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Bruderkrieg


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Vorwort

 

Ich bin betrunken und es scheint mir ein geeigneter Zeitpunkt für ein Experiment zu sein. Ich habe folgende Geschichte vor fast 10 Jahren geschrieben und damals einiges Herzblut hineingesteckt. Ich habe sie niemals veröffentlicht. Nachdem GW die Alte Welt zerstört hat, bin ich zuversichtlich, dass meine ganz eigene Interpretation eines Teils dieser Welt keinen allzu großen Schaden anrichten wird. Ich bin weit davon entfernt, etwas vom Schreiben zu verstehen und war noch weiter davon entfernt, als ich diese Geschichte geschrieben habe. Ich werde sie nicht mehr überarbeiten. Vielleicht ist sie jemandem der sie liest ein inspirierender Zeitvertreib. Dann war die Zeit, die ich in diese Geschichte investiert habe, nicht völlig unnütz. Gerne könnt ihr, geneigte Leser, Kommentare hier lassen. Ich werde wie gesagt keine Änderungen mehr vornehmen, doch eure Anregungen werde ich für Zukünftiges beherzigen.

 

Einleitung

 

Vor langer Zeit, als das Volk der Menschen noch wie Wilde in Höhlen hauste und sich von Beeren und wilden Tieren ernährte, als die Zwerge unermüdlich ihre Festungen gegen die anbrandenden Horden der Orks verteidigten, waren die Elfen ein mächtiges Volk. Ihre Krieger unübertroffen, ihre Magier weiser als alle anderen Sterblichen, ein stolzes Volk, die Herren der damaligen Welt.

Und so fochten sie mit ihrem gottgleichen König Aenarion gegen die Dämonen der dunklen Götter, die in ihre Welt einzudringen und alle Sterblichen zu vernichten suchten. Aenarion schlug die Dämonen und ihre verdorbenen Anhänger und nahm Morathi, die schönste Frau der alten Welt zur Gemahlin. Gemeinsam zeugten sie Malekith; er sollte der größte Krieger und der mächtigste Magier werden, den dieses Volk jemals hervorbrachte- und das größte Unglück über die Elfen bringen.

Es begab sich, als der König Aenarion das Antlitz dieser Welt verließ, dass der hohe Adel Ulthuans Malekith nicht als den Nachfolger seines Vaters anerkennen wollte. Sie wählten stattdessen einen der ihren und Aenarions Sohn akzeptierte ihn. Als oberster Feldherr Ulthuans warf Malekith die Feinde der Elfen in den Staub. Dies war die Blüte jenes Volkes, der Höhepunkt ihrer Macht, als ihre Schiffe in den entlegensten Ecken der alten Welt Kolonien gründeten. Die Türme ihrer Städte ragten bis in den Himmel und waren Menschen wie auch Zwergen ein Mahnmal der unübertroffenen Glorie Ulthuans.

Doch schließlich starb der König der Elfen unter ungeklärten Umständen. Malekith schritt durch die heilige Flamme des Asuryan, um sich als würdig zu erweisen, nun endlich seinen Platz als Herrscher Ulthuans einzunehmen. Doch das Feuer wies ihn zurück und verbrannte seinen Körper. Seine Mutter Morathi floh mit ihrem entstellten und tödlich verwundeten Sohn in die Provinz Nagarythe, deren Herr Malekith war. Die anderen Adligen rüsteten zum Krieg gegen ihn, während auch die Armeen Nagarythes aufmarschierten. Ein unüberwindlicher Riss entstand zwischen dem einst geeinten Volk der Elfen. Malekith inzwischen erholte sich. Er ließ sich eine schwarze Rüstung direkt auf den entstellten Leib schmieden und führte seine Armeen gegen seine Feinde.

So gewaltig waren die Schlachten und so zerstörerisch die beschworenen Kräfte, dass das Land Nagarythe schließlich in den Fluten versank. Doch durch mächtige Magie ließen die Zauberer Malekiths die Festungen Nagarythes aus dem Boden hervorbrechen und auf den Fluten schwimmen und so floh mit den seinen über den Ozean und fand im unwirtlichen Land Naggaroth, das er nach seiner zerstörten Heimat benannte, sein Exil. Der betrogene König schwor bittere Rache und es sollte eine schmerzliche Zeit für das Elfenvolk hereinbrechen, in der die Legionen des Hexenkönigs Malekith von Naggaroth gegen die glitzernden Kohorten der Phönixkönige Ulthuans stritten. Väter erschlugen Söhne, Freunde wurden entzweit und Geschwister lernten sich hassen. Es war die Zeit des Bruderkriegs.

 

bearbeitet von Zavor
Anpassung des Threadtitels

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Prolog

 

Anlec stand in Flammen. Obwohl sie weit entfernt stand, konnte Naira die Hitze spüren. Am Horizont konnte sie die Umrisse der schwarzen Arche General Khoritans erkennen. Nachdem die Streitkräfte der Stadt vernichtend geschlagen worden waren, war er geflohen und hatte die Stadt und ihre zurückgebliebenen Verteidiger dem Untergang anheim gegeben. Dafür sollte seine Seele für alle Ewigkeit von dunklen Dämonen gequält werden.

Der Wind trug die Schreie der Bewohner an Nairas Ohren. Schreie von Frauen und Kindern, verzerrt in höllischen Qualen. Einer davon gehörte ihrer Tochter. Es war egal. Sie hatte den Fall Anlecs tausende Male gesehen und würde ihn in ihrem unsterblichen Leben wohl noch tausende Male sehen. Wie auch den Tod ihrer Tochter. Getötet von denen, die sie einst Brüder genannt hatte. Sie hatte Lust, ihr Schwert zu ziehen und sich auf diese feigen Verräter zu stürzen, doch sie wusste, dass ihre Waffe nichts weiter durchdringen würde als Luft. All das war nicht real. Nur ein Traum. So stand sie da und wartete darauf, dass endlich das letzte Leben in der Stadt erlöschen würde. Sie lebten nicht wirklich. In Wahrheit waren sie alle schon vor Jahrhunderten gestorben. Doch manchmal erwachten ihre Geister in der Nacht zu neuem Leben und quälten sie. Langsam verstummten die Schreie. Naira bereitete sich darauf vor, dass der Traum endete und sie in eine dunkle Leere fallen und am nächsten Morgen verschwitzt und ausgelaugt aufwachen würde. Doch nichts geschah. Der letzte Schrei war erstorben und eine unheimliche Stille breitete sich aus. Gegen ihren Willen fing sie an, auf die gefallene Stadt zuzugehen. Sie hatte keine Kontrolle mehr über ihren Körper. Sie kam schnell näher. Schneller als es eigentlich sein durfte. Es war, als würde ihr die Stadt entgegengehen. Sie konnte ob des glühenden Feuers keine Einzelheiten erkennen. Alles vor ihr verschwamm zu Schemen. Die ganze Welt um sie herum schien nur noch schwarz und rot zu sein. Sie wollte die Augen schließen, doch nicht einmal das gelang ihr. Sie durchschritt das große, zerstörte Haupttor und bewegte sich zielstrebig durch die engen, teils verschütteten Gassen, als ob die unbekannte Macht, die ihre Schritte lenkte, die Stadt auswendig kenne. Und dann hielt sie plötzlich in einer Sackgasse an. Bis hierher war das Feuer noch nicht gedrungen und so konnte sie auch Einzelheiten erkennen. Vor und neben ihr war eine massive Wand aus schwarzem Stein, über ihr ein rauchverdeckter Himmel. Kein einziger Stern leuchtete. Dann blickte sie nach unten und wünschte sich im selben Augenblick, sie hätte es nicht getan. Es war nicht so, dass der Anblick von Leichen bei ihr noch so etwas wie Ekel oder Abscheu erzeugen konnte- dafür hatte sie selbst schon viel zu oft getötet. Und dennoch brach sie weinend in die Knie, als sie die beiden Elfen sah, die erstarrt dalagen, fest umklammert, die Münder in einem Kuss aufeinander gepresst. Sie beide waren gleichzeitig durch einen Stich in die Herzen getötet worden. Ein passendes Ende für zwei Liebende. Schluchzend fasste Naira die Hand des Mädchens und zog behutsam den goldenen Ring vom Finger der Leiche. Auf der Innenseite war die Inschrift „In ewiger Liebe für dich, Naira, Sonne meines Lebens“ eingraviert. Dieser Ring war alt, beinahe so alt wie sie. Sie selbst hatte ihn getragen, bevor sie ihn ihrer Tochter geschenkt hatte. Er war ein Geschenk ihres Geliebten gewesen. Sie vergrub das Gesicht in den Händen und weinte.

„Du verfluchter Verräter hast meine Tochter getötet! Unsere Tochter!“

„Ich habe sie nicht getötet. Genauso wenig wie du. Ich hätte es nicht verhindern können, selbst wenn ich es gewollt hätte.“

Naira erhob sich ganz langsam und drehte sich um. Sie sah eine in dunkle Roben gehüllte Gestalt, die sie mit traurigem, ja fast mitleidvollem Blick anstarrte. Es war Menethus, ihr Geliebter. Sein dunkles Harr war mit Asche bestreut und seine Haut dreckig. Er sah aus wie ein Bettler. Eine passende Erscheinung zu einem solchen Anlass.

„Du warst einer ihrer Offiziere. Du hättest… du hättest… sie warnen können. Nur sie. Du hättest sie beschützen können. Du hättest deinen Leuten befehlen können, sie zu verschonen, du hättest…“ Naira brach schluchzend ab.

„Hätte ich? Du überschätzt meine Macht.“

„Ach wirklich? Warst du es nicht, der mich heute hierher geführt hat? Bastard! Was willst du? Willst du sehen, wie ich noch immer um sie trauere? Willst du mich demütigen?“

„Ich will, dass du siehst, wohin Hass führt. Dein Hass! Einst liebten wir uns und nun nennst du mich Bastard.“

„Weil du einer bist! Selbst die Spaltung konnte meine Gefühle für dich nicht auslöschen. Ich liebte dich, auch wenn du mein Feind geworden warst. Doch du tötetest meine Tochter! Dafür werde ich dich eines Tages töten!“

„Schon möglich, falls dich nicht zuvor einer deiner anderen Feinde tötet. Wie kannst du denn so blind sein? Siehst du nicht, dass Hass nur noch mehr Hass hervorruft?“

„Mein Hass hat mich stark gemacht“ Er hält mich am Leben.“

„Das ist kein Leben. Sieh dich an! Du hast jede Nacht Albträume. Das Essen schmeckt dir nicht mehr so wie früher, der beste Wein kommt dir bitter vor! Du leidest. Dein Körper leidet. Dein Geist leidet. Eines Tages wird dich dein Hass töten!“

„Nein.“

„Es ist noch nicht zu spät. Komm mit mir!“

„Sag mir, Geliebter, warum kommst du gerade jetzt? Was willst du wirklich?“

„Es werden Dinge geschehen. Ich habe sie gesehen. Unendliches Leid wird kommen. Ein neuer Krieg. Du wirst kämpfen. Und sterben. Ich bitte dich noch ein letztes Mal. Vergiss deinen alten Hass und folge mir.“ Damit streckte er ihr die Hand hin.

„Und wer wird mich töten, großer Seher?“ antwortete sie mit einem spöttischen Lächeln.

„Ich selbst.“

Für einen Moment kehrte Stille ein. Sie blickten einander ausdruckslos an. Dann brach Naira das Schweigen: „Sag mir, wenn du so viel siehst, wie dies hier endet.“ Damit zog sie ihr Schwert und schleuderte es mit aller Kraft auf Menethus. Es glitt durch ihn hindurch und bohrte sich in den Boden. Das Bild ihres einstigen Geliebten verschwand. Sie hörte in der Luft noch die Worte: „Du hast dich also entschieden.“ Dann wurde der Boden unter ihr von heftigen Erdstößen durchzuckt. Die Mauern brachen zusammen und Flammen schlugen aus dem Boden. Dort wo sie stand öffnete sich die Erde selbst und sie fiel in die Dunkelheit.

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Kapitel 1

 

Schreiend erwachte Naira. Sie hatte sich sofort wieder unter Kontrolle und ließ sich erschöpft zurücksinken. Die Dunkelelfin versank halb im roten Samt, mit dem ihre Schlafstatt bezogen war. Sie atmete ein paar Mal tief durch bevor sie nach einem vergoldeten Krug mit Wasser griff, der neben ihrem Bett stand, und sich den kühlen Inhalt genüsslich über das Gesicht goss. Das kalte Wasser vertrieb nun endgültig die letzten Reste des Albtraums und Naira sprang mit einem eleganten Satz auf den Boden. Zielstrebig bewegte sie sich auf das einzige Fenster in ihrem Schlafgemach zu und öffnete es. Sie musste blinzeln, als ihr die hellen Strahlen der Sonne ins Gesicht schienen. Es musste beinahe Mittag sein. Es kümmerte sie nicht. Sich den Tag ganz nach ihrem Befinden einteilen zu können war ein Luxus, den sie sich als Adlige leisten konnte. Gemächlich ging Naria zu einem der vielen hölzernen Kästen, die ihre Kleider enthielten. Es war ein ganz gewöhnlicher Tag und sie hatte nichts Besonderes vor, also wählte sie ein einfaches schwarzes Kleid, das lediglich ein paar Silberstickereien verzierten. Danach stellte sie sich vor ihren Spiegel und betrachtete sich selbst. Naira fand, dass sie schrecklich aussah. Nach dieser unruhigen Nacht war sie noch blasser als sonst und ihre Haare hingen wirr bis zu ihrem Bauch hinab, doch sie hatte jetzt keine Lust, sich zu kämmen. Außerdem war es nicht notwendig. Heute würde sie sowieso nur mit Untergebenen und Sklaven zu tun haben. Sie lächelte ihr Spiegelbild noch einmal an, bevor sie zur Tür ging. Ihr Magen knurrte und wenn er wusste, was gut für ihn war, hatte ihr der Sklave, der zum Kochen eingeteilt war, ein besonders gutes Frühstück zubereitet. Nachdem sie einen kurzen Gang durchquert hatte, betrat sie den Speisesaal, der mit kostbaren Wandteppichen, Waffen und den Köpfen ihrer Feinde behängt war. An der gegenüberliegenden Seite standen wie üblich zwei Wachen und ein halbes dutzend reich bedeckte Platten aus Silber und Gold zierten den Esstisch. Doch eines passte nicht in das gewohnte Bild: auf einem der zahlreichen Stühle saß eine in Schwarze Gewänder gehüllte Gestalt, die sich an ihrem Essen labte. Das Gesicht war unter einer Kapuze verborgen, die zu einem schwarzen Umhang gehörte. Darunter sah Naira Stahl blitzen. Sie blieb wie erstarrt stehen aus purer Verwunderung über das ungebührende Benehmen des ungebetenen Gastes. Als der sie sah ließ er das Stück Fleisch, an dem er gerade kaute, achtlos auf den Tisch fallen, erhob sich und ging mit lässigen Schritten auf sie zu. Im Gehen zog er sich die Kapuze vom Kopf und ein schmales, blasses Gesicht kam zum Vorschein, das von schwarzen Locken umrahmt wurde. Die schweren Reiterstiefel des Unbekannten hallten mit jedem Schritt auf dem Marmorboden des Speisesaals wider. Einige Meter vor ihr blieb der Dunkelelf schließlich stehen und begann ohne Umschweife: „Ich grüße Euch, Naira. Ich hoffe es macht Euch nichts aus, dass ich mich an Euren Speisen erfreute, während Ihr schlieft. Übrigens ein ganz schlechter Tag, um zu verschlafen oder steht Ihr immer so spät auf?“

Gereizt antwortete sie: „Erstens geht es Euch überhaupt nichts an, was ich auf meinem Anwesen geschweige denn in meinem Schlafzimmer mache und zweitens frage ich mich, warum ich Euch für Eure Beleidigungen nicht einfach das Herz herausschneiden sollte. Mein Schwert hat sowieso schon zu lange kein Blut mehr geschmeckt.“

„Nun, dazu werdet Ihr ohnehin bald Gelegenheit bekommen, auch wenn Ihr mich am Leben lasst. Dazu würde ich Euch auch dringend raten, denn ich bringe wichtige Nachrichten aus Naggarond.“

„Und von wem? Der Einfluss Eures Herrn muss weit reichen, wenn er Euch sogar hier noch zu schützen vermag.“

„Das tut er tatsächlich. Ich bin hier im Dienste des großen Malekith, König der Dunkelelfen höchstpersönlich.“ Mit diesen Worten überreichte er ihr eine Schriftrolle mit dem goldenen Siegel des Königs. Zögernd nahm Naira die Nachricht und öffnete sie behutsam. Schon bei der Erwähnung Malekiths war ihr der letzte Rest von Farbe aus dem Gesicht gewichen. Ihre Gedanken überschlugen sich. Was hatte das zu bedeuten? Hatte sie den Hexenkönig irgendwie verärgert? Was könnte sonst der Anlass für eine Benachrichtigung sein? So wichtig war sie nicht. Ehrfürchtig las sie die Schriftrolle, während der Bote mit selbstgefälligem Lächeln daneben stand. Nach den ersten Zeilen hellte sich ihre Miene wieder auf. Tatsächlich musste sie sich zurücknehmen, um nicht erleichtert auszuatmen. Sie hatte sich zuvor schon viel zu sehr aus der Ruhe bringen lassen. Sie schob es auf den ungewöhnlichen Traum und ihren schlechten Schlaf. Nichtsdestotrotz durfte sie sich nicht erlauben, in der Nähe ihrer Untergebenen – die Wachen waren immer noch im Saal – Schwäche zu zeigen. Schwäche führt zu Verrat. Und Verrat konnte sie sich nicht leisten. Vielleicht war das das Geheimnis, das hinter dem versteinerten, emotionslosen Gesicht ihres Lehnsherrn Furion steckte. Diese beinahe unnatürliche Kälte und die Gerüchte, über das Schicksal seiner rebellischen Töchter machten ihn so gut wie unangreifbar.

In der Nachricht ging es darum, dass der Phönixkönig der Hochelfen eine Flotte nach Naggaroth, ins Land der Dunkelelfen entsandt hatte. Als sie weiter las hellte sich Nairas Miene weiter auf. Ihr wurde befohlen, eine Armee von mindestens tausend Mann aufzustellen und mindestens zwei Schiffe für die bevorstehende Seeschlacht zu bemannen. Ja, ihr Schwert würde wahrhaftig bald wieder Blut schmecken. Der Bote brach das Schweigen, das sich ausgebreitet hatte und sprach: „Ich werde meinem Herrn ausrichten, dass Ihr die Botschaft erhalten habt. Findet Euch in vier Tagen in Clar Karond mit den angeforderten Truppen ein- und verschlaft nicht.“ Damit drehte er sich um und wollte schon gehen, als ihn Naira zurückhielt. „Wisst Ihr, was am Ende der Nachricht steht?“ fragte sie. Natürlich wusste er es nicht. „Ihr braucht eurem Herrn nichts mehr ausrichten- ich bin Eure neue Herrin. In diesem Brief wird mir die Befehlsgewalt über euch gegeben. Auf Lebenszeit.“ Als er das hörte weiteten sich seine Pupillen und diesmal war er es, der blass wurde. Mit einem Wink von Nairas Hand näherten sich die beiden Wachen. „Und nun unterhalten wir uns über dein Benehmen von vorhin, Untergebener…“

 

Schnelle Schritte hallten auf dem Marmorboden des Thronsaales wider. Endlich vor dem Thron des Phönixkönigs angekommen kniete der Elfenritter vor seinem Herrn nieder. Man merkte ihm an, dass er einen langen Ritt hinter sich hatte. Der Ritter senkte seinen Kopf. Schweiß perlte von seiner Stirn.

„Ihr könnt sprechen, General Menethus. Was ist Euer Begehr?“ begann der Elf auf dem Thron. Er war in Gold und Purpur gekleidet und um ihn herum stand wohl ein Dutzend seiner engsten Berater, die nicht weniger pompös gekleidet waren. Auf dem Haupt des Königs befand sich eine goldene Krone, mit tausenden winziger Edelsteine verziert, die das einfallende Sonnenlicht in allen Farben des Regenbogens reflektierten. Diese Krone war tatsächlich ein Meisterwerk elfischer Handwerkskunst, doch konnte sie sich nicht mit der wahren Phönixkrone messen, die im Krieg gegen die Zwerge verloren gegangen war. Eines Tages würde sie wieder auf dem Haupt des Königs liegen, dessen war sich Menethus sicher.

Den Blick noch immer nach unten gerichtet begann der Ritter zu sprechen: „Ich bitte Euch um Verzeihung, Eure königliche Hoheit, doch ich hörte davon, dass man plant, unsere Flotte gegen Naggaroth zu senden. Ich wusste sofort, dass dies nur ein falsches und überdies gefährliches Gerücht sein könnte, denn niemals würde unser geliebter König eine solche Torheit begehen und auch standhaft allen Versuchungen einiger schlechter Berater widerstehen.“ Damit warf er einen Seitenblick hinter den Thron, wo Naethis, der Oberbefehlshaber der Streitkräfte Ulthuans, stand. Schließlich fuhr Menethus fort: „So bin ich also gekommen, um von Euch persönlich die Versicherung einzuholen, dass ich richtig vermutete.“ Daraufhin neigte Naethis seinen Kopf ein wenig näher an das Ohr des Königs und flüsterte ein paar kurze Sätze, worauf diese antwortete: „Und was, mein friedliebender General, lässt Euch genau zu der Ansicht kommen, dass es sich bei dieser durch meine militärischen Berater sorgfältig geplanten Strafexpedition- die übrigens schon im Gange ist- um eine Narretei handelt?“ Menethus atmete scharf ein. Er fasste sich schnell wieder und sprach weiter: „Meint Ihr etwa, oh König, dass die Flotte bereits entsendet wurde?“ Diesmal antwortete nicht der König selbst sondern Naethis an seiner statt in hartem Ton: „Eine Armada aus vierhundert Schiffen wurde vor genau drei Tagen entsandt. Wie Ihr sicher wisst verbleiben damit noch genügend Schiffe, um unsere Küste gegen etwaige Bedrohungen zu verteidigen, während die entsandte Armada wohl stark genug ist, es mit den Seestreitkräften der Dunkelelfen aufzunehmen. Worin bestünde also die Torheit?“

„Habt Ihr jemals diese Seestreitkräfte gesehen, von denen Ihr sprecht? Die Flotten des Hexenkönigs sind mächtig. Die Schiffe unserer Brüder, die unseren nicht unähnlich sind, sind noch das Geringste, das er uns entgegen werfen kann. Sagt mir Naethis, womit wollt Ihr denn die Seeungeheuer, die die Bestienmeister des falschen Königs auftauchen lassen, besiegen? Welches Eurer Schiffe kann es mit den schwarzen Archen aufnehmen? Ich weiß nicht, ob Ihr in Eurem Leben schon einmal solch ein Schiff gesehen habt. Ich schon. Ich war dabei, bei der großen Invasion unserer gefallenen Brüder. Ich habe ihre Flotte gesehen, habe gesehen, wie sich die schwarzen Archen vor der Küste aufbäumten und eine unendliche Zahl an Kriegern ausspuckten. Die Türme und Verteidigungsanlagen dieser Schiffe können sich mit denen unserer Festungen mehr als nur messen und in ihrem Inneren lauert Schlimmeres als nur Krieger. Ich sage Euch, nicht zehn unserer mächtigsten Schiffe können gegen eine schwarze Arche bestehen.“ Für einige Augenblicke kehrte Stille im Thronsaal ein, als Menethus geendet hatte. Dann fasste sich Naethis und erwiderte: „Diese Expedition wurde lange geplant. Ihr lasst die Schwächen unserer Gegner und unsere eigene Stärke außer Acht. Die Dunkelelfen sind gemeine Plünderer, die aus dem Hinterhalt zuschlagen. Ihre Flotten sind überall verstreut, ihre Streitkräfte kämpfen auf allen Kontinenten um Beute und Sklaven. Während der großen Invasion schlugen die Legionen des falschen Königs geeint und mit aller Kraft zu. Und selbst unter solchen Umständen gelang es dem glorreichen König Tethlis, unsere Feinde zu zerschmettern. Ihr wart doch dabei, damals als Anlec fiel und die Schwäche unserer Feinde und die Stärke unseres Volks offenbar wurden.“

„Anlec war ein Gemetzel. Wir töteten selbst ihre Frauen und Kinder. Dieser Sieg war ein Beweis unserer Schwäche, nicht unserer Stärke, Naethis. Wir sind Krieger, keine Schlächter.“ Der Elf quittierte diese Aussage lediglich mit einem beleidigten Naserümpfen und Menethus fuhr in polemischem Ton fort: „Doch nehmen wir einmal an, Ihr würdet tatsächlich den wenigen Widerstand antreffen, den Ihr erwartet. Was wollt Ihr dann tun? Viele der Festungen des falschen Königs liegen weit im Landesinneren und die Küstenstädte sind so stark befestigt, dass sie beinahe uneinnehmbar sind. Ihr kennt ja die Berichte. Was wollt Ihr also tun, falls alle Eure Erwartungen zutreffen? Steinchen gegen die Mauern werfen?“ Diesmal war es Naethis, der scharf einatmete. Doch bevor er zu einer wütenden Antwort ansetzen konnte hob der König die Hand und sprach mit besänftigender, aber gleichzeitig auch herrischer und stolzer Stimme: „Ich bin Morvael, Phönixkönig von Ulthuan. Ich habe diese Expedition befohlen und es ist mein Wille, dass unsere fehlgeleiteten Brüder bestraft werden. Ich erkenne Eure Einwände an, Menethus, doch sie sind ungerechtfertigt. Heute in einem Monat schon werden die entsandten Schiffe siegreich zurückkehren. Ich wünsche keinen Zwist zwischen meinen Generälen. Ihr seid gekommen, um aufgeklärt zu werden, Menethus. Wenn dem so ist, dann ist das nun geschehen.“ Und mit drohendem Ton fügte er hinzu: „Ihr werdet die Entscheidungen Eures Königs doch sicher nicht anzweifeln, oder?“ Mit einer langsamen, schweren Bewegung schüttelte Menethus den Kopf. „Also, dann wäre dies geklärt. Und nun entschuldigt Euch bei Naethis wegen Eurer vorschnellen, ungerechtfertigten Anschuldigungen.“ Der Elf zögerte einen Augenblick bevor er antwortete: „Ich werde mich entschuldigen und mit Naethis auf seinen großen Sieg trinken- in einem Monat, wenn unsere Flotte siegreich zurückkehrt. Falls unsere Flotte zurückkehrt…“ Damit erhob sich Menethus und stürmte aus dem Thronsaal.

 

Dutzende Kerzen erleuchteten die kleine sechseckige Kammer, in der sich Morathi befand. Die arkanen Symbole, die mit Blut auf die Wände aus schwarzem Obsidian gezeichnet waren, schienen durch das flackernde Licht zu unheimlichem Leben zu erwachen. Vor ihr stand auf einem Altar eine goldene Schale, die mit Blut gefüllt war. Die Zauberin konnte die knisternde magische Energie bereits spüren, als sie im Geist die letzten Vorbereitungen für das Ritual traf. „Zeig es mir.“ Es war die Stimme ihre Sohnes Malekith, die sie fast aus ihrer Konzentration riss. Sie hatte beinahe vergessen, dass auch er sich im Raum befand. Manchmal verfluchte sie ihn für sein mangelndes Taktgefühl. Er war selbst begabt in der Kunst der Magie und musste wissen, dass sein Kommentar sicher nicht hilfreich für die Vorbereitungen war. Dann blickte sie zu ihm hoch. Er trug wie immer seine schwarze Rüstung. Malekith war ein stattlich gebauter, hoch gewachsener Elf und könnte als wirklich schön gelten, wären nicht die unzähligen Narben, die sein Gesicht verunzierten. Jahrtausende war es nun schon her, seit die heilige Flamme von Asuryan die Haut ihres Sohnes verbrannt hatte. Und dennoch fühlte sie noch immer seinen Schmerz und Hass. „Komm zu mir“ forderte sie ihn mit sanfter Stimme auf. Langsam trat der Hexenkönig näher. Er streifte seinen Panzerhandschuh ab und legte ihn vorsichtig an den Rand des Altars. Dann hielt er seine rechte Hand, die wie der Rest seines Körpers vernarbt war, direkt über das Becken. Morathi tat es ihm gleich. Mit der anderen Hand hob sie einen goldenen Dolch in die Höhe. Ihr Sohn tat das Gleiche, nur dass er einen gewöhnlichen Stahldolch benutzte, den er aus seinem Gürtel zog. Langsam bewegte sie ihn auf ihre andere Hand zu und schnitt in die Handfläche, sodass Ihr Blut in die Schale tropfte und sich mit dem dortigen Blut vermischte. Malekith folgte wieder ihrem Beispiel. Gleichzeitig begannen beide uralte arkane Verse zu rezitieren: „Kael Eltharin las suith… Shobh asbah mour. Shobh asbah mour…“ Das Sprechen wurde immer mehr zu einem monotonen Gesang. Die Kammer schien sich zu verändern, die Wände schienen näher zu kommen. Aus dem Blut stiegen Blasen empor, in der Schale bildete sich ein Strudel. Immer intensiver wurde der Gesang, bis er schließlich abrupt abbrach. Aus den Händen von Mutter und Sohn schossen gleichzeitig zwei gleißend helle Strahlen aus Licht, die die gesamte Kammer erhellten und das Blut in der Schale zum Kochen brachten. Beide konzentrierten sich auf das Meer, das Naggaroth und Ulthuan voneinander trennte. Schließlich vergingen die beiden Lichtstrahlen und das Blut verlor seine rote Farbe. Es wurde durchsichtig wie Glas, dann erschien das Bild eines Meeres. Kleine Pünktchen waren darauf auszumachen. Auf eine Handbewegung Malekiths hin wurde das Bild größer und nun waren eindeutig die Schiffe der Hochelfen zu erkennen. Es waren hunderte. Dann konzentrierte sich der Hexenkönig auf etwas anderes und für kurze Zeit verschwamm das Bild, bevor es sich neu zu bilden begann. Diesmal zeigte die Flüssigkeit das Deck eines der Schiffe, über das Speerträger patrouillierten und mehrere Offiziere miteinander debattierten. Einer zog die Aufmerksamkeit Malekiths besonders auf sich. Er war etwas prächtiger gekleidet als die anderen und seine ganze Körperhaltung verriet Autorität und Stolz. Das war also der Kommandant dieser Flotte. Sein blondes Haar flatterte im Wind. Er hatte das Gesicht eines jungen Mannes. Dieser Elf konnte nicht viel älter sein als achtzig Jahre. Welch ein Narr der Phönixkönig doch war, so einem Kind die Befehlsgewalt über eine Flotte dieser Größenordnung zu geben.

Der Hexenkönig hatte genug gesehen und zerstörte das Bild mit einem weiteren Wink seiner Hand. Er legte seinen Panzerhandschuh wieder an und verließ den Raum. Morathi folgte ihm. „Habe ich dir zu viel versprochen?“ fragte sie ihn. Malekith, der sich gerade umgedreht hatte, um die enge Wendeltreppe, die von der Ritualkammer zurück in den Hauptteil des Palastes führte, hinab zu steigen, hielt noch einmal inne und wandte sich seiner Mutter zu. „Nein, wahrlich nicht. Es war kein Fehler alle meine Diener zu benachrichtigen. Diese Flotte ist es wert, dass ich mich persönlich darum annehme. Das müssen beinahe alle Schiffe Ulthuans sein. Weißt du, was das bedeutet?“ Die Zauberin sah ihren Sohn kurz an und antwortete dann noch immer lächelnd, sich an ihn schmiegend aber bewusst etwas unsicher, fast fragend: „Dass mein Sohn schon bald einen großen Sieg feiern wird?“

„Nein, Mutter, noch viel mehr. Ulthuan liegt dann ungeschützt vor uns, wie eine reife Frucht, die nur noch gepflückt werden muss. Ich habe Jahrhunderte seit der großen Invasion gewartet, genau auf diese Gelegenheit. Es gibt viel zu tun. Endlich zieht dein Sohn wieder in den Krieg!“ Die letzten Worte schrie Malekith und stürmte halb von Freude, halb von Hass erfüllt die Treppe hinab.

Morathi blieb noch eine Weile nachdenklich stehen, bevor sie ebenfalls die Wendeltreppe hinab stieg. Ja, ihr Sohn hatte seine Lektionen in Kriegsführung und Strategie wahrhaftig gelernt. Die erste Invasion ging nur um wenig fehl, denn damals war der Phönixkönig Tethlis ihrem Sohn überlegen. Doch der jetzige König war schwach während Malekiths Macht mit jedem Atemzug zunahm. Schon bald würde Ulthuan von seiner Hand fallen.

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Kapitel 2

 

Menethus war auf sein Anwesen zurückgekehrt. Es hatte nichts mehr gegeben, das er am königlichen Hof hätte tun können. Es war eine Torheit und dennoch konnte er sie nicht verhindern. Naethis schickte zehntausende Elfen ja nicht einmal absichtlich in den Tod- er war einfach nur unfähig. Und nun konnte Menethus nichts weiter tun als im Garten seines Hauses zu sitzen und etwas Wein zu trinken. Dabei beobachtete er Jenara wie sie sich um die Bäume und Sträucher kümmerte. Jetzt sah sie zu ihm und lächelte ihn an. Sie war ein Sonnenschein. Jenara war erst zwanzig Jahre alt- fast noch ein Kind. Sie strahlte Anmut und Schönheit aus und in ihren großen, schwarzen Rehaugen erkannte Menethus die Unschuld und Naivität, die nur in den Augen derer waren, die noch niemals den Krieg gesehen hatten. Er fragte sich, wie lange das so bleiben würde. Wenn der falsche König die Flotte Ulthuans vernichten würde- und das war sehr wahrscheinlich- würde er die Gelegenheit nutzen und mit seinen eigenen Streitkräften Ulthuan angreifen. Menethus glaubte nicht daran, dass Naethis die Armeen des Hexenkönigs aufhalten könnte, wenn sie erst einmal gelandet wären. Schon damals, vor so vielen tausend Jahren als Malekith noch der strahlende Held Ulthuans war, gab es kaum Elfen, die ihn besiegen konnten. Doch heute war der falsche König mächtiger als er es jemals zuvor war. Wer könnte gegen einen solchen Gegner bestehen?

Jenaras Lächeln riss Menethus aus seinen dunklen Überlegungen. „Warum bist du so besorgt, Vater? Ist irgendetwas nicht in Ordnung?“ Er hatte sie nicht einmal herkommen sehen. Ihr langes, lockiges, schwarzes Haar glänzte in der Sonne, ihre Haut war beinahe schon etwas blass, Nase und Mund hatten die richtigen Proportionen, wie auch der Rest ihres Körpers. Einige Zeit betrachtete Menethus einfach nur den vollkommenen Körper Jenaras. Sie erinnerte ihn an Naira und an die Tochter, die er niemals gesehen hatte und die seine Männer in Anlec wie alle anderen Verräter auch getötet hatten. Vielleicht hatte er deshalb die junge Elfin bei sich aufgenommen und als seine Tochter erzogen, auch wenn sie nicht von seinem Blute war. Er erinnerte sich zurück, an jenen Tag vor siebzehn Jahren, an das zerstörte Fischerdorf, das von Dunkelelfenpiraten geplündert worden war. Ein dreijähriges Mädchen war die einzige Überlebende- Jenara. Normalerweise gab es bei Überfällen dieser Art keine. Doch das irritierendeste war das Tuch, das das Mädchen damals umgewickelt hatte. Nur Menethus selbst wusste darum, denn er war der erste gewesen, der das Mädchen gefunden hatte. Das Tuch hatte er sofort danach verbrannt. Es zeigte das Wappen einer Elfenfamilie aus Nagarythe, die sich bei der Spaltung auf die Seite des falschen Königs gestellt hatte. Ein Wappen, das Menethus sehr gut kannte…

„Ich habe etwas gefragt!“ erinnerte ihn Jenara mit gespieltem Ärger daran, dass sie auch noch hier war. Zum zweiten Mal schrak Menethus aus seinen Gedanken hoch und stammelte: „Du solltest einen alten Mann niemals beim Nachdenken stören. Wenn du erst einmal ein paartausend Jahre alt bist, wirst du auch merken, dass es gar nicht so einfach ist, all das zu ordnen, was du irgendwann einmal erlebt hast.“ Dabei versuchte er zu lächeln und irgendwie humorvoll zu klingen. Es misslang kläglich. „Vater, sag mir doch, was dich bedrückt. So habe ich dich noch niemals zuvor gesehen“ Nun konnte er in Jenaras Stimme echte Besorgung erkennen. „Weißt du, es werden bald schreckliche Dinge passieren. Ich will dich um nichts in dieser Welt verlieren.“ Sie fiel ihm in den Arm und antwortete halb scherzhaft, halb furchtsam: „Aber Vater, was für Dinge?“

„Erinnerst du dich, wie ich dir erzählte, dass es manchmal Überfälle an der Küste gibt?“

Jenara nickte. „Ja, doch wir sind weit im Landesinneren. Außerdem bist du doch ein großer General und ich höre dich so oft erzählen von unserer stolzen Flotte und den glitzernden Reihen unserer Speerträger und unseren noblen Rittern und Schwertmeistern von Hoeth und der Phönixgarde und…“

„Bitte, hör auf. Es schmerzt mich, Namen zu hören, die vielleicht bald nicht mehr existieren.“

„Wie meinst du das? Welcher Feind könnte mächtig genug sein, all das zu zerstören?“

„Ein schlafender Löwe, den dieser Narr Naethis zu wecken im Begriff ist!“ Damit schleuderte Menethus wutentbrannt seinen Kelch davon.

„Du magst Naethis nicht.“

„Er ist ein Narr, ein Narr der uns alle in den Untergang führen wird!“

„Er tut das was er für das Beste hält, wie auch du.“

Langsam beruhigte sich Menethus wieder. Er strich sanft über Jenaras Wange, bevor er weiter sprach: „Ich bewundere dich. Du kennst Naethis nicht. Du bist diesem Elfen noch niemals begegnet und verteidigst ihn trotzdem. Ich bin alt, Jenara, ich habe schon auf allen Kontineten dieser Welt gekämpft, ich habe Dinge gesehen, die andere als Märchen abtun. Doch heute hast du deinen Vater beschämt.“ Sie errötete. „Aber Vater, sei nicht so streng zu dir. Du bist so weise. Ich werde niemals so…“ Bevor sie den Satz vollenden konnte legte ihr Menethus den Zeigefinger auf die Lippen. „Ich will dich nicht verlieren. Dich nicht auch noch.“ flüsterte er ihr ins Ohr. Sie umarmten sich und weinten, doch die Tränen schienen Menethus wie Blut.

 

Es war Nacht und Naira stand am Fenster ihres Schlafzimmers. Der Mond stand hoch am wolkenlosen Himmel und die Sterne, einer heller als der andere leuchteten ihr entgegen. Sie konnte und wollte nicht schlafen. Die letzten drei Nächte hatte sie wieder Albträume gehabt. Sie wurden immer schlimmer und auch wenn sie es niemals zugeben würde zehrten sie an ihren Kräften. Und das vor der bevorstehenden Seeschlacht. Morgen bei Tagesanbruch musste sie mit ihrem Heer in Clar Karond, dem Hafen Naggaroths, sein. Von diesem Zimmer aus konnte sie die Türme der Stadt erkennen, die dunkel aus dem Nachthimmel aufragten, wie Speerspitzen aus reiner Finsternis. Und da waren Lichter, manche näher und manche weiter weg, die sich schon seit Stunden auf die Stadt zu bewegten. Es mussten tausende, nein zehntausende Krieger sein, die der Hexenkönig sammelte- ein beträchtlicher Anteil seiner Streitkräfte. Sie fragte sich, warum er für eine Seeschlacht so viele Truppen brauchte. Wie viele Schiffe hatte der Phönixkönig denn geschickt? Um einen solchen Aufwand zu rechtfertigen müsste es schon die ganze Flotte von Ulthuan sein.

Jetzt musste Naira doch ein Gähnen unterdrücken. Doch zum Schlafen war keine Zeit mehr, auch wenn sie in den letzten drei Tagen ebenfalls sehr wenig geschlafen hatte. Eintausend Mann und zwei Schiffe waren keine geringe Forderung, aber das Wissen um die Qualen, die sie erleiden würde, enttäuschte sie ihren Herrn, hatten sie angetrieben. Zufrieden löste sie den Blick vom Himmel und blickte in den Innenhof, den sie von diesem Fenster aus ganz überschauen konnte. Er war gefüllt mit Soldaten: Neunhundert Krieger mit Speeren, Schwertern und den zu recht gefürchteten Repetierarmbrüsten, dutzende Kundschafter und auch einige niedere Adlige, die schon für die Schlacht gerüstet auf ihren Kampfechsen saßen. Dazwischen noch die wehenden Banner der einzelnen Regimenter, das Blitzen von Metall. Im Hafen von Clar Karond erwarteten sie ihre zwei Schiffe und an die hundertfünfzig Korsaren, die für einen nicht geringen Preis in ihre Dienste getreten waren. Diese Armee war etwas, auf das sie mit Recht stolz sein konnte. Der einzige bittere Beigeschmack war, dass sie dafür sehr tief in ihre Schatztruhe greifen hatte müssen und fast jeden Gefallen, den ihr irgendjemand noch schuldete, aufgebraucht hatte. Doch sie war zuversichtlich, dass die Beute und nicht zuletzt die Befriedigung, ihre verhassten Brüder dahinzuschlachten, die Kosten und Mühen wert sein würden.

Noch einmal ließ Naira ihren Blick über die Armee schweifen, als plötzlich einer der adligen Echsenritter die Hand hob. Ob zum Gruß oder als Treueschwur konnte sie nicht sagen. Sie musste nicht erst auf das Banner blicken, das neben dem Ritter im Boden steckte, um zu wissen, wer er war, denn in seiner erhobenen Hand hielt er ein schwarzes Tuch mit Nairas Wappen. Dieser Ritter war ein Freigeist, der Sohn eines verarmten Adligen aus der Gegend, der seine Dienste für Geld anbot. Zwar wurde so etwas von den Meisten als unehrenhaft angesehen- was übrigens auch für sie selbst galt- aber in der Schlacht wollten die wenigsten, für die er schon einmal gekämpft hatte, auf sein Schwert verzichten. Und dass er kämpfen konnte, davon hatte sich Naira schon in der Vergangenheit überzeugen können. Er schlachtete seine Feinde mit solcher Wildheit und solchem Hass ab, dass er Khaine, dem blutbefleckten Gott, in seiner Gestalt als Todbringer, wahrlich Ehre machte. In letzter Zeit hatte er sehr oft für sie gekämpft. Allerdings überraschte sie ein wenig, dass er noch immer das Tuch hatte, das sie ihm bei ihrer letzten Begegnung als Zeichen ihrer Gunst gegeben hatte. Vielleicht sollte es tatsächlich nicht mehr lange dauern, bis er ihr endgültig die Treue schwören würde.

Schließlich wandte Naira ihren Blick ab und wandte sich zur Tür. Es war schon spät und es war nun wirklich an der Zeit, dass auch sie ihre Rüstung und Waffen anlegte und sich mit ihrer Armee nach Clar Karond machte, wollte sie nicht zu spät kommen. Nach einigen Abzweigungen kam sie in den Schrein ihres Hauses, wo schon zwei Knappen bereitstanden, um ihr die Rüstung anzulegen. Der Raum war durch ein halbes dutzend Kerzen nur spärlich beleuchtet und aus mehreren Räucherschalen stieg dichter Rauch auf. Vor ihr war ein kleiner Schrein zu Ehren Khaines, davor lagen die Teile ihrer Rüstung ausgebreitet. Sie streifte ihr dünnes Nachtgewand ab, während ihr die Knappen Bein- und Oberarmschienen anlegten. Goldene Ornamente waren darin wie auch in die anderen Teile ihrer Rüstung eingearbeitet. Anfangs kamen ihr die Rüstungsteile etwas schwer vor, doch sie würde sich schon bald wieder an das Gewicht gewöhnen. Dann nahm einer der Knappen eine Schale mit Blut, der andere tauchte seinen Finger darin ein und zeichnete damit auf Nairas Brust das heilige Symbol des Blutgottes. Für dieses mächtige Schutzsymbol hatte sie sogar das Leben eines Elfen geopfert, nicht das eines Sklaven. Sie fragte sich, was Malekith davon halten würde, wie sie seinen ehemaligen Boten verwendet hatte. Die Flüssigkeit, die zuvor dem Blutgott geweiht worden war, fühlte sich kalt und prickelnd auf ihrer Haut an. Es fröstelte sie und sie zuckte vor Schreck ein wenig zusammen, so dass sie ihr Knappe ermahnte: „Bleibt bitte ruhig, My Lady, das Symbol muss genau gezeichnet werden.“ Sie nickte nur und schalt sich in Gedanken für diese Reaktion eine Närrin.

Als nächstes kam ihr Khaitan, ein reich verziertes Kleidungsstück, das ihren Rang als Adlige der Öffentlichkeit zeigte, dann ein Wams, das an den Armen und Beinen in ein Kettenhemd auslief und schließlich wurden ihr noch Brust- und Rückenpanzer angelegt, die auch reich verziert waren. Daran befestigten die Knappen ihre Schulterpanzer, danach wurden ihr Handschuhe und Unterarmschienen angelegt. Naira bewegte die Finger. Die gepanzerten Handschuhe passten noch immer wie angegossen. Langsam begann sie sich wieder in ihrer Rüstung wohl zu fühlen, als die Knappen damit begannen, ihr den Helm, der aus mehreren Teilen bestand, aufzusetzen. Als einer von ihnen beim Einhängen des Visiers abrutschte und sich der Metallring in Nairas Haaren verfing packte sie ihn und warnte ihn, nicht noch einmal einen solchen Fehler zu machen, wenn ihm sein Leben lieb war, während der andere mit Mühe den Ring wieder freibekam, ohne eine Haarsträhne seiner Herrin auszureißen, und das Werk seines unglückseligen Kameraden vollendete. Naira konnte es sich nicht leisten, dass durch Unachtsamkeit das ohnehin lange dauernde Ritual noch verzögert wurde.

Schließlich legten ihr die Knappen den Waffengürtel mit ihren beiden Schwertern an. Diesmal tat es gut, das Gewicht der Waffen zu spüren. Außerdem wurden einige goldene Widerhaken am Gürtel befestigt, um abermals ihren Stand zur Schau zu stellen. Am Ende ließ sich Naira noch zwei Dolche geben, bevor sie den Raum verließ und sich zu ihrer Armee begab, um sich in den unendlichen Strom der kleinen Lichter einzureihen, die auf Clar Karond zumarschierten, um dem Hexenkönig ihre Treue zu beweisen.

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Kapitel 3

 

Malekith stand am höchsten Turm Clar Karonds und betrachtete den Aufmarsch seiner Armeen. Der Morgen graute. Es waren schon zehntausende Krieger eingetroffen und innerhalb der nächsten Stunde würden noch weitere zehntausend eintreffen. Der Hexenkönig blickte zufrieden auf die tausenden Standarten, wissend dass man auf beinahe jeder einen Treueschwur gegen ihn lesen konnte. Zehntausende Speere, Schwerter, Schilde und Rüstungen reflektierten das Licht der aufgehenden Sonne und tauchten die Stadt in ein gleißendes Weiß. Malekith war alt, uralt, doch selbst er hatte nur ein paar Mal in seinem Leben eine solche Armee gesehen. Wie konnte der Phönixkönig glauben, seine lächerlichen Kohorten könnten der Macht seines Volkes trotzen? Mit dieser Armee würde Malekith den Verräter vom Thron seines Vaters stoßen und seinen rechtmäßigen Platz als Herrscher aller Elfen einnehmen.

