weiß, es wird mir noch ein bisschen Zeit bleiben, bevor ich wieder festen Boden unter den Füßen habe, aber ich hätte trotzdem ein paar Aufgaben für sie.«

Der hochgewachsene Major war für einen Augenblick sichtlich verwirrt ob der Tatsache, dass sein Vorgesetzter in dieser prekären Situation bereits wieder an den Dienst dachte. Doch er schaffte es recht schnell, die Kontrolle über seine Professionalität zurückzuerlangen. »Ich höre«, meldete er sich bereit.

»Treiben Sie Sergeant Numitor auf. Ich habe einige kleinere Aufgaben für seine Marines«, ordnete Ekko an. »Und holen Sie mir die Leute vom Munitorum her. Ich brauche ein paar von den Oberen und den Techpriestern.«

»Verstanden«, bestätigte der Major.

Dann schwiegen sie.

Weit unter ihnen klang einstimmiger, liturgischer Gesang an. Es war das Echo einer Prozession von Techpriestern, die im grellen Schein aufgestellter Strahler fieberhaft versuchten, den Maschinengeist der Sky Talon wiederzuerwecken, auf dass sich der mächtige Transporter wieder in die Lüfte erhob. Alle drei wussten, dass die Maschinenseher bereits seit einigen Tagen mit dieser Aufgabe beschäftigt waren, aber bisher keinen Erfolg verzeichnen konnten. Wie schien, würde er ihnen †“ zumindest vorerst †“ auch weiterhin verwehrt bleiben.

Es war Ekko, der die beiden anderen Offiziere aus ihren Gedanken riss. »Und?«, fragte er, den Kopf in Richtung Carrick und Balgor erhoben.

Sein Stellvertreter sah ihn an. »Sir?«

»Ich warte auf die Ausführung meines Befehls«, präzisierte der Colonel.

Auf Carricks Gesicht zeigte sich Verwirrung. War Ekkos Verhalten bisher lediglich labil und schwer zu durchschauen gewesen, so wanderten die Gedankengänge des Vorgesetzten inzwischen in bisweilen absurd groteske Formen ab. Es mochte an der Gesamtverfassung des Colonels liegen oder aber an dem Stress, dem er in gerade dieser Situation ausgesetzt war.

Haestian Carrick für seinen Teil stand kurz davor, den Kommandeur als nicht befehlsfähig und somit nicht tragbar für die Verteidigung dieser Stellung abzusetzen.

Allerdings †“ und das galt für Carrick wie für Balgor gleichermaßen †“ wussten sie, dass hinter den Gedanken des Vorgesetzten stets ein tieferer Sinn stand.

Im Grunde verfluchte sich der Major dafür, dass er dem anderen Mann noch dermaßen viel Vertrauen entgegenbrachte und er entschied, sich so bald wie möglich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob er als stellvertretender Regimentskommandeur noch zulassen wollte, dass das 512. von einem irren Selbstmörder kommandiert wurde.

Seine Lippen hingegen brachten lediglich ein. »Jetzt, Sir?« heraus.

»Nein, eigentlich gestern.« Die Ungeduld in Ekkos Worten war kaum zu überhören. »Aber jetzt wäre auch ein Anfang.«

»Verstanden.« Carrick wuchtete sich in die Höhe und wandte sich ab, die Befehle des Kommandeurs auszuführen.

Während seine Schritte in Richtung Beinhaus verhallten, wandte sich Ekko an Balgor, der noch immer über ihm in den Abgrund schaute. »Haben wir eigentlich eine aktuelle Punkteliste, Balgor?«

Der Captain musste für eine Weile überlegen, aber schließlich fand er eine passende Antwort. »Ich habe nicht mitgeplottet, Chef. Aber ich glaube, drei für mich, zwei für Sie.«

Ekko sah ihn skeptisch an. »Sind Sie sicher?«

»Absolut.«

»Na denn †“ tragen Sie das so ein.«

»Werde ich machen.« Der Captain nickte, bevor er seinen langjährigen Freund mit ernsten Blicken bedachte. »Erlaubnis, offen zu sprechen?«

Ekko rollte die Augen. »Ich kann Sie ja doch nicht davon abhalten.«

»Boss. Sie waren oft kurz davor, zu sterben«, bemerkte Balgor. »Und es ist Ihnen nie gelungen.«

Ekko sah ihn aus schmerzerfüllten Augen an. »Reden Sie nicht weiter. Ich weiß bereits, was Sie mir sagen wollen.«

Der andere Basteter nickte verstehend, sprach seine Gedanken dennoch aus: »Aber Sie waren noch nie näher dran wie heute †“ und Sie haben sich auch noch nie dümmer dabei angestellt.«

»Ich weiß«, gab der Colonel niedergeschlagen zu. »Ich tu†™s auch nicht wieder.«

»Hoffentlich«, warnte der Captain ihn, bevor auch er sich erhob. »Denn wenn Sie diesen Weg weitergehen, werde ich Sie nicht mehr begleiten.«

Das heisere Kreischen startender Turbojet-Turbinen, das sich als leise Untermalung der nächtlichen Unruhe zu ihnen aufs Plateau kämpfte, untermalte seine Worte eindrucksvoll.

