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Des Raben Wunderhorn - Geschichten schreiben, aber richtig


Die Blutraben

Empfohlene Beiträge

So, ich werde jetzt mal nichts über das Schreiben, da kennen sich Raben und Eloran ohnehin besser aus als ich, sondern über das ganz einfache Handwerkszeug, das jedermann erlernen kann und sollte: Die Optik.

Viel zu häufig sieht man immer wieder Geschichten, die nach dem Motto "Quadratisch - Praktisch - Gut" aufgebaut sind - ein durchgehend vollgeschriebener Block aus Wörten und Kommata. Nur, was bei Schokolade zutreffen mag, ist dem Schreiberling dann doch eher ein Tabu und dem Leser ein Graus.

Im Zuge der Lesefreundlichkeit und Prophylaxe vor Augenkrebs, sollte man den Text strukturieren.

Da gibt es zwei grundlegende Mittel: Zeilenumbrüche und Absätze.

1) Zeilenumbrüche/<br> ;)

Zeilenumbrüche werden in den meisten Fällen in Dialogen verwendet und das, wie gehabt, im Zuge der Leserlichkeit.

Ein Beispiel:

"Bert, aufwachen!" Der Junge schreckte hoch, auf der Stirn, da wo sein Kopf auf dem Tisch aufgelegen war, prangte deutlich eine knallrote Druckstelle. "Was ist denn?", fragte Bert verwirrt. "Im Unterricht wird nicht geschlafen, sag mir lieber, was die Hauptindustriezweige der Sirupberge und ihrer Umgebung sind." Ein hilfloser Blick, dann fing Bert an zu stammeln: "Ähm, Sirupabbau und -verschiffung?" "Korrekt, und weiter?", bohrte der Lehrer nach. "Äh, eine blühende Dentalmedizin?",

Und:

"Bert, aufwachen!"

Der Junge schreckte hoch, auf der Stirn, da wo sein Kopf auf dem Tisch aufgelegen war, prangte deutlich eine knallrote Druckstelle.

"Was ist denn?", fragte Bert verwirrt.

"Im Unterricht wird nicht geschlafen, sag mir lieber, was die Hauptindustriezweige der Sirupberge und ihrer Umgebung sind." Ein hilfloser Blick, dann fing Bert an zu stammeln: "Ähm, Sirupabbau und -verschiffung?"

"Korrekt, und weiter?", bohrte der Lehrer nach.

"Äh, eine blühende Dentalmedizin?",

Und jetzt mal ganz ohne Flachs: Zweiteres beispiel ist einfach flüssiger und mit deutlich weniger Anstrengung zu lesen, einfach da die Redeanteile der Protagonisten deutlich voneinander abgegrenzt werden.

Nun kann man auch mit den Zeilenumbrüchen noch etwas spielen und weiteren Nutzen aus ihnen ziehen. Zum Beispiel könnte man im weiteren Verlauf eines Gespräches "Floskeln" wie "sagte/fragte/bejahte er/sie/es" einfach weglassen, da die Aufspaltung des Dialogs ja deutlich wird und auch ohne diese "Floskeln" erkenntlich wird, wer was sagt. Jedoch bietet sich solches Vorgehen nur bei kleineren Gesprächen an, nach zehn Sätzen und bei etwas unkonzentriertem Lesen kann es durchaus vorkommen, dass man verrutscht und nun nicht mehr weiß, wer nun gerade spricht, was mir sehr gerne passiert. ;)

Deshalb ist es eine geschickte Lösung, Dialoge mit "Floskeln" zu beginnen, dann ohne sie weiterzuschreiben, und, falls der Dialog lang werden sollte, zwischendrin mal wieder die Personen einzubauen, um dem Leser eine kleine Orientierungshilfe zu geben.

Noch ein Beispiel:

Die Straßenbahn war randvoll, es gab kaum mehr Platz zum stehen. Hendrick spürte zahllose Knie und Ellbogen, die sich in seine Seiten bohrten. Doch dann sah er ihn. Zum Greifen nahe, so nahe war er ihm noch nie gekommen.

"Was nun?", fragte Hendrick leise.

"Warte ab", antwortete der Angesprochene mit Grabesstimme.

"Abwarten? Auf was?"

"Auf mein Zeichen."

"Wie erkenne ich es?"

"Du wirst es erkennen."

"Und dann? Was dann, wenn ich dein Zeichen vernommen habe?"

Mit einer unwirschen Geste brachte der Dunkle Hendrick zum Schweigen.

"Du stellst zu viele Fragen", zischte er.

Nun, kein sehr schönes Beispiel und auch der Dialog ist nicht wirklich lang zu nennen, aber ich denke mal, das prinzip war verständlich.

2) Absätze

Absätze sind dazu da, um größere Sinnzusammenhänge innerhalb eines Textes voneinander abzugrenzen, wenn ein neues Kapitel unangebracht sein sollte. Im Klartext bedeutet das, man verwendet Absätze um...

a) einzelne Handlungsstränge voneinander abzugrenzen (auch wenn ich einzelnen Handlungssträngen doch eher eigene Kapitel geben würde)

und

b) in der Erzählung "neu anzusetzen".

Zu b) ein kleines Beispiel:

Er wirbelte herum und rannte los, das Grauen hinter ihm zurück lassend. Er überhörte das Keuchen und Pfeifen seiner Lungen, ignorierte das schmerzhafte Seitenstechen und verbiss sich, den wieder aufgeplatzten Wunden auf seinen Fußsohlen nachzugeben. Jetzt rannte er um sein Leben und nichts würde ihn davon abbringen. Die Wände des Ganges verwandelten sich in undeutliche Schemen, als sie an ihm vorbeiflogen, hinter ihm hörte er das Schnaufen seines Verfolgers, so nahe, dass er beinahe schon den heißen, feuchten Atem in seinem nacken spüren konnte. Er wagte nicht, sich umzudrehen, dann wäre er verloren. Er mobilisierte nochmals alle seine Kräfte und dann sah er die Tür! Verheißend stand sie offen, versprach Schutz vor dem Wahnsinn, der hinter ihm her war. Noch fünf Schritt. Noch zwei Schritt. Noch einer...

Langsam schwang die Tür zu. Die schwarzen Tentakel ließen nur eine matt schimmernde Schleimspur auf dem bronzenen Türgriff zurück.

Oder hier noch ein Beispiel, in dem es denke ich klarer werden dürfte:

Ein brutaler Schlag traf ihn im Rücken, trieb ihm die Luft aus der Lunge, jagte Höllenpein durch seinen Körper und schleuderte ihn vom Pferd. Hart schlug LouÍ©n mit dem Kopf auf, dann empfing ihn gnädige Dunkelheit.

Geweckt wurde er von einem schmerzhaften Stechen in der Nase. LouÍ©n kämpfte seine Augenlider nach oben, als ob dies die größte vorstellbare Anstrengung sei.

Ein leiser Schrei entfuhr ihm, als er sah, wie eine Krähe an seiner Nase pickte, die aber durch den überraschenden Laut, krächzend erschrocken davonstob.

Lange Rede, gar kein Sinn: Das war jetzt wenig mehr als ein Saugalopp durch die wunderbare Welt der Enter Taste. Ich bin sicher, es gibt noch weitaus mehr Einsatzgebiete für Zeilenumbrüche und Absätze, die mir jetzt spontant nicht einfallen wollen, aber ich denke mal, für die gröbste Strukturierung, dürften diese Hinweise alle mal ausreichen. Und alles ist besser, als ein dicker, großer Klotz.

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Ich bin begeistert, eine wahre Goldgrube hier! :ok: :ok:

Sowas brauch ich jetzt ganz dringend, ich möchte wieder anfangen zu schreiben aber mir haben ganz einfach die Anregungen gefehlt.

Also dickes Lob nochmal an alle Beteiligten!!! :ok:

mfg zpike

Sleepless I walk - The moonlight burns you

Voiceless I talk - The silence awakes you

Lifeless I stare - My eyes make you listen

Dreamless I dare - Make this your vision

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Ich habe mal eine Zusammenfassung gemacht (war ziemlich mühsam!)! Wenn Interesse besteht, kann ich das ins Internet stellen, damit es alle lesen können! Ich muss aber anmerken, dass ich zu Gunsten der Übersichtlichkeit alle Namen - Nicknames gestrichen habe!

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Wißt ihr was das schwierigste für mich beim Geschichte schreiben ist?

Durchhalten...durchhalten...durchhalten!

Mein Kopf ist immer voller Ideen für eine ziemlich lange Geschichte und die meisten Szenerien und Stationen dieser Geschichte sind mir klar und ich weiß auch wie ich sie angehen kann, wenn ich das entsprechende Kapitel schreibe. Aber zwischendurch gibt es immer wieder Kapitel, für die ich irgendwie nie ein richtiges, umfassendes Konzpet habe. Oder ich komme zu einem Teil der Geschichte, der wichtig für die Story-Line ist, an dem ich aber zu dieser Ziet absolut keine Lust habe weiterzuschreiben und mich lieber dem nächsten Kapitel danach widmen würde. Da ich aber keine "Lücke" entstehen lassen will, schreibe ich auch an dem nächsten Kapitel nicht weiter, das mich im Moment mehr interessiert. So ist man schnell an einem toten Punkt angelangt und man kommt manchmal wochenlang nicht weiter, weil man einfach keine Lust hat. Man setzt sich dann an den Computer, verlangt sich vier oder fünf Zeilen ab, merkt, daß sie einem überhaupt nicht gefallen und löscht sie danach wieder, weil man nichts zustande bringt.