Dann löste er den Blick von seinen Kriegern und sah auf seine Flotte hinab. In der gigantischen Bucht ankerten beinahe sechshundert Kriegsschiffe und noch immer liefen Schiffe aus fernen Ländern ein, deren Kommandanten er in Visionen erschienen war und sie zurückbeordert hatte, um sie gegen die Armada des Verräters zu werfen. Fünf Schiffe ragten aus der gewaltigen Menge von Masten heraus. Es waren die schwarzen Archen, gewaltige schwimmende Festungen, die den Großteil der Truppen befördern würden. Malekith betrachtete die Verteidigungsanlagen, um sich die Zeit zu vertreiben, bis die letzten Truppen eingetroffen waren und er endlich mit seiner Ansprache beginnen konnte. Hunderte der gefürchteten Repetierspeerschleudern waren auf den Türmen jeder Arche aufgestellt, die hoch hinauf ragten. Zwischen ihnen waren gewaltige Segel gesponnen- die meisten weltlicher Machart. Doch es gab auch noch andere: Magische Segel, die die Winder der Magie selbst einfingen und den gewaltigen schwimmenden Trutzburgen eine Manövrierfähigkeit und Geschwindigkeit erlaubten, die weit über alles Natürliche hinausging. Vereinzelt kreisten geflügelte Monster um die höchsten Türme der Archen, die aus den tief unter Wasser liegenden Decks der gewaltigen Schiffe aufgestiegen waren und teilweise von Bestienmeistern- den Druchii, deren Aufgabe es war, solche Kreaturen einzufangen und zu zähmen – geritten wurden. Und sie waren bei weitem nicht alles, was in den unteren Bereichen der Archen lebte… Auf den oberen Decks - den Aufmarschplätzen und Wehrgängen, die noch die der ursprünglichen Festungen waren, die vor so langer Zeit durch Zauberei aus dem Boden gerissen worden waren und ihren Weg über das Meer nach Naggaroth gefunden hatten- tummelten sich winzige Gestalten, um das Kriegsgerät noch ein letztes Mal auf seine Funktionstüchtigkeit zu überprüfen. Malekith lächelte. Bald würden es zehntausend sein und die Geschütze würden nicht mehr gewartet sondern benützt werden. Der Hexenkönig war sich seines Sieges gewiss, doch wollte er nicht, dass auch nur ein Schiff der Hochelfen entkommen und die Verräter auf Ulthuan warnen konnte. Als er gerade über dieses Problem nachdachte spürte er, wie sich eine gepanzerte Hand auf seine Schulter legte und eine raue Stimme leise flüsterte: „Herr, die letzten Regimenter sind nun eingetroffen.“ Diese Stimme gehörte Furion von Clar Karond, dem Herrn dieser Stadt und einem von Malekiths ältesten und loyalsten Generälen. Er hatte während der Spaltung schon unter seinem Befehl gestanden. Damals hatte der Hexenkönig das Potential dieses Elfen erkannt und ihm eine verantwortungsvolle Position eingeräumt. Nach dem Fall Nagarythes war es eine leichte Entscheidung gewesen, ihm die Herrschaft über Clar Karond zu übertragen. Tatsächlich hatte Malekith niemals diese Entscheidung bereut. Ohne sich umzudrehen nickte er nur knapp und hob die Hände. Abrupt brach der Lärm auf den Straßen ab und zehntausende Köpfe hoben sich erwartungsvoll, um die Ansprache ihres Herrn und Meisters zu hören.

„Krieger Naggaroths! Hört die Worte Malekiths, Eures Königs! Heute habe ich Euch hierher zusammengerufen, um mein Volk für eine große Sache zu einen. Ich rief die Bestienmeister Karond Kars, die Henker Har Ganeths, die Ritter Hag Graefs, die Legionen Naggaronds, die Maiden Ghronds und die Flotten Karond Kars. Und sehet, sie kamen um ihrem König die Treue zu halten.“ Begann er mit lauter, herrischer Stimme. Daraufhin brach großer Jubel aus und Treueschwüre und Lobeshymnen drangen an das Ohr des Hexenkönigs, bis er erneut die Hände hob und der Lärm verstummte.

„Hierher habe ich sie gerufen und hier empfangen alle Armeen des heiligen Volkes der Druchii ihre Befehle. Der falsche Geck auf Ulthuans Thron maßte es sich an, eine Flotte gegen Naggaroth zu senden. In ihrer Verblendung sehen unsere fehlgeleiteten Brüder ihr Unrecht nicht ein und maßen sich an, einen Angriff auf unsere Städte und Festungen zu wagen. In ihrer unendlichen Arroganz sehen sie nicht die wahre Stärke unseres Volkes. Ich habe entschieden, den Verrätern aus Ulthuan eine Lektion zu erteilen, die sie niemals vergessen werden. Unsere glorreiche Flotte wird ihre Schiffe abfangen und zerschmettern. Im kalten Eismeer werden wir die Seestreitkräfte Ulthuans vernichten. Keine Gefangenen! Wir werden nach der alten Tradition der wahren Kinder des Khaine dem blutbefleckten Gott im Kampf opfern. Das Schlachtfeld wird sein Tempel sein und zu seinen Ehren werden wir das Meer selbst blutrot färben!“ Wieder musste Malekith eine Pause machen, als erneut lauter Beifall ausbrach. Ein drittes Mal hob der Hexenkönig die Arme und ein drittes Mal verstummten zehntausend Münder in demselben Atemzug.

„Und das ist für die Jungen unter euch, die die Boshaftigkeit unserer Feinde noch nicht in vollem Ausmaß gesehen haben. Wisset, dass die, gegen die ihr zieht, durch und durch schlecht und durchtrieben sind. Auch wenn sie aussehen wie Elfen sind sie doch nichts weiter als ein schwacher und dekadenter Abglanz unseres glorreichen Volks. Sie verdienen den Namen Elf nicht mehr sondern nur noch den Tod. Sie sind nichts als feige Verräter, die mich nicht als ihren wahren König und Euch, meine Söhne und Töchter, nicht als ihresgleichen anerkennen, obwohl wir doch so viel besser sind als sie.

Schon einmal war unser Volk an die Gestade Ulthuans zurückgekehrt, um die Heimat unserer Vorväter wieder in Besitz zu nehmen. Das Land erblühte wieder und viele fehlgeleitete Brüder und Schwestern erkannten ihr Unrecht und kehrten reumütig in die Arme ihres rechtmäßigen Herrschers und ihres rechtmäßigen Volkes zurück. Doch noch immer lehnten sich die Gecken des Verräters auf dem Phönixthron gegen mich auf und belagerten die Stadt Tor Anlec. Sie ließen nicht einmal über unsere Kinder Gnade walten und schlachteten alle Bewohner ab. Dies traf mich und alle anderen Dunkelelfen tief ins Herz und wir schworen bittere Rache.

Nach Anlecs Fall forderten einige kurzsichtige Narren Vergeltung, doch Euer König wusste, dass die Zeit noch nicht reif war. Ich vergaß nicht, sondern nährte meinen Hass und vervollkommnte über die Jahrhunderte meine Pläne. Nun ist es an der Zeit, die lange verdiente Rache zu nehmen! So denkt an Anlec, wenn ihr die Schergen des falschen Königs dahinmetzelt und nehmt bittere Rache für die, die sich nicht wehren konnten. Und nun geht, meine Krieger, geht und bemannt Eure Schiffe, denn heute ziehen wir in den Krieg!“

Als der Hexenkönig geendet hatte erhob sich tosender Beifall. Die Schäfte zehntausender Speere und die Klingen zehntausender Schwerter schlugen gegen das Holz zehtausender Schilde. Bald stellte sich ein Rhythmus ein und wie mit einer Stimme rief die gewaltige Armee immer wieder denselben Namen: „Malekith, Malekith, Malekith“

Als die Jubelrufe schließlich verstummt waren und die Regimenter Richtung Hafen marschierten um ihre Schiffe zu bemannen, drehte sich der Hexenkönig zu Furion um. Er war der einzige, der noch auf dem Turm stand. Der Herr Clar Karonds war ein großer, schlanker Elf und in eine schwarze Rüstung mit goldenen Verzierungen gehüllt, die ihn auf dem Schlachtfeld unverkennbar machte. Seinen Helm hatte er abgenommen und so konnte Malekith direkt in sein Gesicht sehen. Es war von Narben zerfurcht, die Nase war mehrmals gebrochen worden und die Spitze eines der Ohren fehlte. Die Züge des Elfen waren hart wie Stein, nur sein langes, rabenschwarzes Haar flatterte im Wind. In Furions Augen erkannte Malekith Hass und gleichzeitig Bewunderung. Doch der Hass überwog. „Sag mir Furion, wie viele Krieger hat mir deine Stadt gestellt?“

„Dreizehntausend, Herr. Nur die Truppen Naggaronds, Eurer eigenen Stadt sind zahlreicher.“ Es war unmöglich, irgendeine Gefühlsregung zu erkennen. Lediglich einen Hauch von Stolz konnte der Hexenkönig heraushören.

„Gut. Und wie viele sind es, wenn du die Truppen der örtlichen Adligen mitrechnest?“

„Neunzehntausend. Vielleicht etwas mehr.“

„Sind sie dir ergeben?“

„Jeder einzelne würde ohne zu zögern für mich sterben.“ Diesmal war der Stolz in Furions Stimme unverkennbar. „Wie auch für Euch.“ Fügte er rasch hinzu und brachte das Kunststück irgendwie fertig, den Satz dennoch wie aus einem Guss erscheinen zu lassen.

„Sehr gut. Ich unterstelle dir noch fünfhundert Krieger meiner schwarzen Garde. Neben deiner eigenen hast du noch Befehlsgewalt über die schwarze Arche „Fluch der Meere“, die ich aus Naggarond mitgebracht habe. Damit und mit einer Begleitflotte deines eigenen Ermessens sollst du durch die Höhlen fahren, während ich mit dem Rest der Flotte den offenen Seeweg nehme. Du wirst an der Ödküste das offene Meer erreichen und nach Norden segeln.“

„Und den Verrätern somit in den Rücken fallen. Ein genialer Plan, mein König. Unser Sieg wird wahrlich überragend sein.“ Warf Furion ohne jede Gefühlsregung ein.

„Ja genau. Doch greife nicht sofort an. Mein Teil der Flotte ist groß genug, um den Widerstand der Verräter zu brechen. Erst wenn sie ihre Schiffe wenden und versuchen zu fliehen darfst du angreifen. Achte darauf, dass deine eigenen Schiffe einen weiten Bereich abdecken. Du darfst auf keinen Fall ein Schiff entkommen lassen, denn dies würde unsere Pläne gefährden. Die Eroberung Ulthuans wird wesentlich einfacher sein, wenn wir das Überraschungsmoment haben.“ Furion antwortete: „Wie Ihr befehlt, mein Herr. Ich werde euch nicht enttäuschen.“ Dann verbeugte er sich, wandte sich um und ging. Malekith hatte es nicht so eilig. Er blieb noch lange an der Brüstung des Turms stehen und beobachtete seine Armee. Sein Sieg war gewiss.

 

Es hatte bis Mittag gedauert, bis der größte Teil der Truppen auf die Schiffe verladen war. Nairas Armee war an Bord der Schwarzen Arche des Furion von Clar Karond gegangen, während sie und einige Krieger, die sie als ihre persönliche Leibwache eingeteilt hatte, an Bord des größeren ihrer beiden Schlachtschiffe standen. Der Ritter, der ihr am Vorabend aufgefallen war, befand sich ebenfalls an Bord. Wahrscheinlich würden es seine Fähigkeiten mehr als nur rechtfertigen, ihm das Kommando über das zweite Schiff zu übertragen. Doch sie traute ihm noch nicht so ganz. Auch wenn er auf ihrer Seite kämpfte und wahrscheinlich sogar für sie sterben würde hatte er ihr dennoch noch nicht die Treue geschworen. Sie konnte niemandem eine verantwortungsvolle Position geben, dem sie nicht vollkommen -und vor allem auf lange Sicht- trauen konnte. So hatte ein niederer Adliger, der ihr schon einige Jahrhunderte lang diente, die Befehlsgewalt über das zweite Schiff.

Naira sah zu dem wankelmütigen Ritter hinüber. Er beobachtete die Korsaren, wie sie emsig die Bordgeschütze überprüften, Leinen festmachten und losbanden oder einfach nur quer über das Deck liefen- dennoch schien alles genau geplant und jeder seine Rolle zu kennen. Als ob er ihren Blick gespürt hätte, drehte sich der Adlige herum und ging auf sie zu. Während sie ihren Helm abgenommen hatte war er noch voll gerüstet, so wie er vorige Nacht aufgebrochen war. Ihr fiel auf, dass sie noch niemals sein Gesicht gesehen hatte, obwohl er schon oft auf ihrer Seite gekämpft hatte. „Die Korsaren arbeiten gut und schnell. Sie scheinen ihr Handwerk meisterlich zu beherrschen. Der Kapitän sagt, wir können in einer halben Stunde auslaufen.“ Begann er das Gespräch.

„Sehr gut. Doch sagt, warum tragt Ihr bei dieser Hitze noch Euren Helm. Oder verbergt Ihr Euer Gesicht absichtlich vor Eurer Herrin?“ Mit diesen Worten blickte Naira demonstrativ zur Sonne, die nun im Zenit stand.

„Es gibt nicht viele, die mein Gesicht sehen wollen. Außerdem seid ihr nicht meine Herrin. Nicht für immer.“ Mit diesen Worten zog er aus seinem Gürtel das schwarze Tuch, das er schon am Vorabend in der Hand gehalten hatte und fügte hinzu: „Noch nicht“.

„Normalerweise stelle ich diejenigen, die in meine Dienste treten wollen, auf eine Probe. Doch sagt, mir, Ritter ohne Gesicht und ohne Namen, welcher Prüfung sollte ich Euch unterziehen? Euer Arm ist stark, Euer Mut groß und Eure Treue will ich nicht anzweifeln. Deshalb soll es genügen, dass Ihr mir Euer Gesicht und euren Namen offenbart, wollt Ihr mir fortan dienen, bis zu Eurem oder meinem Tode.“

Nach einer kurzen Stille setzte der Ritter seinen Helm ab. Er hatte mittellanges, schwarzes Haar und schöne, jugendliche Züge. Er hätte auch tatsächlich als schön gelten können, selbst für einen Elfen, wären nicht zwei große parallel verlaufende Narben gewesen, die sich von seinem rechten Ohr bis zum Hals quer durch das Gesicht zogen. Eines der Augen war blind. Der Ritter ließ einige Augenblicke verstreichen, um den Eindruck wirken zu lassen, bevor er sprach: „Wisst Ihr, wer mir das angetan hat?“

Naira schüttelte den Kopf.

„Es waren nicht unsere verhassten Feinde. Nein, viel schlimmer: Mein eigener Bruder war es! Er tötete unseren Vater um an dessen Besitz zu kommen und mit mir hätte er dasselbe getan, wäre ihm nicht mein Schwert dazwischen gekommen.“

„Dazwischen?“

„Damit meine ich zwischen seinen Kopf und den Rest seines Körpers.“ Ein flüchtiges Lächeln huschte über den Mund des Ritters, doch es verging so schnell wie es gekommen war und er sprach in dem gleichen hasserfüllten und gleichzeitig traurigen Ton weiter, mit dem er begonnen hatte. „Doch mit seinem Tod verging der Hass nicht. Er wurde stärker und immer stärker. Ich schwor niemandem die Treue, weil ich jeden hasste und es mir nichts ausmachte, gegen jeden zu kämpfen. Nur das Schlachtfeld und das Gefühl wie kalter Stahl durch die Körper meiner Feinde dringt können mir Frieden geben. Zumindest dachte ich das bis ich zum ersten Mal für Euch kämpfte. Ich sah zu, wie Ihr kämpftet und Ihr kämpftet gut. Die Schlacht war mir egal und ich tötete jeden, der mir die Sicht zu Euch versperrte. Seither war ich Euch verfallen. Heute, bevor die große Schlacht beginnt, will ich Euch die Treue schwören.“ Der Ritter kniete nieder und senkte seinen Kopf, bevor er nur noch einen Satz flüsterte: „Mein Name ist Tarash.“

 

Menethus stand alleine in einer kleinen runden Kammer, die fünf Meter im Durchmesser maß. Der Raum war mit seltsamen Ornamenten geschmückt und bis auf einen kleinen hölzernen Schrank, der an einer Mauer stand, und einen mannsgroßen, runden Spiegel leer. Der Elf war mit einer prachtvollen weißen Robe mit goldenen und silbernen Stickereien bekleidet und stand in der genauen Mitte des Raumes im Zentrum eines mit schwarzen Linien gezeichneten Pentagramms, das einen deutlichen Kontrast zu dem weißen Marmor des Fußbodens bildete. An jeder der fünf Ecken brannte eine weiße Kerze.

Menethus begann. Der Elf stimmte einen monotonen Singsang an, zu dem er die Arme bewegte und der immer intensiver wurde. Bis auf die Armbewegungen blieb er aber vollkommen ruhig stehen und starrte auf die Oberfläche des Spiegels, der jedoch schon vor langer Zeit blind geworden war. Nach einiger Zeit begann Menethus zu schwanken, vor seinen Augen drehte sich alles und sämtliche Muskeln in seinem Körper schienen sich zu kontrahieren. Diesem Teil hatte er noch niemals etwas abgewinnen können, doch war es für das Ritual notwendig, eine tiefe Trance- ja beinahe Besessenheit zu erreichen. Und mit einem Mal strömte die gesammelte Energie aus dem Körper des Elfen, vereinigte sich zu einem hellen Energiestrahl und fuhr in den Spiegel ein. Auf der gläsernen Oberfläche bildete sich eine Art Tunnel und plötzlich waren die Umrisse eines Mannes zu erkennen, aus denen sich allmählich die Gestalt eines Elfen schälte, der auf die gleiche Weise gekleidet war wie Menethus. Er hielt einen Stab in der rechten und hatte dem Spiegel den Rücken zugedreht. Schließlich drehte sich der Elf herum und ging etwas nach vor, so dass Menethus sein Gesicht erkennen konnte.

„Ich grüße Euch, mein Schüler.“ Begann der Elf im Spiegel.

„Und Euer Schüler grüßt seinen Meister.“ Erwiderte Menethus den Gruß trocken. Nach einigen Sekunden Pause fuhr er fort: „Ich nehme an, dass Ihr wisst, warum ich Euch kontaktie…“

„Störe ist wohl eher der richtige Ausdruck. Und ja, ich weiß sehr wohl, warum.“ Unterbrach ihn der Magier barsch.

„Dann habt Ihr also von dieser… Expedition… gewusst.“ Schnaubte Menethus verächtlich und fügte hinzu: „Und nichts dagegen unternommen.“

„Genauso wie Ihr.“

„Das stimmt nicht. Ich habe wenigstens versucht, dieser Narretei Einhalt zu gebieten, während Ihr in eurem Turm in Saphery sitzt und ganz ruhig dem schlimmsten militärischen Debakel seit der großen Invasion entgegenseht. Meint Ihr nicht, dass so etwas es doch wert ist, dass sich zumindest einer der großen Magier des weißen Turms damit beschäftigt?“

„Und wer, mein temperamentvoller Schüler, sagt Euch, dass dies nicht bereits geschehen ist?“ gab der andere Elf spitz zurück.

„Nun, hätte jemand in Saphery diese Expedition verhindern wollen, wäre sie auch verhindert worden. Ich habe eure Macht nicht vergessen.“ Nach einer kurzen Pause fügte Menethus noch hinzu: „Außerdem kann ich in Eurer Aura ein bisschen Unehrlichkeit sehen, Meister“

Diesmal lächelte der andere bevor er antwortete: „Wahrlich gut, mein Schüler. Ihr habt wohl doch nicht alles verlernt, was ich Euch damals gelehrt habe. Nun gut, es stimmt, niemand hat etwas dagegen unternommen.“

„Und warum nicht?“

„Eine Anweisung von den Obersten des Ordens. Auch ich muss mich an Befehle halten, zwar nur sehr eingeschränkt, aber doch.“

„Genau das ist das Problem. Diese ewige Ja- Sagerei beschwört ein großes Unheil herauf!“

„Was macht Euch so sicher? Ich habe selbst die Pläne der Expedition studiert. Sie basiert auf dem Überraschungsmoment. Unter diesen Umständen ist ein Sieg unserer Flotte sogar sehr wahrscheinlich. Unsere Schiffe werden weg sein, bevor sich ernsthafter Widerstand formiert hat. “

„Bitte belügt mich nicht. Selbst ich hatte Visionen von großem Unheil, das von Westen heraufzieht. Einer ganzen Flotte. Hunderten Schiffen, die sich in einem riesigen Hafen sammeln. Unendlich lange Reihen von Kriegern, ein ganzer Wald von Speeren, der an Bord gewaltiger schwarzer Archen geht.“ Bei diesen Worten wurde der Elf im Spiegel plötzlich blass.

„Was ist, Meister? Ist Euch nicht gut?“ fragte Menethus besorgt.

„Das… das ist nicht möglich. Nein, das kann nicht sein. Bitte ihr Götter, gebt dass das nicht wahr ist!“ stammelte der Elf. Er hatte sich aber schon nach einigen Atemzügen soweit gefasst, wieder normal weiter sprechen zu können: „Menethus, vor einigen Tagen kamen zwei junge Adepten zu mir. Sie erzählten mir von den gleichen Visionen wie Ihr jetzt. Doch weder ich noch irgendein anderer Lehrmeister hatte solche Visionen und so taten wir es als Geschwätz und Irrtum ab.“

„Aber wie ist das möglich?“ fragte der Elf nun sichtlich verwirrt.

„Der Hexenkönig verfügt über mächtige Zauberinnen. Ich vermute, dass sie auf seinen Befehl hin die Wahrnehmungen der Magier Ulthuans gestört haben, um irgendetwas vor uns zu verbergen. Dabei haben sie wohl einige niedere Magier oder Elfen, die sich - wie du- nur nebenbei mit den arkanen Künsten beschäftigen, übersehen.“ Vermutete der Elfenzauberer.

„Moment. Für so etwas muss eine gewaltige Menge magischer Energie verwendet werden. Es müsste schon etwas sehr wichtiges sein, das Malekith geheim halten will, wenn er sich so einen Aufwand antut.“

„So wichtig wie das Sammeln einer Flotte, die der unsrigen ebenbürtig oder sogar überlegen ist.“ Stellte der andere Elf mit deutlichem Entsetzen fest.

„Aber das würde dann bedeuten-“

„- dass er von unserer Expedition weiß! Und ich Narr habe das zugelassen!“

„Es kommt noch schlimmer.“ Warf Menethus ein. „Wenn er erst einmal unsere Flotte vernichtet hat, liegt Ulthuan schutzlos vor ihm da! Das bedeutet eine zweite Invasion!“

Der Magier wurde noch blasser und stammelte: „Das ist unmöglich… was… haben wir getan?“

„Ich weiß, es ist schwierig, doch noch ist nichts verloren. Ich…“ Menethus’ Konzentration wurde durch die Geräusche von Reiterstiefeln auf Marmor abgelenkt.

„Das ist meine Tochter! Sie ist früher von ihrem Jagdausflug zurück, als ich gedacht hatte. Jenara weiß nichts von meiner Zeit in Saphery und ich will auch nicht, dass sie es erfährt.“ Menethus’ früherer Meister nickte nur knapp: „Was ist zu tun?“

„Bringt Bewegung in den Orden. Weiht nur die ein, denen Ihr vertrauen könnt. Schickt Boten zu allen Euren Verbündeten. Sie sollen ihre Truppen rüsten. Gebt die Gründe nur an, wenn es unbedingt sein muss. Ich werde dasselbe tun. Ich werde Euch zu gegebener Zeit noch einmal kontaktieren.“

„Und der König?“ Die Schritte wurden lauter.

„Kein Wort. Er darf nichts erfahren.“

„Das könnte man als Hochverrat auslegen.“

„Wir haben keine andere Wahl. Viel Glück.“ Mit diesen Worten drehte sich Menethus hektisch herum. Mit einem flüchtigen Wink seiner Hand ließ er das Bild im Spiegel verschwinden und stürmte aus dem Raum.

 

Arion blieb noch lange vor der matten, glanzlosen und nun leeren Fläche des Spiegels stehen. Wie hatte sich ein Lehrmeister von Hoeth nur so lange blenden lassen können? Jetzt musste er handeln. Wenn tatsächlich eine oder sogar mehrere Magierinnen des Hexenkönigs seine Schritte überwachten, war alles, was er tat gefährlich. Doch es gab Wege, die wahren Gedanken vor Fremden zu verbergen. Er würde seinen Schülern befehlen, so intensiv um Visionen zu beten, wie möglich. Das würde die Konzentration der feindlichen Magier so weit ablenken, dass er etwas Spielraum bekommen würde.

Der Hexenkönig trachtete sicher danach, seine Bemühungen geheim zu halten. Doch in den geheimen Höhlen Naggaroths lauerten auch Gefahren - Gefahren, die die Flotten des Falschen Königs aufhalten könnten. Der Lehrmeister sprach einige uralte Worte der Macht, die die Luft zum Knistern brachten. Der Spiegel verschwamm und es bildete sich erneut ein Bild. Nun lächelte Arion. Einige dieser Gefahren war er zu wecken im Stande…

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Kapitel 4

 

Das Licht tausender Fackeln erhellte die Dunkelheit in den düsteren Tunnels des Unterweltmeeres. Die Flotte war aufgeteilt worden. Nairas Schiff gehörte zu den etwa zweihundertfünfzig, die zusammen mit zwei schwarzen Archen im Verborgenen nach Osten segelten, um ihren Feinden den Rückzug abzuschneiden. Sie wäre lieber mit dem Hauptverband gesegelt. Nicht nur, weil so die Chance auf einen guten Kampf höher wäre, sondern auch weil die unterirdischen Höhlen, die sich unter der Oberfläche ganz Naggaroths entlang zogen, nicht gerade für ihre Sicherheit bekannt waren. Sie hatte schon viele Berichte über Schiffe gelesen, die bis heute in diesem gigantischen System von unterirdischen Wasserstraßen und Kavernen verschollen waren. Der Umstand, dass ihr Schiff das Schlusslicht in der langen Kette der Kriegsschiffe bildete, machte sie nicht unbedingt glücklicher. Doch vermutlich machte sie sich einfach zu viele Sorgen. Es war nun schon drei Tage her, dass sie in das Tunnelsystem eingedrungen waren und es hatte niemals irgendwelche Zwischenfälle gegeben. Hoffentlich würde das für den Rest der Reise so bleiben.

„Es ist ruhig. Viel zu ruhig.“ Die Stimme gehörte Tarash, der unbemerkt an Naira herangetreten war. Er trug wieder seinen Helm. Seit seinem Treueschwur hatte sich der Echsenritter nicht sonderlich verändert. Zwar hatte er öfters ein Gespräch über Taktiken oder frühere Heldentaten beginnen wollen, doch hatte sie ihn immer abgeblockt. Er mochte ihr Vertrauen haben, doch ihre Freundschaft musste er sich erst verdienen. Ein ungeduldiger Seitenblick ließ Naira aus ihren Überlegungen aufschrecken und erinnerte sie daran, dass Tarash eine Reaktion von ihr erwartete.

„Nun, seien wir doch froh.“

„Froh sein?“ bemerkte der Ritter höhnisch. „Ihr kennt doch die Berichte, genauso wie ich und jeder andere auf diesem Schiff. Ich mag es nicht, zu warten, bis ich angegriffen werde. Ich greife lieber selbst an.“

„Ich würde mich nicht darauf verlassen, dass wir überhaupt angegriffen werden. Wir sind Teil einer großen Flotte. Außerdem habe ich die Tunnel auch schon einige Male alleine befahren und es ist bis auf einen kleinen Zwischenfall niemals etwas Aufregendes passiert.“

„Wir sind das Schlusslicht einer großen Flotte. Und auch ich kenne das Unterweltmeer. Normalerweise ist es hier nicht so still. Horcht.“ Mit diesen Worten legte er den gepanzerten Zeigefinger auf die Stelle des Helms, die seine Lippen verdeckte. Angestrengt lauschte Naira. Sie konnte die gedämpften Stimmen der Seeleute hören, das Geräusch der Ruder und des Wassers, das vom Schiff beiseite geschoben wurde und das Knarren von Planken. Doch abgesehen von den Geräuschen, die sie selbst verursachten war tatsächlich nichts zu hören. Naira erinnerte sich an die letzten Stunden zurück. Sie waren seit Beginn ihrer Reise von seltsamen platschenden Geräuschen und Blubbern unter der Wasseroberfläche begleitet worden. Manchmal hatten sie auch die Schreie irgendeines seltsamen Tieres gehört oder huschende Schatten an den Felswänden. Aber jetzt war nichts von alledem da.

„Ihr habt Recht.“ Flüsterte Naira. „Was hat das zu…“ Weiter kam sie nicht. Plötzlich fühlte sie, wie eine feuchte, glitschige Hand ihren Oberschenkel packte und sie mit einem Ruck zu Fall brachte. Hinter ihr hörte sie die gellenden Schreie ihrer Mannschaft, das Ziehen von Schwertern und das Spannen von Armbrüsten. Sie hatte keine Zeit sich umzusehen, denn über ihr tauchte eine echsenartige Gestalt auf. Sie war etwa menschengroß und hatte eine grüne, schleimige Haut, aus der vereinzelt Stacheln ragten. In der Hand hielt die Echse einen kurzen Speer, an dem noch Seetang klebte. Mit einem Zischen riss die Kreatur ihr mit hunderten kleinen Zähnchen bewährtes Maul auf und stürzte sich auf Naira, die Speerspitze auf ihren Hals gerichtet. Wahrscheinlich hätte der Speer das Kettenhemd durchdrungen und sie getötet, doch die Dunkelelfin war schneller. Sie zog das kürzere ihrer beiden Schwerter und machte damit in einer fließenden Bewegung einen nach oben gerichteten Halbkreis. Die Klinge schnitt mühelos durch die Kehle der Echse und hätte sie beinahe geköpft. Neben Naira schlug der Körper des toten Feindes mit einer klatschenden Bewegung auf dem Boden auf. Die Adlige erhob sich und zog ihr zweites, längeres Schwert. Keinen Moment zu früh, denn sofort stürzte sich eine zweite Echse auf sie, die ein rostiges Schwert, das eindeutig dunkelelfischer Machart war, schwang. Durch die schiere Wucht des Angriffs stolperte Naira einen Schritt zurück und wäre beinahe ein zweites Mal gestürzt. Ihr Gegner ließ ihr keine Pause und führte einen hohen Hieb von rechts gegen sie. Die Dunkelelfin parierte und die Klinge des Gegners zerbrach, während die ihre nicht einmal eine Scharte bekommen hatte. Mit offenen Augen starrte die Echse auf den Schwertstumpf. Eine Sekunde danach grub sich Nairas Schwert in ihre Brust. Dunkles Blut spritzte auf die Rüstung der Adligen, als sie ihre widerhakenbewehrte Waffe aus dem zu Boden sinkenden Körper herausriss. Zum ersten Mal seit dem Überraschungsangriff hatte sie Gelegenheit, sich umzublicken. Es sah nicht gut aus. Viele Korsaren lagen erschlagen auf dem Boden und sie konnte die Schreie von ein oder zwei Dunkelelfen hören, die in Netzten gefangen von mehreren Echsen ins Wasser geschleift wurden. Und noch immer kletterten mehr von den Kreaturen an Bord. Die Überlebenden waren gerade dabei, sich auf der Brücke zu verschanzen. Tarash drosch wie ein Verrückter auf die Angreifer ein, doch auch er zog sich immer weiter zurück. Es sah wirklich verdammt schlecht aus. Naira musste unbedingt die Brücke erreichen, sonst wäre sie verloren.

Sie wollte sich gerade umdrehen, als sich gleich zwei Gegner, einer mit einem Speer, der andere mit einem Dreizack und einem Netz bewaffnet, auf sie stürzen. Dem mit dem Speer spaltete sie mühelos den Schädel. Der andere führte einen tiefen Hieb gegen Naira. Die Spitzen des Dreizacks schnitten in ihren Oberschenkel und sie fühlte, wie warmes Blut ihr Bein herab lief. Sie schrie laut auf, als er mit einem Ruck die Waffe aus ihrem Bein zog. Wütend führte sie einen Hieb gegen den Angreifer, den dieser mit seinem Netz blockte, so dass sich ihr Arm darin verfing. Als er daran zog, gab Nairas verwundetes Bein nach und sie ging in die Knie. Sie nutzte die Gelegenheit und trieb das Schwert, das ihr noch geblieben war, in den ungedeckten Bauch ihres Gegners. Blutend sank er zu Boden.

Mühsam rappelte sie sich hoch, als von hinten ein Netz über sie geworfen wurde. Es gelang ihr gerade noch, sich umzudrehen, bevor sie so eingeschnürt war, dass sie sich nicht mehr bewegen konnte. Gleich zwei Echsen zogen daran. Sie konnte sich nur mit Mühe dagegenstemmen. Gerade, als die Lage aussichtslos erschien wurde einer der beiden von einem Armbrustbolzen niedergestreckt. Naira nutzte den kurzen Augenblick, in dem die übrig gebliebene Echse verdutzt auf den toten Kameraden blickte und warf sich mit ihrem ganzen Körper auf den Gegner. Gleichzeitig zog sie mit ihrer rechten Hand einen ihrer Dolche aus dem Gürtel, was ihr die Enge des Netzes gerade noch gestattete. Die Spitze der Waffe durchbohrte den Bauch des Gegners.

Schließlich gelang es Naira, sich aus den Netzen zu befreien und sich zu erheben. Als sie sich umsah hatte sich die Lage erneut geändert. Nun hatten sich alle überlebenden Korsaren unter Tarashs Führung auf der Brücke gesammelt und ließen Bolzen aus ihren Repetierarmbrüsten und Speerschleudern auf die Angreifer regnen, wobei er das Feuer auf den Bereich konzentrierte, in dem sie sich befand. Das Schiff, das vor ihnen gefahren war hatte gewendet und mit Enterhaken stürmten die ersten verbündeten Krieger das Deck. Mit neuem Mut zog Naira ihren zweiten Dolch, da sie ihre Schwerter in dem Getümmel verloren hatte.

Noch leisteten die Echsen verbissen Widerstand, doch immerhin waren sie nun so beschäftigt, dass die Dunkelelfin zum ersten Mal in dieser Schlacht die Initiative ergreifen konnte und einen Gegner, der einen Speer hielt, angriff. Sie wich einem Stich aus und dann war sie direkt vor ihm, außerhalb seines Angriffsradius und schnitt ihm die Kehle durch. Sie wollte sich gerade auf einen weiteren Gegner werfen, als er gleich von mehreren widerhakenbewehrten Bolzen durchbohrt wurde. Mit einem raschen Blick über die Schulter erkannte Naira, dass die verbündeten Krieger die Echsen, die nun keine Verstärkung erhielten, immer weiter zurückdrängten. Vor ihr fielen immer mehr Gegner den Bolzen ihrer Besatzung zum Opfer aber noch immer wollten die Fischwesen ihre Niederlage nicht einsehen. Da hörte Naira vor sich eine zischende Stimme, die wütende Worte in einer unbekannten Sprache ausstieß. Sie bewegte sich auf diese Stimme zu. Eine Echse wollte sie von der Seite angreifen. Die Dunkelelfin parierte den Hieb mit ihrer stachelbewehrten Unterarmschiene, machte eine kurze Drehung und rammte dem Gegner mit ihrer Linken einen Dolch in die Brust.

Und dann stand sie vor ihm. Das musste der Anführer sein. Die gigantische Echse war fast um zwei Köpfe größer als Naira und Brust, Schultern und Gliedmaßen waren mit dunklen Chitinplatten gepanzert. Die Stacheln der Kreatur waren zahlreicher und länger als die der anderen. Waffen trug sie keine, doch auch so würde sie ein gefährlicher Gegner sein. Böse, rote Augen blinzelten die Dunkelelfin an und ein bösartiges Zischen kam aus dem Mund der Kreatur. Naira quittierte das mit einem wütenden Schnauben, bevor sie sich auf ihren Gegner warf. Sie führte gleichzeitig mit beiden Armen zwei hohe, seitliche Angriffe, die auf den empfindlichen Hals des Gegners abzielten. Mit den eigenen Armen blockte die Echse und stieß seine Kontrahentin von sich weg. Naira taumelte einige Schritte zurück. Der Anführer der Echsen setzte sofort nach und versuchte mit einem niedrig geführten Schlag die Deckung der Adligen zu umgehen. Sie hatte das voraus gesehen und so fing sich die Kreatur nur eine schmerzhafte Wunde am Handgelenk ein. Wütend schlug sie mit der anderen Hand gegen Nairas Kopf. Der Helm der Ritterin verhinderte eine Verwundung, doch der Hieb war so kräftig gewesen, dass sie durch die Wucht zu Boden gerissen wurde. Sofort drehte sie sich zur Seite und sprang auf. Damit entging sie einem verheerenden Tritt ihres Kontrahenten. Bei diesem Manöver machte ihr verletztes Bein erstmals wieder auf sich aufmerksam. Fast wäre Naira wieder in die Knie gegangen. Sie fühlte wie sie langsam die Kräfte verließen. Die vorigen Kämpfe hatten sie schon arg geschwächt, sie war verletzt und hatte nur noch ihre Dolche, mit denen sie sich verteidigen konnte. Unter solchen Umständen war der Anführer der Echsen eine ernstzunehmende Bedrohung. An Kraft war sie ihm klar unterlegen und auch sonst hatte sie sehr schlechte Karten. Naira musste ihren Gegner schnell erledigen. Wieder warf sich die Kreatur auf sie. Diesmal wich die ihm Dunkelelfin aus, duckte sich in der gleichen Bewegung und hieb mit aller Kraft gegen die Hinterseite seines Knies. Das zeigte Wirkung. Ihr Dolch drang tief in das Fleisch und blieb darin stecken. Der Koloss fiel mit einem verzweifelten Zischen. Das war ihre Gelegenheit. Die Echse wollte sich gerade aufrichten, als Naira ihr ihren letzten verbliebenen Dolch in den ungeschützten Nacken stieß. Mit einem seltsamen Geräusch knickten die Ellbogen des Gegners ein und der Leichnam klatsche auf die Planken des Schiffs. Erschöpft richtete sich Naira auf. Vor ihr standen noch beinahe zwei dutzend Echsen. Die letzten Angreifer. Einen Atemzug lang starrten sie sich mit hasserfüllten Blicken an. Und dann wichen sie zurück. Zuerst nur unwillig, bereit, sich plötzlich auf ihre Gegnerin zu stürzen, dann aber konnten sie gar nicht mehr schnell genug vom Schiff kommen, als einige weitere der Kreaturen von den Bolzen der Repetierarmbrüste fielen.

Naira drehte sich um und wurde Zeuge, wie ein Korsarenhauptmann die letzte Echse auf dem Schiff mit seiner widerhakenbewehrten Klinge durchbohrte. Es war überstanden. Das Deck war übersät mit Leichen. Viele gute Krieger waren gefallen, doch die Zahl der toten Feinde war fünfmal so hoch. Als sich Naira wieder umdrehte und erschöpft aber glücklich auf die Brücke zuging brach vor ihr der Jubel ihrer Mannschaft aus. Im Zentrum der Korsaren stand Tarash. Er hatte seinen Helm abgenommen und lächelte sie an. Diesmal erwiderte sie sein Lächeln. Ja, er hatte sich ihre Freundschaft und ihren Respekt wahrlich verdient.

 

Nachdenklich blickte Jenara durch das Fenster. Es hatte zu regnen begonnen. Ihre Hand fuhr durch die Locken ihres schwarzen Haares. Irgendwie passte das Wetter zu ihrer Stimmung und der ihres Vaters. Was war nur los mit ihm? In letzter Zeit benahm er sich so seltsam. Und alles hatte angefangen, nachdem er von seiner übereilten Reise an den königlichen Hof zurückgekehrt war. Fragen, wichtige Frage, die gestellt werden müssen. Das hatte er zu ihr gesagt, bevor er aufgebrochen war. Nach seiner Rückkehr war er irgendwie verändert gewesen. Menethus neigte zwar dazu, sich Sorgen zu machen, doch so hatte sie ihren Vater noch niemals gesehen. Sie hatte in den letzten Tagen oft über ihr Gespräch im Garten nachgedacht. Er war so traurig gewesen und sie hatte ihn nicht trösten können. Manchmal machte sie sich Vorwürfe. Es bereitete ihr selbst Schmerzen, den Elfen, der sich so liebevoll um sie kümmerte, Leiden zu sehen. Wenn sie nur wüsste, was los wäre.

Dann dachte sie an das, was vor einigen Tagen passiert war, als sie von ihrem Jagdausflug zurückgekommen war. Sie wäre beinahe mit ihrem Vater zusammengestoßen, als er eilig die verbotene Kammer verschloss und dann die Treppen herunterhasten wollte, um sie zu begrüßen. Die verbotene Kammer… Ein weiteres von Menethus’ Geheimnissen, das sie wohl niemals ergründen würde. Sie hatte ihn niemals hineingehen sehen und auch nur ein paar Mal herausgehen- immer wenn sie von irgendeinem Ausflug früher zurückkehrte. Was sich wohl darin verbergen mochte?

Jenara entschied dass es keinen Sinn machte, sich über solche Dinge den Kopf zu zerbrechen und wollte gerade zur Tür ihrer Kammer gehen, als es klopfte. Kurz darauf trat ihr Vater in Begleitung zweier Elfenritter in voller Rüstung ein. Ihre Visiere waren hochgeklappt, so dass sie die Gesichter von Menethus’ Begleitern erkennen konnte. Einen kannte sie. Es war Elarios, ein ellyrischer Ritter und guter Freund ihres Vaters. Sie hatte einmal einen Sommer bei ihm verbracht als Menethus im Auftrag des Königs ein Artefakt aus der alten Welt zurückbringen sollte. Damals hatte er ihr das Reiten und Bogenschießen beigebracht und sie waren oft gemeinsam auf die Jagd gegangen. Der andere war ihr unbekannt.

Sie sprang sofort auf und lief freudig auf die drei Elfen zu. Doch schon nach dem ersten Schritt blieb sie erstarrt stehen, als sie die ihre Mienen sah. Sie sahen aus, als würden sie Jenara zu ihrer Hinrichtung führen.

„Was ist los, Vater?“

„Es tut mir leid, Jenara.“ Auf einen Wink von Menethus’ Hand trat der unbekannte Ritter vor, packte die Elfin am Handgelenk und zerrte sie aus dem Raum.

„Was soll das? Bitte Vater, er tut mir weh! Vater! Bitte, Vater!“ rief Jenara mit Tränen in den Augen. Doch Menethus blickte ihr nur traurig nach.

 

Arion hastete wie ein Verrückter durch den Wald und sein Begleiter hatte Mühe, ihm zu folgen. Schließlich begann sich das Dickicht zu lichten und der Magier stolperte erschöpft auf eine Lichtung, kurz bevor auch der andere das dichte Unterholz verließ. In der Mitte stand ein mannshoher Stein, in den mystische Runen eingraviert waren, die in allen möglichen Farben leuchteten. „Das ist die Mitte des Waldes.“ Begann der Elfenzauberer.

„Das ist alles schön und gut, Hoher Lehrmeister Arion, doch ich bin nichts weiter als ein einfacher Krieger und werde diesen Ort sicher nicht so zu würdigen wissen, wie jemand, der sich mit den arkanen Künsten beschäftigt.“ Antwortete der andere.

„Das ist auch nicht notwendig, Erias. Ich habe Euch nur hierher geführt, damit wir uns ungestört unterhalten können.“

„Worüber?“ fragte Erias verwirrt.

„Darüber, ob Ihr und eure Männer mir helfen wollt.“ Auf dem Gesicht des anderen Elfen zeigte sich nun nicht nur Respekt, sondern auch etwas Ärger. Doch der Respekt überwog noch.

„Und deshalb habt Ihr mich hierher geschleppt? Ich bin ein Schwertmeister von Hoeth! Unser Orden hat Euch die Treue geschworen und ich und meine Männer werden alle Eure Befehle befolgen, das wisst Ihr ganz genau. Also, was ist der wahre Grund? Ist das wieder eine Prüfung? Oder ein Rätsel?“

„Nein, keine Prüfung. Oder vielleicht doch. Eine Prüfung des Schicksals, die uns allen auferlegt wird.“

Ärgerlich runzelte der Schwertmeister die Stirn. „Ihr sprecht schon wieder in Rätseln.“

„Es ist nicht ganz richtig, was Ihr zuvor gesagt habt: Ihr müsst die Befehle des Ordens befolgen, nicht die meinen.“

„Das ist das gleiche.“ Entgegnete der Elfenkrieger ungeduldig, aber völlig überzeugt.

„Nicht immer. Nicht jetzt.“ Entgeistert und etwas misstrauisch sah Erias den Elfenmagier an. „Ihr meint also, ich soll etwas für Euch tun, das jemandem ganz weit oben nicht passt. Was macht Euch so sicher, dass ich Euch nicht verrate?“

Ein Lächeln huschte über Arions Gesicht bevor er antwortete: „Ich habe Euch nicht nur hierher geführt, um nicht belauscht zu werden. An diesem geheiligten Ort sind meine Kräfte noch um einiges stärker. Ihr habt zwei Möglichkeiten: Entweder Ihr entscheidet Euch dafür, das Richtige zu tun, oder ich werde meinen Meistern leider die Nachricht bringen müssen, dass einer unserer besten Schwertmeister durch mysteriöse Umstände ums Leben gekommen ist. Ach ja, wenn Ihr lügt kann ich das übrigens wahrnehmen.“ Arion machte eine kurze Pause, um seine Worte einwirken zu lassen, bevor er fragte: „Und wie habt Ihr Euch entschieden?“

„Ich denke, Ihr habt eindeutig die schlagkräftigeren Argumente. Also, was soll ich tun?“ antwortete Erias mit einem resignierten Seufzer. Daraufhin kramte Arion aus seiner Tasche ein halbes Dutzend Pergamentrollen heraus und überreichte sie dem Schwertmeister. „Die fünf mit den roten Siegeln sind identische Briefe an wichtige Adlige auf Ulthuan. Ihre Namen enthält das sechste Pergament mit dem gelben Siegel. Gebt sie Euren besten Männern. Sie müssen auf schnellstem Wege überbracht werden. Danach überzeugt Euch, dass Ihr allen Euren Kriegern vertrauen könnt und macht sie bereit, in die Schlacht zu ziehen.“

„Was hat das zu bedeuten? Werden wir angegriffen? Nun, da ich mich entschieden habe, könnt Ihr es mir sagen.“ Der Magier schwieg.

„Hört mir zu: Ich kann meine Krieger nicht rüsten, wenn ich nicht weiß, wogegen wir kämpfen werden.“

Nach kurzem Zögern begann Arion: „Vielleicht habt Ihr Recht. Ihr wisst doch von der Strafexpedition, die der König befohlen hat?“

Natürlich wusste er es. Immerhin hatte er die Pläne dafür zusammen mit Arion studiert. Eine wütende Antwort hinunterschluckend nickte Erias bloß.

„Was ihr nicht wisst, ist dass der Hexenkönig davon weiß und in dem Moment, in dem wir sprechen, eine Flotte aushebt oder vielleicht sogar schon ausgehoben hat, die unserer mehr als nur ebenbürtig ist.“

„Das, das ist unmöglich! Wie…“ Harsch unterbrach ihn Arion.

„Das ist nicht von Belang! Wichtig ist nur, dass sich der falsche König nicht mit der Zerstörung unserer Schiffe zufrieden geben wird. Er wird ein zweites Mal über Ulthuan herfallen.“

„Und warum organisieren wir unsere Verteidigung dann im Geheimen?“ All das schien immer verwirrender für den Schwertmeister zu werden.

