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TabletopWelt

Das Schwinden


Nakago

Empfohlene Beiträge

@ greendust

Gut Ding will Weile haben.

@ Kreuzfeuer

Ups! Wird in Zukunft richtig geschrieben sein. Schreiben ist nur ein Hobby.

Kapitel II

Imperium

Segmentum Pacificus

Sektor Jyoti

System Ghersom

Planet Ghersom IV

Nördliche Hemisphäre

Kontinent Ephrat

Kathedralsstadt

Zeit: 1 577 996.M41

Person: Herad Tabelmann

"Das ist also Ghersom IV?", stellte Inquisitor Herad Tabelmann die rein rhetorische Frage. Ein unscheinbarer Planet, 2 Milliarden Einwohner, 36 % Landmasse, 64 % Meer. Imperiale Welt, hochentwickelte Hightech Industrie auf dem Südkontinent, großflächige Agrarwirtschaft auf dem Nordkontinent, bekannt für seine teuren guten Weine, hoher Entwicklungsgrad, wohlhabende und gut versorgte Bevölkerung, saubere Atmosphäre, recht intakte Umwelt. Hauptexport waren Verwaltungsmaschinen, Cogitatoren, Datablocks, Holokartengeräte, teurer Wein und Amasec, dazu noch Lebensmittel aus Landwirtschaft und Fischerei. Produziert wurden ebenfalls leichte Waffen, um den Bedarf der PVS und der Imperialen Abgaben zu befriedigen. Die einzige nennenswerte Schwerindustrie auf dem Südkontinent stellte Eisenbahnen, Lokomotiven und Wagen her.

Imperiumsweit berühmt war das Ghersom System für seine gewaltige Imperator Kathedrale, in der Steine aufbewahrt wurden, auf denen der Imperator einst gewandelt war, als er diese Welt friedlich für das Imperium allein durch seine Ankunft gewonnen hatte. Laut seinen Unterlagen galt die Welt als zuverlässig, hatte immer pünktlich ihre Abgaben bezahlt. Ihre Regimenter taten vorbildlichen Dienst in der Imperialen Armee, keine bekannten Überläufer in den letzten fünftausend Jahren an das Chaos, weiter reichten die Datenbanken nicht zurück.

Allerdings hatte diese Welt wie jede im Segmentum Pacificus eine recht bewegte Geschichte hinter sich. Über neun Jahrhunderte war der Sektor umkämpft gewesen, zuerst die Spaltung durch den Senat von Terra Nova, welche das ganze Segmentum zu einem eigenen Imperium gemacht hatten. Als das Segment wieder eingegliedert und der falsche Senat vernichtet war, begann die Apostasie, welche hier besonders brutale Folgen hatte. Kaum war Vandire, die treibende Person hinter der Misere auf Terra geköpft worden, begann die Bucharis Häresie, die erst durch den heiligen Konfessor Dolan beendet worden war. Und dann hatten während der Macharius Häresie Regimenter auf der falschen Seite gestanden, aber die waren wohl nur ihren Kriegsherren gefolgt, ohne deren Verrat erkennen zu können. Dann gab es noch einige regionale Zwischenfälle während der Macharius Häresie, aber die hatte das ganze Segmentum Pacificus betroffen.

Nach den offiziellen Statistiken sehr niedrige Verbrechensrate, nur leicht erhöht um die Kathedrale selbst, da gab es wohl etwas Kompetenzgerangel, wer nun für was zuständig war. Seit Beginn der Aufzeichnungen schien die gleiche Dynastie den Gouverneursposten inne zu haben, eingesetzt vom Imperator höchstpersönlich. Als regionale Besonderheit war der Posten immer mit einer Frau besetzt. Die amtierende Gouverneurin war Theodora XXVIII, verheiratet mit einem Cousin dritten Grades, die Familie schien meist innerhalb ihres Clans zu heiraten, zwei Töchter, die jüngere davon auf Pilgerreise. Das war in etwa das, was sein Datablock über diese Welt zu berichten wusste. Ein Musterplanet, fast schon zu schön um wahr zu sein. Stille Wasser sind tief, hatte sein einstiger Ausbilder immer gesagt. Die wahren Abgründe verbergen sich oft hinter einer makellosen Fassade.

Knapp ein viertel Jahr war er nun hinter Gavri Pilgertochter her. Sie war imperiumsweit nun eine gesuchte Hexe, Besessene mit der höchsten Gefahrenstufe. Er hatte den Excommunicate Hereticus über sie verhängt, damit war sie in Abwesenheit zum Tode verurteilt und jeder Bürger bzw. Behörde des Imperiums hatte die Pflicht, dieses Urteil bei bekanntem Kontakt zu vollstrecken. Ihr Steckbrief war an jedes Büro des Adeptus Arbites im ganzen Segmentum Pacificus übermittelt worden. Mit der Autorität der Inquisition hatte er eine kleine Flotte requiriert und war die Route des Pilgerschiffes abgeflogen. Er hatte die verscharrten Leichen der Chaoskultisten ausgraben und verbrennen lassen. Außer der Bestätigung, dass die meisten Kultisten, Verräter und Mutanten durch je einen Stich oder Schuss aus ein und derselben Waffe getötet worden waren, hatte sich nichts Neues ergeben.

Schweren Herzens hatte er die weltliche Besatzung, den Klerus und die Pilger der "Gesegnete Erlösung der wahren Gläubigen" in ihr eigenes Raumschiff einsperren lassen, das nun einen stabilen Orbit um einen abgelegenen Planeten flog. Töten wollte er sie nicht, aber frei herumlaufen lassen ebenfalls nicht. Diese Menschen hatten zweifelsfrei bewiesen, dass sie wahre Gläubige und gute Bürger waren, aber das, was sie gesehen und erlebt hatten, durften sich nicht weiter verbreiten, auch wenn sie sich jetzt nicht mehr an die blasphemischen und ketzerischen Reden der Hexe erinnern konnten. Die Gefahr war einfach zu groß, dass der Bann irgendwann vielleicht nachließ, auch wenn die Chance vielleicht nur minimal war. Havilah hatte er die Zunge amputieren lassen, sie aber in seinen Dienst übernommen, da eine Stumpfe immer eine gute Waffe gegen Psioniker war.

An dem Ort, wo der Überfall des Chaoskreuzers stattgefunden hatte, waren noch ein paar Enterschiffe der Tarantulaklasse zu finden gewesen und die Trümmer eines wirklich großen Schiffes, viel größer als ein Kreuzer. Experten der imperialen Flotte hatten die Vermutung geäußert, dass dies einst ein Schlachtschiff gewesen sein musste. Was das zu bedeuten hatte, wusste er nicht. Mehr als das Bekannte hatte er nicht bestätigen können. Der Kreuzer der Berserkerklasse war vollständig verschwunden gewesen. Die Spur hatte sich dort verloren. Seine Flotte flog umliegende Systeme an, aber dort war keinerlei Ortung erfolgt. Er hatte keine Ansatzpunkte, wohin die besessene Hexe und gefährliche Ketzerin Gavri Pilgertochter und ihre Häretiker verschwunden waren, also fing er am Anfang der Fährte an, wo alles begonnen hatte, auf dem angeblichen Musterplaneten Ghersom IV.

Die berühmte Imperiumskathedrale war ein gewaltiges Bauwerk in einer gemäßigten Klimazone auf der Nordhalbkugel von Ghersom IV. Der Kontinent nannte sich Ephrat und hier wurden die meisten landwirtschaftlichen Agrarprodukte und der berühmte Wein angebaut. Die größte Stadt mit zehn Millionen Einwohner war die mit einem umlaufenden Festungswall gesicherte Kathedralstadt, welche die Imperatorkathedrale wie ein Speckgürtel umgab. Das gesamte Eisenbahnnetz des Kontinents war wie ein Spinnennetz, mit Kathedralstadt im Zentrum aller Schnittpunkte. Der Bahnhof war neben der Kathedrale das zweitgrößte Gebäude des Kontinents. Der Raumhafen und ein Flughafen sorgten für weitere hervorragende Anbindungen an das Verkehrsnetz des hoch entwickelten Planeten.

Das imperiale Landungsschiff schwebte auf den Pilgerraumhafen fast direkt neben der Kathedrale zu. Ein halbes Dutzend Pilgerschiffe tummelten sich auf der Landeplattform. Scharen von Pilgern wälzten sich in Richtung Eingang der Imperatorkathedrale. Er selbst steuerte "Janina III" aus dem Laderaum des Landungsschiffes und holte sich die Starterlaubnis der Flugleitstelle und die Landeerlaubnis im Landungsdock der Kathedrale, die im Turm auf über fünfhundert Meter Höhe eine Reihe von Wasserspeier gesäumten Landeplattformen verfügte.

Es tat gut, mal wieder am Steuer der Valkyre zu sitzen, diesen Posten überlies er viel zu oft seinem Gefolge. Leider war der Flug nur sehr kurz und er landete auf der Plattform Sieben. Dort wurde er schon von einem katzbuckelnden Kleriker der Ekklesiarchie erwartet, der sich bescheiden als Vater Zalmon vorstellte, obwohl seine Kleidung auf einen hohen Rang in der Hierarchie vermuten ließen. Der Kleriker führte den Inquisitor und seine Gefolgsleute samt Gepäck in den zentralen Turm, der weit über einen Kilometer in die Höhe ragte und die Gemächer des Kardinals und anderer höchster Würdenträger der Ekklesiarchie auf diesem Planeten beherbergte. Dazu enthielt der Turm noch die zentrale Verwaltung und Archive der Diözese und sorgte für einen äußerst repräsentativen Rahmen.

Sein Gefolge und er wurden in den luxuriösen Gästezimmern des Turmes untergebracht. Sie hatten eine komplette Zimmerflucht mit einem grandiosen Ausblick auf die Stadt für sich alleine. Der unglaublich verschwenderische Luxus dieser Zimmer kam Herad wie eine Obszönität vor, er beschwerte sich aber nicht über die Unterkunft, da sie wohl als Ausdruck des Respekts für sein Amt und seine Person gedacht waren. Natürlich hätte er auch im Festungsturm der Inquisition im Süden der Stadt Quartier beziehen können, aber er wollte so nah wie möglich am Ort der Ereignisse sein, welche aus Gavri Pilgerstochter eine der meistgesuchtesten Verbrecherinnen der Galaxis gemacht hatten.

Sogleich ersuchte er um eine Audienz beim Kardinal, die sofort gewährt wurde. Etwas anderes hatte er auch nicht erwartet, denn ein Gesuch eines Inquisitors war nichts weiter als ein freundlich formulierter Befehl, dem sofort Folge zu leisten war. Er wurde an den schon seit langer Zeit wartenden Bittstellern vorbei direkt vor die Tore des Audienzsaals geführt, die sich gerade öffneten. Mehrere braununiformierte Büttel der Ekklesiarchie führte eine blonde hellhäutige Frau Anfang Dreißig in einem weißen Kleid, das recht raffiniert geschnitten war, hinaus. Als sie ihn sah und erkannte, riss sie sich überraschend los und stürzte vor ihm auf die Knie und reichte ihm bittend einen Zettel. Reflexartig griff er zu, während die Frau vor ihm seine Beine umklammerte und ihm die Stiefel küsste.

"Herr Inquisitor! Ich erbitte Gerechtigkeit für meine Tochter!"

"Ergreift die Metze und schleift sie hinaus!", brüllte Zalmon und gleich vier Wächter mit Schlagstöcken stürzten sich auf die Frau. "Verzeiht, Herr Inquisitor, aber diese Frau ist offensichtlich verrückt." Verblüfft betrachtete er den Zettel aus hochwertigem Papier. Darauf war das farbige Bild eines jungen Mädchens mit sehr heller Haut, klaren blauen Augen und goldglänzendem Haar, das sie offen von einem Reif gehalten trug. Sie sah schmächtig und schüchtern aus. Im aller ersten Moment geglaubt er ein Bild von Gavri Pilgerstochter erhalten zu haben, aber die Ähnlichkeit war nur Oberflächlich. "Vermisst!", stand in großen gotischen Lettern darüber. Darunter: Abigail Talmun, seit 17 Februar 994.M41 verschwunden, es folgte eine kurze Beschreibung zur Ergänzung des Bildes, dann das Versprechen auf eine Belohnung und eine Kontaktnummer für das hier ansässige Televidnetzwerk. Er faltete den Zettel zusammen und steckte ihn weg, während die Frau raus geschafft wurde. Dann konzentrierte sich Herad auf seine Aufgabe und verdrängte den Zwischenfall.

Der eigentliche Empfang fand im sogenannten kleinen Audienzzimmer statt, einer Halle von etwa dreißig auf dreißig Metern im Quadrat mit einem freien Blick auf das Hauptschiff der Kathedrale durch eine Galerie gotischer Bögen, die mit buntem Panzerglas verglast waren. Die Pilgerströme sahen von hier oben wie wandernde Ameisen aus. Von der Gewölbedecke hing ein goldener Kronleuchter herab, dessen Tausende von Kerzen die Halle erhellten. Cherubim flatterten unter der Decke und schwenkten mit großem Enthusiasmus rauchende Behälter mit Duftstoffen.

Der Kardinal Zadok VIII war ein Mann jenseits der körperlichen Achtzig, der aber noch sehr vital wirkte und wahrscheinlich deutlich älter war. Der Kardinal sicherte ihm umringt von Bediensteten, Beamten, hochrangigen Klerikern, seine vollste Unterstützung zu, was immer es auch sein sollte.

"Es ist unsere heilige Pflicht, Euch zu unterstützten, Inquisitor Tabelmann. Es ist eine große Ehre, den legendären Helden von Höhe 495 in der heiligen Imperatorkathedrale willkommen zu heißen. Der Film über Eure bemerkenswerten Heldentaten wird regelmäßig zur Erbauung im örtlichen Televid gezeigt." Herad hasste es, wenn man ihn auf den unseligen Film ansprach, der fast rein gar nichts mit den wirklichen Ereignissen um Höhe 495 zu tun hatte. Aber wenigstens wurde er nicht um ein Autogramm gebeten, das hasste er noch mehr, als über dieses Machwerk zu reden. Aber das zeigte ihm, dass die Schreiber des Kardinals sehr schnell arbeiteten und über eine gute Informationsquelle bei der Inquisition verfügen mussten. Nur wenigen war bekannt, dass er der wirkliche Offiziersanwärter Herad Tabelmann gewesen war, auf dessen letztem Einsatz der Film beruhte.

Die Procurata einer Hundertschaft der hier stationierten Sororitas vom Orden des tapferen Herzen war auch anwesend, eine für ihr Amt überraschend junge Frau mit dem Namen Azubah, die eine große blaue Fleur de Lys auf der linken Wange tätowiert hatte. "Ihr könnt jederzeit über mich und meine Schwestern verfügen, Herr Inquisitor!" Etwas Anderes hatte er auch nicht erwartet. Der Adeptus Sororitas und der Ordo Hereticus arbeiteten seit ihrer Gründung sehr gut zusammen.

Nachdem das geklärt war, ratterte Inquisitor Herad Tabelmann seine Wunschliste herunter. Dienstbeflissen eilten ein halbes Dutzend Kleriker los, um seine Befehle zu erfüllen. Er verabschiedete sich knapp vom Kardinal und marschierte mit seinem Gefolge, der Procurata Azubah und dem an ihm wie eine Klette klebenden Vater Zalmon hinaus in das Wartezimmer der Bittsteller.

Die nächsten Stunden verbrachte er mit dem Experten für die unteren Ebenen der Kathedrale in dessen Schreibstube in einem angeschlossenen Klosterbereich der Imperatorkathedrale. Der uralte tattrige Kleriker war sicherlich sehr kompetent in der Materie, strapazierte seine Geduld aber aufs Äußerste, mehrmals war Herad kurz davor, den Kerl persönlich zu verprügeln, um ihm beizubringen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Er bekam eine verworrene Geschichte zu hören, dass im Laufe der Jahrtausende die Kathedrale mehrmals erweitert worden war. Der ursprüngliche Kern war inzwischen nichts weiter als ein Gebäude im Nordflügel, das vollständig überbaut war und nun als Kapelle diente. Während des Zeitalters der Apostasie wurde die Kathedrale auf die heutigen Dimensionen erweitert. In diesem dunklen Zeitalter hatte die Ekklesiarchie unglaubliche Summen und Mittel in ihre heiligen Gebäude gesteckt, sodass Kirchtürme von einem Kilometer Höhe keine Seltenheit waren. Meist auch noch mit den wertvollsten Materialien ausgestattet. Dieser verschwenderische Prunk war dem Gebäude heute noch zu eigen.

Das Wesentliche war, dass die Bereiche unter der Kathedrale ebenfalls gigantisch waren. Eine gewaltige Totenstadt mit unzähligen Grüften und Räumen. Es gab zwei katalogisierte Ebenen mit Grüften und Andachtsräumen. Die dritte Ebene, welche die älteste war und viele zugemauerte Bereiche enthielt, war nur wenig erforscht, da sie wohl noch aus der Gründerzeit des Imperiums stammte. Darunter wurden weitere Ebenen vermutet, waren aber nicht zugänglich. Genau genommen war diese Ebene vor Jahrtausenden von einem Inquisitor versiegelt worden und es war auch heute noch verboten, sie zu betreten. Schächte, in die ein zwölf Jahre altes Mädchen stürzen konnte, schien es viele zu geben, wenn die auch angeblich mit Gittern gesichert waren. Es würde eine längere Suche geben, die er morgen in Angriff nehmen würde. Herad war froh, als er endlich den alten Sack verlassen konnte.

Explikator Zebulon hatte es in der Zwischenzeit geschafft, jemanden zu finden, der sich an die Ereignisse um ein verschwundenes Pilgermädchen erinnern konnte. Ein junger frisch geweihter Priester namens Hiram wartete im provisorischen Verhörzimmer auf ihn, was nichts weiter als das Empfangszimmer seiner Zimmerflucht war. Der junge Mann machte einen sehr entspannten Eindruck, eine Seele, die mit sich und seinem Glauben im Reinen war.

"Ja, Herr Inquisitor, ich kann mich an dieses Mädchen erinnern." Der junge blonde gut aussehende Priester gab ihm die Aufnahme von Gavri Pilgertochter zurück. "Es war der 24. März, vor zwei Jahren. Das ist ein hoher Feiertag hier auf diesem Planeten, da wir den Geburtstag einer Heiligen feiern. Da ist immer sehr viel los in der Kathedrale. Ich hatte damals Dienst in der zweiten Gruftebene bei einem Stand, der Fackeln gegen Gebühr verleiht. Es war so gegen die Mittagszeit, als dieses Mädchen mit einem Haufen Kinder aufgetaucht ist."

"Habt Ihr generell ein so gutes Gedächtnis, oder warum könnt ihr Euch so gut daran erinnern?"

"Das Mädchen hat mich sehr beeindruckt. Herr Inquisitor."

"Aha?", fragte Herad lauernd, hatte ihre Häresie damals schon Früchte getragen?

"Sie war für ein fahrendes Pilgermädchen sehr gebildet, sie konnte eigentlich alles auswendig. Gavri Pilgerstochter wollte den Preis für die Fackeln drücken und ich bot ihr einen Wettstreit im Glauben an. Ich fragte bestimmte Stellen im heiligen Buch ab. Sie konnte alles fehlerfrei rezitieren und so verlangte ich nur die halbe Gebühr, weil sie so viel über den einzig wahren Glauben wusste."

"Sie war also fest im Glauben? Keine Abweichungen?"

"Nein, sie hat alles fehlerfrei rezitiert und das mit dem inneren Feuer einer wahren Gläubigen."

"Und was passierte weiter?"

"Sie ging mit ihrer Schar Kinder in die dritte Ebene, nahm noch ein Pergament mit den Erläuterungen der Reliefs mit."

"Reliefs?"

"In der dritten Ebene wurden vor etwa hundert Jahren, nachdem man die dritte Ebene wieder geöffnet hatte, einige schöne Reliefs aus sehr alter Zeit entdeckt. Das ist der eigentliche Grund, warum Besucher überhaupt dort runter gehen. Die Grüfte sind zu alt, um die Inschriften lesen zu können, also werden die nicht mehr besucht. Wer dort begraben liegt, ist seit Jahrtausenden vergessen und die Kunstwerke sind oft von Zeit und Vandalen zerstört worden. Der Gang der Mädchen ist das einzig wirklich interessante dort unten."

"Der Gang der Mädchen?" Der "Experte" hatte da einige Details ausgelassen.

"Die Reliefs zeigen Mädchen beim Beten, Lernen, Körperlichen Ertüchtigungen."

"Aha?"

"Mehr kann ich dazu auch nicht sagen."

"Und dann?"

"Am späten Nachmittag, bevor meine Schicht zu Ende war, kamen die Kinder voller Sorge ohne sie wieder zurück. Gavri Pilgerstochter war wohl in einen Schacht gefallen. Ich konnte meinen Posten nicht verlassen, versprach aber, ihnen nach Dienstschluss zu helfen. Als ich abgelöst wurde, ging ich mit ihnen nach unten. Wir suchten mehrere Stunden nach diesem ominösen Schacht, fanden ihn aber nicht, da die Kinder sich zwischenzeitlich mehrmals verlaufen hatten. Die dritte Ebene ist sehr weitläufig und verfügt über keine eigenen Lichtquellen. Im Schein der Gasfackeln sieht alles recht gleich aus. So wie es aussah, waren sie wohl in Bereiche vorgedrungen, die eigentlich abgesperrt waren. Aber sie haben wohl die Sperrseile einfach ignoriert. Ich verpasste die Abendmesse und wurde deswegen schwer gerügt. Die Kinder begleitete ich noch zurück zu ihrem Pilgerschiff, wo sie dann wieder an Bord gingen. Das war eigentlich alles."

"Und weiter?"

"Ich meldete den Vorfall bei meinem Vorgesetzten, tat Buße, wegen der verpassten Abendmesse und ging ins Bett. Ich bete vorher noch zum Imperator um die Seele des Mädchens."

"Und was geschah weiter? Wie tauchte sie wieder auf?"

"Davon weiß ich nichts, ich hielt sie bis jetzt für tot. Am nächsten Tag kamen einige Kriegernonnen vom Schiff und wirbelten recht viel Staub auf. Ihre Anführerin hieß irgendwas mit Zorn. Vernichtender Zorn, tödlicher Zorn, so was in der Art."

"Gerechter Zorn?" Laut seinen Unterlagen hatte die abtrünnige Kriegernonne und Gavri Pilgerstochter sich sehr Nahe gestanden.

"Ja, genau, Gerechter Zorn. Die Frau war sehr engagiert in dieser Sache und ich habe gehört, dass sie um beim Kardinal vorgelassen zu werden, einen der Kleriker, welche die Bittsteller selektieren, durch die Türe des Empfangssaal geworfen hat."

"Das hört sich nicht sehr beeindruckend an."

"Die Tür war geschlossen, müsst ihr wissen."

"Oh, das war sicherlich schmerzhaft."

"Würde ich so unterschreiben." Beide grinsten sich kurz an, dann wurde Herad wieder ernst.

"Fiel Euch irgendetwas an Schwester Gerechter Zorn auf?"

"Eigentlich nur, dass sie ihren Namen zurecht trug."

"Äußerte sie Zweifel an der offiziellen Auslegung des heiligen Buches?"

"Nein, religiöse Themen habe ich keine mit ihr diskutiert. Sie beschwerte sich hauptsächlich über die mangelnde Zusammenarbeit wegen ihrer Suche nach Gavri Pilgerstochter. Ein anderes Thema kannte sie nicht."

"Fandet ihr es nicht seltsam, dass sie so emotional reagiert hat?"

"Anfangs doch, aber eine ihrer Schwester vertraute mir in einer ruhigen Minute an, dass Gerechter Zorn in Gavri Pilgertochter so etwas wie ihre Tochter sah. Deswegen kann ich die überaus emotionale Reaktion der Nonne durchaus auf das Verschwinden des Mädchens nachvollziehen."

"Verschwinden hier eigentlich öfters Mädchen?"

"Es gibt immer wieder Menschen, die berichten, dass Angehörige in den unteren Gruftebenen einfach verschwinden", antwortete Hiram nach kurzem Zögern.

"Was soll das heißen?"

"Dass sie sich verlaufen, in ungesicherte Schächte fallen. So was in der Art, Herr Inquisitor. Genau deswegen sind diese Bereiche ja auch eigentlich für Publikumsverkehr gesperrt."

"Ist das alles?"

"Von mehr weiß ich nicht, Herr Inquisitor." Das hatte sich alles aufrichtig und wahr angehört, aber eigentlich wusste Herad nun, dass die Geschichte mit dem verschwundenen Pilgermädchen jedenfalls im Bezug auf das Verschwinden korrekt war.

"Nun gut, falls Euch noch etwas über das Verschwinden von Gavri Pilgerstochter einfällt, so wisst Ihr ja, wo Ihr mich finden könnt."

bearbeitet von Nakago
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Nachdem Zebulon den Priester wieder hinaus geschafft hatte, ging Herad in sein Gemach, Zimmer konnte man diesen Raum nicht mehr nennen. Alles was teuer und erlesen war, hatte man hinein gepackt. Sein kleiner rollbarer Container und sein persönliches Gepäck sahen dagegen richtig schäbig und deplatziert aus. Er öffnete die unterste Schublade seines Containers und entnahm eine stark ramponierte Munitionskiste aus Plaststahl für einhundert Lasergewehrmagazine. Die Kiste hatte er von seinem Vater zu seinem siebten Geburtstag bekommen und es war für ihn damals das schönste auf der ganzen Welt gewesen, eine richtige Munitionskiste der Imperialen Armee. Der Aquila war auf dem Deckel geprägt. Im Innern lagen ihm seine liebsten Erinnerungsstücke. Als erstes nahm er ein silbernes Medaillon heraus. Es hatte zwei Deckel, öffnete man den oberen, sah man ein gemaltes ovales Miniaturbild einer jungen Frau auf der linken und das eines kleinen Mädchens im weißen Kleidchen mit Schleifen und Rüschen auf der rechten Seite. Öffnete man die Rückseite, sah man einen Mann in Offiziersuniform und einen kleinen Jungen. Auf dem obersten Deckel war eingraviert, "Zum Neunten Hochzeitstag, Alles Liebe!" Auf dem unteren Deckel war der Aquila abgebildet, ein kleiner Diamant bildete das Auge des linken Adlerkopfes.

Der nächste Gegenstand war ein durchsichtiger Zylinder aus Kunststoff mit einem messingfarbenen Verschluss. Im Innern befand sich eine Sammlung von Metallsplittern, halb zerdrückten Projektilen und einem leibhaftigen Boltergschoss im Kaliber 20mm mit Diamantspitze. All dies hatte man im Laufe seiner wechselhaften Karriere als Offiziersanwärter, Akolyth, Explikator, Interrogator und schließlich Inquisitor des Ordo Hereticus aus seinem Körper entfernt. Das Boltergeschoss hatte sein Schutzfeld und seine Panzerung glatt durchschlagen, war aber in seiner Schulter nicht explodiert. Dieser Behälter erinnerte ihn daran, dass seine Arbeit gefährlich war und er immer auf der Hut zu sein hatte, denn der Feind lauerte überall. Und dass der Imperator offensichtlich noch etwas Großes von ihm erwartete, sonst würde er ihn nicht so gut beschützen.

Er klappte eine kleine Schatulle aus Edelholz auf, darin lagen säuberlich aufgereiht das Macharius Kreuz, das seinem Vater Posthum verliehen und bei dessen Beerdigung ihm von Generalfeldmarschall von Sandermann vor laufender Kamera überreicht worden war. Dann das Honorifica Imperalis, welches Herad für seine Teilnahme an der Schlacht um Höhe 495 bekommen hatte. Und als letztes lag da das Scharlachrote Ehrenmedaillon, ebenfalls eine Auszeichnung die mit den Ereignissen jenes Tages zusammen hing, die sich heute zum einhundertsechsundachtzigsten Mal jährte. Er arrangierte die Medaillen und das Glas mit den Überresten der Projektile, setzte eine Kerze in die Mitte und zündete sie an. Dann schlug er ein Büchlein auf, welches bei Mädchen als Tagebuch beliebt war. Er hatte es von seiner Mutter zu Imperator Himmelfahrt geschenkt bekommen, der letzten gemeinsamen und er war ziemlich sauer deswegen gewesen, weil er mit so einem Buch damals nichts anzufangen wusste. Tagebuch hatte er nie geführt, dafür war das Buch nun voller Namen und Daten. Jeder Name stand für einen Menschen, der unter seinem Kommando gefallen war.

Der erste Name war Janina Tabelmann. Er brauchte nur eine Seite umzublättern, um den Eintrag zu finden, den er suchte. Der 19. Juni oder besser gesagt 577 812 M41 war der Tag mit dem längsten Eintrag. 49 Namen standen dort. An oberster Stelle stand sein damaliger bester Freund, Lars "Stecher" Kopinsiki, Sechzehn Jahre alt, wie jeder der an diesem Tag unter seinem Kommando gestorben war. So jung wie er auch damals gewesen war. Laut und deutlich las er jeden Namen auf der Liste vor. Alle Neunundvierzig Märtyrer, oder eher Kanonenfutter, sinnlos verheizt in einem Krieg, der von rückgratlosen Idioten streng nach Vorschrift geführt worden war. Zu jedem Namen versuchte er sich dessen Gesicht in Erinnerung zu rufen. Er hatte einst an ihren Gräbern geschworen, sich bis an sein Lebensende an sie und diesen Tag zu erinnern und deswegen hielt er jedes Jahr diese Zeremonie ab, wider dem Vergessen.

Schließlich sang er das Lied vom guten Kameraden, dass sie während der langen Ausbildungsmärsche in der Grundausbildung immer gesungen hatten, eine dunkle Verheißung der Zukunft. Er blätterte im Buch weiter, viele Namen standen dort und bald würde das Buch voll sein. Mit einem Seufzer schloss er es und strich über den blauen, ledernen Einband, auf dem sein Name geprägt war und legte es zurück zu den anderen Gegenständen, die sein Leben repräsentierten. Manches war kaum mehr als Müll, nur für ihn von Bedeutung, da jeder Gegenstand ein Abschnitt seines Lebens darstellte. Seine Siege und Erfolge, aber auch seine Niederlagen und Fehlschläge. Als letztes war die Urkunde, welche den Excommunicate Hereticus über Gavri Pilgerstochter ausgelöst hatte, dazu gekommen. Ein kleiner halb zerschmolzener Anhänger einer Slaaneshikone symbolisierte seinen letzten Erfolg über einen Slaaneshkult auf Delcita II. Er hatte viele solcher kleinen Anhänger in einer Lho-Stäbchen Vorratskiste, jeder Stand für die Vernichtung einer Zelle, Sekte oder eines Ordens des Chaos.

"Irgendwie traurig, mein Leben passt in eine Munitionskiste." Herad verstaute die Sachen wieder sorgfältig, ebenso die Kiste. Dann zog er sich um, zivile Kleidung. Mit bequemen Schnürschuhen, schwarzer Hose aus strapazierfähigem Stoff und mit einer Fliegerjacke bekleidet, verlies er sein Zimmer. Es überraschte ihn nicht wirklich, dass Zebulon und Tekoa in Zivil ihm schon im großen, zentralen Wohnzimmer der weitläufigen Zimmerflucht erwarteten. Shiloh war auch da und verdrehte die Augen. "Mal wieder euer alljährlicher Männerabend?"

"Alle Jahre wieder, immer die gleiche Prozedur", erwiderte Herad inzwischen wieder etwas besser gelaunt.