Aber ich sage nur: Durchhalten!

Denn es kommt auch wieder eine Zeit, in der ich wie ein Wahnsinniger vor Kreativität überschieße und die Seiten wie ein Wasserfall durch das Schreibprogramm fließen.

Es ist wichtig, seine Ideen immer wieder zu überprüfen. Manchmal führt eine Idee zu einer ganz anderen und es entwickelt sich möglicherweise etwas komplett neues für die Weiterführung der Geschichte.

Ich hoffe das macht einigen Schreibern hier Mut zum Weiterschreiben auch längerer Geschichten, die man auf Eis gelegt hat, weil man keine Geduld oder keiner Lust mehr dazu hatte. Wie viele Gute Ideen und Vorhaben fallen einer solchen Einstellung oft zum Opfer.

Und der beste Tipp zum schreiben längerer Stories ist wohl: Schreibt kurze Geschichten Leute! Ganz ganz viele! Das übt ungemein!

"Hoffnung ist die Leugnung der Wirklichkeit"

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Das kann ich nur bestätigen. Ich bin ein Paradebeispiel für den obrigen Post.

Vorallem ist es so: wenn man mal eine lange Pause drin hat muss die Story schon verdammt gut sein ( so wie Eltharion) damit sie nach dem Weiterschreiben überhaupt noch gelesen wird.

Ist dies nicht der Fall ( siehe meine Story) dann hat man erstrecht keine Lust zum weitermachen....

Schade eigentlich.. ich hab doch noch so viele Ideen..... :(

Demonhunter: 1253 pkt

Imperiale armee: 2200 pkt

Dunkelelfen: 1800 pkt

Lest Das Leben des Sebastian Rorigsek

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Mich wunderts das hir keiner mer rein schriebt! Dann mach ich mahl weiter,so ich hab ne Mänge toller neuer Ideen die ich gerne umsetzen würde!Ich weiß aber nicht ob die wieder so ein reinfall wird wie meine Geschichte "Abenteuer im Hundertseuchenwald" deswegen nehm ich erstmal wieder einen Zeitungs Thread.

Besucht das Storyboard: Skavenblight Kurier,Storys von Ork-grim-domm-Hammer u. Pinky

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Obwohl keine Reaktion auf meine frage, ob ich die Zusammenfassung des Threads uploaden soll, hier ist trotzdem der Link.

@Admins: Sollte ich irgendwie mit der Zusammenfassung gegen die Regeln des Boards verstossen, dann bitte ich um die Löschung des Links!

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Ave

@Mattlock

Danke für die gute und knappe Zusammenfassung. Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du einen kleinen Vermerk an der untersten Seite der Page machen könntest wie:

"Entstanden durch diverse Autoren des Warhammerforums (mit Link)"

Ansonsten sehr schön, ich setzte den Link, sobald obiges editiert ist, an den Anfang des Threads.

An dieser Stelle nochmals Dank an dich ;).

vale

Eloran

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Tag Genoßen der dichterischen Hochgeburt,

Ich hab heut in Reli mal ne kleine Geschichte verfast, im großen und ganzen gehts um einen Amokläufer in der Schule. Es werden keine Charakterbeschreibungen, Details von Aussehen und Zimmer benutzt und Namen sind auch keine genahnt.

- Anfang: Schüler und Lehrer werden beschrieben, (ihr Handeln) kurz: sie langweilen sich.

- Mittelteil: Junge (Amokläufer) denkt über das erlebte nach. (sprich: Die Verarsche von Mitschülern)

- Ende: Schüler kommt ins Zimmer und schlägt den Lehrer nieder.

Dann hab ich aufgehört, der Text soll zum nachdenken anregen, (was passiert später, macht er weiter oder hört er auf) über sein Verhalten in Schule oder sonst wo, ob man selbst solche Schüler verarscht.

Das Problem: Letztendlich wars ne schnelle Geschichte, sie war schlicht, keine Details. Nur das Handeln, ohne sonst was. Das Problem jedoch ist, man muss ja immer "er" nehmen, natürlich kann man auch Schüler, Junge nehmen, hab ich auch gemacht, doch wenn man nur "er" nehmen WILL (sowas solls geben, seis Style oder sonst was) wie könnte man es machen ?

Z.B.: Er lud die Pumpgun nach.

Wie lässt man das er weg ? (Passiv natürlich: die Pumpgun wurde von ihm nachgeladen. Aber was geht sonst noch)

Echsenking

Warum den eine Signatur ? Warum den einen PC ? Warum den Spaß ? Warum den leben ? wieso ........ (nur zur Info: ICH BIN NICHT SELBSTMORD GEFÄHRDET)

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... ohne Jean Pütz, dafür mit zwei tollen Envoyer Artikeln von Michael Liermann und -böhl- für alle die mit dem Gedanken spielen, für ihre Geschichte(n) eigene Welten zu erschaffen. An dieser Stelle auch ein herzlicher Dank an Christian Fischer.

Noch eins: Man kann den Texten entnehmen, dass diese Artikel für Rollenspieler geschrieben wurden, aber was für die gilt, giltgenauso für's Schreiben.

Welten erschaffen

Irgendwann kommt für jeden Spielleiter der Punkt, an dem er mit dem Gedanken spielt, seine eigene Rollenspielwelt zu gestalten. Sei es, weil er und seine Spieler sich in der vorgegebenen Welt langweilen, oder weil er eigene Ideen verwirklichen möchte, die ihm die vorgegebene Welt verwehrt.

Wie soll man nun vorgehen? Es gibt sowohl die Möglichkeit vom Globalen zum Einzelnen zu kommen, als auch vom Einzelnen zum Gesamten. Auf der "Hannover spielt" wurde ich während eines Workshops zum Thema "Welten erschaffen" Zeuge einer unfruchtbaren Diskussion, welcher Weg denn nun der bessere sei. Ich meine, keiner

davon ist für sich allein gangbar - beide Wege müssen miteinander verknüpft werden, um eine spielbare und stimmige Welt zu erzeugen.

Der erste Schritt sollte es sein, irgendwo in dem großen, weiten Multiversum eine Kugel, oder auch ein anderes Gebilde, nach den Wünschen des Spielleiters auftauchen zu lassen. Dies soll unsere neue Welt tragen.

Am besten nimmt man sich jetzt eine normale Weltkarte und zeichnet deren Umrisse ab. Dann kann man beginnen, Kontinente zu plazieren, Ozeane mit Wasser zu füllen und andere große Dinge wie Gebirge, Ströme oder Wüsten in die Welt zu setzen. Nachdem klar ist, wie Fest und Flüssig verteilt sind, müssen Klimazonen festgelegt werden, um die Gebiete später mit glaubhaften Lebensformen bevölkern zu können. Eine Wüste liegt nun einmal nicht irgendwo mitten zwischen Wäldern eingeschlossen (es sei denn, es handelt sich um einen besonderen Ort). Aber darauf werde ich später eingehen. Wie weit die hier getroffenen Festlegungen ins Detail gehen, bleibt jedem selbst überlassen. Ihr werdet aber sehen, daß viele Dinge noch im Laufe einer Kampagne umgestoßen werden müssen.

Phase eins ist nun abgeschlossen. Die Welt als grobes Gerüst steht. Jetzt machen wir uns daran, das Pferd von hinten aufzuzäumen.

Da niemand eine ganze Welt im Voraus detailliert ausarbeiten kann, beginnen wir jetzt mit etwas kleinem. Wir setzen die erste Ansammlung von zivilisiertem Leben in die Welt. Eine Stadt oder auch nur ein Dorf. Dieses wird detailliert ausgearbeitet, denn es soll den Hintergrund für das erste Abenteuer in der eigenen Welt bieten und den Spielern als Anlaufpunkt dienen. Generell empfehle ich diese erste Region möglichst nah an den

üblichem Fantasykonventionen liegen zu lassen. Die Bevölkerung, sollte also menschlich sein. Dadurch wird Improvisation deutlich einfacher und die Spieler können sich leichter in der Welt einleben. Erschaffen wir also den Ort Bleichengrund.

So, jetzt haben wir also einen Namen. Der Ort liegt im Talgrund eines Flusses namens Bleiche - Wasser gibt´s also auch. Auf meiner Karte sieht es nach einem Seengebiet aus, dementsprechend gibt es auch einen großen See, der Fischern als Arbeitsgebiet dient. Bleichengrund soll weitgehend autark sein, demnach muß es alles notwendige geben. Einen Bäcker, einen Krämer, Herberge und Gastwirtschaft, Bauernhöfe und alles, was sonst für einen funktionierenden kleinen Ort im frühen Mittelalter notwendig war. Natürlich muß der Ort auch all die Personen und Gebäude beinhalten, die für geplante Abenteuer notwendig sind. Jetzt muß noch geklärt werden, wer das Sagen hat. Nun, da wir uns am frühen Mittelalter orientieren wollen, setzen wir einen Adligen in einen ausgebauten, ehemaligen Wehrturm in die Nähe des Ortes. Wer ist für die geistige Führung zuständig? Lassen wir es einen Druiden sein, der den Ort religiös betreut. Jeder im Ort glaubt also an Dagda, die große Mutter (ist sowieso die typische Religion in der Gegend). Und wie wird der Glaube praktiziert? Es gibt den Feiertag,

der... .