„Das müsstet Ihr doch bestens wissen, oder? Unsere dunklen Brüder sind Meister der Täuschung. Selbst ich wurde lange Zeit in die Irre geführt. Tatsache ist jedenfalls, dass der König und seine Ratgeber völlig vom Erfolg der Mission überzeugt sind. Wenn herauskommt, was hier geschieht, wird man uns als Verräter hinrichten.“

Mit grimmigem Gesichtsausdruck antwortete Erias: „Nun, dann sollten wir darauf achten, dass niemand davon erfährt.“ Damit zeigte der Schwertmeister auf die Schriftrollen, die er in der Hand hielt.

„Ihr wisst, was zu tun ist. Während Ihr diese Briefe an unsere weltlichen Verbündeten sendet, werde ich die Magier des Ordens versammeln, denen wir trauen können. Zu gegebener Zeit werde ich Euch wieder zu mir rufen.“

Nachdem er geendet hatte begann Arion, unverständliche Worte zu murmeln und mit den Fingern seltsame Symbole in die Luft zu zeichnen. Und plötzlich war er verschwunden. Erias schüttelte nur müde den Kopf, versteckte die Briefe unter seinem Umhang und machte sich dann auf den Rückweg. Er hatte noch viel zu tun.

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Kapitel 5

 

„Wo bringt Ihr mich hin? Antwortet!“ Jenara zerrte wie wild am Arm des Ritters, doch ohne Erfolg. Er schleifte sie einfach mit in den Innenhof Menethus’ Anwesens. Dort standen zwei Pferde, auf die er sich zu bewegte. Dort angekommen, schaffte er es irgendwie, sie trotz ihres heftigen Widerstandes in den Sattel eines der Tiere zu heben und sich selbst nur eine Sekunde später ebenfalls auf den Rücken desselben Pferdes zu schwingen. Bevor Jenara eine Chance hatte, etwas zu unternehmen, hielt der Ritter ihre Taille fest umklammert und gab seinem Reittier die Sporen. Wie ein Pfeil rasten sie durch den Regen und schwere Regentropfen prasselten auf die Rüstung des silberbehelmten Entführers, während Jenaras Kleid schon nach wenigen Augenblicken völlig durchnässt war.

„Ich verlange, dass Ihr sofort umdreht und mich zu meinem Vater zurückbringt. Ich bin sicher, dann wird er Gnade vor Recht ergehen lassen.“ Protestierte die Elfin.

„Närrin. Ich habe dich nicht entführt. Was ich tue, tue ich auf Befehl deines Vaters!“ antwortete der Ritter mit harscher Stimme.

„Ich glaube Euch nicht. Warum sollte er so etwas befehlen? Ohne ein Wort? Bringt mich sofort zurück!“ Keine Antwort.

„Ich werde schreien!“

„Erstens ist das bei diesem Wetter und bei dem Tempo, das wir vorlegen, sowieso die einzige Möglichkeit, sich zu unterhalten, und außerdem ist das hier eine unbewohnte Gegend. Niemand wird Notiz von uns nehmen.“ Damit hatte der Fremde wohl Recht, denn Jenara selbst fiel es schon schwer, den resignierten Seufzer zu hören, den sie ob dieser Antwort nicht zurückhalten konnte.

„Dann sagt mir doch wenigstens, wo Ihr mich hinbringt. Bitte.“ Sie hatte schon alle Hoffnung auf eine Antwort aufgegeben, als ihr Entführer nach einer kleinen Ewigkeit mit deutlich milderer Stimme begann: „In Sicherheit. Bitte frag nicht, wo das ist, denn ich weiß es selbst nicht.“

„Ich war doch in Sicherheit!“

„Dein Vater ist da anderer Meinung.“

„Mein Vater? Was geht vor? Bitte. Was würde es schon machen, wenn ich es jetzt erfahre?“

Schweigen.

Nach einer weiteren kleinen Ewigkeit zügelte der Ritter sein Tempo etwas und lockerte seinen Griff, bevor er Jenara aufforderte: „Sieh in mein Gesicht. Wie alt bin ich wohl?“ Mit Mühe konnte sie den Kopf weit genug drehen, um den Ritter zu betrachten. Er hatte junge, schöne Züge. Eine blonde Haarsträhne hing ihm ins Gesicht und er hatte blaue Augen, geschwungene Lippen und eine lange gerade Nase. „Ich würde Euch nicht sehr alt einschätzen. Vielleicht hundert- oder höchstens zweihundert Jahre.“

„Eintausendzweihundert Jahre.“ Mit einem Lächeln genoss der Ritter sichtlich Jenaras Überraschung. Nach ihrem Vater war das der älteste Elf, der ihr jemals begegnet war. Schließlich fuhr er fort: „Ich bin kein Diener deines Vaters, sondern sein Freund.“

„Dann müsst Ihr ein Diener von Elarios sein, denn ich habe sein Wappen auf Eurer Rüstung gesehen.“

„Sein Familienwappen. Ich bin sein großer Bruder.“ Antwortete er lachend.

„Sein Bruder?“

„Mein Name ist Etran, falls es dich interessiert. Und du brauchst mich nicht dauernd mit Ihr ansprechen.“

„Aber all das ist doch ein Grund mehr, mir endlich zu sagen, was hier vorgeht!“ protestierte Jenara. Das wurde von Etran durch eine Erhöhung des Tempos quittiert. Nach einigen Minuten –zumindest erschien es Jenara so- sprach ihr Entführer weiter: „Dein Vater hat mich darum gebeten, dir nichts zu sagen. Du bist noch so jung. Er will nicht, dass du…“ damit brach er ab und war nicht mehr dazu zu bewegen, irgendetwas preiszugeben. Schließlich gab Jenara ihre Versuche auf. Stundenlang ritten beide schweigend durch den Regen.

 

Furion machte keinen sehr glücklichen Eindruck. Seine Miene war zwar wie immer hart wie Stein, doch Ärger umgab ihn wie eine dunkle Aura. Mit einem wütenden Blick betrachtete er zuerst die Echse, die tot vor seinen Füßen lag und dann Naira. Es verhieß nichts gutes, unter solchen Umständen vor dem Herrscher Clar Karonds zu stehen. Schließlich löste der seinen Blick von ihr und ließ ihn zu dem Kommandanten des zweiten Schiffs wandern, das an den Kampfhandlungen gegen die Echsen beteiligt gewesen war. Schließlich sprach er mit vor Zorn glühender Stimme: „Durch eure Unfähigkeit haben wir mehrere Stunden verloren. Malekith ist ein ungeduldiger Herr- ebenso wie ich.“ Die letzten Worte waren eindeutig eine Drohung gewesen. Naira schwieg und senkte den Kopf. Der andere begann zögerlich zu sprechen: „Aber Herr, wir haben die Angreifer zurückgeschlagen und…“ Harsch unterbrach ihn Furion. Narr, dachte Naira. In ihrem Leben hatte sie schon ein paar Mal mit dem Herrn Clar Karonds zu tun gehabt und sie wusste, dass man gut daran tut, ihm nicht zu widersprechen. Nicht einmal sie wagte es, obwohl sie sicherlich mehr Einfluss und auch mehr Grund dazu hätte. „Und du hast Krieger verloren, nicht wahr? Genauso wie sie.“ Verächtlich blickte Furion auf Naira, bevor er fort fuhr: „Wäret Ihr wachsamer gewesen, hätten wir uns all den Ärger erspart. Ich frage mich, ob Ihr geeignet seid, ein Schiff zu führen, Weib.“ Dies galt wieder Naira. Diesmal konnte die Adlige nicht anders, als etwas zu erwidern. Und es musste etwas gutes sein, wollte sie die Schwarze Arche „Klaue der Verdammnis“ lebend verlassen, denn wenn Furion etwas weniger duldete als Versager dann waren das Ausflüchte. Sie holte tief Luft bevor sie so gelassen wie konnte auf die tote Echse zuging und davor niederkniete. Statt einer Brust klaffte ein großes Loch in ihrem Körper. Tote Augen blickten noch immer entsetzt auf den Schwertstumpf, den sie mit der Rechten umklammert hielt, wie eingefroren kurz vor dem Augenblick als Naira ihr Leben ausgelöscht hatte. Die Adlige hatte sich nicht umsonst diese Leiche ausgesucht, um sie Furion zu zeigen. Mit einiger Mühe gelang es ihr, den Schwertstumpf aus den Klauen der Kreatur zu lösen. Sie betrachte ihn kurz und warf ihn dann vor die Füße ihres Herrn. „Dunkelelfische Machart. Dem Zustand nach zu urteilen muss es schon Jahrhunderte in den Händen dieser… Kreaturen… sein. Das dürfte das Verschwinden so mancher Schiffe erklären. Vielleicht haben wir Euch aufgehalten und das tut mir leid. Doch wo andere versagten, haben wir gesiegt. Und das mit minimalen Verlusten, Furion. So schnell wird auf dieser Route wohl niemand mehr angegriffen werden.“

„Darauf, liebe Naira, würde ich nicht wetten.“ Auf ihren verwirrten, beinahe schon entsetzten Blick fügte er noch hinzu: „Ja, ich kenne Euren Namen. Ich habe Euch nicht vergessen. Wann haben wir uns das letzte Mal gesehen? Vor über fünfhundert Jahren, oder? Damals hättet Ihr es beinahe geschafft, mich zu beeindrucken. Beinahe. Doch jetzt bin ich einfach nur enttäuscht.“

„Jedem anderen wäre dasselbe passiert!“ versuchte sie sich zu verteidigen.

„Vielleicht. Vielleicht seid Ihr aber auch nur eine Versagerin. Es braucht schon mehr als eine rostige Klinge, um mich zu überzeugen.“ Das war es. Naira hatte verspielt. Es gab nichts mehr, womit sie Furion überzeugen könnte. Er würde mit ihr so verfahren, wie mit allen Versagern. Gedemütigt senkte sie ihren Kopf in Erwartung eines tödlichen Hiebs der Klinge ihres Herrn. „So verfahren wir mit Feiglingen und Versagern.“ Sagte Furion fast feierlich an den anderen Kommandanten gewandt. Naira hörte, wie ein Schwert aus der Scheide gezogen wurde. Dann hob sie ihren Kopf und blickte ihrem Herrn fest in die Augen. „Eine Frage noch, Furion: Wie viele Generäle kannst du entbehren?“ Natürlich kam keine Antwort. Doch das war auch nicht nötig. Blitzschnell drehte sich die Adlige um, zog ihre zwei Dolche aus dem Gürtel und warf sie auf den Kommandanten des anderen Schiffs. Überrascht konnte dieser mit seiner Unterarmschiene einen Dolch abwehren, während ihn der andere an der Stirn traf und bis zum Heft in den Schädel eindrang, denn der Adlige hatte seinen Helm wie auch Naira abgenommen. Er machte noch einen Schritt auf sie zu, bevor er in die Knie ging und schließlich ganz zusammenbrach. Dann drehte sie sich um und blickte in Furions Gesicht. Zum ersten Mal in ihrem Leben sah sie darin Verwirrung. „Es tut mir wirklich leid, doch wenn Ihr denkt, ich bin eine Versagerin und mich deshalb tötet, werdet ihr gleich zwei Eurer Generäle ersetzen müssen.“ Erklärte Naira kaltblütig. Nun huschte ein Lächeln über das Gesicht ihres Herrn. Er antwortete: „Ihr habt sehr… stichhaltige… Argumente. Vielleicht habe ich mich in Euch getäuscht. Vielleicht. Kehrt auf Euer Schiff zurück. Bald werdet Ihr mir Euer Talent zu töten ein weiteres Mal beweisen können.“

Die Adlige drehte sich halb herum und blickte fragend auf die Leiche des anderen Generals. Daraufhin sprach Furion: „Was diesen da angeht: Ich denke, einer Eurer Untergebenen wird sein eigenes Kommando erhalten.“

Dann drehte sich Naira noch einmal ganz zu Furion, blickte ihm kurz in die Augen, verbeugte sich und stürmte dann davon, um zu ihrem Schiff zurückzukehren. Sie war heilfroh, aus der Nähe ihres Herrn zu sein. Neben Malekith war er nicht zu Unrecht der gefürchtetste Dunkelelf. Was das Schiff anging, wusste sie auch schon, wem sie sie das Kommando übertragen würde. Sie fand, dass es an der Zeit wäre, Tarash die Position zu geben, die er verdient hatte…

 

Trübsinnig starrte Menethus auf seinen Kelch. Bis auf Elarios, der am anderen Ende der Tafel saß, war er allein. Die Wachen waren weggeschickt worden. „Es war eine schwierige Entscheidung, Menethus.“ Durchbrach sein Gast das Schweigen.

„Und doch die richtige.“

„Meinst du? Du wirst sie nicht ewig beschützen können…“

„Sie ist noch fast ein Kind!“ protestierte Menethus mit erregter Stimme. „Sie gehört nicht in diesen Krieg.“

„Etran schon. Du weißt so gut wie ich, dass wir jedes Schwert brauchen werden. Du hast in drei Kontinenten mit ihm gekämpft und weißt selbst sehr gut, dass er ein Meister der Kriegskunst ist. Nur wenige sind ihm ebenbürtig.“

„Das brauchst du mir nicht zu sagen. Doch über all dies hinaus ist er mein Freund- so wie du. Niemand anderem hätte ich sie anvertraut.“

Nachdenklich nippte Elarios an seinem Wein. Nach einer kurzen Pause lenkte er das Gespräch auf ein anderes Thema: „Und wie geht es jetzt weiter? Ich meine in Bezug auf unsere Pläne.“

„Gestern Nacht erschien mir Arion in meinen Träumen. Er sagte, zum nächsten Vollmond sollten wir und alle anderen, die unserer Sache treu sind, zum Pfeiler im Herzen des Waldes von Hoeth kommen.“ Auf einen fragenden Blick Elarios’ fügte er noch hinzu: „Ich weiß, wo das ist. Ein Ort von großer magischer Macht. Und einer, an dem wir vor Nachstellungen sicher sind.“

„Das ist in drei Tagen, Menethus.“

„Ja. Es ist ein weiter Weg, zurück nach Ellyrion. Du wirst bis dahin eines der Gästezimmer bewohnen.“

„Und die anderen?“

„Ich habe in die Depeschen geschrieben, sie sollen hierher kommen. In spätestens zwei Tagen wird der letzte hier eintreffen.“

„Gut. Doch nun entschuldige mich. Der Ritt war anstrengend und ich bin müde.“ Noch einmal nippte der Elf an seinem Wein, bevor er sich erhob. „Ich werde mich nun zurückziehen.“

Menethus nickte und rief einen Diener, der Elarios auf sein Zimmer führte. Nachdem die beiden gegangen waren, leerte er seinen Kelch in einem Zug und warf ihn verzweifelt auf den Boden. Seine Gedanken waren bei Jenara, bei dem letzten Wort, das von ihr gehört hatte: Vater. Weinend verbarg der Elf sein Antlitz in seinen Händen. Es war spät, als er sich schließlich erhob und zu Bett ging.

 

Furion stand auf dem höchsten Aussichtsturm der schwarzen Arche und blickte nachdenklich auf die Flotte, die seinem Schiff folgte. Doch sein Blick konnte die Dunkelheit der Höhlen nicht sehr weit durchdringen. Dann wandte er sich um. Am anderen Ende des Tunnels war ein schwaches Licht zu erkennen. Schon bald würden sie wieder das offene Meer erreichen und schneller und sicherer vorankommen. Trotz der kleinen Unterbrechung konnte der Herr von Clar Karond noch immer seinen Zeitplan erfüllen.

Seine eigentlichen Gedanken waren aber bei Naira. War es klug gewesen, sie am Leben zu lassen? Sie hatte versagt, dessen war er sich sicher. Dass vermutlich jeder andere ebenso versagt hätte, war ohne Bedeutung. Noch dazu hatte sie den Frevel begangen, einen anderen adligen Druchii vor seinen eigenen Augen zu töten. Normalerweise ein unverzeihliches Verbrechen, das mit dem Tode bestraft wird. Aber auch ein Zeichen von Mut, Überlebenswillen und einer Art grausamer Rücksichtslosigkeit, die ihm nur zu vertraut war. Diese ersten beiden Eigenschaften musste ein Dunkelelf haben, um in der Welt aus Intrigen, Verrat und Mord zu überleben und seine Position erhalten zu können. In begrenztem Umfang wies sie Naira schon bei ihrer ersten Begegnung auf. Die letzte Eigenschaft benötigte ein Druchii, um sich hochzuarbeiten und sie sah er bei seiner Lehensfrau zum ersten Mal. Und diese Eigenschaft war es auch, die ihn veranlasst hatte, sie doch nicht umzubringen. Naira war alt, uralt. Beinahe so alt wie er, Furion. Doch sie war eine kleine, unbedeutende Adlige geblieben, während er zu einem der mächtigsten Diener Malekiths wurde. Sie wies alles auf, das ein guter Feldherr brauchte- doch niemals hatte sie ihren Wert bewiesen. Sie hatte ihn nicht beweisen wollen. Das war ihm zuvor klar geworden. Sie war stark, war es schon immer gewesen. Doch sie hatte es niemals gezeigt. Möglicherweise wusste sie selbst nichts davon. Aber vor einer Stunde, als es um ihr Leben ging, zeigte sie ihr wahres Selbst. So schön und so skrupellos. Er fragte sich, was sie dazu veranlasst haben mochte, all das zu unterdrücken und vor ihm zu verbergen. Es war gefährlich, Furion zu täuschen, um einen Vorteil zu erringen. Doch ihn zu täuschen, um einen Nachteil zu erringen- das war Irrsinn. Oder Liebe.

Doch egal, was es war, ab nun würde er ein Auge auf sie werfen…

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Kapitel 6

 

Die Flotte hatte wenige Stunden nach Nairas Unterhaltung mit Furion das offene Meer erreicht und segelte nun nach Norden. Tarash hatte sich nicht unbedingt sehr gefreut, als sie ihm das Kommando über das Schiff, das ihnen geholfen hatte, gegeben hatte. Allerdings konnte sie nicht sagen, ob er wütend war, weil er nun nicht mehr in ihrer Nähe sein konnte oder ob es ihm einfach nur egal war, dass er jetzt über die Leben von fünf dutzend Dunkelelfen verfügte, wie es ihm auch egal wäre, wären sie im Kampf gegen die Echsen gestorben. Sein Leben war das einzige, das für ihn Bedeutung hatte- und vielleicht das ihre. Doch über diese Möglichkeit dachte Naira noch nicht nach.

Sie hatte ihr eigenes Kommando für einige Stunden einem treuen Untergebenen übergeben und war an Bord von Tarashs Schiff gegangen, um sich mit ihm zu unterhalten. Der Korsar, mit dem sie gesprochen hatte, hatte gesagt, dass er sofort kommen würde. Doch langsam wurde sie ungeduldig. Ihr Lieblingsritter sollte sich besser beeilen, wollte er das auch bleiben. Gerade als sie sich vornahm, ihm mit einer Ohrfeige zu zeigen, dass sich ihr Zeitgefühl von dem seinen unterschied, trat aus der Kajüte ein groß gebauter Dunkelelf. Seine schwarzen Haare und sein blutroter Umhang flatterten im Wind; zwei Narben verunzierten das sonst so schöne Gesicht: Tarash. „Entschuldigt die Verspätung, Herrin. Euer Besuch ehrt mich. Dürfte ich wohl den Grund erfahren?“ begann der Echsenritter in ehrfürchtigem Ton. Naira überdachte das mit der Ohrfeige noch einmal.

„Dürft Ihr: Das mit den Echsen überraschte mich. Euch nicht. Ich kämpfte schon gegen so manchen seltsamen Gegner, aber noch niemals gegen so etwas. Ihr anscheinend schon.“

„Einst metzelte ich Armeen solcher Kreaturen in den Dschungeln Lustrias nieder. Ihr wart noch niemals dort?“

„Ich kam einmal knapp vorbei, als ich von einem Beutezug zurückkehrte. Ich hasste das Klima.“ Gab sie mit einem Lächeln zurück.

„Wie geht es übrigens Eurem Bein?“ dabei blickte Tarash demonstrativ auf ihren Oberschenkel. Den Verband konnte er wegen der Rüstung nur erahnen.

„Die Wunde ist… unangenehm. Aber nun da sie mit heilenden Kräutern und Salben verbunden ist, wird sie schnell heilen und mich nicht mehr behindern.“ Der Adlige nickte knapp. Sie fügte noch hinzu: „Ich habe mich übrigens noch gar nicht für Euer Unterstützungsfeuer bedankt.“ Ein dünnes Lächeln huschte über den Mund des Dunkelelfenritters.

„Doch zurück zu den Echsen, Tarash. Meint Ihr, es war Zufall, dass sie uns angegriffen haben?“

„Ihr seht eine Verbindung zu unseren Feinden?“

„Möglicherweise. Vor einiger Zeit hatte ich einen seltsamen Traum. Fiel Euch irgendetwas Seltsames an diesen Gegnern auf?“

„Vielleicht… sie wirkten kräftiger. Angepasster an das Leben im Wasser. Vielleicht kamen sie vor vielen Jahrhunderten aus Lustria hierher, vielleicht bewohnten auch ihre Vorfahren dieses Land schon vor uns und entwickelten sich völlig unabhängig. Wer weiß? Auf jeden Fall traue ich es ihnen nicht zu, dass sie eine so große Flotte angreifen. Auf diesen Kanälen fahren normalerweise öfters Schiffe. Sie hätten nur ein paar Tage warten brauchen und eine viel einfachere Beute gehabt. Es ist nur eine Vermutung… aber ich glaube, irgendetwas hat sie aufgescheucht.“

„Ich habe mir sagen lassen, dass die Magier unserer Brüder von unseren Zauberinnen in Schach gehalten werden. Nach dem, was Ihr gesagt habt, können sie auch keine Streitmacht aus Lustria gewesen sein, die uns aufhalten sollte. Das passt alles nicht zusammen.“

„Auch ich habe das Gefühl, dass die ganze Sache möglicherweise nicht so glatt geht, wie geplant. Vielleicht sollte man Furion von diesen Bedenken erzählen?“

„Eine sehr gute Idee, Tarash. Leider bin ich im Moment zu beschäftigt. Deshalb wirst du das für mich tun.“ Der Dunkelelfenritter setzte eine besorgte Miene auf, sagte aber nichts darauf. Naira befand, dass sie es ihm schuldig war, ihn zumindest zu warnen: „Hattest du schon einmal die… Ehre… mit ihm zu sprechen?“

„Nein, aber nach allem was ich im Laufe meines Lebens gehört habe, handelt es sich dabei um ein sehr zweifelhaftes Vergnügen, wenn man nicht gerade Malekith heißt.“ Dabei bemühte er sich vergeblich um ein gelassenes Lächeln.

„Man sollte den Herrn von Clar Karond nicht ungerechtfertigt stören. Sorge dafür, dass deine Argumente genauso mächtig sind, wie dein Schwert, oder es könnte deine letzte Unterredung werden. Zeige weder Schwäche noch Furcht. Doch das brauche ich dir wohl nicht zu sagen“

„Ich werde Eure Ratschläge beherzigen.“ Gab Tarash kühl zurück. „Sonst noch etwas, das einer Unterredung bedarf?“ Nach einer kleinen Pause fügte er noch verächtlich das Wort „Herrin“ hinzu.

„Nein. Du darfst dich jetzt entfernen.“ Antwortete sie kühl.

Der Dunkelelf drehte sich nicht um, um in seine Kajüte zurückzugehen sondern ging so dicht wie möglich an Naira vorbei und sprang mit einem gewaltigen Satz in das Boot, mit dem sie gekommen wäre. Beinahe kenterte es. Tarash gab einen wütenden Befehl und sofort lösten die Ruderer ihr Gefährt vom viel größeren Schlachtschiff. Ein paar Minuten sah Naira dem Boot nach. Sie konnte noch jetzt den Ärger verspüren, den Tarash ausstrahlte. Sie war gespannt, wie er sich beim Wortgefecht mit Furion von Clar Karond schlagen würde, das nicht weniger gefährlich wie ein echter Kampf mit dem Dunkelelfenfürsten war. Ihre Hand fuhr unbewusst an ihren Hals und zog ein kleines Amulett, das an einer goldenen Kette befestigt war, unter ihrem Brustharnisch hervor. Es glitzerte in der Sonne. Nachdenklich betrachtete sie es. Einst hatte es ihr Menethus geschenkt. Das war die glückliche Zeit vor der Abspaltung gewesen. Als sie erfuhr, dass ihre Tochter in Anlec gestorben war, hatte sie geschworen, dass der Träger dieses Amuletts eines Tages Menethus töten würde. Sie hob ihren Kopf und blickte nach vor, wo sie in einiger Entfernung die Umrisse der gewaltigen schwarzen Arche Furions erkennen konnte. Sie wusste, dass es nicht viel war, mit dem sie Tarash zu ihrem Herrn geschickt hatte. Falls er lebend zurückkehrte, wäre er ihrer wahrhaftig würdig.

 

Endlich hielt Etran an. Sie waren den Rest des Tages und die ganze Nacht durchgeritten. Jenara hatte seit ihrer Entführung nichts mehr gegessen. Nur einmal hatte der Ritter sein Tempo etwas gezügelt und ihr einen Beutel mit Wasser gereicht. Sie hatte den größten Teil verschüttet. Außerdem war sie völlig durchnässt und todmüde. Wenigstens hatte es aufgehört zu regnen.

Der Elfenritter stieg ab und hob seine schöne Begleiterin vorsichtig aus dem Sattel. Neugierig drehte sie sich im Kreis und sah sich um. Im Licht der Dämmerung konnte sie rings um sich Bäume erkennen, die weit in den dunklen Himmel ragten. Als sie genauer hinsah konnte Jenara einen schmalen Trampelpfad, der schon halb zugewachsen war, ausmachen. Aus derselben Richtung vernahm sie leise das Plätschern von Wasser. „Was ist das hier für ein Ort?“ fragte sie ihren Entführer ängstlich und doch fasziniert.

„Der nahm statt einer Antwort die Zügel seines völlig erschöpften Pferdes in die Hand und ging gemächlich in Richtung des Pfades, den die Elfin zuerst entdeckt hatte. „Folge mir einfach- dann wirst du es schon sehen!“

„Habt Ihr keine Angst, dass ich weglaufe?“

„Du würdest dich hoffnungslos verirren und schlimmstenfalls einem hungrigen Wolf in die Fänge laufen. Glaub mir, ich bin das kleinste Übel in diesen Wäldern. Und lass endlich dieses „Ihr“!“ antwortete der Elf ohne stehen zu bleiben oder sich umzudrehen.

„Ich dachte Ihr… du… wolltest mich in Sicherheit bringen?“

„Solange du in meiner Nähe bleibst bist du sicher.“ Langsam wurden die Schritte des Silberhelms leiser und seine Stimme gedämpfter. Einen Moment lang wog Jenara ihre Fluchtchancen ab. Dann beeilte sie sich, Etran zu folgen.

 

Tarash war eindeutig wütend. Mit schnellen Schritten folgte er dem Hauptmann, der ihn zu Furion bringen sollte. Sie eilten nun schon seit einer halben Stunde durch die dunklen Eingeweide der gewaltigen schwarzen Arche, doch die Gänge stiegen stetig an. Tarash schätzte, dass es nicht mehr weit bis zum Deck sein musste, auf dem ihn Furion erwarten würde.

Warum hatte sie ausgerechnet ihn geschickt? War das eine Prüfung? Hatte er seinen Wert und seine Treue nicht schon mehrmals unter Beweis gestellt? Naira machte es ihm wahrlich nicht leicht, sie zu mögen. Eigentlich war es mehr Respekt und Bewunderung denn Freundschaft und Liebe. Liebe? Was war das? Hatte er es jemals gefühlt? Einige seiner Feinde mochten aus Liebe heraus gekämpft haben - aus Liebe zu ihrem Land, ihrem Fürsten oder ihrer Familie. Er hatte sie getötet. Alle. Und kaum einer war ein ernsthafter Gegner gewesen. Was für ein schwaches Gefühl musste Liebe doch sein!

Tarash wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen, als sein Führer abrupt stehen blieb, sich verneigte und ging. Vor dem Dunkelelfenritter stand Furion von Clar Karond, einer der grausamsten und erfolgreichsten Generäle König Malektihs, umringt von einem halben dutzend anderer hoch gestellter Adliger und einer sehr schönen Frau, die die leichte Bekleidung einer Zauberin trug. Ihre Stirn war mit einem goldenen Reif, auf dem ein großer, roter Edelstein eingefasst war, verziert. Sie musste sehr mächtig sein, denn selbst mehrere Meter entfernt konnte er das Knistern magischer Energie spüren.

Furion selbst war in einen schwarzen Harnisch mit goldenen Ornamenten gekleidet. Sein schwarzes Haar flatterte im Wind. Das zerfurchte Gesicht des Elfenlords zeigte keinerlei Regung. Der Herr Clar Karonds stand bloß da und starrte Tarash aus tiefen, schwarzen Augen an. Das Einzige, das er darin erkennen konnte, waren Hass und Stolz. Es war unmöglich zu sagen, was davon überwiegte. Tarash verbeugte sich tief und nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte begann er: „Ich danke Euch für diese Audienz, Herr.“

„Sprich schnell, Wurm. Die Zeit deines Herrn ist begrenzt.“ Einer der Adligen, die neben Furion standen, hatte das gesagt. Ganz langsam drehte dieser sich zu dem Sprecher herum und schlug ihm mit der gepanzerten Faust ins Gesicht. Der Schlag hätte den Elfen beinahe von den Beinen gefegt. Er presste beide Hände gegen seine blutende Nase. „Heißt du Furion? Antworte!“ Das galt dem verletzten Dunkelelfen. Dieser schüttelte den Kopf und sagte mit erstickter Stimme: „Nein. Verzeiht, Herr.“

„Denkst du etwa, ich könnte nicht für mich selbst sprechen?“

„Nein. Verzeiht, Herr.“ Dann packte ihn der Dunkelelfenkommandant beim Hals, hob ihn hoch in die Luft und schleuderte ihn zu Boden, wo er sich krümmend liegen blieb. „Kehre auf dein Schiff zurück und wage es nicht, deinen Mund je wieder in meiner Gegenwart zu öffnen, oder ich werde ihn dir zunähen lassen. Jetzt verschwinde!“ Die letzten beiden Worte hatte der Herr Clar Karonds geschrieen. Mühsam rappelte sich der Dunkelelfenadlige hoch und beeilte sich, aus seiner Nähe zu kommen. Die anderen standen starr daneben. Niemand hatte sich auch nur bewegt. Furions Wutausbruch war so schnell vorüber, wie er gekommen war. Er kehrte wieder in seine ursprüngliche Position zurück und forderte Tarash nun auf, zu sprechen. Dem Dunkelelfenritter war nach dieser Vorstellung nicht gerade wohler geworden, doch er durfte sich nichts anmerken lassen. „Herr, sicherlich hat Euch meine Herrin schon über den Angriff in den Höhlen aufgeklärt…“

„Deine Herrin heißt also Naira.“ Stellte Furion kalt fest. „Und warum kommt sie nicht selbst?“

„Sie ist… verhindert. Außerdem gibt es etwas, das sie nicht in Erwägung gezogen hat.“ Der Dunkelelfenkommandant horchte auf. Tarash wusste, dass es ein Fehler sein konnte, Naira hier anzukreiden, doch würde ihm das eine Menge Ärger ersparen und sich vielleicht sogar einmal vorteilhaft für ihn auswirken. Sie war ja selbst schuld- wäre sie doch selbst gekommen. Enthusiastisch fuhr er fort: „Ich habe - wie auch Ihr, Furion, schon in Lustria gekämpft. Und das hier waren keine Echsenmenschen. Sie sahen zwar so ähnlich aus, doch sind sie sicher nicht aus Lustria entsandt worden, um uns aufzuhalten.“

„Ihr erzählt mir Dinge, die ich schon lange weiß. Kommt auf den Punkt.“ Entgegnete sein Herr in ungeduldigem Ton.

„Es stellt sich die Frage, warum sie uns dann angegriffen haben- wenn wir davon ausgehen, dass es sich lediglich um einfache Plünderer handelt. Sie hätten andere Schiffe um ein vielfaches einfacher überfallen können.“

„Ich hoffe für Euch, dass Ihr auch eine Antwort auf diese Frage habt.“

„Wäre es denn nicht möglich, dass die Magie unserer Feinde sie dazu gebracht hat? Die Magier unserer schwächlichen Vettern mögen zwar feige und ohne Ehre sein, doch eines sind sie auf keinen Fall: unfähig.“

Diesmal schwieg Furion. Er drehte seinen Kopf stattdessen und blickte die Zauberin an. Diese senkte kurz den Kopf und schloss die Augen. Nach wenigen Sekunden trat sie vor und sprach mit lauter, klarer Stimme: „Was weißt du schon über die Magie, Tarash?“ Auf seinen verwirrten Blick fügte sie hinzu: „Natürlich kenne ich deinen Namen, auch wenn du es gar nicht verdienst, du Wurm! Ich bin eine Erzzauberin meiner Konklave. Die geringste meiner Schwestern weiß mehr über die Magie, als du in deinem ganzen Leben lernen kannst. Wie kannst du es wagen, meine Macht anzuzweifeln? Weißt du nicht, dass meine Macht und die meiner Schwestern die geckenhaften Narren auf Ulthuan blendet? Sie wissen nichts von unseren Plänen! Wie sollten sie dann danach trachten können, sie zu verhindern?“

Die Rede der Zauberin war mit Überzeugung und - noch schlimmer- mit einer gewissen Logik geführt worden. Sie hatte Tarash bloßgestellt. Jetzt musste er irgendetwas entgegnen. „Und denkt Ihr, oh große Zauberin“ begann er in bewusst höhnischem Tonfall „dass alle Eure Schwestern ebenso stark sind, wie Ihr es von Euch behauptet? Denkt Ihr, dass Ihr keine Fehler machen könnt? Wenn dem so ist, warum habt Ihr den Angriff nicht vorausgesehen?“

Spitz antwortete sie: „Seht ihn euch an, hohe Generäle! Kannst du dich nur noch mit Spott verteidigen?“

„Beantworte ihm seine Frage.“ Verlangte Furion kühl, ohne sie auch nur anzusehen. Innerlich lachte Tarash vor Schadenfreude. Das würde seine Kontrahentin im Wortgefecht wohl ins Schwitzen bringen. Tatsächlich hielt sie einen Augenblick inne bevor sie antwortete: „Die Winde der Magie sind kompliziert. Vieles kann geschehen. Ich kann natürlich nicht alles sehen. Doch ich versichere Euch, dass kein Hochelfenmagier unsere Pläne sieht.“

„Und wie könnt Ihr Euch da so sicher sein, wenn Ihr also doch nicht alles seht?“ setzte Tarash nach. Die Erzzauberin wollte gerade eine wütende Antwort geben, als das Meer erbebte. An der Seite der schwarzen Arche tauchte ein gewaltiges Seeungeheuer auf und dutzende schleimige Tentakel schlangen sich um die Wehrgänge des Schiffs. Erschrocken fuhren die Adligen und auch Tarash herum. Furion stürmte das Deck herab zu seinen Mannschaften und brüllte harsche Befehle. Die anderen Adligen folgten ihrem Herrn, nachdem sie sich vom ersten Schock erholt hatten. Nur noch Tarash und die Zauberin standen auf dem Deck. „So viel zu deinem Ich-habe-alles-unter-Kontrolle-Spielchen“ fuhr sie der Dunkelelfenritter an. Gereizt brüllte sie ihn an: „Verdammter Narr! Hilf mir lieber und halte mir die Tentakel der Bestie vom Hals bis ich soweit bin, wenn dir dein Leben lieb ist!“ Mit diesen Worten bewegte sie sich in Richtung des Seeungeheuers. „Bis ich soweit bin, was zu tun?“ fragte er sich in Gedanken. Wütend lief ihr Tarash nach, duckte sich unter einem Tentakel hinweg und hieb noch im Laufen zurück. Ein schwacher Widerstand und ein platschendes Geräusch zeigten ihm, dass er getroffen hatte. Inzwischen hatte er die Erzzauberin eingeholt. Sie stand direkt vor dem Ungeheuer und breitete ihre Arme aus. Ein halbes dutzend Tentakel senkte sich bereits auf sie herab. Wie verrückt drosch Tarash darauf ein, doch für jeden, den er abschlug kamen zwei neue hervor. Schließlich entriss ihm einer der Tentakel das Schwert und ein anderer umschlang seine Hüfte und hob ihn in die Luft. Aus den Augenwinkeln konnte er beobachten, wie auch die Zauberin von drei oder vier Tentakeln umschlungen wurde. Die Luft begann zu vibrieren und plötzlich gaben die Auswüchse des Seeungeheuers nach und Tarash und sie Zauberin landeten sehr unsanft auf den Schiffsplanken. Mühsam richtete sich der Elfenritter auf und wurde Zeuge eines unglaublichen Spektakels: Unten kämpften Furion und seine Befehlshaber zusammen mit mehreren hundert Kriegern einen aussichtslosen Kampf gegen eine Unzahl von Tentaklen. Dahinter feuerten mehrere Bataillone Korsaren mit Repetierarmbrüsten und Speerschleudern auf das Monster, ohne ihm wirklich schaden zu können. Und dann explodierte der Ozean. Eine gewaltige Druckwelle brachte die Schwarze Arche und ein dutzend Schlachtschiffe in ihrer Nähe beinahe zum Kentern. Das Zentrum der Explosion war der Körper des Seeungeheuers, der wie eine Seifenblase zerplatzt war und nun wieder in der Tiefe verschwand.

Hinter sich vernahm Tarash ein Stöhnen. Als er sich umdrehte erkannte er die Erzzauberin, die verkrümmt auf dem Boden lag. „Hilf mir. Mein linkes Bein ist gebrochen“ flehte sie ihn an.

„Warum heilst du dich dann nicht?“

„Du verdammter Narr verdankst mir dein Leben!“

„Und du mir deines. Wir sind quitt.“

„Ich habe das Monstrum getötet, die Krieger und Korsaren haben gekämpft. Furion wird fragen, was du getan hast.“ Das wirkte. Tarash hievte die vor Schmerzen stöhnende Elfin hoch, die sich sofort auf seine gepanzerte Schulter stützte, was nicht leicht war, ohne sich an den rasiermesserscharfen Klingen, die aus dem Panzer ragten, die Pulsadern aufzuschneiden. Mit der linken zog der Dunkelelfenritter einen Dolch und fuhr damit unter die Robe der Zauberin, so dass die Klinge genau am Oberschenkel an der Hauptschlagader auflag und es trotzdem so aussah, als würde er sie noch zusätzlich stützen. Die Erzzauberin fuhr unweigerlich zusammen, als sie den kalten Stahl spürte. Tarsh drehte seinen Kopf ein wenig und flüsterte ihr ins Ohr: „Du tätest gut daran, Furion die Wahrheit zu sagen, Hexe“ Sie nickte nur.

Kurz darauf stand der Herr von Clar Karond auch vor ihnen. „So viel zu deiner Magie, Zauberin“ sagte er in verächtlichem Tonfall. „Sag mir, warum sollte ich dich nicht einfach töten?“

„Weil meine Magie es auch war, die das Ungeheuer getötet hat.“

„Und was hat unser junger Freund hier dazu beigetragen?“ fragte Furion mit einem bösen Blick in Tarashs Richtung. Es war wohl offensichtlich, dass er irgendwen zur Verantwortung ziehen wollte. Der Dunkelelf verstärkte den Druck seines Dolches ein wenig. „Er hat mir den Rücken gedeckt.“ Brachte die Erzzauberin in gepresstem Tonfall hervor. „Ich bin verletzt. Dürfte ich mich wohl zurückziehen?“ stöhnte sie.

Furion winkte einen Krieger, der sie begleiten sollte. „Du behebst besser dieses kleine Problem. Sollte es noch zu weiteren Verzögerungen kommen, wirst du für den Rest der Fahrt das Deck schrubben- nackt und mit deiner Zunge. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?“ Sie nickte nur knapp und stützte sich dann vorsichtig auf den Krieger, der herbei gekommen war. Bevor sie Tarash aber endgültig losließ flüsterte sie ihm noch ins Ohr: „Für diese Demütigung wirst du eines Tages bezahlen, Ritter. Ich werde deinen Namen nicht vergessen.“ Dann wurde sie mit hängendem Kopf von dem Krieger in Richtung ihrer Kajüte geschleift. Schließlich wandte sich Furion wieder zu Tarash „Du auch. Los! Verschwinde!“ brüllte ihn der Elfenlord hasserfüllt an. Hastig verbeugte sich der Adlige und stürmte davon. Der Herr Clar Karonds blieb noch lange auf dem Deck stehen und niemand wagte es, sich ihm zu nähern. Er schwor bittere Rache. Und wenn er den weißen Turm von Hoeth eigenhändig niederreißen müsste- er würde nicht eher ruhen, bis der letzte dieser verfluchten Feiglinge tot wäre. Das schwor er sich.

 

Nach einem kurzen Fußmarsch waren sie angekommen. Jenara und Etran standen vor einem kleinen Wasserfall, der ungefähr zehn Meter fiel und in einen winzigen See mündete. Ein Weg führte bis nach oben. Rings herum war noch immer dichter Wald. Etran kramte in einer seiner Satteltaschen und brachte ein einfaches grünes Kleid zum Vorschein, das er ihr zuwarf. Sie fing es ungelenk. „Hier kannst du dich waschen und umziehen. Ich werde mich in der Zwischenzeit um unsere Behausung für die nächsten Monate kümmern.“

„Monate?“ fragte die Elfin erschrocken.

„Vielleicht auch Jahre. Oder vielleicht Jahrhunderte oder vielleicht für unser restliches Leben, auch wenn es in diesem Fall wohl bald enden wird. Wie auch immer, Monate sind das optimistischste.“ An seiner Stimme konnte Jenara erkennen, dass er jedes Wort todernst meinte.

„Was ist los, Etran?“

„Ich habe dich hierher gebracht, damit du genau das nicht erfährst. Und jetzt wasch dich, oder willst du so mit einem ellyrianischen Prinzen speisen?“ Das letzte hatte er mit Blick auf ihr nasses, mit Schlammspritzern übersätes Kleid in scherzhaftem Ton gesagt, so dass er ihrem trotzigen Mund ein Lächeln entlockte, aber doch mit genug Nachdruck, um keine Widerrede zuzulassen. Jenara seufzte resigniert und setzte vorsichtig ihren Fuß ins Wasser. Es fühlte sich kalt und klar an. Sie zuckte ob der Kälte zurück. Etran stand lächelnd neben ihr. „Jetzt geh, oder will der ellyrianische Prinz so mit mir baden?“ Dabei blickte sie mit spöttischem Lächeln auf die metallene Rüstung des Silberhelms und drehte sich wieder zum See hin.

„Wenn ich dich beim Baden beobachten will, dann tue ich es so, dass du es nicht merkst.“ lachte Etran. Als Jenara noch einmal nach hinten sah, um ihm eine spitze Antwort entgegen zu werfen, war der Elfenritter mitsamt seinem Pferd verschwunden.

 

Arion war zufrieden. Mit einer Handbewegung löschte er die Kerzen, die den magischen Kreis bildeten und verließ den Raum mit gemächlichen Schritten. Es war ihm tatsächlich gelungen, ein paar Dinge aufzuscheuchen. Natürlich war er sich bewusst, dass er die Flotte der Dunkelelfen nicht aufhalten konnte, aber er hoffte, eine Verzögerung erreichen zu können. Nun, zumindest mit dem Seeungeheuer dürften seine Feinde Probleme gehabt haben. Er hatte selten so etwas Mächtiges gerufen. Die Schlangen und Seedrachen, die seine ehemaligen Brüder zähmten und für die Kriegsführung einsetzten, waren lächerlich gegen dieses Monstrum. Insgeheim wunderte sich der Magier, dass solch ein Wesen überhaupt noch auf dieser Welt existiert. Doch nun würde er sich endlich in der Meditation etwas Ruhe verschaffen können…

 

Auf einen Wink ihrer Hand verschwanden sie beiden Dienerinnen aus dem Raum. Nun war Idana mit ihrer Herrin alleine. Die verletzte Erzzauberin lag auf einem großen mit rotem Samt bezogenen Bett. Um ihren linken Fuß war ein Kräuterverband gewickelt und zwei Räucherpfannen, die neben dem Bett standen, erfüllten die Luft mit exotischen Düften. Regungslos stand Idana neben dem Bett und beobachtete ihre Herrin und Lehrerin. Ein erbärmlicher Anblick, fand sie. Ein Wesen von so großer Macht - wegen eines einfachen Sturzes ans Bett gefesselt.

Die Erzzauberin blickte ihrer Schülerin tief in die Augen. Sie danke ihren Göttern, dass niemand aus ihrer Konklave die Unterhaltung mit Furion mitgehört hatte. Das erste, das sie nach ihrer Genesung tun würde, wäre ein paar Dämonen auf diesen Tarash aufmerksam zu machen. Sie beugte sich etwas nach vor und sprach mit ruhiger Stimme: „Idana, meine Schwester.“

„Ich bin da, Herrin.“

„Weißt du, warum wir angegriffen wurden?“

„Wie meint Ihr das?“

„Einige der Hochelfenmagier müssen etwas gemerkt haben. Ich weiß auch nicht, wie das möglich ist. Alle großen Meister, die zu so einem Angriff fähig sind, werden strengstens überwacht. Dennoch ist es geschehen.“

„Es könnte andere Gründe geben?“

„Denkst du das wirklich?“

Idana dacht eine Sekunde nach. Dann antwortete sie mit fester Stimme: „Nein. Was sind deine Befehle, Schwester?“

„Jeder magische Akt hinterlässt eine Spur, das weißt du. Verfolge sie zurück. Blockiere den, der dafür verantwortlich ist. Wenn du das geschafft hast, werde ich wieder stark genug sein, mich um eine … Endlösung… zu kümmern.“

Stille trat ein. Nach einer kleinen Ewigkeit sprach Idana: „Ich fürchte, das wird nicht geschehen, Schwester. Du wirst nicht wieder stark genug sein.“

„Wie meinst du das?“ fragte ihre verwundete Herrin unsicher. „Es wird Zeit, für eine Endlösung in Bezug auf dich, meine Liebe.“ Gab Idana in langsamem Ton zurück. Dann zog sie einen verzierten Ritualdolch aus ihrem Gürtel. Darauf hatte sie schon so lange gewartet. Und jetzt würde es Wirklichkeit werden.

Die Augen der Erzzauberin waren mit Schrecken erfüllt. Sie wollte die Wachen rufen, doch auf eine Handbewegung Idanas hin erstickte ihre Stimme. Zum ersten Mal in ihrem unsterblichen Leben war Angst in ihren Augen zu sehen. Mit letzter Kraft streckte sie ihre Hand gegen ihre Schülerin und formte mächtige magische Worte mit ihren Lippen.

Für einen Moment taumelte Idana tatsächlich zurück, doch die Vernichtung des Seeungeheuers und die Beinverletzung hatten ihre Meisterin zu sehr geschwächt. Mit einem Wort der Macht fegte sie die Magie ihrer Gegnerin zur Seite und machte einen Schritt nach vor. Der Energiestrahl traf sie unvorbereitet. Ihre Herrin hatte sich etwas von der Überraschung erholt und war nun selbst in den Angriff übergegangen. Ein dünner, roter Strahl schoss aus ihrer rechten Hand und traf Idana in ihrer Brust. Sie fühlte ihre Kraft abfließen während sie ohnmächtig zusah, wie sich ihre Kontrahentin aufzurichten begann. Mit aller Mühe brachte sie ihre eigene Rechte zwischen den Strahl und ihre Brust. Auf ein Wort von ihr wechselte der Strahl seine Farbe zu einem grün und mit einem ohnmächtigen Keuchen sank die Erzzauberin zurück in ihr Bett. Idana konnte fühlen, wie ihre Kraft auf sie überging. Langsam setzte sie sich in Bewegung, bevor sie sich auf der Bettkante niederließ. Neben ihr lag ihre frühere Meisterin stöhnend und schweißgebadet. Idana war dabei, ihr ihre letzte Kraft zu entziehen. Noch einmal stemmte sich die Erzzauberin mit aller verbliebenen Macht gegen sie, doch sie wischte ihre Magie mit einem Wimpernschlag zur Seite. In den Augen der sterbenden Elfin spiegelte sich Angst wider- und die Frage nach dem Warum. „Weil ich schon immer deine Macht wollte. Eigentlich wollte ich dich durch eine Intrige ausschalten. Ich wäre schon zufrieden gewesen, wenn deine Position unblutig an mich gegangen wäre und du mir einfach nur gedient hättest.“ Sprach Idana mit gelassener Stimme.