***

Wie Vorboten einer dunklen Ahnung ließen die ersten Sonnenstrahlen des anbrechenden Tages den Himmel in schweren Blutfarben erglühen.

Wie es schien, hatten sich die Offiziere und Berater des 512. Regiments deutlich verrechnet, als sie die Ankunft der Orks auf den späten Nachmittag festlegten. Vor kurzem war durch die vorgeschobenen Beobachter gemeldet worden, dass sich die ersten Pulks der feindlichen Vorhut bereits aus dem nicht weit entfernten Sandmeer der Wüste herausschoben. Den Imperialen blieb nicht mehr viel Zeit.

Der Tod schickte sich an, gegen das Tor der Himmelskathedrale zu klopfen und zu ernten, was in den Weg seiner Sense geriet.

Heute würden Männer sterben, soviel war sicher.

Die ganze Nacht über hatten die Soldaten auf die eine oder andere Weise versucht, sich auf die kommende Schlacht vorzubereiten. Einige waren zum Gebet gegangen, um sich von der alten Ekklesiarchin der Himmelskathedrale salben zu lassen. Andere hatte Stunden um Stunden damit verbracht, ihre Waffen zu zerlegen, mit heiligem Waffenöl zu reinigen und wieder zusammenzusetzen, damit die Lasergewehre, Bolter und Nahkampfwaffen ihre Aufgaben auch wirklich erfüllten.

Wieder andere versuchten zu schlafen, auch wenn das in der Rastlosigkeit der vergangenen Nacht nur schwerlich möglich gewesen war.

Mit der Hast eiliger Improvisation hatten die Maschinenseher und Angestellten des Munitorums bis zuletzt daran gearbeitet, die Panzerwracks im Vorfeld der Kathedrale zu zerlegen und das aus ihnen geborgene Material anderweitig in die Verteidigung der Stadt zu integrieren.

Auf- und abschwellendes Heulen von Fahrzeugmotoren, das charakteristische Kreischen schwerer Turbojet-Triebwerke und das tiefe Dröhnen der Panzerfahrzeuge hatte sie dabei begleitet, sich mit dem über allem schwebenden Geruch der Angst vermischt und verhindert, dass die Männer wirklich Ruhe fanden.

Sergeant Kleit ließ sich hinter den aufgeschichteten Schutthaufen einer improvisierten Abwehrstellung gleiten und legte sein Gewehr auf der Brustwehr ab. Neben ihm warteten Soldaten seines Trupps darauf, dass die elende Unwissenheit sich endlich in Erkenntnis auflösen möge und der Xeno-Abschaum sie angriff.

Wie viele andere wirkten sie müde und erschöpft. Kleit sah, dass Soldat Merling sogar wieder eingeschlafen war.

Auch in ihm kämpften Müdigkeit und Erschöpfung mit dem Adrenalin der bevorstehenden Schlacht um die Herrschaft in seinen Körper. Bisher schien es, als wenn das Adrenalin gewinnen würde. Der Sergeant hoffte, dass es dabei blieb. Andernfalls würde dies höchstwahrscheinlich seine letzte Schlacht sein.

Kleit nahm sich Zeit, noch einmal das Gelände und die sie umgebenden Stellungen eingehender zu betrachten.

Sein Trupp lag über die Breite einer der aufgerissenen Nebenstraßen der Kathedrale verteilt, die lediglich dem Zweck dienten, den Feind in eines der vorbereiteten Minenfelder zu führen, wo Panzerfallen, selbstgebaute Sprengladungen und andere böse Überraschungen darauf warteten, den Grünhäuten einen explosiven Empfang zu bereiten.

Das Tor der äußeren Mauer lag gut fünfzig Meter vor ihnen, ein gewaltig aufragendes Werk imperialer Baukunst. In Anbetracht der Tatsache, dass die meterdicken, schmiedeeisernen Flügel des Haupttores in der Gesamtkonzeption des Bauwerks die bei weitem schwächste Stelle bildeten, war ein Großteil der Verteidigungsanlagen an diesem Punkt konzentriert worden. Fünf Züge des Regiments hatten sich um den mächtigen Zugang verteilt, weitere sieben standen rückwärtig in Reserve. Insgesamt zwölf Züge †“ an die neunhundert Mann †“ standen bereit, um dem ersten Ansturm des Feindes entgegenzutreten. Unterstützt wurden sie dabei von fünf eingegrabenen Chimären und vier mobilen Fahrzeugen, den Space Marines und den beiden angeschlossenen Jagdpanzern. Bei diesem Gedanken warf Kleit einen Blick auf die hoch über ihnen residierenden Ebenen des zweiten Rings, wo die beiden Destroyer positioniert lagen. Von hier aus waren die Fahrzeuge nicht zu erkennen, aber das musste nicht zwangsläufig bedeuten, dass die Fahrzeuge nicht wirklich da waren. Vielleicht hatten die Besatzungen sie nur so perfekt getarnt, dass sie von hier aus einfach nicht gesehen werden konnten.