Ihr merkt schon, worauf das hinausläuft. Wenn ich einen Ort geschaffen habe, weiß ich schon viel über die ganze Region und kann bereits das erste Abenteuer leiten..

Ist der erste Ort geschaffen, ist es leicht, die nächsten zu schaffen. Es kann einfach davon ausgegangen werden, mit welchen Orten Ort 1 handelt, wo die nächsthöheren Verwaltungsinstanzen liegen und mit wem Ort 1 Schwierigkeiten hat.

Generell ist es egal, ob es sich um einen Ort, eine Region oder einen ganzen Kontinent handelt, wichtig ist, folgende Dinge festzulegen:

- Wer hat die politische und/oder wirtschaftliche Macht?

- Welche Religion herrscht vor?

- Welche weiteren Gruppierungen gibt es, die in dieser Gegend an Macht und Einfluß gewinnen wollen und

selbigen schon haben? Wie stellen sie das an?

Also: WER? WAS? WIE? WARUM?

Diese vier Fragen müssen jeweils geklärt werden, denn wenn es diese Gruppierungen (powergoups) gibt, lebt die Welt. Powergroups können dabei bekannte und öffentliche Stellen sein, z.B. Adel, religiöse Gemeinschaften oder Gilden. Genauso gut kann es sich um versteckt agierende Geheimbünde handeln. Dabei ist es nicht so

relevant, ob die jeweilige Gruppierung gut oder böse ist. Die Gruppen haben ihre eigenen Interessen und Pläne in dieser Welt, so können sich die Charaktere Freunde und Feinde schaffen, was für den weiteren Verlauf einer Kampagne ausschlaggebend sein kann.

Die neue Welt entwickelt sich also nach dem Schneeballprinzip, der ausgehend von einem kleinen Ort über eine Fläche, die wir zu Beginn geschaffen haben, rollt. Und er kann nur auf ganz bestimmte Weise rollen, ebenso wie die Gebiete und Klimazonen es ermöglichen. In einer trockenen Wüstenzone wird man kaum eine blühende Seefahrerkultur antreffen.

So entwickelt sich die neue Welt immer weiter und breitet sich aus. Dabei stehen dem Spielleiter immer noch alle Wege offen. Er kann vorher getroffene, globale Festlegungen umstoßen, wenn es nötig sein sollte; er kann notfalls auch auf weit entfernte Gebiete und Kontinente ausweichen.

Bei allem, was man erschafft, sollte man darauf achten, den Gesetzen der Logik und den bekannten Gesetzmäßigkeiten unserer Welt zu folgen. Flüsse fließen eben bergab und die Leute müssen irgendwo Trinkwasser haben. Versucht die Frage: "Kann das so nach den Gesetzen der Logik existieren?" mit JA zu beantworten. Wenn es in Eurer Welt zu viele Ungereimtheiten gibt, werden Euch die Spieler ständig darauf aufmerksam machen.

Besondere Orte sind solche, an denen die Gesetze der Logik eben nicht gelten. Der Meister muß sich aber auch für diese Phänomene glaubhafte Erklärungen ausdenken. Die immer akzeptierte Erklärung ist Magie.

Natürlich kann der Spielleiter erschaffen was er möchte, er sollte sich aber an das alte Sprichwort "Was der Bauer nicht kennt, das frißt er nicht!" halten. Das gilt nämlich auch für Geschichten und Spieler. Nicht zu absurd und an den Haaren herbei gezogen denken.

Die Welt sollte auf alle Fälle mit Legenden und Mythen gewürzt werden, sie sind das Salz in der Suppe einer Spielwelt. Die alte und vergangene Zeit sollte immer mächtig und mystisch sein. Laßt die Spieler Anhaltspunkte auf große Schätze in alten Märchen und Sagen finden. Strahlende Augen werden es dir danken.

Ein ebenso interessanter Punkt ist, wie die Spieler in die Welt gelangen. Die klassische Version ist, die Spieler durch irgendwelche Dimensionstore oder Teleporter laufen zu lassen. Ich selbst habe mal die Mitglieder einer Gruppe, die sich vorher nicht kannten, durch einen mißglückten Teleportationszauber in eine neue Welt gebracht. Jeder hatte sein eigenes kleines Abenteuer, in dessen Verlauf er in die neue Welt teleportiert wurde. Gangbar ist es auch, die Spieler irgendwo aus dieser Welt kommen zu lassen. Das hat den Vorteil, daß man sich nicht die ganze Arbeit selber machen muß, sondern einzelne Gebiete von Spielern ausarbeiten lassen kann. Jetzt werden einige denken, dadurch wissen die Spieler ja zu viele Dinge über die Welt. Wenn man bedenkt, wie langsam Kommunikation im Mittelalter ablief, und welchen geringen Umgebungsbereich sie erfaßte, fällt die Kenntnis dieses kleinen Gebietes kaum ins Gewicht. Auch bereitet es den Spielern Freude, wenn innerhalb der Abenteuer Dinge auftauchen, die sie sich ausgedacht haben.

Es ergibt sich auch die hervorragende Möglichkeit, mit wechselnden Meistern zu arbeiten. Jeder der Meister deckt einen anderen Bereich der Spielwelt ab. Die Spieler spielen jeweils einen anderen Charakter. So können

in dieser Welt z.B. zwei Gruppen unterwegs sein, die das gleiche Ziel verfolgen. Es ist recht lustig, wenn sich der eine Meister mit den Dingen auseinandersetzen muß, die der andere Meister in die Welt gesetzt hat.

Es gibt zwei Varianten, die Spieler in der neuen Welt Abenteuer erleben zu lassen. Zum einen kann man sie klassisch führen, indem man sie von einer Queste in die nächste stürzt. Man kann die Abenteuer aber auch einfach in der Welt verteilen und den Spielern überlassen, was sie als nächstes machen. Man plaziert einfach Personen und Orte, die als Aufhänger für Abenteuer herhalten, irgendwo in der Welt. Leichtere plaziert man in der Nähe des Ausgangsortes und mit zunehmender Entfernung immer schwerere. Diese zweite Methode hat aber zwei Nachteile: Zum einen können sich die Spieler leicht in Abenteuer begeben, denen sie noch nicht gewachsen sind, zum anderen erfordert sie auch vom Spielleiter enorme Vorbereitung. Er weiß nämlich nicht, wohin die Spieler als nächstes ihren Schritt lenken und muß ständig auf mehrere Abenteuer vorbereitet sein.

Religionen aus Sicht der Charaktere

Seit der Erstauflage der D&D-Regeln anno 1978 stehen die Eckpfeiler des Fantasy-Rollenspiels fest: mächtige Barbaren schwingen riesenhafte Schwerter; Zwerge murmeln in ihren Bart hinein und befördern Heerscharen von Orks mit gezielten Axthieben ins Jenseits; Diebe versuchen, die Axt des Zwergen zu stehlen; Zauberer sprechen magische Beschwörungen aus, und Elfen wirken wie eine militante Greenpeace-Ortsgruppe. Die Menschen verehren eine Vielzahl an Göttern (und sei diese Verehrung nur an gelegentlichen blasphemischen Flüchen des Barbaren erkennbar), und Religion ist offenbar wichtig genug, das nebst etlichen Kirchen und Tempeln mindestens zwei direkt religionsbezogene Berufe bzw. Klassen (Priester und Paladin) in nahezu jedem klassenbasierten Rollenspiel existieren.

Für ein Fantasy-Element, das offenbar derart zentral ist, ist es nur schade, wie halbherzig bis miserabel der Themenkomplex Religion in vielen Rollenspielen behandelt wird. Kirchen und Kulte scheinen weniger Orte der Andacht und des Glaubens zu sein und wirken vielmehr wie Vierundzwanzig-Stunden-Tankstellen für heilerische Dienstleistungen und Segnungen aller Art. Die Priester mancher Fantasy-Rollenspieler sind eher wandelnde Verbandskästen oder Kampfsanitäter denn Geistliche. Oftmals wirken die Götter dieser Fantasy-Welten wie die Bewohner des Olymp mit abgefeilten Seriennummern; bei D&D und vielen seiner Klone waren die römischen und griechischen Götter dann auch noch nebst Gottheiten der Ägypter, Chinesen und Orks vertreten, vollkommen von jeglichem kulturellen Kontext gelöst, ohne Zusammenhang zwischen den einzelnen Pantheons, und insgesamt eher an ein metaphysisches Disneyland als an real existierende Glaubenssysteme erinnernd.