Mit letzter Kraft stöhnte die Erzzaubern: „Ich… werde… dir …dienen… bitte…“

„Es ist zu spät. Ich konnte dich sowieso niemals leiden.“ Damit stieß sie ihren Dolch in die Brust der Elfin, deren Körper sich noch einmal aufbäumte. Ein Wirbel magischer Energie entstand um die Stelle, wo der Dolch die Haut der Erzzauberin durchdrungen hatte. Idana erhob sich, streckte ihre Arme weit aus und begann Wörter in einer längst vergessenen Sprache zu singen. Und dann schoss ein Strahl aus reiner magischer Energie aus dem Körper der Toten und fegte die Elfin von den Beinen. Nach einigen Minuten richtete sie sich mühsam wieder auf. Sie musste wohl kurzzeitig das Bewusstsein verloren haben. Idana horchte in sich hinein. Sie fühlte die Kraft ihrer früheren Meisterin, die auf sie übergegangen war. Sie versuchte sich in ihren neuen Fähigkeiten. Auf einen ihrer Gedanken leuchtete ihre Hand in einem strahlenden Licht und sie beobachtete mit Erstaunen, wie sich der Dolch aus dem Körper der toten Elfin löste und in ihre Hand schwebte. So leicht war es noch niemals gewesen. Als sie die Kajüte verließ und auf das Deck der schwarzen Arche trat wusste sie, dass sie wahrhaftig würdig war, fortan Erzzauberin genannt zu werden.

 

Er saß da und betrachtete sie. Das Essen war vorbereitet, das Pferd versorgt. Mit Mühe war es ihm gelungen, die Höhle in so etwas wie ein bewohnbares Heim zu verwandeln. Jenara hatte wirklich einen sehr schönen Körper. Nun sah sie in seine Richtung, wie ein schüchternes Reh, das ängstlich um sich blickt. Natürlich konnte sie nichts außer der Dunkelheit der Dämmerung erkennen. Auch wenn es eines Elfenritters unwürdig war, ungesehen zu verharren, beherrschte er diese Kunst doch bis zur Vollendung. Möglicherweise hatte Menethus ihn deshalb gebeten, seine Tochter zu schützen. Auf den ersten Blick mochte es keine sehr ehrenhafte Aufgabe für einen der Besten Ellyrions sein, doch hatte Etran schon in hunderten und aberhunderten Schlachten gekämpft. Er hatte so vielen tausenden das Leben genommen. Ist es nicht viel ehrenhafter, ein Leben zu schützen, statt tausend andere zu vernichten? Jenara hatte etwas Besonderes an sich- eine Art Wildheit, einen unbesiegbaren Willen, tief in ihrem Wesen. Ihre zarten Hände fuhren durch ihr langes, rabenschwarzes Haar. Sie erinnerte ihn an eine von ihnen. Eine derjenigen, die sein Heimatland in den Fluten versinken lassen hatten. Eine der dunklen Elfen. Was wäre wohl gewesen, wäre sie nicht hier in Ulthuan sondern im Reich des falschen Königs aufgewachsen? Niemand wird schlecht geboren. Der Hass Malekiths hatte die halbe Elfenheit verdorben. Würde er sterben, bestünde selbst für seine fehlgeleiteten Brüder noch eine kleine Hoffnung zur Umkehr von ihrem unheilvollen Pfad.

Jenara war gerade dabei, ihr Bad zu beenden. Sie wrang ihr nasses Haar sorgfältig aus und schüttelte das Wasser, das an ihr klebte, ab. Tausende klare Perlen stoben von ihrem Körper hinweg. Bei vielen hätte es plump ausgesehen, doch bei ihr hatte es etwas… Majestätisches. Liebte er sie? Etran wusste keine Antwort. Seine Gefühle durften seine Aufgabe, sie zu beschützen nicht gefährden. Und beschützen würde er sie, wenn es sein müsste mit seinem Leben. Das schwor er sich.

 

Als Tarash auf sein Schiff zurückkehrte, erwartete ihn Naira schon. Er hatte sie schon von weitem regungslos an der Reling stehen sehen wie sie irgendein kleines Ding betrachtete. Als sein Boot anlegte richtete sie sich auf und ging auf ihn zu. „Ich habe unsere Einwände vorgebracht.“ Grüßte er sie kühl. Der Ritter war noch immer beleidigt, weil seine Herrin ihn zum Botenjungen- und noch dazu auf einem sehr gefährlichen Botengang - gemacht hatte. Doch der Kampf gegen das Seeungeheuer hatte sein erhitztes Gemüt abgekühlt.

„Das sehe ich. Ihr habt mir einen großen Gefallen getan. Zu gegebener Zeit werde ich Euch reich entlohnen.“ Antworte sie ihm mit freundlicher, beinahe festlicher Stimme. Tarash nickte nur knapp. War es also doch nur eine weitere Prüfung gewesen?

„Es gab einen weiteren Zwischenfall?“ fragte Naira um das Gespräch fortzuführen. Natürlich wusste sie vom Angriff auf die Arche. Die ganze Flotte hatte angehalten und es mochten noch einige Stunden vergehen, bis die entstandenen Schäden an den Schiffen behoben wären und sie ihren Weg fortsetzen könnten.

„Ja, ein gewaltiges Seeungeheuer. So etwas habe ich noch niemals gesehen. Und ich glaube kaum jemand anders. Das bestätigt wohl den Verdacht, dass unsere Feinde ihre Finger im Spiel haben. Es war ein harter, anstrengender Kampf gegen das Monstrum.“ Gab Tarash mit müder Stimme zurück. Naira schien die Andeutung in seinen Worten zu verstehen und nickte nur knapp. „Ich werde auf mein eigenes Schiff zurückkehren. Ruht Euch ruhig aus, mein Ritter.“ Dann wandte sie sich lächelnd um und ließ Tarash allein zurück. Mein Ritter, wiederholte er ihre Worte in Gedanken. Grübelnd zog er sich in seine Kajüte zurück, um etwas zu schlafen.

 

Jenara sah sich ängstlich in alle Richtungen um. Gerade hatte sie ihr Bad beendet und das Kleid, das ihr Etran gegeben hatte, übergestreift. Vom Elfenritter selbst war aber keine Spur mehr zu sehen. Es war dunkel und um sie herum ertönte kein Laut außer dem Plätschern des Wassers. Plötzlich legte sich eine Hand auf ihre Schulter. Sie fühlte sich warm an, die Finger waren fein und grazil. Sie erbebte am ganzen Leib. Schließlich durchbrach eine ihre schon vertraute Stimme, die ihr ins Ohr flüsterte, das Schweigen: „Grün steht dir ausgezeichnet.“ Nach einer kurzen Pause, in der sie tief und erleichtert ausatmete, fügte Etran mit verheißungsvollem Unterton hinzu: „Das Essen ist angerichtet.“ Wahrscheinlich lächelte er, doch als sie sich umdrehte, um ihm ins Gesicht zu sehen, konnte sie es ob der Dunkelheit nicht genau erkennen. Er übte einen sanften Druck auf ihre Schulter aus. Unter ihren Füßen spürte Jenara das zertrampelte Gras des Weges, der bis zur Spitze des Wasserfalls führte. Nach einigen dutzend Metern standen sie am Ende des Weges, direkt vor dem herhabschießenden Wasser. Etran schob sie mit etwas mehr Nachdruck vorwärts. Sie fühlte die kühle Flüssigkeit ihren Leib umschließen, ihr Kleid durchdringen, an ihr herunter laufen. Sie tat noch einen Schritt und stand im trockenen. Vor ihr tat sich ein niedriger Durchgang auf, der steil nach unten führte und gerade breit genug war, dass zwei Männer nebeneinander hindurch passten. Neben ihr tauchte ihr Entführer wieder auf. Hier war es ein wenig heller als draußen. Als Jenara zur Decke und an die Wände blickte, erkannte sie den Grund dafür. Vereinzelt schienen Kristalle durch den Fels, brachen das wenige Licht, das sie erreichte, und warfen es tausendfach verstärkt zurück. Der Anblick war überwältigend. Mit vor Staunen offenem Mund wandte sie sich zum Etran um. Diesmal war es hell genug, um zu erkennen, dass er lächelte. „Eine natürliche Höhle. Beeindruckend, nicht wahr? Aber komm jetzt.“ Und mit diesen Worten nahm er sie an der Hand und zog sie ein paar Meter weiter nach vor, wo der Gang im Fels eine scharfe Biegung nach rechts machte und sich dann verbreiterte.

Jenara bot sich ein Anblick, den sie niemals in ihrem Leben vergessen sollte. Der Gang mündete in eine kleine Höhle, die gerade groß genug war, um ihnen beiden ein Lager zu bieten. In der Mitte brannte ein kleines Feuer, doch hier waren Wände und Decke sehr viel dichter mit tausenden dieser Kristalle durchwirkt, die das Licht des Feuers brachen und es so stark zurückwarfen, dass Naira anfangs blinzeln musste. Nach einer kurzen Pause, in der sie die funkelnden Steine ausgiebig betrachtet hatte, führte sie Etran in die Höhle. In einer Ecke lagen Sattel und Zaumzeug des Silberhelms, daneben seine Rüstung, Pfeil und Bogen und ein erlegter Hirsch. Gegenüber lagen zwei Matten, die ihnen als Schlafstatt dienen würden. Noch einmal wandte sie sich zu Etran um und betrachte ihn nun gründlich. Jetzt trug er ein braunes Wams und braune Hosen aus einem beständigen Leder. Das Schwert hatte er noch umgegürtet. Während sie sich müde und ausgelaugt vorkam, konnte sie an ihm keine Zeichen von Ermüdung erkennen. Als sie noch einmal in die Ecke mit dem toten Hirsch und Etrans Ausrüstung blickte fiel Ihr auf, dass das Pferd, das der Hochelf weggeführt hatte, fehlte. Als sie ihn danach fragte, gab er lächelnd zurück: „Athrion kann selbst auf sich aufpassen. Er ist auf den Steppen nahe diesem Wäldchen aufgewachsen. Hier haben wir sowieso keine Verwendung für ein Pferd. Und sollten wir ihn doch brauchen, wird er auf meinen Ruf hier sein.“ Jenara starrte ihn mit einer Mischung aus Misstrauen, Ehrfurcht und Verwirrung an. Noch vor kurzem war sie zu Hause in ihrem Zimmer gesessen und hatte an ihren Vater und an den nächsten Tag gedacht. Und jetzt war sie in dieser Höhle mit einem Elfenritter, dessen Fähigkeiten und Benehmen sie zum Teil beeindruckten, zum Teil einschüchterten und der behauptete, er habe sie auf die Bitten ihres Vaters hin entführt. Das war ihr einfach zu viel auf einmal. Etran schien dies zu merken und wies auf das Feuer, über dem auf einem Spieß zwei große Stücke Fleisch aufgespießt waren. „Es war ein anstrengender Tag. Iss dich satt und leg dich dann schlafen.“ Forderte er sie gutmütig auf. Als sie sich zögernd hinsetzte, fügte er noch in einem sanften, verständnisvollen Ton hinzu: „Morgen sieht die Welt schon viel freundlicher aus.“ Jenara probierte vorsichtig vom Fleisch, das auf einem Spieß über dem Feuer hing. Es schmeckte wunderbar. Obwohl Etran nichts aß, sondern sie nur beobachtete, war das bescheidene Abendmahl schon bald vollständig verzehrt. Nach einem Kompliment über seine Kochkunst legte sich die Elfin auf die linke der beiden Matten, der Elfenritter setzte sich neben sie. Sie blickten sich tief in die Augen. Dann begann Jenara zu sprechen: „Morgen sieht die Welt schon viel freundlicher aus. Woher hast du diesen Spruch?“ Auf diese Frage verfinsterte sich Etrans Miene. Es war, als würde ein dunkler Schatten aus der Vergangenheit über sein edles Antlitz huschen und ihm für einen Herzschlag etwas Dämonisches verleihen. Dann wirkte er einfach nur noch traurig. „Mein Vater sagte es in dunklen, stürmischen Nächten zu mir, als ich noch klein war und mich im Dunklen fürchtete. Das letzte Mal, als er spät in der Nacht aufbrach, um einem Dorf zu Hilfe zu eilen, das von Piraten unserer dunklen Brüder angegriffen wurde. Ich sah ihn nie wieder. Das einzige, das mir von ihm geblieben ist, ist sein Schwert, das ich am Strand zwischen den Leichen zweier Fischer fand.“ Dabei fuhr er sich instinktiv an die Seite und seine Hand verharrte einen Moment auf dem Knauf seines Schwertes, bevor er weitererzählte. „In diesem Moment stieg ein gewaltiger Hass auf die Mörder meines Vaters auf. Ich schwor damals, sie alle zu töten. Ich kämpfte und ich siegte. So viele tötete ich. Eines Tages merkte ich, dass das Töten niemals ein Ausweg ist. Es bringt nur noch mehr Leid und noch mehr Vergeltung. Ich dachte an den Spruch meines Vaters und schloss Frieden mit meiner Vergangenheit. Doch sein Geist leitet mich noch immer in vielen dunklen Nächten.“

„Wunderschön und gleichzeitig unendlich traurig.“ Flüsterte Jenara.

„Schlaf jetzt, kleine Elfin.“ Das letzte, was sie hörte, bevor ihr die Augenlieder zufielen, waren Etrans leise Schritte, die sich leise von ihr entfernten.

 

Der riesige Raum wurde lediglich von fünf Kerzen erleuchtet, sodass eine dichte, beinahe greifbare Dunkelheit herrschte. In der Mitte, in einem auf den Boden gezeichneten Pentagramm kniete Idana, an den fünf Ecken des magischen Zeichens standen fünf junge Zauberinnen, die monotone Anrufungen sangen. Vor der neuen Erzzauberin standen zwei Dienerinnen, die mit kostbaren heiligen Ölen ihren nackten Körper einbalsamierten. Überall roch es nach Räucherwerk. Idana hatte sich dazu entschieden, das Ritual, mit dem sie zur Erzzauberin geweiht wurde, gleichzeitig für die Aufgabe zu benutzen, die sie erhalten hatte - zuerst von ihrer früheren Meisterin und dann noch einmal von Furion höchstpersönlich. Er war nicht sehr erfreut über diesen weiteren sinnlosen Tod einer seiner Befehlshaberinnen gewesen und hatte ihr ziemlich deutlich klar gemacht, dass sie ihre Vorgängerin nicht lange überleben würde, sollte sie nicht ihren Wert unter Beweis stellen, indem sie den Hochelfenmagier tötete, der für diesen Angriff verantwortlich war. Töten war der springende Punkt. Der Herr Clar Karonds war über die Frechheit dieser Attacke und die beachtliche Zeitverzögerung so erzürnt, dass er den Tod eines der Beteiligten forderte - wenn nicht den des Hochelfen, dann eben ihren.

Die Weihungszeremonie war die ideale Gelegenheit dafür. Normalerweise gingen die magischen Kräfte einer Erzzauberin erst durch dieses Ritual auf die Anwärterin über, doch Idana hatte sie direkt von ihrer früheren Meisterin und Lehrerin empfangen, so dass der Ritus in ihrem Fall eigentlich unnötig wäre. Dennoch wurde einen gewaltige magische Energie aufgebaut, die sie, anstatt sie ungenutzt vergehen zu lassen, gegen ihren Feind lenken wollte.

Es waren nun schon vier Stunden vergangen und das Ende der Zeremonie rückte näher. Die junge Erzzauberin entschied, dass sie stark genug und es an der Zeit war anzufangen. Sie nahm einen goldnen Dolch vom Boden auf und hielt ihn in Brusthöhe vor sich. In ihm sammelte sie alle Energie, die im Raum vorhanden war. Die Luft um sie begann zu knistern und sie fühlte, wie eine gewaltige Menge an magischer Kraft durch sie hindurch in die rituelle Waffe floss, während die sieben anderen Zauberinnen im Raum schwächer wurden. Gleichzeitig richtete sie ihren Blick in weite Ferne, über das Meer, zur Insel Ulthuan, auf den weißen Turm, wo sie die Kraft fühlte, die sich ihnen in den Weg stellte. Und dann sah sie vor sich einen Elfenmagier, mit langem schwarzem Haar und jugendlichem, blassem Gesicht. Er trug die Roben eines Lehrmeisters von Hoeth, eines mächtigen Erzmagiers und saß in Meditationshaltung vor einem prächtig verzierten Altar. Das war er also. Mit einer enormen Willensanstrengung richtete sie die Spitze des Dolches auf den Elfen und entlud all die gesammelte Energie in einem einzigen, gleißend hellen Blitz, der den Erzmagier genau auf die Brust traf und mehrere Meter quer über den Boden schleuderte. Idana traute ihren Augen nicht: Er bewegte sich noch! Nun richtete sich ihr Feind langsam wieder auf und ging zum Angriff über.

Arion hatte dieser Angriff völlig überraschend getroffen. Ein gewaltiger Energiestoß hatte ihn aus seiner Meditation gerissen und ihm eine schwere Wunde beigebracht. Nun war er wieder auf den Beinen und ergründete die Richtung des Angriffs, während er Schutzformeln murmelte. Dann erweiterte sich sein Blickfeld und er blickte auf eine Landschaft, die rasend schnell an ihm vorüberraste. Wälder, Wiesen, das Meer und dann eine gewaltige Ansammlung von Schiffen - die Flotte der dunklen Elfen. Tief im Bauch eines der größten Schiffe nahm er die Ursache des Angriffs wahr - eine junge, nackte Elfenzauberin, umringt von sieben der ihrigen, die über beachtliche Macht verfügte, die von den anderen noch verstärkt wurde. Er musste schnell handeln, wollte er nicht unterliegen. Und so wob er einen mächtigen Angriffszauber und nahm den Kampf mit seiner wunderschönen und tödlichen Gegnerin auf.

Idana hatte sich von ihrem Schock erholt und sammelte gerade neue Kräfte, doch der andere war schneller und schleuderte einen mächtigen Energieball auf sie, der die Erzzauberin wanken ließ. Sie brauchte neue Kräfte. Mit letzter Kraft streckte sie ihre rechte Hand gegen ihren Feind und entzog ihm seine Lebenskraft, sie wurde stärker, während er schwächer wurde.

Arion wusste, dass ihn der verdorbene Zauber der Dunkelelfin töten würde, wenn er nicht schnell etwas unternahm. Er sammelte all den Schmerz und die Schwäche, die sie ihm zugefügt hatte in seiner rechten, und leitete es in den Energiestrahl, der ihm seine Lebenskraft stahl. Sofort danach begann er mit einem weiteren Angriffszauber. Eine Sekunde später brach bereits der Strahl ab und er sah, wie sich die Erzzauberin in Schmerzen wand.

Idana konnte es nicht glauben. Was war das gewesen? Irgendwie war es dem Feind, den sie für besiegt gehalten hatte, gelungen, ihre Magie gegen sie zu verwenden. Mit letzter Kraft, eine Hand ihren Bauch, der vor Krämpfen zitterte, haltend, streckte sie ihre Hand noch einmal gegen der Erzmagier der Hochelfen, diesmal nicht, um ihn anzugreifen, sondern um seinen Zauber zu reflektieren. Diesmal schoss er einen Energiestrahl auf sie ab, doch er prallte an dem energetischen Schild, den sie erschaffen hatte, ab und wurde zurückgeleitet. Sein eigener Zauber schwächte den feindlichen Magier. Nun setzte Idana zum Todesstoß an. Mit beiden Händen formte sie einen gewaltigen schwarzen Blitz, während sie die finstersten Dämonen des Chaos anrief. Dann schleuderte sie ihn auf den Erzmagier, der hoch in die Luft geschleudert wurde und mit einem seltsamen Platschen auf dem marmornen Boden seiner Kammer aufschlug. Idana wartete noch einige Minuten, doch keine Regung war zu verzeichnen. Zufrieden beendete sie den Kontakt und sank erschöpft in die Arme der beiden Zauberinnen, die vor ihr standen. „Furion wird zufrieden sein.“ War der letzte Gedanke, den sie hatte, bevor sie das Bewusstsein verlor.

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Kapitel 7

 

Es war seltsam. Er war tot und doch nicht. Sein Körper lag am Boden, tödlich verwundet, doch sein Geist war unverletzt, ungebrochen. Sein Ätherkörper löste sich vom Erzmagier. Arion stand auf und betrachtete sich selbst, regungslos am Boden liegend, keine Atmung, kein Herzschlag. Alles war plötzlich so hell, erfüllt mit allen Farben der Magie. Er konnte die subtilen Strömungen im Meer der Magie sehen, die kleinen Dämonen, Kobolde und Feen, die mit ihren Flügeln darauf segelten. Er selbst war Teil davon. Er bewegte sich auf eine Säule zu, griff danach - und griff ins Leere. Dann hörte er Schritte. Und dann Rufe. Als er sich umdrehte sah er, wie einige junge Adepten wie versteinert vor seinem verwundeten Körper standen. Alles spielte sich so langsam ab, tausendfach verlangsamt.

Dann sah Arion das Licht. Tausende kleine Sonnen, ein Tunnel aus Licht. Das war also der Daan ’Näeth, der Tunnel des Lichts, den die höchsten Erzmagier einst schon zu Lebzeiten durchschritten und das Reich des ewigen Lichts schauten. Manche kehrten sogar aus diesem Reich wieder in ihre Körper zurück, um der Nachwelt zu berichten. Doch für Arion bestand kein Zweifel, dass er nicht mehr zurückkehren könnte, würde er ihn jetzt durchschreiten. Ein unbeschreiblicher Zwang erfüllte ihn, auf das Licht zuzugehen, doch etwas hielt ihn zurück. Er durfte jetzt noch nicht gehen. Es gab noch etwas Wichtiges zu tun. Er…musste… musste… was musste er? Ja, die Invasion… aufhalten…er war verwundet worden… von der Zauberin… ja, es fiel ihm wieder ein. Seine Erinnerung begann zu schwinden. Mit einer Willenskraft, die er selbst für nicht möglich hielt, wandte er sich gerade noch rechtzeitig um. Er sah, wie die Adepten verzweifelt versuchten, seinen Körper zu reanimieren und Heilzauber auszusprechen. Er sah, wie sich seine physischen Wunden regenerierten und sein Körper wiederhergestellt wurde. Er wandte sich noch einmal zum Licht um, sah noch ein letztes Mal, all die magischen Wesen um ihn, in ihm, blickte auf die tausend Sonnen- und sprang. Er schwebte in der Luft, schwamm darin wie in einer Flüssigkeit und schließlich fiel er, verwandelte er sich, seinen Ätherkörper in reines Licht, das die Leiche dessen, der einmal Arion gewesen war - vor so langer Zeit, wie es ihm vorkam - durchdrang, sie erfüllte, mit neuem Leben. Ein gewaltiges Beben ging durch die Glieder des toten Magiers und dann begann sein Herz wieder zu schlagen und seine Lungen füllten sich wieder mit frischer Luft. Dann öffnete er die Augen und richtete sich auf. Er blickte die erstaunten Adepten an, deren Gesichter alle Farbe verloren. Ihm wäre es wohl nicht besser gegangen, hätte er gewusst, was sie in seinen Augen sahen - die Seele eines Wesens, das die Unsterblichkeit geschaut hatte.

 

Es war ein herrlicher Morgen. Elendar schritt gemächlich über das Deck seines Flaggschiffes, bis er am Bug angelangt war, wo er stehen blieb. Eine kalte Brise blies ihm in sein jugendliches Antlitz. Sie waren dem Eismeer schon sehr nahe gekommen. Als der Hochelf nach links und rechts blickte, sah er dutzende Schiffe der gewaltigen Flotte, die er befehligte. Schlank und länglich gebaut, mit bunt bemalten Segeln und Schilden geschmückt, waren diese Schiffe ein beeindruckender Anblick, doch nichts gegen die gewaltige Tireme, sein Flaggschiff. Sie war fast doppelt so groß wie die gewöhnlichen Schiffe und beherbergte neben einigen Dutzend Besatzungsmitgliedern in ihrem Bauch 800 erfahrene Krieger. Insgesamt waren an Deck 16 Repetierspeerschleudern angebracht, in den Geschützstellungen auf den unteren Decks noch einmal 16. Dieses Schiff war der einzige Dreimaster der gesamten Flotte und wurde nach den Plänen eines absolut neuen Schiffstyps angefertigt, der schnell, schwer bewaffnet und widerstandsfähig sein sollte. Oberbefehlshaber Naethis wollte ihn durch diese Expedition testen.

Wie Elendar befand war es an der Zeit gewesen, dem Militär wieder mehr Ressourcen zuzusprechen. Morvael vernachlässigte seine Streitkräfte sträflich. Naethis mochte zwar ein Hitzkopf sein, doch wenigstens brachte er etwas frischen Wind. Tatsächlich war der Bau dieses Flaggschiffs seit langem das Einzige gewesen, worin sich er und sein ewiger Konkurrent Menethus einig gewesen waren.

Und nun war das Schiff fertig. Ein wahres Prachtstück und zu Recht der Stolz der hochelfischen Flotte. Elendar fragte sich, wie wohl die Schiffe der Dunkelelfen aussehen mochten. Sicher, der junge Admiral hatte in seinem Leben schon einige ihrer Galeeren gesehen und auch versenkt, doch waren das bis jetzt immer nur kleine Piratenschiffe gewesen, die meistens versucht hatten, zu fliehen. Er war noch niemals einem wirklichen Kriegsschiff der dunklen Brüder begegnet. Oder gar einer schwarzen Arche. Ein Schaudern durchfuhr den hochgewachsenen, schlanken Elfen. Bei dem Gedanken an diese schwimmenden Festungen mischten sich Furcht und Zweifel in seine sonst so feinen Gesichtszüge. Insgeheim zweifelte er an den Berichten der Überlebenden. Wenn nur die Hälfte davon stimmte, würde selbst sein stolzes Schiff dagegen wie ein kleines Beiboot aussehen. Er hoffte insgeheim, die Wahrheit niemals herausfinden zu müssen.

Jemand rief nach Elendar. Als er sich umdrehte, stellte der Admiral fest, dass es sich um seinen ersten Offizier, einen etwas kleineren, schlanken Elfen, handelte, der sich näherte und neben ihm stehen blieb. Er trug wie immer volle Rüstung im Gegensatz zu seinem Vorgesetzten, der bequemere Kleidung vorzog, wenn nicht gerade eine Schlacht anstand oder er auf einer Mission wie dieser war. Dieser Elf war viel älter und erfahrener und hatte ihm schon öfters mit Rat zur Seite gestanden, seit sie abgelegt hatten.

„Schönes Wetter heute, Admiral“ begann er das Gespräch.

„Ja, durchaus. Aber es wird schon kälter.“

„Das Eismeer.“ Elendar nickte nur.

„Wir sollten aufpassen. Es gibt einige Gefahren dort, Admiral.“ Verwirrt blickte sein Befehlshaber auf. „Wie meint Ihr das? Feindkontakt?“

„Ja, auch. Je weiter wir nach Norden kommen, desto kälter wird es. Manchmal ist das Meer an einigen Stellen richtig zugefroren, so dass sich richtige Kanäle bilden. Ein idealer Ort für Hinterhalte.“

„Ihr glaubt an einen Angriff, obwohl unsere Mission geheim ist?“

„Nein, aber ich bereite mich gerne auf alles vor.“ Mit diesen Worten klopfte er sich gegen seinen mit Silber beschichteten Brustharnisch. Dann fuhr er in etwas ernsterem Ton fort: „Nein, die wahre Gefahr, geht von der Kälte und dem Meer selbst aus. Wir werden darauf achten müssen, dass uns dir Ruder nicht einfrieren. Außerdem gibt es hier teilweise Eisberge.“

Entgeistert sah ihn Elendar an: „Warum haben wir dann überhaupt diese unglückselige Route gewählt?“

„Taktik, Admiral.“ Auf dessen fragenden Blick fügte der erste Offizier mit einem verwegenen Lächeln hinzu: „Wir treffen auf dieser Route wohl auf den wenigsten Widerstand. Kein Dunkelelf ist verrückt genug, durch das Eismeer zu fahren, wenn er viel bequemere und sichere Seewege zur Verfügung hat. Und erst recht wird niemand damit rechnen, dass wir verrückt oder dumm genug sind, diesen Kurs zu nehmen.“

„Ich hoffe, wir bringen dieses kleine Abenteuer schnell und unbeschadet hinter uns.“ Gab Elendar besorgt zurück.

„Es wird schon gut gehen, nur keine Sorge Admiral.“ Versuchte ihn sein erster Offizier zu beruhigen. Doch der junge Hochelf wurde das Gefühl nicht los, dass etwas nicht stimmte.

 

Das Gezwitscher der Vögel weckte Jenara aus ihrem Schlaf. Gähnend erhob und streckte sie sich. Das Feuer war heruntergebrannt und die Höhle lag nun in einem dämmrigen Licht, sodass die Elfin nicht genau sehen konnte, was sie umgab. Vorsichtig ging sie durch den Gang bis zum Wasserfall, dann holte sie einmal tief Luft und schritt hindurch. Sie zitterte am ganzen Leib, als sie wieder völlig durchnässt im Trockenen stand. Die warmen Strahlen der Sonne wärmten sie aber wieder.

Als Jenara in den Himmel blickte stellte sie mit Entsetzen fest, dass die Sonne schon im Zenit stand. Sie hatte den halben Tag verschlafen!

Gerade, als sie den Gedanken zu Ende gedacht hatte, hörte sie einen schrillen Pfiff aus dem Wald, der sich beinahe wie der eines Tieres anhörte. Als sie in die Richtung sah, aus der er gekommen war, konnte sie zuerst nichts sehen, erst auf den zweiten Blick fiel ihr die Gestalt Etrans auf, der sich auf grazile Weise durch das Dickicht des Waldes auf sie zu bewegte. In der einen Hand hielt er einen kleinen Dolch, in der anderen einen kleinen Sack, den er sich über die Schulter geworfen hatte. In wenigen Augenblicken war er bei ihr und begrüßte sie fröhlich: „Guten Morgen. Das Frühstück hast du leider verschlafen.“

„Und du? Schläfst du denn niemals?“

„Oh doch, nur nicht so lange wie du.“ Entgegnete er scherzhaft.

„Was ist in dem Sack?“

„Beeren.“

„Zum Essen?“ Jetzt erst spürte Jenara ihren Hunger. „Ich könnte einen halben Hirsch verdrücken.“

„Oh, das hast du gestern. Na ja, fast zumindest.“ Als sie rot wurde, beeilte sich Etran, zu einem anderen Thema überzuleiten. „Einige der Beeren sind schon zum Essen. Aus anderen mache ich heilende Salben, andere geben hervorragende Gewürze ab, und andere…“ Mit einem geheimnisvollen Lächeln brach der Elfenritter ab.

„Spann mich nicht so auf die Folter!“ protestierte Jenara.

„Komm, ich zeige es dir.“ Mit diesen Worten und einem Wink, ihm zu folgen, ging Etran den Weg hinunter zum See. Neugierig ging ihm die Elfin nach.

Der Elfenritter kniete vor dem Rand des kleinen Sees nieder, setzte behutsam das Tuch ab und öffnete es. Es kamen hunderte winziger Beeren in den verschiedensten Farben und Größen zum Vorschein. Als Jenara ihn erreicht hatte und sich ebenfalls niederkniete, befahl er ihr, mit den Händen etwas Wasser zu schöpfen. Sie tat es. Daraufhin nahm Etran zwei kleine, rote Beeren, hielt sie über die Hände der Elfin und zerdrückte sie, sodass ein paar Tropfen ihres roten Saftes hinabtropften und sich mit dem Wasser darin vermischten.

„Trink.“ Forderte er sie auf. Zögernd bewegte sie ihre Hände zum Mund und nippte an dem Getränk, dann trank sie den Rest mit einem Satz. Sie hatte selten etwas so herrliches getrunken. Es schmeckte berauschend wie Wein, doch sehr viel süßer. Nachher fühlte sie sich erfrischt.

„Wie ich sehe, hat es dir geschmeckt.“ Bemerkte Etran mit freundlicher Stimme.

„Was war das?“

„Vor langer Zeit wurde es Aläis genannt. Diese Beeren wuchsen vor allem in den Provinzen Tiranoc und Nagarythe, die von den Fluten verschlungen wurden. Nach der Spaltung ging das Geheimnis um dieses Getränk verloren. Nur noch in wenigen, abgeschiedenen Wäldchen wachsen die Sträucher, die diese Frucht tragen und nur wenige Adlige des einstigen Tiranoc wissen heute noch darum. Diese Beeren sind in der Tat so selten, dass es als Sakrileg gilt, sie zu pflücken und das Aläis nur den hohen Adligen Tiranocs und dem Phönixkönig vorbehalten ist.“ Den letzten Satz hatte er mit besonderer Ehrfurcht ausgesprochen. Jenara wurde etwas unwohl als sie ihn fragte: „Dann hätte ich es doch auch nicht trinken dürfen.“

„Ich bin noch immer ein hochrangiger Adliger einer der besten Ritter Ulthuans.“ Antwortete Etran beinahe etwas beleidigt. „Ich und mein Bruder haben vor langer Zeit, als wir noch jung waren, diese Beeren hier gepflanzt. Niemand schreibt mir vor, wie ich mit meinem Eigentum zu verfahren habe.“

„Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht…“

„Ist schon gut.“ Unterbrach sie der Elfenritter mit einem gutmütigen Lächeln. „Es ist nur so, dass… ach ich hätte nicht mit diesem leidigen Thema über alte Sitten und Traditionen anfangen sollen. Lassen wir das einfach.“

Jenara begnügte sich mit einem etwas verwirrten Nicken. Daraufhin bot ihr Etran an, am Nachmittag gemeinsam den Wald zu erkunden. Noch immer etwas verstört von den Ereignissen der letzten Tage willigte Jenara ein. Doch für den Moment war sie heilfroh, als sich der Silberhelm erhob, den schmalen Pfad zur Höhle hinauf schritt und sie allein mit ihren Gedanken ließ.

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Freut mich, dass es dir bisher gefällt :)

 

Kapitel 8

 

Zum ersten Mal seit Jahrhunderten war der Hexenkönig besorgt. Er stand auf dem Höchsten Turm seiner schwarzen Arche und blickte konzentriert auf den Horizont. Durch seine erhöhte Position konnte er ohnedies schon viel weiter blicken, als jeder andere auf seinem Schiff und diese Entfernung bemühte er sich noch mit magischen Mitteln zu vergrößern. In weiter Ferne konnte er die ersten Segel der Hochelfenflotte erkennen. Es würde nicht mehr lange dauern. Schon in wenigen Stunden würden sie auch für die anderen sichtbar auftauchen. Seine Zauberin hatte ihm berichtet, dass sie magische Erschütterungen auf der Route Furions wahrgenommen hätte. Als der Hexenkönig das selbst nachprüfen wollte, war die Energie aber schon zu schwach gewesen, um noch eine genauere Aussage treffen zu können.

All das gefiel ihm nicht. Seine Eskorte und vor allem seine magischen Fähigkeiten und die seiner Zauberinnen waren mehr als groß genug, um diese erbärmliche Armada zu zerquetschen. Dabei ließ er bewusst außer Acht, dass seine Bestienmeister auf Wunsch dutzende furchterregende Seeungeheuer heraufbeschwören könnten. Doch all dies nützte ihm nichts, denn er brauchte nichtsdestotrotz Furions Schiffe, um die Hochelfen einkreisen und ganz vernichten zu können. Sollte nur ein Schiff entkommen und die Kunde seines Sieges nach Ulthuan bringen, würden selbst die dekadenten und unfähigen Generäle am Hof des Phönixkönigs eins und eins zusammenzählen und Vorbereitungen treffen. Dann würde seine Invasion um einiges schwieriger werden.

Doch noch hatte sein General Zeit. Es war nun später Nachmittag und es würde erst in der Nacht zum Kampf kommen. Die zunehmende Dunkelheit nütze dem Hexenkönig sehr. Er hatte befohlen, alle Lichter zu löschen und in dieser Nacht keine Lichter anzuzünden, bis sein ausdrücklicher Befehl kam. Diese närrischen Hochelfen würden ihm geradewegs in seine Geschütze segeln!

Doch nun war die Zeit der Überlegungen und der Vorfreude vorbei, Taten mussten folgen und die letzten Stunden des sterbenden Tages genützt werden. Malekith löste seinen Blick vom Horizont und blickte auf das Deck seiner schwarzen Arche hinab. Dutzende Meter unter ihm wuselten hunderte Korsaren herum und gingen geschäftig ihrem Handwerk nach. Sie kamen ihm vor wie Ameisen. Unter ihnen machte er zwei etwas prächtiger gekleidete Gestalten in voller Rüstung aus - zwei seiner Offiziere. Einer blickte gerade nach oben. Mit einem Wink seiner Hand bedeutete Malekith ihnen beiden, zu ihm zu kommen. Der, der nach oben geblickt hatte, legte kurz die Hand auf die Schulter des anderen, der sich daraufhin umdrehte. Gleichzeitig setzten sie sich in Bewegung, um fünf Minuten später vor ihrem Herrn und Meister zu stehen. Sie knieten ehrfürchtig nieder und erneuerten ihre Treueschwüre ihm gegenüber. Mit einer gelangweilten Handbewegung hieß sie der Hexenkönig aufstehen. Dann begann er zu sprechen: „Ah, meine beiden Untergebenen. Wisset, ich habe unsere Feinde beobachtet, so wie ich euch auch andauernd beobachte. Die feigen Verräter aus Ulthuan werden mit ihrer jämmerlichen Flotte schon bei Anbruch der Nacht am Horizont zu sehen sein.“ Die beiden nickten ehrfürchtig, bevor ihr Herr weiter sprach: „Deshalb ist es mein königlicher Wunsch, dass ihr die Einhaltung meines Verbots Licht anzuzünden streng überwacht. Weiters sollt ihr das letzte Licht dieses Tages nutzen, um euch und eure Männer zum Kampf bereitzumachen. Postiert Fackeln bei den Geschützen und jeder dritte Krieger soll eine Fackel erhalten, doch dürfen sie erst auf meinen ausdrücklichen Befehl entzündet werden.“ Die letzten Worte hatte Malekith in etwas schärferem Ton ausgesprochen. Beide Offiziere versicherten ihm, sie würden seine Befehle gewissenhaft ausführen.

„Bei Anbruch der Dämmerung will ich, dass meine Order ausgeführt ist und sich jeder Krieger meines Volkes an Deck der Schiffe befindet. Denn heute Nacht werden wir das Meer rot färben mit dem Blut unserer verräterischen Brüder!“ Nachdem der Hexenkönig geendet hatte, bedeutete er den beiden, sich zu entfernen. Sie ließen sich nichts anmerken, dennoch spürte Malektih, dass sie heilfroh waren, aus seine Nähe zu verschwinden.

 

Die Dämmerung hatte eingesetzt. Vor wenigen Stunden war der letzte edle Elf, der auf Menethus’ Seite stand, angekommen. Nun waren sie alle im Innenhof seines prächtigen Hauses versammelt: Menethus selbst, Elarios aus Tiranoc, Erias, ein Schwertmeister aus Hoeth, der von Arion geschickt wurde und ein knappes dutzend niederer Adliger. In den Schatten der Arkaden des Innenhofs verbargen sich drei dunkle Gestalten: Uthriel von Nagarythe und zwei seiner Gefährten. Sie alle drei waren Krieger aus dem einstigen Land der Dunkelelfen, die die Verbrechen Malekiths allerdings erkannt hatten und seinem dunklen Weg nicht gefolgt waren. Sie waren die Schattenkrieger, die besten Kundschafter, die das Elfenreich aufbieten konnte. Und Uhtriel war ihr Anführer. Im bevorstehenden Guerillakrieg gegen die Legionen ihrer finsteren Brüder würden sich diese dunklen Krieger als unschätzbar wertvoll erweisen.

Nun, da sie alle vollständig waren, war es an der Zeit, zu dem heiligen Ort aufzubrechen, wo Arion sie erwarten würde. Menethus trat vor und erhob seine Stimme: „Freunde!“ Dabei ließ er seinen Blick in der Runde schweifen, bevor er fort fuhr: „Viele von euch kenne ich. Mit einigen von euch hatte ich schon das Vergnügen, zu kämpfen, mit einigen nicht. Einige von uns mögen edle Ritter sein, andere Meister mit dem Schwert. Die einen kämpfen bei Tag, die anderen in Dunkelheit.“ Dabei blickte er in die Richtung, wo er Uthriel vermutete. Nach einer kurzen Pause setzte er seine Rede fort: „Doch uns allen ist etwas gemein: Wir alle kämpften und bluteten schon für unsere Heimat. Nun ist die Zeit gekommen, da sie uns wieder braucht. In diesem Moment plant der Hexenkönig von Naggaroth eine Invasion auf unsere Ländereien. Ich fürchte, unsere Flotte ist bereits verloren, also müssen wir uns umso mehr darauf konzentrieren, ihn nicht zu tief nach Ulthuan eindringen zu lassen. Dabei handeln wir gegen das Geheiß des Phönixkönigs, der leider die Bedrohung nicht sehen kann oder will. Unser Kampf mag uns keine Ehre bringen und vielleicht das Leben kosten. Das erwähne ich jetzt noch ein letztes Mal, und nun kann niemand mehr sagen, er hätte nicht gewusst, worauf er sich einlässt. Doch es steht noch jedem frei, zu gehen.“ Wieder ließ Menethus seinen Blick herumschweifen. Es herrschte absolute Stille. Plötzlich löste sich aus den Schatten eine vermummte Gestalt und trat vor. Es war Uthriel, in seiner Hand hielt er eine rote Rose aus den Gärten Menethus’. Sein Auftritt brach die Stille und es war leises Keuchen und Murmeln zu hören, als der Nagaryther die Arme hob und zu sprechen begann: „Ich weiß, dass viele von euch mich nicht mögen und mein Kommen nicht gut heißen. Ja, ich bin ein Nagaryther und ja, viele meiner Vorfahren folgten dem falschen König nach. Glaubt mir, in keinem brennt der Hass auf unsere verräterischen Brüder heller, als in mir, denn sie waren es, die mein wunderschönes Land in den Fluten versinken ließen. Heute bin ich hier, um zu verhindern, dass sie noch mehr Unheil über uns bringen. Scheinbar sind nicht alle aus diesem Grund hier.“ Auf diese Worte, stießen die anderen ein erstauntes Keuchen aus und einer der niederen Adligen rief Uthriel einen feigen Verräter. Mit wütender Stimme schritt Menethus ein: „Hört auf! Lasst den Nagaryther sprechen! Und du“ fügte er mit einem zornigen Blick auf den Schattenkrieger hinzu „tätest besser daran, deine beleidigenden Worte zu erklären.“ Uthriel löste sich von seiner Position und ging gemächlich im Kreis, wobei er nacheinander jedem der Anwesenden tief in die Augen blickte. „Viele haben den gleichen Zorn wie ich, den gleichen Mut und dieselbe Stärke. In ihren Augen sah ich Entschlossenheit. Doch es sind auch andere unter uns. Wisst ihr, was ich in euren Augen sah, als euch General Menethus mit der Möglichkeit eures eigenen Todes konfrontierte? Ich sah Furcht. Ist euch eure Heimat nicht mehr wert, als euer Leben? Was wäre es, ohne eure Heimat?“ Schweigen. Nach einer scheinbaren Ewigkeit fuhr Uthriel fort: „Glaubt mir, unsere Seelen sind untrennbar mit diesem Land verwurzelt. Stirbt es, so werden auch wir über kurz oder lang sterben. Viele sehen ins uns Nagarythern das Verderben, das unseren dunklen Brüdern innewohnt. Doch in uns ist nichts dergleichen. Seit Jahrtausenden schon kämpfen wir unermüdlich gegen die Kundschafter des Hexenkönigs - und gewinnen. Ich würde eher sterben, als unser Land von einem Verräter regiert und von seinen Legionen verheert zu wissen. Das schwor ich einst mit Blut und heute will ich diesen Schwur erneuern.“ Mit diesen Worten presste er seine Finger gegen die Rose, so dass ihre Dornen in sein Fleisch schnitten und ein dünner Strom aus Blut von seiner Hand auf den Boden tropfte. Dann fragte er: „Seid auch ihr bereit, euer Leben zu opfern, wenn es nötig sein sollte?“ Dann verschwand Uthriel in dem Schatten, aus dem er gekommen war, doch jeder wusste, dass er die Menge aufmerksam beobachtete. Die Elfenadligen begannen wieder zu murmeln, bis jemand aus der Menge leise Ja sagte. Dann ein zweiter, dritter, immer lauter und zahlreicher wurden die Stimmen, bis einer der jungen Adligen vortrat und mit feierlicher Stimme sprach: „Ja, wir sind bereit.“ Dann trat er wieder zurück und Menethus ergriff wieder das Wort: „Dann ist es also beschlossen. Und nun lasst uns aufbrechen. Arion wird bereits warten.“ Mit diesen Worten zündete er eine Fackel an und schritt durch das weit offen stehende Tor. Die anderen taten es ihm gleich. In einer schweigenden Prozession wandelten sie durch die Dunkelheit der Nacht.

 

Furion atmete erleichtert auf. Seine neue Erzzauberin hatte ihm vor kurzem mitgeteilt, dass die feindliche Flotte nicht mehr weit entfernt war und König Malekith sein Eintreffen 4 Stunden nach Dämmerung erwartete. Weiters sollte er alle Lichter löschen und sie erst wieder auf seinen ausdrücklichen Befehl anzünden. Trotz aller Behinderungen sollte es ihm möglich sein, das Zeitlimit einzuhalten. Um ein rechtzeitiges Eintreffen zu gewährleisten hatte er den Kommandanten seiner Begleitschiffe angeordnet, alle verfügbaren Sklaven zum Rudern einzuteilen und regelmäßige Wechsel vorzunehmen. Die Zauberinnen auf seinen beiden schwarzen Archen befanden sich nun tief im Inneren der gewaltigen Schiffe, nahe den dunklen, von purer magischer Energie durchtränkten Steinen im Herzen der schwimmenden Festungen, und bemühten sich, die Winde der Magie so zu lenken, dass auch diese schneller vorankamen.

Furion blickte nach rechts. Mit im Wind wehenden Haaren stand Idana neben ihm, in der Robe einer Erzmagierin, wie es ihr jetzt zustand. Sie hatte ihn, nachdem ihr Malekith in Visionen seine Befehle mitgeteilt hatte, gebeten, bis nach der Schlacht an seiner Seite verweilen zu dürfen, für den Fall dass es noch weitere Anordnungen gab. Er betrachtete ihr Gesicht genauer. Tiefe, dunkle Augen, eine kurze, gerade Nase und ein voller, blutroter Mund. Sie blickte mit einer seltsamen Entschlossenheit auf die See. Verglichen mit ihm, dem fünftausend Jahre alten Chronisten und Heerführer des Hexenkönigs war sie noch jung. Sie kam ihm beinahe vor wie ein kleines Mädchen. „Ein tödliches kleines Mädchen, wie der Hochelfenmagier erfahren musste“ hallte ihre Stimme in seinen Gedanken wieder. Er hatte vergessen, dass sie trotz ihres rasanten Aufstiegs doch schon alle Fähigkeiten einer wahren Erzzauberin besaß - auch das Gedankenlesen.