"Dann viel Spaß und denkt daran, die haben hier ein funktionierendes Justizsystem. Erspart mir bitte die Peinlichkeit, mit der Inquistionssäule mal wieder herum wedeln zu müssen, um euch aus dem Gefängnis zu holen." Shiloh schlug dabei den Tonfall an, den seine Mutter immer an sich hatte, wenn sie ihn ermahnte, keinen Unsinn anzustellen. Und fürwahr, als Junge hatte er für legendäre Missionen, sein Begriff für "Unsinn", immer Zeit gehabt.

"Tu nicht so, als ob das schon öfter als einmal passiert wäre."

"Zweimal! Das habe ich schon zweimal machen müssen. Und es war jedes Mal verdammt peinlich gewesen!"

"Keine Angst, wir sind nicht auf Ärger aus", flunkerte Tekoa und zwinkerte mit seinen Bionics ihm so zu, dass Shiloh es nicht sehen konnte.

"Hm!" gab Zebulon seinen weitschweifigen Kommentar dazu ab.

"Morgen um 10 Uhr werden wir einen Vorstoß in die Katakomben vornehmen, ich erwarte von allen volle Einsatzbereitschaft."

"Mich brauchst du dabei nicht anzusehen!" meinte Shiloh frech, die in einem großen bunten Wälzer blätterte. Gemeinsam verließen sie ihren Wohnbereich, tiefe Teppiche dämpften ihre Schritte. Überlebensgroße Portraits wichtiger geistiger Würdenträger vergangener Epochen schmückten die Wände, die von Stuck überladen waren.

Mit einem mechanischen Fahrstuhl, der eine Kabine aus vergoldetem Stahl hatte, fuhren sie ins Hauptgeschoss der Kathedrale. Selbst jetzt nach Sonnenuntergang drängten sich noch Gläubige an den Steinen vorbei und versuchten sie zu küssen. Tabelmann, der es gewohnt war, dass die Leute ihm bereitwillig Platz machten, niemand stand freiwillig einem offensichtlichen Hexenjäger im Weg, musste sich nun durch den Haufen stinkender Pilger kämpfen. Er hasste dieses frömmlerische Pack. Verschwendeten ihr Leben damit, von Planet zu Planet zu gondeln, um schließlich auf Terra zu verrecken. Wenn es nach ihm ginge, hätte man schon längst dieser Ressourcenverschwendung Einhalt geboten. Aber er war ja nur ein kleiner Inquisitor und Pilgerreisen wurden eher gefördert als unterbunden.

Endlich traten sie durch ein Seitenportal ins Freie. Es war sommerlich heiß und er schwitzte in seiner Fliegerjacke. Diese war ein Geschenk vom 3. Tallaner Jagdfalken Geschwader, welches er auf verbotene Abweichungen im Glauben des Adeptus Ministorum hatte untersuchen müssen. Schon bald war im klar gewesen, dass es tatsächlich innerhalb des Geschwaders zu verbotenen Abweichungen gekommen war, aber sie von einem anderen Geschwader angeschwärzt worden waren, die den Jagdfalken ihre Erfolge in der jetzigen Kampagne missgönnten. Da Herad jemand war, der erfolgreiche Einheiten im Dienste des Imperators über alles schätzte, hatte er ein ernstes Gespräch mit dem Offizierschor der Jagdfalken geführt und die Abweichungen durch einen Vertreter des Ministorum schließlich genehmigen lassen, auch wenn er mit seinem Wunsch danach zuerst auf taube Ohren gestoßen war. Erst als er anfing, in der örtlichen Diözese nach Aktivitäten des Tempels des Imperialen Heilands zu suchen, war der Kardinal auf einmal sehr verständnisvoll und die Aufnahme der Abweichung in das Archiv konnte gar nicht schnell genug vonstatten gehen. Verschiedenartigkeiten im Glauben waren Imperiumsweit gang und gäbe, man musste halt darauf achten, dass diese genehmigt waren. Bürokratischer Schwachsinn in seinen Augen, aber er war nun mal ein Teil des Systems. Aus Dankbarkeit hatten sein Gefolge und er diese schicken Fliegerjacken vom Oberst des Geschwaders geschenkt bekommen, die echt war her machten, mit ihrem schwarzen Wirbelhornleder und den coolen Badges an den Ärmeln.

"Ich habe mich erkundigt, in diesem Viertel, im Schatten der Kathedrale, kann man genau das finden, was wir suchen, Wein, Weib und handfeste Schlägereien", erzählte Tekoa und rieb sich über seine verhornten Fingerknöchel.

"Hört sich verdammt gut an", auch Herad lies seine Fingerknöchel knacken.

"Hm!" kommentierte tiefschürfend Zebulon und schlug mit der rechten Faust in die linke Handfläche. Wer immer ihm heute dumm kommen würde, die nächsten Wochen würde derjenige im Krankenbett darüber nachdenken können wie klug es war, sich mit Herad und seinen Jungs anzulegen.

Schon bald verschluckten sie enge Gassen, die von stinkenden Abfall voll gestellt waren. Müllabfuhr schienen sie hier keine zu haben. Hier und da war eine traurige Gestalt zu sehen, welche den Müll nach Verwertbarem durchsuchte. Kleine Pilgergrüppchen huschten verschämt herum, da würde bald jemand was zu beichten haben. Schließlich entschieden sie sich für eine Kneipe mit dem Namen "Zur blutigen Gabel", das hatte etwas herzerfrischendes. Der Innenraum war schäbig, die Tische bestanden aus alten Kabeltrommeln, die Stühle waren ein wildes Sammelsurium unterschiedlichster Modelle und wahrscheinlich vom Schrottplatz zusammen geklaut. Die Luft war von dem ungesunden Dunst aus Lho-Stäbchen zum schneiden dick und es stank nach billigem Parfüm, ebensolch teuren Fusel und nach den lieblichen Ausdünstungen ungewaschener Pilger. Die meisten Kunden waren Pilger von den hier gelandeten Schiffen, die gerade einen über den Durst tranken. Monatelang mit frömmelnden Fanatikern durch den Weltraum zu gondeln musste sicherlich anstrengend sein. Alles ist Gift, nur die Dosierung machte es erträglich, hatte seine Mutter einst immer gesagt, auch wenn sie sich dabei auf Süßigkeiten bezog. Einige leicht bekleidete Damen sorgten für die notwendige Unterhaltung. Aus einem alten Musikabspielgerät, wahrscheinlich auch vom Schrottplatz gestohlen, quakte eine Sängerin ein sicherlich schönes Lied, was aber nur äußerst verzerrt durch die ramponierten Boxen wiedergegeben wurde. Jemand hatte wohl ein Messer in einer der Boxen versenkt, was deren Maschinengeist deutlich hörbar verärgert hatte, obwohl die Box vom heiligen Öl glänzte, was den Geist gnädig stimmen sollte. Offensichtlich ohne Erfolg, da war wohl eine längere Zeremonie der Reparatur notwendig als etwas Öl.

Sie setzten sich an einen der freien Tische und sofort kam eine dralle Bedienung an, deren Korsett so eng geschnürt war, dass ihre Brüste sich bei jedem Schritt anschickten, aus dem Mieder zu hüpfen. Er bestellte eine Flasche des besten Amasec des Hauses, bezahlte bar im voraus und legte gleich noch ein großes Trinkgeld obenauf. Innerhalb weniger Sekunden hatten sich die hübschesten Animierdamen zu ihm an den Tisch gesetzt. Zu Animieren gab es heute bei ihm nichts, er war hier, um sich volllaufen zu lassen. Großzügig bestellte er den Damen das was sie haben wollten und brachte sie dann dazu, alles auf den Boden zu schütten. "Rekrutenzug, Charlie Kompanie, 2. Bataillon, 77. PVS." brüllte er dabei. Dies war ein alter Brauch, für die gefallenen Kameraden, die so mit hochprozentigem auch noch nach dem Tod versorgt wurden.

"Hm?" Zebulon zog aus seiner Tasche ein Blatt Karten und sah ihn fragend an.

"Immer doch", meinte Herad und sie spielten eine Partie Imparis, ein Spiel, das 78 Karten hatte und sehr entfernt etwas mit dem Tarot des Imperators zu tun hatte, was die Motivauswahl anbelangte. Bei Imparis kam es stark darauf an, wie man sein Gegenüber einschätzen konnte, ob er bluffte oder wirklich ein gutes Blatt auf der Hand hatte. Da Explikator Zebulon die Mimik eines Steines hatte und immer genau gleich da saß, egal ob er nur Nieten oder Imperator, Senator, Inquisitor, Space Marine und Admiral auf der Hand hatte, war es kein Wunder, dass sich bald die Credits bei Zebulon stapelten und er spendabel mehrere Runden ausgab.

"Hm!" kommentierte Zebulon seine Glückssträhne oder besser gesagt, dass Unvermögen der anderen, ihn zu durchschauen. Genau das machte ihn zum besten Explikator, der je in Herads Dienst gestanden hatte. Folter war ein zweischneidiges Schwert. Delinquenten neigten ab einem gewissen Überschreiten der Schmerztoleranz dazu, dem Folterer nach dem Mund zu reden, zu erraten, was die wissen wollten; nur um den Schmerz zu entgehen erfanden sie dann oft alles Mögliche, weil sie einfach sonst nichts mehr wussten. Aber da Zebulon sich nie in die Karten schauen lies, wusste der Mann bald, wann ein Sünder nichts mehr Wissenswertes beitragen konnte. So etwas sparte viel Zeit, da er keiner erfundenen Spur nachjagen musste, wie viele seiner Kollegen.

Für kurze Zeit verschwand zuerst Tekoa mit zwei der kichernden Damen in eines der Separetes, dann lies er sich von einer niedlichen Blonden zu einem Necromunda für dreißig Credits überreden. Die Dame verstand ihr Handwerk und war sich dabei nicht zu fein, auf die Knie zu gehen. Nachdem das erledigt war, orderte er eine weitere Flasche Amasec. Zebulon zierte sich erst, verschwand dann schließlich doch mit einer wirklich süßen Maus hinter dem Vorhang. Draußen war durch die Musik Donnergrollen zu hören und ein starker Regen setzte ein. Gerade als es begann, langweilig zu werden, wurde die Türe aufgestoßen und eine ordentliche Anzahl Zeloten quoll in den Raum. Manchmal kamen diese Spinner wie bestellt. Sein Explikator war zwar noch beschäftigt, aber mit diesen Fanatikern wurde er mit Tekoas Rückendeckung auch so fertig, zwei gegen elf war ein gutes Verhältnis.

Die stürzten sich auf vier Pilger, die wo wohl zu deren Schiff gehörten. Tja, für diese Leute war selbst ein Bier in Ruhe zu trinken eine tödliche Sünde. Er tauschte mit Tekoa einen Blick und die Bionics surrten zustimmend. Ein Lächeln umspielte Herads Lippen, als er mit Schwung aufstand und den Stuhl umwarf. Für einen kurzen Moment drehte sich alles und zeigte ihm, dass er schon mehr hinter die Binde gekippt hatte, als ihm wirklich gut tat. Alles ist Gift, nur die Dosierung macht es erträglich. Hart schlug der von ihm umgeworfene Stuhl auf den Boden und erlangte so die Aufmerksamkeit der Zeloten.

"He, ihr selbstgerechten Frömmler! Habt ihr nichtsnutziges Pack nichts besseres zu tun als aufrechte Männer während ihres Feierabendumtrunkes zu stören?" fragte er mit der notwendigen Aggressivität in der Stimme.

"Mischt euch nicht in unsere Angelegenheiten. Wir wollen nur unsere Leute aus diesem Sündenpfuhl holen. Was ihr treibt, ist euer Problem!" erwiderte der Anführer in gestochen scharfem Niedergotisch, ein schon grauhaariger Mann, der sich für einen religiösen Spinner recht manierlich verhielt. Aber Herad war auf Streit aus. Ein Teil des alljährlichen Rituals. Blut musste vergossen werden, um seinen Zorn zu besänftigen.

"Wie wäre es, wenn ihr alle je ein Brett nehmt und es so lange auf euren Kopf schlagt, bis es zerbricht?" Der alte Mann seufzte und gab seinen schon ungeduldig wartenden Gefolgsleuten einen kleinen Wink. Sofort stürzten sich drei der weißgewandeten Zeloten auf ihn, ihre Stöcke zum Schlag erhoben. Herad lief mit aller Wucht in den ersten hinein, bevor der überhaupt begriff, wie ihm geschah. Er rannte den Kerl buchstäblich über den Haufen. Der nächste Zelot schlug nach ihm, Herad wich aus, unterlief den Mann und rammte ihn seine Faust in den Unterleib. Eines musste man den Spinnern lassen, körperlich waren sie auf der Höhe, denn er hatte das Gefühl, gegen einen Steinwand geschlagen zu haben. Trotzdem zeigte der Treffer deutliche Wirkung und der Zelot wurde von den Beinen gerissen. Als Inquisitor hatte er die beste Ausbildung erhalten, welche das Imperium zu bieten hatte. In manchen Segmenten mochten Astartes und Assassinen überlegen sein, aber ein Inquisitor konnte ein weit höheres Spektrum an Fähigkeiten und Wissen abdecken, als es sonst ein Mensch im Imperium konnte. Eine leibhaftige Calidus Assassine hatte ihn einst in die tieferen Mysterien des waffenlosen Kämpfens und Tötens eingeweiht. Und später hatte diese außergewöhnliche Frau ihn in noch ganz andere Mysterien eingeweiht.

Obwohl er mehr als nur leicht angeheitert war, wich er behände auch der nächsten Attacke aus und zertrümmerte dem Angreifer mit einer geraden Rechten die Nase. Er dosierte den Schlag so, dass die Nase brach, aber nicht in sein Gehirn gedrückt wurde. Töten wollte er diese Typen nicht, sondern sich nur abreagieren. Diese Art von Menschen waren für ihn das Sinnbild all dessen, was seiner Meinung im Imperium falsch lief. Es änderte nichts, wenn er ein paar von ihnen zusammenschlug, aber es tat unglaublich gut. Der zu Boden gegangene versuchte sich aufzurappeln, machte aber Bekanntschaft mit seinem Stiefel. Dieser schickte den Zeloten ins Reich der finsteren Albträume. Nun versuchte derjenige, den er in den Bauch geschlagen hatte, wieder zu attackieren. Unbeholfen schlug dieser zu, nur um von Herad am Handgelenk gepackt zu werden und mit dessen eigenen Schwung holte er ihn von den Beinen und schleuderte ihn in die Gruppe der gaffenden Zeloten und warf immerhin einen davon um.

Jetzt gab es für die kein Halten mehr und auch Tekoa stürzte sich mit einem Kampfschrei in die Prügelei. Sein Explikator hatte inzwischen auch mitbekommen, dass die lang ersehnte Schlägerei endlich vom Zaun gebrochen war und stürmte nur mit Hose bekleidet ins Handgemenge. Der Hüne teilte mit wuchtigen Hieben aus und wo er hinlangte, wuchs kein Gras mehr. So langsam begann die Sache Spaß zu machen. Mitten ins dichteste Getümmel stürzte Herad und schlug wild um sich. Bald war alles vergessen, was man ihm beigebracht hatte und nur noch seine dunkelsten Instinkte übernahmen seinen Körper. Ab und zu musste er die Bestie in sich einfach heraus lassen und da kamen Zeloten als Sandsackersatz wie gerufen.

Schließlich kam er wieder zu Sinnen, als Tekoa auf ihn einredete und Zebulon ihn von einem Zeloten wegzerrte, dessen Gesicht gerade mit einer Dampframme Bekanntschaft geschlossen haben musste, so zertrümmert war es. Der arme Kerl würgte gerade seine Zähne aus seinem blutigen Mund. Er selbst hatte Probleme, klar zu sehen, Blut floss in sein natürliches Auge und er musste stark blinzeln.

"Lass es gut sein, Herad, sie sind besiegt", Tekoa redete immer noch auf ihn ein und jetzt begannen seine Worte auch Sinn zu bekommen. "Wir sollten von hier verschwinden, bevor Ordnungskräfte der Kathedrale hier auftauchen."

"Hm!" bekräftige Zebulon die Ansicht des ehemaligen Leutnants von Krieg.

"Ist ja gut, ich bin wieder da, lasst mich verdammt noch mal los!" brüllte Herad und seine Scherge gab ihn frei. So wie es aussah, hatte er eine Wunde über dem richtigen Auge, nichts schlimmes, aber es blutete eben ins Auge. Zebulon zog sich noch schnell fertig an, dann verschwanden sie in das Labyrinth der Gassen, in welche der Regen prasselte. Hinter sich konnten sie die schrillen Pfeifen der Ordnungskräfte des Adeptus Ministorum hören.

Nach kurzer Zeit musste Herad stehen bleiben und sich übergeben. Er war halt nicht mehr der Jüngste mit knapp zweihundertundzwei Jahren. Die Verjüngungskuren hielten ihn zwar Fit, aber manchmal spürte er einfach, dass er nicht mehr jung genug für solche Eskapaden war. Alles drehte sich und er musste sich schier an der porösen Wand festkrallen, um nicht umzukippen. Sein Atem ging Stoßweise. Es war lange her, dass er so die Kontrolle über sich verloren hatte. Aber manchmal musste er den Dämonen der Vergangenheit einfach freien Lauf lassen. Er legte seinen Kopf in den Nacken und blickte nach oben, Regen prasselte auf sein Gesicht und erfrischte ihn ein wenig; wusch das Blut von seinem Antlitz. Schließlich beruhigte sich sein Atem, sein Herzschlag normalisierte sich und auch sein Gleichgewichtssinn kam zurück. Tekoa musterte ihn Sorgenvoll, verkniff sich aber jeden blöden Kommentar oder jede überflüssige Frage. Sein anderer Scherge stand angespannt mit leicht schräg gestellten Kopf und schien angestrengt in die Dunkelheit der Gasse zu starren.

"Wir können weiter", meinte schließlich der Inquisitor und straffte sich. Seine Knöchel waren blutig und aufgeplatzt. Hoffentlich hatte diese Zelotenratte keine ansteckenden Krankheiten im Blut. Die Verletzungen mussten behandelt werden. Der blonde Hüne hatte eine leicht geschwollene Wange, sonst sah er unverletzt aus. Tekoa hinkte leicht, war aber wohl auch sonst in Ordnung.

"Das hat gut getan."

"Mmmh!" Zebulons Ton war leicht missbilligend. Er sah aus wie begossener Pudel und der Regen war ihm sichtlich unangenehm.

"Alle Jahre wieder", brachte es sein anderer Scherge auf den Punkt.

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Imperium

Segmentum Pacificus

Sektor Jyoti

System Ghersom

Planet Ghersom IV

Nördliche Hemisphäre

Kontinent Ephrat

Kathedralsstadt

Zeit: 1 577 996.M41

Person: Shiloh

Die Interrogatorin sah den drei Männern hinterher, wie sie den großen Wohnraum verließen und sie alleine zurückließen. Männer waren manchmal schon komisch, fand Shiloh und zuckte mit den Schultern. Der Bildband vor ihr handelte von den Kunstwerken der Kathedrale. Besonders die dynamischen Engelsstatuen der älteren Bauabschnitte hatten es ihr angetan. In vielen Kathedralen, Basiliken, Domen und Kirchen, die sie im Imperium bis jetzt aus beruflichen oder spirituellen Gründen aufgesucht hatte, waren Abbildungen von Engeln Gang und Gäbe. Bis jetzt hatte sie sich nie Gedanken darüber gemacht, aber inzwischen war sie der Überzeugung, dass diese Statuen einst einen tieferen Sinn gehabt haben mussten.

Als sie genug Bilder angesehen hatte, sah sich die Frau etwas missmutig im Raum um. Mattan war ebenfalls unterwegs, im Auftrag Herads, um etwas die örtliche Priesterschaft unter die Lupe zu nehmen. Havilah lümmelte wahrscheinlich in ihrem Gemach herum und wartete ihren Eviscreator, was ihre einzige Freizeitbeschäftigung zu sein schien. Wahrscheinlich hatte der Maschinengeist des zweihändigen Kettenschwertes den gleichen geistigen Horizont wie seine Besitzerin. Da die Zelotin keine Zunge mehr hatte, war sie auch nicht gerade eine tolle Gesprächspartnerin. Anfangs hatte Shiloh den Verdacht gehabt, dass Herad die dämliche Schlampe nur wegen ihrem Vorbau dabehalten hatte und war entsprechend angesäuert gewesen. Aber da der Chef keine Annäherungsversuche unternommen hatte und das Tittenfräulein auch sonst links liegen ließ, hatte sie sich halbwegs wieder beruhigt. Blieb noch Syntyche übrig, welche in ihrem Zimmer in Meditation versunken saß und ihr Psionikerdings abzog. Da die Hexe ihr etwas unheimlich war, bot sie sich auch nicht gerade als Gesprächspartnerin an. Anfangs hatte sie die Kleine unterschätzt, aber seit Shiloh die Psionikerin auf Delcita II in Aktion gesehen hatte, war sie von deren Vernichtungspotential durchaus beeindruckt. Früher hatte sie sich immer beklagt, dass sie das einzige Mädel im Gefolge war, aber inzwischen sah sie ein, dass mehr nicht unbedingt besser war.

Da das Pflegen der Waffen nie Zeitverschwendung war, zog sie sich in ihr Gemach zurück, welches sogar Fenster mit Blick auf die Stadt hatte. Bunt leuchteten die Reklametafeln von den Commercias der Innenstadt herein. Hunderte von Gleitern flogen mit blinkenden Positionslichtern geschäftig hin und her. Eine Weile sah sie fasziniert zu, dann wandte sie sich ab. Auf dem Boden legte sie eine Filzdecke aus. Darauf drapierte sie ordentlich ihr Waffenpflegeset. Sie zog ihre Stiefel aus und setzte sich vor dem Tuch hin. Mit ihrem Chrono stoppte sie die Zeit, wie lange sie brauchte, um ihr Lasergewehr im Toth Schema zu zerlegen. Das zweiundfünfzigste Bauteil hatte sie nach fünfunddreißig Sekunden auf dem Filztuch ausgebreitet. Das war keine gute Zeit. Ein gut ausgebildeter Infanterist sollte das in dreißig Sekunden können.

Unzufrieden mit ihrer Leistung begann sie die Litanei der Wartung. Sorgfältig reinigte sie die Linsen des Fokussierers, ölte mit dreifach von einem hochrangigen Techpriester gesegnetem Maschinenöl die Regler für die Stärke des Strahls und des Feuermodus. Mit einem Pinsel entfernte sie alle Fussel vom Skope. Schließlich setzte sie die Waffe wieder zusammen. Ihr Chrono zeigte Zweiunddreißig Sekunden an. Etwas besser, aber immer noch nicht gut genug. Dann trug sie unter der Litanei der Versöhnung das heilige Öl auf die Waffe gleichmäßig auf und wickelte schließlich ein frisches Gebetsband um den Lauf. Mit der heiligen Formel: "Bona puella, ne relinqui me." beendete sie die Wartung. Das Gewehr sah nun wieder aus, als hätte es gerade die Werkstatt des Büchsenmacher verlassen.

Auf Toth wurden die Waffen alle von Hand gefertigt, auch wenn natürlich auf gewisse industriegefertigte Normalien zurückgegriffen wurde, die dann allerdings alle eine einzigartige Verzierung erhielten. Das Gewehr eines Kriegers war ein Teil seiner Seele, wie sein Schwert, seine Pistole und sein Krummdolch. Auf Toth glaubte man, dass nicht nur ein Maschinengeist in der Waffe ruhte, sondern auch ein kleiner Teil der Vorbesitzer der Waffe und auch etwas Essenz des Imperators selbst. So war ein Gewehr gleichzeitig auch ein Schrein und jeder Schuss ein Gebet, eine Manifestation des Willen des Imperators. Jeder imperiale Soldat von Toth trug so seine eigene Kirche jederzeit mit sich herum.

Silberne Ornamente bedeckten kunstvoll den schwarzen Schaft. In der Mitte des Kolbens war ein großer silberner Totenkopf, umrahmt von zwölf Zacken. Eine für die großen imperialen Organisationen, welche das Imperium am Leben hielten. Jeder Zacken zeigte demnach auch auf das entsprechende Symbol. Unter dem Lauf war ein leichter Granatwerfer befestigt. Gewehre im Tothschema hatten keine Bajonetthalterung. Für einen Krieger ihres Planeten war es etwas Widersinniges, mit dem Gewehr auf dem Feind einzustechen oder gar einzuschlagen. Dafür hatte man die einschneidigen Krummschwerter mit den breiten Parierstangen. Ein Gewehr sollte schießen und treffen. Und wenn man mit einem Gewehr auf Leute einprügelte, hatte man den Sinn eines Gewehres offenbar nicht verstanden.

Die Interrogatorin zog nun ihr Schwert, das einst ihrem Vater gehört hatte. Damals war es aber noch kein Energieschwert gewesen, die entsprechenden Elemente waren erst später angebracht worden. Sie zerlegte nun den Griffs und überprüfte die Ladeanzeige der Batterie, die nicht mehr ganz voll war. Mit der entsprechenden Formeln der Macht legte sie die Batterie in das Gerät ein, welches die Zelle mit der notwendigen Energie versorgte, um es aufzuladen. Obwohl sie jedes Bauteil ihrer Waffen benennen konnte, wusste sie nur von den allerwenigsten, wie sie funktionierten. Dieses Wissen war nur den Techpriestern vorbehalten und bei einigen Gesprächen mit ihnen, Herad hatte mehrmals im Laufe der Jahre welche in seinem Gefolge gehabt, hatte sie den Eindruck gewonnen, dass auch diese Experten nicht wirklich verstanden, was in einem Lasergewehr nun genau passierte, wenn man den Abzug drückte. Sie warfen zwar mit Fachbegriffen um sich, wussten zu allem die passende Litanei auswendig, aber irgendwie hatte Shiloh bald den Eindruck gewonnen, dass sie etwas auswendig Gelerntes aufsagten.

Das Chrono in einem großen Gehäuse in ihrem Zimmer schlug zur zehnten Stunde, Zeit für das letzte Gebet des Tages. Aus ihrem Rollcontainer holte sie ihren persönlichen Schrein heraus. Der Sockel bestand aus dem blutroten Marmor, der in der Nähe ihres Geburtsortes aus dem Fels geschlagen worden war. Das eigentliche Gehäuse bestand aus schwarzem Ebenholz, im Giebel war ein kieferloser menschlicher Schädel eingearbeitet. Oben auf dem Dach waren zwölf Kerzenhalter aus Messing angebracht. Das Gehäuse konnte man aufklappen und gab den Blick auf ein Altarbild frei, welches einen ganz in weiß gerüsteten Imperator zeigte, umgeben von einer wilder Schar Krieger, welche die Tracht ihres Stammes trugen. In Wirklichkeit hatten Krieger ihres Stammes nie an der Seite des Imperators gekämpft, da ihre Welt erst während der Feldzügen des Macharius nach einem zähen Kampf ins Imperium eingegliedert worden war. Auf dem Höhepunkt der Kämpfe kam es sogar zu einem Exterminatus, nur ihr Stamm war von dem legendären Held Al Rahem gerettet worden, mitsamt genetischer Proben der kargen Wüstenfaune ihrer Welt. Deswegen war der Exterminatus auch vergleichsweise mild ausgefallen, da es einfach nicht genug biologischen Material gab, um den normalerweise verheerenden Brand zu verursachen. Nach der Reinigung ihrer Welt waren ihre Vorfahren zurückgekehrt und hatten die Welt wieder neu besiedelt. Manche sagten, der Imperator auf dem Bild würde Al Rahem ziemlich ähnlich sehen. Auf eine Halterung oberhalb des Schreins legte sie ihr Gewehr, um den Schrein zu komplettieren.

Shiloh rollte ihren Gebetsteppich aus, wusch ihre Hände, Füße und Gesicht und kniete sich nieder. Dann sprach sie ihr Nachtgebet. Vollendet sprach sie alle Formeln, vollführte die notwendigen Gesten und fühlte sich schließlich dem Imperator nahe. Ihr Gebet klang nach zehn Minuten aus und sie sah die Blitze eines Gewitters vor ihrem Fenster aufblitzen, dicke Regentropfen klatschten kurz darauf gegen ihre Fensterscheiben. Sofort war sie wie elektrisiert und verließ ohne zögern die Zimmerfluch und lief direkt zur Landeplattform. Ein Sommergewitter prasselte auf sie ein, Wind zerrte an ihr und fuhr ihr durch ihre zu Zöpfchen gedrehten Haare. Eine livrierte Wache stand im Schutze einer relativ windgeschützten Nische am Rand der Landfläche und sah sie etwas irritiert an. Die Interrogatorin zeigte auf die Säule in ihrem Spiegelkragen. "Im Namen der heiligen Inquisition! Die Plattform ist für die nächste Stunde gesperrt! Ich will hier niemanden sehen. Alle Kameras sind zu deaktivieren. Sollte das nicht geschehen, werde ich persönlich dafür sorgen, dass du erfährst, was Schmerzen sind!", blaffte sie den verblüfften Wachposten an, der beinahe über seine eigenen Füße stolperte, als er ins Innere des Turms rannte. Mit einem triumphierenden Grinsen sah sie ihm kurz hinterher und bewegte sich dann durch starken Regen auf die Janina III zu, der Valkyre ihres Chefs. Über die Seitentür, welche sie mit er Litanei der Aktivierung öffnete, betrat sie das Innere des Gleiters. Sie zog sich so schnell aus, wie sie nur konnte. Dann trat sie hinaus in den Regen, stellte sich auf die Zehenspitzen, spreizte die Arme und beugte sich mit geschlossen Augen nach hinten. Der Regen prasselte auf sie ein. In dieser Höhe tobten starke Windböen über die Plattform und die Blitze zuckten teilweise scheinbar zum Greifen nah an ihr vorbei.

Aber das nahm Shiloh nicht wahr, nur den Regen auf ihrer nackten Haut. Innerhalb kürzester Zeit war sie klatschnass, dann begann sie sich zu drehen, immer schneller und schneller. Dabei stieß sie kurz abgehakte Laute der Freude aus, wie es bei ihrem Volk der Brauch war, wenn man jubelte. Schließlich wurde ihr schwindlig und sie stürzte zu Boden. Auf dem Rücken kam sie zum Liegen, streckte ihre Glieder von sich und öffnete die Augen. Shiloh sah die Gewitterwolken und lachte. Das hatte sie sehen wollen, Wasser das in Strömen vom Himmel fiel. Auf Toth hatte es nie geregnet. Wasser war ein wertvolles Gut, eine Ressource, um die durchaus Kriege geführt wurden. Als Kind hatte sie jeden Tag mindestens einen Eimer voll Wasser aus den Kavernen der Siedlung hochholen müssen. Auf dem Kopf hatte sie den Eimer immer balanciert, über genau eintausendsiebenhundertundacht Stufen. Die Höhlenwohnung ihrer Familie war ganz oben gewesen, direkt unter dem Himmel und die Kaverne war der tiefste Punkt der Siedlung. Dort war an eine Handpumpe ein Sklave gekettet gewesen, blind und entmannt. Den ganzen Tag hatte er mit seinen muskulösen Armen das Wasser aus der Erde gepumpt. Eimer für Eimer war damit gefüllt worden und musste von den Mädchen und Frauen nach oben geschafft werden. Und für jeden Eimer nach dem ersten musste bezahlt werden. Es war kein Wunder, dass die Familie, welche den Brunnen besaß, die reichste im Dorf war. Eine der Hauptfrauen des Besitzers, sprich des Scheiks des Stammes, Herr über die Quelle und Stadt, hatte am Eingang auf einem Podest, dass mit einem wertvollen Teppich und einem Berg weicher Kissen bedeckt war, gethront. Ein silberbeschlagenes Lasergewehr über die Schenkel gelegt, in der einen Hand hatte sie einen langen spitzen Stock gehalten, in der anderen hatte sie die Münzen in Empfang genommen und eine Truhe neben sich gelegt. Dieses Gewehr hatte ihr immer gefallen, ganz im Stil von Toth, ein langer Schaft aus Ebenholz, beschlagen mit Silberornamenten, ein Skope mit einem Goldmantel, ein langes krummes Magazin für hundertfünfzig Schuss. Mehr Kunstwerk als Waffe und doch waren durch diese Waffe schon viele Menschen gestorben. Wasserdiebe kamen nie weit durch den einzigen engen geraden Treppenaufgang nach oben und auf Toth kannte man für den Diebstahl von Wasser nur eine einzige Strafe, denn Wasser war das Leben selbst.