Eine derart oberflächliche Behandlung dient niemandem, weder den Spielern noch dem Spielleiter und am Allerwenigsten der Geschichte. Dabei ist es nicht unbedingt schwer, dem Thema Religion im Rahmen eines Rollenspiels gerecht zu werden. Ich werde im Rahmen dieses Artikels sowohl eine Negativliste an zu vermeidenden Fehlern als auch eine Positivliste für die Glaubenskreation herausarbeiten und die einzelnen Punkte an Hand von Beispielen illustrieren. Vorneweg sei der geneigte Leser auf zwei weitere Quellen verwiesen, die sich ausführlich dem Thema Religion im FRP widmen: das vergriffene Quellenbuch GURPS Religion von Janet Naylor und Caroline Julian gehört aus meiner Sicht in jedes gut sortierte Rollenspielregal. Jeder Aspekt der Religion, von den verbreiteten Motiven verschiedener Schöpfungsmythen bis hin zur Struktur von Tempelhierarchien, wird ausführlich beschrieben und im Anhang an Hand von sechs Beispielsreligionen demonstriert. Der exzellente Artikel "Create a Religion in Your Spare Time for Fun and Profit" von Professor M.A.R. Barker (Erfinder der später kurz angesprochenen Welt Tekumel) ist eine ausgezeichnete Illustration des Erfindungsprozesses einer realistischen fiktiven Gottheit samt angegliederten Kultes und diverser Mythen; der Artikel ist online über das Blue Room Archive der Haupt-Tekumel-Site abrufbar (siehe Links im Anhang). Beide dieser Werke waren sowohl für diesen Artikel als auch für mein Spiel insgesamt überaus wertvoll und zählen im Bereich des Rollenspiels zum Besten, das ich zum Thema Religion je gesehen habe.

Mögen die Götter Strafe und Schmach auf dein Haus häufen!

Oder anders formuliert: wenn es Todsünden bezüglich der Darstellung von Religion im Rollenspiel gibt, wie sehen sie aus? Was gilt es zu vermeiden, wenn man es richtig machen und den Eindruck einer konsistenten, lebendigen Fantasywelt vermitteln will?

1) Was hat Zeus in Mittelerde zu suchen? Oftmals verwenden Autoren und Designer statt eigener Kreationen kurzerhand die Mythen historischer und existierender Kulturen für ihre Welten oder Bücher. Am Eklatantesten war diese Tendenz bei AD&D 1st Edition zu beobachten; kaum eine antike Gottheit, die nicht in Deities & Demigods aufgelistet war. (Zur Ehrenrettung sollte man hinzufügen, das dieses Buch nicht für eine spezifische Welt konzipiert war). In kleinen Mengen kann man historische Gottheiten im Spiel verwenden; wenn z.B. im Rahmen eines historischen Fantasyspiels sowohl ein römischer als auch ein chinesischer Stoßtrupp auf eine klassische Fantasywelt transportiert wurde und diese unfreiwilligen Siedler dann Siedlungen samt Tempeln gegründet haben, ist es legitim anzunehmen, die Götter Roms und Chinas wären nun auf dieser Welt präsent, wenn auch schwächer als auf ihren Heimatwelten. Wenn aber jetzt noch phönizische, aztekische, altägyptische und babylonische Götter dazukommen und außerdem die fantastischen Völker und eventuellen einheimischen Menschen eigene Glauben haben, beginnt das Ganze, absurd zu wirken.

2) Gott, bist du langweilig! Götter sind per Definition legendäre, übermenschliche Wesen. Historischen Göttern werden ganze Legendenzyklen gewidmet, und viele Klassiker der antiken Literatur sind den Mythen und epischen Gedichten gewidmet, die von den Taten der Götter und Halbgötter sprachen. Viele Götter in Rollenspielen werden mit einer Sammlung Einflussbereiche und einem spärlich beschriebenen Kult abgespeist; eventuell kommen noch die Statistiken eines Avatars dazu, aber das war´s dann auch. Wenn dann noch verschiedene Völker mit jeweils eigenen Göttern existieren, gibt es wenig, das den orkschen Kriegsgott M´kar vom barbarischen Kriegsgott Othragg unterscheidet, wenn man mal vom Gebiss absieht. Im Alltag leben Götter von den Geschichten, die von ihnen erzählt werden und in denen oftmals die Tugenden und Ziele des Gottes gefördert werden. Anstatt lapidar zu sagen, Yurgha der Schnelle sei der Gott der Diebe, sollten eher Legenden von der Zeit der Großen Finsternis erzählen, in der finstere Riesen den Sonnengott überlisteten und ihn in einem Stein fingen, und daraufhin der Himmel viele Jahre dunkel blieb, bis Yurgha mit seiner List und seiner Klugheit den gefangenen Sonnengott ausfindig gemacht und mit seiner Geschwindigkeit und seiner Fähigkeit, ungesehen zu bleiben, den Stein von den wachenden Riesen entwendet hatte; seit er auf diese Art die Sonne zurück brachte, wird er als ein Schutzgott der Diebe und derer, die im Verborgenen arbeiten, gesehen. (Natürlich sollten ebenso Legenden existieren, die die Schattenseiten von Yurghas Persönlichkeit ausmalen; wir sprechen hier immerhin vom Diebesgott). In einem Zeitalter ohne Fernsehen sind es diese Sagen und Legenden, die das Rückgrat der Massenunterhaltung bilden und in den Tavernen und am Lagerfeuer erzählt werden.

3) Welcher Fruchtbarkeitsgott warst du noch mal? Ein verbreitetes Problem, welches oben auch schon angesprochen wurde, ist die mangelnde Differenzierung thematisch ähnlicher Gottheiten. Wenn der Kriegsgott der Menschen und der Kriegsgott der Zwerge die gleiche Auffassung von kriegerischer Ehre haben, strapaziert das zum Einen die Glaubwürdigkeit und wird zum Anderen den kulturellen Unterschieden absolut nicht gerecht. Eine Kultur verehrt einen Gott und folgt seinen Lehren ja nicht aus purer Langeweile; meistens ist es so, dass die Lehren einer Religion den Anhängern einen (reellen oder eingebildeten) Vorteil verschaffen gegenüber denen, die nicht glauben. Daraus folgt, das eine Gottheit auf die Wertvorstellungen und Lebensumstände einer Kultur zugeschnitten sein muss, wenn sie reell wirken soll. Ein Volk von kleinwüchsigen Jägern und Sammlern wie die Khoi in der Namib-Wüste Afrikas wird entweder gar keine Kriegergottheiten haben oder wenn, dann solche, die Tarnung und das Überleben in der Wüste als Tugenden werten. Eine raue Kriegerkultur wie die der Wikinger wird keine Heilungsgottheiten haben stirbt ein Mann im Kampf oder erliegt seinen Verletzungen, dann ist ihm die höchste Ehre widerfahren, und es war ohnehin vom Obersten aller Götter vorbestimmt. Ein Volk von Hirten und Nomaden wird wohl kaum eine Erntegottheit haben. Bei nichtmenschlichen Kulturen sollte noch viel kritischer überlegt werden, welche Gottheiten überhaupt existieren würden und welchen Stellenwert sie hätten.

4) Satan, machst du Überstunden? Böse Gottheiten werden oftmals noch flüchtiger charakterisiert als ihre gut gesinnten Gegenspieler. Meist wird das Motiv eines Götterkrieges oder einer Rebellion in den göttlichen Gefilden verwendet, um eine deutlich beim Christentum entliehene Hierarchie von Dämonen, Höllenfürsten, ausgestoßenen Gottheiten und finstren Mächten zu stricken, die dann als Motivationsquelle für nahezu jeden Bösewicht der Spielwelt herhalten muss. Abgesehen von Oberflächlichkeit leidet dieser Ansatz an einem anderen Problem: eindeutig böse Gottheiten sind in der Mythologie recht selten. Todesgötter wie Pluto waren nicht böse, sondern hüteten das Reich der Toten und halfen dadurch, die Trennung zwischen dem Leben und dem Tod, und damit das Gefüge der gesamten Schöpfung, aufrecht zu erhalten. Der Kult eines Todesgottes wird nur in den wenigsten Fällen aus dolchschwingenden Assasinen bestehen, sondern eher aus Leichenbestattern, Balsamierern, Totenwächtern und anderen, deren Tageswerk sie in Berührung mit dem Tod bringt. Kali, deren Thugee-Kultisten sie als die schwarze Mutter verehrten und ihr Menschenopfer darbrachten, war in einem anderen Aspekt eine Fruchtbarkeitsgöttin und verkörpert so die hindusche Lehre vom Kreislauf allen Seins. Ahriman, der böse Gegenspieler Ahura Mazdas im frühen Dualismus der Perser, war von Geburt an dazu bestimmt, alles Böse zu verkörpern und über die Ungeheuer und Dämonen zu gebieten; er bildete aber dadurch das nötige Gegengewicht, das die Schöpfung zusammenhielt. Wenn also in einer Spielwelt Gottheiten des Bösen existieren und diese über größere Gefolgschaften verfügen, sollte es hierfür einen Grund geben; sei es, dass zu Anbeginn der Zeit eine höhere Macht die guten und bösen Götter schuf und die Welt als den Schauplatz ihres Kampfes auserkor; sei es, dass ein Ereignis stattfand, welches einzelne Götter korrumpierte und zum Bösen hinwandte; sei es, dass ein zeusartiger Gottvater im Alter wahnsinnig wurde und neue Götter zeugte, um die alten Götter zu vernichten und die Welt neu zu gestalten. Jede dem Bösen zugewandte Religion, die größer ist als ein kleiner, isolierter Kult, sollte plausibel in die Welt und ihre Mythen integriert sein.