„Deine Kräfte haben sich wahrhaftig gewandelt, Idana“ antwortete ihr Furion - ebenfalls in Gedanken. Die Dunkelelfin zuckte kurz zusammen und sah ihn dann mit vor Erstaunen geweiteten Augen an, bevor sie mit zitternder Stimme hervorbrachte: „Ich … wusste nicht... dass…“

Für einen kurzen Augenblick verschwanden Furions harte Züge und mit beinahe sanfter Stimme unterbrach sie der Dunkelelfenkommandant: „Überrascht? Nur weil ich meistens mit dem Schwert kämpfe, heißt das nicht, dass mir nicht noch andere Möglichkeiten zur Verfügung stehen.“

„Aber laut dem Erlass des großen Malekith ist es Männern verboten, die arkanen Künste zu erlernen. Alle männlichen Zauberer sind geächtet.“ Wendete Idana mit verschwörerischer Stimme ein.

„Du vergisst, dass Malekith selbst auch ein Mann ist. Diese Beschränkungen gelten nur für die Unwürdigen, Unreinen. Für die, die am höchsten in seiner Gunst stehen, gibt es Ausnahmen.“

Mit einem Nicken wendete Idana ihren Kopf von ihm ab. Dann, nach einer langen Pause, drehte sie sich wieder zu ihm: „Wie lange beherrscht Ihr die Magie schon?“

„Ich erlernte sie fünf Jahre lang im weißen Turm von Hoeth. Ich war damals einer der wenigen, die gleichermaßen im Kampf mit dem Schwert als auch mit subtileren Kräften geschult wurden. Das war noch vor der Abspaltung, als sich das Zeitalter des großen Aenarion zu Ende neigte.“

Ehrfürchtig blickte ihn die junge Erzzauberin an. „Ihr müsst sehr viel über die arkanen Kräfte wissen. Weit mehr, als jeder andere lebende Dunkelelf.“

„Ausgenommen König Malekith und seine Mutter Morathi, ja.“

„Als ich den Magier der Hochelfen angriff, war ich überwältigt von seiner Macht. Obwohl ich ihn überraschte, hätte er mich beinahe besiegt, als er meine eigenen Kräfte gegen mich verwendete.“

„Ja, ein alter Trick. Einer von vielen, mit dem sie ihre Feinde täuschen und schwächen, um sie schließlich vernichten zu können.“

„Könnt ihr es mich lehren?“ bettelte Idana. Als er sie prüfend anblickte, schmiegte sie ihren warmen, geschmeidigen Körper um den seinen und küsste ihn auf die Wange. „Bitte“

Keiner von Furions Zügen zeigte auch nur die leiseste Regung als er antwortete: „Nun gut, ich werde dich unterweisen, wenn ich in diesem Krieg Zeit finde“ Mit scharfer Stimme fügte er hinzu: „Unter meinen Bedingungen.“ Dabei blickte er der jungen Erzzauberin tief in die Augen. Nur für den Bruchteil einer Sekunde sah sie darin etwas anderes, als den allgegenwärtigen Hass - einen Funken von Begierde.

Idana löste sich nun wieder vom Körper des Dunkelelfen und stand starr neben ihm. Stumm blickten sie auf das eisige Meer. Keiner von beiden rührte sich, bis sie und die gesamte Flotte von Dunkelheit eingeschlossen wurden.

bearbeitet von Reinholdus

"Conan! What is best in life?" - "Crush your enemies, see them driven before you, and hear the lamentation of their women."

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Kapitel 9

 

Die Dunkelheit war hereingebrochen. Elendar stand noch immer, dem eisigen Wind trotzend, am Bug seines Schiffes und starrte in die Dunkelheit. Die Flotte näherte sich nun der Stadt Karond Kar. Der Elf schätzte, dass sie sie in zwei Tagen erreichen würden, wenn der Wind anhielt. Aus diesem Grund hatte er verordnet, die Beleuchtung der Schiffe auf ein Minimum zu reduzieren. Er hatte es nicht gewagt sie ganz löschen zu lassen, um mögliche Gefahren auf der Strecke rechtzeitig erkennen zu können. Als es Nacht geworden war, war ein dichter, beinahe unheimlicher Nebel aufgetaucht, der die Sicht weiter erschwerte. Der Elf hatte das Gefühl, er könne die dichten Schwaden, die gemeinsam mit dem spärlichen Licht das Deck in einen unheimlichen, sich schier endlos in alle Richtungen streckenden Raum verwandelten, mit dem Schwert durchschneiden.

Hinter dem Admiral ertönten das Ächzen der Masten und die leisen Stimmen einiger Soldaten der Seegarde. Elendar rief sich noch einmal seine Aufgaben ins Gedächtnis. Die Befehlshaber am Hofe des Phönixkönigs hatten gemeint, Karond Kar sei als nördlichste große Bastion des Hexenkönigs, die von der See zugänglich war, für einen Überraschungsangriff prädestiniert. Die Stadt hatte überdies einen großen Hafen, von dem aus schon unzählige Raubzüge gestartet worden waren. Sein Primärziel war es, diesen Hafen und die Schiffe darin zu zerstören, bevor ihre Besatzungen und die Garnisonsarmee der Stadt Widerstand leisten konnten. Sollte sich eine Gelegenheit ergeben, die Dunkelelfenstadt selbst zu vernichten oder einzunehmen, würde er sie ergreifen. Das hielt der junge Admiral für gar nicht so unwahrscheinlich. 400 Schiffe hatte er zur Verfügung - den Großteil der Flotte Ulthuans.

Bei dieser Zahl wurde sich Elendar wieder der gewaltigen Verantwortung bewusst, die auf seinen jungen Schultern ruhte. Warum war gerade er ausgewählt worden? Er hatte doch noch kaum Erfahrung. Er hatte sich schon oft gefragt, warum nicht Naethis oder Menethus selbst die Flotte anführen wollten, war aber niemals auf eine befriedigende Antwort gestoßen. Er wusste nur, dass man in den Reihen der Seegarde munkelte, dass Menethus nicht mehr den Einfluss am königlichen Hof genoss wie zu Zeiten der Phönixkönige Bel - Korhandis und Aethis. Vielleicht deshalb, weil man der Ansicht war, dass Menethus als enger Vertrauter des Königs Aehtis dessen Ermordung verhindern hätte müssen. Wahrscheinlicher aber war, dass viele am Hof einfach nicht mehr seine mahnende Stimme hören konnten, mit der er sie immer wieder aufforderte, die Truppen zu verstärken anstatt abzubauen. Elendar wusste nicht, was er von Menethus halten sollte. Er war ihm noch nie persönlich begegnet, doch wie er an den Gesprächen der Soldaten und vor allem an denen der Seegardisten hörte, genoss er in ihren Reihen großes Lob. Es heißt, er habe über längere Zeit die Anschaffung neuer Ausrüstung teilweise aus seinem Privatvermögen finanziert.

„Verzeiht, Herr.“ Jäh wurde Elendar von der Stimme eines jungen Speerträgers aus seinen Gedanken gerissen. Etwas verwirrt drehte er sich zu dem Elf um, dessen Umrisse sich aus den Nebelschwaden schälten. Er war noch ein halbes Kind, vielleicht 50 Jahre alt. Wahrscheinlich war dies hier seine erste wirkliche militärische Operation.

„Was gibt es?“ frage der Admiral in gutmütigem Tonfall.

„Ich habe gehört, wir erreichen schon bald Karond Kar?“

„Woher weißt du das?“ gab Elendar mit forscher Stimme zurück. Das Ziel dieser Mission war selbst den Besatzungen der Schiffe nicht bekannt. Stammelnd antwortete der junge Elf: „Verzeiht… ich wusste nicht… ich hörte, wie euer erster Offizier mit einigen Seegardisten sprach… und… und…“

„Schon gut, schon gut.“ Er hätte es wissen müssen. Vielleicht wurde die Einstellung eines Elfen zu Befehlsketten und Ordern etwas lockerer, wenn er mehrere hundert Jahre alt war. Anders konnte er sich das Verhalten seines ersten Offiziers selbst nicht erklären. Er würde morgen mit ihm darüber sprechen. Aber jetzt war es sowieso egal. Er konnte den Jungen nicht dafür verantwortlich machen, was er gehört hatte. „Ja, wir werden bald da sein. Warum?“

„Nun ja, Herr. Das wird meine erste richtige Schlacht werden und ich habe schon viele Geschichten über die dunklen Brüder gehört…“ begann der Elf zaghaft.

„Und du willst wissen, ob sie stimmen?“ schloss Elendar.

„Ja, Herr.“

„Habe keine Furcht. Es sind Elfen, so wie wir. Sie brauchen genauso Nahrung und Wasser wie wir und sie bluten genauso wie wir. Wir sind mit Sicherheit zahlenmäßig überlegen und haben noch dazu das Überraschungsmoment. Du wirst schon bald wieder zuhause sein, das verspreche ich dir.“

„Danke, Herr.“ Mit einem Nicken drehte sich der junge Soldat um und machte sich daran, seinen Patroulliengang fortzusetzen.

Und plötzlich erbebte das Meer und ein mächtiger Windstoß wischte den mysteriösen Nebel hinweg und gab den Blick auf das Desaster frei. An der Spitze der Schiffskolonne waren die ersten Hochelfenschiffe gegen irgendetwas Gewaltiges, Dunkles gestoßen und daran zerschellt oder kurz davor auf Grund gelaufen. Und plötzlich wurde die Nacht zum Tag, als vor Elendar zehntausende Lichter aufleuchteten und den Blick auf hunderte gewaltige Kriegsschiffe freigaben.

Zwischen ihnen befanden sich 3 riesige, schwarze Konstrukte mit dutzenden Wehrtürmen. Auf den Decks der Dunkelelfenschiffe standen zehntausende Krieger. Die ersten paar dutzend Hochelfenschiffe konnten vor den Trümmern der zerschellten Schiffe nicht mehr anhalten und verkeilten sich ineinander beim erfolglosen Versuch, doch noch auszuweichen. Überall brach eine hektische Unruhe aus, auch auf Elendars Schiff, gleichzeitig kamen hunderte Krieger an Deck, die ersten Kommandanten befahlen schon Ausweichmanöver oder ließen die Segel einholen, während die schwarze Flotte regungslos dastand. Und da dämmerte es Elendar. Genau das war es, worauf der Befehlshaber der gegnerischen Armada gewartet hatte. Sie waren das perfekte Ziel. „Runter!“ brüllte der Admiral mit verzweifelter Kraft, bevor er sich selbst auf die Planken in Deckung warf. Nur Bruchteile von Sekunden später hörte er das tödliche Pfeifen zehntausender Armbrust- und Speerschleuderbolzen. Obwohl das meiste Feuer auf die vorderen Schiffe konzentriert wurde und Elendars Tireme zumindest außerhalb Reichweite der Repetierarmbrüste der Dunkelelfenkrieger war, schlugen dennoch über ein dutzend Bolzen der dunkelelfischen Speerschleudern in sein Schiff ein. Er hörte unzählige Schmerzensschreie, die meisten weit entfernt vor ihm, doch einige waren beunruhigend nahe. Dann sank neben ihm ein Elfenkrieger mit einem klatschenden Geräusch auf die Planken. Dort wo einst seine Brust gewesen war, steckte nun der widerhakenbewehrte Schaft eines Speerschleuderbolzens. Er sah in das Gesicht des Soldaten, wenn man die schmerzverzerrte Grimasse, die der Tod hinein geschnitten hatte, noch so nennen konnte. Es war der junge Speerträger, dem Elendar noch vor fünf Minuten eine sichere Heimkehr versprochen hatte.

 

Malektih genoss das Blutbad. In wenigen Augenblicken würden seine Krieger mit dem Nachladen ihrer Waffen fertig sein und dann…

Noch bevor der Hexenkönig den Gedanken zu Ende gedacht hatte, ertönte das Pfeifen zehntausender widerhakenbewehrter Bolzen und nur Sekunden später schlugen sie erneut in die Schiffe der Hochelfen ein. Hunderte Schmerzensschreie ertönten und die Planken einiger Schiffe gaben krachend nach, als sich die massiven Geschosse der Repetierspeerschleudern in die Rümpfe der feindlichen Schiffe bohrten. Malekith wusste, dass er selbst mit starkem Geschützfeuer nur wenige der massiv gebauten Adler- und Falkenschiffe seiner verhassten Feinde versenken konnte. Doch das war auch nicht sein Ziel. Er hatte angeordnet, das Feuer sehr weit zu streuen, auch auf die nachfolgenden Schiffe. Wenn ihre Segel zerfetzt und die Rümpfe beschädigt wären, würden sie beinahe vollständig manövrierunfähig sein.

In diesem Moment löste sich eine dritte Salve von seinen Schiffen, wieder ertönten zahlreiche Schmerzensschreie und wieder durchbohrten hunderte Speerschleuderbolzen die Rümpfe der feindlichen Schiffe. Und dann vernahm der Hexenkönig einen weiteren Schmerzensschrei. Doch dieser war sehr viel näher. Als Malekith in die Richtung blickte, aus der er kam, sah er eine dunkle Gestalt vom Deck seiner schwarzen Arche ins Wasser stürzen. Soweit er es erkennen konnte, hatte der Krieger die Hände gegen seine Kehle gepresst, aus der ein einzelner Pfeil ragte.

Doch unbeirrt schossen die Truppen des Hexenkönigs eine vierte, vernichtende Salve ab und das Blut des Dunkelelfenkriegers wurde vielfach unter seinen Feinden vergossen. Als Antwort folgte diesmal eine schwache Pfeilsalve von den Hochelfenschiffen, die einigen dutzenden Dunkelelfen das Leben raubte. Dann schlugen einige Speerschleuderbolzen in den Rumpf der Schwarzen Arche. Als Antwort folgte eine fünfte Salve der Druchii. Doch diesmal ertönten nur wenige Schreie und gleich darauf sausten hunderte Pfeile auf die Schiffe des Hexenkönigs zu und forderten beinahe so viele Leben. Hochelfische Speerschleudern, die denen Malekiths in nichts nachstanden, beförderten ihre tödlichen Geschosse in die Rümpfe seiner Schiffe ebenso wie in die Körper der Dunkelelfen.

Dieser Teil der Schlacht war vorbei. Die Hochelfen hatten sich an Deck gesammelt und erwiderten nun sein Feuer. Die Elitetruppen der Seegardisten kannten die Intervalle, die die Repetierarmbrüste ihrer Feinde zum Nachladen brauchten und schlugen geschickt aus der Deckung zu. Sie waren auf vielen Schiffen vereilt und kein leichtes Ziel mehr, ganz im Gegensatz zu Malekiths dicht gestaffelten Reihen.

Dennoch war der Hexenkönig zufrieden. Die ersten Salven hatten der jämmerlichen Armada seiner Feinde fürchterlichen Schaden zugefügt und die auf Grund gelaufenen und ineinander verkeilten Schiffe der Feinde schufen so etwas wie eine natürliche Landungsbrücke. Dies war die Strategie der schwarzen Archen, deren Großteil unter Wasser lag. Die schwimmenden Festungen des Hexenkönigs waren nicht nur was ihre Größe anging mit kleinen Inseln vergleichbar. Und nicht zuletzt der magische Nebel, den die Zauberinnen des dunklen Herrschers gesponnen hatten, hatte dazu beigetragen, dass die Krieger Ulthuans unwissend in ihr Verderben gesegelt waren. Der erste Teil seines Schlachtplans hatte perfekt funktioniert, nun war Zeit für den nächsten Schritt. Mit einer gemächlichen Bewegung wandte sich Malekith um, während seine Krieger eine weitere Salve feuerten. Nun standen die zwei Offiziere, mit denen er am Nachmittag geredet hatte, vor ihm und der Bestienherrscher der Stadt Karond Kar. Zu den beiden Adligen gewandt sprach er: „Ich bin sehr zufrieden. Beginnt nun mit der zweiten Phase.“ Die beiden nickten rasch und entfernten sich unverzüglich. In diesem Moment feuerten die Krieger an Bord der Schiffe eine weitere Salve ab. Es sollte die letzte sein.

Nun wandte sich der Hexenkönig zum Bestienherrscher Karond Kars, dem Herrn dieser Stadt und aller Bestienmeister Naggaroths. Sein Gesicht wurde von einer Maske verdeckt, die irgendeine Abscheulichkeit darstellen sollte, die wohl nur die Bestienmeister selbst kannten. Sein Körper war umhüllt von Fellen von Wölfen, Häuten von Seeschlangen und noch Schlimmerem. An den Handgelenken und am Hals trug er Ketten aus den Zähnen gefährlicher Monster. In der Hand hielt er einen eisernen Dreizack, in den magische Sprüche eingemeißelt waren. Der Anblick erstaunte selbst Malekith immer wieder aufs Neueste. Doch was für andere Furcht war, war für den Herrn aller Dunkelelfen höchstens neugieriges Interesse. Der Hexenkönig beschloss, sich nach diesem Krieg eingehender mit den Bestien seines Exils Naggaroth zu befassen.

„Ich erwarte Eure Befehle, Herr.“ Machte der Bestienherrscher auf sich aufmerksam.

„Ah, sehr gut. Siehe, diese jämmerlichen Narren leisten immer noch Widerstand.“ Damit zeigte Malekith nach unten, wo ihm von den Schiffen der Hochelfen immer mehr Pfeile und Speerschleuderbolzen entgegen flogen. „Brich ihn.“

Der Bestienherrscher senkte den Kopf und blieb eine Sekunde lang regungslos stehen. Dann schritt er zur Brüstung des Turmes, auf dem sie sich befanden und hob die Arme zum Himmel. Mit tiefer, befehlender Stimme rief er uralte, dämonische Namen: „Arep, ahr Khareyda, Ahtep, Karar, Ahr…“ Immer mehr verfiel er in gutturale Laute, die sich wie die irgendeines längst ausgestorbenen Tieres oder wie die eines Wesens anhörten, das nicht von dieser Welt war. Der Körper des Bestienherrschers wurde von heftigen Krämpfen geschüttelt. Es musste ihn schon viel Kraft kosten, überhaupt noch auf den Beinen zu stehen. Und plötzlich hielt er inne. Im selben Moment tauchten im Umkreis der schwarzen Arche dutzende riesige Seeschlangen auf. Dann erhob der Bestienherrscher wieder seine Arme und wies in die Richtung der Hochelfenschiffe, während er einen Befehl in derselben, uralten, dämonischen Sprache erteilte, die er schon zuvor benutzt hatte. Gleichzeitig begannen die magischen Formeln auf seinem Dreizack in einem tiefen, roten Licht zu leuchten. Daraufhin verschwanden die Seeschlangen wieder im Wasser, während der Bestienherrscher wie gelähmt auf die Schiffe der Hochelfen starrte. Malekith hatte schon öfters bei solchen Vorführungen zugesehen. Auf diese Weise hielten die Bestienmeister telepathischen Kontakt mit den Wesen, die sie kontrollierten und lenkten sie gegen ihre Feinde. In wenigen Minuten würden sie wieder neben den Schiffen der verhassten Brüder auftauchen und ihren lächerlichen Widerstand zerstreuen. Erwartungsvoll blickte Malekith nun nach unten. Seine Offiziere hatten ihre Order erwartungsgemäß ausgeführt. Begleitet vom Pfeifen hunderter Repetierspeerschleuderbolzen lösten sich tausende Boote und kleinere Schiffe, jedes einzelne gefüllt mit seinen tödlichen Kriegern, während sich gleichzeitig die Tore der schwimmenden Festung öffneten, aus denen tausende Dunkelelfen mit Enterhaken hervorströmten und im Sprint die wenigen hundert Meter Felsboden zurücklegten, die die Wälle der schwimmenden Feste von den gestrandeten Hochelfenschiffen trennten In diesem Moment glaubte der Hexenkönig, seinen Sieg bereits mit Händen greifen zu können.

 

Elendar nutzte die Feuerpause, um sich etwas umzusehen. Neben ihm waren einige dutzend Seegardisten in Deckung gegangen und feuerten in die Dunkelheit. Die restliche Besatzung hatte sich ebenfalls hinter Masten und Schiffsaufbauten versteckt. Immer mehr Hochelfenkrieger erwiderten nun das Feuer ihrer Feinde. Mit einem Mal fiel dem jungen Admiral eine Änderung in der Geräuschkulisse der Schlacht auf. „Warum sind die Intervalle zwischen den Schüssen plötzlich so unregelmäßig?“ fragte er einen der Seegardisten neben ihm. „Ich denke, sie haben erkannt, dass ihr konzentriertes Feuer nichts mehr bringt. Deshalb setzen sie jetzt auf eine andere Strategie.“ Damit zeigte der Soldat mit dem Finger auf mehrere helle Pünktchen in der Ferne. „Sie bewegen sich“ stellte Elendar mit Schrecken fest. Eine Sekunde später bohrte sich ein Armbrustbolzen nur wenig unterhalb des Hochelfen in die Schiffsplanke. Zuvor waren sie doch noch außer Reichweite der Armbrüste gewesen. Das konnte nur bedeuten, dass sie die Dunkelelfen entern wollten. „Konzentriert den Beschuss auf die vordersten Lichtpunkte, die ihr sehen könnt.“ Befahl Elendar den Seegardisten, bevor er seine Deckung verließ und auf das vorderste Geschütz zulief, wo sein erster Offizier Befehle gab.

„Wie sieht es aus?“ begann Elendar ohne Umschweife.

„Nicht gut, Herr. Unser Schiff ist noch gut davongekommen, doch die vorderen sind völlig zerfetzt. Wir müssen uns unbedingt neu formieren. Es wäre vielleicht klug, die ersten Schiffe zu opfern und uns geordnet zurückzuziehen.“

„Nein.“ wies der junge Admiral das entschieden zurück. „Ich werde nicht als Versager nach Ulthuan zurückkehren. Wenn wir die hinteren Schiffe neu formieren und damit die rechte Flanke ihrer Barrikade angreifen…“

„Herr“ begehrte der andere auf „sie sind uns zahlenmäßig überlegen. Wenn der Befehlshaber der feindlichen Flotte kein Narr ist, wird er versuchen, unsere Schiffe zu entern und das wird ihm auch gelingen.“

Die Diskussion wurde von einem lauten Knall einige hundert Meter vor Elendars Tireme unterbrochen. Ein gewaltiger Feuerball tauchte auf und verschlag einige Hochelfenschiffe. „Verdammt! Sie müssen den Transporter mit dem Alchimistenfeuer getroffen haben.“ Fluchte sein erster Offizier. Alchimistenfeuer. Das war eine der wenigen Spezialitäten, die die Elfen Ulthuans ihren dunklen Brüdern voraushatten. Feuer, das sich durch die stärksten Rüstungen brennt und nicht gelöscht werden kann. Es wäre dazu gedacht gewesen, den Hafen Karond Kars schnell in Brand zu setzen. Stattdessen half das Feuer nun sogar ihren Feinden, indem es sich immer weiter ausbreitete und andere Schiffe in Brand steckte.

„Ich werde nicht fliehen!“ schrie der Hochelfenadmiral seinen Offizier an. „Jetzt begebe dich schnell auf eines der hinteren Schiffe und führe meine Befehle aus. Die Schiffe sind momentan so verkeilt, dass du wohl kaum ein Boot brauchen wirst.“ Mit einem widerwilligen Nicken entfernte sich Elendars erster Offizier. Es sollte das letzte Mal sein, dass er ihn sah.

Neben dem Hochelfen schlugen nun zwei Speerschleuderbolzen in die Seitenwand seines Schiffes ein, sodass der Boden unter ihm erzitterte. Elendar klopfte einem der Soldaten, die die Speerschleudern neben ihm bedienten, auf die Schulter. „Dorthin.“ sagte er und wies mit dem Finger kurz vor einige Lichter, die schon bedrohlich nahe waren. „Feuer!“ Einen Moment später lösten sich 6 kleinere Bolzen von dem Geschütz. Ihr Einschlag mehrere hundert Meter entfernt wurde von einem dutzend Schmerzensschreie begleitet. Beinahe zeitgleich erloschen einige der Lichter. Grimmig feuerte der Admiral seine Leute an, nachzuladen. So leicht würde er sich nicht geschlagen geben. Die Schlacht hatte erst begonnen…

 

Der Kommandant des Falkenschiffs „Seeklaue“ schwor, sein Leben so teuer wie nur möglich zu verkaufen. Dass er es verlieren würde, daran schien kein Zweifel zu bestehen. Sein Schiff war eines der ersten gewesen. Drei Viertel seiner Besatzung waren von den Salven ihrer Feinde in Stücke gerissen worden, der Rumpf war schwer beschädigt und jetzt begannen die Dunkelelfen mit Enteraktionen. Nun erhob sich der Hochelf aus seiner Deckung, spannte seinen Bogen und zielte auf eines der kleinen Boote, die sein Schiff erreicht hatten und in den nächsten Momenten ihre Krieger entladen würden. Der Kapitän ließ los und kurz darauf ertönte vor ihm ein Schmerzensschrei. Sofort legte er einen neuen Pfeil auf die Sehne. Er konnte das Geräusch von Enterhaken hören und einige Sekunden später tauchte auf der Brüstung der Kopf eines Korsaren auf. Der Dunkelelf fiel mit einem Klatschen zurück ins eisige Wasser, als der Pfeil des Hochelfen seinen Schädel durchbohrt hatte. Einige seiner Kameraden erlitten ein ähnliches Schicksal, doch immer mehr strömten auf das Deck. Die meisten Seegardisten ließen ihre Bögen kurzerhand fallen und griffen zu ihren Speeren und Schildern, sofern sie sie in der Hitze des Gefechts nicht verloren hatten. Während einige noch immer auf die Feinde feuerten, formierten sich die anderen zu einer undurchdringlichen Wand aus Speeren und Schildern, die dem ersten Ansturm der Korsaren standhielt. Der Kommandant der „Seeklaue“ feuerte noch einmal einen Pfeil ab, bevor er sich selbst zu seinen Leuten zurückzog. Plötzlich tauchte vor ihm einer der dunklen Elfen auf. Seine zwei Schwerter sausten beide auf den Kopf des Hochelfen herab. In letzter Sekunde brachte dieser sein eigenes Schwert dazwischen. Mit der linken zog er gleichzeitig einen Dolch und versuchte ihn in die Brust seines Gegners zu stoßen. Doch die Klinge glitt wirkungslos an seinem Brustharnisch ab. Die Klingen der Kontrahenten lösten sich voneinander und der Dunkelelf wollte gerade zu einem erneuten Schlag ausholen, als er plötzlich die Hände gegen den Unterleib presste und dann leblos zusammensackte. Aus seinem Rücken ragten zwei Pfeile. Nun war der Weg frei und der Hochelfenkapitän rannte zu seinen Kameraden. Doch schon im nächsten Moment danke er seinen Göttern, dass er sie noch nicht erreicht hatte. Plötzlich erhob sich hinter den Linien der Verteidiger eine gewaltige Kreatur. Der Kopf war eine Mischung aus Schlange und Drache, der selbst größer als zwei Mann war. Er ging in einen langen, mit Schuppen bedeckten Hals über, dessen Ende wohl unterhalb der Meeresoberfläche liegen musste. Kleine, rote, gehässige Augen funkelten den Elfenkommandanten an, kurz bevor sich das mit hunderten spitzer Zähne bewehrte Maul senkte und sich in die Reihen der Seegardisten grub. Einige Pfeile folgen auf das Monstrum zu, prallten aber wirkungslos ab, während das Ungeheuer dutzende Elfenkrieger zerriss. Und dann geschah etwas Seltsames: Die Korsaren, die das Überraschungsmoment eigentlich nützen hätten können, zogen sich zurück. In den kalten, harschen Stimmen ihrer Brüder vernahmen die Hochelfen erstmals so etwas wie – Furcht.

Wenig später erkannte der Kommandant der „Seeklaue“ auch den Grund, als gegenüber dem Kopf ein gewaltiger, schuppiger Schwanz auftauchte. Dann hörte der Elf das Knarren der Planken, der Boden erzitterte und einen Augenblick später gab das Holz nach und das Schiff brach in der Mitte auseinander. Wasser strömte auf das Deck und riss die meisten verbliebenen Hochelfen in den Tod. Das Ungeheuer ließ nun vom schnell sinkenden Schiff ab und verschwand wieder in der Dunkelheit der See.

Die „Seeklaue“ war besiegt und niemals hatte ihr Kommandant eine größere Trauer gespürt. Seine Tränen speisten die See, die nun sein Schiff und ihn mit ihm verschlang. Er konnte die Kälte des Todes spüren, als Rüstung und Kleider den Hochelfen als letzten der Schiffsbesatzung in sein nasses Grab zogen.

 

Die Kampfgeräusche drangen bis ans Ohr des Hexenkönigs. Seine Krieger begannen nun damit, die Schiffe der Hochelfen zu entern und dieser erbärmlichen Flotte den Todesstoß zu versetzen. Immer noch feuerten seine Speerschleudern auf die feindlichen Schiffe und die Kreaturen, die sein Bestienherrscher gerufen hatte, vernichteten ebenfalls dutzende Hochelfenschiffe mitsamt ihrer Besatzung.

Dann atmete der Herr Karond Kars, der noch immer neben Malekith stand, scharf ein und trat von der Brüstung zurück. Er schien geschwächt und mochte vermutlich wirklich nur mehr mit letzter Kraft gerade stehen. Die letzte seiner Seeschlangen war vor wenigen Momenten wieder in den Untiefen des Eismeeres verschwunden, nachdem sie ein Falkenschiff der Hochelfen vernichtet hatte. Der Bestienherrscher senkte seinen Blick auf die Schiffe unter ihm. Das Meer war übersät mit Treibholz. Überall wurde gekämpft, auf vielen Schiffen brannte es bereits. Dazwischen konnte man das Pfeifen der Speerschleudern und Repetierarmbrüste hören, hingegen erwiderten die Hochelfen nur noch vereinzelt das Feuer. Unzählige Todesschreie drangen ans Ohr des Bestienherrschers - und er wusste, dass die meisten seinen verhassten Vettern gehörten. Des Königs Befehl war ausgeführt. „Es ist getan“ verkündete er seinem Herrn schwer atmend. Doch dieser stand nur da und beobachtete das Gemetzel.

 

Elendar starrte verbissen nach vor. Die Schlacht hatte wohl gerade einmal eine halbe Stunde gedauert und er hatte bereits an die 60 oder 70 Schiffe verloren, soweit er das in der Dunkelheit erkennen konnte. Vielleicht hatte sein erster Offizier ja Recht gehabt? Vielleicht konnten sie diese Schlacht nicht gewinnen. Doch nun war es zu spät. Und außerdem lag dem jungen Kommandanten trotz allem das Zurückziehen nicht.

„Dahin“ gab er den Mannschaften der Geschütze Befehle. Fast gleichzeitig lösten sich einige dutzend kleine Bolzen von den Sehnen der Speerschleudern und verschwanden in der Dunkelheit. Einige Sekunden später erhoben sich am Bug des Schiffs und auf den Verteidigungsstellungen mehrere hundert Seegardisten und feuerten ihre Pfeile mit tödlicher Präzision ab. Es schien, als würden die Schmerzensschreie in der Ferne, die nicht mehr aufgehört hatten, seit die dunklen Brüder mit ihren Enteraktionen begonnen hatten, für einen kurzen Moment lauter und zahlreicher werden. In der kurzen Pause, die seine Männer zum Nachladen benötigten sah sich Elendar um: Es hatte sein Schiff nicht so schlimm erwischt, wie es zuerst den Anschein gehabt hatte. Der Großteil der Besatzung war noch am Leben. Die Seegardisten hatten beinahe alle verfügbaren Geschütze wieder besetzt und feuerten nun auf die Schiffe und Enterboote der Dunkelelfen, während sich die restlichen Truppen auf seinen Befehl wieder unter Deck zurückgezogen hatten. So wurde die Gefahr, zu viele Leute durch den feindlichen Beschuss zu verlieren, minimiert und sollte sein Schiff geentert werden, würden die feindlichen Korsaren eine schöne Überraschung erleben, wenn plötzlich hunderte Hochelfensoldaten auf sie losstürmen würden.

Wie um Elendars Gedanken zu unterstreichen schlugen mehrere kleine Bolzen in die Schiffsoberfläche ein. Unter ihm stürzte ein Seegardist schreiend ins Meer. Eines der Geschosse hatte seine Rüstung knapp oberhalb des Herzens durchbohrt. Als Antwort ließen Elendars Männer einen weiteren Geschosshagel los. Die Schreie schienen jetzt näher. Auch der Schlachtlärm der Enterkämpfe war deutlich herangekommen. Nur wenige hundert Meter voraus hatte sich das Meer in eine Flammenhölle verwandelt. Überall waren brennende Schiffe, zwischen denen sich dunkle Gestalten gegenseitig niederrangen, nur um wenige Sekunden später von Pfeilen oder Armbrustbolzen durchbohrt zu werden. Nicht mehr lange, und die Feinde würden den Kampf auch auf dieses Schiff tragen…

 

Es war die Hölle. Überall Lärm, die meisten der Schiffe brannten bereits. Das Blut floss in Strömen und vermischte sich mit dem Wasser. Es war ganz nach Larissas Geschmack. Die Hexenkriegerin parierte mit Leichtigkeit den Hieb des Seegardisten, dem sie gegenüberstand. Dabei kam ihr Mund ganz in die Nähe seines Ohrs. Sie flüsterte ihm zu, während sich ihre Klingen kreuzten: „Jetzt wirst du sterben. Khaine wird mich wahrlich reich belohnen heute“ Mit diesen Worten löste sie ihren langen, kunstvoll gebogenen Dolch von seinem Schwert, duckte sich und drehte sich gleichzeitig um 360 Grad. Als sie sich wieder aufgerichtet hatte, zog sich ein breiter, blutiger Streifen quer über den Unterleib des entsetzten Gegners. Mit einer schnellen, beinahe beiläufigen Bewegung stieß sie ihm mit der Linken ihren zweiten Dolch in die Brust. Blut quoll aus dem Mund des Hochelfen hervor. Larissa zog ihre Waffe aus dem Fleisch des besiegten Gegners und küsste ihn. Sein Blut strömte in ihrem Mund und sie trank es gierig. Die Hexenkriegerin erbebte ein wenig, als sie die Kraft spürte, die sie durchfuhr. Das war das Geschenk des Blutgottes, jener uralte Pakt, den sie vor vielen Jahren selbst mit Khaine geschlossen hatte, wie es schon so viele Hexenkriegerinnen vor ihr getan hatten. Das Blut ihrer Feinde für ihn - die Gunst des Gottes für sie. Dann stieß sie den leblosen Kadaver von sich. Sie durfte nicht zu viel von dem Blut nehmen. Das Gift, mit dem ihre Waffen bestrichen waren, verbreitete sich schnell und zu große Gier mochte auch ihr eigenes Ende besiegeln…

Nun war es Zeit, das nächste Opfer für ihren Gott zu finden. Aus den Flammen tauchten zwei junge Speerträger auf. Sie verteilten sich und versuchten außerhalb der Reichweite ihrer Waffen zu bleiben. Mit einer eleganten Bewegung schlug sie die Speerspitze des einen beiseite, machte einen schnellen Schritt auf ihn zu, wich gleichzeitig der Attacke des anderen aus und bohrte dem überraschten Feind beide Dolche in die Brust. Als sie hinter ihr den wütenden und gleichsam verzweifelten Schrei des anderen Speerträgers hörte, hatte sich Larissa schon zur Hälfte umgedreht und parierte seinen Stich mit ihrer Linken. Sie drehte sich vollends um und brauchte den Dolch in der rechten Hand nu noch nach vorne zu strecken. Der Schwung des unbesonnenen Angriffs trieb den Feind geradewegs in ihre Klinge. Als sie sich abwendete, war niemand mehr da, den sie hätte töten können. Die Besatzung dieses Schiffs war bis auf den letzten Elfen abgeschlachtet. Neben ihr tauchten weitere Hexenkriegerinnen auf. Ihr Regiment konnte zufrieden mit sich sein. Sie und zwanzig ihrer Schwestern hatten an die zweihundert Feinde getötet. Larissa dachte bei sich, dass dies nicht die letzten sein würden. „Komm Schwester, es gibt noch viel zu tun. Heute wollen wir Khaine wahrlich preisen!“ Rief ihr eine ihrer Gefährtinnen zu. Mit lässiger Eleganz bewegten sich die beiden Dunkelelfinnen in die Richtung des dröhnenden Schlachtlärms, wissend dass es nur wenige Gegner gab, die ihnen im Nahkampf ebenbürtig waren. Doch die Hexenkriegerin sollte auch nicht durch das Schwert sterben. Es war der Pfeil eines Hochelfen, der sich, kurz nachdem sie den letzten Gegner auf diesem Schiff getötet hatte, tief in ihr Fleisch bohrte. Larissa blickte an sich herab. Aus ihrem Bauch ragte der Schaft des Geschosses und nun begann sich ihr eigenes Blut mit dem ihrer Feinde zu vermischen, das überall an ihr klebte. In diesem Moment bohrte sich ein zweiter Pfeil in ihre Brust. „Komisch, ich spüre gar keinen Schmerz…“ dachte die Hexenkriegerin verwirrt. Eine Sekunde später schlug ihr toter Körper auf den verbrannten Planken auf.

 

Elendar feuerte einen dritten Pfeil ab, diesmal auf ein anderes Ziel. In Gedanken schalt er sich einen Narren, gleich zwei Pfeile für denselben Feind gebraucht zu haben. Nachdem er seinen Geschützmannschaften die letzten Befehle gegeben hatte, nahm er nun gemeinsam mit seinen Seegardisten die Feinde unter Beschuss. Die gegnerischen Truppen waren nun schon so nahe, dass man sie gut erkennen und anzielen konnte. Jetzt saß fast jeder ihrer Schüsse. Hinter dem Hochelfenkommandanten ertönten die Geräusche seiner Speerschleudern, als sie ihre tödliche Fracht nach vorne katapultierten. Die Besatzungen der Schiffe neben ihm taten es ihnen gleich und auch die Seegardisten erhoben sich wieder aus ihrer Deckung und feuerten eine Salve auf die vorderen Schiffe. Hunderte Dunkelelfen brachen schreiend zusammen. Vermutlich waren auch noch einige der eigenen Leute dabei, doch es mochten nur wenige sein und ihre Leben wären sowieso schon verwirkt. Die Feinde reagierten langsam auf die neue Bedrohung. Ihr Sturm wurde zu einem langsamen, trotzigen Vormarsch und schließlich verschanzten sie sich ihrerseits auf den brennenden Hochelfenschiffen, die sie zuvor geentert hatten und erwiderten das Feuer, sofern sie Schusswaffen hatten. Mehrere dutzend Bolzen schlugen in den Bug von Elendars Schiff ein. Einige wenige fanden ihr Ziel. Zwei Seegardisten brachen blutend zusammen, als sie von den tödlichen Geschossen durchbohrt wurden. Es kamen zwar noch immer Enterboote und nun vor allem schon kleinere Kriegsschiffe aus der Dunkelheit, um die verbliebenen Schiffe zu entern, dennoch hatte der Angriff des Feindes deutlich an Schwung verloren. „Vielleicht können wir sie so aufhalten.“ Dachte Elendar bei sich, als er sich aus der Deckung erhob und einen weiteren Pfeil abschoss. Einen Augenblick später endete einige hundert Meter weiter vorne ein weiteres Dunkelelfenleben.

 

Die Mannschaften der letzten zweihundert Schiffe, die größtenteils unbeschädigt geblieben waren, hatten die teils noch ineinander verkeilten Gefährte mit großer Mühe wieder voneinander gelöst und neu gruppiert. Obron selbst hatte das Kommando über ein Adlerschiff übernommen. „Gebt Zeichen, dass sie sich zu einem Keil gruppieren sollen.“ Befahl er einem der Offiziere, die neben ihm standen. Ein junger, hoch gewachsener Elf nickte und machte sich davon, um die entsprechenden Fackelzeichen zu geben. Für die üblichen Fahnensignale war es einfach zu dunkel. An den Kapitän gewandt, fuhr Obron fort: „Bringt uns an die Spitze des Keils. Wenn ich sie schon möglicherweise in den Tod führe, dann will ich zumindest mit gutem Beispiel voranschreiten.“ Der Elf nickte nur knapp und machte sich ebenfalls ans Werk.

„Dieser Elendar ist ein Narr!“ fuhr es dem altgedienten Offizier durch den Kopf. Am liebsten hätte sich Obron diesem Befehl widersetzt und das gerettet, was noch zu retten gewesen war. Sollte dieser Durchbruchversuch nicht gelingen, wäre fast die gesamte Flotte Ulthuans vernichtet! Also sollte es besser klappen…

In diesem Moment kehrte der junge Offizier zu Obron zurück und meldete, dass er die Zeichen gegeben habe und sich der Rest der Flotte wie befohlen gruppiere. Mit einem kurzen Nicken und einer fahrigen Handbewegung entließ Obron ihn. 24 Speerschleudern, 100 Seegardisten als Besatzung - das war sein Adlerschiff. Gegen die Kriegsschiffe der dunklen Brüder könnten seine zweihundert Schiffe wohl bestehen. Er schätzte, dass zumindest seine Adlerschiffe den Kriegsschiffen der dunklen Brüder ebenbürtig oder wahrscheinlich sogar überlegen waren. Die kleineren und wendigen Falkenschiffe konnten es zumindest mit den Sklavengaleeren der Dunkelelfen aufnehmen und möglicherweise aufgrund ihrer großen Manövrierfähigkeit Lücken in der Verteidigung des Feindes ausnützen. Inständig hoffte Obron, dass keine der schwarzen Archen an dieser Seeschlacht teilnahm, denn dann bestünde wahrlich noch eine Chance auf den Sieg. Doch woran waren dann die ersten Hochelfenschiffe in der Dunkelheit zerschellt? „Bitte, lasst es ein Eisberg gewesen sein…“

„Wie bitte, Herr?“ Obron schrak hoch. Er musste seine letzten Gedanken laut ausgesprochen haben. Der Kapitän dieses Schiffs war wieder neben ihn getreten, ohne dass er es gemerkt hatte.

„Nichts, nichts. Sind wir auf Kurs?“

„Ja, Herr.“

„Befehlt den Geschützmannschaften, zu feuern, sobald wir in Formation sind. Das wäre dann alles.“ Mit einer weiteren Handbewegung entließ er den Elfen. Bitte lasst es ein Eisberg gewesen sein…

 

Noch immer stand der Hexenkönig regungslos da und beobachtete die Seeschlacht in der Ferne. „Ihr Flaggschiff ist noch immer dort hinten.“ Begann Malekith plötzlich. Ihr Feuer hat den Schwung meines Angriffs etwas gebremst. Ich denke, es wird Zeit, die Falle zu schließen und den letzten Rest ihres Widerstandes zu zermalmen.“

„Zuerst solltet Ihr vielleicht einen kurzen Blick nach links werfen, Herr.“ Unterbrach ihn der Bestienherrscher Klar Karonds, der noch immer neben seinem dunklen Meister stand, mit etwas schwächlicher Stimme. Etwas widerwillig folgte der Hexenkönig der Aufforderung und kurz darauf begann der Hass in seinen Augen aufzuflammen. „Sie führen einen Gegenangriff?! Wie können diese Narren jetzt noch an einen Sieg glauben?“

„Ich weiß es nicht Herr.“

„Nun gut, es soll uns Recht sein. Die Schiffe zur Rechten sollen sich an meinen Schlachtplan halten und nach vorne aufrücken. Die zur Linken sollen die Stellung halten und warten, bis der Feind heran ist. Sie werden es schon bald bereuen, uns herausgefordert zu haben“ Der Bestienherrscher nickte nur knapp „Wie Ihr befehlt.“

Auch wenn das Gesicht des Hexenkönigs unter dem Visier seines Helmes verborgen war- er lächelte wohl, denn er wusste, wer die linke Flanke befehligte. Es war niemand geringeres als der Anführer seiner persönlichen Leibgarde, Kouran. „Ja, sie werden es wahrlich schon bald bereuen.“ dachte der Hexenkönig.

 

Hunderte Bolzen lösten sich gleichzeitig und brachten wenige Sekunden später die Schiffe der Dunkelelfen zum Erzittern. Schon machten sich die Schiffsbesatzungen wieder ans Nachladen, als die Antwort der gegnerischen Blockade erfolgte. Fast ebenso viele Speerschleuderbolzen erreichten die Schiffe der Hochelfen und forderten einen hohen Blutzoll. Obrons Schiff, das Erste im Keil bekam eine beachtliche Menge an Beschuss ab. Dutzende Bolzen bohrten sich in den Rumpf und noch einmal so viele schlugen an Deck ein. Überall waren Schmerzensschreie zu hören, harsche Befehle wurden gebrüllt. Eine Minute später löste sich erneut eine Speerschleudersalve von Obrons Schiffen.

„Wie lange noch?“ wollte der Offizier vom Kapitän wissen, der nun wieder seinen Platz neben seinem Vorgesetzten eingenommen hatte.

„Der Wind ist auf unserer Seite. Wir werden ihre Barrikade in wenigen Minuten erreichen, Herr.“ Hoffentlich würde das reichen.

Eine weitere Salve des Gegners erreichte nun Obrons Schiffe und richtete nicht minder großen Schaden an. Lange könnten ihre Schiffe dieses Beschussduell nicht mehr aushalten - genauso wenig wie die ihrer Feinde.

„Sie werden bald in Reichweite unserer Bögen sein. Die Seegardisten und Bogenschützen sollen sich bereithalten- nach der nächsten Speerschleudersalve, die wir abgeben, sollen sie feuern.“ Befahl Obron dem Kapitän, als sie gerade eine dritte Salve abschossen.

„Die Zeit wird nicht reichen, den Befehl allen Schiffe zu übermitteln“ warf dieser mit zweifelnder Stimme ein. Sein Vorgesetzter wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als der Boden unter ihren Füßen erbebte. Wieder Schmerzensschreie, wieder dutzende Tote, die ins Wasser platschten oder leblos auf den Planken liegen blieben. Das Schiff knarrte und für einen kurzen Moment hatte Obron Angst, der Rumpf würde nun brechen. Doch noch einmal hielt das Schiff stand. „Sagt unseren Leuten einfach, sie sollen feuern!“ schrie er den Kapitän an, teils aus Verärgerung, teils um den Lärm zu übertönen. „Ich habe den anderen Schiffen Befehl gegeben, genau das zu tun, was wir tun, bis wir die Barrikade erreichen.“ Doch der Kapitän des Schiffs hörte diese Worte nicht einmal mehr, er war schon dabei, die richtigen Anordnungen zu geben. Etwas später löste sich eine weitere Speerschleudersalve von Obrons Flotte. Eine Sekunde nachdem sie ihr Ziel getroffen hatten, erhoben sich hundert Seegardisten aus ihrer Deckung und feuerten ihre Pfeile in die Dunkelheit. Wenige Sekunden später folgten viele tausend Pfeile von den anderen Schiffen. Das schien eine Wirkung zu zeigen, denn die Gegensalve der Dunkelelfen fiel nun etwas schwächer aus. Dennoch reichte es Obron. Wieder erzitterte sein Schiff unter der furchtbaren Belastung. Eine weitere Salve würde es kaum überstehen. Gerade begannen sich die Umrisse der feindlichen Schiffe aus der Dunkelheit zu schälen und um die kleinen, hellen Pünktchen, die in Wirklichkeit tausende Fackeln sein mussten, konnte man bei genauem Hinsehen schon Köpfe und Gliedmaßen erkennen. Bald schon würden sie am Ziel sein. Hoffentlich würde es reichen…

 

Kouran schnaubte wütend, als ein weiteres Mal dutzende Bolzen gegen seine schwarze Arche krachten. Sie vermochten dem gigantischen Schiff zwar nichts anzuhaben, doch waren sie lästig. Lästig, wie überhaupt alle diese Hochelfen. Führten sie doch tatsächlich einen Gegenangriff gegen ihn. Schmerzensschreie rissen Kouran aus seinen Gedanken. Sie waren zehnfach so zahlreich wie zuvor. „Ihre Bogenschützen haben nun Reichweite, Herr.“ Bemerkte ein Adliger neben ihm. „Das höre ich.“ Entgegnete Kouran in wütendem Tonfall. Der Hauptmann der schwarzen Garde musste sich zusammennehmen, um seinen Hass zu unterdrücken. Seine Feinde würden ihn noch früh genug zu spüren bekommen.