Schon früh hatten sie die spannenden Geschichten ihres Vaters fasziniert, der von Welten berichtet hatte, wo Wasser vom Himmel fiel. Es war für sie unvorstellbar gewesen und ihr ganzes Sein richtete sich darauf aus, dieses Wunder zu sehen. Und nun sah sie es und lachte. Ihre Hände streckte sie nach oben, die Handflächen zum Trichter gebildet und lies das herrliche Nass darin sammeln, bevor sie es sich ins Gesicht klatschte. Auf diesem Planet konnte man das sogar machen, ohne zu befürchten, davon Ausschlag zu bekommen.

"Wasser, das vom Himmel fällt!", rief sie in ihrem Dialekt aus. "Das will ich sehen! Die Galaxie! Häuser, so groß wie Gebirge! Wo es mehr Menschen gibt, als Sand in der Wüste. Wo Monster lauern, gefährlicher als ein tollwütiger Sanddrache. Das will ich sehen und noch viel mehr! Denn ich habe es mir verdient! Denn ich bin eine Kriegerin vom Haus der Schwerter!" Dann kroch langsam die Kälte in ihre Knochen und Shiloh wurde klar, dass sie keine sieben Jahre alt mehr war. Aber Regen auf der Haut zu spüren wurde für sie nie langweilig und es war immer wieder aufs Neue eine grandiose Erfahrung. Geschmeidig richtete sie sich auf und lief zurück zur Janina III. Mit der Hand streifte sie die Nässe von ihrer Haut und schüttelte sich, bis sie halbwegs wieder trocken war. Nachdem sie wenigstens ihre Unterwäsche wieder angezogen hatte, holte sich zwei Decken aus einem Fach, hockte sich auf die eine mit angezogenen Beinen in die offene Luke, kuschelte sich in die andere und starrte in den fallenden Regen. Wasser, das auf Wasser fiel, Pfützen bildete und in Strömen abfloss, nur um von Wasserspeiern wieder in die Tiefe entlassen zu werden, wo es als Wasserfall nach unten schwappte.

Sie dachte zurück an Ramlo-la-Filash, die Stadt am Rande des Sandmeeres, wo sie geboren worden war. Dort, wo es nie geregnet hatte. In ihrem Dialekt gab es das Wort "Regen" noch nicht einmal. Wo Wasser, das vom Himmel fiel, eine äußerst absurde Vorstellung war. Wo das Firmament immer gelb war, wo das Meer aus Sand sich bis in alle Ewigkeit zu ziehen schien, nur von einer Piste geschmolzenen Sandes unterbrochen, wo alle hundert Meter Stangen mit bunten Wimpeln den Weg auch dann noch markierten, wenn starker Wind den Weg mit Sand zuwehte. Wo grell angemalte Lastwägen mit hohen breiten Reifen von Elektromotoren angetrieben sich durch ein Meer aus Nichts quälten und die wenigen Städte von Toth verbanden. Vor ihrem geistigen Augen sah sie vom Feld der Sonnenkollektoren ihrer Familie herunter auf das Halbrund der Stadt. Terrassenartig waren Ebenen in den Fels geschlagen worden. Hinter aus dem Stein geschlagenen Fassaden befanden sich die Wohnhöhlen der Einheimischen, die sich viele Dutzend Meter in den Fels hineinerstreckten. Sie sah auf die tiefe Hauptebene, wo der Knochenbrecherplatz das Zentrum bildete, eingerahmt vom Commercia Basar, dem Haus der Schwerter, dem freistehenden Palast des Scheiks, die kleine gedrungene, dem Imperatorgott geweihte Basilika mit den vier schlanken Türmen, das deplatziert wirkende Gebäude des Adeptus Administratum im typischen gotischen Stil, der Tribüne und dem Wall, welche die Stadt von der Außenwelt trennte. Blickte man zur anderen Seite, sah man das rote Gebirge, den Reichtum von Ramlo-la-Filash, wo der berühmte rote Marmor geschlagen wurde, aus dem die Steinmetze Figuren von heiligen Märtyrern formten, welche im ganzen Segmentum Pacificus begehrt waren.

Gegenüber Toth war das hier das reinste Paradies. Ghersom war eine Welt, die ihr wirklich gefiel. Und es gab hier ein gewaltiges Meer. Mit etwas Glück würde sie es vielleicht schaffen, es mal aus der Nähe anzusehen. Sie war schon auf einigen Planeten mit Meeren gewesen, aber entweder hatte sie einfach keine Zeit gefunden, sich eines näher anzusehen oder sie waren so verseucht, dass selbst im Schutzanzug es gefährlich war, sich ihnen zu nähern. Menschen taten manchmal ihrer Umwelt furchtbare Dinge an, zerstörten ihren Lebensraum, schütteten alles mit Müll und Abfällen zu. Sie fand diesen mangelnden Respekt gegenüber der Welt, auf der man lebte, schrecklich.

Ihre Gedanken wanderten weiter zu der Rede, die Gabriel gehalten hatte. Ihre Worte waren scheinbar voller Ketzerei und Blasphemie gewesen, aber ebenso leider auch nur zu wahr. Und sie dachte an die Aufnahme, wo sie den Zuchtmeister Weißkopf getötet hatte. Auf der einen Seite hatte sich der Erzengel, Shiloh hatte keinen Zweifel, dass es sich um so ein Wesen handeln musste, fast die gesamte Aufnahme zerstört, nur den Teil, wo sie sich offenbart hatte, war intakt geblieben. Die große Frage war nun, warum? War dies eine Warnung? Eine Demonstration der Macht, dass viele antipsionische Gegenmaßnahmen nichts brachten? Eine Botschaft für sie, dass Gabriel in der Lage war, Bestien und Mitläufer zu selektieren?

Zuchtmeister Weißkopf war kein ungeschriebenes Blatt innerhalb der Inquisition, war er doch lange Jahre im Gefolge des berüchtigten Inquisitors Ungmas gewesen, ein puritanischer Amalathianer der übelsten Sorte. Der hatte einst auf einer Konklave der Inquisition seines Sektors allen Ernstes gefordert, die Grenze des erträglichen Kollateralschadens bei Ermittlungen auf eins zu fünftausend anzuheben. Bei jeder inquisitorischen Untersuchung kam es meist zu gewalttätigen Zwischenfällen, wo oft leider auch Unbeteiligte in Mitleidenschaft gezogen wurden. Ein Verhältnis von einen Schuldigen zu zehn Unschuldigen Toten galt als Optimum, eins zu fünfzig galt noch als erträglich. Ab einem Verhältnis von mehr als eins zu fünfhundert hatte sich der Inquisitor einem internen Untersuchungsausschuss zu stellen, welcher dann die Verhältnismäßigkeit der Mittel überprüfte. Und da Ungmas diese Quote in aller Regelmäßigkeit in einem Rahmen überschritt, dass selbst Hardliner innerhalb des Ordo Hereticus die Methoden Ungmas nicht mehr tolerierten, war es nicht verwunderlich gewesen, dass der Puritaner schließlich von einer großkalibrigen Kugel niedergestreckt wurde. Den Attentäter hatte man nie ermittelt, aber die Handschrift des Officio Assassinorum war so deutlich, dass dies wiederrum als Botschaft und Warnung zu verstehen gewesen war, gewisse Grenzen einzuhalten. Und wer jahrelang im Dienst eines solchen Schlächters stand, dessen Hände trieften vor Blut. Sie hatte seine Aufzeichnungen auf dem Schiff durchgelesen und dieser Zuchtmeister war ein äußerst übler Kerl gewesen. So jemand hatte den Tod mehr als nur verdient und seine Art zu sterben war schon beinahe zu mild im Vergleich zu seinen Untaten. Gabriel schien in die Herzen der Menschen blicken zu können. Was wohl Gabriels Urteil gegenüber ihr sein würde? In Anbetracht all des Blutes an ihren Händen?

Nicht das dies groß eine Rolle spielen würde, wahrscheinlich würde sie Gabriel nie zu Gesicht bekommen, selbst wenn ihr Vorgesetzter die besessene Hexe aufspüren sollte. Psioniker dieser Stärke konfrontierte man nicht, so etwas vernichtete man aus großer Entfernung mit einem Lanzenschlag eines Kreuzers aus dem Orbit, wenn man die exakte Position des Zieles kannte. Mit einem Zyklonentorpedo, wenn man die Region wusste und mit einem Exterminatus, wenn die Inquisition sich sicher war, dass Ziel war irgendwo auf dem Planeten. Bei der Vernichtung von Hexen und wilden Psionikern gab es keine Kollateralschadensregel, die es zu beachten gab. Ab einer Einstufung von Delta und mehr gab es nur die Devise, Vernichtung um jeden Preis. Und ab der Klassifizierung Alpha Plus war auch ein Exterminatus mehr als nur gerechtfertigt. Psioniker dieser Gefahrenklasse waren Massenvernichtungswaffen auf zwei Beinen, die man nicht leben lassen durfte. Da brauchte es gar keinen Dämon mehr, der den Psioniker als Tor benutzen konnte. Und Gabriel war wohl durchaus in diesem Gefahrenbereich anzusiedeln. Die Hexe würde sterben, es war nur die Frage, wie viele Unschuldige sie mit in den Tod riss.

Was Shiloh auch beschäftigte war die Frage, wie die Besessene es geschafft hatte, ihre ganzen Anhänger vom Pilgerschiff wegzuschaffen. Es gab in den Aufzeichnungen des Schiffes eine Lücke von etwas mehr als drei Stunden, wo die ganzen Verräter wohl auf den Berserkerkreuzer übergewechselt waren. Offensichtlich waren sie damit weiter gefahren. Was Shiloh und auch sonst niemand im Gefolge des Inquisitors Herad Tabelmann verstand, wie es ihr gelungen war, den Kreuzer zu bemannen. Unter den Verrätern hatten sich zwar Matrosen befunden, aber nur ganz wenige Mitglieder der Brückenbesatzung. Deutlich zu wenig um einen Kreuzer zu bemannen. Hatte sie vielleicht auch in diesem Fall vorgesorgt gehabt? Blieb als einzige logische Erklärung übrig, dass wohl ein weiteres Schiff mit einer ausgebildeten Besatzung eingetroffen war.

Und es galt noch zu klären, wohin sie verschwunden waren. Berserkerkreuzer waren Schiffe, die eindeutig dem Chaos zugehörig und so berüchtigt waren, dass jeder Spähposten und Hafenmeister sie als Verräterschiff identifizieren konnte. Da sie keinen imperialen Planeten im Umkreis angeflogen hatte, war Gabriel und ihre Verräter wohl in Richtung der westlichen Halosterne geflogen, wo allgemein vermutet wurde, dass es dort mehrere Piratenplaneten geben musste. Das Segmentum Pacificus bedeckte den westlichen Spiralarm der Galaxie, aber hinter der Grenze gab es noch viele Systeme, die einst Macharius erobern wollte, aber dessen Leute hatten damals gemeutert, weil sie nicht das schützende Licht des Imperators verlassen wollten. Und solche Orte waren genau das richtige für Gesindel, welches sich vor der berechtigten Rache des Imperators verstecken wollte. Sollte sie dort tatsächlich irgendwo Gabriel und ihre Verräter finden, wäre ein Exterminatus wohl die beste Lösung. Es war zwar Schade, aber es gab wohl keine andere Möglichkeit, als diese besessene Hexe aus großer Entfernung zu liquidieren. Und Shiloh würde ihre Erlösung auf anderen Weg finden müssen.

Das Summen ihres Kommunikators riss sie aus ihren Gedanken zurück in die Gegenwart. Sie nahm das Gespräch an und musste sich von ihrem Inquisitor fragen lassen, wo sie steckte.

"Komme sofort", antwortete sie knapp und zwängte sich zurück in ihre Kleidung. Die Männer hatten offensichtlich die erhoffte Schlägerei gefunden. Herad blutete aus einem Schnitt über dem Auge und hatte sich Fingerknöchel aufgeschlagen. Die drei Männer sahen ramponiert aus und schauten sie leicht befremdlich an, als sie barfuß und durchnässt in das Wohnzimmer kam. Zum Glück stellte keiner eine direkte Frage und sie ignorierte ihre Blicke, in denen Unverständnis über ihren Zustand lag. Nur ein Kind der Wüste würde verstehen, was sie gerade getan hatte. Für diese hier war Regen eine Selbstverständlichkeit, ein See oder gar ein Meer eine geographische Normalität.

"Du solltest mal die arme Sau sehen, die mir das verpasst hat", knurrte Herad.

"Tut es weh?", fragte Shiloh scheinbar fürsorglich und packte ihren Verbandskasten aus. Sie reihte die notwendigen Utensilien auf und zog sich dünne Handschuhe über, die sich in einer desinfizierten Hülle gefunden hatte.

"Ein wenig", gab Herad zu.

"Lächle, gleich wird es richtig weh tun." Mit diesen Worten tupfte sie die Desinfektionslösung in die Wunde, die höllisch brennen konnte, wie sie selbst gut genug wusste.

"Au!" Ihr Chef zuckte zusammen.

"Oh! Hat unser furchtloser Anführer schmerzen?", spottete sie und genoss den wütenden Blick von ihrem Vorgesetzten und fädelte einen Faden in eine Nadel in, die sie kurz in eine desinfizierende Lösung tunkte. Schnell und äußerst routiniert nähte sie Wunde zu. Sie hatte im Laufe des letzten Jahrzehnts eine große Meisterschaft darin entwickelt, schnell Wunden zuzunähen.

"Spotte du nur", meinte Herad schließlich, als sie die Naht beendet hatte. Shiloh betrachtete prüfend ihr Werk und war zufrieden damit.

"Ich versteh es nur nicht. Was ist der Sinn dieser alljährlichen Suche nach Ärger?"

"Ich suche keinen Ärger. Es ist eine Art Ritual, um mich meiner Leute zu erinnern."

"In dem du andere Menschen zusammenschlägst?"

"Ich habe mich nur verteidigt."

"Klar und Toth ist eine Welt voller Meere."

"Das verstehst du als Frau nicht."

"Daran wird es wohl liegen." Shiloh desinfizierte noch die aufgeschlagenen Fingerknöchel. Herad schwieg und hing wohl seinen Gedanken nach. Manchmal verstand sie einfach nicht, warum er solche Dinge tat. Jedes Jahr zog er zur gleichen Zeit los, um sich Ärger zu suchen. Einmal hatte er ein Offizierskasino auf einem imperialen Kriegsschiff zerlegt, ein anderes Mal hatte er sich mit einem ganzen Trupp Soldaten in einer Kneipe angelegt. Es war wahrscheinlich wirklich so ein Männerdings mit den Dämonen der Vergangenheit fertig zu werden. Auch sie hatte ihre Wunden, aber deswegen so den Frust abzubauen, käme ihr nie in den Sinn. Solch sinnlose Gewalttaten machten weder etwas ungeschehen, noch kam man mit der Erlösung auch nur ansatzweise weiter. Wobei es für ihre Sünden fast gar keine Erlösung gab, jedenfalls nicht im Imperium.

Danach verarztete sie die Schergen. Leicht schwankend begaben die sich drei dann in ihre Unterkünfte, während Shiloh kopfschüttelnd zurückblieb und die verbrauchten Utensilien entsorgte. Männer!

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Bin erst vor ein paar Tagen über deine schöne Geschichte gestolpert und ich kann meinen ganzen Vorrednern nur beipflichten, sehr sehr gut gelungen dein Werk.

Du nutzt den Künstlerischen Freiraum wunderbar aus ohne den Fluff dabei wirklich zu untergraben.

Neben "Jägerin der Seelen" und der "Utica Reihe" hier im Forum mit die schönste Geschichte die ich lesen durfte und auch mit kostenpflichtigen Werken kannst du mit Leichtigkeit mithalten. Deine anderen Geschichten werde ich mir bei Zeiten sicherlich auch nochmal durchlesen.

Schön ist auch deine Erklärung nach Band I wie du Deine Beweggründer darlegst und zu Deiner Geschichte gefunden hast.

Bleibt nur zu sagen, weiter so und schnell her mit dem nächsten Teil. Zum Glück sind es bis Samstag ja nur noch 27 Minuten ;D

Gruß

SRS

Das was mir dazu einfällt, für die Rettung dieser Welt Friedens Kitty - Sie schiesst Liebe in Dein Herz, bringt den Frieden ohne Schmerz Friedens Kitty - Macht Schluss mit jeder Diktatur, Ich frag mich wie macht Sie das nur Friedens Kitty - Sie hilft uns bei jedem Reim, trägt Oma´s Einkaufstüten heim Friedens Kitty

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Du nutzt den Künstlerischen Freiraum wunderbar aus ohne den Fluff dabei wirklich zu untergraben.

Die HH Reihe hat diesen Freiraum inzwischen leider sehr verengt und ich bin sicherlich in einigen Punkten recht weit abgewichen, trotzdem habe ich mich sehr bemüht, den Rahmen nicht zu oft zu sprengen.

Neben "Jägerin der Seelen" und der "Utica Reihe" hier im Forum mit die schönste Geschichte die ich lesen durfte und auch mit kostenpflichtigen Werken kannst du mit Leichtigkeit mithalten. Deine anderen Geschichten werde ich mir bei Zeiten sicherlich auch nochmal durchlesen.

Vielen Dank für dieses große Lob. :yeah:

Schön ist auch deine Erklärung nach Band I wie du Deine Beweggründer darlegst und zu Deiner Geschichte gefunden hast.

Man hat mich halt oft genug danach gefragt. ;)

Bleibt nur zu sagen, weiter so und schnell her mit dem nächsten Teil. Zum Glück sind es bis Samstag ja nur noch 27 Minuten ;D

Und da ist der nächste Teil auch schon. Auch weiterhin viel Spaß beim lesen.

][

Kapitel III

Position:

Imperium

Segmentum Pacificus

Sektor Jyoti

System Ghersom

Planet Ghersom IV

Nördliche Hemisphäre

Kontinent Ephrat

Kathedralsstadt

Imperatorkathedrale

Gruftbereich

Zeit: 1 580 996.M41

Person: Herad Tabelmann

Die dritte unterirdische Ebene war ein wahres Labyrinth und die ungenauen Pläne, welche Inquisitor Herad mitgenommen hatte, wichen stark von den wirklichen Begebenheiten ab. Der so genannte Gang der Mädchen war das einzig richtig zugängliche Areal und die Reliefs waren von wirklich hervorragender Qualität. Der Gang endete je abrupt an einer Mauer, einmal schien dieses massive Hindernis eine nach oben führende Treppe zu blockieren, die andere wohl einen weiterführenden Abgang in die Tiefe. Auf diesen Mauern prangten steinern die Insignien der Inquisition, als Siegel, dass niemand diese Mauern einreißen durfte. Einst war dort noch ein Text zu lesen gewesen, aber der war so verwittert, dass nichts mehr zu entziffern war. Und das Symbol war noch von einer uralten Version, wie sie seit über sechstausend Jahren nicht mehr verwendet wurde. Die drei Schrägstriche waren hier nicht kompakt im oberen Drittel angeordnet, sondern gleichmäßig über die Säule verteilt und im Verhältnis des heutigen Designs deutlich überdimensioniert. Niemand wusste mehr, was die drei Querbalken ursprünglich zu bedeuten hatten. Manche nahmen fälschlicherweise an, sie würden die drei großen Ordi der Inquisition darstellen. Also Malleus, Xenos und Hereticus, aber die Querbalken hatte es im Symbol schon gegeben, als der Ordo Hereticus noch gar nicht gegründet worden war. Andere vermuteten, dass die Querbalken die Feinde der Menschheit symbolisierten, den inneren Feind, den äußeren Feind, den Feind jenseits des Schleiers.

Diese Gänge und Gewölbe waren alt, wirklich alt. Er hatte sein Gefolge aufgeteilt und es war Interrogatorin Shiloh, die einen ungesicherten Schacht fand, durch den ein Mensch passen konnte. Er befand sich offen mitten in einer Halle, die für eine normale Gruft eigentlich viel zu hoch war. Die ganze dritte Ebene machte nicht den Eindruck, dass sie ursprünglich für Beerdigungen vorgesehen war. Inzwischen war sie voll gestellt mit Sarkophagen und die Wände waren bis zur Decke mit Schädeln armer Gläubiger bedeckt, welche sich keine richtige Gruft leisten konnten. Für eine normalen Gruftanlagen war das hier alles einfach zu überdimensioniert.

Inquisitor Herad Tabelmann schickte seinen Servitorschädel III herunter, der einst auf den Schultern eines seiner glückloseren Akolythen gesessen hatte. Auf einem fertig ausgebildeten Inquisitor kamen etwa hundert, die während der Ausbildung verstarben. Sein Beruf verlangte eben alles von einem ab und manchmal über den Tod hinaus. Schädel III hatte eine Kamera und die Möglichkeit, die Aufnahmen an das Datablock des Inquisitors zu schicken. Der Schädel sank etwa zehn Meter durch den senkrechten Schacht und kam in einer weiteren Halle heraus, die voller Skelette war. Er sah die Überreste tausender Menschen, deren Leichen wohl bis unter die Decke gestapelt worden waren. Und er es gab eine recht frische Leiche eines glücklosen Pilgers, der wohl bei seinem Streifzug in den ungesicherten Schacht gefallen war. Er hatte sich offensichtlich so ziemlich jeden Knochen gebrochen. Außerdem war die Leiche angefressen worden. Es war also wahrscheinlich nicht der Schacht, durch den Gavri Pilgerstochter gefallen war.

Aber da Schädel III noch weitere Räume und Gänge entdeckte, beschloss Herad den Abstieg zu wagen. Mit Hilfe von mitgeführter Kletterausrüstung und einer verankerbaren Seilwinde, ließen sie sich in die Tiefe gleiten. Der Inquisitor hatte mit einem grässlichen Kater zu kämpfen und hätte sich am liebsten im Bett liegend selbst bemitleidet. Aber natürlich erfüllte er seine Pflicht, seine freien Stunden hatte er gestern Abend gehabt und die waren nun mal ein Jahrhunderte altes, liebgewonnenes Ritual, um sich zu versichern, dass er noch lebte. Procurata Azubah und zehn Sororitas Schwestern ihrer persönlichen Celestiagarde in ihren schwarzen Rüstungen und mit aufgesetzten Bajonetten auf ihren gesegneten Boltern des Godwin-Deaz Schemas, begleiteten ihn. Starke kompakte Strahler in den Händen seiner Schergen, beziehungsweise an ihren Waffen sorgten für ausreichend Beleuchtung. Eine der Schwester trug einen Melter, eine andere einen Flammenwerfer anstelle des Bolters, so das die heilige Dreieinigkeit der Schwesternschaft bestehend aus Bolter, Flammenwerfer und Melter vollständig in dem Trupp vertreten war. Was immer Gavri Pilgerstochter besetzt haben mochte, vielleicht lauerten noch mehr von dieser Art dort unten.

Die Schwestern bildeten einen perfekten Abwehrkreis um ihn und sein Gefolge, das neben ihn seine Interrogatorin Shiloh, den Explikator Zebulon, den ehemaligen Leutnant Tekoa vom dritten Regiment von Krieg, die psionisch aktive Novizin Syntyche, der ehemalige Wissenschaftsoffizier, Arzt und jetziger Berater Mattan, Schädel III, und die Zelotin Havilah, die mit einem mächtigen Eviscreator bewaffnet war, umfasste. Sie waren also neunzehn Menschen, wenn man Schädel III als solchen bezeichnen mochte, welche die unkatalogisierte vierte Ebene der Imperatorkathedrale betreten hatten. Die Knochen der Toten zerbröselten augenblicklich zu Staub, wenn man sie berührte. Nur die Stücke, welche mit einer Kalkschicht überzogen waren, hatten den Zerfall der Jahrtausende widerstehen können.

"Die meisten haben keine Schädel, bis auf die, die wohl den Schacht hinab gestürzt sind. Wenn ich mir die Halswirbel so ansehe, scheinen sie geköpft worden zu sein." Mattan zeigte auf sauber durchschnittene Halswirbel. Sah nach einer Guillotine aus, welche gerne auf rückständigeren Planeten noch regen Gebrauch fand. Die Hallen hier waren genau so überdimensioniert wie die auf Ebene 3. In einer anderen Halle fanden sie ein Fallbeil in einem Haufen korrodierten Metalls. Da das Fallbeil aus Adamantium war, hatte es die Jahrtausende Überdauert. Es trug das alte Zeichen des Tempels des Imperialen Heilandes und die Aufschrift "Nicht mal ein toter Anhänger des Lichts ist ein guter Mensch!"

"Anhänger des Lichts?" fragte Shiloh.

"Bevor sich im 33. Jahrtausend der damalige Tempel des Imperialen Heilandes als alleinige Religion durchsetzte, gab es noch andere Kulte im Imperium. Die mächtigste Sekte davon war die Konföderation des Lichts, wurde dann aber trotzdem letztendlich auch vernichtet", erklärte Mattan, sein wissenschaftlicher Berater, nun in seinem Element.

"War die Konföderation des Lichts nicht die Reformbewegung von Sebastian Thor, welcher im 36 Jahrtausend die Kirche reformierte und das Zeitalter der Apostasie beendete?"

"Sie tragen den gleichen Namen, haben aber inhaltlich wenig miteinander zu tun. Sebastian Thor hat nur deren Namen und ihre Eigenheit übernommen, nichts für imposante heilige Gebäude übrig zu haben."

"So wie es aussieht, hatte die damalige Ekklesiarchie für die Konföderation auch nichts übrig", schnitt Inquisitor Tabelmann die Diskussion ab. Mattan konnte über solche Themen stundenlange Monologe halten und er war heute nicht in der Stimmung, so einen zu ertragen. Dazu war sein Kater einfach zu stark. "Lasst uns weiter suchen."

Schließlich kamen sie an einen zugemauerten Aufgang, wahrscheinlich war dies das untere Ende der Mauer, die sie schon oben entdeckt hatten. Sie kehrten um und versuchten es in der anderen Richtung des Ganges, der schließlich an einem stark abfallenden Absatz endete.

"Der See der Tränen?" Interrogatorin Shiloh zeigte auf die Inschrift vor ihnen. "Durchschwimme den See der Tränen." Dahinter lag ein gewaltiges leeres Becken, dessen Wände mit Schädeln ausgekleidet waren.

"Scheint so, als wären hier die abgeschlagenen Schädel verarbeitet worden", vermutete Mattan.

"Hm!" gab Explikator Zebulon kund.

"Hier bewegt sich etwas größeres, könnte ein Kind oder ähnlich Kleines sein", Mattan wies auf seinen Aupex, der ein Signal vor ihnen zeigte.

"Gehen wir der Sache auf den Grund!" An einem weiteren Seil kletterten sie nach unten und Leutnant Tekoa holte sein Scharfschützengewehr aus seinem Futteral. Über dessen Skope mit Nachtsichtgerät konnte er recht weit die Dunkelheit durchdringen. Er legte die Waffe an und lies sich von Mattan über den Aupex einweisen.

"Mutierter Hund, frisst gerade ne Ratte, Vernichten?"

"Natürlich!" Das Gewehr bellte kurz auf.

"Ziel vernichtet." Sie rückten in die Tiefe des Beckens vor und entdeckten schließlich die Leiche des weißen Hundes. Der Balg wies im Bereich der Brust eine kreisrunde Narbe auf.

"Ich habe hier etwas!" meldete eine der Celestiaschwestern. Sie führte sie an einen Stapel Skelette, mit einer so dicken Kalkschicht bedeckt, dass sie schon seit vielen Jahrhunderten hier liegen mussten. Das Interessante waren aber die Helme mit dem Zeichen der Inquisition und Ausrüstungsgegenstände, wie sie Gardisten der Inquisition benutzten. Die Überreste waren deutlich jünger als die Knochen der Anhänger der Konföderation des Lichtes. Mattan schätzte sie auf etwa tausendachthundert Jahre, nachdem er einen Knochen abgeschlagen und die Schicht aus Kalk darauf gemessen hatte.

Inquisitor Herad ließ den Stapel durchsuchen, fand aber keinerlei Hinweise auf die Identität der Toten. Die typischen imperialen Identifikationsmarken waren entfernt worden. Die meisten Schädel wiesen Einschusslöcher auf, die dazugehörigen Skelette hatten deutliche Spuren von Gewalteinwirkung.

"Ich würde auf einen Hinterhalt tippen, wahrscheinlich wurden in der ersten Phase der Kampfhandlungen Handgranaten oder Richtladungen verwendet", Matten deutete auf einige eingedrückte Brustkörbe und Metallsplitter, die sich unten im Haufen fanden. "Um sicher zu gehen, wurde jedem noch ein Genick oder Kopfschuss als Fangschuss gesetzt. Da war jemand sehr gründlich."

Ein Kollege war also schon mal hier gewesen, genau genommen mindestens zwei. Einer der den Gang in der dritten Ebene vor über sechstausend Jahren versiegeln lies und einer, der hier seine Gardisten vor zweitausend Jahren verloren hatte. Und so wie es aussah, waren nicht die Truppen der Inquisition als Sieger aus diesem Gefecht hervor gegangen, sonst hätte man die Leichen geborgen und sie anständig bestattet, wie es für einen Gläubigen des Imperators zustand.

"Nach den Proportionen des Inquisitionssymbols auf diesem Helm zu schließen, gehörten die Gardisten zur regionalen Jyoti Konklave", referierte Matten weiter, nachdem er eines der Symbole vermessen hatte. Für Laien sahen solche Symbole sicherlich gleich aus. Aber jede Konklave hatte ihre eigene Variante, die genau festgelegt war, was die Proportionen der Querbalken anbelangte. Der Sinn hinter dieser Jahrtausende alten Regel war inzwischen unbekannt, wurde aber immer noch praktiziert. Jedenfalls erlaubte es, solche Überbleibsel von Gardisten einer Konklave zuzuordnen.

"Die Überreste bergen wir später, suchen wir weiter! Schwärmt aus, Abstand maximal zehn Meter. Und seid vorsichtig, was immer diesen Trupp hier erledigt hat, kann hier immer noch aktiv sein", befahl er in der Hoffnung hier vielleicht noch weitere Rückschlüsse auf das Gefecht finden zu können, das vor fast zweitausend Jahren hier getobt haben musste. Auf alle Fälle schien hier durchaus etwas zu lauern, das auch weltliche Methoden benutzte. Womöglich die Wächter eines Tzeentchkultes, seit Jahrtausenden im verborgenen aktiv.