5) Jim, ich bin Kastellan, kein Kämpfer! Viele Rollenspiele gehen davon aus, dass alle Mitglieder des Klerus kämpferisch und/oder magisch begabt sind. Wenn wir mal vom historisch unglaubwürdigen Kampfpriester absehen, gibt es hier noch ein weiteres Problem: in einer Welt, in der jeder Priester mittels Zauberei Krankheiten und Wunden heilen kann, sähe es deutlich anders aus als im Pseudo-Mittelalter, welches die meisten Fantasysysteme darzustellen versuchen. Die meisten Diener einer Kirche werden Laien sein und höchstens über weltliche Fähigkeiten verfügen. Der Priester einer Gemeinde hat meistens andere Aufgaben, als keulenschwingend durch jahrtausendalte Grabstätten zu ziehen. Fest- und Feiertage, Gottesdienste, Taufen, Trauungen und Beerdigungen lasten viele Mitglieder des Klerus voll aus; in einer größeren Religion kommt dann noch die innerkirchliche Politik und die Verwaltung eventueller Kirchengüter dazu. Ein mittelalterlicher Erzbischof kam in seiner Verantwortung und seinem Aufgabenbereich dem zuständigen Regionalmanager eines multinationalen Konzerns nahe. Organisierte Religion stellt in den meisten zivilisierten Gesellschaften eine Institution mit großer Tragweite und weitreichendem Einfluss dar; Rollenspiele sollten diesem Umstand gerecht werden, wenn es um die Darstellung von Kirchen und Kulten geht. Es wird vielleicht jeder zwanzigste Priester freiwillig Abenteurer werden; wäre ihnen an einem Leben voller Aufregung und Gefahr gelegen, wären sie ja Söldner geworden. Dementsprechend sollte der größte Teil der Kirchenhierarchie aus normalen Menschen mit dementsprechenden Fähigkeiten (Rhetorik, Verwaltung, Organisation, Logistik, Heil- und Kräuterkunde, Schriftkunde usw.) bestehen. Der in ein Kettenhemd gewandte Priester, der mit Enthusiasmus und einem Streithammer gewappnet auf Untote Heerscharen zustürmt, sollte eher die Ausnahme und in vielen Religionen vom unvorteilhaften Nimbus des Fanatikers umgeben sein. Man erinnere sich an das letztendliche Schicksal des Tempelritterordens, der am Ehesten den klassischen FRP-Kampfklerikern entsprach.

6) Warum kann der das und ich nicht? In einer Welt mit mehreren Pantheons sollte das Machtgefüge eher einheitlich sein. Wäre eine Gruppe Gottheiten deutlich stärker oder mächtiger als andere, gäbe es über kurz oder lang wohl nur noch einen Satz Götter. Ausnahmen sollten gut begründet sein; wenn zum Beispiel Chagnar, der alleinige Gott der Faune, sowohl schwächer ist als andere Götter und dann auch noch mit manchen von ihnen verfeindet ist, dann sollte er doch zumindest unter dem Schutz des elfischen Waldgottes stehen, damit seine fortgesetzte Existenz plausibel wird. Wenn die Götter der Orks, der westlichen Menschen und der Elfen zwar alles sehen, aber nicht alles beeinflussen können, sollten die Götter der Zwerge den gleichen Einschränkungen unterliegen; wenn die Götter der Zwerge trotzdem Sonderrechte haben, müssen diese irgendwie erklärt werden. Vielleicht hat ja der oberste Zwergengott in Zusammenarbeit mit seinen Kindern die Welt auf seinem Schmiedeamboss erschaffen und als Dank dafür von den anderen Göttern dieses Privileg für sich und seine Nachkommen erhalten; vielleicht hat er es einfach gegen ihren Willen für sich beansprucht, und es existiert seitdem eine unterschwellige Antipathie zwischen den Göttern der Zwerge und den anderen Göttern, die sich natürlich auch auf das Verhältnis zwischen den einzelnen vernunftbegabten Rassen auswirkt.

7) Ja, wir sind alle Individuen! Viele Fantasyreligionen wirken zu homogen und einheitlich, um wahr zu sein. Ob man nun einen Tempel von Bokkrug in den Städten des kalten Nordens aufsucht oder entlang der Karawanenrouten im Süden, Lehre und Doktrin sind die Gleichen, Gottesdienste laufen ähnlich ab; kurz, es fehlt nahezu jedes Element, das man von real existierenden Religionen kennt. Schismen, Ketzereien und regionale Änderungen waren in jeder historischen Religion an der Tagesordnung. Im mittelalterlichen Frankreich konnte man binnen fünf Tagesritten zwei völlig verschiedene Auslegungen biblischer Lehren vorfinden. Oftmals waren diese Schismen politisch motiviert, in anderen Fällen beanspruchten zwei charismatische Religionsführer innerhalb der gleichen Kirche spontan jeweils für sich den alleinigen Anspruch auf die korrekte Auslegung der Lehren ihres Gottes. Manche Schismen liefen friedlich ab, andere wiederum wurden als Ketzerei und Häresie eingestuft und mit dem Schwert verfolgt. Verschiedene Regionen innerhalb der Spielwelt sollten eigene Varianten des Glaubens entwickeln, begründet vielleicht mit einer anderen Auslegung bestimmter Mythen oder einer anderen Sicht bestimmter Vorschriften, oder schlichtweg durch andere Lebensumstände; wenn der Glaube an Ygac den Erlöser es seinen Gefolgsleuten verbietet, Fisch zu essen, wird ein schlauer Missionar dieses Gebot in einer Fischerregion wohl eher am Rande erwähnen, wenn überhaupt, und nicht zum Gegenstand einer Predigt machen. Nachdem Ygacs Kirche schon einige Jahrzehnte in dieser Küstenregion existiert, könnte ein durchreisender Bischof aus dem Landesinneren mit Entsetzen beobachten, wie Ygac ein Feiertag als Dank für reichhaltige Fischfänge gewidmet wird. Örtliche Halbgötter könnten von findigen Priestern in die Mythen des eigenen Gottes eingebracht werden, um die Akzeptanz des Glaubens zu erhöhen. Ableger und Splittergruppen einer Kirche können offen oder verdeckt existieren, die bestehende Kirchenhierarchie offen ablehnen oder ihr gegenüber treu sein. Aber diese Variation sollte auf jeden Fall zu finden sein.

Möge das Werk deiner Hände gefällig sein in Gottes Augen!

"Nebst den Dingen, die man vermeiden sollte, gibt es die Dinge, die man tun sollte. Und dazwischen gibt es die Überleitungen." - Aldous Huxley zugeschrieben

Zuerst sollte man sich über Details wie die Herkunft, die Natur und das Machtpotential der Götter Gedanken machen. Die beiden ersteren Faktoren bestimmen die Mythen und Legenden, die von den Göttern erzählen, und spielen bei der Entstehungslegende der Welt (so es denn eine einheitliche gibt) eine Rolle. Letzteres prägt den religiösen Alltag der Welt stark.

8) Herkunft: woher stammen die Götter? Wenn sie eine höhere Macht erschaffen hat, wie ist ihr Verhältnis zu dieser noch mächtigeren Gottheit? Wenn die Götter zu diesem Universum gehören, entstanden sie zeitgleich mit dem Universum, oder waren sie vorher da? Kamen die Götter von außerhalb des Universums, in dem die Spielewelt sich befindet? Wenn ja, war die Welt schon da, als sie eintrafen, oder haben sie die Welt erst geschaffen? Wissen die Götter überhaupt, woher sie kamen und wie die Welt entstand?

9) Natur: was sind die Götter, und wie wurden sie zu dem, was sie sind? Sind die Götter körperliche Wesen, die eine andere Existenzebene oder einen entlegenen Ort bewohnen? Sind sie die abstrakte Verkörperung bestimmter Prinzipien oder Ideale wie Mut oder Zorn? Kann ein Sterblicher durch Heldentaten und edles Handeln in die Reihen der Götter aufgenommen werden, oder muss man als Gott geboren oder erschaffen sein? Gibt es Kinder der Götter und der Menschen, die als Halbgötter berühmt werden und wie in den Legenden Roms und Griechenlands begrenzte göttliche Kraft haben?

10) Machtpotential: sind die Götter allwissend? Allmächtig? Ist ihre Macht an die Anzahl und Treue ihrer Gefolgsleute gebunden, oder ist ein Gott vom Schicksal seiner Kirchen unabhängig? Dürfen die Götter direkt intervenieren, oder müssen sie durch irdische Agenten handeln?