„Sie werden in ein oder zwei Minuten in Reichweite meiner Klinge sein. Darum sollten sie sich wirklich sorgen.“ Begann Kouran zu dem Adligen gewandt. Wie um seine Worte zu unterstreichen, feuerten seine Geschützmannschaften gerade eine weitere Salve ab, begleitet von tausend Armbrustbolzen. „Sorge dafür, dass jeder unserer Krieger mit Enterhaken bereitsteht, ebenso die der anderen Schiffe.“ Mit einem nachlässigen Wink seiner gepanzerten Hand entließ der Dunkelelfenkommandant den Adligen, während er sich schon umwandte und von seiner Aussichtsplattform auf das Hauptdeck herabstieg. Kühl musterte er die tausend Elfen, die vor ihm standen- sie waren seine schwarzen Gardisten, die Leibwache seines Königs Malekith, die besten Krieger, die Naggaroth zu bieten hatte. Jeder einzelne war ein perfekt ausgebildeter Killer, in hunderten Schlachten erprobt, mit einer schweren Rüstung und einer Hellebarde ausgestattet. Er würde sie heute ein weiteres Mal in die Schlacht führen. Eine Speerspitze der tödlichsten Krieger der neuen Welt, um die Speerspitze des Feindes zu zerschmettern. Langsam schritt der Hauptmann der schwarzen Garde zu einem Ausrüstungsständer links von ihm, nahm sich einen Enterhaken und postierte sich damit vor seinen Kriegern.

„Legt eure Hellebarden zur Seite, Garde des Malekith!“ begann Kouran ohne Umschweife. „Unsere Feinde haben es gewagt, uns in einem törichten Gegenangriff herauszufordern. Lasst sie kommen!“ Mit diesen Worten hielt ihr Hauptmann den Enterhaken in die Höhe, bevor er weiter sprach: „Gewiss werden sie gute Kämpfer gegen uns schicken. Nun, wie dem auch sei, lasst sie kommen!“ Hier machte Kouran wieder eine kurze Pause, bevor er endete: „Und dann entert ihre Schiffe, schneidet ihnen die Herzen heraus, nehmt ihnen Leben und Seele. Zerschmettert sie!“ Im selben Moment prallte eine weitere Salve der Hochelfenschiffe gegen die Wand der schwarzen Arche. Gleichzeitig klopften die schwarzen Gardisten mit den Schäften ihrer Hellebarden gegen die Schiffsplanken, um ihren Beifall zu bekunden. Dieses Geräusch vermischte sich mit den Schmerzensschreien, dem Krachen von Holz, dem Pfeifen der Armbrüste und Speerschleudern der Dunkelelfen, die ihrerseits ihre Feinde beschossen, zu einem infernalischen Klangspiel. Dann ließen sie alle gleichzeitig ihre Waffen fallen, zogen ihre Schwerter und gingen wie zuvor Kouran zu den Ausrüstungsständern und nahmen sich einen Enterhaken, und folgten ihrem Hauptmann zu den Toren der Arche, um ihre Feinde zu erwarten, alle mit demselben Hass in ihre Augen.

 

Die letzte Salve des Feindes war zu viel. Der Rumpf des Schiffs war durchbrochen, es begann schon zu sinken. Doch das war nun unbedeutend. Nur noch ein paar Meter, dann würde die Flotte die Barrikade der Dunkelelfen erreicht haben. Vor Obron überschattete ein gewaltiges schwarzes Etwas sein Schiff und die dahinter liegenden. Seine Befürchtungen hatten sich bewahrheitet - ihnen stand eine der schwarzen Archen gegenüber. Grimmig zog Obron sein Schwert und schnallte sich seinen Schild an, als ein Ruck signalisierte, dass sein Schiff auf Grund gelaufen war. Die schwer beschädigten Schiffe hinter ihm strandeten ebenso auf dem Fels vor den Mauern der schwarzen Festung, während die restliche Flotte zu den Seiten auswich und den Kampf mit ebenbürtigen Gegnern aufnahm.

Langsam schwangen die Tore der Arche auf und eine gewaltige Zugbrücke senkte sich und krachte in den Bug des Hochelfenschiffes. Aus der Dunkelheit stürmte eine ganze Armee von Kriegern in schrecklichen schwarzen Rüstungen. Obron umklammerte den Griff seiner Waffe fester. Wenn er sterben müsste, dann würde er sein Leben so teuer wie möglich verkaufen. Der Elf hob sein Schwert über den Kopf. „Für den Phönixkönig! Für Ulthuan!“ brüllte er, auf die Gegner zustürmend. Entschlossen taten es ihm auch die anderen gleich.

 

Kouran war der erste, der das Hochelfenschiff erreichte. Er zog sein Schwert und stürzte sich blutgierig auf die heranstürmenden Gegner. Ein Krieger, der ebenfalls nur ein Schwert führte, stellte sich dem Hauptmann der schwarzen Garde als erster in den Weg, doch sein Gegner war schneller. Kouran ließ seine Waffe in einer unglaublich schnellen Bewegung hinabfahren. Das magische Schwert spaltete dem unglücklichen Feind mit Leichtigkeit den Schädel. Ohne auch nur im Schritt innezuhalten ging Kouran weiter, nur um nach zwei Schritten von einem halben Dutzend Speerträgern aufgehalten zu werden, die geschlossen auf ihn zumarschierten. Es schien noch keiner seiner Gardisten so weit vorgedrungen zu sein, so würden alleine Kouran alle sechs beleiben. Er blieb stehen und ließ die Gegner etwas näher kommen. Als der erste Speer in seine Richtung züngelte wich der Dunkelelfenkommandant aus, duckte sich und war mit einem schnellen Schritt unter der Speerwand. Mit seinem Schwert die Schäfte von gleich vier Speeren abschlagend richtete sich Kouran wieder auf. Erschrocken wichen die Speerträger zurück. Vier ließen die Holzteile, die sie noch in der Hand hielten fallen und versuchten, ihre Schwerter zu ziehen. Dreien gelang es, der andere wurde von Kourans Klinge aufgeschlitzt. Nun drangen die verbliebenen zwei Kämpfer mit den Speeren und die anderen drei mit den Schwertern auf ihn ein. Kouran musste zwei Hiebe gleichzeitig mit seiner Klinge parieren, dem dritten wich er gerade noch aus, als er in seinem Rücken die Spitze eines Speeres spürte. Doch sie glitt gefahrlos für ihn von seiner Rüstung ab. Mit einer kräftigen Bewegung drückte Kouran nun gegen die Klingen der beiden Schwerter, die er pariert hatte, und warf die zwei Hochelfen nach hinten. Einer hatte das Pech zu stolpern und fiel. Der Dunkelelf war im Bruchteil einer Sekunde über ihm und stieß ihm seine Klinge in die Brust. Gleichzeitig löste er mit der linken Hand das Schwert des Toten aus dessen Hand, um sich nun mit zwei Waffen ausgerüstet zu erheben und die restlichen Feinde zu vernichten. Doch zuerst musste der Hauptmann der schwarzen Garde zwei Schläge gegen seinen Kopf parieren, die die zwei verbliebenen links und rechts stehenden Schwertkämpfer gegen ihn geführt hatten. Kaum hatten seine beiden Schwerter die Hiebe der Gegner aufgehalten, drehte sich Kouran, sich gleichzeitig duckend, um 360 Grad. Beide Hochelfen ließen ihre Waffen fallen und ihre Körper taten es ihnen eine Sekunde später gleich, kurz nachdem ihre Gehirne realisiert hatten, dass ihnen ihr Gegner die Bäuche aufgeschlitzt hatte. Doch er konnte sich nicht lange ob dieses Sieges freuen, denn es waren noch immer zwei Feinde übrig. Sie hatten sich etwas zurückgezogen und versuchten den Dunkelelfenkommandanten mit ihren Speeren auf Distanz zu halten. Wütend wollte Kouran gerade zu einer erneuten Angriff ansetzen, als ihm ein schwarzer Gardist zuvorkam. Er parierte einen Speerstich, verkürzte die Distanz zum Hochelfen und bohrte ihm sein Schwert in die Brust. Kouran schlug dem anderen mit der Rechten die Speerspitze ab, trat auch einen Schritt nach vor und köpfte den Gegner schließlich mit der Linken. Kouran nutzte seine kurze Pause, um sich umzusehen. Rechts und links von ihm schlachteten seine schwarzen Gardisten die Hochelfen ab, dennoch kämpften sie verbissen um jeden Zentimeter Boden.

Nun warf sich der Hauptmann der schwarzen Garde erneut ins Getümmel. Ihm stellten sich diesmal zwei Krieger mit Schwert und Schild entgegen. Sie federten seine energische Kombination aus Schlägen mit ihren Schilden ab und führten einen Gegenangriff, der aber wiederum leicht pariert wurde. Kouran versuchte nun, mit beiden Schwertern gleichzeitig auf einen Schild einzuschlagen, doch er hielt der Belastung stand. Jetzt versuchten die beiden Hochelfen etwas anderes. Sie pressten ihre großen Schilde gegen den Dunkelelfen und versuchten ihn zu Boden zu drücken. Drei weitere Schildkämpfer kamen noch dazu und mit vereinten Kräften drängten sie ihren Gegner zurück. Dann stolperte der Dunkelelfenkommandant. Seine Gegner nützten das sofort aus und stürzten sich auf ihn. Sie stachen auf den am Boden liegenden Feind ein und zwei von ihnen versuchten bereits die Schnallen seiner Rüstung zu lösen und ihm seinen Helm abzunehmen. Kouran ließ beide Schwerter fallen und bekam mit Mühe eine Hand frei. Mit ihr packte er einen der Gegner am Hals und drückte zu, bis er das Knacken der Wirbel und das Erschlaffen des Körpers des Feindes spüren konnte. Nun bekam er auch die zweite Hand frei und tastete damit den Boden ab, bis er den Schaft eines dort liegenden Speeres zu fassen bekam. Dann sprengte er mit einer letzten, gewaltigen Kraftanstrengung den Kreis der Gegner und richtete sich wieder zu voller Größe auf. Vor ihm taumelte gerade einer der Gegner zurück. Kouran stieß ihm die Spitze des Speeres in die Brust. Er zog ihn wieder heraus und schleuderte ihn auf einen weiteren anstürmenden Gegner. Die Waffe bohrte sich in seinen Schild und machte ihn unbrauchbar. Diesen Moment, in dem er unbehelligt war, nützte der Hauptmann der schwarzen Garde, um sein magisches Schwert wieder aufzuheben und auf die Gegner erneut einzudringen. Er ging einen schnellen Schritt nach vor und hackte dem Gegner, der noch immer versuchte, sich den Schild abzuschnallen, kurzerhand den Kopf ab. Die beiden verbliebenen Schwertkämpfer gingen nun wieder geschlossen gegen ihn vor. Kouran wartete ihre Attacken ab, parierte sie und stieß dann plötzlich unerwartet mit voller Wucht seine Klinge nach unten und durchbohrte den Fuß eines der Hochelfen. Dieser schrie vor Schmerz laut auf. Mit einer schnellen Bewegung riss der Dunkelelf die Klinge wieder nach oben, durchdrang mit ihr den Harnisch des Gegners mit Leichtigkeit und zog eine Blutige Spur über seinen ganzen Oberkörper, worauf der Elf zusammensackte. Der andere Schwertkämpfer führte einen weiteren, waagrechten Schlag gegen Kouran. Dieser duckte sich und trieb dem Hochelfen nun seinerseits das Schwert in den Unterleib. Er richtete sich wieder auf und zog seine Klinge aus dem Körper des Toten. Noch einmal sah er sich um und die Situation hatte sich kaum verändert. Die Schlachtreihe war zwar nicht mehr ordentlich formiert - es gab einzelne kleine Scharmützel zwischen Hochelfen und seinen schwarzen Gardisten, doch noch immer hielt der Feind stand. Als er nach vorne blickte, konnte der Dunkelelfenkommandant auch den Grund dafür erkennen. Ein großer Hochelf in einer schimmernden silbernen Rüstung bohrte gerade sein Schwert in die Brust eines Dunkelelfen. Immer wieder konnte ihn Kouran brüllen hören: „Haltet stand - für Ulthuan!“ Das musste ihr Admiral sein. Narr! Er würde schon bald unter seiner Klinge fallen. Entschlossen schritt der Hauptmann der schwarzen Garde auf den Hochelfen zu. Wütend packte er die Waffe eines Speerträgers, der dumm oder mutig genug gewesen war, sich ihm entgegenzustellen, zog ruckartig daran und stieß dem nach vorne stolpernden Gegner sein Schwert in den Bauch. Verächtlich stieß ihn Kouran zu Seite. Doch nun stand er vor der Gestalt in der glänzenden, silbernen Rüstung, den Herren dieses Schiffs - und vermutlich auch dieser Flotte. Der Hochelf ging in Kampfposition, den Schild etwas schräg vor seinem Körper, mit dem Schwert so etwas wie eine einladende Geste machend. Kouran nahm sie an. Endlich würde er gegen einen würdigen Gegner kämpfen…

 

 

Obron hatte gesehen wie der Riese in seinem verzierten schwarzen Plattenharnisch wie ein Berserker in seinem Vernichtungsrausch durch die Reihen der Krieger Ulthuans gefahren war. Bis jetzt war noch jeder, der sich diesem schwarzen Engel in den Weg gestellt hatte, tot. Und nun stand er, Obron, Kommandant dieser Flotte, erster Offizier Admirals Elendars und Champion der Seegarde von Lothern diesem tödlichsten der Feinde gegenüber. Doch auch der schwarz gekleidete Krieger schien etwas Respekt vor ihm zu haben. Eine Minute lang umkreisten sich die beiden Kontrahenten, eine Schwäche in der Verteidigung des anderen suchend - jeweils ohne Erfolg. Dann verlor der andere die Geduld und führte einen schnellen Schlag gegen Obrons Kopf, den er mit seinem Schild parierte und gleichzeitig versuchte, sein Schwert in den Unterleib des Gegners zu treiben. Doch dieser war zu schnell. Mit unglaublicher Geschwindigkeit senkte er sein Schwert und parierte diesen Stich, dann schlug er schnell nach rechts gegen Obrons Schild. Der Hochelf wich einen Schritt zurück und hieb gegen die ungeschützte Seite des schwarzen Kriegers, der aber seinerseits nun einen Schritt nach hinten machte und der Attacke so ausweichte. Dann lösten sich beide Kämpfer wieder voneinander. Das erste, flüchtige Abtasten war vorbei.

„Du kämpfst gut.“ Tönte es aus dem Helm des finsteren Streiters, während er Obron wieder umkreiste. Er konnte nicht sagen, was in der Stimme des Dunkelelfen überwog: Hass und Verachtung oder ein leiser Hauch von Bewunderung. „Wer bist du? Ich will wissen, welchen Namen der Admiral trägt, den ich heute töten werde.“ Fuhr der Dunkelelf fort.

„Ich bin kein Admiral, Verräter. Doch ja, ich habe das Kommando über diese Schiffe. Damit musst du dich zufrieden geben, Krieger.“

„Dein Name, Geck des falschen Königs?“ schleuderte ihm der Dunkelelf wütend und hasserfüllt entgegen. „Ich werde dir nicht nur das Leben nehmen, nein auch deinen Namen und deine Seele. Du sollst noch Qualen erleiden, wenn ich schon in den Sälen Ulthuans feiere, Wurm!“

„Mein Name ist Obron, Champion der Seegarde von Lothern und du wirst heute noch für diese Worte büßen!“ Gerade wollte der Hochelfenkommandant zu einem weiteren Angriff ansetzen, als die schwarz gekleidete Gestalt vor ihm lauthals zu lachen begann.

„Du, du willst mich herausfordern? Dann wisse, ich bin Kouran, Hauptmann der schwarzen Garde von Naggaroth.“

Obrons Gedanken überschlugen sich. In den Annalen seines Volkes war einmal von einem Kouran die Rede, einem grausamen General und tödlichen Kämpfer, der einst mehrere Armeen der Hochelfen vernichtet hatte. Konnte es sein, dass er eben diesem Kouran gegenüberstand? Doch der Hochelf hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, denn nun ergriff wieder sein Gegner die Initiative. Er nutzte die Überraschung, die er bei seinem Kontrahenten verursacht hatte, gnadenlos aus und deckte Obron mit einer schnellen Kombination aus Hieben ein, die dieser nur mit Mühe parieren konnte. Doch es dauerte nicht lange, bis sich der Hochelf wieder fing und nun seinerseits auf den Gegner eindrang, zuerst mit einer Reihe von Hieben, die auf den Kopf zielten, aber allesamt pariert wurden, dann presste er seinen Schild gegen die Brust seines Gegners und drückte gleichzeitig mit aller Kraft nach oben. Der Schildrand prallte gegen den Helm Kourans und warf diesen zurück. Taumelnd fing er sich wieder und parierte gerade noch einen schnellen, seitwärts geführten Hieb seines Gegners. Obron setzte einen weiteren Hieb, der diesmal auf die Schulter des Dunkelelfen zielte, nach, der wieder pariert wurde. Diesmal löste aber keiner der beiden sein Schwert von dem des anderen. Schließlich war es Kouran, der seinen Feind nach hinten schleuderte, sich blitzschnell duckte und sich drehend wieder aufrichtete. Der überraschte Hochelf senkte seinen Schild, um die Beine zu schützen, doch sein Gegner hatte stattdessen auf Obrons Schildarm gezielt. Sein Schwert durchbrach den Schulterpanzer und drang tief in das Fleisch des Hochelfen. Dieser taumelte erschrocken zurück, aber sein Gegner ließ ihm keine Atempause. Der Dunkelelf setzte sofort nach und ließ einen wahren Regen von Schwerthieben auf Obron niederbrausen. Mühevoll versuchte er sie zu parieren, doch es war nur seiner guten Rüstung zu verdanken, dass die Schläge, die durchkamen, keinen weiteren Schaden anrichteten. Kouran zog sich nun für einen kurzen Augenblick zurück, um zu verschnaufen. Obron nutzte die Zeit, um sich seinen Schild abzuschnallen um den verletzten Arm zu entlasten. Sein Gegner war entweder fair oder erschöpft genug, in dieser Zeit nicht anzugreifen.

Doch dann attackierte der dunkle Krieger wieder mit neuer Kraft. Mit verzweifelter Standfestigkeit stemmte sich Obron gegen seine Attacken und führte einen Gegenangriff. Das überraschte den anderen wohl etwas, denn er wich zurück. Doch für Kouran war es kein Problem, den wilden, unkoordinierten Attacken seines Gegners auszuweichen. „Deine Kräfte verlassen dich, Wurm. Du, du und deine Flotte, ihr seid dem Untergang geweiht.“ Zischte der Dunkelelf, bevor er Obron wieder mit seinen Angriffen zurücktrieb. Schließlich stolperte der Hochelf. Vor ihm baute sich eine Schwarze Gestalt auf, das Schwert zum Todesstoß erhoben. Sollte es denn wirklich so enden? Und dann sah der Hochelfenkommandant links von sich etwas Metallisches blitzen. Es war die Klinge einer Streitaxt. Noch einmal alle Kräfte zusammennehmend griff er mit seinem verwundeten linken Arm nach der Waffe und rollte sich im letzten Moment zur Seite, als das Schwert des Hauptmanns der schwarzen Garde krachend in die Planken des Schiffs fuhr und dort stecken blieb. Schnell erhob sich Obron und drang nun auf den Gegner mit der Kraft der Verzweiflung ein, seine furchtbaren Schmerzen völlig ignorierend. Der überraschte Feind ließ von seiner unbrauchbar gewordenen Waffe ab und parierte Obrons Schläge nun nur noch mit seinen Stachelbewehrten Unterarmschienen. Wie ein Wahnsinniger schlug der Hochelfenkommandant auf Kouran ein, der immer weiter zurückwich. Doch langsam machten sich Anstrengung und Schmerz bemerkbar, seine Schläge wurden ungelenkter, langsamer. Mit letzter Kraft schwang Obron nun beide Waffen waagrecht; ihre Klingen rasten aufeinander zu und hätten seinen Gegner wohl geköpft, hätte er sich nicht blitzschnell unter ihnen geduckt. Der Dunkelelf zog einen Dolch aus seinem Gürtel und warf sich auf seinen Gegner, ihn zu Boden fegend. Damit fand der Kampf ein Ende; Obron wehrte sich nur noch schwach und konnte ob seiner Erschöpfung und der schrecklichen Wunde, die er davongetragen hatte, Kouran nichts mehr entgegensetzen.

„Für Ulthuan“ stöhnte Obron, dann schnitt ihm Kouran die Kehle durch. Erschöpft erhob sich der Hauptmann der Schwarzen Garde, steckte den Dolch in den Gürtel zurück und befreite sein Schwert aus den Planken des Schiffs. Er sah sich um. Langsam begann die Entschlossenheit der Feinde nach dem Tod ihres Anführers zu bröckeln. Die schwarze Garde begann nun die Überhand über die Seegardisten und Speerträger zu gewinnen. Doch noch gab es genug Gegner zu töten. Mit einem Lächeln im Gesicht ging Kouran auf einen jungen Speerträger zu, der ihm den Weg versperrte. Er war kein Gegner für den Hauptmann der schwarzen Garde. Heute würde noch viel Elfenblut fließen, doch er, Kouran, würde nichts weiter als seinen Schweiß vergießen.

 

Ein weiteres Mal krachten mehrere Bolzensalven hintereinander in die Bordwand des Hochelfenschiffs. Schmerzensschreie begleiteten ihren Aufprall. Sofort begannen Elendars Speerschleuderbatterien, oder das, was davon noch übrig war, das Feuer zu erwidern. Gleichzeitig erhoben sich mehrere Dutzend Seegardisten, um auf die von links näher rückenden Feinde zu feuern, nur um von den Dunkelelfenpiraten, die sich auf den geenterten Hochelfenschiffen verschanzt hatten, von einem Bolzenhagel eingedeckt zu werden, den mehr als die Hälfte nicht überlebte.

„Herr, wir müssen uns endlich zurückziehen!“ schrie Elendar ein Seegardist an, der sich mühsam durch das feindliche Geschützfeuer an seine Seite bewegt hatte. „Sie bedrohen unsere linke Flanke. Und diesmal keine kleinen Enterboote mehr, sondern richtige Kriegsschiffe! Wir können ihrem Beschuss nicht mehr lange standhalten, Herr! Außerdem wissen wir nicht, wie viel von den ersten Enterkommandos, die uns frontal angegriffen haben, übrig ist. Wenn wir Pech haben, werden wir von zwei Seiten gleichzeitig attackiert.“ Ein erneuter Bolzenhagel, den die Feinde auf das hochelfische Flaggschiff regnen ließen, schien die Worte des Soldaten noch zu unterstreichen. Elendar war sich der Lage bewusst. Es sah wirklich schlecht aus. „Wir warten.“ erwiderte der junge Admiral stoisch. Obrons Gegenangriff würde bald Früchte tragen, sollte er gelungen sein. Im selben Moment fielen einige weitere Seegardisten dem feindlichen Beschuss zum Opfer. Wütend erhob sich Elendar aus seiner Deckung und feuerte einen Pfeil auf die Feinde ab; der Seegardist an seiner Seite tat es ihm gleich. „Wir töten zwei von ihnen, Herr. In derselben Zeit lassen aber zwanzig von uns ihr Leben. Wir können uns so nicht mehr lange halten! Ich beschwöre Euch, Herr. Gebt den Befehl zum Rückzug.“ Flehte ihn der Elf an. Normalerweise würde ihn Elendar für seine Feigheit bestrafen lassen. Doch der Admiral wusste, dass der Soldat dies nicht aus Angst vor dem Tod sagte, sondern weil es einfach das taktisch Sinnvollste war, das noch zu tun blieb. Doch wenigstens ein paar Minuten wollte der Hochelfenkommandant noch warten. Diese Chance war er Obron schuldig. Würde er sich jetzt zurückziehen, würden die feindlichen Schiffe seinen ersten Offizier einkreisen und ihn vernichten. Im selben Moment, in dem Elendar diesen Gedanken fertig gedacht hatte, schlug eine weitere feindliche Salve ein. „Wir warten.“

Einen Augenblick später tauchte links von Elendar ein länglicher Schatten auf- eines der feindlichen Kriegsschiffe war direkt neben ihnen aufgetaucht. Enterhaken gruben sich in das Holz Elendars Schiffs und wenige Sekunden später schwangen sich die ersten Korsaren an Bord, nur um von den Schwertern der Seegardisten begrüßt zu werden. Gleichzeitig brachen hunderte Hochelfenkrieger aus dem Bauch des Schiffs hervor, als sie den Kampflärm hörten. Der Hochelfenkommandant verteidigte seine Position verbissen. Gerade hatte er einem Dunkelelfen die Kehle durchgeschnitten, als sich schon zwei andere in seine Richtung schwangen. Er wich etwas zurück und musste so zulassen, dass die beiden Gegner Fuß auf dem Schiff fassten, doch diese sahen sich nicht nur ihm, sondern einer dichten Mauer auf Speeren gegenüber.

Doch in diesem Moment vernahm der Admiral ein lautes Dröhnen in einiger Entfernung vor dem Bug des Hochelfenschiffes. Als er sich kurz zur Quelle des Geräusches umdrehte, sah er nun endgültig das Schicksal dieser Mission besiegelt. Die Dunkelelfen der ersten Angriffswelle hatten sich gesammelt und stürmten nun zu tausenden, gedeckt vom Feuer ihrer Repetierarmbrüste nach vor. „Treibt sie zurück!“ rief Elendar seinen Kriegern zu, dann zog er sich aus dem Kampf zurück und lief zum Steuermann. „Wenden! Wendet das Schiff! Wir ziehen uns zurück!“ rief er ihm zu. Neben ihm stand ein junger Offizier, der gerade mit seinem Bogen einen Feind anzielen wollte. Elendar riss ihm die Waffe aus der Hand und packte ihn am Wams. „Es ist vorbei, gib das Signal zum Rückzug, du Narr!“ brüllte er ihn an und stieß ihn schließlich von sich, woraufhin dieser verschwand, um den Anweisungen seines Kommandanten Folge zu leisten. Hektisch blickte der Admiral zu seinen Kriegern zurück, als die Planken des Schiffes knarrten und es sich langsam zu drehen begann. Die Dunkelelfen wurden von der Formation seiner Speerträger und Seegardisten gnadenlos niedergemacht, obwohl sie dafür enorme Verluste durch das noch immer andauernde Feuer des Feindes hinnehmen mussten. Doch somit erkauften sie zumindest die nötige Zeit, um sich vor den anstürmenden Gegnermassen zu retten.

Das Schiff hatte sich nun bereits halb gedreht und begann nun, sich von den feindlichen Schiffen wegzubewegen, wie ein paar dutzend andere, zumeist sehr angeschlagene Hochelfenschiffe. Die wenigen verbliebenen Feinde an Bord der Schiffe wurden schnell niedergemacht. Zu seiner Verwunderung machten die Dunkelelfenschiffe, die nun weitaus schneller als die teilweise schon schwer beschädigten Schiffe ihrer Brüder sein mussten, keinerlei Anstalten, sie zu verfolgen. Sie verzichteten sogar größtenteils darauf, auf ihre fliehenden Feinde zu schießen, sondern wandten sich zur Seite, vermutlich um nun Obrons Flotte zu vernichten. „Es tut mir leid…“ murmelte Elendar. Doch er hatte nicht mehr länger warten können.

 

Mit einem wilden Schrei stürzte sich Kouran in eine Gruppe aus drei Feinden. Dem einen schlitzte er die Kehle auf, die anderen wichen vor seiner rohen Brutalität zurück. Ein Fehler, den Bruchteil einer Sekunde später schlug ihnen der Hauptmann der schwarzen Garde mit einer unglaublich schnellen, waagrechten Bewegung seines Schwertes die Köpfe ab. Dem nächsten heranstürmenden Gegner rammte er einfach das Schwert in die Brust, zog es heraus und schwang es im Gehen nach hinten, um den Kopf des Hochelfen abzutrennen. Wie waren seine einstigen Brüder doch nur verkommen? Waren denn Unfähige und halbe Kinder das Einzige, das ihm der Admiral dieser lächerlichen Flotte - wo auch immer er sein möge - entgegen werfen konnte?

Dennoch war Kouran etwas besorgt. Die Speerspitze der feindlichen Schiffe hatte das Pech gehabt, genau mit seiner schwarzen Arche zusammenzutreffen. Er hatte sie gnadenlos zerschlagen. Trotzdem wehrten sich die Hochelfen noch immer mit verbissener Sturheit. Seitlich davon sah es dagegen schlechter aus. Die Hochelfen hatten ihre Übermacht auf wenige Stellen der Blockade konzentriert und drohten nun dort durchzubrechen. Hoffentlich würden die anderen Schiffe des Hexenkönigs schnell das Zentrum der feindlichen Flotte mit ihrem Flaggschiff zermalmen und zu ihm stoßen, um auch diesen letzten Rest auszulöschen. Diesen Gedanken zu Ende denkend stieß Kouran einem weiteren Gegner sein Schwert in den Unterleib. „Zerstört sie, zerstört sie, so wie ich sie zerstöre!“ rief er seinen Kriegen zu, sich schon wieder auf die nächste Gruppe von Gegnern werfend.

 

„Sie drohen durchzubrechen“ bemerkte der Bestienherrscher Klar Karonds etwas besorgt.

„Nein, mein Freund.“ Erwiderte der dunkle Herrscher. „Ihr Zentrum ist gebrochen und bald werden meine restlichen Schiffe das, was noch von den Hochelfen übrig ist, einkreisen und vernichten. Kouran wird sie solange aufhalten, wenn er weiß, was gut für ihn ist.“ Der Bestienherrscher beließ es bei einem nichts sagenden Schulterzucken, denn er wagte nicht, seinem Herrn und Meister zu widersprechen. Dann, einige Minuten später, machte der Dunkelelf dem Hexenkönig einen weiteren Vorschlag: „Ihr habt mich heute gebeten, meine Kräfte gegen unsere jämmerlichen Vettern einzusetzen. Möglicherweise wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, noch einmal einzugreifen, Herr.“

Nach einigen Momenten des Schweigens durchbrach Malekiths Stimme den Schleier aus Schlachtenlärm und nun schon entfernten Todesschreien: „Dann tritt beiseite, und werde Zeuge der Macht deines Meisters.“

Der Bestienherrscher gehorchte sofort und wich einige Schritte zurück, als der Hexenkönig damit begann, arkane Verse zu rezitieren. Seine gepanzerten Hände zeichneten komplizierte Muster in die Luft, die um Malekith leicht zu flimmern begann. Aus der Dunkelheit der Nacht begannen sich Schatten zu schälen, die mehr zu sein schienen als Dunkelheit. Sie begannen sich um die Hände des mächtigen Hexers zu scharen, wie Motten die vom Licht angezogen werden. Noch immer waren die magischen Worte zu hören, die der Hexenkönig zuvor gesprochen hatte, seltsam verzerrt und unnatürlich. Um ihn herum begann der Boden zu erzittern und die Luft selbst schien zu vibrieren. Dieses unheimliche, dunkle Kraftfeld dehnte sich nun aus. Die Banner auf den Standarten, die am nächsten zu Malekith standen wurden wie von einem Sog erfasst und flatterten als ginge ein fürchterlicher Sturm. Doch in Wirklichkeit war es windstill. Schließlich, am Höhepunkt des Rituals zog der Hexenkönig seine Hände eng an den Körper, nur um sie sofort wieder nach vor zu schieben. Langsam, Millimeter um Millimeter, als würde es ihm unglaubliche Kraft kosten. Als er sie ganz von seinem Körper weggespreizt hatte, verharrte Malekith einige Sekunden lang in dieser Pose, bis er schließlich noch einmal die magischen Worte sprach. Daraufhin begann der magische Sturm zu verebben und die schattenhaften Wesen verschwanden wieder, wenn es sie jemals wirklich gegeben hatte. Dann lehnte sich der Hexenkönig wieder an die Brüstung und blickte nach links, wo noch immer gekämpft wurde.

Nach einiger Zeit meldete sich der Bestienherrscher noch einmal zu Wort: „Verzeiht, mein König, doch ich bin wahrlich sehr begierig darauf, zu erfahren, wie sich euer Zauber auf unsere Feinde auswirken wird?“ Geschickt vermied er es, Zweifel oder Kritik in seiner Stimme erkennen zu lassen.

„Du fragst, welche Wirkung mein Zauber hat, kurzsichtiger Narr? Nicht alle Magie dieser Welt zielt nur auf Vernichtung ab. Doch solltest du wirklich Interesse haben, sie doch einmal etwas weiter nach vor.“ Damit zeigte der Hexenkönig mit dem Finger in die Dunkelheit. Der Bestienherrscher brauchte ein paar Sekunden, um zu erkennen, was sein Herr meinte. Er sah an der Stelle, die ihm Malekith gezeigt hatte, nur die Dunkelelfenschiffe, die die Reste der Hochelfenflotte im Rücken angreifen und vernichten sollten. Das besondere war allerdings, dass sie sich um das fünffache schneller bewegten. So würden sie den Feind schon in wenigen Minuten erreicht haben.

„Siehst du jetzt den Sinn hinter meinem Zauber?“ fragte ihn der Hexenkönig mit einer Mischung aus Verachtung und Hochmut.

„Ja Herr. Euer Sieg wird nun makellos sein.“

 

Die Besatzung des Adlerschiffs „Silberpfeil“ kämpfte mit verbissener Wut. Nachdem sie mit ansehen müssen hatten, wie die schwarze Arche der Dunkelelfen tausend Elitekrieger ausgespuckt hatte, die in einem wahren Blutrausch die Speerspitze ihres Angriffes zerschmettert hatten und nun alles niedermetzelten, das sich ihnen in den Weg stellte, war ihre Hoffnung auf einen Sieg ebenso zerschmettert, wie die Leiber ihrer Kameraden. Nun drängten von der schwarzen Arche noch viele tausend Krieger nach, um ihre Vorkämpfer zu unterstützen. Nein, an einen Sieg war nicht mehr zu denken. Doch jetzt trieb die Hochelfen etwas noch viel stärkeres an als Ruhmsucht - der Wille zum blanken Überleben. Die „Silberpfeil“ hatte zusammen mit einem halben dutzend anderen Schiffen eine dünne Stelle in der feindlichen Blockade angegriffen und war beinahe durchgebrochen. Die anderen sechs Schiffe waren bereits zerstört, doch der Besatzung dieses einen Schiffes hatten sie dafür ernsthafte Chancen erkämpft. Nur ein Kriegsschiff der Dunkelelfen war noch übrig, sich ihnen in den Weg zu stellen. Die anderen waren entweder gerade in Kämpfe verwickelt oder zu weit entfernt. Das feindliche Schiff lag mit der Breitseite zu ihnen, so dass zu wenig Platz war, daran vorbeizufahren. Der Steuermann drehte bei, noch einmal feuerten die Seegardisten ihre Bögen und Speerschleudern ab, dann ergriffen sie ihre Enterhaken und versuchten sich an Bord des Dunkelelfenschiffs zu schwingen. Ihre Feinde begrüßten sie mit einem Hagel aus Armbrustbolzen, die fast der Hälfte der enternden Mannschaft das Leben kostete. Danach ließen die Krieger ihre Fernwaffen einfach fallen und gingen mit Speer und Schild auf die Hochelfen los, die ihrerseits Schwerter und Entermesser zogen und sich ins Getümmel warfen. Obwohl die Dunkelelfen eine kleine zahlenmäßige Überlegenheit besaßen, glichen das ihre Feinde mit einer todesverachtenden Wildheit aus, die ihnen der Mut der Verzweiflung gab. Doch auch die Besatzung des Dunkelelfenschiffs focht mit unerbittlicher Grausamkeit, denn sie wussten, was die Strafe für Versagen war.

Nach einigen Minuten zähen Ringens war es jedoch offensichtlich, dass die Hochelfen die Überhand gewannen und ihre Feinde, die sich erbittert gegen ihren Druck stemmten, Meter für Meter zurückdrängten, auch wenn sie ihr Vorwärtskommen blutig bezahlten. Und dann hielten die Kämpfer beider Parteien für einen kurzen Augenblick und wendeten ihre Köpfe, als sie hinter sich das Krachen von Holz, das Zischen tausender Bolzen und gleich darauf einen neu entbrannten, vielfach stärkeren Schlachtenlärm vernahmen. Über hundert Dunkelelfenschiffe krachten in den Rest von dem, das einmal die Flotte der Hochelfen gewesen war, und tausende Krieger stürzten sich auf die überraschten Feinde und machten sie nieder. Sie waren eingekreist. Von hinten wie von vorn kamen die Attacken der jetzt zahlenmäßig weit überlegenen Dunkelelfen.

Die Schmerzensschreie und die schier aussichtslose Lage nahmen den Hochelfen jeden Mut und mit höchster Verzweiflung stürzten sie sich nun erneut auf ihre dunklen Brüder. Diese fassten aber durch den Anblick ihrer angreifenden Brüder und der Gewissheit auf den Sieg neuen Mut und stürzten sich ebenfalls mit doppelter Wildheit ins Gefecht. Sie vermochten ihre Feinde zwar nicht mehr zurückzudrängen, doch verhinderten sie dennoch, dass sie durchbrechen konnten. Dieser unentschiedene Kampf endete, als erneut Krieger an Bord des Dunkelelfenschiffs strömten. Die Dunkelelfen griffen nun vereint an, rangen ihre Gegner nieder und ließen keinen am Leben.

 

Es war Nacht geworden und Jenara saß auf einem Felsvorsprung vor dem Eingang der Höhle. Neben ihr plätscherte der Wasserfall, der Mond stand hoch am Himmel. Sie war hierher gekommen um nachzudenken. Etran hatte sein Versprechen gehalten und ihr die Umgebung gezeigt. Es war wunderschön hier. Warum war sie an diesem Ort? Um sie zu beschützen? Aber vor was? Sie vermisste ihren Vater so sehr. Sie verstand gar nichts mehr. Wo er wohl gerade sein mochte, was er wohl gerade tat? Würde sie ihn jemals wieder sehen? Es gab so viele Fragen und keine Antworten dazu, außer der, die sie selbst ersinnte. Nachdenklich blickte die junge Elfin auf das klare Wasser des kleinen Sees. Es war dunkel, so dunkel wie ein Spiegel aus schwarzem Obsidian, wie ihn die Magier zu benutzen pflegten. Sie fragte sich, ob sie in dieser Nacht wohl auch wie sie in ferne Länder blicken konnte, oder ob Etran es wohl konnte. Ein törichter Gedanke. Und gerade, als sie ihn zu Ende gedacht hatte, legte sich eine Hand auf ihre rechte Schulter. Sie zuckte etwas zusammen und drehte sich erschrocken um. Doch es war nur Etran.

„Nein, ich kann es nicht.“ Sagte er.

„Was nicht können? Ich verstehe nicht?“

„In ferne Länder blicken. Die Künste der Magie.“

Jenara zuckte ein weiteres Mal erschrocken zusammen: „Woher weißt du, was ich denke?“ fragte sie den Elfenritter entsetzt.

„Weil du es laut ausgesprochen hast.“ Gab dieser lächelnd zurück.

„Entschuldige, ich bin so töricht.“ Den Göttern sei Dank konnte Etran jetzt nicht sehen, wie sie errötete, auch wenn er es wohl vermutete. Nach einigen Minuten Schweigen durchbrach er die Stille: „Nicht so töricht wie du glaubst. Ich kenne jemanden, der es kann.“

„Wen?“ fragte die Elfin schüchtern.

„Menethus, deinen Vater.“ Ungläubig schüttelte Jenara den Kopf, bevor ihr einfiel, dass dieser Fremde, der Etran trotz allem noch für sie war, ihren Vater vermutlich besser kannte als sie selbst.

„Du und mein Vater, ihr kennt euch schon sehr lange, oder?“

„Ja. Ich und mein Bruder lernten ihn nach dem Tod unseres Vaters kennen. Menethus hatte mit ihm gemeinsam gekämpft. Vor seinem Tod bat er ihn, sich um uns zu kümmern. Elarios war noch ein Kind und ich nicht viel älter als du jetzt. Dein Vater lehrte mich und - als die Zeit reif war - auch meinen Bruder alles, das wir brauchten. Er ist wie ein Vater für mich.“

„Du liebst ihn.“

„Ja. Er war der beste Elf, der mir jemals begegnet ist, und ich habe wahrlich schon viele gesehen.“

„Warum lässt er mich dann von sich wegbringen?“ fragte Jenara traurig.

„Du vermisst ihn sehr. Doch versteh bitte, es ist zu deinem eigenen Schutz.“

„Ja, du hast Recht. Ich vermisse ihn wirklich.“

Mit einem Seufzer entgegnete ihr Etran: „Es ist kalt. Komm hinein, sonst erkältest du dich noch.“

„Erzählst du mir noch mehr von meinem Vater?“ beharrte die junge Elfin.

„Ja, am warmen Feuer. Und jetzt komm.“ Sie folgte seiner Aufforderung, noch einmal einen Blick auf das Wasser des Sees werfend. Doch diesmal erschien es ihr wie Blut.

 

Kouran stieß sein Schwert in den zerschmetterten Leib des Hochelfenkriegers. Das war der letzte. Nun war niemand mehr übrig, den er töten konnte. Er hob seine blutbefleckte Waffe in die Höhe und schrie mit lauter Stimme: „Sieg!“ Massaker wäre treffender gewesen. Die Wolken hatten sich verzogen und der Mond warf ein spärliches Licht auf das blutige Meer. Überall um Kouran herum lagen die blutigen, zertrümmerten Leichen der Hochelfen. Die Rüstung des schwarzen Gardisten war voll von der klebrigen Flüssigkeit. Nicht ein Tropfen davon gehörte ihm. Das Blut rann von den Planken ab ins Meer; es war so viel, dass das Wasser tatsächlich überall rot gefärbt war.

Wer würde sich der siegreichen Armee des wahren Königs nun noch entgegenzustellen wagen?

"Conan! What is best in life?" - "Crush your enemies, see them driven before you, and hear the lamentation of their women."

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Kapitel 10

 

Furion blickte mit Verachtung auf die näher kommenden Lichter. Es handelte sich wohl nur noch um ein paar dutzend Schiffe, aus deren langsamem Näherkommen er schloss, dass sie bereits schwer beschädigt waren.

„Ihr wirkt erzürnt, Furion?“ durchbrach Idana das Schweigen, das seit dem Beginn der Seeschlacht bis jetzt angedauert hatte. Sie war in der ganzen Zeit nicht von seiner Seite gewichen.

„Siehst du diese erbärmlichen Reste der einstmals so stolzen Flotte? Du weißt, dass ich Feiglinge hasse. Es bringt keine Ehre, diese lächerlichen Würmer zu töten.“ Erwiderte er ihr in verärgertem Tonfall.

Plötzlich erbebte der Körper der jungen Erzzauberin. Sie klammerte sich an der Reling fest, während sie am ganzen Leib zitterte. Ihre Augen waren weit aufgerissen. Furion spürte eine mächtige magische Präsenz. Der Dunkelelf wusste, was das bedeutete. Ein leises Stöhnen war von Idana zu hören, als die magischen Energien wieder abschwellten und sie die Kontrolle über ihren Leib zurückerlangte.

„Welche Befehle hat Malektih für mich?“ fragte sie der Herr Clar Karonds mit seiner gewöhnlichen, harten Stimme. Es vergingen einige Minuten, ehe er eine Antwort bekam, denn der telepatische Kontakt hatte auch Idana viel abverlangt.

„Ihr sollt nun Feuer entzünden, um besser in der Dunkelheit sehen zu können und mit Euren Kriegsschiffen die Reste der feindlichen Flotte vernichten. Der König ermahnt Euch noch einmal, gründlich zu sein und keines der Schiffe zu übersehen.“ Berichtete die Erzzauberin mit schwacher Stimme.

„Gut. Ich werde mich zu meinen adligen Offizieren begeben und ihnen die Befehle übermitteln. Währenddessen könntest du die Gelegenheit ja für ein paar magische Übungen nützen.“ Schlug ihr Furion vor, auch wenn es sich von ihm eher wie ein Befehl anhörte. Sie antwortete nur mit einem knappen „Ja“, als sich ihr Herr auch schon von ihr abwandte.

 

Das Mondlicht brach nur vereinzelt durch die Kronen der mächtigen Bäume, als Menethus und die Seinen rund um den Stein Aufstellung nahmen. Arion hatte sie schon erwartet. Die Fackeln steckten sie ringsum in den weichen Boden. Als sich alle im Kreis aufgestellt hatten, begann der Magier: „Ich grüße euch, Freunde. Leider kommen wir aus einem überaus ernsten Anlass hierher zusammen. Wir sind hierher gekommen, um über das Schicksal unseres Landes und unseres Volkes zu beraten. Menethus wird uns zuerst die Situation schildern.“

Der Elf ging einen Schritt nach vor und begann dann in ernstem Tonfall: „Wie viele von euch wissen, hat der Phönixkönig unsere Flotte entsandt, um unsere dunklen Brüder zu überfallen. Durch Zufall erfuhren ich und Arion von deren Plan, diese Flotte in einem Hinterhalt zu vernichten und anschließend Ulthuan selbst anzugreifen.“

Daraufhin ergriff Arion wieder das Wort: „Die Zauberinnen unserer Feinde haben unseren Magiern Illusionen gezeigt und sie mit Trugbildern getäuscht. Ich selbst wurde so lange Zeit hinters Licht geführt. Wir erfuhren von diesen Vorgängen nur durch einige Schüler, deren magische Aura noch so schwach war, dass sie unsere Feinde einfach übersahen. Auch manche, die wie Menethus beide Wege - den des Schwertes und den der Magie - gewählt hatten, vergaßen die Zauberinnen unserer Feinde. Ich überzeugte mich schließlich selbst und fand alles bestätigt. Der Hexenkönig hat alle seine Streitkräfte zusammengezogen und eine Flotte aufgestellt, der die unsere nichts entgegenzusetzen hat. Ich versuchte, den Plänen des Feindes Stolpersteine in den Weg zu legen, nicht ganz ohne Erfolg. Doch schließlich griff mich eine ihrer Erzzauberinnen an und tötete mich fast.“ Überrascht blickten einige der Anwesenden, vor allem Menethus selbst zu dem Erzmagier hinüber, bevor dieser fort fuhr: „Ihr seht also, der Krieg hat bereits begonnen. In diesem Moment wurde ein Gegenangriff unserer Flotte auf die Schiffe des Feindes mit grausamer Brutalität zerschmettert. Die wenigen Überlebenden ziehen sich zurück. Ich glaube aber kaum, dass der Hexenkönig sie so einfach entkommen lassen wird.“ Damit beendete der Magier seinen Bericht. Schweigen.

Dann ergriff Uthriel das Wort: „Und wisst Ihr, wo sich diese Schlacht zuträgt?“

„Es ist eine Meerenge“ begann Arion unsicher. „Überall Eis, frostige Kälte, Dunkelheit. In der Ferne sind Länder, völlig mit Schnee bedeckt.“

„Das Eismeer.“ Stellte der Schattenkrieger mit kühler Stimme fest. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit, sollte das stimmen.