"Kontakt!" schrie Syntyche, die sich etwas von der Gruppe abgesondert hatte. Sofort darauf war eine Explosion zu hören und die Halle wurde kurz durch ein Gewirr von Blitzen erleuchtet, die von ihr ausgingen. Die Blitze waren die stärkste psionische Waffe in ihrem Arsenal. Die Entladung war so stark, dass mehrere Säulen ihren Schädelschmuck verloren, da diese einfach zertrümmert wurden. Seine Hexe schwebte nun in drei Metern Höhe über dem Boden und war in mehrere Schutzfelder gehüllt. Sofort richteten alle ihre Waffen in die Tiefe des Raumes und suchten ihn nach einem weiteren Feind ab. Herad hörte es neben sich Pfeifen, als Geschosse augenblicklich nach dem abfeuern der Blitze die Luft durchschnitten, während seine Augen noch mit der grellen Entladung des Blitzlichtes zu kämpfen hatten. Er sah gerade nur noch blinkende bunte Flecken. So wie es aussah, hatte er endlich etwas aufgescheucht. Adrenalin durchfuhr ihn, während er sich möglichst klein machte, um dem Feind so wenig Angriffsfläche wie möglich zu geben. Auch die Sororitas reagierten darauf, wie es ihre uralten Doktrinen festlegten.

"Sperrfeuer und Abknieen!" befahl die Prioris und ein Inferno aus Boltergeschossen tobte durch den Raum, als die Schwestern einen Abwehrkreis bildeten und sich zum schießen niederknieten. Auch Shiloh feuerte unaufgefordert ihr mit Silberornamenten reich verziertes Lasergewehr ab und schwängerte die Umgebung mit Strahlen aus Licht. Tekoa zog seine beiden kompakten Autopistolen und pumpte noch mehr Blei in die Luft. Zebulon hatte seine Kreissäge, so nannte er liebevoll sein Universalmaschinengewehr im Phaeton Schema mit extrabreiten Kühlrippen zur Wärmeableitung im Kaliber 8mm, in Feuerposition gebracht und erhöhte die Anzahl der Geschosse, die den Raum durchpflügten, beträchtlich. Havilah startete ihren Eviscreator, dessen Lärm im Gefecht fast vollständig unterging. Er selbst zog seine Waffen in Form seiner Infernopistole und seines Energieschwertes und suchte die Dunkelheit nach vernichtenswerten Zielen ab. Vage waren in der Ferne im Licht der Lampen von Shilohs Lasergewehr, Mattans großem Strahler und dem grellen Leuchtspurfeuer der Kreissäge schnelle Bewegungen auszumachen, welche das Feuer nun auf sich zogen. Allerdings konnte Herad kein einziges Ziel zweifelsfrei identifizieren. Etwas traf sein Energiefeld und fiel dann zu Boden, es war ein Knochenfragment.

"Syntyche! Was hast du gesehen?" Brüllte er in seinen Kommunikator, den er im Ohr eingehängt hatte und dessen kleines Mikro neben seinem Mund an einem kleinen Bügel befestigt war. Die Psionikerin antwortete voller Panik etwas in ihrer Muttersprache, die rein gar nichts mit Niedergotisch zu tun hatte und die er nicht verstand.

Mattan schaute irritiert auf seinen Aupex in der linken Hand und hatte als einziger seine Waffe, eine Standardlaserpistole, nicht gezogen, sondern leuchtete mit seinem leistungsstarken Strahler in der rechten Hand in die Schwärze der Halle.

"Kein Kontakt jenseits der Größe einer Ratte feststellbar", brüllte Mattan, um gegen den Gefechtslärm anzukommen. So langsam wurde Herad klar, dass sie nicht wirklich beschossen wurden, denn was da anscheinend auf sie schoss, waren nichts weiter als abgesplitterte Knochenfragmente, von der Aufprallwucht der einschlagenden Geschosse aus den Wänden gerissen worden waren. Die scheinbaren Bewegungen kamen aufgrund von Sinnestäuschungen durch den schnellen Wechsel von Hell und Dunkel durch die Mündungsblitze zustande. Die Schwestern hatten integrierte Nachtsichtgeräte in ihren Helmen des Sabbat Schemas. Normalerweise müssten sie eigentlich etwas sehen, oder kapieren, dass es hier nichts gab, das auf sie schoss.

"Sieht irgendjemand ein Ziel?" brüllte er.

"Negativ, wahrscheinlich Tarnfeld!" antwortete die Procurata. Klar Tarnfeld, visuell und sensorisch, klar.

"Feuer einstellen! Ihr seht doch gar nicht, auf was ihr schießt! Feuer einstellen! Verdammt noch mal!" Die Schwestern hörten auf zu schießen und wechselten die Magazine ihrer Waffen. Auch Shiloh hörte auf zu feuern, wechselte ebenfalls ihr leergeschossenes Magazin. Die Autopistolen und die Kreissäge hörten endlich auch auf und eine angenehme Stille senkte sich über den Raum. Einzelne Bolterpatronenhülsen kullerten noch scheppernd über den Boden, das war nun auch das einzige leise Geräusch, nachdem Havilah ihren verdammten Eviscreator aufgrund eines Winkes von ihm wieder ausgestellt hatte. Der Aupex zeigte einzig ihre Gruppe an, sonst waren hier noch äußerst kleine Impulse zu sehen, die panisch hin und her rannten; und nun langsam zur Ruhe kamen.

"Syntyche! Was hast du gesehen? Und rede so, dass ich das verstehen kann! Verdammt noch mal!"

"Da war eine hässliche Monsterratte gewesen! Die war riesig groß und schrecklich mutiert." Die schwebende Hexe zeigte die wahnsinnig beachtliche Größe von etwa fünfzehn Zentimeter Länge mit ihren Händen an. Herad verdrehte die Augen. Und da war er nicht der einzige.

Mehr als nur ein wenig verärgert schob er seine Infernopistole zurück in den Halfter und rammte sein Energieschwert in die Scheide, nachdem er es wieder ausgeschaltet hatte. Der Inquisitor betrachtete den etwa einen Meter tiefen und drei Meter durchmessenden Krater, welchen die Blitze von Syntyche in den Boden gerissen hatten. Seine Ohren klingelten noch vom Gefechtslärm und ein hässliches Pfeifen stellte sich ein. Das war für seine Kopfschmerzen und allgemeine Befindlichkeit nicht gerade förderlich. Auch reizte ihn der Pulvergeruch der abgefeuerten Patronen des Maschinengewehres und der Automatikpistolen. Fahrig fuhr er mit seiner Hand über seinen Kopf und hätte sich am liebsten die Haare gerauft. So blieb ihm nichts anderes übrig, als frustriert seinen Hut hin und her zu schieben.

"Ist sie tot?" quietschte Syntyche furchtsam hinter ihm. Herad hatte deutlich Mühe, seine Beherrschung zu wahren. Wie gut, dass er sich gestern schon an den scheinheiligen Zeloten vergriffen hatte. Sonst würde er jetzt das Gesicht der Psionikerin als Punchingball missbrauchen. Es juckte ihn trotzdem in den Fingern, sie über das Knie zu legen und so lange auf ihren knackigen kleinen Hintern zu schlagen, dass sie die nächsten zwei Wochen ihre Mahlzeiten im stehen zu sich nehmen musste.

"Nein, sie zuckt noch! Ja, verdammt noch mal, die wahnsinnig große Monsterratte ist tot! Hätte da ein Space Marine gestanden, wäre der auch am Arsch! Oder jemand von uns! Verdammt noch mal! Syntyche komm da runter! Sofort!" Immerhin beeilte sich die kleine Hexe herzukommen und sah wenigstens etwas zerknirscht aus. Diese Hexe war ein Gefallen gewesen, er hatte sich eine kleine, süße Psionikerin mit gewaltigen psionischen Kräften gewünscht. Syntyche war das auch alles, aber inzwischen war Tabelmann bewusst geworden, dass er sich lieber eine intelligente kompetente Psionikerin, die ihre Kräfte zu regulieren verstand, gewünscht hätte. Dieser verdammte Puritaner hatte seinen Wunsch wortgenau erfüllt, wie ein niederträchtiger Flaschengeist in alten Geschichten. Syntyche hatte offensichtlich nie wirklich gelernt ihr gigantisches Potential zu dosieren. Auf Decan II hatte sie eine halbe Fabrik gesprengt, als die Slaaneshkultisten einige Dämonetten auf sie gehetzt hatten. Einer ihrer Blitzschläge hatte die sechs Dämonen getötet, dazu etwa zweihundert Kultisten und das Fundament eines gewaltigen Schornsteins so beschädigt, dass der Turm eingestürzt war und beträchtliche Schäden in der Umgebung angerichtet hatte.

"Manchmal ist weniger mehr! Kapiert?"

"Ja, Herr Inquisitor Tabelmann, aber ich habe mich so erschrocken! Und die Ratte sah so eklig aus!" Die Psionikerin sah aus, als ob sie gleich anfangen würde zu heulen. "Und das war die niedrigste Stärke der Blitze. Weiter herunter skalieren kann ich sie nicht."

"Manchmal frage ich mich, ob bei deiner Seelenbindung dein Hirn aus der Nase getropft ist. Jemand zu Hause?" Er klopfte wohldosiert mit den Fingerknöcheln seiner Faust auf ihren Kopf. Es klang wirklich hohl.

"Aua!" Manchmal erinnerte Syntyche ihn an seine kleine Schwester, wahrscheinlich hätten die Beiden sich gut verstanden, jedenfalls solange seine Schwester vier Jahre alt gewesen war. Syntyche machte manchmal den Eindruck, als wäre ihre geistige Entwicklung bei vier Jahren stehen geblieben.

"Vor über zweihundert Jahren ist ein Seher hingerichtet worden, weil er behauptete, den Untergang des Imperiums gesehen zu haben." Er drehte sich nun zu seiner versammelten Mannschaft um. "Ich könnte wetten, er hat in seiner Vision das hier gesehen! Er sah, wie die absolute Elite des Imperiums bestehend aus einem Trupp Celestia Schwestern des Adeptus Sororitas und ein Gruppe hochgerüsteter Schergen des Ordo Hereticus gewaltige Ressourcen aufwendeten, um eine Ratte zu töten! Ich kann den Mann versehen! Es ist ja nicht so, als ob ein paar imperiale Amateure wie ein Zelotentrupp hier herumlaufen würden. Wir sind die Elite! Die absolute Elite des Imperiums! Und wir haben uns gerade ein Feuergefecht mit einer Monsterratte geliefert, die so fruchtbar mutiert war, dass sie sagenhaften fünfzehn Zentimeter lang war!" Die letzten Worte brüllte er. "Bin ich eigentlich nur von Vollidioten umgeben?" So langsam redete er sich in Rage und er war noch lange nicht fertig.

"Öhm!" wagte Zebulon zu antworten und zog Herads ungeteilten Zorn auf sich.

"Diese Frage war rein rhetorisch, denn offensichtlich ist dies Fakt! Bei euch bekommt das Sprichwort, mit Kanonen auf Spatzen schießen, eine ganz neue Dimension! Was kommt als nächstes? Die Extermination eines Planeten, um einen Grox zu grillen? Gut durch ist er dann auf alle Fälle."

"Einen Teppich aus Abwehrfeuer zu legen ist aber die angeratene Reaktion auf einen Angriff aus unbekannter Richtung, Herr Inquisitor Tabelmann ", wagte sich eine der Celestias zu rechtfertigen. Er stürmte auf die freche Schwester zu und baute sich vor ihr auf. Trotz ihrer Servorüstung konnte er gut auf sie herabsehen, während sie schon beinahe ihren behelmten Kopf in den Nacken legen musste.

"Es gab dummerweise nun mal keinen Angriff!" brüllte er und seine Stimme löste einige unheimliche Echos aus. "Und wie ist dein Name, kleines Schwesterlein. Schwester kein Plan? Schwester nix Wiss? Schwester nicht Mund halt könn?"

"Mein Name lautet Schwester Luna, Herr Inquisitor Tabelmann! Und ich bin durchaus in der Lage sie auch so zu verstehen, sie müssen also nicht brüllen."

"Schwester vorlaute Luna also? Den Namen merke ich mir!"

"Dramatisieren wir die Situation nicht unnötig, Herr Inquisitor Tabelmann. Zum einen war es eure Hexe, die mit ihrer Überreaktion auf einen minderen Schädling diese Situation herbei geführt hat. Zum anderen hat es weder Tote noch Verletzte gegeben. Etwas Munition ist verschossen worden, die zwar teuer, aber ersetzbar ist. Also beruhigt euch bitte wieder und analysiert die Situation mit dem notwendigen Abstand." Die Worte der Procurata Azubah waren durchaus vernünftig und nachvollziehbar, aber er hatte rasende Kopfschmerzen und war in einer äußerst gereizten Stimmung. Er war gerade einfach nicht in der Stimmung, um vernünftig zu sein.

"Diese kleine Aktion hat jedem, der sich hier verstecken mag, unmissverständlich klar gemacht, dass eine kleine Armee sich durch diese Hallen wälzt! Und falls hier noch Spuren waren, jetzt sind die wahrscheinlich durchlöchert. Keiner schießt mehr, außer ich persönlich befehle das! Hat das hier jeder verstanden!" Wütend blickte er sich um, selbst Zebulon wagte keinen seiner kurzen Kommentare von sich zu geben. Allgemeines betretenes Schweigen. So langsam sickerten die Worte der Prioris in seinen Verstand und er beruhigte sich wieder. Genau genommen war ja nichts passiert, außer dass sie jede Menge Munition in Wände verteilt hatten. Er atmete tief durch. Und wahrscheinlich hatte es hier sowieso nie verwertbare Spuren gegeben. Außer vielleicht, um das letzte Gefecht der Inquisitionsgardisten besser nach vollziehen zu können. Das konnte er nun vergessen.

"Und jetzt wieder an die Arbeit, durchsuchen wir das Areal und bitte nicht gleich die schwere Artillerie auspacken, nur weil eine quiekende Ratte ins Blickfeld tritt. Irgendwelche relevanten Bewegungen?" fragte er anschließend Matten.

"Negativ, Herr Inquisitor, nichts außer Monsterratten."

"Gut, aufpassen und weitermachen!" Dabei sah er besonders Syntyche an, die noch kleiner geworden war, als sie schon gewesen war. "Syntyche! Auf ein Wort!" Während die anderen sich beeilten, aus seinem Aufmerksamkeitsradius zu verschwinden, fokussierte er sich auf seine Psionikerin. Inzwischen heulte sie tatsächlich. "Hör mir zu, so was will ich nie wieder erleben! Wenn du in Zukunft eine Monsterratte siehst, dann machst du das, was alle Frauen auch machen, nämlich "Iiiiiks" kreischen und sich hinter einem Mann verstecken. Du wirst auf keinen Fall deine Blitze drauf verschießen, kapiert?"

"Ich sag "Iiiiks", verschieße keine Blitze und versteck mich hinter Ihnen. Ich hab`s kapiert."

"Das will ich doch auch schwer hoffen. Hier, wisch dir die Tränen ab und tu so, als ob du eine knallharte Akolythin im Dienst der Inquisition wärst und nicht auf dem geistigen Niveau eines vier Jahre alten Mädchens im Kindergarten stehen geblieben bist. Kapiert?" Sie schniefte und wischte sich dann mit dem Taschentuch die Tränen ab, das er ihr in die Hand drückte.

"Jetzt zeig mir, dass du was drauf hast. An die die Arbeit!" Die Psionikerin nickte und gab ihm das Taschentuch zurück. Herad sah ihr nach und atmete tief durch. Sein Schädel fühlte sich an, als ob er gleich platzen müsste. Dieses kleine Gör würde ihn irgendwann noch mal ihn den Wahnsinn treiben. "Da war eine Monsterratte," äffte er leise für niemandes Ohren bestimmt ihre Stimme nach. "Was kommt als nächstes, mutierte Mäuse von fünf Zentimeter Länge? Riesenhamster mit zwei Zentimeter langen Reißzähnen aus dem Weltraum? Wenn mir dieser puritanische Bastard, der mir sie zugeteilt hatte, noch mal über den Weg läuft, dann trete ich ihm so in seinen verdammten, dürren, staubigen Arsch, dass er in die nächste scheiß Sonne fliegt," knurrte Herad leise vor sich hin und versuchte sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Schließlich hatte er eine hoch gefährliche Ketzerin zu fangen und was immer Gavri Pilgerstochter hier gefunden hatte, er wollte wissen, was es war.

Im Zentrum des Beckens ragte ein Müllberg auf. Der sich unter einem Schacht türmte. Shiloh lies es sich nicht nehmen, persönlich darauf herum zu klettern. Herad beschränkte sich darauf, den Hügel mehrmals zu umrunden. Er fand zerbrochene Knochen, aber auch leere Säcke von Baumaterial und allerlei Unrat. Jemand schien den Schacht schon seit langer Zeit als Mülleimer und Toilette zu benutzen. Höchstwahrscheinlich die Frateris, die dort unten arbeiteten. Er schickte Schädel III nach oben, der tatsächlich einen offenen Zugang zur Ebene 3 fand. Und der Schacht war breit genug, sodass sogar ein Erwachsener hineinfallen konnte. Und den Sturz konnte man durchaus unverletzt durch den gewaltigen Berg von Abfall überleben. War Gavri Pilgerstochter vielleicht hier herunter gefallen? Da dies die bisher wahrscheinlichste Möglichkeit war, ließ er seine Leute ausschwärmen. Sie fanden Dutzende weiterer Leichen, einige offenbar von Leuten, die hier gestürzt waren und den Sturz zuerst überlebt hatten, um dann jämmerlich zugrunde zu gehen. Einen ebenerdigen Zugang hatte das Becken nicht. Aber es fand sich ein weiterer Absatz, genau gegenüber der Position, von der sie aus das Becken betreten hatten.

Sie kletterten an einem von Shiloh verankerten Seil hoch und kamen an eine Treppe, die einst versiegelt worden war. Hier standen weitere Sätze, die keinen wirklichen Sinn ergaben. Hinter der Treppe gab es ein gewaltiges Gewölbe, in dem die Statuen von sieben mächtigen Engeln standen. Zuvor musste man noch ein Becken mit sauberem Wasser passieren. Der Raum schien über eine eigene Energieversorgung zu verfügen, da mächtige Strahler angingen. Inquisitor Herad musste zugeben, dass er beeindruckt war. Die Engel waren antike dynamische Kunstwerke, nicht so statisch wie sie heute dargestellt wurden. Unwillkürlich musste er an einige Worte des Dämonenprinzen denken, "Zierrat in den Kathedralen". Aber sofort wischte er den Gedanken beiseite, dass Gavri Pilgerstochter tatsächlich einen Erzengel in sich trug. Sie war von einem Tzeentchdämonen besessen, eine andere Möglichkeit konnte es nicht geben, durfte es nicht geben. Und er würde sie vernichten, koste was es wolle.

In den Wänden waren Gruftnischen eingelassen, die letzte Tote war vor etwa siebentausend Jahren bestattet worden, die mit Gold eingelegten und immer noch lesbaren Namen waren alle weiblich. Namen wie Theodora III ließen Herad vermuten, dass hier frühere planetare Gouverneurinnen bestattet worden waren. Ein weiterer begehbarer Ausgang lies sich hier zuerst nicht finden, da auch hier mal wieder alles zugemauert worden war, bis der Gelehrte Mattan einen weiterführenden Hohlraum im Sockel der einzigen weiblichen Engelsstatue mit einem seiner Geräte entdecken konnte. Die Gesichtszüge hatten eine sehr entfernte Ähnlichkeit mit Gavri Pilgerstochter, aber das war natürlich nur reiner Zufall.

"Ich spüre hier eine gebundene, psionische Kraft," merkte die Psionikerin Syntyche an. "Es scheint sich um einen Sensor zu handeln, der Psikräfte und das körperliche Alter misst."

"Welchen Zweck könnte so etwas haben?"

"Vielleicht kann man so den Zugang öffnen?" vermutete Interrogatorin Shiloh.

"Möglich, kannst du diese Türe öffnen, Syntyche?"

"Nein, ich glaube, der Sensor misst das psionische Potential derjenigen, die diesen Raum betreten und ab einer gewissen Schwelle öffnet sich die Türe automatisch. Mein Potential scheint offensichtlich nicht auszureichen oder mein Alter stimmt nicht."

"Nun, Tekoa, haben wir etwas Sprengstoff dabei?"

"Genug um den Raum hier einstürzen zu lassen, Herr Inquisitor." Tekoa grinste breit über das ganze Gesicht.

"Ein begehbares Loch im Sockel würde mir reichen." Mit schier kindlicher Freude begann sein Scherge mit der Arbeit. Nach zehn Minuten hatte er seine Öffnung im Sockel. Dahinter offenbarte sich ein gewundener Gang, auf dessen Boden einige Überreste von Skeletten lagen, die offenbar zerteilt worden waren. Offensichtlich waren hier schon andere eingedrungen, die es aber geschafft hatten, die Tür ohne Gewalt zu öffnen. Dafür hatten diese für massive Beschädigungen an den Gangwänden gesorgt und ein dort angebrachtes Relief weitestgehend zerstört. Er schickte Schädel III hinein, der ohne auf Widerstand zu treffen, eine hohe runde Halle erreichte, in deren Mitte eine gewaltige Säule aufragte. An dieser lehnten die Überreste eines glücklosen Kollegen von ihm.

Das lohnte, näher untersucht zu werden. "Havilah, erkunde den Gang!" Ihr Verlust war am leichtesten zu verschmerzen. Ohne zu zögern lief sie hinein. Brave Soldatin, blöd, aber mutig. Schon bald verlor er sie aus den Augen. Jetzt war es ein großer Nachteil, dass sie nicht mehr sprechen konnte. Nach fünf Minuten kam sie wieder und zeigte mit ein paar Gesten an, dass ihr offensichtlich nichts passiert war. Wahrscheinlich waren die Fallen schon lange alle ausgelöst worden. Fünf Schwestern der Sororitas übernahmen die Spitze, seine Gruppe in der Mitte, die restlichen Schwestern bildeten die Nachhut.

Die ersten zwanzig Meter passierte nichts, dann gab es ein hohes Sirren zu hören, gefolgt von einem satten "Tschonk". Gleichzeitig flackerte das Refraktorfeld des ehemaligen Leutnants auf, dann rutschte der Kopf von Tekoa sauber abgetrennt von den Schultern. Eine Blutfontäne schoss nun heraus, Körper und Schädel fielen zu Boden. Der Kopf kullerte bis zu Herads Füßen und er konnte den unendlich erstaunten Ausdruck auf dem toten Gesicht seines Schergen sehen.

"Verdammt!" fluchte der Inquisitor und starrte schockiert auf den Leichnam des Mannes, welcher der Definition von Freund in den letzten fünfzig Jahren am nächsten gekommen war. Ein weiterer Namen eines Toten in seinem verdammten Buch. Alle blieben wie angewurzelt stehen. Aber es passierte nichts weiter. Der Sergeant war hinter den Schwestern und Havilah gelaufen, die alle unverletzt waren. Was hatte das zu bedeuten? Auch gab es kein weiteres Sirren zu hören.

Vorsichtig ging er in die Knie und näherte sich der Stelle, wo Tekoas Leichnam lag. Wieder ertönte das Sirren und mit einem heftigen Schlag wurde ihm sein schöner Hut aus Stahl mit dem schmucken ][ darauf vom Kopf gerissen und eingebeult, nachdem sein Energiefeld einfach durchschlagen worden war. Eine sehr dünne Scheibe steckte in seiner Kopfbedeckung, ähnlich wie ein Shurikengeschoss, wie es die verdammten, arroganten, nichtsnutzigen, nervigen Eldar benutzten. Wahrscheinlich war das sogar ihre Technik, die hier verwendet worden war.

"Zurück!" bellte er und trat den Rückzug an. Havilah passierte die Stelle ohne das was passierte, auch wenn sie sich tief bückte. Die Schwestern lösten auch nichts aus.

"Könnte sein, dass die Falle auf Männer reagiert", vermutete Mattan, der wirklich nicht auf den Kopf gefallen war. "Auf dem Relief an der Wand ist ein tanzendes Mädchen abgebildet, vielleicht ist dieser Gang nur für Frauen gebaut worden."

"Ziemlich drastische Maßnahme zur Geschlechtertrennung." Sie hatte ihm gerade einen guten Mann gekostet. "Scheiße!" Der kompetente Tekoa war sehr versiert in seinen Fachbereichen gewesen, es würde nicht leicht sein, ihn zu ersetzen. "Verdammte Scheiße!" Ganz abgesehen von der menschlichen Seite. Aber er war Inquisitor und es kam nicht gut vor Fremden, wie den Sororitas Schwestern, übermäßig Gefühle zu zeigen. Der Tod war sein ständiger Begleiter, aber es hatte schon lange nicht mehr so weh getan, einen Schergen zu verlieren.

"Nun gut, Novizin Syntyche, dringt in den Säulenraum vor und untersucht ihn, wir bleiben hier." Die kleine Hexe war zwar recht wertvoll, da er wohl wieder Jahrzehnte warten dürfte, bis er wieder eine so mächtige Psionikerin zugeteilt bekommen würde, aber trotz ihres äußerst nervigen Kleinmädchengetues war sie doch für diese Art von Arbeit ausgebildet und ausgerüstet.

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Na, das ist doch toll, da kommt man aus dem Urlaub wieder und kann direkt zwei neue Teile lesen :D

Der Inquisitor macht sich also auf die Suche.. irgendwie kann der Kerl einem leid tun. Das Gefolge eines Orkbosses kann wohl keine schlimmere Nervenprobe darstellen als seines. Aber sehr schön, dass auch mal die Gegenseite zum Zug kommt und eingehender vorgestellt wird. (inklusive aller ihrer Macken)

Bin ja mal gespannt, was die jetzt da unten finden..

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So will auch mal wieder was sagen, ja super das das hier immer weiter geht:yeah:

was würden wir nur ohne unsere Dosis Nakagogeschichte tun.Ach immer wieder herlich zu lesen.Kann mich da meinen Vorredner nur anschliessen , deine Geschichten können es locker mit käuflicher Literatur aufnehemen,und das von jemanden der William King ganz gern liest, würde deine bücher genau neben seine stellen( so genug Motivation:bking: SCHREIB WEITER;D)

gruss green

öhm das gilt natürlich auch für " Der TEST der Zeit"!!! <- lest es wers noch nicht hat!!!

40 k orks!!! orkboys wir bringen den waaagh!!!

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Wow! Soviel Feedback in einer Woche! Es ist schön, dass sich auch mal andere als die üblichen Verdächtigen zu Wort melden. Vielen Dank! :yeah:

Position:

Imperium

Segmentum Pacificus

Sektor Jyoti

System Ghersom

Planet Ghersom IV

Nördliche Hemisphäre

Kontinent Ephrat

Kathedralsstadt

Imperatorkathedrale

Halle der Engel

Zeit: 1 581 996.M41

Person: Syntyche

Syntyche zuckte leicht zusammen, als Inquisitor Tabelmann ihr den Befehl gab. Nach Havilah war sie die jüngste in dem kleinen Gefolge des Inquisitors und Novizen waren bei vielen Inquisitoren kaum mehr als ein menschliches Schutzschild. Wenigstens verfügte sie über eine sehr gute Ausrüstung, wie sie nur wenige Novizen ihr Eigen nennen durften. Sie war als vollwertige Psionikerin auch etwas wertvoller als der normale Absolvent der Schola Progenium, aus der sich oft die Akolythen eines Inquisitors rekrutierten.

Mit großen Augen schaute sie den Inquisitor an, der sie schon wieder mit seinem bösen Blick musterte. Sofort drehte sie sich um, bevor der wieder einen Anfall bekam. Einmal so in aller Öffentlichkeit heruntergemacht zu werden, war für diesen Tag wahrlich genug. Die junge schwarzhaarige Frau überprüfte, ob ihr Refraktorfeld einwandfrei funktionierte und begann mit einem mulmigen Gefühl, den Gang zu erkunden. Um ganz sicher zu gehen, fuhr die sanktionierte Psionikerin noch einen weiteren psionischen Schutzschild hoch. Sie hielt ihre Schwertlanze verkrampft kampfbereit vor sich, als ob eine Waffe sie hier schützen könnte. Die Wandreliefs waren von erlesener Schönheit und es war eine Schande, dass sie zum größten Teil beschädigt waren.

Vorsichtig tastete sie sich zu der Stelle, wo der arme Tekoa kopflos niedergestreckt lag. Von allen Mitgliedern des Teams um Inquisitor Herad war der meist immer im Hintergrund stehende Tekoa derjenige gewesen, mit dem sie am besten klar gekommen war. Ihn hier so liegen zu sehen, versetzte sie in tiefe Trauer. Was sie fast noch mehr als seinen Tod entsetzte, war die fast gleichgültige Reaktion aller anderen. Mehr als eine Analyse, wie und warum er hatte sterben müssen, hatte es nicht gegeben. Leutnant Tekoa war verdammt nochmal ein Mitglied des Teams, ein verlässlicher Kamerad und guter Freund! Ihr kamen wieder die Tränen, als sie ihn so liegen sah.

"Gibt es Probleme?", rief ihr Chef von hinten. Klar, für Trauer gab es bei Inquisitor Herad Tabelmann keinen Raum. Immer das gefühlskalte und geschäftige Arschloch heraushängen lassen, das konnte der ruppige Alte gut. Ihr Kopf tat noch von seinen Faustschlägen weh, dass war richtig gemein von ihm gewesen, sie nicht nur vor allen so runter zu machen, sondern sie auch noch zu schlagen. Was konnte sie dafür, dass sie sich so erschreckt hatte? Die Ratte war groß, hässlich und mutiert gewesen. Und sie hatte nun mal Angst vor solchem Ungeziefer, da war es doch nur zu natürlich, dass man etwas dagegen tat. Kein Grund, sich deswegen jetzt so furchtbar aufzuregen. Gut, vielleicht hätte sie einfach mit der Schwertlanze drauf hauen sollen, aber erstens kam sie in dem Moment nicht auf die Idee und zweitens hätte die Klinge wahrscheinlich Schaden durch den Steinboden genommen, sobald sie durch den mutierten Körper gefahren war. Oder mit ihrer Pistole darauf schießen sollen, immerhin hatte sie auf der Psikana das bronzene Pistolenabzeichen gewonnen und dazu musste man schon gut treffen können.

"Alles klar!", schniefte Syntyche und schritt tief gebückt über seine Leiche, nichts passierte. Behutsam setzte sie weiterhin ihre Schritte und war darauf gefasst, sich beim Anzeichen einer Bedrohung in Form einer fliegenden Schiebe sofort zu Boden zu werfen. Aber wie bei Havilah vorher passierte ihr nichts. Diese Fallen schienen tatsächlich nur auf Männer zu reagieren, warum auch immer. Wahrscheinlich waren hier irgendwo hochsensible Sensoren versteckt, welche die Pheromone einer Person erfassen konnten. Dieser Gang war uralt und es grenzte an ein Wunder, dass diese Systeme immer noch funktionierten. Entweder stammten sie aus einer Zeit, als man noch wirklich Qualität herstellte oder jemand wartete diesen Gang. Aber dann hätte derjenige wahrscheinlich auch die ganzen Leichen weggeschafft.