11) Einstellung: sind die Götter überhaupt sonderlich daran interessiert, angebetet zu werden und auf der Ebene der Sterblichen zu agieren? Oder würden sie es eher begrüßen, wenn man sie mit Gesuchen um Heilung und gute Ernten verschonen würde? Oft ergibt sich die Antwort auf diese Frage aus einer Kombination von Natur und Herkunft der Götter; sind die Götter z.B. Bewohner einer anderen Existenzebene, die die Spielwelt nicht erschufen, sondern sie einfach eines Tages zufällig entdeckten, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie sich nicht aktiv auf der Welt engagieren, oder es nur in Ausnahmefällen tun. Natürlich können auch Schöpfergötter freiwillig in die splendid isolation zurückfallen, die Sterblichen Sterbliche sein lassen und sich ausschließlich der Nabelschau widmen, aber diese Einstellung sollte gut begründbar sein; wenn eine Gruppe Wesen eine Welt erschafft, dann meistens, weil sie hinterher damit spielen wollen oder sich davon einen Vorteil erhoffen.

12) Motivation: warum handeln die Götter so, wie sie handeln? Wenn sie nicht handeln, warum genau handeln sie nicht? Haben die Götter als Gesamtheit langfristige Ziele, auf die sie hinarbeiten? Und wie steht es mit einzelnen Göttern? Warum stehen die Götter morgens überhaupt auf, um sich dem Göttertagesgeschäft zu widmen? Und was haben sie davon, sich mit dem irdischen Geschmeiß herum zuplagen?

Die obigen Fragen lassen sich nicht "richtig" oder "falsch" beantworten. Solange das gewählte Konzept über diese Charakteristiken der Götter stimmig ist und beim Entwurf und im Spiel konsequent verwendet wird, sind größere Schnitzer fast ausgeschlossen. Allerdings sollten für alle Götter weitgehend die gleichen Regeln gelten; Ausnahmen können gerne verwendet werden (z.B. ein allwissender, allmächtiger Gott in einem Pantheon eher eingeschränkter Wesen); derartige Ausnahmen werfen aber zusätzliche Fragen auf, die auch beantwortet werden wollen.

Drum preiset jene, die Gutes tun

Es gibt ein paar Beispiele für die besonders gut gelungene Integration von Religion in ein FRP sowie für realistische Darstellungen von Religion in Fantasywelten, die ich zum Ende dieses Artikels noch aufführen möchte. Einige der Werke sind recht obskur, aber per eBay erhältlich; dem geneigten Spieler oder Spielleiter werden diese Titel sicherlich neue Perspektiven eröffnen.

A) RuneQuest: als vermutlich größter Chaosium-Jünger der westlichen Halbkugel muss ich Greg Staffords Hauptwerk hier erwähnen. Die RQ-Spielwelt Glorantha ist wohl eine der detailliertesten Fantasywelten überhaupt sowie eine, in deren Geschichte die Götter eine tragende Rolle spielten. Kulte und Religionen sind hervorragend ins Alltagsleben integriert, die Götter unterhalten ein blühendes Netz an Beziehungen zueinander, und die ausgewählten Gottheiten sind stimmig. Die Box-Sets Gods of Glorantha sowie Cults of Prax führen zum Einen die Hauptgottheiten und -halbgötter Gloranthas sowie deren Kulte sehr detailliert auf und geben zum Zweiten für die meisten Götter Legenden und Mythen wieder, die viel dazu beitragen, die Götter als aktiven Bestandteil einer überaus lebendigen Welt zu etablieren. Stafford ist sehr bewandert in Mythologie und Shamanismus, und diese tiefen Kenntnisse kommen in Glorantha überall zum Vorschein. Leider ist RuneQuest 3, welches schon einige Jahre auf dem Rücken hat, die letzte bei Chaosium erschienene Inkarnation dieser Welt; Stafford entwickelt mittlerweile unter dem System Hero Wars (erschienen bei Issaries) die Welt Gloranthas weiter.

B) Tekumel / EPT: 1979 erschien mit Empire of the Petal Throne bei TSR ein für damalige Verhältnisse bahnbrechendes Produkt: das erste FRP überhaupt, das gleich mit einer detaillierten Spielwelt verknüpft war, und darüber hinaus noch eine Welt, die sich nicht an bei Tolkien entliehenen Klischees klammert. Tekumel ist eine von M.A.R. Barker, Professor für asiatische Linguistik, erschaffene Welt, die am Ehesten als eine Mischung von indischen, chinesischen und aztekischen Elementen, gewürzt mit einem kräftigen Schuss Science-Fantasy, beschrieben werden kann. Tekumel ist eine Gesellschaft, gegen die das Kastensystem des antiken Indien noch wie der Inbegriff der Demokratie wirkt; die gefürchtete Omnipotent Azure Legion des Imperators ist jederzeit bereit, mittels öffentlichen Pfählungen für Ordnung und abschreckende Beispiele zu sorgen, und viele Fäden der Macht sind in den oberen Rängen der Tempel und Legionen gebündelt. Die Götter sind ein sehr gut gelungenes Beispiel für "losgelöste" Gottheiten, d.h. ihnen kommt weder bei der Erschaffung der Welt noch beim täglichen Lauf der Dinge eine besondere Rolle zu; sie werden von den Menschen als reines Mittel zum Zweck (Zauberkräfte) betrachtet und sind fast genauso starren Regeln unterworfen, wie es die Sterblichen sind. Leider sind sowohl EPT als auch die Nachfolgesysteme Swords & Glory und Gardasaiyal seit Jahren vergriffen; allerdings soll noch dieses Jahr von Guardians Of Order, besser bekannt für das Anime-RPG Big Eyes Small Mouth, ein neues Rollenspiel um Tekumel erscheinen, und es existieren im Netz diverse Adaptionen bestehender Systeme an die Welt Barkers.

C) Lankhmar: TSR hat einige indiskutabel schlechte Werke produziert. Gelegentlich finden sich aber auch echte Perlen unter ihren Veröffentlichungen; zwei dieser Perlen sind die erste und zweite Auflage ihrer Reihe um die Geschichten Fritz Leibers. Die Götter Lankhmars sind stark eingeschränkt und absolut davon abhängig, dass sie angebetet werden; stirbt der letzte Anhänger eines Gottes, so verfällt der Gott kurze Zeit danach ebenfalls in einen todesähnlichen Zustand. Die Politik und Intrigen, die sich aus einer derartigen Konstellation entwickeln, sind ein wichtiger Faden in der Geschichte Lankhmars. Leider muss ich von der letzten, dritten Auflage dieses Produkts (die Box Lankhmar Adventure Game) abraten, da diese im Vergleich zu den Vorgängern nur sehr spärliche Informationen beinhaltet.

D) Ars Magica: es kommt im Fantasy-Mittelalter zwar nur ein einziger Gott vor, nämlich der der Christen. Allerdings haben sich die Designer viele Gedanken darum gemacht, welche Auswirkungen die Koexistenz von Magie und Religion in einer realistischen feudalen Gesellschaft hätte. Zusammen mit Pendragon ist Ars Magica ein unverzichtbares Quellenwerk für ambitionierte Spielleiter mit einem Hang zum historischen Realismus, oder zumindest zu plausibel abgeleiteter Pseudohistorie.

E) D&D Immortals Set: für die alte D&D-Reihe geschrieben, aber ohne Probleme auch für AD&D sowie die aktuelle D&D 3rd Edition nutzbar, ist diese Box nichts weniger als der Versuch, Regeln für Spieler als Gottheiten aufzustellen. Selbst wenn man nicht vorhat, seine Spieler auf einen derartigen Verantwortungsposten zu hieven, kann man hier viele Ideen finden, wie man denn nun die Fähigkeiten einzelner Götter bewertet sowie mit welchen Einschränkungen solche Götter zu rechnen haben.

F) Legendary Lives: ein absolut zu Unrecht in Vergessenheit geratenes FRP-System, ursprünglich 1990 als Set von drei Büchern bei Marquee Press erschienen, dann 1993 in einer zweiten Auflage als einzelnes Buch neu herausgegeben. Das Spiel ist klar als Einsteigersystem konzipiert und verwendet interessante Regeln, die das Würfeln auf ein Minimum reduzieren; die Aufnahme in diese Liste schafft es durch die vorbildliche Präsentation der Religionen der Spielwelt. Diese kommt zwar nicht an das Detail Gloranthas heran, ist aber vollkommen ausreichend, um den Spielern klarzumachen, das ihre Charaktere nicht nur Kampfmaschinen, sondern Bestandteile einer lebendigen Gesellschaft sind. Zu jeder Religion wird mindestens ein Kult beschrieben, und darüber hinaus gibt es eine Lifeline, die auch die Glaubensentwicklung der Spielfigur berücksichtigt. Ein caveat: die Spielwelt baut auf einer eher märchenhaften Grundatmosphäre auf; wer eher dark fantasy bevorzugt, sollte vielleicht einen Bogen um dieses System machen, aber allen Anderen kann ich es unbesorgt ans Herz legen.