„Und davon sollten wir ausgehen.“ Warf einer der anderen Adligen Ulthuans ein.

„Was ist also zu tun?“ fragte ein anderer.

Menethus schritt mit beruhigender Stimme ein: „Nun, die Reste unserer Flotte, egal ob nun die Schiffe, die die Schlacht am Eismeer überlebt haben, entkommen können oder nicht, können einer so großen Ansammlung feindlicher Schiffe nicht standhalten. Wir müssen unsere Anstrengungen also darauf konzentrieren, die Landung des Feindes zu behindern und seinen Vormarsch aufzuhalten, bis der Phönixkönig die Gefahr endlich erkennt und unsere regulären Truppen aufmarschieren können.“

„Nun gut, doch wenn das stimmt, was Ihr sagt, werden die Dunkelelfen unsere Schiffe vom Meer fegen. Dadurch erhalten sie die Kontrolle über unsere gesamte Küste. Sie können landen, wo sie wollen. Wir können nicht überall gleichzeitig sein.“ Warf der Schwertmeister Erias ein.

„Du hast einen scharfen Vertstand, mein Freund.“ Erwiderte Menethus. „Doch mit jedem Tag, der verstreicht, wird die Chance nun größer, dass Malekiths Plan auffliegt. Deshalb wird er wohl vor allem auf Schnelligkeit setzen, um den Überraschungseffekt zu nutzen und den größten Teil Ulthuans nahezu widerstandslos einnehmen zu können. Welche Stelle ist die dem Eismeer Naheste und geeignet um ein Heer von mehreren Hunderttausend landen zu lassen?“ wandte er sich an Uthriel.

„Es gibt nur einen Ort, der mir dafür geeignet zu sein scheint. Es ist ein flacher Küstenstreifen in Nordwesten Ulthuans. Dort gibt es nichts weiter als ein paar kleine Fischerdörfer. Westlich davon befinden sich die versunkenen Länder Nagarythes und nahe der Küste erheben sich die Ruinen der äußeren Befestigungen Anlecs, die noch dazu die Möglichkeit bieten, in kurzer Zeit einen Brückenkopf zu errichten. Es ist praktisch unmöglich die Landung zu stören, denn es gibt keine natürlichen Hindernisse, die meinen Spähern Deckung geben könnten.“

„Und das Wasser ist seicht?“ fragte Menethus noch einmal nach.

„Ja. Ihre Kriegsschiffe werden sich wohl kaum so nahe heranwagen, um den Strand unter Beschuss nehmen zu können.“

„Wie viele Ritter könnten wir in so kurzer Zeit gewinnen?“ fragte Menethus in die Runde. Schließlich war es Elarios, der antwortete: „Natürlich einmal mich und alle Anwesenden hier. Ich denke, ich weiß, in welche Richtung deine Überlegungen gehen, mein Freund. Doch ich muss dich enttäuschen. Wir sind zu wenige für einen Angriff auf den Strand. Eine größere Streitmacht aus Reitern könnte den Feinden wirklich große Verluste beibringen und ihren Aufmarsch erheblich behindern, doch so wenige wie wir sind, könnten wir wohl kaum etwas ausrichten.“

Nach kurzem Schweigen brachte ein junger Adliger einen weiteren Vorschlag ein: „Aber wir in Tiranoc und Ellyrion haben dennoch viele kräftige und gute Pferde in unseren Ställen, wie Ihr sicher wisst, Elarios. Auch ist unsere Bevölkerung seit jeher im Umgang mit diesen Tieren geschult. Was wäre, wenn wir auch unsere Elitekrieger auf Pferde setzen würden? Ließe sich damit die Zahl nicht hoch genug steigern.“ Noch bevor er geendet hatte, hagelte es scharfe Kritik. „Seit jeher ziehen nur wir Adligen Ulthuans beritten in die Schlacht“ rief der eine empört; wer solle denn die neuen Rüstungen und Waffen bezahlen, ein anderer.

Ein weiteres Mal schritt Menethus energisch ein: „Was habt ihr gegen diesen Vorschlag? Ja, es mag nicht unserer Tradition entsprechen, doch ist dieses Opfer wohl erträglich, in Anbetracht der Gefahr, in der wir schweben. Was die Kosten angeht: Dies soll noch das geringste Opfer sein, das ihr der Heimat geben könnt. Wer nicht einmal das herzugeben bereit ist, hat hier nichts verloren.“ Endete der Hochelf wütend und tadelnd. Schließlich erhob noch einmal einer der Adligen seine Stimme. An Elarios gewandt fragte er: „Ist das überhaupt durchführbar?“

„Ja, das ist es. Ich benötige mindestens 500 solcher Reiter, am besten wären aber etwa 1000.“

„Das ist eine gewaltige Zahl. Doch ich denke, das es möglich ist.“ Meldete sich noch einmal der Adlige zu Wort, der den Vorschlag gemacht hatte.

„Und was meint Arion dazu?“ wollte ein anderer wissen. Der Magier war seither still geblieben.

„Ich habe nicht viel Erfahrung mit den Taktiken der Kriegsführung.“ Gestand dieser ein. „Doch es hört sich für mich nach einem vernünftigen Plan an. Ich werde mich den Reitern anschließen, wenn es erwünscht ist. Ich kenne einige Tricks, die hilfreich sein könnten. Die schlussendliche Entscheidung ruht jedoch auf den Schultern unseres Feldherrn, Menethus.“ Er war zuvor nicht als Führer dieser Sache ernannt worden, es gab diesbezüglich auch keine Abmachungen. Dennoch erhob keiner seine Stimme, als er hörte, wie der Hochelf von dem Erzmagier angesprochen wurde. Nach kurzem Schweigen sprach Menethus: „Dann ist es also beschlossen.“

 

„Feuer!“ Auf Tarashs Befehl lösten sich viele Dutzend Bolzen von seinen Repetierspeerschleudern und den Armbürsten seiner Krieger. Das Gegenfeuer des Hochelfenschiffs war noch erstaunlich stark. Es musste entweder ein großes Kriegsschiff oder im Kampf noch kaum beschädigt worden sein. Doch das machte nichts. Neben ihm segelten noch fünf weitere Dunkelelfenschiffe. Die geringe Zahl der feindlichen Kräfte ließ es zu, dass gleich mehrere der ihren ein Schiff des Gegners angriffen. Langsam schälte sich der Umriss von Tarashs Ziel aus der Dunkelheit. Es war ein für normale Verhältnisse gewaltiges Schiff, das wohl viele hundert Krieger aufnehmen konnte.

„Wir können ihren Rumpf nicht stark genug beschädigen.“ begann der Adlige an einen seiner Offiziere gewandt. „Konzentriert das Feuer auf das Deck und die Masten und macht Eure Männer bereit zum entern.“ Mit einem Nicken entfernte sich der Dunkelelf um die Befehle seines Herrn auszuführen. Kurz darauf schlug auch schon eine weitere Salve auf dem Hochelfenschiff ein, die deutlich höher gezielt war. Auch wenn nicht wenige Bolzen ihr Ziel verfehlten und ins Wasser dahinter fielen, richteten die, die trafen umso größeren Schaden an. Doch die Antwort des Hochelfenschiffs war ebenso vernichtend. Einige von Tarashs Kriegern wurden von Pfeilen durchbohrt, während ein halbes Dutzend Bolzen in die Bordwand des Schiffes einschlugen. Doch schon feuerten seine Krieger auch wieder ihre Salve ab. Die anderen Schiffe schienen seinem Beispiel zu folgen, als ihre Kapitäne erkannten, dass das Hochelfenschiff zu stabil gebaut war, um den Rumpf ausreichend zu beschädigen.

Daraufhin drangen Schmerzensschreie von den Feinden ans Ohr Tarashs und krachend brach der mittlere Mast des gegnerischen Schiffs und stürzte auf die Besatzung herab. Es schien Verwirrung an Deck auszubrechen, denn der Beschuss des Hochelfen traf ihre Gegner nun nur vereinzelt. Zufrieden schritt Tarash zum Steuermann: „Bring uns so nahe wie möglich heran, wir entern.“ Mit einem Nicken ließ dieser das Ruder etwas nach rechts schwenken, während sich an Deck die gesamte Besatzung, mit Schwertern und Enterhaken ausgerüstet, versammelte. Die anderen Schiffe feuerten noch einmal auf die Hochelfen, dann folgten sie wieder Tarashs Beispiel und kreisten es ein, um es von allen Seiten aus gleichzeitig bestürmen zu können.

Dann war das feindliche Schiff schon nahe genug, um die Enterhaken benutzen zu können. Die Dunkelelfen schleuderten sie gegen die Bordwand ihrer Gegner und schwangen sich hinüber. Dort wurden sie schon von Seegardisten begrüßt. Tarash schleuderte seine Waffe noch im Schwung einem entgegen, der sie gerade noch mit seinem Schild abwehrte. Als der Dunkelelf auf den Planken aufkam, zog er rasch einen Dolch und stieß ihn seinem überraschten Gegner in den Unterleib, bevor er reagieren konnte. In die andere Hand nahm er ein Kurzschwert und ging so bewaffnet auf den ihm am nächsten stehenden Gegner los. Dieser wurde von ihm und einem zweiten Dunkelelfen niedergerungen. Von überall her stürmten sie das Hochelfenschiff. An einigen Stellen war es den Seegardisten zwar gelungen, die Enterversuche ihrer Gegner zurückzuschlagen, doch würden auch sie bald zurückgedrängt werden, dessen war sich Tarash sicher, als er erneut auf einen Hochelfen einschlug.

 

Idana hatte ein lohnenswertes Ziel gefunden. Ein kleines, schwer beschädigtes Schiff der Hochelfen wollte knapp an der schwarzen Arche vorbeisegeln. Vermutlich waren die Ruder schon etwas beschädigt, so dass es nur begrenzt manövrierfähig war. Sie sammelte nun ihre Kräfte für einen magischen Angriff. Als sie sich bereit fühlte, hob sie ihre Arme und rief mit lauter Stimme die Namen uralter, grässlicher Dämonen an. Sie fühlte, wie sich ihre Kräfte steigerten. Langsam bewegte sie die Hände aufeinander zu, hielt in einem halben Meter Entfernung aber inne, als sich eine Kugel aus reiner, vernichtender Energie zwischen ihnen bildete. Immer mehr verdichteten sich die magischen Kräfte. Die Erzzauberin begann zu schwitzen und zu zittern, noch immer arkane Formeln murmelnd. Schließlich, als sie glaubte, die Kräfte nicht mehr im Zaum halten zu können, entlud sie sie in Richtung des Hochelfenschiffs. Ein gewaltiges magisches Geschoss wurde gegen die Feinde geschleudert. Die Energie selbst war so groß, dass der Rückstoß Idana fast zu Boden warf.

Mit einem gewaltigen Knall traf der Zauber den Rumpf des Hochelfenschiffs und explodierte in einem flammenden Inferno. Ein großes Loch wurde hineingerissen, durch das Wasser strömte, während magische Flammen noch immer nach oben züngelten und Taue wie auch Planken versengten. Das Schiff ging innerhalb weniger Minuten unter und Idana sah sich nach einem neuen Übungsobjekt um. Furion würde sie für ihre Fortschritte loben…

 

Die Lage war verzweifelt. Weitere Dunkelelfenschiffe hatten ihnen auf ihrer Flucht aufgelauert und hatten sie mit Beschuss und Magie empfangen. Kurz zuvor war ein weiteres Schiff von einem magischen Geschoss getroffen worden und gesunken. Die Lage war mittlerweise hoffnungslos für die Hochelfen geworden. Die Gegner begnügten sich nicht damit, die Flotte Ulthuans vernichtend zu schlagen, sie wollten sie anscheinend komplett auslöschen. Der mittlere Mast war gefallen und Elendars Schiff wurden gleich von mehreren Dunkelelfenschiffen gleichzeitig geentert. An vielen Stellen war der Feind durchgebrochen und bedrängte nun die übrigen Verteidiger an der Flanke.

Die Hochelfenkrieger waren verteilt, sodass sie ihre zahlenmäßige Überlegenheit, die sie noch immer besaßen, nicht ausspielen konnten. Der junge Admiral musste schnell handeln, wollten er und seine Männer nicht sofort überrumpelt würden. Wenn sie schon kämpfen und sterben müssten, dann würden sie ihre Leben auch so teuer wie möglich verkaufen.

„Einen Kreis bilden! Bildet einen Kreis! Schnell“ rief er seinen Leuten zu, während er selbst mit einem feindlichen Korsaren rang. Schließlich erreichte sein Kommando mehr und mehr seiner Soldaten, die daraufhin ihre Position aufgaben und sich zur Mitte des Schiffes hin zurückzogen. Die Dunkelelfen nutzten das gnadenlos aus und bedrängten die Zurückweichenden mit neuer Wildheit. Einige kleine Gruppen Seegardisten und Speerträger wurden dabei vom Feind eingekreist und ausgelöscht, doch die meisten schafften es zu ihrem Kommandanten und formierten sich zu einer undurchdringlichen Speerwand. Die innersten, die ihre Speere nicht mehr sinnvoll einsetzen konnten, nahmen sich Bögen und beschossen die heranrückenden Dunkelelfen. In dieser Formation konnten sie durchaus hoffen, selbst einer großen Anzahl von Gegnern lange standhalten zu können. Viele Korsaren starben durch die gut gezielten Pfeile der Hochelfen und die, die durchkamen, sahen sich einer undurchdringlichen Mauer aus Speeren und Schilden entgegen.

Als die Dunkelelfen bemerkten, dass sie den Gegnern auf diese Weise nicht gewachsen waren, wichen sie zurück. Die wenigen Überlebenden Korsaren zogen sich auf ihre eigenen Schiffe zurück, während die Krieger der Dunkelelfen ebenfalls eine Phalanx bildeten, um den feindlichen Beschuss abzuwehren. Die Hochelfen jubelten bereits in Gedanken und Elendar musste sie vor einem Gegenangriff abhalten. Doch ihre Freude sollte nicht lange währen…

 

Tarash war wütend über den überraschend harten und entschlossenen Widerstand, den ihm die Hochelfen entgegenbrachten. Er hatte viele Krieger verloren und sah keine Möglichkeit, die feindliche Phalanx zu zerbrechen. Er grübelte düster vor sich hin, während in die Schilde der Krieger vor ihm Pfeil um Pfeil einschlug. Es musste schnell etwas geschehen. Gerade als Tarash über das Problem nachdachte, kam ihm jemand entgegen, den er nur allzu gut kannte.

„Ich wusste nicht, dass Ihr Euch dasselbe Schiff ausgesucht habt.“ Begann der Dunkelelf das Gespräch.

„Nun ja, wir haben wohl einiges gemeinsam.“ Antwortete ihm Naira. In ihrer Stimme konnte er ebenfalls etwas Verärgerung über den erbitterten Widerstand erkennen, größtenteils aber so etwas wie - Erheiterung.

„Was macht Euch so gut gelaunt, Naira?“ fragte sie Tarash zweifelnd. „Wir können die Phalanx der Feinde nicht brechen. Wir werden vor den Augen Furions eine schmähliche Niederlage erleiden, wenn uns nicht etwas einfällt.“

„Ihr seid ein starker Kämpfer, mein Freund.“ Erwiderte die Dunkelelfin „doch ich als Frau bevorzuge subtilere Methoden, als den Feinden einfach die Köpfe abzuschlagen. Warum seid ihr so begierig auf den Nahkampf? Die Feinde sind umzingelt, sie können nicht fliehen und wir haben alle Zeit der Welt. Wozu haben wir denn unsere Speerschleudern? Ich habe einige meiner Krieger bereits zu meinem Schiff zurückgeschickt, um sie hier in Stellung zu bringen. Das solltet Ihr auch tun.“

Mit einem dankbaren Lächeln nickte Tarash und wies einige seiner Leute an, die Hälfte der Speerschleudern herzubringen und kampfbereit zu machen. An Naira gewandt sagte er: „Ihr seid verschlagener als alle anderen, denen ich je begegnet bin.“

„Das hat nichts mit Verschlagenheit zu tun“ antwortete sie ihm „vielmehr zwingt der Wille zu Überleben eine Frau oftmals dazu, einfallsreich zu sein. Denn in einem Punkt habt Ihr Recht: Furion würde hier und jetzt eine Niederlage ganz und gar nicht begrüßen. Lass uns diese Würmer schnell zerquetschen, bevor uns andere den Ruhm wegnehmen. Und dann habe ich endlich Lust auf ein gutes, warmes Bad“ lächelte sie ihn an.

 

Elarios beobachtete die Reihen der Feinde. Irgendetwas ging dort vor sich, doch er konnte nicht erkennen, was es war, denn die Schildmauer der Dunkelelfen nahm ihm die Sicht. Er hatte befohlen, Munition zu sparen und so hatten seine Bogenschützen aufgehört, die Feinde zu beschießen. Nach einer halben Stunde, wie es schien - der Hochelf hatte bereits jegliches Zeitgefühl verloren - öffneten sich die Reihen seiner dunklen Brüder endlich und gaben den Blick auf knapp zwei dutzend Repetierspeerschleudern frei, die im selben Moment das Feuer eröffneten. Ihre gewaltigen Bolzen drangen durch die Schilde der Verteidiger und spießten mehrere von ihnen hintereinander auf.

Schon luden die Feinde nach, doch Elendar wusste, dass Stehen bleiben den sicheren Tod bedeuten würde. Es gab nun nur noch eine einzige Möglichkeit. Mit einem todesmutigen Schrei stürmte er nach vorne und rief seinen Kriegern zu: „Angriff! Für Ulthuan!“ Doch wären sie ihm auch so gefolgt. Sie hatten die feindlichen Reihen schon beinahe erreicht, als sich eine neue Salve von den Speerschleudern löste und fast hundert der ihren niedermetzelte.

Dann krachten sie in die Phalanx der Dunkelelfen. Sie hielt. Nun waren die Hochelfen fast doppelt überlegen und außerdem fochten sie mit dem Mut der Verzweiflung. Doch auch ihre Feinde kämpften als ob der Hexenkönig persönlich hinter ihnen stehe und sie antreibe. Keine der beiden Seiten wich auch nur einen Fußbreit zurück. Schließlich stürmten die feindlichen Korsaren ein weiteres Mal das Hochelfenschiff, als sie den Kampflärm vernahmen, sie brachen in die Flanke ihrer Gegner und verursachten große Verluste, wurden schließlich jedoch mit brutaler Kraft und der schieren Anzahl der Hochelfen zurückgedrängt. So tobte der Kampf hin und her und obwohl es auf beiden Seiten viele Verwundete gab und die Kräfte der Krieger langsam schwanden, kämpfte doch keiner mit verminderter Wildheit.

Und plötzlich rief jemand von den Feinden: „Wo bist du, Herr über dieses Schiff? Wo versteckst du dich, elender Wurm? Hast du den Mut, gegen mich im Zweikampf anzutreten?“ Elendar schrie wütend, er solle ruhig kommen und bewegte sich in die Richtung, aus der die Herausforderung gekommen war. Schließlich stand er einem mächtigen Dunkelelfenkrieger gegenüber. Er trug die Rüstung eines Adligen und war mit einem Schwert und einem Dolch bewaffnet.

Der Hochelf eröffnete den Kampf mit einer schnellen Kombination aus Hieben, die sein Gegner jedoch ausnahmslos parierte. Dieser drang seinerseits nun mit seinem Schwert auf den Hochelfen ein, während er dazwischen seinen Dolch immer wieder gefährlich nach vorne züngeln ließ. Elendar wurde in die Defensive gedrängt und musste immer weiter zurückweichen. Schließlich entschloss sich der junge Admiral zu einem gefährlichen Manöver. Er tauchte unter dem nächsten Hieb seines Feindes hindurch und versuchte ihm mit seinem Schwert den Bauch aufzuschlitzen. Es wäre auch gelungen, hätte die Rüstung des Adligen ihn nicht vor jeglichem Schaden bewahrt. Nun nutzte der Dunkelelf seinerseits die ungünstige Position seines Kontrahenten und schlug von oben herab auf dessen Schädel. Dem Schwerthieb wich Elendar noch mit Mühe aus, dem auf den Oberkörper gezielten Dolchstoß hielt die Rüstung des Admirals stand. Nun ging wieder der Hochelf mit einer schnellen Schlagkombination in die Offensive. Der Gegner parierte wieder jegliche Hiebe und setzte erneut zu einem wilden Gegenangriff an.

Elendars Kräfte begannen langsam zu weichen, während sein Kontrahent noch frisch war. Dieser Kampf musste schnell entschieden werden. So legte er alle seine verbliebene Stärke und all sein Geschick auf einen mächtigen Hieb, der auf den Kopf des Dunkelelfen zielte und ihn vermutlich auch gespalten hätte, hätte dieser nicht im letzten Moment sein Schwert dazwischen gebracht. Die Wucht des Aufpralls war so hart, dass sie den Adligen etwas zurückstieß. Die Klinge seines Schwertes brach entzwei. Das nützte Elendar um noch einmal nachzusetzen. Der Dunkelelf ließ den Griff seines Schwertes fallen und wich dem Hieb seines Gegners zur Seite aus. Dann erfasste er den Hochelfen am Handgelenk und verdrehte es, so dass dieser vor Schmerzen stöhnend das Schwert fallen ließ. Dann versuchte er nochmals, dem Feind den Dolch in die Brust zu stoßen, doch wieder glitt er an der Rüstung des Elfen ab. Elendar hatte sich inzwischen wieder etwas gefasst und versuchte sich loszureißen, während er selbst einen Dolch aus dem Gürtel zog. Doch der Dunkelelf hielt ihn fest und stach noch einmal zu – diesmal auf den ungeschützten Hals seines Gegners zielend. Mit Mühe wich Elendar noch aus und konnte sich endlich von dem überraschten Dunkelelfen losreißen. Er führte nun einen verzweifelten Stich nach dem Bauch des Feindes, doch wieder hielt die Rüstung und der dunkle Krieger nützte seine Chance und schlug mit der gepanzerten Faust mit aller Kraft gegen den Helm des Hochelfen. Elendar brach zusammen. Als er den Kopf hob, stand über ihm der Dunkelelf, der ihm den Helm vom Kopf riss und seinen Dolch ansetzte. Eine Sekunde später fiel der leblose Körper des Hochelfenadmirals auf die Planken, mit durchgeschnittener Kehle, zerbrochen und besiegt.

Als die anderen Verteidiger das sahen, ließ ihr Kampfgeist nach, während die Dunkelelfen mit neuer Kraft und der Gewissheit auf den Sieg kämpften. Langsam wurden die Hochelfen zurückgedrängt und niedergemacht. Die letzten verteidigten sich schließlich von einem Berg, den ihre eigenen Gefallenen bildeten, herab, doch auch sie wurden schließlich überwältigt, von mehreren Gegnern gleichzeitig zu Boden gerungen und niedergestochen. Niemand aus dieser Streitmacht sollte jemals wieder die Gestade seines Heimatlandes Ulthuan erblicken. Das war das Ende des Elendars und seiner Flotte und dieser Tag sollte als einer der schwärzesten in die Annalen der Phönixkönige eingehen.

 

Die edlen Elfen Ulthuans berieten gerade über Details des von Menethus beschlossenen Plans, etwa wer wie viele Truppen stellte und wo er mit ihnen am sinnvollsten und ehrenhaftetesten Kämpfen könne. Denn der Kavallerieangriff war nur der erste einer Reihe geplanter Überfälle auf das Dunkelelfenheer, das schon bald landen würde.

Plötzlich presste Arion beide Hände gegen seine Schläfen und taumelte etwas zurück. Einige wollten ihn stützen, doch er wehrte ihre Bemühungen mit fuchtelnden Händen ab. Schwer atmend stützte sich der Elfenmagier mit beiden Händen auf den Stein in der Mitte der Lichtung. Der Schweiß rann in Strömen seinen Körper herab und es sah aus, als würde er jeden Moment zusammenbrechen. Doch schließlich fing sich der Hochelf wieder. Nachdem er mehrere Male tief durchgeatmet hatte, richtete er sich wieder zu voller Größe auf und blickte in die verwirrte Menge. Dann begann er langsam zu sprechen: „Es… tut mir… leid. Vor einigen… einigen Tagen ist etwas mit mir… geschehen.“ Die Stimme des Erzmagiers versetzte die meisten in noch größeren Schrecken. Niemand konnte sagen, was es war, das er darin erkannte. Doch jedem war klar, dass der, der da sprach, etwas gesehen oder erlebt hatte, das die Grundfesten seiner Persönlichkeit zerschmettert hatte. „Ich bin… nicht mehr der… der ich einst…Oh, es kommt mir… so lange vor, dass ich…“ Noch einmal atmete Arion tief durch, bevor er wieder in seinem gewöhnlichen Tonfall weiter sprach: „Es tut mir leid, dass ich euch beunruhigt habe. Seit diesem… Vorfall bin ich gespalten. Ein Teil meiner Seele irrt noch immer in den Weiten des Äthers umher. Deshalb kann ich mit solcher Leichtigkeit selbst die Dinge erblicken, die ein wahrer Meister verborgen hat.“

„Und was habt Ihr gesehen?“ Ein junger Elf, der seine Stimme als erster wieder gefunden zu haben schien, stellte diese Frage. Darauf folgte eine bedrückende Stille, bevor Arion verlauten ließ: „Der Admiral Elendar, den der Phönixkönig gegen unsere dunklen Brüder entsandte, ist mit seiner Flotte untergegangen.“

Menethus Stimme fegte das drückende Schweigen, das sich gebildet hatte, weg, doch auch sie hatte etwas von ihrer Gewalt verloren. „So ist also das eingetreten, was wir immer befürchteten. Umso mehr wird es Zeit, uns endlich zu einigen. Elarios wird also, geführt von einigen von Uthriels Kundschaftern mit allen Reitern, die wir im Moment rekrutieren können, zum vermutlichen Landeplatz der Dunkelelfen aufbrechen. Wer geht mit ihm?“ Daraufhin hob beinahe die Hälfte der Anwesenden die Hand, auch Arion und der Schwertmeister Erias, dessen Schwur ihm gebot, seinen Meister zu schützen. Zufrieden nickte Menethus: „Gut, und was ist mit den anderen? „ Daraufhin trat Uthriel vor und sprach: „Ich, als Befehlshaber der Schattenkrieger kenne das Land, durch das unsere dunklen Brüder wahrscheinlich marschieren werden, am besten. Außerdem kann ich über jeden Schattenkrieger innerhalb Ulthuans verfügen. Ich werde mich mit meinen Kriegern in den Wäldern und Bergen verstecken und den Feind während des Durchmarsches attackieren. Später, wenn die Schlacht um Ulthuan voll entbrannt ist, können ich und meine Schattenkrieger die Nachschublinien des Feindes bedrohen.“ Mit einem Blick auf die verbliebenen Adligen fügte er noch einladend hinzu: „Natürlich wäre auch mir Unterstützung willkommen, vor allem natürlich von denen, die das Gelände kennen.“ Zwei von ihnen folgten Uthriels Einladung, die anderen bleiben stumm stehen.

Wieder war es Menethus, der das Eis brach. „Gut. Ich und die anderen werden inzwischen alle unsere Truppen zusammenziehen. Bevor der Feind in die Nähe unserer bedeutenden Städte und Festungen kommt, wird die Nachricht von der Invasion schon an den Phönixkönig gedrungen sein. Dann wird unser Heer bereits gerüstet sein und ihm zur Verfügung stehen, um den Feind solange aufzuhalten, bis der Rest der Truppen ausgehoben ist.“ An Elarios gewandt fuhr der Hochelfengeneral fort: „Wenn der Widerstand der Feinde zu stark wird, ziehe dich zurück. Wir können deinen Heldenmut in späteren Schlachten noch gut gebrauchen.“ Der Elfenritter begnügte sich nur mit einem Nicken.

Ein letztes Mal sprach Menethus noch zur Versammlung, bevor sie sich auflöste und jeder an die ihm gestellten Aufgaben ging. „Vergesst nicht: Unsere Flotte mag geschlagen sein, doch Schiffe können wir wieder bauen, Rüstungen und Schwerter neu schmieden, aber Ulthuan wird niemals fallen!“

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Kapitel 11

 

Mit gespanntem Blick betrachtete Malekith die beiden Offiziere, die er beauftragt hatte, die Verluste während der Schlacht zu zählen. „Nun?“ forderte er sie ungeduldig auf. „Berichtet eurem König von dem Gemetzel.“ Mit zögerlicher Stimme begann der eine der beiden: „Herr, wie Ihr wisst haben wir uns wieder mit der Flotte Furions vereinigt. Durch Eure großartige Führung während des Gefechts haben wir den Feind jedoch so gründlich zerschmettert, dass er praktisch keine Verluste mehr durch die vereinzelten und bereits schwer beschädigten Schiffe des Feindes hinnehmen musste.“

Ungeduldig stemmte der Hexenkönig seine Hände in die Hüfte und funkelte beide an: „Kommt endlich zur Sache: Ist ein Hochelfenschiff entkommen?“

„Nein, Herr.“ Beeilte sich der zweite mit einer Antwort.

„Dann fahr fort: Wie viele Verluste mussten wir hinnehmen?“

Darauf sprach wieder der zweite: „Wir haben etwa fünftausend verloren. Der Großteil davon, etwa viertausend sind gewöhnliche Krieger oder Korsaren. Ansonsten befinden sich noch zahlreiche Anhängerinnen des Khainekults unter den Toten. Die Verluste unter Euren anderen Eliteeinheiten sind verschwindend, da Ihr befohlen habt, sie möglichst zurückzuhalten. Wir haben noch über zehntausend Verwundete, wieder vor allem Krieger und Korsaren. Fast alle sind aber nur leicht verletzt und noch im Kampf einsatzfähig. Die meisten Schwerverletzten, etwa zweitausend an der Zahl, sind noch in der Nacht gestorben, den Rest haben wir den Hexenkriegerinnen zur Fürsorge gegeben. Ihr Schicksal wird uns nicht weiter behindern und den blutbefleckten Gott gnädig stimmen.“

Die Zahlen schienen dem Hexenkönig äußerst gut zu gefallen, denn als der Adlige geendet hatte, blieb er einige Minuten lang einfach regungslos stehen und blickte auf den Horizont, irgendetwas unverständliches murmelnd, als würde er sich den ganzen Bericht noch einmal genüsslich auf der Zunge zergehen lassen. Schließlich erwachte er aus seiner Bewegungslosigkeit und forderte die beiden erneut auf: „Und die Schiffe?“

„Wir haben mehrere hundert kleine Enterboote verloren und zwei dutzend Kriegsschiffe. Zweihundert Schiffe sind leicht beschädigt, werden aber gerade wieder seetüchtig gemacht, so dass wir in wenigen Stunden unsere Reise fortsetzen können. Im Gegenzug haben wir an die vierhundert zerstörte Hochelfenschiffe gezählt. Es war unmöglich die Toten alle zu zählen, doch kennen wir ungefähr die Besatzungsstärke ihrer Schiffe. Laut unserer Rechung ergäbe das dann über vierzigtausend tote Hochelfen.“ Stolz schloss der zweite Adlige seinen Bericht.

„Vierzigtausend sagst du?“ mit sichtlichem Genuss wiederholte Malektih die Zahl.

„Ein makelloser Sieg, Herr.“ Pflichteten ihm beide Adlige bei.

„In der Tat, in der Tat. Geht jetzt, meine Untergebenen und ruht euch aus. Doch nicht zu lange. Denn schon bald werden wir wieder in den Sälen Ulthuans unseren rechtmäßigen Platz als Herrscher einnehmen.“

 

Genüsslich wusch dich Naira mit einem weichen Schwamm den Schmutz und das Blut der Schlacht vom Körper. Dieses Bad war ein wenig Luxus, den sie sich nach dem Gemetzel wohl verdient hatte. Sie hatte sich entschlossen, es doch alleine zu nehmen. Vermutlich waren sie und Tarash noch nicht bereit, sich so nahe zu kommen. Außerdem boten sich in den Palästen Ulthuans, die sie erobern würden, weitaus sinnlichere und verführerische Mittel, ihren Ritter zu belohnen.

Doch vorerst musste sie sich mit einem Holzbottich und kaltem Wasser zufrieden geben. Lediglich die ätherischen Öle, die sie beimengen hatte lassen und den Raum in verführerischen Duft hüllten, weckten in ihr die Erinnerung an den Luxus, den sie so lange in ihrer Heimat genossen hatte. Heimat? Nein, es war viel mehr ein Exil. Eine öde, kalte Wüste, in der nur die Stärksten und Geschicktesten eine Chance zum Überleben haben. Es war ein Land von ungezähmter Wildheit. Es mag wohl noch hunderte unbekannte, bösartige Bestien geben, die dort umherstreifen und die kalten Stürme kosteten schon vielen ihres Volkes das Leben, wenn sie sich zu weit in die Wildnis wagten. Aus dem Norden drohen andauernd Einfälle wilder Barbarenhorden. So etwas wie Luxus kann sich dort lediglich der Adel leisten.

Ulthuan war das genaue Gegenteil. Naira konnte sich noch dunkel an das Land ihres Vaters erinnern, der im Krieg der Abspaltung gefallen war. Wunderschöne, saftige Wiesen, die in sattem Grün strahlen, tiefe, unergründliche Seen, dunkle, geheimnisvolle Wälder, hohe Berge auf deren schneebedeckten Gipfeln Greifen und Drachen hausen. Sie konnte verstehen, warum ihre geblendeten Brüder ihre Heimat mit solchem Mut und solcher Tapferkeit und Unnachgiebigkeit verteidigten.

Doch die Dunkelelfin wusste auch darum, wie die Jahrtausende im Exil in Naggaroth sie und ihr ganzes Volk geformt hatten. Während sie mit dem unwirtlichen Land rangen und ihre befestigten Städte errichteten, feierten ihre dekadenten Brüder in den Sälen Ulthuans; während sie einige der wilden Bestien Naggaroths an sich gewöhnten und von ihrer Wildheit lernten, ließen ihre Brüder ihre Tiere verkommen; während sie durch Intrigen und rohe Gewalt die Schwachen richteten, auf dass die Starken gediehen, wurden ihre Brüder immer verweichlichter; während sie blutig und grausam die Einfälle der menschlichen Barbaren aus dem Norden niederschlugen und mit ihren schwarzen Archen die alte Welt auf der Suche nach Sklaven umrundeten, gaben sich ihre Brüder der Dichterei und dem Gesang hin. Nun würde die Abrechnung kommen. Die Jahrtausende das Hasses, des Schmerzes und der Verbannung würden schon bald vorbei sein. Das Volk der Dunkelelfen war durch die widrigen Bedingungen gestählt worden. Niemals zuvor waren die Krieger Nagarythes so entschlossen, so geschickt im Umgang mit ihren Waffen, so tapfer und stark gewesen. Die dekadenten Narren in Ulthuan waren verweichlicht, schwach und feige. Das hatte ihr diese Seeschlacht gezeigt. Als ihre Krieger während des Enterns die Speerschleudern herbeibrachten und sich der Rest zur Phalanx zurückzog, hätten sie ihre Feinde mit einem entschlossenen Angriff möglicherweise besiegen können. Ihre Feigheit und Unfähigkeit war ihr Untergang gewesen und so würde es auch mit ihren restlichen Feinden sein.

 

Uthriel tauchte erschöpft seine Hände in die Schale mit Wasser, formte sie zu einem Gefäß und spritzte sich das kühle Nass ins Gesicht. Die Kälte half, die Müdigkeit etwas zu verdrängen. Die ganze Nacht war der Prinz alleine durch die dunklen Wälder und durch geheime Bergpässe geeilt, um nun, spät am Morgen zurück in Nagarythe zu sein. Es gab sehr viel zu tun. Sein Volk besaß keine Städte, lediglich einige Festungen und kleine Dörfer waren über das Gebiet verteilt, das einst zum mächtigsten aller Elfenkönigreiche gehörte und nicht mit diesem in den Fluten versunken war. Es war nur ein schmaler Streifen, durchfurcht von Bergen und tiefen und dunklen Wäldern. Ein unwirtliches Gebiet, doch immerhin sein Zuhause und die erste Bastion, die die dunklen Brüder überwinden müssen würden. Er würde sie nicht kampflos aufgeben.

Doch fürs Erste musste Uthriel Boten zu all den entlegenen Festungen und Lagern seiner Krieger senden und ihre Aktionen in der nächsten Zeit irgendwie koordinieren. Weiters hatten ihm die beiden adligen Elfen zugesichert, sie würden in spätestens fünf Tagen eintreffen. All das bedeutete viel Arbeit für ihn.

Mit schnellen Schritten ging der Hochelf in Richtung des großen Saals seiner Burg, wo ihn schon mehrere Schattenkrieger erwarteten. Der Raum war mit Waffen und Schilden geschmückt, an den Wänden hingen außerdem noch Fackeln und kostbare Wandteppiche. Auf dem langen Festtisch in der Mitte des Raums lagen verstreut Karten von Ulthuan, Nagarythe und einige Seefahrtskarten.

Die anderen begrüßten Uthriel mit einem knappen Nicken. Der Elf wiederholte diese Geste und stellte sich an den Tisch, wo die anderen versammelt waren, und blickte mit gerunzelter Stirn auf die Karten: „Wie viel Zeit haben wir noch?“ fragte er.

„Wenn Strömung und Wind günstig sind, kann die Invasionsflotte bereits in einer Woche landen, ansonsten könnte sich ihre Ankunft um ein oder zwei Tage verschieben, wenn wir Glück haben.“ Antwortete einer der Schattenkrieger.

„Aber auf Glück verlassen wir uns nicht. Unsere Verteidigung muss also innerhalb einer Woche stehen.“

„Was schlagt ihr vor, Herr?“ wollte ein zweiter wissen.

Uthriel beugte sich über den Tisch und zog eine Karte Nagarythes an sich heran, auf der die Festungen und Stützpunkte seiner Krieger ebenfalls eingezeichnet waren. Er betrachtete die Karte einige Momente, bevor er weiter sprach: „Es gibt drei Routen, die breit genug für eine größere Armee sind.“ Damit zog er mit der freien Hand drei Linien auf der Karte. „Da die feindlichen Streitkräfte enorm groß sein werden, wird man sie wohl aufteilen, um den Vormarsch zu beschleunigen. Wir müssen also alle drei Wege verteidigen. Gleichzeitig werden wir unsere kleineren Lager abbrechen, die Bewohner unserer Dörfer und unsere Vorräte in Sicherheit bringen. Die Festungen, die wir nicht halten können, werden wir niederbrennen, ebenso wie die verlassenen Dörfer und Lager. Diese sind hier, hier, hier und hier.“ Gleichzeitig zeigte Uthriel viermal an verschiedene Stellen auf der Karte. Unter den anderen brachen nun Unruhe und ein Murmeln aus und schließlich sprach einer das aus, was den anderen auf dem Herzen lag: „Herr, niemand von uns zweifelt an Euch, doch wir haben viele lange Jahre an unseren Festungen gebaut und unsere Bevölkerung - so karg sie auch sein mag - hängt an ihrem Land und ihren Häusern. Sind eure Anordnungen nicht etwas übertrieben hart?“

„Nein.“ Entgegnete Uthriel energisch. „Glaubt ihr denn, es bereitet mir keinen Schmerz? Doch es muss sein. Wollt ihr denn unsere Festungen und Dörfer lieber in der Hand des falschen Königs wissen? Wenn wir unsere Verteidigung auf weniger, dafür aber stark befestigte Stellungen konzentrieren und gleichzeitig den Nachschub des Gegners angreifen und seinen Vormarsch behindern, wird es bei einer so großen Anzahl an Feinden schon bald zu Versorgungsproblemen kommen. Das was noch von Nagarythe übrig ist, ist ein karges, gebirgiges Land, wie ihr alle wisst. Der Feind wird hier keine Nahrung finden. Er ist also auf seine eigenen Vorräte angewiesen und auf das, was er von uns erobert. Das ist seine entscheidende Schwäche, die es auszunutzen gilt.“

Daraufhin herrschte Stille im Saal. „Was sind Eure Befehle an uns, Herr.“ Durchbrach sie einer.

„Macht euch auf, um meine Anweisungen auszuführen. Mein Schreiber wird euch ein Dekret mitgeben, das euch meine Befehlsgewalt in meiner Abwesenheit überträgt. Damit dürftet Ihr überall genügend Unterstützung bekommen. Führt meine Order gewissenhaft aus und überseht nichts.“

„Wo sollen wir die Bevölkerung und die Vorräte unterbringen?“

„Am besten schafft ihr sie ins Hinterland. Errichtet dort ein befestigtes Lager.“ Wieder zeigte Uthriel auf einen bestimmten Punkt auf der Karte. „Lasst die Vorräte gut bewachen. Und arbeitet so sehr im Geheimen, wie das nur möglich ist. Wir wollen auch innerhalb unserer Grenzen nicht zu viel Aufmerksamkeit auf uns lenken. Ich werde mich inzwischen um die Stärkung unserer Festungen kümmern und unsere Verbündeten einweisen.“

Mit einem Nicken wendeten sich die Schattenkrieger um und begannen mit ihrer Arbeit. Uthriel gönnte sich noch ein paar Minuten Ruhe, bevor er ebenfalls ging. Es hatte begonnen…

 

Der lange Ritt war für Arion etwas gewöhnungsbedürftig gewesen, doch soeben kam Elarios’ Residenz am Horizont zum Vorschein, was das Ende der Strapazen in unmittelbare Nähe rücken ließ.

„Werden sie uns nicht vermissen?“ Erias klang besorgt.

„Ich habe den oberen gesagt, ich hätte dringende Geschäfte zu erledigen. Natürlich werden sie mir nach den Vorfällen in jüngster Zeit nicht mehr trauen. Vermutlich haben sie ein oder zwei Magier abgestellt, um mich zu beobachten. Da sie aber nicht wissen, wo sie suchen sollen, müssen sie ihre Wahrnehmung ganz auf meine Person richten - oder das, was sie dafür halten.“

„Ich verstehe nicht, Herr.“

„Du weißt noch, dass ich dir sagte, die Zauberinnen der dunklen Brüder hätten uns getäuscht? So ähnlich kann auch ich sie täuschen. Gerade nach den jüngsten Vorfällen haben sich mir äußerst interessante Möglichkeiten aufgetan.“

„Ja, Herr.“ Der Schwertmeister hasste es, wenn die Magier in Rätseln sprachen, doch es reichte ihm, wenn ihm sein Herr versicherte, dass er alles unter Kontrolle hatte.

 

Endlich war sein Haus in Sicht. Elarios konnte es kaum noch erwarten, seine wunderbaren Gärten wieder zu sehen und durch die weiten Ebenen seines Landes zu streifen. Doch am meisten freute er sich auf seine geliebte Frau und seine beiden Töchter. Doch die Freude des Hochelfen wurde von der Gewissheit überschattet, dass sein Aufenthalt nur kurz sein würde. Bei all den Kriegsvorbereitungen würde er wohl kaum Zeit für seine Familie finden. Und dann würde er in den Krieg ziehen und viele Jahre, vielleicht auch Jahrzehnte oder noch länger nicht heimkehren. Es tat ihm im Herzen weh.

Doch er war ein Silberhelm, ein Ritter Ulthuans. Elarios suchte selbst unter seinesgleichen vergeblich jemanden, der ihm an Ruhm, Ehre, Mut und Kraft ebenbürtig war - mit Ausnahme seines Bruders vielleicht. Es war Elarios Pflicht, für sein Volk zu kämpfen. Noch mehr denn je, denn während der größten Gefahr war er von seinem Bruder getrennt. Etran hatte sich irgendwo in die Wälder zurückgezogen, um die Tochter ihres Freundes zu beschützen. Das war ein großer Verlust für die Streitkräfte Ulthuans, denn es gäbe niemanden, der ihm und seinem Bruder gemeinsam trotzen könnte. Doch für Etran war es klar, die Bitte des Elfen, dem sie alles verdankten, der ihnen den Vater ersetzt hatte, zu erfüllen. Sein Bruder hatte keine Kinder. Seine Frau war an einer seltenen Krankheit gestorben, als sie schwanger gewesen war und so hatte er Weib und Kind gleichzeitig verloren. Irgendwie konnte er ihn verstehen…

Doch es war nun nicht die Zeit für düstere Gedanken.

„Reite voraus und kündige unsere Ankunft an.“ Forderte er den Silberhelm neben ihm auf. Er nickte und ließ sein Pferd mit einem Satz aus der Kolonne ausbrechen, um die freudige Nachricht zu überbringen.

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Kapitel 12

 

Nebel lag über dem Land und gab dem Wald etwas Gespenstisches. Dunkle Gestalten verbargen sich in den Schatten zwischen den Bäumen, die die ersten Sonnenstrahlen des beginnenden Morgens warfen. Uthriel und seine Begleiter musterten stillschweigend die Truppen, die sich der Grenze zu Nagarythe näherten. Einigen Silberhelmen an der Spitze folgte eine lange Kolonne an Speerträgern und Bogenschützen. Es mochten zusammen vielleicht fünfhundert Elfenkrieger sein. Die Ritter, die sie führten, waren nicht überrascht als die drei Schattenkrieger aus der Dunkelheit heraus auf sie zugingen.

„Seid gegrüßt Uthriel. Ich und meine Verbündeten werden Euch bei der Verteidigung helfen.“ Begann der erste Silberhelm in der Kolonne.

„Ich grüße euch auch. Ihr kommt um einen Tag zu spät.“ Entgegnete der Schattenkrieger ungeduldig.

„Ja. Es hat länger gedauert, die Truppen zusammenzuziehen, als wir dachten.“

„Nun, wir können es jetzt nicht mehr ändern. Aber in Zukunft solltet Ihr solche Termine einhalten. Der Feind kann schon morgen eintreffen. Wir sollten uns beeilen.“

Der andere nickte: „Führt uns in Euer Lager.“

„Folgt uns dicht, wir wollen keine Zeit damit verlieren, euch suchen zu müssen.“ Sagte der Schattenkrieger beiläufig, während alle drei Nagaryther eine Fackel aus ihren Taschen nahmen und sie anzündeten. „Das ist, damit ihr uns überhaupt folgen könnt.“ Erklärte Uthriel schmunzelnd.

Dann wandten sich die drei Elfen um und drangen wieder in den Wald ein. Die Silberhelme hatten trotz des Lichts, das die Fackeln gaben, Mühe mit ihren Führern mitzuhalten. Menethus hatte nicht zu Unrecht ihre Fähigkeiten im Guerillakrieg hervorgehoben. Es würde schwierig für die Dunkelelfen werden, wenn sie gegen einen Feind kämpfen müssten, den sie nicht sehen könnten…

 

Jenaras zarte Hände fuhren durch das Wasser des kleinen Sees und hinterließen sich kräuselnde Spiralen. Nachdenklich blickte sie auf das Wasser, den Kopf gesenkt.

„Du siehst traurig aus.“ Sie wendete nicht den Kopf, erst als sich Etran niedersetzte blickte sie ihn an. „Denkst du wieder an deinen Vater?“ Die Elfin begnügte sich mit einem Nicken.

„Das dachte ich mir. Du vermisst ihn wohl sehr?“

„Ja. Versteh mich nicht falsch. Es ist sehr schön hier und du bist sehr nett zu mir. Diese Woche war wundervoll, aber…“ sie brach ab und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Schluchzend sprach sie schließlich weiter: „Ich kenne doch nichts, außer ihn. Wenn ich daran denke, ihn nie wieder zu sehen…“

Sanft schob der Elfenritter ihre Hände beiseite. Er hob mit seiner Rechten ihr Kinn etwas in die Höhe, so dass sie ihm in die Augen blicken musste. Ihre waren feucht vor Tränen. „Du wirst deinen Vater wieder sehen, das verspreche ich dir.“ Zweifelnd blickte sie ihn an.

„Vielleicht würde es dir helfen, etwas zu haben, das dich an ihn erinnert?“ fragte er sie mit gutmütiger Stimme. Sie nickte stumm.