Oberflächlich untersuchte sie die Überreste der armen Tröpfe, die hier als Skelette herumlagen, die wohl ebenfalls diesen Trennscheiben zu Opfer gefallen waren. Nach der Beckengröße zu urteilen schien es sich ausschließlich um Männer zu handeln. Die Ausrüstung entsprach in etwa der, wie sie die andere Gruppe Gardisten getragen hatte. Hier waren noch die Hundemarken vorhanden und sie trennte jeweils eine der zwei Stück ab, um sie ihrem gestrengen Herrn und unerbittlichen Meister zu bringen. Der steinerne Gang selber wand sich in die Tiefe. Die Bodenplatten waren mit Zeichen beschriftet, die durchaus in einer etwas wirren Folge Worte zu ergeben schienen. Sie hatte immer noch ihre Probleme mit den gotischen Zeichen. Auf ihrer Heimatwelt hatte man ein anderes System benutzt, zum einen Zeichen, die ganze Worte darstellten, oder eine Silbenschrift, die eben Silben darstellte. Und nicht dieses dämliche System, für jeden Laut einen eigenen Buchstaben. Da brauchte man viel zu lange zum Lesen.

Schließlich erreichte sie den großen Raum mit der Säule. Hier war die Luft geschwängert von Psionik. Die Säule leuchtete im Warpraum ziemlich intensiv, als sie ihre Wahrnehmung verlagerte und ihre Sinne für psionische Strahlung öffnete. Die Struktur des Gebildes war sehr interessant. Es schien eine Art Empfangsantenne zu sein, jedenfalls schien diese Bezeichnung dem Zweck der Säule am Nächsten zu kommen. Es war eindeutig ein sehr mächtiges Artefakt, das mit der psionischen Aura von Gavri Pilgerstochter durchdrungen war. Oder eher von der Wesenheit, die in Gavri drin war, dieser Gabriel. Die Passagiere der "Gesegneten Erlösrung der wahren Gläubigen" hatten durch die Manipulation ihres Gedächtnisses die gleiche psionische Marke getragen wie diese Säule. Ganz oben schien sich die Struktur zu ändern. Vor ihren Füßen lag ein toter Inquisitor in seiner Servorüstung, aber dafür hatte sie keinen Blick. Syntyche konzentrierte sich auf ihre eigene psionische Kraft und begann langsam hoch zu schweben. Diese Technik beherrschte sie noch nicht so lange und war entsprechend vorsichtig. Das Säulenende war flach und hatte einen Überhang. Auf der Plattform selbst war in einer Mulde ein kleines kristallartiges Gebilde eingelassen, das mit einer offenbar massiven Fassung einer ihr unbekannten Legierung eingefasst war. Wie metallene Blütenblätter umrankten sie den freiliegenden Stein, der mit einem seltsamen Symbol graviert war. In der Scholastica Psikana hatte sie mal ein ähnliches Gebilde gesehen, einen sogenannter Seelenstein der Eldar. Dieser hier war aber mit Facetten geschliffen und hatte ein kleines Ritterkreuz, umgeben von einem sechseckigen Stern, der wiederum von einem Dreiviertelkreis umrahmt wurde, im Zentrum eingraviert. Wie der Name schon sagte, diente er der Speicherung einer Seele. Die Eldar hatten keinen Gottimperator, der ihre Seelen schützte, deswegen mussten sie nach ihrem Tod ihre Seelen in einen Stein speichern, der dann von anderen Eldar geborgen wurde. Was die dann mit den Steinen machten, war ihrem Lehrer an der Akademie nicht ganz klar gewesen, aber wahrscheinlich wurden sie sicher in ihren Weltenschiffen aufbewahrt, mit denen diese sprunghaften Xenos müßig durch die Galaxie gondelten, um Unheil anzustiften. Der Stein strahlte in dem gleichen Muster, wie alles, was mit dem Passagier von Gavri Pilgertochter zu tun hatte. Allerdings war der Stein leer, darin war keine Seele gespeichert. Sie machte einige Aufnahmen mit ihrem Klickgerät davon und gab einige Notizen in ihr kleines Datablock für ihren späteren ausführlichen Bericht ein.

Die junge Psionikerin schwebte wieder nach unten und untersuchte nun den toten Inquisitor. Nachdem sie seinen Helm geöffnet hatte, fand Syntyche eine Erkennungsmarke um den skelettierten Hals. Vitus Mazara, Ordo Hereticus, nach der Nummer auf seiner Marke war die Ende M38 ausgestellt worden. Seine Waffen lagen noch in seinen Händen, was ihm offensichtlich nichts genutzt hatte. Ein ausgebrannter Energiefeldgenerator hing an seinem Gürtel. Das einzige, was offensichtlich fehlte, war sein Inquisitionssymbol, welches jeder Inquisitor als Ausweis mit unfälschbaren Identifikationsdaten führte, die auf seine Genetik abgestimmt waren. Die übrige Symbolik seiner Rüstung wiesen ihn eindeutig als puritanischen Thorianer aus. Diese Fraktion machte keinen Hehl um ihre Ausrichtung.

Auch in diesem Raum gab es eine Inschrift auf dem Boden: Nur wer reinen Herzens ist, wird würdig sein! Auf der Wand neben dem Eingang stand geschrieben: "Dein Tanz ist meiner nicht würdig, begebe dich zum Ausgang". Syntyche wiederholte den Satz mehrmals, da sie immer noch Probleme hatte, Hochgotisch richtig zu interpretieren. Auf ihrem Heimatplaneten war Gotisch zwar als Fremdsprache ein Pflichtfach ab der ersten Klasse gewesen, aber mit der Grammatik hatte sie immer auf Kriegsfuß gestanden und selbst heute noch hatte sie Wortdreher in den Sätzen, was ihr meist Hohn und Spott einbrachte. Aber so wie sie den Satz interpretierte, bedeutete das wohl, dass man mit dem richtigen Tanz hier etwas bewirken konnte.

Sie hielt Zwiesprache mit ihrem Inquisitor über eine Voxverbindung und der beorderte sie zurück durch den Gang. Wieder hatte sie das Gefühl, dass jeden Moment auf sie geschossen werden würde. Aber ohne Zwischenfall schaffte sie es wieder in die große schöne Halle mit den Engeln. Mit knappen Worten ratterte sie ihren Bericht herunter und merkte, wie sie dabei rot wurde.

"Aha? Ein Seelenstein? Bestimmt ein Ablenkungsmanöver. Dämonen brauchen so was nicht. Was dieser Thorianer hier zu suchen hatte, leuchtet mir auch noch nicht ein. Sieht beinahe so aus, als hätten wir ein mächtiges Tzeentch Artefakt hier gefunden. Wahrscheinlich dient diese Antenne dazu, einen mächtigen Dämonen zu rufen oder zu kanalisieren. Wir sind auf der richtigen Spur. So war der Tod von Tekoa doch nicht so sinnlos. Nun gut, Interrogatorin Shiloh, ihr bleibt mit der Novizin Syntyche, der Schergin Havilah und fünf der Schwestern hier und bergt die Leichen. Wir nehmen Tekoa gleich mit und lassen ihn für die Bestattung herrichten." Explikator Zebulon hatte tatsächlich einige Leichensäcke mit in seinem Gepäck und Syntyche wurde wieder vorgeschickt, die Leiche zu bergen. Mit ihren psionischen Kräften hob sie die Leiche an und brachte sie in die Gruft, wo sie verpackt wurde, mit dem Kopf verfuhr sie ebenso. Der hünenhafte Explikator warf die Überreste einfach über die Schulter, wie ein Bauarbeiter einen Sack Beton. Als wäre da kein geschätzter Mensch drin.

Dann zog das Gefolge um Inquisitor Tabelmann ab und sie blieb mit der psychopathischen Shiloh, der wahnsinnigen Zelotin Havilah und fünf fanatischen Sororitas Schwestern zurück. Und jede einzelne von ihnen schien sie mit brennenden Hass zu mustern, auch wenn man teilweise ihre Augen gar nicht durch den geschlossenen Helm sehen konnte. Letztendlich waren es Havilah und sie selbst, welche die ganzen Überreste in den Leichensäcken verstaute. Die Zelotin hatte angeblich als Müllsammlerin auf ihrem Pilgerschiff gearbeitet, was wohl auch ihrem vollen geistigen Potential entsprach. Wenigstens hatte Havilah keinen Zunge mehr, so dass die Psionikerin keine hohlen Sprüche anhören brauchte und nur deren flammenden Blick ertragen musste. Als ob ihre Gabe jetzt etwas Verdammungswürdiges war. Schließlich war sie eine sanktionierte Psionikerin und hatte die beste psionische Schule auf Terra direkt besucht. Und sie hatte den goldenen Thron in seiner ganzen Pracht gesehen, da an diesem Ort die Seelenbindung mit dem Imperator vorgenommen wurde, um sie vor den Dämonen jenseits des Schleiers zu schützen, die nur darauf lauerten, von ihrer unsterblichen Seele Besitz zu ergreifen.

Schließlich hatten sie die sterblichen Überreste geborgen und Interrogatorin schritt wie eine Ausbilderin den Gang entlang und spähte in jede Fuge, ob sie nicht einen Knochensplitter übersehen hatte. Natürlich fand sich noch ein kleines Knöchelchen und Syntyche musste sich die üblichen hämischen Bemerkungen volle zehn Minuten anhören. Shiloh hatte sie schon auf dem Kicker gehabt, als sie ihr Schiff verlassen hatte und ihren zukünftigen Inquisitor kennen gelernt hatte. Die Reise von Terra hatte sie an Bord eines Kurierschiffes genossen, es waren die drei schönsten Monate gewesen, seit sie ihre Heimatwelt Nenihon an Bord eines Schwarzen Schiffes hatte verlassen müssen. Soviel Freizeit, soviel Freiheit. Und dann am ersten Abend auf Delcita II im Gefolge hatte Shiloh sie zu einem kleinen Spaziergang um den Block aufgefordert. Syntyche, so naiv wie sie nun mal war, hatte das als gutes Zeichen aufgefasst, um sich vielleicht besser kennen zu lernen. Aber Shiloh hatte sie in eine dunkle Ecke gezerrt, eines ihrer vielen Messer gezogen, die Frau war ein einziges wandelndes Waffenarsenal, und es ihr an den Hals gehalten. "Solltest du dem Inquisitor schöne Augen machen, stech ich sie dir aus! Ich schneid dir dein Gesicht in Fetzen. Der Inquisitor gehört mir alleine, kapierst du verdammte Hexe das?"

"Ich will nichts von ihm! Wirklich nicht!", hatte sie immer wieder beteuert. Shiloh hatte dabei einen recht irren Blick gehabt und Syntyche war sich sicher, dass sie jedes Wort ernst gemeint hatte. Als ob sie Interesse daran hätte, diesem alten Glatzkopf zu Willen zu sein. Sie war noch Jungfrau und hatte auch vor, das erst einmal zu bleiben.

Tütchen hatte man sie in der ersten Zeit gerufen, weil sie immer sich hatte übergeben müssen, wenn sie bei einer Folterung hatte anwesend sein müssen. Auf Delcita II hatte es äußerst ominöse Gerüchte über einen Slaaneshkult gegeben und denen war der Alte nachgegangen. Solche Kulte agierten meist sehr verdeckt im Hintergrund und es hatte drastische Maßnahmen verlangt, die notwendigen Informationen aus mutmaßlichen Kultisten herauszupressen. Diese Leute waren ziemlich zäh gewesen und der Explikator hatte sehr tief in seine Werkzeugkiste greifen müssen. Vorher hatte Syntyche sich keine Gedanken über Folter gemacht, aber bald gelernt, diesen Aufgabenbereich zu hassen. Als Novizin ging die Aufstiegsleiter nur über das zeitweise Ausüben des Amt des Explikators und deswegen musste sie dieses blutige Handwerk lernen. Jedenfalls hatte sie schnell gemerkt, dass dies alles nichts für sie war. Bei der ersten Sitzung war sie in Ohnmacht gefallen, bei allen anderen hatte sie sich zuerst übergeben und war dann in Ohnmacht gefallen. Der Alte hatte oft mit ihr geschimpft und alle anderen hatten dumme Witze über sie gemacht, besonders Shiloh, die wirklich keine Gelegenheit ausgelassen hatte, sie schlechtzumachen. Nur Tekoa war wirklich nett zu ihr gewesen, jedenfalls so lange, bis sie ihm klar gemacht hatte, dass sie an keiner sexuellen Beziehung mit ihm interessiert war.

Alles hatte sie geändert, als sie das mutmaßliche Versteck des Kultes ausfindig gemacht hatten und es während einer Zusammenkunft der verdorbenen Kultisten dann gestürmt hatten. Sie war unglaublich nervös gewesen und hatte richtige Angst gehabt. Und das nicht ohne Grund. Der Alte und sein Gefolge waren die Sturmspitze gewesen, unterstützt von etwas mehr als hundert Inquisitionsgardisten. Während das ganze Areal weiträumig von Kräften des Adeptus Arbites umstellt war, um keinen der Kultisten der verdienten imperialen Gerechtigkeit entkommen zu lassen. Der Kult war schon in einem Stadium gewesen, welcher eigentlich ein Eingreifen des Ordo Malleus zwingend erforderlich gemacht hätte, aber das wussten sie zu dem Zeitpunkt noch nicht. "Keine Angst, das sind nur Poser, die ein paar Bücher gefunden haben, keine wirkliche Gefahr. Wir gehen rein, machen so viele Gefangene wie möglich und verbrennen sie dann öffentlich als Warnung für alle Spinner, denen das Televid Programm zu langweilig ist." Der Plan war simpel und einfach. Das Problem war, diese Kultisten waren keine Poser und die sechs Dämonetten keine verkleidete Kultistinnen, sondern leider nur zu echt, welche im dunklen Untergeschoss einer alten Fabrik im flackernden Licht von Gasfackeln schnatternd mit ihren Scheren klappernd auf sie zukamen.

"Syntyche! Zeig mal was du kannst! Bruzel sie mit voller Kraft weg.", befahl der Inquisitor und sie war vorgerückt, während andere halbnackte oder ganz nackte Kultisten auf sie geschossen hatten, die anderen vom Gefolge zurückschossen und von Deckung zu Deckung huschten, sobald Zebulon die Kultisten mit seinem schrecklich lauten Maschinengewehr in Deckung trieb. Aber ihre beiden Schutzfelder ließen nichts durch. Dann hatte sie ihre Kräfte entfesselt und das mit all ihrer Macht, wie befohlen. Es war, als wäre ein Damm gebrochen, als die Energie sie in nie gekannter Stärke verlies. Ihr mächtiger Blitzstrahl fuhr durch die Dämonetten, ließ ihre Augen platzen, ihre Haut verbrennen und ließ diese wie verbranntes Pergament vom schwelenden Fleisch ablösen. Die Wesen jenseits des Schleiers lösten sich innerhalb weniger Sekunden auf und nur stinkende Asche blieb zurück. Der Strahl fuhr weiter, in den Versammlungsraum und entlud sich dort zur vollen Stärke. Niemals in ihrem Leben würde sie diese Todesschreie vergessen. Viel zu deutlich durch ihre psionischen Sinne konnte sie sehen, wie ihnen die Augäpfel brennend aus den Höhlen sprangen und nur an einem Nervenfaden verbunden an ihren Blasen werfenden Gesichtern herabbaumelten, während ihr Fleisch verbrannte und nur geschwärzte Knochen übrig ließ. Die Blitze zuckten weiter in die Tiefe der Anlage, sprengten den Beton von den Wänden und beschädigten die Fundamente so schwer, dass es kein Wunder war, als das ganze Gebäude, einschließlich eines hohen Kamins, einstürzte und noch weitere Kultisten unter sich begrub. Der Kamin fiel um und zerstörte weitere Gebäude. Wie viele Menschen dabei starben, war ihr unbekannt und sie wollte es auch gar nicht wissen. Nachdem der Blitz verebbte, brach sie schluchzend in die Knie. Der intensive Geruch nach verbranntem Fleisch und Ozon lies husten. Der Alte und die anderen vom Gefolge sahen sie mit großen Augen an. "Hm!", meldete sich Zebulon als erster und schlug ihr mit seiner Pranke aufmunternd auf die Schulter. "Ähm!", räusperte sich der Alte und zum ersten Mal sah sie so etwas wie Anerkennung in seinem Blick. "Gut gemacht! Aber in Zukunft vielleicht doch nicht ganz so stark. Mir war nicht klar, wie verheerend deine Blitze sind. Mein Fehler." Danach nannte sie niemand mehr Tütchen.

Schließlich kamen sie wieder in den Raum mit dem toten Inquisitor an. Den konnte sie nicht anheben, weil in seiner Rüstung Material verarbeitet war, die ihre Kräfte um den Leichnam herumfließen ließen. Die Leiche zu bergen entwickelte sich als ziemlich aufwendig. Die Schwestern forderten schließlich ein Tragegestell an und mit vereinten Kräften, sprich die fünf Schwestern, Havilah und sie wuchteten den Leichnam samt Servorüstung bis zum Absatz, während Shiloh überflüssige Anweisungen gab. Endlich war auch dies erledigt und Shiloh bestand auf weitere Untersuchungen.

"Wenn man durch diesen Gang richtig tanzt, aktiviert sich hier bestimmt etwas!" Die Interrogatorin zeigte auf die Steinplatte an der Wand. Sie machte den Eindruck, beweglich zu sein. Und natürlich lag es nun ihr, herauszufinden, wie dieser Tanz nun funktionieren sollte, weil sie ja eine "Schreinjungfrau" gewesen war und zu Ehren des Imperators getanzt hatte. Dabei waren das recht statische Tänze gewesen, weil ihr Schrein nicht wirklich groß gewesen war. Aber die Interrogatorin war dummerweise zwei Ränge über ihr, also musste sie sich etwas einfallen lassen. Sie studierte die Bilder auf den Wänden und die Bodenplatten. Gewisse Platten schienen Worte und gar Sätze zu bilden. Es schien sich dabei um ein ganzes Textstück zu handeln, wo es um Gehorsam und Pflichterfüllung ging. Nun gut, sie hoffte nur, dass keine Falle ausgelöst wurde, wenn sie etwas falsch machte. Sie legte ihre Waffen ab und lehnte ihre Schwertlanze an den Sockel der Engelstatue. Dann atmete sie tief durch, sprach eine kurze Gebetsformel, um ihren Geist zu reinigen, setzte ihr kleines tragbares Musikabspielgerät auf und fing an zu tanzen. Dreimal musste sie neu anfangen, was ihr jedes mal eine überaus gemeine Bemerkung von Shiloh einbrachte, aber dann gelang es ihr bis zur Säulenhalle durchzutanzen. Die Schrifttafel drehte sich tatsächlich und jetzt stand hier der Satz: "Nur wer reinen Herzens ist, wird würdig sein!" Und daneben stand nun auf einer weiteren drehbaren Tafel folgende Frage,

"Du bist als letzter Aufseher mit Gefangenen auf einem brennenden Schiff, es gibt nur eine Rettungskapsel, was tust du?

1. Mich selbst retten!

2. Den jüngsten retten!

3. Niemanden retten!

4. Versuchen, das Feuer zu löschen und alle zu retten!

"Was ist das denn für eine bescheuerte Frage? Natürlich rette ich mich in einem solchen Fall selbst. Die Gefangenen warten eh auf den Tod und ob sie nun in einem willkürlichen Feuer sterben und oder auf einem Scheiterhaufen ist letztendlich nur für Bürokraten interessant." Shiloh drückte einfach den Knopf neben der ersten Antwort. Das Schild drehte sich zurück in die Wand und neben dem Eingang drehte ein weiteres ein. "Leider bis du nicht reinen Herzens, begebe dich zum Ausgang."

"Was ist das denn für ein Scheiß?"

"Vielleicht wäre die letzte Antwort die richtige gewesen?", meinte Syntyche etwas schüchtern. Shiloh wirbelte mit ihrem typischen irren Blick zu ihr herum, aktivierte ihren tragbaren Nullfeldgenerator und gab ihr eine schallende Ohrfeige. Es kostete Syntyche alle Selbstbeherrschung, den Schlag nicht abzufangen und die Energie gegen Shiloh zu wenden. Ihre Wange brannte, aber ihr gelang es, keine äußere Reaktion zu zeigen, während sie innerlich brodelte. Mit ihrer ganzen Selbstbeherrschung hielt sie ihre psionischen Kräfte im Zaum.

"Ich habe nicht dich gefragt, Novizin Syntyche. Los, tanz nochmal!" Scheinbar ergeben begab sie sich zurück zur Ausgangsposition und fing wieder von vorne an. Eines Tages würde sie Shiloh so in den Hintern treten, dass diese fiese Interrogatorin bis in die äußere Umlaufbahn dieses Planeten geschleudert wurde. Wieder drehte sich die Frage aus der Wand und diesmal drückte Shiloh die vierte Antwort.

"Das gibt es doch nicht, so was blödes!", war ihr Kommentar, als Stufen aus der Wand fuhren und eine weitere Frage offenbart worden. Sie gingen gemeinsam die Treppe nach oben.

"Novizin, welche Antwort?" Syntyche überlegte kurz und drückte dann die, welche im ersten Moment absolut selbstlos erschien, aber nach etwas nachdenken im Endeffekt den größten Garant für das eigene und auch das Überleben anderer darstellte. Tatsächlich wurden weitere Treppen ausgefahren und eine weitere Frage erschien.

"Das ist ja wie bei "Wer ist der Gläubigste", dämliches Spiel." Nach der nächsten richtigen Antwort wurden Gruben freigelegt, in denen sich Skelette stapelten. "Jetzt wird es wenigstens etwas interessant." Syntyche wurde eher mulmiger zumute. Sie beantwortete zwei weitere Fragen richtig und sie stiegen immer höher auf. Dann drängelte sich Shiloh wieder vor. "Ich glaube, ich kapiere das System, man muss immer nur das dämlichste drücken, was man tun kann und man kommt weiter." Syntyche widersprach nicht, auch wenn sie glaubte, dass dies nicht so simpel war. Die Antworten implizierten Selbstlosigkeit, aber wenn man länger darüber nachdachte, war die richtige Antwort immer die, welche Situationen schaffte, wo man auf längere Sicht gesehen den größten Gewinn ausschöpfen konnte. Und von dem auch andere profitierten.

Shiloh drückte nun die nächste Antwort, die Syntyche nicht gedrückt hätte. Und im nächsten Moment knickte die Stufe ein und es ging Abwärts. Die Psionikerin griff nach ihrer Vorgesetzten und setzte ihre Kräfte ein, um den Sturz zu verlangsamen, bis es schien, als würden sie von einem Stuhl springen und nicht zwanzig oder dreißig Meter tief fallen. Sie krachten gemeinsam in die Skelette, die in einer Wolke aus Staub zerfielen. Die Bodenplatten fuhren schon wieder ein, das würde verdammt knapp werden.

"Schnell! Raus hier!" Die Psionikerin klammerte sich an Shiloh und hob beide mit ihren psionischen Kräften aus der Grube heraus. Gerade so schafften sie es noch hinaus und landeten sicher auf den wieder scheinbar festen Boden. "Sieht so aus, als würde ich dir was Schulden, Novizin Syntyche, auch wenn du nur deine verdammte Pflicht getan hast." Das war das größte Lob, genau genommen das einzige Lob, was sie je von Shiloh bekommen hatte. Wenigstens etwas. Wobei sich Syntyche fragte, ob es nicht klüger gewesen wäre, Shiloh einfach abstürzen zu lassen. Diese Galaxie wäre vielleicht ein kleines Stückchen ein besserer Ort geworden.

"Forsche hier weiter, Syntyche! Schwester Luna, beschützt die Psionikerin, wir anderen gehen und schaffen den toten Inquisitor hier heraus. Abmarsch!" Die Wüstenkriegerin schien wohl genug vom Erforschen dieser Gruft zu haben. War ja klar, dass sie nun alleine weiter machen musste. Wenigstens war jetzt nur noch eine Fanatikerin um sie herum, die nun ebenfalls mit dem Bolter in Vorhalte den Säulenraum betrat.

"Sieht so aus, als ob wir nun alleine wären", seufzte Syntyche, die überhaupt keine Lust hatte, dieses Frage und Antwortspiel ein weiteres Mal durch zu exerzieren.

"In der Tat", antwortete die Schwester und hängte sich ihren Bolter um. Dann nahm sie ihren Helm ab und eine für den Rang einer Celestia überraschend junge blonde Frau ohne besondere Merkmale kam zum Vorschein. Syntyche schätzte die Frau auf Anfang dreißig. Sie hängte sich den Helm an die Seite und förderte eine kleine Thermokanne aus einer Schlaufe ihres Gürtels zu Tage. Die Schwester goss etwas von dem Inhalt in den Verschluss, der auch als Becher diente.

"Etwas Minzrekaf, Ihr seht durstig aus." Das war Syntyche, die leider nichts dergleichen dabei hatte. Tekoa hatte immer die Getränke getragen. Aber der war ja jetzt in einem Leichensack. Nach kurzem Zögern nahm Syntyche den Becher und schnupperte daran. Es war durchaus möglich, dass die Fanatikerin ihr einen Streich spielen wollte, obwohl sie eigentlich recht normal wirkte. Wäre die Frau nicht in einer uralten Servorüstung bekleidet, könnte sie auch eine ganz normale Bewohnerin dieser Welt sein können und keine erfahrene Celestia Schwester. Der Rekaf war süß und schmeckte wirklich nach Minze. Auch löschte er den Durst. Die junge Schwester nahm nun ebenfalls einen Schluck. Nachdem sie ihre kleine Thermoflasche wieder verstaut hatte, nahm sie ihren Bolter in Vorhalte und machte einen wachsamen Eindruck.

"Glaubt ihr, hier lauert noch jemand?", fragte Syntyche, leicht unangenehm berührt. Eine große Gruppe bot Schutz, eine kleine, wie die ihre, war ein leichtes Ziel für jeden Angreifer. Und vielleicht bekam diese Fanatikerin gerade jetzt einen Rappel und beschloss, dass mit dem Tod von ihr das Imperium ein psionische Problem weniger hatte.

"Wer immer hier die Gardisten getötet hat, ist schon fast genau so lange tot. Wisst ihr, warum wir hier genau hier sind? Was ist das alles?"

"Hat man euch nichts erzählt?"

"Nur das Nötigste; dass es unser Auftrag ist, den Befehlen des Inquisitors zu befolgen."

"Mir sagt man auch kaum was", seufzte Syntyche. "Ich habe folgendes mitbekommen. Vor zwei Jahren ist hier eine junge Pilgerin für eine Woche verschwunden. Sie tauchte dann wieder auf und war seitdem besessen. Der Inquisitor meint, dass es ein bösartiges Wesen jenseits des Schleiers wäre."

"Also ein Dämon?"

"Pssst! Das darf man nicht sagen!" Syntyche führt den Zeigefinger zur Lippe.

"Ich bin eine Celestia des Adeptus Sororitas. Ich bin über die Wesenheiten des Immatariums aufgeklärt worden. Mehrere Manifestationen habe ich schon dorthin zurückgeschickt. Wir arbeiten normalerweise zwar nur mit dem Ordo Hereticus zusammen, aber manchmal ist die Korrumpierung schon so weit fortgeschritten, dass man eben auf diese Wesenheiten trifft, wenn man gegen Hexen und deren verdorbenen Kulte vorgeht."

"Auch hier? Auf diesem Planeten?"

"Nein, hier noch nicht. Meine Einheit ist jetzt seit drei Jahren hier stationiert. Turnusgemäß werden wir bald abgelöst und werden dann wohl wieder richtige Kampfeinsätze haben. Das hier ist der erste, der etwas die Routine des Wacheschiebens durchbricht. Sonst gab es nur ab und zu Ärger mit betrunkenen Pilgern. Oder wir haben mit dem Adeptus Arbites und der PVS Manöver abgehalten. Dieser Planet ist in der Beziehung sehr langweilig. Wäre die Kathedrale nicht so wichtig und eine Mission Sororitas Schwestern nicht so prestigeträchtig, wären wir gar nicht erst hier. Wir dienen hier eher aus politischen Gründen, als aus militärisch notwendigen."

"Dann ist ja gut."

"Ich kann mich an eine Vorfall vor zwei Jahren erinnern, da haben Schwestern eines minderen Ordens ziemlich viel Staub aufgewirbelt, als sie ein Pilgermädchen gesucht haben. Was passierte dann mit diesem besessenen Pilgermädchen?"

"Sie tauchte wohl wieder vor dem Abflug auf. Was dann genau passierte, ist uns nicht klar, jedenfalls weiß ich darüber nicht wirklich etwas. Mir sagt man ja nix. Aber dann, nach genau zwei Jahren kamen Verräter und haben das Schiff geentert."

"Geentert?"

"Ja, ein gewaltiges Gemetzel! Tausende von Toten! Aber dieses besessene Mädchen hat dann richtig unter denen aufgeräumt. Wir haben ein paar Aufnahmen, wie sie sich durch Mutanten, Kultisten und Chaosabschaum gewütet hat. Wie in einem der Filme im Televid, nur viel besser!"

"Hast du die Aufnahmen gesehen?" Inzwischen waren sie schon beim Du angekommen. Die blauen Augen der jungen Frau leuchteten auf einmal und Syntyche fragte sich kurz, ob sie wohl zu weit ging, sich mit der Schwester zu unterhalten. Aber auf der anderen Seite waren sie im gleichen Verein und es war nett, sich mit ihr zu unterhalten. Besonders in Anbetracht dessen, dass diese Art Schwestern normalerweise halb irre Fanatikerinnen waren. Syntyche hatte immer gedacht, dass Sororitas Schwestern mit mindesten jedem zweiten Satz den Imperator priesen, einen dummen platten Spruch nach dem anderen von sich gaben und sich sonst den ganzen Tag selber Schmerzen zufügten, weil das bei denen als fromm galt. War wahrscheinlich nur ein blödes Vorurteil, wie dass alle Psioniker schwächliche Wahnsinnige am Rande der Besessenheit waren.

"Viel besser, ich habe die besten Ausschnitte auf meinem Datablock gespeichert. Unser Techniker, dieser Mattan, das ist der etwas fette alte Mann, der hat von einem Helm eines Verräters die Daten extrahieren können. Der Alte hat die Aufnahme natürlich sofort klassifiziert, aber Matten hatte noch eine Kopie und hat daraus einen kleinen Clip mit den besten Szenen gemacht."

"Du hast mich jetzt richtig neugierig gemacht, darf ich das sehen?"

"Eigentlich nicht", Syntyche warf einen ängstlichen Blick in den Gang, wenn jetzt der Alte oder Shiloh aufkreuzte, steckte sie wirklich in Schwierigkeiten. Aber diese Schwester Luna war äußerst nett und was konnte es schon schaden? "Nur weil du es bist. Erzähl das aber ja nicht weiter! OK?"

"Alles klar." Die kleine Psionikerin rief die entsprechende Datei auf und zeigte einen Zusammenschnitt eines Kampfes. Die ganze Aufnahme dauerte nur vierzig Sekunden und war von Mattan mit militärischer Musik untermahlt worden.

"Sehr beeindruckend, dieses Pilgermädchen. Gute Schwertführung."

"Ja, Klasse nicht?"

"Und was passierte dann?"

"Also nach meinem Wissen, kamen dann wirklich harte Verräter, also Chaos Space Marines!" Die Novizin legte eine bedeutungsschwere Pause ein und Luna war sichtlich erschüttert. "Und als ob das nicht genug gewesen wäre, kam ein richtiger Dämonenprinz!"

"Ein Dämonenprinz?", hauchte die Sororitas.

"Ja, ein Kerl namens Eunice! Furchtbar brutales Schwein! Dürfte ich eigentlich gar nicht wissen, aber der Alte lässt ja seine Unterlagen manchmal einfach herumliegen. Und ich muss sie dann aufräumen."