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Hallo! erst mal ein dickes fettes Lob an alle, die hier so detaillierte Tipps gegeben haben. :ok:

Aber ich hab ein Problem: bei meiner Idee für eine Geschichte spielen Orks eine größere Rolle und die müssen sich logischerweise unterhalten, da ich sie nich als strohdoof darstellen will. Aber wie? Kennt ihr irgendwelche Seiten für orkische Sprache, oder habt selber Ideen? Bitte helft mir,

Rabbit

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Ich mach mir seit einigen Wochen/Monaten des öfteren Gedanken zu dem Buch, das ich dieses Jahr nach der Schule anfangen werde, und denke, dass die Überlegungen dabei für den TTFU (Tabletop-Forum-User) genauso brauchbar sein könnten wie für mich.

Der Deutschunterricht kann einem ja den Spaß an der Literatur völlig verhunzen. Oder, sofern dieser noch nicht vorhanden, lässt ihn gar nicht erst aufkommen.

Meine Ansicht war früher (lang ists her), dass sämtliche Intentionen etc. in den "großen Werken", die man so im Unterricht behandelte, völlig aus der Luft gegriffen seien. Alles was man in die Geschichten/Charaktere/Sprache so reininterpretiert hat, schien so vollkommen absurd, als hätten sich die Lehrer das selbst zusammengereimt, um uns Schülern eine reindrücken zu können.

Spaß hat das nie gemacht. Die Bücher waren aber auch alle scheisße - die allerwenigsten konnte man tatsächlich aus Genusssucht lesen. Warum behandelte man nicht auch mal Grisham oder Stephen King, vielleicht Hohlbein?

Doch ich bin gereift (wer mich kennt, würde jetzt sagen: Haha!;D) und habe eine tiefe Stimme bekommen. Unter anderem. Jedenfalls ist nun so etwa mit 19 der stets mehr oder weniger latente Traum, ein Buch zu schreiben, wieder aufgekeimt. Dabei sind meine Motive a.) durchaus nicht nur Spaß am, sondern auch Talent zum Schreiben, und b.) der erhoffte kommerzielle Erfolg (Hohlbeins Märchenmond, sein Debüt, verkaufte sich damals 600 000 Mal - das wär doch ein Anfang).

Welche Bücher sind aber kommerziell erfolgreich? Wovon kann man leben? Ich habe den Markt natürlich nicht studiert, aber neben dem Typen, der diese Bibel geschrieben hat und neben Autoren zahlloser Selbsthilferatgeber, wären da so Leute wie Charlotte Link, Stephen King, John Grisham, eben auch Wolfgang Hohlbein, Michael Crichton, neuerdings Dan Brown und alle, die ich vergessen habe. Was nicht heißt, dass ich die alle lese.

Nun hat aber unser neuer und, ich gestehe es, fachlich exzellenter Deutschlehrer sich abfällig über derartige Autoren geäußert. Und da hab ich mal näher drüber nachgedacht:

Verallgemeinernd gesagt, fehlt es den Erfolgsautoren obiger Kategorie an Tiefgang, literarischer Virtuosität, Substanz.

Dagegen kann man die tatsächlichen Könner, deren Bücher Kunstwerke sind, nicht lesen, weil sie so überhaupt nicht userfreundlich sind; wieder verallgemeinert.

Zum Beispiel lesen wir gerade in Deutsch Alfred Döblins "Berlin Alexanderplatz" - nicht zuletzt dank des Lehrers muss man anerkennen, dass tatsächlich augenscheinlich jeder Satz für sich und auch das gesamte Werk genau durchdacht ist und das Buch ganz große Literatur - aber nicht für 10 Pfennige würde ich es lesen. So ein Scheisß aber auch, unzumutbar! Mittwoch schreib ich Klausur und bin bei Seite 15 ausgestiegen - naja, dafür hat ebendieser Deuschlehrer bei seinem Abi die LK-Bio-Klausur als leeres Blatt abgegeben, weil ihn Bio null interessiert hat. Jedem das seine.

Jedenfalls reizt es mich nicht, nur einen von vielen Thrillern, Kriminalromanen oder anderen „Mainstream†œromanen zu schreiben (auch wenn ich diese gerne lese). Auf keinen Fall möchte ich aber ein schwülstiges oder abstruses Intellektuellenbuch abliefern, das vielleicht von Literaten geschätzt, von der Öffentlichkeit aber weggelegt wird.

Folglich muss ein Kompromiss her, eine Symbiose zwischen interessanter, spannender und bitte auch lesbarer Geschichte und geschicktem Einsatz sprachlicher Raffinesse. Die Allgemeinheit soll das Buch genießen, ohne von den künstlerischen/sprachlichen Gestaltungsmitteln davon abgelenkt oder gar zur Strecke gebracht zu werden; die Kritiker hingegen sollen die angestrebten und hoffentlich gelungenen Kunstgriffe erkennen und schätzen.

Soweit der Plan.

Zum Schreiben des Buches bzw. der Geschichte selbst... meine Meinung ist: Sich interessante Geschichten und Handlungsstränge auszudenken ist gar nicht so schwer wie man denken könnte. Viele Menschen haben eine ausgereifte Phantasie und können spannende Geschichten erzählen. Wer dafür nicht ein gewisses Talent hat, ist vielleicht nicht unbedingt dafür prädestiniert, auf Biegen und Brechen etwas zu schreiben.

Wichtig ist meiner Meinung nach vor allem die Vorbereitung. Man sollte keinesfalls einfach drauf los schreiben und sehen, wohin einen die Geschichte trägt †“ hab ich früher zwar so gemacht, musste aber auch einsehen, dass das absolut ungeeignet ist.

Stattdessen sollte man sich langsam an die Story herantasten, z.B. erst mit einem stichpunktartigen Hauptstrang beginnen, sich ernsthafte Gedanken über den Charakter des Protagonisten zu machen. Nach und nach dann verfeinern, abschmecken, und bei Bedarf erneut verfeinern. Die Geschichte sollte auf festen Beinen stehen, bevor mit dem tatsächlichen Schreiben begonnen wird. Bevor du einen 100-m-Sprint in Angriff nimmst, lern laufen.

Ich denke in letzter Zeit sehr häufig darüber nach, wie man nun eine vorhandene Geschichte durch den richtigen Einsatz der Sprache aufwerten kann. Dabei habe ich eigentlich nur Ansätze, denn sooo bewandert bin ich da nun auch nicht.

Ich versuch einfach mal ein paar simple Beispiele zu bringen:

Wenn die Geschichte insgesamt zyklisch aufgebaut ist, wenn also z.B. der Protagonist sich, sei es psychisch oder anderweitig, am Ende des Buches in einer ähnlichen Situation befindet wie zu Beginn, dann kann man dies unterstreichen, indem man auch sprachliche Parallelen zwischen Ausgangs- und Endpunkt zieht. Soll heißen, wenn die Geschichte an einem bestimmten Ort beginnt und dort endet, kann man Sätze, die man am Anfang der Story geschrieben hat, am Ende erneut einbauen, oder zumindest ähnliche Sätze/Wörter/Strukturen.

Besteht die Geschichte aus mehreren Ups und Downs, hat also mehrere Höhepunkte oder Schlüsselsituationen, kann man sich beispielsweise die Handlung als eine Wellenlinie vorstellen. In den Tälern, also zwischen den Höhepunkten, könnte man so z.B. das ruhigere, langsamere Wesen der Handlung durch gelegentliche Wörter hervorheben, die allgemein mit langsameren, ruhigeren Vorgängen verbunden werden. Schleppen, tropfen, ziehen, schmieren, schleifen, rollen, fließen; langsam, zäh, monoton, beständig, allmählich... auch Substantive wie Fluss oder Brise... mir fallen jetzt grad nicht mehr ein.

In den Höhepunkten könnte man nun bspw. Gegenteilige Wörter verwenden: Reißen, hacken, springen, stürmen, stürzen, fallen, schießen, jagen; ruckartig, abrupt, gnadenlos, unerwartet, jäh; Wut, Blitz, Donner, Hass... das ergibt sich natürlich größtenteils aus der Geschichte selbst, kann aber durch verwandte Kontrastpaare unterstrichen werden.

Man muss hin und wieder zugunsten solcher Kontraste auch einige inhaltliche Änderungen machen. Wenn also am Mittwoch der Protagonist sich bei ursprünglich vorgesehenem Sonnenschein einen ruhigen Tag macht und am Donnerstag seine Freundin vom Zug erfasst wird, dann kann es hilfreich sein, den Sonnenschein am Vortag zu Nieselregen umzuschreiben, um dann am Donnerstag von einem Gewitter oder einer Sturzflut zu sprechen †“ nur so als Beispiel. Es gibt viele Wege, eine ähnliche Wirkung zu erzielen.

Auch sollte man psychische Zustände der Charaktere durch ihre Handlungen durchscheinen lassen. Wenn also der Protagonist aus welchen Gründen auch immer ein schlechtes Gewissen hat, dann macht er eben nicht in der Missionarsstellung Liebe mit seiner Lebensgefährtin, sondern nimmt sie von hinten, um ihr nicht ins Gesicht sehen zu müssen. Klingt vielleicht drastisch, ist aber durchaus sinnvoll.