„Dann nimm das hier.“ Mit diesen Worten zog er sein Schwert und hielt es ihr hin. „Nimm es. Dein Vater schenkte es mir nach dem Tod meines eigenen Vaters. Jetzt will ich es dir schenken.“

„Nein, das, das kann ich doch unmöglich annehmen.“ Stammelte sie.

„Doch das kannst du.“

„Dein Schwert?“

„Ja, meines. Es gehört mir, ich kann damit machen was ich will. Also kann ich es dir auch schenken, oder?“

„Aber… du brauchst es doch.“

„Wir werden hier eine lange Zeit festsitzen. Hast du wirklich gedacht, ich würde keine Ersatzwaffen mitnehmen?“ erwiderte Etran mit tadelnder Stimme. Ungeduldig fügte er hinzu: „Und jetzt nimm schon.“

Zögernd griff Jenara nach der Waffe. Sie war reich verziert und ungewöhnlich leicht. Wahrscheinlich konnte mit einem solchen Schwert selbst ein Bauer einen erfahrenen Krieger bezwingen. Doch irgendwie fühlte sie sich damit hilfloser als zuvor. „Sie wäre wohl besser in deinen Händen. Ich kann sowieso nicht damit umgehen.“ Seufzte die Elfin traurig.

„Nicht?!“ rief der Silberhelm mit gespielter Verblüffung. „Na dann sollten wir das ändern.“ Verblüffte blickte ihn Jenara an: „Du würdest mich das Kämpfen lehren?“

„Ja, vorausgesetzt du willst.“

„Du würdest mich sicher auslachen oder die Geduld verlieren, so ungeschickt wie ich mich anstellen würde.“

„Nein, das verspreche ich dir.“

„Wirklich nicht?“

„Wirklich nicht.“

„Na ja, also gut.“ Gab die Elfin schließlich nach.

„Dann fangen wir gleich an.“ Etran erhob sich und zog ein zweites Schwert, das er umgegürtet hatte.

Erschrocken fragte Jenara: „Jetzt?“

„Ja jetzt.“ Mit diesen Worten ließ der Elfenritter seine Klinge auf sie herabsausen. Erschrocken hob Jenara ihr Schwert - und parierte.

„Sehr gut.“ lobte sie Etran. „Jetzt steh auf und das Ganze gleich noch mal…“

 

Elarios betrachtete seine Streitmacht. Schlussendlich waren es achthundert Reiter geworden. Drei Dutzend davon waren richtige Silberhelme, der Rest setzte sich aus seinen besten Soldaten und denen der anderen Adligen zusammen. Sie trugen nun die etwas kleineren Reiterschilde und Schwerter - sie alle für den Kampf mit der Lanze auszubilden hatte die Zeit nicht zugelassen. Der Hochelfenkommandant hatte jedem der Silberhelme zwanzig berittene Soldaten zugewiesen, auch den niederen Rittern, die in seinem Gefolge und dem seiner Verbündeten waren. Er selbst führte die verbliebenen achtzig Berittenen. Auch Arion und Erias ritten an seiner Seite. Der Magier könnte noch für so einiges gut sein auf dem Schlachtfeld, dachte Elarios bei sich.

Geführt wurden sie von einigen Schattenkriegern, die Uthriel geschickt hatte. Wegen der wenigen Zeit, die noch blieb, hatte er sie auch auf Pferde setzen lassen. Den Treffpunkt des Heeres hatte Elarios zwar so nahe wie möglich an Nagarythes Grenzen gelegt, doch wollten sie bis zum Sonnenuntergang den Strand erreichen, würden sie dennoch schnell reiten müssen. Der Hochelf gab den Befehl, die Reitertruppe zu einer Kolonne zu formieren und setzte sich gemeinsam mit Erias, Arion und den Schattenkriegern an ihre Spitze. Dann drehte er sich im Sattel um und blickte stolz auf seine Krieger.

„Brüder! Heute ziehen wir gegen eine Bedrohung, die uns alle betrifft. Der Schatten der dunklen Elfen und ihres falschen Königs legt sich erneut auf Ulthuan. Es ist an uns den Griff des Feindes um unsere schöne Heimat zu zerschmettern. Egal, ob adlig oder nicht - jeder muss hier und jetzt seinen Beitrag leisten. Ihr seid die Reiter Ulthuans und unter meiner Führung werdet ihr die Vorhut des Feindes zerschmettern! Habt keine Furcht vor ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit! Unser Mut und unsere Liebe zu unserer Heimat werden uns den Sieg schenken. Und nun folgt mir in die Schlacht - für Ulthuan!“

Nachdem er seine Rede geendet hatte, gab er den Schattenkriegern ein Zeichen, los zureiten. Nachdem er eine halbe Minute gewartet hatte, drückte Elarios mit sanfter Gewalt mit seinen Schenkeln gegen die Seiten seines Pferdes, das sich daraufhin aufbäumte und einen gewaltigen Satz nach vor machte. Die anderen hatten Mühe, ihm zu folgen.

"Conan! What is best in life?" - "Crush your enemies, see them driven before you, and hear the lamentation of their women."

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Kapitel 13

 

Der Morgen dämmerte bereits, als die Küste Ulthuans in Sicht kam. In Malekith kamen bei diesem Anblick viele uralte Erinnerungen hoch. Oft war er in Jugend als strahlender Sieger in seine einstige Heimat zurückgekehrt. Er selbst hatte diese Küsten vor langer Zeit gegen alle Eindringlinge verteidigt. Nun war er der Eindringling und die Gecken des Phönixkönigs ahnten nicht einmal etwas davon, wenn sein Plan Früchte getragen hatte. Und das hatte er, dessen war sich der Hexenkönig sicher. Der rechtmäßige Herrscher Ulthuans war zurückgekehrt und würde diese verweichlichten Würmer zerquetschen. Über die, die ihre Fehler erkannten und sich ihm unterwarfen würde er ein milderes Urteil fällen. Das Volk der Elfen würde wieder eins sein, wie vor so vielen Jahrtausenden - eins und stark. Der Bürgerkrieg, der seit jenem unglücklichen Tag von Malekiths Verwundung durch die heilige Flamme die Elfenheit entzwei riss, würde enden.

Eine warme Brise strich um den Dunkelelfenkönig. Er glaubte, die Heimaterde bereits riechen zu können. Wer würde es wohl wagen, sich ihm entgegenzustellen?

„Niemand, Herr.“ Es war Furions Stimme, die in seinen Gedanken ertönte. Er hatte seinen treuen Kommandanten beinahe vergessen, obwohl er direkt neben ihm stand.

„Nein, niemand.“ Antwortete der Hexenkönig mit seiner normalen Stimme. „Du hast deine Aufgabe gut gemacht, während der Seeschlacht. Das wird belohnt werden. Ich werde dir eine nicht weniger verantwortungsvollere geben: Führe unsere Vorhut bei der Landung und sichere den Strand. Es mögen vielleicht einzelne kleine Truppenverbände zufällig in der Gegend stationiert sein, auch wenn ich das bezweifle. Dennoch will ich kein Risiko eingehen. Sichere den Strand so großzügig ab, wie du kannst. Nimm dir dazu so viele von deinen Kriegern, wie du brauchst. Wenn es keine direkte Bedrohung gibt, dann errichte Wachtposten und beginne mit dem Bau eines Lagers. Erst wenn der Strand gesichert ist, können die Truppen von den schwarzen Archen und den großen Kriegsschiffen landen, denn ihr Tiefgang ist für das seichte Küstengewässer zu groß.“

„Mit Vergnügen, Herr.“ Antwortete Furion, ohne aber irgendeine Miene zu verziehen. Lediglich seine Stimme konnte er nicht ganz perfekt im Zaum halten, so dass sein Herr den Hauch einer freudigen Hoffnung auf einen Kampf gegen die Hochelfen erahnen konnte. Malekith war begeistert von dem Hass seines Dieners. Er würde Furion wahrhaftig fürstlich entlohnen.

„Gut. Leite alles in die Wege, wenn du bereit bist. Ich selbst will den Blick auf unsere einstige Heimat noch etwas genießen, bevor ich sie mit Krieg überziehen und mit Feuer und Schwert die Schwachen vertilgen will.“ Dann entließ Malekith den Dunkelelfen mit einer lässigen Handbewegung und wandte sich wieder der Küste Ulthuans zu. Heute Abend würde sie bereits ihm gehören. Und morgen würde Anlec wieder aus den Trümmern emporsteigen zum Zeichen der Rückkehr des wahren Königs.

 

Die Reiterei der Hochelfen hatte sich im Wald verborgen und erwartete die Ankunft der Feinde. Vor wenigen Stunden waren die Schiffe der Dunkelelfen am Horizont erschienen. Unzählige kleine Kriegsschiffe steuerten nun auf die Küste zu, um die Krieger ihrer Feinde an Land zu setzen. Schon bald würden die ersten davon sie erreicht haben. Der Rest der Flotte, die großen Kriegsschiffe und schwarzen Archen, die zu viel Tiefgang für das seichte Gewässer hatten, ankerten draußen in einer tieferen Senke.

Elarios hatte seine Truppen in drei große Gruppen geteilt. Die ersten zweihundert Reiter sollten zuerst in die Feinde preschen und die ersten Regimenter aufreiben, bevor sie sich noch richtig zur Schlacht formiert hatten. Dann würden Elarios und seine Hauptmacht von vierhundert Reitern hinzukommen und schließlich sollte die dritte Staffel zu ebenfalls zweihundert Reitern eingreifen und den Rückzug der anderen decken. Jeder kannte seinen Platz und seine Aufgabe, das Heer sah zuversichtlich und motiviert aus. Viele kannten Elarios und seinen Kriegsruhm. Er mochte vielleicht ein Hitzkopf sein, doch wussten sie, dass er keinen von ihnen unnötig opfern würde. Ihre Strategie beruhte auf Schnelligkeit - schnell anzugreifen und sich schnell wieder zurückzuziehen. Die Kämpfer wussten, dass sie sich nur kurz der Gefahr auszusetzen brauchten und wieder weg sein würden, bevor sich der Feind mit geballter Kraft gegen sie stemmen konnte. Das ermutigte sie so, dass sie richtig begierig auf einen Kampf waren.

Nun war es soweit, die ersten Schiffe der Dunkelelfen erreichten den Strand und jedem von ihnen entstiegen dutzende Krieger. Die Distanz zu ihnen betrug nur knappe hundert Meter - die Reiter würden sie mit gewaltiger Schnelligkeit überrennen, noch bevor sie sich formieren konnten. Als die ersten Feldzeichen hochgehalten wurden und sich Speerträger, Armbrustschützen und Korsaren um sie versammelten, gab Elarios den Befehl zum Angriff und im selben Moment brachen zweihundert schwer gepanzerte und bewaffnete Elfenreiter aus dem Dickicht des Waldes hervor und fielen über die überraschten Feinde her.

 

Furion landete weich im kalten Wasser. Gleichzeitig zog er seine beiden Schwerter und rannte nach vor, drei Dutzend Elitekrieger der schwarzen Garde, die ihm sein Herr Malekith geliehen hatte, im Schlepptau. Am Strand begannen sich schon die ersten Regimenter zu formieren und auch um ihn herum begaben sich die schwarzen Gardisten in Schlachtordnung, als ihr Standartenträger sein Banner neben sich in den Sand rammte. Und dann brach die Hölle los.

Wie aus dem Nichts stürmte plötzlich eine kleine berittene Streitmacht aus dem nahe gelegenen Wald, vielleicht zweihundert Ritter. „Ausrichten!“ brüllte Furion über das Schlachtfeld, doch für die ersten beiden Regimenter kam der Befehl zu spät. Die feindlichen Reiter krachten in die Flanke der völlig überraschten Dunkelelfen, die sich gerade formieren wollten, und mähren sie nieder wie Gras, nur um ungebremst in das nächste Regiment hineinzureiten, den Großteil abzuschlachten und den Rest auf der Flucht gnadenlos niederzumetzeln. Danach trafen sie bereits auf etwas härteren Widerstand, doch sie waren noch immer deutlich in der Überzahl und beritten. Keine Dunkelelfeneinheit konnte ihrem Ansturm lange standhalten. Im Dauerlauf führte Furion seine schwarzen Gardisten dem Feind entgegen, während er dem Rest seiner Armee, der in Hörweite war, den Befehl zubrüllte, ihm zu folgen. Wenn es etwas gab, das die feindlichen Ritter in ihrem Ansturm aufhalten konnte, bevor sie hohe Verluste verursachen konnten, war es die schwarze Garde Malekiths.

Schließlich erreichte Furion die Feinde. Das Regiment Speerträger, das sie angegriffen hatten, hielt seine Formation noch mit Mühe. Die Dunkelelfen der Einheit mochten noch eine kurze Zeit standhalten, bevor sie überrumpelt und niedergemacht würden. Furion nutzte die Gelegenheit aus und führte seine Gardisten in die breite Flanke der Ritter, die gerade darangehen wollten, die Speerträger zu umzingeln. Mit einer Wildheit und Brutalität, die nur unendlicher Hass verursachen konnte, drang Furion auf die Hochelfen ein. Dem ersten trennte er das Bein ab, dann setzte er noch einen Stich in den Unterleib nach, bevor er sich seinem nächsten Gegner zuwendete. Dieser nutzte seine erhöhte Position, um den Dunkelelfen mit Schlägen gegen dessen Kopf einzudecken, aber der Herr Clar Karonds hatte den Vorteil, dass er mit zwei Waffen gleichzeitig kämpfte. Er parierte einen Hieb und trieb sein anderes Schwert tief in den Bauch des Hochelfen. Dieser stürzte schreiend vom Pferd und Furion gab ihm sodann noch den Todesstoß. Mit einem Satz schwang sich der Dunkelelf auf das Pferd des gefallenen Feindes. Es bäumte sich vor Schrecken auf und wollte ausbrechen, doch er lenkte es mit einem harten Ruck am Zügel wieder in Richtung der Feinde. Auch die schwarze Garde kämpfte mit verbissener Wildheit und grausamer Effizienz gegen die Hochelfen. Während das Speerträgerregiment unter dem Druck der Feinde bereits zusammengebrochen war und gut die Hälfte der Hochelfenreiter nun auf weitere Speerträger losging, wandten sich die restlichen Feinde gegen die Gardisten. Obwohl die Ritter zahlenmäßig fast um das dreifache überlegen waren, schienen sie unterlegen. Die Krieger der schwarzen Garde nutzten ihre Hellebarden um die anstürmenden Reiter aus dem Sattel zu werfen und sie schließlich am Boden liegend zu erstechen. Dabei wich die Garde des Malekith nicht einen Schritt zurück, obwohl sie von allen Seiten bedrängt wurde. Auch Furion war von Feinden umringt. Mit einem Schlag seiner Waffe köpfte er einen weiteren Hochelfen, doch ein anderer nahm sogleich seinen Platz ein. Rasch blickte der Dunkelelfenkommandant nach hinten, wo sich die Hochelfenkavallerie in einem weiteren Regiment Speerträger festgebissen hatte und sie verzweifelt niederzuringen versuchte. Gleichzeitig stürmten immer mehr Krieger von den Dunkelelfenschiffen den Strand. Furion glaubte die Krise bereits überwunden, als der Sturm erneut losbrach…

 

Elarios sah, wie der Ansturm seiner ersten Angriffswelle ins Stocken geriet. Nun drohten seine Krieger zurückgedrängt und umzingelt zu werden. Es war an der Zeit, zu handeln. Die Hand des Silberhelms fasst den Griff seiner Lanze etwas fester, bevor er brüllte: „Zum Angriff! Für Ulthuan!“

An der Spitze des Hauptteils der Reiterstreitmacht fegte er über den leeren Strand und führte seine Krieger in die Flanke der sich gerade formierenden Dunkelelfenarmee. Die Auswirkung war verheerend. Die ersten Regimenter aus Korsaren und Speerträgern wurden nieder geritten, noch bevor sie sich umwenden konnten. Elarios selbst durchbohrte zuerst einen Speerträger mit seiner Lanze, bevor er sie fallen ließ und sein Schwert zückte. Damit spaltete er dem nächsten Feind mit einer lässigen Bewegung den Schädel. Doch langsam richteten sich die Feinde auf die neue Bedrohung aus und begannen erbitterten Widerstand zu leisten. Immer mehr Dunkelelfen stürmten den Strand und ersetzten ihre gefallenen Brüder. Elarios selbst musste immer mehr Speerstichen ausweichen. Diejenigen von seinen Reitern, die das nicht schafften ereilte ein grausiges Schicksal, als sie vom Pferd stürzten und ihnen mehrere Feinde gleichzeitig ihre Speere in die Leiber rammten. Mit neuer Kraft drang Elarios auf seine Gegner ein; dem einen hackte er die Spitze des Speeres ab, bevor er ihn mit einem schnellen Stich in den Oberleib zu seinen dunklen Göttern schickte. Einem anderen schlug er direkt gegen den Brustpanzer. Der Dunkelelf folgte seinem Kameraden nach, als seine Rüstung der magischen Waffe des Hochelfenkommandanten nicht standhalten konnte. Die Hochelfenreiter fassten neuen Mut, als sie ihren Anführer so kämpfen sahen und bedrängten die feindlichen Speerträger noch einmal mit aller Kraft, die sie aufbringen konnten. Doch auch diese kämpften verbissen um jeden Zentimeter Boden. Es war ein harter Kampf und ein blutiger, in dem sich keine Seite zurückziehen wollte. Schon bald würde die letzte Angriffswelle kommen, noch einmal tief in die feindlichen Reihen einbrechen und damit jenen Tag glorreich beschließen. Bis dahin mussten sie hier ausharren, denn ein frühzeitiger Rückzug hätte katastrophale Folgen…

 

Idana sah sich um. Überall um sie wurde gekämpft. Doch ihr drohte einstweilen keine Gefahr- denn an die hundert Speerträger hatten einen Kreis um sie gebildet, um sie zu beschützen. Es war nun an der Zeit, die Schlacht mit ihren Kräften zu Gunsten Furions zu entscheiden. Die junge Erzzauberin sammelte ihre magischen Kräfte in sich, und konzentrierte sich. Verse in einer uralten Sprache rezitierend zogen ihre schlanken Finger seltsame Zeichen in die Luft, die um sie herum zu knistern anfing. Sie hob in einer letzten, beschwörenden Geste beide Hände gegen den Himmel. Die Dunkelelfin konnte die dunkle Energie mit ihren Händen beinahe fühlen, als sie sie auf die Gegner losließ. Der mächtige Blitz, den sie beschworen hatte, hätte sicherlich mehrere Hochelfenreiter das Leben gekostet und eine Lücke in ihre Reihen gerissen, hätte es einen Blitz gegeben. Idana sah für einen Moment erstaunt in die Richtung, in der er einschlagen sollen hätte. Da war nichts. Dann ging sie in sich und überlegte, was sie falsch gemacht haben könnte. Nichts. Sie verstand das nicht.

Und dann fühlte sie die magische Präsenz. Sie erschien ihr seltsam vertraut. Eine Sekunde später sah sie den Magier, der sein Ross aus der Schlachtreihe gelenkt hatte und ihr nun im Abstand von weniger als hundert Metern gegenüberstand, etwas dahinter ein zweiter Reiter in voller Rüstung, der sein Schwert zwar gezogen hatte, aber viel mehr auf die anderen Feinde zu achten schien, als auf sie. „Diese Schlacht wird durch die Ehre und Tapferkeit unserer Krieger entschieden und nicht durch deine verdorbene Magie.“ Hallte die Stimme des Hochelfenmagiers in ihrem Kopf wieder. Jetzt erkannte sie ihn. Es war derselbe, gegen den sie schon einmal gekämpft hatte. Doch das war unmöglich!

„Verschwinde zu den Schatten, wo du hingehörst, Phantom!“ antwortete ihm Idana ebenfalls in Gedanken „Ich habe dich getötet. Was machst du in der Welt der Lebenden?“

„Du hast meinen Körper getötet, doch mein Geist fand den Weg zurück. Ich habe hier noch eine Aufgabe zu erledigen - dich zu vernichten!“ hallte es in ihrem Kopf wider.

„Dann hoffe ich für dich, dass du aus unserer letzten Begegnung gelernt hast. Ich habe dich bereits einmal besiegt. Ein zweites Mal wird es mir auch nicht schwer fallen.“

„Damals hast du nur durch den Vorteil der Überraschung gewonnen. Heute bin ich vorbereitet. Mach dich bereit, deinem Schicksal ins Auge zu sehen, verräterische Kreatur!“

Es gab nichts mehr zu sagen. Lautlos sammelten die beiden Elfen ihre Kräfte für ein Duell subtiler Kräfte und magischer Macht. Auf seine Art war es jedoch genauso tödlich, wie der Kampf zwischen den Hochelfenreitern und der Infanterie der Dunkelelfen.

 

Mit einer schnellen Bewegung durchstieß Furion den Panzer seines Gegners, sodass dieser tot zu Boden fiel. Langsam kämpfte er sich durch die gegnerischen Reihen durch. Während seine schwarzen Gardisten im Kampf gegen die feindlichen Ritter gebunden waren, nutzte er die größere Beweglichkeit, die er auf seinem Pferd besaß, um sich von diesem kleinen Gefecht zu lösen und sich dem Hauptschauplatz des Kampfes zuzuwenden. Der zweite Ansturm der Hochelfenreiterei hatte große Verluste verursacht und seine Truppen erneut in Unordnung versetzt. Zwar leisteten sie jetzt verbissen Widerstand, doch waren die Dunkelelfen noch weit von einer gemeinsamen Schlachtlinie oder gar einer Phalanx entfernt, sodass dieses ganze Gefecht in Einzelkämpfe zwischen den überlegenen Kavalleristen und seinen Truppen auszuarten drohte. Furion musste schnell die Kampfmoral seiner Feinde schwächen, um sie in die Flucht schlagen zu können, bevor sie noch mehr Schaden anrichten konnten.

Der Dunkelelfenkommandant drängte sein Ross gegen das eines neuen Kontrahenten. Beide Elfen tauschten eine schnelle Kombination aus Hieben aus, dann durchbrach Furion schließlich die Deckung des anderen und durchbohrte dessen Hals mit seiner Klinge. Nun endlich war der Weg frei, um in den richtigen Kampf eingreifen zu können. Das Pferd bäumte sich erschrocken auf, als der Dunkelelf ihm sie Schenkel in die Seiten presste, und machte einen Satz nach vor, von Furions starkem Arm direkt gegen die feindlichen Reihen gelenkt. Kurz bevor er sie erreicht hatte, brachte er sein Pferd mit einem brutalen Ruck am Zügel zum stehen. Mit hasserfüllter Stimme schleuderte er eine wütende Herausforderung in die Menge der Kämpfenden. So manchem mutigen Elfen gefror das Blut in den Adern, als er den Ruf dieses Feindes vernahm. Einer von ihnen aber horchte nur kurz auf und lenkte dann sein Pferd in die Richtung aus der die Stimme des Dunkelelfen gekommen war.

 

Arion griff als erster an. In seinen Händen formte er einen gewaltigen Feuerball und schleuderte ihn gegen seine schöne Feindin. Diese streckte ihre Hand dem Feuer entgegen und das Geschoss des Hochelfenmagiers prallte wirkungslos von ihrem mentalen Schutzschild ab. Die Speerträger, die das Pech hatten, in ihrer Nähe zu stehen, waren davon freilich nicht geschützt und verbrannten in dem magischen Feuer zu einem Häufchen Asche.

Die Antwort der Dunkelelfin folgte auf den Fuß. Sie streckte ihre Hände gegen den Hochelfenmagier und ein halbes Dutzend kleiner Energiebälle schoss aus ihren Fingern und flog mit rasender Geschwindigkeit auf Arion zu. Mit einer müden Handbewegung änderte er ihre Flugbahn etwas zur Seite, sodass sie zischend in den Sand neben ihm einschlugen. Doch die wenige Zeit der Ablenkung genügte der Dunkelelfenzauberin, um einen weitaus vernichtenderen Zauber zu entfesseln. Magische Worte murmelnd hob sie in einer langsamen Bewegung die Hände - und der Sand hinter dem Hochelfen tat es ihnen gleich. Dann zog sie die Hände etwas heran und mit einer rasenden Bewegung schwappten Myriaden Sandkörner über ihren Gegner und drohten ihn unter einer Flutwelle aus Sand zu begraben. Doch dann, als sich der Staub gelegt hatte, stand der Hochelf noch immer dort, wo er auch zuvor gestanden hatte, als hätte ihn die Sandwelle gar nicht berührt, obwohl sie ihn eigentlich unter sich begraben müssen hätte. „So einfach lasse ich mich nicht besiegen.“ Flüsterte Arion seiner Gegnerin in Gedanken ein. Er hatte in der Tat interessante neue Fähigkeiten dazu gewonnen, seit ihrer letzten Begegnung.

„Ich werde dich besiegen. Bei unserer ersten Begegnung war ich noch schwach, doch meine Kräfte entwickeln sich stetig weiter. Sieh selbst.“ Sie machte eine schnelle Handbewegung und plötzlich erbebte der Boden unter Arion. Um ihn herum begann der Sand in eine Vertiefung zu stürzen, es war als würde die Erde an dieser Stelle auseinander brechen. Dann schoss der Sand in die Höhe wie eine gewaltige Hand, deren Finger sich langsam schlossen, um den Hochelfen zu zermalmen. Aber die Erzzauberin unterbrach im letzten Moment den Zauber und öffnete ihre Hand wieder. Im selben Moment zerfiel auch das Sandgebilde rund um Arion. „Was hast du gemacht?“ vernahm der Hochelf ihre Stimme in seinen Gedanken. Der Unterton von Panik war unverkennbar. Es war auch nicht verwunderlich. Er konnte über den Teil seines Geistes frei verfügen, der noch immer außerhalb seines Körpers weilte. Und Geist kann Materie durchdringen. „Oh, nichts weiter. Mein Geist ist bloß in deinen Körper eingedrungen.“ Antwortete er ihr. „Erkennst du jetzt die Möglichkeiten, die du mir erst gegeben hast?“ Als Demonstration seiner Macht verfestigte er seine Energie in ihrem Körper etwas. Die Zauberin presste die Hände gegen den Unterleib und ging vor Schmerz in die Knie. Arion erwartete, dass seine Gegnerin aufgrund der unerträglichen Schmerzen bald aufgeben würde. Deshalb traf ihn die Schockwelle, die sie ihm mit letzter Kraft entgegenschleuderte, völlig unvorbereitet. Er und sein Pferd stürzten. Als sich der Hochelfenmagier wieder aufgerappelt hatte, stand auch seinen Feindin wieder auf den Beinen. Sie hatte sich bereits wieder etwas erholt und bereitete den nächsten Angriff vor.

„Ich lasse mich aber auch nicht so einfach besiegen.“ Ertönte ihre Stimme in seinem Kopf. Lächelnd begann Arion seinen Gegenzauber zu weben.

 

„Hunde! Gibt es denn einen unter euch Feiglingen, der es wert ist, mir entgegenzutreten?“ brüllte die dunkle Gestalt mit hasserfüllter Stimme. Elarios wandte seinen Kopf und betrachtete den Dunkelelfen in seinem schwarz-goldenen Harnisch, der mit wütender Stimme den mutigsten unter ihnen herausforderte, eine Sekunde lang. Dann wusste er, wer sein neuer Gegner sein würde. Mit einem unglaublich schnellen Stoß nach vor durchbrach der Ritter die Deckung eines Speerträgers und rammte ihm die Spitze seiner Klinge ins Gesicht. Die kurze Pause, die entstand, als ein neuer Gegner den Platz des alten einnahm, nutzte der Hochelf um sein Pferd zu wenden und sich durch seine eigenen Reihen so zügig, wie es zwischen all diesen Elfenreitern möglich war, in die Richtung des Dunkelelfen hinzubewegen.

Schließlich standen sich die beiden Kontrahenten gegenüber. Auf ihren beiden Rüstungen klebte bereits das Blut vieler Feinde und in ihren beiden Augen rangen Stolz und Hass um die Vorherrschaft. Wütend schnaubte der Dunkelelf: „Nimm den Helm ab, ich will in dein Gesicht sehen, wenn ich dich töte.“

„Du zuerst, Druchii.“ Der Silberhelm sprach seinen Gegner absichtlich in dessen eigenem Dialekt an und ließ den Namen, den sich die Dunkelelfen selbst gegeben hatten – Druchii - wie eine Beleidigung klingen. Mit einer wütenden Bewegung löste der Dunkelelf zuerst den Halsschutz seiner Rüstung, nahm dann den Helm ab und schleuderte ihn in den Sand.

„Jetzt du, Asur.“ Wurde der Hochelf nun mit der gleichen beleidigenden Äußerung aufgefordert. Auch er warf seinen Helm in den Sand und sprach mit stolzer Stimme: „Ich bin glücklich ein Asur zu sein, Verräter. Heute wirst du sterben!“

Im anderen hatte der Hass obsiegt, als er antwortete: „Das Leben keines einzigen Druchii ist sinnlos verwirkt, hat er jemals darin einen der euren zu seinen Göttern geschickt!“

Noch einige Momente lang starrten sich die beiden an. Ihre Gesichter voller Zorn und Schmerz über die vielen Verluste, die beide in diesem jahrtausende dauernden Krieg erleiden mussten. Ihre Haare flatternd im Wind, die des einen blond wie Weizenähren, die des anderen rabenschwarz. Ihre Augen stolz und hasserfüllt, ihre Haltung aufrecht, jeder Muskel ihrer Körper bis zum Limit angespannt. Wer sie sah, der wusste sofort: Bei diesen beiden handelte es sich um Fürsten ihrer Völker. Jeder hatte bereits in unzähligen Schlachten und Kriegen gekämpft und gehörte zu Recht zu den Besten. Es schien, als würden die Götter selbst aus Spannung kurz den Atem anhalten, als sich ihre Klingen zum ersten Mal kreuzten…

 

Langsam begannen sich die Dinge gegen die Hochelfen zu wenden. Der Widerstand der Dunkelelfen wurde immer verbissener und immer mehr stürmten an Land. Die schiere Masse der Feinde drängte die Reiterei der Hochelfen langsam zurück. Der schwungvolle Angriff hatte sich in ein allmähliches Zurückweichen verwandelt. Lange würden die Moral und die Ausdauer der berittenen Angreifer nicht mehr halten…

Der Silberhelm sah besorgt auf das Schlachtfeld herab. Ihn hatte General Elarios dazu bestimmt, die letzte Welle der Hochelfen in die Schlacht zu führen und den Rückzug zu decken. Nun war es soweit. Langsam hob er die Hand, in der er seine Lanze hielt, in die Höhe. Dann senkte er sie wieder und brüllte: „Zum Angriff! Macht sie nieder!“ Dann stürzten die letzten zweihundert Hochelfenreiter aus dem Wald und krachten in die Armee des Feindes, um das Kriegsglück noch einmal für kurze Zeit zu wenden…

 

Das magische Duell begann Idana zu erschöpfen. Doch auch ihr Feind hatte in seinen Angriffen etwas nachgelassen. Müde formte sie ein weiteres magisches Geschoss, das ihr Gegner müde abwehrte. „Deine Kräfte verlassen dich allmählich. Vielleicht solltest du dich etwas ausruhen?“ bemerkte die Stimme des Hochelfen in ihrem Geist spöttelnd. Etwas später musste sie einen nicht viel kraftvolleren Energieball als den ihren abwehren. „Du beginnst genauso zu erlahmen. Vielleicht bist du es ja, der der Ruhe bedarf? Ich für meinen Teil werde dieses Schlachtfeld als Siegerin verlassen.“ Antwortete sie in Gedanken.

„Wir werden sehen. Doch für heute ist meine Aufgabe getan. Du hast keinen Schaden angerichtet unter den tapferen Elfenkriegern Ulthuans. Wenn wir uns wieder sehen, werden die Karten anders verteilt sein.“

Dann wendete der Hochelfenmagier sein Pferd und trabte davon. „Dieser Feigling!“ dachte Idana bei sich. Er rannte doch tatsächlich vor ihr davon! Sie begann schon damit, einen Angriffszauber zu sprechen, um den Hochelfen doch noch zu vernichten, als Sie sah, wie noch einmal hunderte Hochelfenritter in die Krieger der Dunkelelfen krachten und dort hohe Verluste und Panik unter ein Truppen des Hexenkönigs verursachten. Doch gleich nach dem ersten Ansturm zogen sich alle Reiter plötzlich mit der gleichen Schnelligkeit, wie sie gekommen waren, zurück, während sich ihre Gegner noch zu formieren versuchten. Als sie schließlich bereit waren, die Verfolgung aufzunehmen, waren die Hochelfen bereits wieder halb in den Wäldern verschwunden. Fluchend lenkte Idana ihren Zauber um und der Feuerstrahl, der aus ihrer Hand schoss, holte wenigstens noch einen Feind aus dem Sattel. Schließlich wendete sie sich erschöpft und resigniert um. Diesen Tag würde sie nicht so schnell vergessen, das schwor sie sich.

 

Die beiden Elfen rangen verbittert miteinander, während rund um sie herum weitere zweihundert Hochelfen in die Reihen der Dunkelelfen brachen und große Verluste verursachten. Es war Furion gleich. Für ihn zählte nur dieser eine Kampf. Er ließ einen wahren Hagel aus Hieben auf seinen Gegner niederprasseln, nur um kurz darauf einen ebenso heftigen Gegenangriff parieren zu müssen. So ging es schon seit Beginn des Kampfes hin und her. Beide legten alles, was sie hatten, in ihre Angriffe und dennoch gelang es keinem von ihnen, die Deckung des Gegners zu durchbrechen. Funken sprühend krachten ihre magischen Schwerter erneut aufeinander, als der Rückzug des Hochelfenheeres begann. Doch Elarios dachte nicht an Rückzug. Er würde diesen Kampf ausfechten, egal wie lange es dauern mochte.

Und so kämpften die beiden Elfen mit einer Hingabe, die nur jahrtausendelang kultivierter Hass hervorbringen konnte. Sie fochten mit ungebändigter Wildheit und Unbarmherzigkeit, während neben ihnen ihre Brüder im Sand verreckten. Ihre Klingen suchten vergebens nach einer Schwachstelle des anderen, während das Blut ihrer Brüder den Sand rot färbte. Der Hass in ihren Augen strahlte, während die Augen so vieler ihrer Brüder an diesem Tag erloschen waren, erstarrt vor Furcht und Leid im Angesicht des Todes.

Schließlich hörte Elarios diese Stimme in seinem Kopf, die ihn aus seinem Kampfrausch riss: „Flieh, du Narr! Ulthuan braucht deine Fähigkeiten noch in kommenden Schlachten!“ In diesem Moment sah der Hochelf zum ersten Mal wirklich das Gemetzel um ihn und den Rückzug seiner Reiter, während bereits die ersten Dunkelelfenkrieger heraneilten, um in dieses Duell einzugreifen. Mit einem wütenden Blick auf die Speerträger brüllte er Furion an: „Das ist also deine Ehre?“ Zuerst hielt der Dunkelelf das Gehabe seines Gegners für einen Trick, doch als er schließlich den Kopf um wandte, bemerkte er, was sein Gegner meinte. „Bleibt zurück!“ brüllte er die Krieger wütend an. Niemand würde ihm heute den Ruhm stehlen. Doch der Hochelf wendete sein Pferd bereits und folgte seiner Armee auf ihrem Rückzug. Mit einem zornigen Schrei bäumte sich Furion im Sattel auf und warf sein Schwert auf den erstbesten Dunkelelfenkrieger, der mit der Klinge in der Brust tot zusammenbrach. „Ihr Dummköpfe habt mir meine Ehre gestohlen!“ schrie der Dunkelelfenkommandant wütend. Es sollte noch lange dauern, bis sein Zorn wieder abgeklungen sein würde.

Doch auch Elarios war nicht weniger wütend, aus dem Kampf geflohen zu sein. Das war seiner nicht würdig. Seine Ehre war zerstört. Er würde noch viele Schlachten schlagen, ja. Und er würde in jeder dieser Schlachten nach diesem Dunkelelfen suchen. Er würde ihn finden. Er würde mit ihm kämpfen. Er würde ihn töten.

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Kapitel 14

 

Malekith hatte die Schlacht mit wachsendem Ärger beobachtet. Das war keine zufällige Begegnung mit schlecht ausgerüsteten Grenzpatroullien gewesen, sondern der Angriff einer schwer bewaffneten Ritterstreitmacht. Ihre Vorgehensweise machte den Schluss offensichtlich, dass sie seinen Truppen sogar absichtlich aufgelauert hatten. Es gab keinen Zweifel: Die Feinde wussten von seinen Plänen. Doch wie? Der Hexenkönig schwor sich, das herauszufinden. Dazu hatte er einen ganz besonderen Gast eingeladen, der gerade eintraf.

Mit einer ehrfürchtigen Verbeugung begrüßte Kouran seinen Herrn. „Ihr habt mich rufen lassen, Meister?“

„Ja. Du hast doch sicherlich die kleine… Überraschung, die uns unsere Freunde aus Ulthuan bereitet haben, gesehen, oder?“

„Ja, mein Herr.“ Antwortete der Hauptmann der schwarzen Garde mit erwartungsvoller und hasserfüllter Stimme. Malekith gefiel die Art seines Dieners, seine Worte aufzunehmen.

„Irgendjemand, entweder hier oder in Naggaroth selbst hat uns verraten. Sei es durch Unfähigkeit oder mit Absicht. Ich will, dass du ihn findest und bestrafst, Kouran. Durchstreife Ulthuan, segle über alle Ozeane, schlage tausend Schlachten, wenn es sein muss. Aber bring mir den Verräter! Koste es, was es wolle.“

„Welche Mittel werden mir für diese Aufgabe zur Seite gestellt?“ fragte der Dunkelelf etwas weniger enthusiastisch als zuvor. Er hatte wohl gehofft ein größeres Kommando übertragen zu bekommen. Stattdessen konnte er jetzt Kammerjäger spielen.

„Nimm dir so viele du brauchst.“ Entgegnete Malekith gereizt. „Jeder weiß, dass er sich mir selbst widersetzt, wenn er deinem Wort nicht Folge leistet. Geh nun, geh und tritt mir erst wieder unter die Augen, wenn du Ergebnisse vorzulegen hast!“ brüllte ihn der Hexenkönig an. Diese Niederlage hatte seine Pläne zwar nicht gefährdet oder gar zunichte gemacht, aber sie dennoch um einiges erschwert. Dieser Angriff war nur ein lästiger Insektenstich, aber dennoch genug, um den König der Dunkelelfen in Rage zu bringen.

Kouran wandte sich ab. Er wirkte äußerlich kühl, doch in seinem Inneren brodelten Hass und Zorn ob der schlechten Behandlung, die ihm sein Herr angedeihen ließ, obwohl er in so vielen Schlachten so viel tapferer gekämpft hatte als so manch anderer, den der Hexenkönig dennoch bevorzugte. Mit einer wütenden Handbewegung bedeutete er den beiden schwarzen Gardisten, die den Aufstieg zu Malkiths Aussichtsturm bewachten, ihm zu folgen, um ihn bei seiner neuen Aufgabe zu unterstützen. Es würden nicht die letzten sein, die er unter sein Kommando berief…

 

In sicherer Entfernung hatten Elarios und seine Krieger Halt gemacht, um etwas zu rasten und die Verwundeten notdürftig zu versorgen. Dennoch war dem Hochelfenkommandanten klar, dass sie nur für kurze Zeit hier bleiben konnten, wollten sie keinen feindlichen Angriff riskieren. Noch immer wütend und deprimiert blickte er auf die erschöpften Elfen. Er hatte mehr verloren, als er gehofft hatte.

„Und mehr Feinde vernichtet, als ich geglaubt habe.“ Elarios fuhr etwas zusammen, bevor er die Stimme als die des Magiers Arion erkannte. Der Silberhelm drehte sich um und blickte dem Erzmagier ins Gesicht. „Schleich dich niemals wieder so von hinten an mich heran.“ Zischte er.

„Ich fühle Wut und Enttäuschung in dir, Ritter.“ Antwortete Arion mit sichtlicher Besorgnis.

„Ich habe heute mehr als hundert gute Elfen verloren!“ gab Elarios wütend zurück.

„Ja. Und der Hexenkönig hat weit mehr als tausend Krieger verloren. Er glaubt nun, dass ganz Ulthuan bereits in Waffen steht. Deshalb wird er wohl sehr viel vorsichtiger vorgehen. Es wird ihn Tage kosten, bevor er es wagt, seine Armeen tiefer in unser Land eindringen zu lassen. Das war doch auch der Sinn dieses Angriffs - Zeit zu gewinnen. Zeit, in der den Phönixkönig die Botschaft von der feindlichen Invasion erreichen wird. Zeit, in der wir tatsächlich eine größere Armee ausheben und unsere Festungen bemannen können. Seid stolz auf Euch, Elarios! Ihr habt tapfer gekämpft und uns zum Sieg geführt. Man wird sich ob Eurer ruhmreichen Taten an diesem Tag noch lange erinnern.“ Drang der Magier in ihn ein.

„Ruhmreiche Taten?“ erwiderte der Silberhelm resigniert. „Ich bin feige vor meinem Feind geflohen“

„Wenig später hättet Ihr wohl nicht nur gegen ihn, sondern gegen eine ganze Armee kämpfen müssen. Ulthuan braucht deine Fähigkeiten noch in weiteren Schlachten!“

„Du… warst das?“ entgegnete Elarios fassungslos. „Ich meine…ich wusste nicht, dass Ihr…“

„Nur wenige kennen alle Fähigkeiten der Erzmagier von Hoeth“ warf Arion ungerührt ein. „Wisset, auch ich kämpfte in einem Duell. Nicht mit Waffen, aber mit Magie. Schon einmal kämpfte ich gegen diese Feindin und nun hat auch die zweite Begegnung zwischen uns mit einem Unentschieden geendet.“

„Und wie ertragt Ihr die Schande?“ fragte Elarios verwirrt.

„Schande? Ich weiß, dass ich sie besiegt hätte. Doch ich habe meine Aufgabe erfüllt und die zerstörerischen Kräfte der Dunkelelfenzauberin gebunden, so dass Euch und Euren Kriegern kein Leid geschehen konnte. Wenn wir uns noch ein drittes Mal begegnen und es meine Aufgaben zulassen, werde ich sie töten.“

Nach einer kurzen Pause endete Arion seinen Vortrag: „Erfüllung deiner Aufgaben bringt dir Ehre, nicht dich in einem sinnlosen Kampf selbst zu opfern.“

Elarios nickte nachdenklich. Dann klopfte er dem Magier auf die Schultern. „Hab dank.“ Seinen Reiter befahl er aufzusitzen. Sie hatten lange genug gerastet. Vielleicht würde sie morgen schon die nächste Schlacht erwarten…

 

Waffengeklirr hallte durch den Wald. „Du bist schon wieder tot“ sagte Etran lächelnd, als die Spitze seines Schwertes Jenaras Hals berührte.

„Ich fürchte, ich werde das niemals lernen.“ Seufzte die junge Elfin.

„Oh, dafür, dass du erst gestern begonnen hast, bist du schon sehr gut. Vergiss nicht, ich habe auch über ein Jahrtausend gebraucht, um so kämpfen zu können wie heute.“ Nach einer kurzen Pause begann er erneut: „Und noch einmal.“ Mit diesen Worten griff er erneut an. Jenara parierte seinen Hieb so, wie er es ihr gelehrt hatte. Danach löste sie ihre Waffe von der seinen und führte selbst einen schrägen Hieb, der auf die Brust des Silberhelms zielte. Er parierte und zog sich einen Schritt zurück. Wie er es ihr gesagt hatte, nutzte sie diese Schwäche, um ihrerseits nach vor zu gehen. Gleichzeitig stieß sie ihre Klinge in Richtung seines Halses. Er parierte und drängte sie nun einen Schritt zurück. Dann lösten sich ihre Klingen wieder voneinander und Etran hieb wieder auf Jenara ein, diesmal zielt sein Schwert auf ihren Kopf. Sie parierte. Ihre Klingen kreuzten sich und der Hochelfenritter kam einen Schritt näher, so dass sich ihre Körper beinahe berührten. „Halte dein Schwert niemals über deinen Kopf. Ich schlage nur leicht zu, doch wenn du so einen ernsthaften Schlag parieren würdest, würde dein Schwert zurückfedern und könnte dich schwer verletzen.“ Seine Stimme war ernst.

„Was machst du eigentlich lieber? Mich aufmuntern oder schelten?“ fragte ihn Jenara halb scherzhaft, halb bestürzt.

„Ich will nur nicht, dass dir etwas passiert.“ Antwortete Etran, sich noch etwas näher an sie lehnend. Sie blickten sich direkt in die Augen. Der Hochelf konnte den sanften Atem des Mädchens auf seinem Gesicht spüren.

„Mit dir als Beschützer kann mir doch gar nichts passieren.“ In Jenaras Augen glaubte Etran so etwas wie Stolz und Dankbarkeit ihm gegenüber erkennen und… Liebe? Seine Augen mochten etwas Ähnliches vermitteln. Ein leiser Schauer fuhr durch die Körper der beiden, als ihre Waffen klirrend zu Boden fielen. Ihre Hände umfassten sich zögernd und zuckten vor Schreck wieder weg, bevor sie sich erneut, diesmal kräftiger ineinander klammerten, dann bewegten sich ihre Gesichter aufeinander zu, langsam und unsicher; sie legte den Kopf etwas zur Seite. Und dann küssten sie sich. Zuerst schüchtern, nur flüchtig, dann immer heftiger und wilder, sie umklammerten sich, suchten eins zu werden, gemeinsam zu sein, für alle Zeit vereint in einem unsterblichen Kuss.

 

Es war Nacht geworden. Der Vollmond stand hoch am Himmel und Sterne funkelten herab. Eine einsame Gestalt stand regungslos am Strand und blickte in den Himmel. Die Haare und das Gewand der Elfin flatterten im Wind. Seine sanfte Brise streichelte ihr Gesicht wie ein geheimer Liebhaber. Es war kühl geworden, doch die Kälte der Nacht vertrieb die Hitze der Schlacht und das sanfte Geräusch der Wellen vermittelte Naira einen Eindruck von Ruhe und Frieden. Seufzend blickte sie in die Wellen. Tief dort unten lag es, Nagarythe, ihr Haus, ihr Land, in all seiner Pracht. Korallen wucherten nun in Sälen, in denen einst Könige gespeist hatten. Die Rückkehr nach Ulthuan erfüllte die Dunkelelfin mit vielen alten und schmerzhaften Erinnerungen. Sie gehörte zu den wenigen, die lange genug im mörderischen Klima Naggaroths überlebt hatten, um sich noch an ihr verlorenes Erbe zu erinnern.

Naira kniete nieder. Ihre Hand fuhr in den Sand, grub sich hinein und hob sich wieder. Sie fühlte die groben Körner in ihren feinen Fingern, wie sie durch sie hindurchrieselten und zu Boden fielen. Wie der Sand der Zeit. Es waren Jahrtausende vergangen. Jahrtausende des Exils, der Entbehrungen und der Schlachten. Sie gehörte zu den wenigen Altvorderen, die es geschafft hatten, auch ohne die Gunst des Hexenkönigs so lange zu leben. Oftmals war sie nur knapp dem Tod entronnen. Vieles hatte sie erdulden müssen. Doch nun, nach all dieser Zeit war sie wieder… zuhause.

 

ENDE 1. BUCH

 

 

So, das war es. Ihr habt anhand der Erzählstränge gemerkt, dass mehr geplant war, aber ich habe dann nie weitergeschrieben. Danke an alle, die bis hierher durchgehalten haben. Ich hoffe, das Lesen hat euch etwas Spaß gemacht.

 

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"Conan! What is best in life?" - "Crush your enemies, see them driven before you, and hear the lamentation of their women."

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