"Und was hat der Dämonenprinz mit dem Pilgermädchen gemacht?"

"Der hat von ihr die letzten Prügel seines Lebens kassiert. Der Alte geht davon aus, dass der Drecksack tot ist. Alle von dieser Schweinebande sind erledigt. Das Pilgermädchen hat sie alle getötet. Ausnahmslos."

"Das ist beeindruckend. Und das stimmt wirklich?"

"So steht es jedenfalls in den Unterlagen. Echt wahr."

"Und was passierte dann?"

"Dann hat das Mädchen ganz schlimme Reden gehalten. Pure Blasphemie. Details kenne ich keine, diese Unterlagen über den eigentlichen Inhalt waren immer alle verschlüsselt, also muss es ziemlich schlimm sein. Auf alle Fälle hat sie einen Teil der überlebenden Pilger auf ihre Seite gezogen und die sind dann einfach verschwunden. Puff! Weg waren sie. Und die, welche nicht mit ihr gehen wollten, hat sie die Erinnerung verfälscht. Und zwar jeden eine eigene. Dieses Pilgermädchen und das Ding in ihr sind sehr mächtig. So was habe ich vorher noch nie gesehen. Sie hat die innersten Wünsche und Erwartungen jedes Einzelnen genommen und hat die Erinnerung so hingestellt, dass jeweils jemand anderes rettend eingegriffen hat, so wie es der Person selbst am glaubwürdigsten war. Mir war es nicht möglich, auch nur einen Bann zu lösen."

"Beim Thron! Dann ist sie wahrlich eine mächtige Hexe."

"Oh ja, Hexe, Ketzerin und Demagogin. Der Alte will sie unbedingt zur Strecke bringen und verbrennen."

"Und warum sucht er nun ausgerechnet hier nach ihr?"

"So wie ich den Alten verstanden habe, suchen wir die Wurzel des Übels. Hier soll es einen Tzeentchkult geben."

"Der Imperator schützt! Sprich diesen Namen nicht in diesen Hallen aus!"

"Ups! Tut mir leid! Der Imperator schützt!" Beide machten ein Zeichen um bösen Einfluss abzuwehren.

"Und wo ist diese fiese Hexe jetzt?"

"Das weiß der Alte nicht. Er und Shiloh diskutieren manchmal darüber. Wahrscheinlich hat sie sich mit ihrem gekaperten Kreuzer irgendwohin verzogen, wo das Leuchtfeuer nicht hinreicht. Angeblich wimmeln die Halosterne von Piratennestern. Dort wird sie wohl irgendwo herumdüsen und ihre blasphemischen Lügen verbreiten."

"Dann werde ich dafür beten, dass ihr sie erwischt und verbrennt."

"Es tut mir übrigens Leid, das mit der Ratte."

"Ist ja nichts passiert. Nur etwas Munition. Für jede sinnlos verschossene Patrone werde ich mich heute Abend mit der schweren Geißel züchtigen. Zehn Hiebe pro Patrone dürften wohl angemessen sein."

"Beim Thron! Das wollte ich nicht."

"Das war ein Witz!" Luna platze laut heraus und Syntyche fiel nach einer kurzen Phase der Irritation in das Gelächter mit ein.

"Das hätte ich dir jetzt echt abgekauft."

"Unser Ruf eilt uns wohl voraus. Ernsthaft, wir haben uns so verhalten, wie es die Doktrinen fordern. Deswegen werden die Patronen einfach ausgetragen und gut ist. Aber solltest du hier nicht noch etwas untersuchen?"

"Sollte ich, aber ich glaube nicht, dass ich noch was Weiteres herausfinden kann. Ich setze mich jetzt einfach hier hin und schreibe meinen Bericht. Und sobald der fertig ist, verschwinden wir von hier."

"Soll mir recht sein, ich werde vorne am Eingang dann Wache schieben. Der Imperator sei gepriesen."

"Der Imperator sei gepriesen." Die Schwester setzte wieder ihren Helm auf und marschierte mit ihrem Bolter in Vorhalte in den Gang hinein. Syntyche hätte nie gedacht, dass Sororitas Schwestern so locker ein konnten. Oder war sie da gerade ausgehorcht worden und Schwester Luna hatte sich nur verstellt?

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Ich muss schon sagen, endlich mal jemand der vom völlig überzeichneten GW wie-düster-geht-es-eigentlich-Standard abweicht. Ich finde das weitaus überzeugender als der echte Fluff, mit dem ich in vielen Bereichen auf dem Kriegsfuß stehe.

Tolle Sache auch, wie du den Kampfmaschinen eine menschliche Seite zeichnest, weiter so! :)

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Kapitel IV

Position:

Imperium

Segmentum Pacificus

Sektor Jyoti

System Ghersom

Planet Ghersom IV

Nördliche Hemisphäre

Kontinent Ephrat

Kathedralsstadt

Imperatorkathedrale

Halle der Engel

Zeit: 1 581 996.M41

Person: Herad Tabelmann

Vorerst kam er hier nicht weiter, aber würde dafür sorgen, dass die Fallen entschärft werden würden, so dass er diesen geheimnisvollen Raum auch persönlich untersuchen konnte. Es gab im Imperium das Sprichwort, ein Hexenjäger überzeugt sich immer selbst. Und das war nicht ohne Grund so. Der Tod seines Schergen nagte immer noch an ihm und er schwor sich, diese verdammte Hexe extra dafür leiden zu lassen, wenn er sie lebendig fangen sollte, auch wenn das eher unwahrscheinlich war.

Die geteilte Gruppe marschierte zurück und führte den Leichnam von Tekoa mit sich. Der Inquisitor verteilte verschiedene Aufgaben an seine Leute und versuchte mit der Hilfe von Mattan und seinen technischen Spielereien heraus zu finden, wo der andere zugemauerte Gang von der dritten Ebene hoch führte. Nachdem der Wissenschaftler eine Position errechnet hatte, begaben sie sich zurück nach oben. Auf dem Weg dorthin berichtete Mattan, was er gestern Abend noch über Kardinal Zadok VIII herausgefunden hatte. Herad fokussierte sich darauf und verdrängte so den Verlust von Tekoa in den Hintergrund.

"Dieser Zadok ist sehr angesehen und mächtig. Man handelt ihn schon als den nächsten Ekklesiarchen. Seine Familie ist sehr reich, sein Vater und Bruder waren Gouverneure des Olayinka Systems. Sein Neffe regiert dort jetzt."

"Olayinka? Das Olayinka System?" Herad pfiff durch die Zähne. Der Ausruf "Bin ich der Gouverneur von Olayinka?" war im Segmentum Pacificus ein Synonym dafür, dass man sich das einfach nicht leisten konnte, was die Ehefrau, Geliebte, Kinder etc. gerade an teurem von einem forderten. Olayinka war schlichtweg das Synonym für märchenhaften Reichtum. In diesem System waren die reichhaltigsten Adamantiumminen des ganzen Segmentums und die Herrscherfamilie hatte schon früh verstanden, ihren Reichtum in politische und militärische Macht umzusetzen. Man nannte das System auch das "System der tausend Festungen", welche den märchenhaften Reichtum dieses Systems mit der besten Militärtechnologie verteidigten, die man für Geld kaufen konnte.

"Und wie ist sein Ruf?"

"Er gilt als verschlagen, hart und intrigant. Chiros und Ghersom streiten sich immer um die geistige Führung des Segments, aber seit Zadok VIII auf dem Kardinalsthron hier sitzt, hat Ghersom die Nase eindeutig vorne."

"Was ist über seine Kinder bekannt?"

"Darüber gibt es keine Gerüchte, er hat noch nicht mal eine Konkubine. Es gibt wohl keine Bastarde."

"Hat er nicht?"

"Das Zölibat scheint er ernst zu nehmen, er predigt oft Enthaltsamkeit und er scheint seine eigenen Worte zu beherzigen."

"Hm!" merkte Zebulon dazu an.

Am Eingang der Gruft wurden sie von Vater Zalmon abgefangen, der sich sofort an sie klebte.

"Und Inquisitor Tabelmann, hatten sie Erfolg?"

"Was wissen sie über die Konföderation des Lichts?"

"Das war der Name der Bewegung von Sebastian Thor, nicht wahr?"

"Ich meinte die ursprüngliche Konföderation des Lichtes, gab es mit denen hier mal Probleme?"

"Ursprüngliche Konföderation des Lichts? Gab es noch eine andere, Herr Inquisitor? Aber ich kann gerne unsere Bibliothekare beauftragen, alle alten Werke darüber heraus zu suchen."

"Tut das!" Sie schritten weiter auf die errechnete Position zu und gelangten in das nördliche Schiff der Kathedrale, die von Pilgern nur wenig frequentiert wurde, lag doch die Hauptattraktion mit den Steinen im Südschiff und die Messen fanden im West- und Ostschiff statt. Aber was seine Aufmerksamkeit erregte, waren ein Block von Mädchen in blauen Kleidern, welche in der rechten Hand je eine blaue Blume und in der linken eine weiße Kerze hielten. Sie folgten singend einer Nonne. Irgendwie erinnerte ihn das an die Darstellung auf den Reliefs, wo die Mädchen auch immer in Blöcken zu Neunundvierzig Kindern abgebildet waren.

"Was ist das?" Er zeigte auf den blau gekleideten Block.

"Oh, das sind Mädchen." Herad zählte langsam bis drei, um nicht diesen Trottel hier und jetzt für seine saublöde Antwort so lange die Faust in sein Gesicht zu rammen, bis dieser Idiot keine Zähne mehr hatte. Aber dazu war es noch zu früh, erst wenn er nicht mehr auf die gute Zusammenarbeit mit der örtlichen Priesterschaft angewiesen war, würde er diesen Vater Zalmon für seine frechen Antworten bezahlen lassen.

"Ich bin mir über die geschlechtsspezifischen Unterschiede von Kindern im anatomischen Bereich und modischen Ausdruck durchaus bewusst. Was ich wissen will ist, warum tragen diese "Mädchen" blaue Kleider, eine blaue Blume und eine weiße Kerze?" Antwortete er, nachdem er seinen Ärger soweit gedämpft hatte, das sein Tonfall zwar scharf, aber nicht beleidigend war.

"Oh, das ist der hier übliche Brauch der Kommunion. Eine regionale Abweichung, die aber vom Ekklesiarchen erlaubt wurde. Es war hier schon immer Brauch, dass Mädchen diese Kathedrale zu ihrem zwölften Geburtstag aufsuchen, um hier die heilige Kommunion zu empfangen. Es ist eine heilige Pilgerreise, die jedes Mädchen auf diesem Planeten absolviert. Sie bleiben hier für vierzehn Tage. Neben der heiligen Kommunion unterrichten wir sie hier zentral in die heiligen Lehren der Ekklesiarchie, sodass es einen planetenweiten gleichen Standard gibt. Dazu gibt es ein reichhaltiges kulturelles und spirituelles Programm mit Ausflügen in ausgesuchte Museen, Galerien, Commercias und Einrichtungen der Stadt. Für viele Mädchen ist es die erste und einzige große Reise in ihrem Leben."

"Aha und warum gerade blaue Kleider und Blumen?"

"Das weiß ich nicht genau, da ich nicht von diesem Planeten stamme und mich nicht wirklich in die heimische Folklore eingearbeitet habe. Die Blumen züchten wir in Glashäusern, so dass jedes Mädchen eine frische Blume der heiligen Gabi opfern kann; egal zur welcher Jahreszeit."

"Heilige Gabi?" Wer war das jetzt schon wieder? Auch klang der Name verdächtig ähnlich wie der einer gewissen Gabriel. War der Zusammenhang etwa so offensichtlich? Hatte er an der falschen Stelle gesucht?

"Das ist die inoffizielle Schutzpatronin des Planeten. Sie wird eigentlich nur hier verehrt. Die heilige Gabi war es, die damals den Imperator willkommen geheißen, diese Welt friedlich dem Imperium übergeben und ihn dann bei seinem Kreuzzug begleitet hat. Diese Geschichte ist hier sehr populär, wenn diese Heilige auch sonst nirgendwo mehr erwähnt wird. Aber wie gesagt, diese Abweichung ist von höchster Stelle geprüft und abgesegnet worden." Tabelmann konnte sich auch vorstellen warum. Der Planet hatte eine Bevölkerung von zwei Milliarden Menschen, davon war eine Hälfte Weiblich, wenn man die durch die Generationen teilte, besuchten mindestens 15 Millionen Mädchen jedes Jahr die Kirche, das waren Vierzigtausend am Tag. Ein gigantisches Geschäft, da die Ekklesiarchie garantiert nicht die Kosten übernahm und sich für ihre "Mühen" fürstlich entlohnen lies, wie Vater Zalmon begeistert bestätigte. Die Gebühr für die Kommunion betrug mit den Fahrkosten etwa ein Jahresgehalt eines einfachen Arbeiters. In den Gemeinden wurden regelmäßig Spendenaktionen durchgeführt, sodass auch arme Kinder ihre Reise ausführen konnten. Die meisten Eltern legten mit der Geburt eines Mädchens auch gleich ein Sparbuch bei ihrer Bank an, wo sie Monatlich einen Teil ihres Lohnes überwiesen. Da war es kein Wunder, das diese regionale Abweichung genehmigt worden war. So orthodox die Ekklesiarchie auch war, ein lukratives Geschäft lies sie sich nie entgehen.

Schließlich erreichten sie die Kapelle der Heiligen Gabi, welche das ursprüngliche Gebäude darstellte, um die dann später die noch gewaltigere Imperatorkathedrale gebaut wurde. Es war selbst ein gewaltiges Bauwerk, welches im Nordschiff stand und dagegen wie ein Puppenhaus wirkte. Hier musste sich der ursprüngliche Eingang zur dritten Ebene befinden. Über ein Nebenportal für Zuschauer betrat er das Gebäude. Hier tummelten sich Blöcke aus blau gekleideten Mädchen, die wie eine Armee in uralter Zeit wirkten. Oder wie auf einem Paradeplatz. Sieben Priester segneten jeweils gleichzeitig eine Reihe, die dann sofort von den nächsten eingenommen wurde. Kommunion als Massenfest. Ein Chor fliegender Cherubim sang von mittig über die Köpfe der Gläubigen flatternd heilige Lieder. Aber das wirklich beeindruckende war die Statue der Heiligen Gabi, denn sie zeigte nicht wirklich einen Menschen, sondern einen äußerst aggressiv wirkenden goldblonden Engel mit einem flammenden Schwert, der gerade auf einen Gegner los zu springen zu schien. Die Pose wirkte ungeheuer dynamisch und so was vergleichbares hatte er bei der Darstellung eines Engels noch nie gesehen. Und ihre Züge hatten schon fast eine fatale Ähnlichkeit mit der von Gavri Pilgerstochter.

"Das ist die heilige Gabi?"

"Ja, ist das nicht ein hervorragendes Kunstwerk? Die Figur ist aus einem einzigen Block weißen Marmor geschaffen und ihre dynamische Pose sucht im Imperium ihres gleichen. Ihre Haare sind aus massivem Gold und die Augen bestehen aus unzähligen blauen Edelsteinen, die perfekt ineinander übergreifen, so das sie wie aus einem Stück wirken."

"Ich wollte eigentlich wissen, warum sie als Engel dargestellt wird." Herad stellte sich vor, wie sich seine geballte Faust im Panzerhandschuh in dem grinsenden Gesicht von Vater Zalmon machen würde und dieser Gedanke hatte etwas sehr befriedigendes an sich.

"Der Legende nach, war die heilige Gabi wie eine lebende Heilige heutzutage, sie hatte Engelsflügel. Wie der heilige Sanguinius oder die heilige Celestina, nur um ein paar bekannte Heilige mit Engelsflügeln zu nennen." Die Gedanken von Inquisitor Herad überschlugen sich. Je mehr er forschte, fand er Hinweise, welche die ketzerischen Reden von Gavri oder Gabriel bestätigten. Und der Name Gabi klang auch noch so ähnlich wie Gavri und Gabriel. Aber das konnte nicht wahr sein, durfte einfach nicht Fakt sein. Er schob das alles erst mal zur Seite und konzentrierte sich wofür er hier war. Vor dem Altarblock war deutlich ein Bodenbelag auszumachen, der sich vom anderen unterschied und wahrscheinlich eine Treppe nach unten blockierte. In alter Zeit gab es also einen Zugang zur dritten Ebene. Was hatte das nur alles zu bedeuten?

Vielleicht stand ja etwas darüber in den örtlichen Archiven der Inquisition. Also überlies Herad seinem wissenschaftlichen Berater Matten das Organisatorische, dass weibliche Arbeiterinnen die Wände im Gang der Fallen einrissen und die tödlichen Fallen zerstörten. Aber das würde ein paar Tage in Anspruch nehmen und eine gewisse Vorlaufzeit benötigen. Es gab noch ein paar andere Spuren, denen er derweil nachgehen konnte. Er gab Matten noch die Anweisung, dass seine Leute die Archive der Kathedrale nach Hinweisen über die Erbauer der Engelsgruft, wie der Komplex getauft worden war, und den dort unten stattgefundene Massentötungen durchsuchen sollten.

Nachdem das alles in die Wege geleitet war, flog er mit Janina III zur örtlichen Festung des Adeptus Arbites. Der Komplex war am südlichsten Punkt im Festungswall integriert. Eine kluge Wahl, sodass man Feinde von Innen wie von Außen bekämpfen konnte und die wichtigen Verkehrsknotenpunkte der Stadt wie Raumhafen, Flughafen und Bahnhof in bequemer Artilleriereichweite hatte. Er landete auf dem Flugfeld der Festung und sorgte dafür, dass er mit der notwendigen Aufmerksamkeit umsorgt wurde, die ihm als Inquisitor zustand. Sofort wurde er zum Festungskommandanten vorgelassen.

Der Marschall des Hofes, also der Kommandant des Stützpunktes, war ein ausgeglichener Mittfünfziger, dem die Uniform über dem Bauch deutlich spannte. Der ganze Stützpunkt machte eher den Eindruck eines Museums, als einer einsatzbereiten Truppe, da hier ebenfalls Gruppen blau gekleideter Mädchen eine Führung von gerüsteten Arbitratoren durch die Gerichtsgebäude und Ausstellungsräume mit Waffen, Ausrüstung, Beweismittel und Überresten von Verbrechern bekamen. Sie durften sogar in Repressoren auf dem Gelände herumfahren. Auf diesem Planeten hatte eine gefährliche Laxheit Einzug gehalten. Hier war es einfach zu ruhig. Oder es gab hier einfach mal eine funktionierende Regierung, die es schaffte, ihre Bevölkerung so zufrieden zu halten, dass es keine inneren Bedrohungen gab. Und durch die saubere Umwelt wegen der fast vollständig fehlenden Schwerindustrie traten auch so gut wie keine Mutationen auf.

Der Marschall war natürlich nicht von hier und hatte sich leider nie für die regionale Geschichte oder Gebräuche interessiert. Seine Kinder waren hier aufgewachsen und seine Töchter hatten nach regionalem Brauch die Kommunion erhalten, er hatte aber den Brauch nie hinterfragt. So etwas nahm man einfach als gegeben hin, genau so wie die Geschenke, die man zur Himmelfahrt oder Geburtstag des Imperators bekam oder schenkte. Es war einfach seit Jahrtausenden Brauch.

"Wissen sie, Herr Inquisitor, dieser Planet ist schon beinahe zu langweilig. Selbst die Pfaffen sieht man hier nicht in den Bordellen. Und so ist es mit vielem. Wir tun hier unseren Dienst, aber die meisten von uns fühlen sich hier schlicht überflüssig. Es gibt Welten, wo die Scheiße in den Ventilator fliegt, wenn sie mir diese Bildliche Darstellung gestatten, aber hier ist es schon eine Meldung wert, wenn die Feuerwehr ausrückt, um eine Katze von einem Baum zu retten." Über Genozide, zugemauerte Krypten und Inquisitor Vitus wusste er auch nichts zu berichten.

Aber dafür gab es ja Archive. In solchen Komplexen unterhielt die Inquisition ihre eigenen Archive. In dieser Festung gab es noch ein Gefängnis der Inquisition für weibliche Psioniker, die auf den Abtransport im nächsten schwarzen Schiff warteten, von denen jedes Jahr eines diesen Planeten anflog. Am Bahnhof wurden die ganzen Pilgermädchen auf psionische Begabung überprüft und im Bedarfsfall zu ihrem eigenen Besten in Gewahrsam genommen. Psioniker waren gefährlich, aber auch eine wertvolle Ressource.

Das Inquisitionsarchiv befand sich in einem abgelegenen Bereich im Keller des Turmes der Inquisition. Er presste sein Symbol in die Aussparung seitlich der Türe des Inquisitonsarchivs und gab seinen Autorisierungscode ein. Die Panzertür knirschte deutlich, als sie hydraulisch auffuhr. Er betrat die Sicherheitsschleuse, schloss das Schott hinter sich und ging in das abgeschottete Archiv, als die zweite Schleuse sich vor ihm öffnete. Es war hier sehr trocken, die Lüftung schien noch gut zu funktionieren, auch wenn hier seit Jahren keiner mehr Sauber gemacht hatte. Auf dem Boden konnte er die Spur bloßer Füße im Staub sehen und es waren nicht die eines Erwachsenen.

"Verdammt!" knurrte er und instinktiv griff er zu seiner Infernopistole bis ihm aufging, dass dieses kleine Miststück schon vor zwei Jahren hier gewesen sein musste. Er folgte der Spur, die zu einer Verwaltungseinheit führte, die leise vor sich hin surrte. Ein Verzeichnis war aufgerufen worden, auf der Seite waren die Unterlagen eines gewissen Vito aufgeführt und wo sie sich befanden. Es wunderte ihn nicht, dass die Spuren genau dorthin führten und der Platz leer war. Dann war sie scheinbar schlendernd tiefer in das Archiv vorgedrungen, hatte verschiedene Datenstapel, Akten und Bücher aus dem Regal gezogen und wohl nur oberflächlich durchgeblättert, da sie noch vorhanden und laut Index vollständig waren. Eines davon war ein beschlagnahmtes heiliges Buch der Konföderation des Lichts und es war aus diesem Jahrtausend. Dann war sie stehen geblieben, hatte sich umgedreht und war geradlinig wieder zum Eingang zurück gelaufen. Er versuchte zu erkennen, was sie dazu gebracht hatte, aber hier war nichts besonderes zu sehen bis auf einen uralten Chrono in einem Standgehäuse mit einem halben Dutzend Ziffernblätter, der immer noch lief. Hatte der Chrono sie daran erinnert, noch mehr Unheil anzustiften?

Der Inquisitor ging zurück zur Verwaltungseinheit und war überrascht, als im Log verzeichnet war, dass der letzte Inquisitor, der dieses Archiv betreten hatte, Vitus gewesen war. Gavri Pilgerstochter hatte dessen Symbol der Macht wohl mitgenommen und hier benutzt. Ihm war nicht klar, woher sie die zweite notwendige Komponente hatte, den Zahlencode mit acht Stellen, der zum Öffnen der Türe ebenfalls erforderlich war. Aber wahrscheinlich konnte er das zu ihren Kräften hinzuzählen. Was ihn stutzig machte, warum sie den Raum nicht einfach mit ihren Kräften betreten hatte, da sie sich ja wohl in Nullzeit durch den Raum bewegen konnte. Einrichtungen der Inquisition verfügten über eine gewisse Anti- Psionische Eigenschaft, die durch den Verbau gewisser Materialien erreicht wurde, vielleicht hatte das Gavri Pilgerstochter gezwungen, wie ein normaler Mensch dieses Archiv zu betreten. Allmächtig schien sie nicht zu sein. Ein beruhigender Gedanke, auch wenn sie hier ihm wieder einen Schritt voraus gewesen war.

Er fokussierte sich erst mal auf seine Forschungen, musste aber feststellen, dass dieses Archiv erst seit Viertausend Jahren existierte. Das heilige Buch der Konföderation war vor einigen Jahrzehnten bei einem Antiquariat beschlagnahmt worden, wo es mit einem Nachlass aufgekauft worden war, der mehrere tausend Bücher mit genehmigten religiösen Inhalt umfasst hatte. Wahrscheinlich hatte der Benutzer es für eine Ausgabe von Sebastian Thors gleichnamiger Organisation gehalten und nie wirklich gelesen, da es wie neu aussah. Er blätterte es oberflächlich durch und entdeckte einige Gemeinsamkeiten mit der jetzigen Lehre der Ekklesiarchie, auch wenn es besonders bei der Person und Geschichte des Gottimperators einige gewaltige Abweichungen gab. Zwanzig Primarchen, so ein Blödsinn! Oder das die Schlange Horus der Sohn des Imperators gewesen war. Was für eine unglaubliche Blasphemie! Nach kurzer Lektüre legte er es wieder weg.

Es war das erste große Archiv, dass er seit seiner Jagd auf Gavri Pilgerstochter aufsuchte. Hier waren einige wirklich verbotene Bücher gelistet, darunter auch ein Reihe von Büchern, die sich mit der wahren Geschichte des frühen Imperiums beschäftigten. Seine Sicherheitsfreigabe reichte gerade aus, um sich den Zugang zu dem Tresor zu verschaffen, wo sie gelagert waren. Auch sorgte er mit einer Litanei der Aktivierung dafür, dass die eingestaubte Servitoreinheit, die eigentlich hier sauber machen sollte, ihre Aufgabe wieder aufnahm. Wahrscheinlich war diese recht lärmende Einheit einem früheren Besucher auf die Nerven gegangen und er hatte diese veranlasst, in die Versorgungsnische zu gehen und hatte sie dort in Bereitschaftsmodus versetzt, sodass die bionischen Komponenten Versorgt wurden, aber die Aufgaben nicht ausgeführt wurden.

Es überraschte ihn nicht, dass auch in diesen Büchern kein Erzengel vorkam. Aber leider waren diese Bücher nicht in der Zeit entstanden, die sie beschrieben, sondern erst Jahrtausende später. Eine der Daten, welche die Ketzerin und der Dämonenprinz ausgetauscht hatten, konnte er jedoch verifizieren. Es hatte 546.M32 tatsächlich ein Ereignis mit dem Namen "Die Enthauptung" gegeben und die war nichts weniger als die vollständige Liquidierung des gesamten Senats von Terra durch den damaligen Großmeister des Officio Assassinorum namens Drakan Vangorich. Leider wurden die einzelnen Mitglieder nicht Namentlich aufgeführt, noch wie dieser Anschlag ausgeführt wurde. Allerdings hatte dieser Großmeister nichts getan, um mit seiner Untat davon zu kommen. War dies die Tat eines Wahnsinnigen gewesen? Oder hatte er für jemanden anders das ausgeführt und er war nur ein Mittel zum Zweck und letztendlich der Sündenbock gewesen?

Er las sich tiefer in die Geschichte der damaligen Zeit ein, das Zeitalter der Wiedergeburt. Die letzten Nachwehen des Bruderkriegs wurden beseitigt und es gab tatsächlich eine Zeit des Friedens, wieder eine Information, die sich mit welchen der Ketzerin deckte. Sie musste irgendwann mal Zugriff auf diese Informationen gehabt haben. Allerdings war der Tresor intakt, ihre Spuren hatten nie dorthin geführt und im Datablock der Verwaltungseinheit dieses Raumes waren diese als höchst sensibel angesehenen Daten auch nicht gespeichert. Sie musste diese Informationen von irgendwo anders her haben.

Nach der Enthauptung und der Liquidierung des Großmeisters durch einen Space Marine, wurde ein neuer Senat gebildet und zum ersten mal beinhaltete er auch einen Vertreter der Ekklesiarchie. Vorher schien kein Oberhaupt der Kirche je dem Senat angehört zu haben. Der erste Verdächtige bei einem Verbrechen ist immer der unmittelbare Nutznießer. Jedenfalls schien der Tempel des Imperialen Heilandes danach einen kometenhaften Aufstieg hinzulegen, der Tempel wurde zum Adeptus Ministorum erhoben und der Senat genehmigte Kreuzzüge um Abweichler zu vernichten. Das schien teilweise ganze Planetenbevölkerungen zu umfassen, die systematisch in Todesfabriken interniert und dort liquidiert wurden oder auf Todesmärschen starben. Was hatte die Ekklesiarchie vorher davon abgehalten? Vielleicht ein für sie schier unbesiegbarer Engel des Todes? Herad schüttelte den Kopf, er sollte sich darauf konzentrieren, ihre Aussagen als Lügen zu überführen, nicht danach, sie zu beweisen. Der Inquisitor verschloss die Bücher wieder in dem Tresor und forschte weiter nach Inquisitor Vitus. Inzwischen war es schon der nächste Morgen, als er auf die Uhr sah. Er ging kurz an die frische Luft im Innenhof der Festung und überprüfte die Kurznachrichten, welche ihm seine Schergen geschickt hatten, da er mit seinem Kommunikator während seiner Recherche im abgeschotteten Archiv keinen Netzzugang hatte. Eine davon besagte, dass er gerade die Beerdigung von Tekoa verpasst hatte. Er fluchte, denn er hätte seinem treuen Schergen und guten Freund nur zu gerne die letzte Ehre erwiesen und er fühlte sich richtig schlecht deswegen. Das hatte der arme Tekoa nicht verdient. Sie hatten einiges zusammen erlebt und das meiste war nicht schön gewesen.

"Verzeih mir alter Freund, ich werde später um dich trauern." Sein Magen knurrte laut und machte ihm klar, dass er schon längerer Zeit keine Mahlzeit genossen hatte. In der Offiziersmesse nahm er ein opulentes Mahl ein, welches ihn wieder stärkte. Dann kehrte er zurück in das Archiv und nahm seine Arbeit wieder auf. Es war eben nicht nur ein Klischee, dass ein Hexenjäger viel Zeit in den geheimen und staubigen Archiven verbrachte.

Leider hatte Vitus keine Daten in das System selbst eingespeist. Es konnte gut sein, dass diese Einheit damals noch gar nicht hier gestanden hatte. Dieses große Datagerät stammte aus heimischer Produktion. Er benutzte es nun, um sich Zugang zum eigentlichen Arbites Zentralrechner zu verschaffen und lies sich alle gespeicherten Fälle auflisten, welche sich in dem Zeitraum ereignet hatten, in dem Gavri Pilgerstochter verschwunden war. In einer solch großen Stadt geschah einiges und das meiste war so profan, dass es auf anderen Planeten wohl nicht mal erwähnt worden wäre. Zu ruhig! Zu glatt! Je weniger er fand, desto unruhiger wurde er.

Das einzige, was ihm recht schnell auffiel, war der Tod einer Jugendgang im Westviertel in einem Bereich, der, wenn Mattan sich nicht verrechnet hatte, sich über der Engelsgruft befinden musste. Einer der jugendlichen Verbrecher war laut Obduktion an Herzversagen gestorben, dem würde er näher auf dem Grund gehen.

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Viel zu kurz und zu schnell gelesen.

Ansonsten wie immer sehr gut, spannend und interessant. Nur jetzt wieder eine Woche warten zu müssen um mehr zu erfahren...

Reine Folter

Aber was kann man von der Inquisition schon erwarten ;D.

Mach weiter so.