Allerdings entdeckte Kleit bei seinem gedanklichen Streifzug etwas anderes, das ihm sehr viel mehr Sorgen machte: Die blutrot-weiße Rüstung der Prioris Leitis Sile tigerte ruhelos zwischen den Schützengräben und Sperrriegeln der imperialen Verteidigungsstellungen umher, als fände sie keinen Platz, an dem sie den Kampf gegen die Grünhäute wirklich aufnehmen konnte oder wollte. Nicht, dass es nicht genügend Plätze gegeben hätte. Wohl jeder Soldat der ersten Verteidigungslinie wäre froh gewesen, die schwer gerüstete Adepta an seiner Seite zu wissen.

Nein, es machte auf Kleit eher den Eindruck, als tobte eine unbändige Wut im Innern der blonden Frau, pumpte gewaltige Schübe aus Adrenalin durch ihre Adern.

Was mochte die Prioris wohl so aufgeregt haben, dass selbst die normalerweise äußerst disziplinierte Ordensschwester in eine derartige Aufregung verfiel?

Ohne Frage konnte man bei Leitis Sile nicht sagen, was sie wirklich empfand. Die Sororita gab sich so undurchsichtig wie immer, und nur dem rastlosen Unterton ihrer Schritte ließ sich entnehmen, dass sie irgendwo zwischen ihrem Sinn zur Pflichterfüllung an den Imperator und ihren menschlichen Gefühlen gefangen war.

Blieb nur zu hoffen, dass diese Unruhe nicht auf die Soldaten übersprang und die Prioris ihre Gefühle rechtzeitig gegen den Feind richtete. Andernfalls würde die erste Linie der Verteidigung ungeheuer schnell brechen.

Ein kräftiger Stoß in seine Seite brachte ihn aus dem Gleichgewicht und riss ihn zurück in das Hier und Jetzt.

Der Sergeant wandte sich um.

Soldat Sur, direkt neben ihm, hielt ihm einen etwas eigenartig riechenden Festkörper unter die Nase, den Kleit im ersten Moment als hellfarbenes Exkrement identifizierte, im nächsten aber als Rohmasse für …

»Kaugummi?«, fragte der Soldat und sprach somit als, was der Sergeant im nächsten Augenblick bereits denken wollte.

Kleit zögerte kurz, entdeckte dann aber, dass der gesamte Halbtrupp die klebrige Gummimasse kaute. Irgendwie erinnerte ihn der Anblick an wiederkäuende Karikas. Für einen Augenblick sträubte er sich gegen die Vorstellung, es ihnen gleich zu tun, aber schließlich ließ er sich dazu hinreißen, das Angebot anzunehmen.

»Also gut, geben Sie mir was von dem Zeug«, forderte er den Soldaten auf.

Sur zog sein Kampfmesser aus der Scheide, schnitt ein wenig Gummimasse von dem Brocken ab und reichte sie dem Sergeant.

Kleit nickte dem Mann zu, riss sich ein Stück ab und schob es sich in den Mund.

Den Rest verstaute er in seiner Drillichtasche. Er würde ihn, wusste der Imperator, sehr bald brauchen.

Das Kaugummi schmeckte fad, irgendwie unvollkommen. Fast so wie eine Ein-Mann-Rationspackung, die von Zeit zu Zeit ausgegeben wurden und vermutlich vor zwei oder mehr Jahren abgelaufen waren.

Er schauderte ob der Vorstellung an das gammlige Zeug, das er zwischen seinen Zähnen zerdrückte, aber ihm blieb keine Zeit mehr, genauere Gedanken an die schmodderige Masse zu verschwenden.

Eine Bewegung in seinen Augenwinkeln ließ ihn aufblicken.

Um den Feind bereits während seines Ansturms auf die Kathedrale angreifen zu können hatten Colonel Ekko und Major Carrick einige der ihnen noch zur Verfügung stehenden schweren Waffen und einen Infanteriezug auf die Mauern geschickt, die den Eingang flankierten. Diese Einheiten sollten den ankommenden Xeno-Abschaum erkennen, identifizieren und so früh wie möglich bekämpfen, um den Truppen so eine bessere Verteidigung zu ermöglichen. Zur Verstärkung dieses Trupps standen zwei weitere Einheiten bereit, die sofort nachrücken konnten, wenn die Grünhäute wider Erwarten auf die Idee kamen, ihre Körper unter dem Feindfeuer so hoch zu stapeln, dass sie die Mauern erklimmen konnten.

Kleit konnte erkennen, dass einer der Infanteristen wild gestikulierte, was im Leib des Sergeants eine ganze Schar winziger Cherubime aufscheuchte. Der Gebrauch von Funkgeräten im Frontbereich war bis zum Beginn des Kampfes untersagt worden, damit sich die Truppen nicht verrieten. So blieben ihnen nur Handzeichen, um sich zu verständigen.

»Was bedeutet das?«, wollte Sur wissen.

Kleit benötigte einige Sekunden, um die Cherubime in seinem Innern soweit niederzuringen, dass er nicht mitten im Satz schlucken musste, um der Aufruhr Luft zu machen.

»Bereitmachen! Sie kommen!«, übersetzte er das Signal.

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