Oder ein unsicherer, ängstlicher Charakter wird sich im Park lieber unter einen Baum setzen als mitten auf die Wiese, um Rückendeckung zu haben. Solche Dinge.

Ferner sollte man sich vor dem Schreiben mit rhetorischen Mitteln auseinandersetzen. Man muss sie nicht namentlich auswendig lernen, wichtig ist nur, sie für sich zu kennen und über ihre mögliche Wirkung nachzudenken. Zu diesem Punkt werde ich mich zukünftig genauer informieren, denn es ist nützlich zu wissen, welche Stilmittel am besten für diese oder jene Szene geeignet sind. Z.B. kann man lautmalerische Wörter (gibt†™s nen Fachbegriff für... jedenfalls Wörter, die akustisch ihren Bedeutungen ähneln, wenn ihr versteht; z.B. klingt das Wort „quaken†œ auch wie das Geräusch selbst) gut zum Greifbarmachen einer bestimmten Atmosphäre, einer Stimmung verwenden. Zum Beispiel „huscht nachts ein Schemen über die menschenleere Straße, und aus dem Gebüsch zischt eine leise Stimme†œ. Da dienen die „sch†œ-Laute (sieben an der Zahl) der Umschreibung einer unheimlichen, geheimnisvollen, eben einer „pscht†œ-Situation.

Man sollte also zumindest die Schlüsselszenen gut durchdenken und überlegen, wie die jeweilige Stimmung, sie es Bedrohlichkeit, Panik, Horror, Überraschung, Trauer, stilistisch am besten vermittelt werden kann. Wie gesagt, rhetorische Stilmittel - hierzu muss ich mich noch reichlich informieren, da gibt†™s ja auch sehr viele von;).

Auch Symbole sollte man verwenden. Meinetwegen gibt es draußen auf der Weide zwei hohe Pappeln, die parallel zu einem tragischen Schicksal in der Hauptstory beide vom Blitz getroffen werden oder vom Sturm umgeknickt. Hierauf baut sich im weiteren Verlauf der Geschichte eine dominierende Stimmung des Hasses auf (nicht weil die Bäume umgeknickt sind, das waren ja nur Symbole). Was man hiermit symbolisiert haben könnte, ist †“ der elfte September.

Oder man übt Kritik an der Kirche, wenn man möchte, indem ein Charakter durch Peitschenhiebe eine kreuzförmige Narbe auf dem Rücken hat. Solche Sachen halt.

Wie gesagt, sind alles nur Ansätze, über die ich in letzter Zeit nachdenke, aber ich glaube es kann nur von Vorteil für den eigenen Schreibstil sein, sich ernsthaft auch mit der Theorie des Schreibens auseinander zu setzen.

Falls jemand weitere Tipps hat, feel free to post!

Clax;)

Die Muse küsste mich, und ich erwiderte ihre Zärtlichkeiten.

Es wurde mehr daraus - wir liebten uns und bekamen ein Kind:

~ Sie ~

Und wir erwarten erneut Nachwuchs ...

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Auch wenn ich hier jetzt vieles wiederhole und die Sachen auch eigentlich jedem bekannt sind, so sind die folgenden Dinge doch nicht immer zwingend bewusst. (ich zum Beispiel musste mich erst neulich auf Absatz 3 bringen;) )

Arten ein Buch zu schreiben, bzw. die Geschichte zu entwickeln:

1. Frei

Man schreibt einfach drauflos. Man beginnt bei einer leeren Seite und lässt der Geschichte ihren Lauf. Man beeinflusst die Geschichte auch nicht wirklich gezielt, sondern man schreibt, wie es einem in den Sinn kommt. Wenn man heute abend den Helden noch grillen wollte, aber nicht mehr dazu kam, so lässt man ihn morgen dann doch gewinnen. Die geschichte läuft quasi wie ein Film selbständig vor dem inneren Auge ab und man schreibt nur als Beobachter mit.

Vorteile:

- Die Geschichte bleibt flexibel und man setzt die eigene Fantasie praktisch 1:1 um

- Gerade bei einem ersten Werk ist man lange motiviert, weil man quasi nur schreibt, wenn einem die Bilder im Kopf gefallen und die Zeit spielt keine Rolle, da man sich keine Gedanken um die Planung der Geschichte macht.

Nachteile:

- Man gerät häufig an Stellen, die plötzlich keine problemlose Fortsetzung erlauben

- Man verliert leicht den Roten Faden

- Die Geschichte kann leicht ausarten

2. Am roten Faden entlang planen und schreiben:

Man macht sich vorher eine Menge Gedanken um das Buch. Man plant die Handlung und feilt an diesen Ideen so lange, bis man sie zu Papier bringen möchte. Dann schreibt man chronologisch und hangelt sich an dem vorher erstellten Gerüst entlang.

Vorteile:

- Das Schreiben des Buches geht je nach Art der Notizen recht schnell von der Hand

- Beim Schreiben kommen keine "bösen Überraschungen"

- neue Ideen lassen sich durch die detailierten Notizen besser in die Geschichte einpassen.

Nachteile:

- Viele Bücher kommen über die Planungsphase nicht hinaus

- Man hat das Ende im Kopf und muss aber erst den Anfang schreiben, das entmutigt

- Viele neue Ideen können nichtmehr ins Kozept eingearbeitet werden, ohne die Planung von Wochen zu ruinieren.

3. Freies Schreiben mit rotem Faden:

Hier macht man zunächst das selbe, wie unter Punkt 2. Man plant die Geschichte, man legt alle Eckpunkte fest usw. Doch der Schreibprozess ist nicht chronologisch, sondern frei. Man schreibt die Teile der Geschichte, die man gerade schreiben will. Am Ende bringt man die geschriebenen Teile mit Hilfe der Notizen in die richtige Reihenfolge und sorgt für einen sauberen Übergang.

Vorteile:

- siehe Punkt 2

- Man nutzt immer sein volles künstlerisches Potenzial. Man hat zwar häufig Lust zu schreiben, aber nicht immer auf die entsprechenden Teile, an denen die Geschichte sich grade befindet. So schreibt man immer aus voller Seele.

Nachteile:

- Siehe Punkt 2

- Neue Szenen lassen sich hier aber noch schlechter einbauen, da man dann nicht nur Notizen, sondern bereits geschriebene Stellen des Buches verwerfen müsste.

- Man verliert leicht den Überblick - man braucht also ein wirklich ausgereiftes Storyboard

- Die Übergänge müssen stimmig gemacht werden, was nicht immer leicht ist. Der eigene Schreibstil kann sich - gerade am Anfang der eigenen Laufbahn - doch stark wandeln. Man wird beim Schreiben von vielen Dingen beeinflusst und setzt sie unbewusst um. Schreibt man chronologisch, ändert sich der Stil mit der Geschichte und die Änderung ist weniger auffällig. Schreibt man durcheinander so sind Stiländerungen viel deutlicher sichtbar.

So, das wäre also eine kleine Zusammenfassung von Schreibstilen, die mir jetzt so einfällt. Das hier ist viel weniger eine Anleitung, wie man es machen soll, als eine Hilfe zur Selbsteinschätzung.

Aber gerade für Fortsetzungen eignet sich die Variante 1 des Schreibens nur noch bedingt, da hier einfach zu viele Dinge durch den ersten Teil schon vorgegeben werden. Die Leser haben eine viel bestimmtere Erwartung an euch.

Aber am Ende schreibt jeder so, wie er es am besten kann und es ihm am meisten Spaß macht.

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Ich empfehle sehr viel zu lesen, dann ergibt sich vieles von selbst.

Grammatikkenntnisse helfen erheblich, ebenso etymologisches Interesse, konzeptionell orale Texten wie iterierte Epen oder Hip Hop und Interpretierbarkeit als wichtig oder zweitrangig einzustufen.

Und bitte nicht "Person xys Feldzug" schreiben, das klingt wie der Titel eines Sachbuchs und entbehrt jeder Poesie.

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Ehrlich gesagt habe ich das meiste von dem, was hier aufgeführt wird, in der Schule im Deutschunterricht gelernt. Allerdings bin ich auch schon so alt, daß ich als Kind die erste Mondlandung im Fernsehen anschauen konnte. Vielleicht hat die Schule sich ja geändert in den Jahrzehnten dazwischen.

 

Leute, die bei bestimmten Lerninhalten krank waren oder Kreide holen oder unter dem Tisch auf dem Handy Candy Crush gedaddelt haben (letzteres ist in den Tagen vor dem Handy metaphorisch zu verstehen; sowas wie Schiffe versenken geht auch mit Papier und Bleistift) gab es allerdings auch schon immer.

 

In jedem Fall hilft es allen, die wichtigsten Dinge hier zusammengefaßt zu finden, deshalb meine Anerkennung dafür, vor allem für die vielen Beispiele, wie es besser geht.

"Menschen, ja. Sie nennen sich selbst vernunftbegabt. In Wirklichkeit sind sie eine Sorte von haarlosen Affen, deren pausenlose Balzzeit in einen aggressiven Territorialinstinkt ausartet, der nur noch von ihrer Habgier übertroffen wird. Die Galaxis wäre ohne sie besser dran."

(Morwen ar-Ithildor zugeschrieben)

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