Gruß

SRS

Das was mir dazu einfällt, für die Rettung dieser Welt Friedens Kitty - Sie schiesst Liebe in Dein Herz, bringt den Frieden ohne Schmerz Friedens Kitty - Macht Schluss mit jeder Diktatur, Ich frag mich wie macht Sie das nur Friedens Kitty - Sie hilft uns bei jedem Reim, trägt Oma´s Einkaufstüten heim Friedens Kitty

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Bin wohl einer von den neueren Lesern. Habe mich durch deine Geschichte in den letzten Tagen durchgearbeitet, und mir gefällt dein Schreibstil und auch die Idee hinter der Geschichte - obwohl ich normalerweise nicht auf solche religiösen Sachen abfahre. Daher: :ok:

Die Vorstellungen unserer Feinde sind schwachsinnig:

Chaos ist die Ordnung.

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Danke fürs Feedback. Nächstes Wochenende bin ich nicht da, deswegen Update erst am drauffolgenden Montag.

Position:

Imperium

Segmentum Pacificus

Sektor Jyoti

System Ghersom

Planet Ghersom IV

Nördliche Hemisphäre

Kontinent Ephrat

Kathedralsstadt

Imperatorkathedrale

Zentralarchiv der klerikalen Bibliothek

Zeit: 1 586 996.M41

Person: Syntyche

"Hatschi!" Syntyche schnäuzte sich die Nase. Auf ihrer Heimatwelt gab es den Aberglauben, dass ein Niesen bedeutete, dass gerade jemand an einen dachte. Vielleicht ihre Eltern, wahrscheinlich lebten sie noch. Oder ihr ehemaliger Verlobter, welcher so niedlich und süß auf dem Holo ausgesehen hatte, dass sie damals sofort in ihn verliebt hatte. Aber der sicherlich inzwischen eine andere gute Partie gefunden und wahrscheinlich schon Kinder mit dieser anderen Frau hatte. Oder es lag nur an diesem blöden Staub in diesem schmutzigen Archiv. Sie kam sich unter all den Schreibern und Chronisten in diesen Hallen voll Bücher und Rollen wie ein Fremdkörper vor. Eine Frau unter tausend Männer. Shiloh war irgendwann ohne ein Wort der Erklärung abgezogen und hatte sie mit Zebulon zurückgelassen. Havilah lungerte irgendwo herum, da sie in so einem Fall echt keine Hilfe war. Die Zelotin war eigentlich in keinem Fall eine Hilfe. Dass sie nicht da war, sah die Psionikerin als Pluspunkt, da sie so keine Angst haben musste, dass die stumme Zelotin ihr den mächtigen Eviscreator in einem Anflug religiösen Wahnsinn in den Anus rammte. So etwas war ihr schon von anderen Zeloten angedroht worden, bevor man sie verbrannt hätte. Die Hexe muss brennen! Sanktioniert hin oder her. Dabei war sie dem Thron so nahe gewesen, wie sonst nur die Mitglieder des Adeptus Custodes. Jeder sanktionierter Psioniker sah in seinem Leben den goldenen Thron, wurde doch an diesem Ort das Ritual der Seelenbindung ausgeführt. Einige starben dabei, viele wurden dabei blind. Nur die wirklich begabten kamen mehr oder weniger ungeschoren davon. Aber trotzdem hatte es unglaublich wehgetan und sie hatte mehr als einmal das Gefühl gehabt, ihr würden gleich die Augen aus den Höhlen quellen und ihr Schädel würde in tausend Teile zerspringen. Seit jenem Tag brauchte nur jemand "Terra" sagen und sie bekam Kopfschmerzen.

Alle in den Verzeichnissen aufgelisteten Bücher, die für ihre Suche eine Hilfe gewesen wären, schienen längst zu Staub verfallen zu sein. Nichts über den Genozid, nichts über die unteren "Gruftanlagen", nichts über einen Dämon, der hier vielleicht eingekerkert worden war. Wobei der Passagier von Gavri Pilgerstochter ihrer Meinung nach kein Dämon war, die brauchten keine Seelensteine. Sie verstand eh nicht, was an diesem Mädchen jetzt wirklich so vernichtungswert war. Nun gut, jemand der Tausende von Kultisten im Vorbeigehen umbrachte, war bestimmt gefährlich. Aber Chaos Kultisten zu töten war doch eigentlich etwas Gutes, schließlich taten sie genau das gleiche. Aber man erklärte ihr ja nichts. Sie war ja nur die dämliche Novizin, gerade gut genug um ein paar psionische Angriffe abzuleiten, psionische Analysen jenseits der technischen Möglichkeiten auszuführen und die Stiefel der anderen zu putzen. Eine nicht sanktionierte Psionikerin war natürlich gefährlich, aber da Gavri Pilgerstochter schon besetzt war, konnte sie von keinem Dämon besessen werden und auch nicht als Tor dienen. Aber sie musste das ja nicht verstehen, sondern nur die Befehle des Alten ausführen.

"Hm! Ich glaube, wir sollten für heute Schluss machen." Unbemerkt war Explikator Zebulon hinter sie getreten, für einen so schweren Mann war das eine beachtliche Leistung und sie lies vor Schreck den Stapel Bücher fallen, den sie gerade von ihrem Tisch auf ein Rollwägelchen schaffen wollte, damit der nächste Schreiber sie zurückstellen konnte. Es krachte ordentlich, als die mit Metall eingeschlagenen Bücher auf den Boden schlugen. Auch war sie überrascht darüber, das Zebulon einen ganzen Satz von sich geben konnte.

"Huch!" Sie bückten sich beide nach den Büchern und schlugen mit ihren Köpfen zusammen. "Autsch!" Das hatte weh getan. Der Schädel von dem Explikator musste aus Beton bestehen.

"Entschuldigung!", sagten sie beide gleichzeitig.

"Zwei Idioten, ein Gedanke!", sagten sie nun beide und dann gab es kein Halten mehr. Laut durchdrang ihr Gelächter die ehrwürdigen Hallen des Archivs der Kathedrale. Tausend missmutige Augenpaare drehten sich missbilligend nach ihnen um und Syntyche merkte, wie sie knallrot wurde. Sie beeilte sich, die Bücher zu stapeln, und klopfte sich den Staub von ihrer mit Armaplast gepanzerten schwarzen Ausgehuniform der Inquisition, die sie heute anhatte. Der rechte silberne Spiegel ihres Kragens zeigte ein verschlungene Kombination der Buchstaben O, H und I, der linke mit einem kleinen Totenkopf ihren Rang als Novizin und ein Auge mit Strahlenkranz ihre Funktion als Psionikerin. Die Symbolik wiederholte sich auf ihren silbernen Epauletten. Explikator Zebulon hatte ebenfalls seine gute Ausgehuniform an, die zwei Totenköpfe im Spiegel hatte, da er einen Rang über ihr war.

"Hättest du Lust, mit mir etwas essen zu gehen? Ich habe nämlich heute noch nichts gegessen." Er machte eine kreisende Geste über seinen flachen Waschbrettbauch, die etwas sehr Süßes an sich hatte. Auch sie hatte heute außer einem eilig heruntergeschlungenen Frühstück noch nichts zu sich genommen. Die Totenmesse für Sergeant Tekoa hatte schon gegen 9 Uhr der planetaren Zeit stattgefunden und sie kämpfte immer noch mit der Zeitumstellung vom Schiff her. Ihr Inquisitor war seit gestern in den Archiven der Inquisition beschäftigt, wie er mit einer kurzen Textnachricht über Televid bekannt gegeben hatte. Es war bezeichnend, dass nur seine Akolythen und Schergen anwesend waren, als ein Prediger die Totenriten abgehalten hatte und der ehemalige Leutnant in einer Gruftnische beigesetzt wurde, die für offizielle Angehörige der Inquisition bereitgehalten wurde. Man genoss schon so einige Privilegien als Mitglied der Inquisition, wie eben kostenlose Bestattungen in Grüften in bester Lage. Es war trotzdem beschämend, dass der Alte seinem Schergen nicht die letzte Ehre erwiesen hatte. Aber die Arbeit ging wohl beim Alten nun mal vor.

Syntyche überlegte fieberhaft, was sie von der Einladung zum Essen halten sollte. Wenn ein Mann mit einer Frau essen gehen wollte, war das immer etwas anderes, als wenn zwei Freundinnen essen gingen. Aber auf der anderen Seite wollte sie schon zu dieser Gruppe gehören und nicht immer nur mitlaufen. Sie fühlte sich hier als das fünfte Rad am Wagen. Aber dafür ihre Jungfräulichkeit opfern wollte sie auch nicht. Sie beschloss mitzugehen, aber es nicht zum Äußersten kommen zu lassen.

"Aber gerne doch, auch ich habe Hunger." Es fiel ihr immer noch schwer, sich in Niedergotisch zu unterhalten. Sie kannte die Wörter, aber die Grammatik hatte es in sich. Ihre Muttersprache kam ohne solchen Schnickschnack aus. Nur die Wörter und die Aussprache änderte sich von Sozialebene zu Sozialebene. In ihrer Kultur war es sehr wichtig gewesen, dass man seinen Gegenüber einschätzen konnte. Das geschah über die Kleidung, Abzeichen und die immer griffbereite Visitenkarte, so dass man genau wusste, ob der Gegenüber nun höher, gleich oder niedrigstufiger einzuschätzen war. Zebulon strahlte über das ganze Gesicht und half ihr ungeschickt, ihren Umhang und Wehrgehänge anzulegen. Sie trug ihr schlankes Schwert und eine leichte Pistole. Zebulon schleppte ein brutal aussehendes Schwert an der Seite und hatte eine wuchtige Boltpistole im Holster.

Die Psionikerin staunte nicht schlecht, als schon ein kleiner Taxigleiter auf einer Landeplattform in der Höhe des Archivs im Hauptturm auf sie wartete. Da hatte sich wohl jemand gut vorbereitet. Der Explikator half ihr beim Einsteigen, was zwar nicht nötig, aber irgendwie süß war. Da half nun der hünenhafte Kerl dem zierlichen, aber durchtrainierten Mädchen in die Kabine. Die Inneneinrichtung war luxuriös; Ledersitze, edle Holzpaneele verkleideten den Innenraum. Es war erstaunlich leise in der Kabine, als der Gleiter abhob. Zebulon stierte angespannt geradeaus und schien angestrengt zu überlegen, wie er ein Gespräch anfangen konnte. Syntyche konnte das gut nachfühlen, da sie ebenfalls krampfhaft nach einem Stoff suchte, über dem man sich unterhalten konnte. Im Geiste ging sie die potentiellen Themen durch. Dabei fiel ihr auf, dass sie keine Ahnung hatte, was Zebulon interessieren könnte. Was kein Wunder war, da er vorher ihr gegenüber nie Sätze von mehr als zwei Buchstaben hat fallen lassen. Über die Arbeit wollte sie nicht reden. Was blieb dann noch übrig? Ob er gerne Bücher las? Sie las gerne, besonders romantische Liebesgeschichten hatten es ihr angetan. Oder manchmal auch dramatische Liebesgeschichten und ab und zu tragische Liebesgeschichten. Aber wahrscheinlich war das nicht seine Richtung. Ob er Filme mochte? Sie hatte keine Ahnung. Mattan mochte Filme und hatte auf seinem Datablock eine große Menge davon, aber Zebulon? Ihr fiel auf, dass sie nur seinen Namen kannte, sonst nichts und das obwohl sie schon seit einem halben Jahr tagtäglich mit ihm zu tun hatte.

"Hm!", meinte Zebulon schließlich, in seine alte Gesprächigkeit zurückfallend.

"Genau!" war das geistreichste, was ihr einfiel, um die Stille zu unterbrechen.

Zum Glück dauerte der Flug in den Sonnenuntergang nicht allzu lange und sie wurden vor einem noblen Restaurant abgesetzt. Ein Lakai riss die Tür auf und half ihr ehrerbietig nach draußen. Sie schritten über einen roten Teppich in den Eingang, der von einem Türsteher für sie geöffnet wurde. Zebulon schien einen Tisch reserviert zu haben, denn ein eifriger Kellner führte sie an einen Tisch mit drei Gedecken. Zebulon stolperte beinahe, als er ihr ungeschickt den Stuhl zurecht machte. Sie wurden beide wieder rot wie Tomaten. Der Ober drückte ihnen eine schön gestaltete Karte auf Pergament geschrieben in einem Ledereinband in die Hände. Das Restaurant machte einen sehr gehobenen Eindruck. Sie sah viele Uniformträger im Offiziersrang. Hauptsächlich PVS, aber auch Imperiale Marine. Auch viele Leute in aufwendiger Garderobe. Auf einer Bühne spielte eine Musikgruppe und eine hübsche Sängerin in einem schwarzen Kleidchen hauchte ein Lied über die Vergänglichkeit der Liebe in ihr Mikro. Oh, wie romantisch!

"Drei Gedecke? Kommt noch jemand von den anderen?" Hoffentlich kam nicht noch Shiloh, das würde ihr den Tag versauen. Mattan wäre dagegen willkommen, der alte Mann war zwar ziemlich seltsam, aber nicht so irre wie Interrogatorin.

"Das dritte ist für Tekoa."

"Hä?" Jetzt war es mal an ihr, mit zwei Buchstaben zu antworten.

"Auf meinem Heimatplanet war es üblich, dass man für die Toten nach ihrer Beerdigung ein Gedeck auflegt. Man gibt ihnen so eine letzte Mahlzeit mit." Er kramte aus seiner Tasche ein Bild mit Rahmen und Trauerflor heraus und stellte es vor den Teller. Tekoa war darauf zu sehen, viel jünger, noch mit natürlichem Schädel, seine hellen Haare zu einem Scheitel gekämmt, ohne die ganzen hässlichen Kabel und die Stahlplatte. Er trug eine graue Uniform mit bronzenen Epauletten. Auf der Brust prangten einige Orden. Da sie keine Ahnung von militärischen Klimbim hatte, konnte sie die Bedeutung der Ehrenzeichen nicht abschätzen.

"Darüber wird er sich bestimmt freuen." Ihre Worte klangen so hohl. "Ich vermisse ihn, obwohl ich ihn kaum gekannt habe." Das war fast genauso trivial. Aber wenigstens entsprachen die Worte der Wahrheit. Sie vermisste ihn, weil er einfach derjenige gewesen war, mit dem sie noch halbwegs normal hatte reden können. Auch wenn er sie mal am Po angefasst hatte und sie ihm darauf eine Ohrfeige gegeben hatte. Zebulons Konversationskünste beschränkten sich auf "Hm!", Shiloh war irre, Havilah konnte überhaupt nicht reden, Matten faselte dagegen schon wieder zu viel, von dem sie nur die Hälfte verstand und der Alte putzte sie eh nur runter.

"Ich habe ihn fast zehn Jahre gekannt. Er war der letzte Überlebende seines Regiments, der noch bei klarem Verstand war. War ne üble Sache gewesen, klassifiziertes Zeug, wäre nach Standardprozedur zu seinem eigenen Besten ausgemustert worden. Aber Inquisitor Tabelmann hat ihn einfach zu seinem Schergen ernannt und so den Vorschriften ein Schnippchen geschlagen. Das macht der Alte öfters. Hat so eigentlich bis auf dich sein ganzes Gefolge eingesammelt. So bärbeißig er sich auch gibt, innen ist er butterweich. Und das wird ihn eines Tages umbringen." Das Wort "weich" in Bezug auf dem Alten kam ihr doch etwas fehl am Platze vor. Sie hielt ihn für eine ziemlich harte Sau, die über Leichen ging. Notfalls auch über ihre Leiche, um sein Ziel zu erreichen.

"Wie habt Ihr den Alten kennen gelernt?"

"Auch wenn ich einen Rang höher als du bin, wird es vielleicht Zeit, dass du mich duzt. Ich bin auf einer Ranch aufgewachsen, eigenes Land, eigene Herde, rückständiger Planet, hatten eine Eisenbahn und Luftreifenfahrzeuge, aber kaum Luftverkehr. Meine Familie hat Ringhörner gezüchtet, kamen damit gut über die Runden. Ich leistete mein zweijährigen Grundwehrdienst bei der PVS, als meine Einheit vom Alten angefordert wurde. Ist inzwischen auch schon weit über zwanzig Jahre her. Hat sich als klassifizierte Sache herausgestellt, hab als einziger überlebt und wäre wohl den normalen Weg gegangen. Aber der Alte hat gemeint, er hätte eine angemessene Arbeit für so einen starken großen Kerl wie mich. Na ja, ich hatte ja groß keine Wahl und bin mitgegangen. Normalerweise hätte er mich auch ausmustern müssen. Du kennst ja die Vorschriften in solchen Fällen." Sie unterbrachen die Unterhaltung, als der Ober kam und ihre Bestellung aufnahm. Auf diesem Planeten wurde neben dem Essen wohl sehr auf die Wahl des Weines wert gelegt. Der Ober fragte sie ein Loch in den Bauch mit Begriffen, mit denen sie nichts anfangen konnte. Sie löste das Problem, in dem sie einfach der Empfehlung des Obers folgte, der in diesem Bereich einen kompetenten Eindruck vermittelte.

"Wie kam eigentlich Shiloh in das Gefolge?"

"Ähnliche Geschichte. Sie kommt von Thoth, öder Wüstenplanet, während dem Macharius Kreuzzug wurde dort eine Säuberung durchgeführt, die wohl nicht nachhaltend genug war. Jedenfalls hat sich dort wieder einer dieser Kulte gebildet und zwar die von der brutalen primitiven Sorte, du verstehst?" Syntyche nickte, Khorne, passte zu der Psychopathin. "Shilohs Familie wurde gefangen genommen und durch den Fleischwolf gedreht. Sie blieb als einzige übrig, armes Ding, wir haben sie in Ketten gelegt und mit Blut übergossen gefunden. Normalerweise hätten wir sie zu ihrem eigenen Besten dem Imperator überstellen müssen. Aber der Alte hatte gleich einen Narren an ihr gefressen, erinnerte ihn irgendwie an seine kleine Schwester. Die Kleine sich ziemlich gemacht." Da war Syntyche etwas anderer Meinung.

"Dann hat sie also weniger Dienstjahre als du?"

"Ja, hat mich recht schnell überholt. Ich bin schon seit Ewigkeiten Explikator und werde das wohl bleiben."

"Ist das nicht problematisch für dich, Befehle von jemanden zu empfangen, der viel jünger als man selbst ist?" Und der total durch geknallt ist und echt was an der Waffel hat?, fügte sie in Gedanken hinzu.

"Shiloh hat schon was drauf. Sie ist clever, hat eine gute Spürnase und ist eine gute Kämpferin. Ich kann nur foltern und töten. Darin bin ich nun mal gut und der Alte weiß das." Zum Glück kam nun die Suppe, welche als Vorspeise diente und ersparte so Syntyche eine Antwort. Sie hatte miterlebt, wie Zebulon folterte. Sie hatte erst einen richtigen Einsatz miterlebt und der war gegen einen Slaaneshkult auf Delcita II gegangen. Sie hatte immer noch Albträume davon. Schnell schüttelte sie die Erinnerung daran ab.

Nach der Suppe wurden in schneller Folge die fünf Gänge des Menüs aufgetischt, auch für Tekoa, der bekanntlich nichts mehr essen konnte. Diese Brauch war schon etwas befremdlich. Das Essen war wirklich gut und sie war pappsatt, als das Dessert aufgetragen wurde.

"Wie bist du eigentlich aufgewachsen?"

"Ich komme von Nenihon. Eine schöne zivilisierte Welt, wo die Menschen im Einklang mit ihrem Planeten leben. Wir waren sehr lange Zeit unabhängig, bis Solar Marschall Macharius uns zurück ins Imperium geführt hat. Wir haben deswegen eine sehr stark abweichende Glaubensrichtung. Wir glauben an den Gottimperator, aber auch, dass in jedem Ding ein Stück von ihm ist. Mein Vater war Schwertschmied. Das ist ein sehr angesehener Beruf, da man als Schwertschmied nicht nur ein Handwerker ist, sondern auch ein Priester. Meine Familie hatte einen kleinen Schrein, der aus der Schmiede mit Werkstatt, einem Meditationsgarten, einem kleinen Schrein, einer Übungs- und Vorführhalle bestand. Natürlich hatte meine Familie noch ihren eigenen Wohnbereich. Ich hatte ein eigenes schönes Zimmer. An der Decke hatte mein Vater mit Leuchtfarbe einen Sternenhimmel gemalt, der im Dunkeln dann glitzerte. Als ich noch ganz klein war, wollte ich weitere Sterne dazu sammeln, weil ich nicht kapierte, dass an der Decke nur fluoreszierende Spielsteine waren. Also bin ich aufs Dach geklettert und wollte in der Nacht weitere Sterne vom Himmel einsammeln, um sie dann für mich ganz allein an die Decke zu hängen. Meine Mutter hat vielleicht geschimpft, als sie mich nur im Nachthemd bekleidet vom Dach herunter holte. Ich bekam zwei Wochen kein Nachtisch mehr." Syntyche lachte und auch Zebulon lächelte ein ganz klein wenig. "Mein Vater ist ein Meisterschmied und deswegen wurden seine Schwerter hochgeschätzt. Viele hohe Offiziere haben sich bei ihm ihre Seitenwaffe schmieden lassen. Ein Schwert wurde sogar für würdig genug gefunden, es einem Space Marine Orden zum Geschenk zu machen.

Ich war die Schreinjungfrau des Tempels, war ja auch die einzige Tochter. Wenn ich keine Schule hatte, habe ich entweder die Leute am Eingangstor des Schreins begrüßt, habe im Laden ausgeholfen, habe den Meditationsgarten gepflegt und die Kieselwege gerecht. Als Schreinjungfrau durfte ich auch die Schwerter auf ein Kissen zurechtgelegt auf den Altar platzieren. Als ich dann etwas älter war, konnte ich auch Schnittproben an Bambusstäben durchführen. So wurde jedem klar, dass die Waffe wirklich scharf war, da ich ja nur mit der Kraft eines Mädchens zuschlagen konnte. Ich habe auch den Papierschnitt beherrscht, dass ist eine ziemlich schwierige Übung. Man legt zwei Blatt Papier übereinander und die werden senkrecht gehalten. Nun muss man die erste Seite durchschneiden, ohne die zweite zu berühren. Was sehr schwer ist, aber ich konnte das." Und sie erzählte zwei Stunden lang, plapperte drauf los wie seit Jahren nicht mehr. Erzählte Anekdoten, aus ihrer Zeit als Schreinjungfrau und Schülerin. Und auch Zebulon erzählte lustige Begebenheiten aus seiner Jugend. Wie er mal betrunken versucht hatte, einen Mickey Ringhornbullen zu reiten.

"Die Musik ist so schön! Wie wäre es, wenn wir etwas tanzen?", fragte Syntyche schließlich.

"Hm! Ich bin kein besonders guter Tänzer", antwortete Zebulon nach kurzem Zögern.

"Egal, ich kann das auch nicht besonders gut. Aber so schwer kann das doch nicht sein." War es aber leider doch, Zebulon war wirklich kein guter Tänzer, ein Stein hatte mehr Rhythmusgefühl als er. Bevor er ihr die Füße zertrat, ließ sie es nach einem Tanz gut sein.

Schließlich wurde es spät und die letzten Gäste gingen. Damit war es auch Zeit, dass sie aufbrachen. Syntyche merkte, dass sie beschwipst war. Und das in Ausgehuniform. Auch Zebulon war angeheitert. Wenn sie jetzt in diesem Zustand von Shiloh oder dem Alten erwischt wurden, Autsch! Das würde mächtigen Ärger geben. Verdammt mächtigen Ärger. Aber sie bestiegen einfach den nächsten Taxigleiter und schwebten zurück zu ihren Gästequartieren im Turm.

"Es war ein schöner Abend, Zebulon."

"Mir hat er auch gefallen."

"Bei Gelegenheit können wir das mal wiederholen." Die junge Psionikerin stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte seinen Kopf nach unten. Ihre Lippen berührten sich kurz und es war wie ein elektrischer Schlag. Beide liefen sie wieder rot an, stammelten ein Gute Nacht und schlichen in ihre Quartiere, in die sie ohne Zwischenfälle schlüpfen konnte. Zum ersten Mal seit Jahren schlief Syntyche mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen ein.

Position:

Imperium

Segmentum Pacificus

Sektor Jyoti

System Ghersom

Planet Ghersom IV

Nördliche Hemisphäre

Kontinent Ephrat

Kathedralsstadt

Öffentliche Zentralbibliothek

Zeit: 1 586 996.M41

Person: Shiloh

Das Geschäft des Steinmetzes lag direkt an einer großen Zufahrtsstraße der Kathedrale. Der Empfangsraum wirkte etwas überladen mit seinen vielen Ausstellungsstücken, die von kompletten steinernen Sarkophagen, bis zu kleinen goldenen Zierfiguren reichten. Auch einige Urnen standen in den Regalen. Ein älterer Mann in dezenter Kleidung stand hinter der Ladentheke und musterte sie irritiert. Eine leibhaftige uniformierte Angehörige der Inquisition war in den seltensten Fällen ein normaler und nie ein willkommener Anblick.

"Der Imperator sei gepriesen, womit kann ich dienen?" fragte der Bedienstete nervös.

"Der Imperator beschützt! Ich brauche eine Urne." Schon lange hatte sie die Aufgabe aufgeschoben, für die Verwandten von Gavri Pilgerstochter ein pietätvolles Gefäß zu finden, um deren Überreste bestatten zu können. Der Chef hatte nach langem Überlegungen schließlich zugestimmt, den Wunsch des Pilgermädchens zu entsprechen, nachdem Mattan die Überreste mit allen ihn zur Verfügung stehenden Mitteln untersucht und für unbedenklich erklärt hatte. Trotzdem waren sie zermahlen und verbrannt worden, bis nur noch ein Häufchen Asche übrig geblieben war.

"Hier haben wir einige sehr schöne Modelle für den gehobenen Bedarf." Der Mann mit den grauen Haaren zeigte auf ein Regal, in dem schöne Urnen aus verschiedenen Arten von Stein, Keramik und edlen Metallen standen. Ihr Blick blieb an einer haften, die aus rotem Marmor bestand.

"Diese rote Urne dort, die würde ich mir gerne mal näher ansehen." Der Angestellte wuchtete die schwere Urne auf den Verkaufstresen und Shiloh betrachtete fasziniert die Musterung des Steines. Die Art der verschnörkelten Verzierungen war unverkennbar. Diese Urne war eindeutig in ihrer Geburtsstadt gefertigt worden, bevor diese ausgelöscht worden war. Sie hob den Deckel und sah das Blut im Innern der Urne schwimmen, wie es hochquoll und mit einem Strahl sie besudelte. Alles färbte sich rot um sie und sie sah wieder die roten Männer, sah, wie sie mordeten, sah, wie ihre Welt in einem Meer von Blut versank. Dann endete die schreckliche Vision und sie taumelte zurück. Beinahe wäre sie gestürzt, der Mann konnte gerade noch die Urne festhalten, sonst wäre sie herunter gefallen.

"Alles in Ordnung?"

"Ja, sicher, nur die Luftumstellung, wissen sie?" Eine blödere Ausrede fiel ihr nicht ein, aber manche Passagiere von Raumschiffen brauchten doch meist mehrere Tage um an sich die Luft und Gravitation eines Planeten zu gewöhnen.

"Aber natürlich. Diese Urne ist ein wirklich schönes Stück. Sie stammt von der Welt Toth, genauer gesagt aus einer Werkstatt der berühmten Bildhauerstadt Ramlo-la-Filash. Die Maserung des Marmors ist von erlesener Qualität. Die Handwerkskunst vollendet. Leider wird von dort nichts mehr geliefert", erzählte der Mann, wohl um mit einem Gespräch den Vorfall zu überspielen. Sie hätte jetzt erzählen können, warum aus dieser Stadt nichts mehr geliefert wurde, aber sie verkniff sich jeden Kommentar und versuchte sich auf das jetzt zu konzentrieren. Solch eine Vision hatte sie noch nie am Tag im wachen Zustand gehabt. Sicherlich Albträume, oft wachte sie schreiend auf, in Schweiß gebadet und im ersten Moment dachte sie immer, es wäre Blut, das an ihr klebte. War das ein Zeichen? Eine Vision? Oder spielten ihre Nerven ihr nur einen Streich? Gestern wäre sie beinahe bei diesem dämlichen Spiel drauf gegangen und wäre die total beschränkte Syntyche nicht gewesen, sie wäre in den Tod gestürzt. Dieser kleinen halbdebilen Schwachsinnigen das Leben zu schulden war eine äußerst demütigende Erfahrung gewesen.

"Ich nehme sie!" Die Ketzerin hatte sie für diese Aufgabe großzügig entlohnt und die Urne kostete nur ein Bruchteil dessen, was sie dafür bekommen hatten. Sie gab das kompakte Beutelchen mit den zermahlenen Überresten in die Urne und lies sie sich gleich gut einpacken. Mit einem Gleitertaxi ließ sie sich zur Frachtbörse kutschieren. Die befand sich im Nebenflügel des Hauptgebäudes des Raumhafens und war ein hoher Raum, in dem unzählige Agenten und Bedienstete von Handelshäusern und Freihändlern ihrer Arbeit nachgingen. Die dunkle Frau suchte sich einen freien Cogitator und gab die Maße, das Gewicht und den Zielort ihrer Fracht ein. Nach einer Viertelstunde hatte sie fünf Angebote verschiedener Häuser und Gesellschaften, die Fracht zu übernehmen. Sie nahm das Angebot, welches direkt nach Terra ging, da Fracht die Angewohnheit hatte zu verdunsten, wenn sie mehr als einmal umgeladen wurde. Der Agent mit dem sie es schließlich zu tun hatte, war ein dürrer alter Mann in der grell bunten Uniform seines Handelshauses, dessen Lächeln gefror, als er erkannte, für wen er die Fracht befördern sollte. Sofort ging er freiwillig mit dem Preis herunter. Shiloh hätte ihn auch zwingen können, die Fracht umsonst zu transportieren, als Angehörige der Inquisition brauchte sie nur mit ihrem kleinen Siegel mit der Säule zu wedeln und konnte jede Art von Dienst einfordern. Aber es gab die Anweisung, dies nur in Notfällen zu tun und lieber zu bezahlen. Ohne weiteres Gefeilsche akzeptierte sie den neuen Preis und eine den Agenten begleitende Lexikanuseinheit schrieb die notwendigen Papiere. Nachdem sie bezahlt hatte, übergab sie ihr Paket direkt an den Agenten, der sofort einen Träger herbei rief und das Gepäckstück mit äußerster Fürsorge persönlich zum Raumschiff schaffte. Frachtstücke der Inquisition verschlampte man nicht, wenn man zukünftig Nachts ruhig schlafen wollte.

Draußen nahm sie sich als Taxi ein Bodenfahrzeug, das elektrisch angetrieben wurde. Als erstes fuhren sie in das Geschäftsviertel. Vom Boden aus sah man andere Dinge, als aus der Luft. Diese Welt war sauber, ordentlich und in den Schaufenstern gab es viele interessante Dinge zu sehen. Sie bezahlte den Taxifahrer und steig aus. Shiloh bewegte sich mit dem Strom, betrachtete die Auslagen der Schaufenster, sah die schönen Dinge, die es hier zu kaufen gab. Trotz des vielen Verkehrs war die Luft angenehm, keine Spur der sonstigen Verschmutzung der Luft, wie das auf den meisten zivilisierten Planeten üblich war.

In einer Eisdiele nahm sie einen Eisbecher zu sich, eine Delikatesse, die ihr einst unvorstellbar gewesen war. Gefrorenes Wasser zum Essen. Das Kind der Wüste genoss jedes Stückchen. Dabei sah sie sich die Menschen an, die an der Eistaverne vorbeiflanierten. Viele Familien waren zu sehen, welche das freundliche Wetter für einen Einkaufsbummel in den frühen Abendstunden nutzten. Schließlich erinnerte sie sich daran, dass sie nicht als Müßiggängerin hier war, sondern noch zu arbeiten hatte. Ihr Ziel war nicht weit von hier. Ein kastenförmiges Gebäude mit sehr großen gotischen Fenstern. Vor dem Platz war ein großer Brunnen, auf dem das Wasser über mehrere Ebenen nach unten plätscherte. Kleine halbnackte Kinder tollten unter der Aufsicht ihrer Mütter in dem Becken und ihr lachen und quietschen erfüllte die Luft. Aus einiger Entfernung sah sie dem Spielen der Kinder zu. Wie gerne hätte sie auch so was Kleines, aber leider waren Mutterfreuden ihr verwehrt. Das war nun mal mit ihrem Beruf nicht vereinbar.

"Der Brunnen der Erkenntnis" stand dort auf der Umrandung. Jede Ebene wurde von einer überlebensgroßen Statue eines Menschen gekrönt. Frauen wie auch Männer waren zu gleichen teilen vertreten. Sie trat näher, um die Inschriften zu lesen. Es schien sich um Gönner der Bibliothek, wie auch um auf diesem Planeten berühmte Wissenschaftler, Autoren und Künstler zu handeln. Auf der obersten Ebene war ein Mädchen zu sehen, dass einen kleinen schwarzen Hund auf dem Arm trug. Dieses Standbild war ohne Inschrift, wahrscheinlich war die Person auf diesem Planeten so berühmt, dass sie keiner Erklärung bedurfte. Die Glocken der Kathedrale ertönten und erinnerten die Interrogatorin daran, dass sie noch was zu erledigen hatte und sie ging in die Bibliothek.

Shiloh betrachtete die Empfangshalle der größten Bibliothek dieses Planeten. Der große lichtdurchflutete Raum machte einen modernen und gemütlichen Eindruck. Sie ging auf einen der Empfangsschalter zu, über dem groß Information stand. Eine alte Frau um die Fünfzig mit einem aufgetürmten Haarknoten saß dahinter. Sie trug eine Brille und einige feine Drähte wanden sich kaum sichtbar an eine Verwaltungseinheit, die sie wie eine Schärpe um die Schulter gelegt trug. Frau Geldschekel stand auf ihrem Namensschildchen.

"Womit kann ich dienen, Frau Interrogatorin?" Es war selten, dass sie auf Anhieb mit ihrer korrekten Bezeichnung angesprochen wurde. Shiloh trug noch die Ausgehuniform von der Beerdigung am Vormittag und hatte an Waffen nur ihr krummes Energieschwert und eine Boltpistole dabei. Sie kam sich fast nackt vor.

"Ich suche Bücher über Imperiale Kunst, haben sie so was da?"

"Wir führen in gedruckter Form Siebenundvierzigtausend Exemplare im Bestand, dazu noch etwa hunderttausend in gespeicherter Form." Dieses Überangebot hatte sie nicht erwartet, da musste sie wohl genauer werden, wenn sie sich nicht durch tausenden von Büchern wühlen wollte.

"Mich interessiert die Periode zwischen M29 bis M33. Besonders die Darstellung von Engeln interessieren mich näher." Die Frau sah sie neutral an.

"Da bleiben noch insgesamt zweitausend Bücher im Bestand und siebentausend in gespeicherter Form übrig. Erlauben sie, dass ich eine Vorauswahl treffe?"

"Ja, dass dürfen sie." Shiloh hatte keine Lust Jahrelang in dieser Bibliothek zu hocken und Bücher bis zum Erbrechen zu wälzen. Recherche war definitiv nicht ihre Stärke und sie war über jede Art von Hilfe froh.

"Bitte folgen sie mir," meinte die Frau nach ein paar Sekunden und sie lief voraus. Auf dem Weg in ein oberes Stockwerk schloss sich ein Servitor an, der ein Wägelchen schob und über einen großen ausfahrbaren Arm verfügte. Die kleine Gruppe lief mehrere Regalwände entlang, die teilweise bis zu zehn Meter hoch waren und nur über bewegliche Leitern erreicht werden konnten. Immer wieder griff der Servitor einzelne Exemplare oder ganze Buchreihen aus dem Regal und stapelte das Wägelchen so voll, dass die Räder anfingen zu quietschen. Ihre Reise endete in einem Raum, der eine Datakonsole mit einem sehr großen Bildschirm enthielt, dazu noch einige Tische, einen bequem aussehenden, lederbezogenen Bürosessel und einem Teekocher, auf welchem schon ein Tee köchelte und eine große Dose mit Keksen. Es war selten, dass jemand ohne ihr dazutun so gut alles vorbereitete. Die junge Frau hängte ein kleines Schildchen neben die Tür, welches anzeigte, dass dieser Raum nun von der Inquisition requiriert war. In dem Schildchen war auch eine kleine Kamera angebracht und sogar ein schwaches Lasersystem zur Abwehr von Angreifern war darin integriert.

"Falls sie noch etwas brauchen, ich stehe ihnen bis 18.30 Uhr zur Verfügung. Danach wenden sie sich bitte an die Sicherheitszentrale, Hausleitung die 5 wählen. Hygieneräume befinden sich im Erdgeschoss." Die Frau ließ sie alleine und Shiloh begann das Material zu sichten, nachdem sie sich eine Tasse Tee eingeschenkt hatte und einen der Kekse probiert hatte. Vorher überprüfte sie diese Lebensmittel darauf, ob sie vergiftet waren, was nicht der Fall war. Aber man konnte nie vorsichtig genug sein.

Die Interrogatorin fand schnell heraus, dass Engelsdarstellungen im fast gesamten Imperium allgegenwärtig waren. Der Primarch der Blood Angels, Sanguinius schien oft abgebildet worden zu sein. Aber auch Engel ohne Servorüstung fanden sich in vielen heiligen Bildern und Monumenten. Allerdings meistens als Zierwerk, und nicht als zentrale Figur. Was ihr bei der Sichtung auffiel, Dämonen waren teilweise auch sehr realistisch in vielen Fresken, Bildern und Monumenten mit eingearbeitet worden. Kämpfe zwischen einem Engel oder Sanguinius und Dämonen waren im M31 und M32 ein beliebtes Thema. Dafür, dass allein heutzutage schon das Wissen um Dämonen eine Internierung oder Liquidation zur Folge hatte, schien man damals mit dem Thema recht locker umgegangen zu sein.

Je mehr Bilder sie sah, desto gewisser wurde sie, dass der Erzengel Gabriel wirklich existiert hatte. Dämonen waren Fakt, der Imperator war Fakt, die Primarchen waren Fakt, warum sollten dann als einziges die Engel auf den Bildern nicht real sein? Sie fand auch einige Bilder, Fresken und Monumente, auf denen ein Engel die zentrale Figur war. Manche Monumente waren bis zur Unkenntlichkeit zerstört worden, aber manch Archäologe hatte sie wieder ausgegraben und zusammen gesetzt. Herad hatte Unrecht, wenn er glaubte, dass ein Tzeentchdämon in Gavri Pilgerstochter steckte. Da war was ganz anderes drin. Etwas sehr schönes. Etwas, was ihre Seele würde retten können, wenn sie nur mit ihr reden würden könnte. Und das war das Problem, wie sollte sie Herad nur klar machen, dass er ihrer Meinung auf dem Holzweg war? Dass er sich in eine Theorie verrannte, die zwar in sein Weltbild passte, aber eben nicht stimmte, nicht stimmen durfte. Das würde ein hartes Stück Arbeit werden und wenn sie sich zu weit vorwagte, würde das ihr Tod sein.

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Was mir ja an der Geschichte besonders gefällt, ist, dass auch die Gegenseite Tiefe und Charakter bekommt und nicht nur gesichtsloses Kanonenfutter abgeben darf. Das stört mich ja an den 40k-Romanen, die ich bisher gelesen habe: da greifen die Chaoskultisten an, weil sie eben die ,,Bösen" sind. Ist halt einfach so. Da finde ich es hier sehr schön, dass auch die Motive der einzelnen Charaktere rüberkommen. Und die Streitgespräche innerhalb der Inquisitionstruppe bringen auch noch eine gewisse Menge Humor rein.

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ich hab mich mal hier durchgearbeitet und muss sagen, dass deine Geschichte mindestens so gut wie ein gedrucktes Buch ist:ok::ok::ok::ok::ok::ok::ok::ok::ok::ok::ok::ok::ok::ok::ok::ok::ok::ok::ok::ok:

Wenn du mal Geld brauchst, kannst du die Geschichten sicher gut an einen Verlag verkaufen...

mfg Lukas

Wer nicht Waaagh!t, der nicht gewinnt.

Mein P250

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Muss mich hier als stiller Mitleser doch mal zu Wort melden.

Ich finde deine Story echt packend und du hast mich damit in "deinen" Bann gezogen.

Jedoch fand' ich dein "erstes Buch" irgendwie besser.

Ich weiß nicht genau woran das liegt, vlt. daran, dass du die Inquisition und den ganzen Background doch als eher so "gewöhnlich" beschreibst, als könnte es auch die Gegenwart sein. Es fehlt eine gewisse Dunkelheit. Klar willst du beide Fraktionen detailliert beschreiben. Aber die Inquisition finde ich eher ne Lachnummer. Ich musste jedenfalls schmunzeln, als die Jungz und Mädelz die Katakomben erkundet haben.

Dann Spielkonsolen, Eisdielen etc.

Ich finde es gut, dass die Inquisition dieses mal nicht dieses "platte böse" ist, aber hier ist es für mich momentan kein "Feind" den man fürchten müsste

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Wieder schöne Kapitel :)

Ich finde es gut so, zeigt eben das die mit dem I auch nur mit Wasser kochen. Der hier zumindest^^ Warscheinlich kommt das auch nur deswegen weil man ihnen quasi 'über die schulter schaut'. Aus der sicht einer normalo-person betrachtet (innerhalb dieser geschichte) würden die auch dunkel wirken.

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Vielen Dank für das viele Feedback. Die Inquisition darf man nicht als monolithischen Block verstehen, sondern als eine Organisastion, die in sehr viele Fraktionen aufgespaltet ist. Die meisten Inquisitoren die in den offiziellen Publikationen vorgestellt wurden, sind meist recht radikale Vertreter ihrer Fraktion. Ich versuche, Herad und seine Schergen als Menschen mit einer schweren Bürde, welche ihre Amt ihnen auferlegt, zu beschreiben. In manchen Punkten wirken sie vielleicht harmlos, aber sie sind es nicht. Später wird es auf ihrem Weg noch ziemlich düster und blutig werden. Ghersom IV ist auch keine düstere Makropolwelt, wo schon die Luft rationiert ist, sondern eine gut entwickelte und organisierte imperiale Welt.

Kapitel V

Position:

Imperium

Segmentum Pacificus

Sektor Jyoti

System Ghersom

Planet Ghersom IV

Nördliche Hemisphäre

Kontinent Ephrat

Kathedralsstadt

Zeit: 1 585 996.M41

Person: Herad Tabelmann

Das Polizeirevier Nordwest II war eine typische freistehende Polizeibastion aus zusammengenieteten Stahlplastplatten, darauf ausgerichtet, autark einer Belagerung von mindestens zwei Wochen standzuhalten. Erker mit den Läufen von Maschinenkanonen und Gewehren ragten hervor. Diese Waffen waren anscheinend schon seit Ewigkeiten nicht mehr bewegt worden, weil er mehrere Vogelnester sehen konnte, welche die beweglichen Läufe als Fundament für ihren Nistplatz benutzten. Auf dem Dach stand ein mehrläufiges Lasergeschütz. Herad landete seine Valkyre gegenüber auf einen Gleiterlandeplatz und verscheuchte dabei eine Gruppe Kinder, die auf dem Platz ein Ballspiel am Laufen hatten. Die kleinen Bälger sahen mit großen Augen tuschelnd zu, wie er aus der Pilotenkanzel der Walküre kletterte.

Die Polizeibastion hatte einen Zugang für Fahrzeuge über ein Tor, das in die Tiefgarage führte und einen ebenerdigen Eingang, der in einen sich verengenden Raum mit zwei Türen und dem gepanzerten Empfangsschalter führte. An den mit verschiedensten Zettel tapezierten Wänden entlang waren Besucherbänke angebracht. Inquisitor Herads Blick streifte über die Zettel. Da wurden Katzen und Hunde vermisst, Dinge waren verloren oder gefunden worden, aber auch Menschen wurden so gesucht. Ein Steckbrief zeigte sogar Gavri Pilgerstochter. Er sah einen weiteren Zettel von diesem vermissten Pilgermädchen, aber auf dem zweiten Blick erkannte er, dass es sich um ein anderes Kind handelte, das dieser Abigail Talmun nur ähnelte. Und da waren noch mehr. Während die einzigen Besucher und der Wachhabende ihn abschätzend und etwas furchtsam musterten, riss er insgesamt zwei Dutzend Vermisstenbilder ab. Alles Mädchen, alle blond, alle blauäugig, alle sehr hellhäutig, als ob es Geschwister von Gavri Pilgerstochter seien. Und allen war gemeinsam, dass sie recht ansehnlich waren, schüchtern aber doch mit einem gewissen Etwas ausgestattet, was sie sehr charismatisch wirken lies. Der älteste Zettel war schon vergilbt und über zehn Jahre alt, der neuste war vom vorletzten Monat.

Ungeniert sortierte er die Zettel und breitete sie dem Datum nach geordnet auf einer der Bänke aus, dazu legte er den von Abigail Talmun, den er immer noch mit sich herumtrug, seit ihm ihre Mutter ihn in die Hand im Besuchszimmer des Kardinals gedrückt hatte und den Gavri Pilgerstochters. Zettel mit Abigails Konterfei hing hier ebenfalls gleich mehrmals im Raum herum. Die Abstände waren unterschiedlich, aber jedes Jahr war mindestens eines verschwunden, in manchen sogar vier. Er sammelte die Zettel wieder ein und ging dann zum diensthabenden Beamten, der ihn mit Freuden an den vermerkten Justizbeamten verwies, der den Fall damals bearbeitet hatte. Den fand er im dritten Stock, das Eckbüro verfügte über zwei schießschartenartige Fenster, durch die Licht in den ordentlich aufgeräumten Raum sickerte. Der blau uniformierte Ermittler, ein ergrauter Mann mit Stoppelhaarfrisur um die Sechzig, körperlich aber noch auf der Höhe, konnte sich recht gut an den Fall erinnern. Und an weitere Details, die in keinem Bericht erwähnt worden waren.

"Diese Blutraptoren waren richtige Schweinehunde gewesen. Die haben tatsächlich Pilger geschlachtet und deren Fleisch verkauft. Sie müssen wissen, in dem Viertel, wo die gehaust haben, verirren sich oft Pilger, die bis in der Nacht in der Kathedrale waren und dann einen der Nebenausgänge nehmen. Dort gibt es in Sichtweite viele kleine Schenken für den schmalen Geldbeutel. Die trinken dann meist noch was und wissen dann bald nicht mehr, wo sie sind. Und das zweite Problem ist, dieses Viertel befindet sich im Schatten der Kathedrale und damit ist es ein Bereich, welcher der Verwaltung der Ekklesiarchie und deren Ordnungskräften untersteht, die nicht besonders kompetent sind. Während der Zeit der Apostasie gab es um die Kathedrale noch einen separaten Festungsgürtel und markierte so deren Bereich. Der Festungsgürtel war so gebaut, dass er im Schatten des Turmes lag. War irgend so eine Klausel in einem uralten Vertrag gewesen. Jedenfalls wurde der Festungsgürtel zum größten Teil nach Ende der Apostasie abgerissen und der frei gewordene Platz wurde ohne Genehmigung neu bebaut, lag nun aber auf Grund von Kircheneigentum. Gab deswegen viel Hickhack, wer nun letztendlich dafür zuständig ist, die städtischen Behörden oder die der Ekklesiarchie. Auf alle Fälle gibt es jedes Mal Ärger mit der Ekklesiarchie, wenn wir dort hin einrücken wegen irgendwelcher Verbrechen. Einige verbrecherische Elemente nutzen diese Unsicherheit aus und es gibt dort einige unangenehme Banden. Die meisten bleiben in ihrem Bereich und beschränken sich darauf, ihre Mädchen auf den Strich zu schicken oder illegale Substanzen zu verkaufen. Aber die Blutraptoren waren eine Nummer härter, die waren richtig übel!"

"Wurden die Mörder von denen je gefasst?"

"Nein, wir hatten auch keine wirklichen Zeugen. Nur ein total betrunkener Pilger, der sich dort zwischen Müll verkrochen hatte und angeblich die Auseinandersetzung gesehen haben wollte. Aber seine Aussage war so total verworren, dass es mir nicht mal die Mühe Wert schien, sie aufzunehmen."

"Können sie sich noch erinnern, was er gesagt hat."

"Nun ja, er meinte, er hätte ein Pilgermädchen in einem Kommunionskleid gesehen. Pilgerzopf, helle Haare, bleiche Haut, etwa zwölf Jahre alt. Sie hätte mit denen geredet und einen dazu gebracht zu fliehen. Dann hätte das Mädchen die Blutraptoren getötet. Aber da zwölf Jahre alte Mädchen in Wirklichkeit nicht zu Assassinen mutieren, erschien sie mir höchst unglaubwürdig in Verbindung mit seinem nach Alkohol stinkenden Atem." Herad hatte dazu eine ganz andere Meinung, das hörte sich schwer nach Gavri Pilgerstochter an.

"Wie war ihre Tatortanalyse? Ich habe ihren Bericht gelesen, aber mir schien, sie hätten sich nicht wirklich einen Reim auf die ganze Sache machen können."

"Ehrlich gesagt habe ich noch nie einen so wirren Tatort gehabt. Zwei sind mit bloßen Händen und Füßen totgeschlagen worden, einem wurde mit solcher Wucht auf die Nase getreten, dass sein Nasenbein ins Gehirn fuhr. Für den zweiten waren zwei Schläge nötig, einer zertrümmerte den Kiefer, ein zweiter beförderte ebenfalls die Nase ins Hirn. Der dritte hatte einen Herzstillstand, keine erkennbaren äußeren Auswirkungen, der hat vorher noch einem seiner Kameraden den Schädel eingeschlagen. Und der letzte hat sich nach Spurenlage selbst die Kehle durchgeschnitten."

"Haben sie an Psionik gedacht?"

"Ist eine mögliche Theorie, keine Frage, Herr Inquisitor."

"Haben sie nach Spuren psionischer Kräfte suchen lassen?"

"Dafür wurden mir die nötigen Mittel nicht genehmigt. Die Ekklesiarchie war sehr bemüht, diesen Fall schnell in den Schubladen verschwinden und gewisse Details totschweigen zu lassen. Wir durchsuchten die Heimstatt dieser Subjekte und fanden dort massive Hinweise darauf, dass dort systematisch Pilger geschlachtet und ihr Fleisch an die Tavernen in der Umgebung verkauft worden war. So etwas darf nach Meinung der örtlichen Klerikerschaft der Ekklesiarchie im Schatten der Kathedrale einfach nicht passieren. Die Blutraptoren waren tot, Verbrecher ohne nähere Angehörigen, warum also noch wirklich nach dem oder den Tätern suchen? Letztendlich wurde ja der Gesellschaft ein Gefallen erwiesen. Nun ja, der Revierleiter machte mir auch sehr nachdrücklich klar, dass es wichtigere Arbeit gab und so legte ich den Fall ab. Es war deswegen sogar ein ziemlich hoher Kleriker mit den Namen Dekan Zalmon hier und der ist nichts weniger als die rechte Hand vom Kardinal." Dekan Zalmon? Das war interessant. Er hätte nicht gedacht, dass diese unverschämte Klette so eine hohe Position in der Hierarchie der Ekklesiarchie einnahm. Ein Dekan war sozusagen das administrative Oberhaupt der Verwaltung einer Diözese. Als Mittelsmänner zu einem Inquisitor fungierten meist ambitionierte Leute aus der mittleren Ebene. Zum einen konnte man deren Verlust verschmerzen, wenn sie einen Inquisitor zu sehr nervten, zum anderen waren die selbst hoch genug Motiviert, sich auf ein so gefährliches Pflaster zu begeben, denn wenn sie ihre Arbeit gut machten, winkte eine sofortige Beförderung.

"Dann hätte ich noch eine andere Frage, verschwinden hier eigentlich öfters Mädchen?" Er breitete die Zettel auf den Schreibtisch des Polizisten aus.

"Immer mal wieder kommen verzweifelte Eltern hierher, desren Kinder auf der Kommunionsreise angeblich verschwunden sind. Wir nehmen die Anzeigen auf, aber ermitteln können wir nicht auf dem Gebiet der Ekklesiarchie."

"Wie viele verschwinden etwa pro Monat?"

"Mehrere Dutzend, aber die meisten tauchen recht schnell wieder auf, weil sie die Gelegenheit genutzt haben, etwas auf eigene Faust zu unternehmen. Andere sind an Krankheiten verstorben und der lahme Verwaltungsapparat der Ekklesiarchie verschlampt ab und zu die Todesbenachrichtigungen oder gibt sie viel zu spät heraus. Schwer zu sagen, was mit denen passiert ist, die nicht mehr auftauchen. Wahrscheinlich haben die einfach keine Lust, ihr Leben auf einem Hof am Ende der Welt zu verbringen, nachdem sie die Luft der großen freien Welt geschnuppert haben und haben sich in die Städte am Meer im Süden aufgemacht, wo es auch im Winter warm ist und es viele Touristen gibt. Oder sind an Bord eines der Raumschiffe geschlichen."

"Mich würde besonders dieser Fall interessieren, Abigail Talmun. Können sie mir was über deren Mutter erzählten?"

Position:

Imperium

Segmentum Pacificus

Sektor Jyoti

System Ghersom

Planet Ghersom IV

Nördliche Hemisphäre

Kontinent Ephrat

Kathedralsstadt

Zeit: 1 586 996.M41

Person: Herad Tabelmann

Herad blätterte durch die sehr dünne Akte von Cecilia Talmun, die als ordentlich registrierte Prostituierte in einem angemeldeten Bordell "Der Seidenschleier" ihrem Gewerbe nachging. Der einzige Eintrag im Strafregister war eine Anzeige eines Klerikers der Kathedrale, der sie wegen Landfriedensbruch anzeigen wollte. Cecilia Talmun war dreißig Jahre alt, geboren in einer nordöstlich gelegenen Provinz, hatte mit sechszehn geheiratet und ihr Kind war eine Frühgeburt mit normalem Gewicht nach fünf Monaten Ehe. Da war wohl höchste Eisenbahn angebracht gewesen. Ihr Mann war nach seiner Wehrdienstzeit bei der PVS in die Imperiale Armee versetzt worden und war dann vor fünf Jahren in einem Feldzug gegen die Orks gefallen. Abigail war ihr einziges Kind.

Der Seidenschleier entpuppte sich als ein Haus im gotischen Stil mit sechs Stockwerken im Ostviertel. Schon der mit rotem Plüsch überladene Empfangsraum machte einem klar, wo man sich befand. An den Wänden hingen mehr oder weniger geschmackvolle klassische Akte. An die Decke war eine Orgie gemalt. Es gab ein halbes Dutzend Holotische, wo in schneller Folge die Damen des Hauses leicht bekleidet in verführerische Posen vorgestellt wurden, mitsamt dem angebotenen Programm und ihren preislichen Vorstellungen. Dazu gab es meist noch einen Spruch. Einer davon, von einer gewissen Coco, fiel ihm sofort ins Auge, "Meine Muschi ist rein, lass nur deinen großen Imperator rein". Das war schon hart an der Grenze zur Gotteslästerung. Er merkte sich ihre Zimmernummer, um sie demnächst aufzusuchen. Leider zeigte kein Holo Cecilia Talmun und er hatte keine Lust, sich durch hunderte von Huren zu blättern, um sie zu finden. Also wandte er sich an den Barkeeper, der hinter einem Tresen etwa ein Dutzend Besucher und ihre weibliche Begleitung bediente.

"Ich suche Cecilia Talmun, wo finde ich sie?"

"Ich kenne keine Cecilia Talmun. Die Frauen tragen hier Künstlernamen und nur die kenne ich."

"Sie sieht so aus." Er nahm das Lichtbild von ihrer Akte und zeigte es dem Angestellten.

"Ach, das ist Selica, Zimmer 323, dritter Stock."

Er drehte sich um und ging. Herad hörte noch den Barkeeper "Geizhals" schimpfen, ignorierte das aber. Coco hatte ihr Zimmer auf dem zweiten Stock, als suchte er sie zuerst auf. Die Damen posierten, wenn sie zur Verfügung standen auf Stühlen sitzend im Eingangsbereich ihrer Zimmer. Davor hatten sie nochmals eine Angebotstafel mit ihren Dienstleistungen angebracht. Necromunda kostete 75 Credits, Marsianisch 50, Terranisch 100, Cadianisch schlug mit 250 Credits zu Buche. Gesalzene Preise hatten die hier. Coco posiert in einem schwarz weißen Mieder und entsprechenden Strapsen und hochhackigen Stiefelchen. Ihr schwarzes Lockenköpfchen gab ihr ein recht keckes Aussehen und ihre Zunge fuhr verführerisch über ihre vollen roten Lippen, als sie seinen abschätzenden Blick bemerkte.

"Kommen Sie doch herein, mein lieber Inquisitor. Messen Sie mit ihrem heiligen Weihestab doch meine Grotte nach mutantischen Veränderungen aus, für nur 100 Credits. Oder wollen Sie mir den Teufel austreiben? Das kostet 750 Credits und ich werde sie um Erlösung anflehen? Oder wollen sie lieber ihren Imperator zwischen meinen Lippen spüren und mich mit Weihwasser besprengen? Außen 75, wenn es mir innen wohlig warm werden soll 150 und ich werde Sie bis zum letzten Tropfen ausschlürfen. Was darf es sein?"

"Eigentlich nichts dergleichen, Es geht um diesen Werbespruch: "Meine Muschi ist rein, lass nur deinen großen Imperator rein". Höchst originell, aber sehr gotteslästerlich. Mich wundert, dass noch kein Angehöriger der Ekklesiarchie hier war, um diesen Frevel zu beenden."

"Och, die höheren Kleriker hier sind zu keusch, sprich sich zu fein für uns und für die kleinen sind wir hier zu teuer. Keine Ahnung, wie die ihren Dampf ablassen, aber auf alle Fälle nicht in den Bordellen dieser Stadt. Und ich find den Spruch gut und er kommt gut an. Warum sollte ich den wegen einem etwas verklemmten Eiferer verändern? Du bist doch garantiert nicht hier, um heilige Schriften zu lesen, oder?"

"Ich bin Inquisitor des Ordo Hereticus. Etwas mehr Respekt, meine Dame oder Sie werden lernen, was bedeutet, über die Inquisition zu spotten. Andere Hexenjäger hätten Sie für diese Blasphemie schon längst auf einen Scheiterhaufen geworfen!" Er zeigte auf seine Säule mit den drei Querstrichen.

"Mach mal halblang. Nur weil du so ein Fetischzeug anhast, macht das dich noch nicht zum Inquisitor, auch wenn es fast authentisch wirkt. Stehst wohl auf die Inquisitornummer? Für 1000 spiele ich auch die Hexe und gestehe, nachdem du meinen Leib mit deiner Rute bearbeitet hast. Ich steh auf solch Rollenspiele. Darin bin ich wirklich gut, ich kann dich glauben lassen, dass du der Großinquisitor auf Terra höchst persönlich bist. Wie wäre es mit uns, mein mächtiger furchteinflößender Inquisitor?"

"Beim Thron! Dies ist das Symbol der Inquisition, Sünderin!"

"So eines habe ich auch." Sie stand auf, ging in ihrem Raum und holte aus einem Schrank, in dem ein gutes Dutzend verschiedenster Kostüme hingen, die von einer verdächtig echten aussehenden Uniform einer Abitatorin, über Pilgerkleider, Nonnenkleidung zu einem Kostüm reichte, welches durchaus weibliche Inquisitoren trugen. Sie zeigte ihm ein Inquisitionssymbol, dass auf Entfernung halbwegs echt aussah. Jedenfalls bis man den Totenschädel sah, der keiner war, sondern ein grinsendes Gesicht aus zwei Punkten und einem darunter angeordneten Halbmondförmigen Strich bestand. Dann drückte sie auf das Gesicht und das Symbol der Inquisition fing an zu vibrieren. Da wurde im klar, was der primäre Zweck dieses Gegenstand es war. "Meines vibriert, dreht sich und leuchtet sogar!"

"Gottimperator hilf!", murmelte er, zog seine Infernopistole und richtete sie auf einen Punkt knapp neben Coco. Er hatte den Grundsatz seiner Ausbildung verinnerlicht, eine Waffe nur dann auf einen Menschen zu richten, wenn man ihn damit töten wollte. "Beim goldenen Thron! Dies ist eine echte Infernopistole, Handgefertigt von einem Meister, zwing mich nicht, meine Wahrhaftigkeit von Amt und Person damit zu verifizieren! Ändere deinen Spruch in von mir aus: "Meine Muschi ist rein, lass nur deinen großen Prinzen rein" und die Sache ist für mich erledigt."

"Äh? Sie sind wirklich ein Inquisitor?" Sie wurde ziemlich rot im Gesicht.

"In der Tat!"

"Ähm! Ups, äh. Tut mir leid, ich hab sie für einen Spinner im Fetischkostüm gehalten. Entschuldigung! Das tut mir auch wirklich leid mit dem Slogan. Ich bitte tausend mal um Entschuldigung! Das war nicht so gemeint. Ich meine, ich ändere ihn sofort, ja?" Jetzt wurde sie kalkweiß im Gesicht.

"Ändere den Spruch sofort und ich werde es vielleicht unterlassen, dir dein Fleisch von den Knochen zu brennen", knurrte er mit dem notwendigen Nachdruck. "Und gib mir dieses falsche Symbol! Das ist ja pervers!" Eingeschüchtert übergab sie ihm die Säule, die aus der Nähe nun eindeutig als Nachmachung zu erkennen war, die Ecken und Kanten deutlich abgerundet waren. Es war ein Spielzeug für gewisse Stunden, keine wirkliche Fälschung. Sachen gab es hier.

"Kann ich der Inquisition sonst noch dienlich sein?" Früher hätte er vielleicht dieser Richtung Vorschub geleistet, da er deutlich sehen konnte, zu welchen Diensten sie bereit war. Aber dazu hatte er heute einfach nicht die Zeit, wenn vielleicht auch die Lust. Während er innerlich grinste, knurrte er "Ändere endlich den verdammten Spruch, Sünderin!" Sie rannte förmlich an ihm vorbei, um ihren Slogan unten ändern zu lassen.

"Warum passieren immer nur mir solche Sachen? Zuerst versaut ein Kunde mir den Teppich und verkokelt mir den Hygieneraum und jetzt das!", jammerte sie leise vor sich hin, als sie sich weit weg genug wähnte, um anzunehmen, von ihm nicht mehr gehört zu werden. Aber er hatte verbesserte Ohren. Leicht amüsiert sah er ihr nach, verstaute das konfiszierte Symbol und besann sich dann aber auf seine Arbeit. Er war nicht zum Vergnügen hier.

][

Selica alias Cecilia Talmun fand er vor ihrem Zimmer. Sie erkannte ihn wenigstens sofort wieder und ersparte ihm demütigende Diskussionen. Normalerweise hätte er der kleinen Coco eine gehörige Abreibung verpassen müssen, aber wirklich ärgerlich konnte er auf diesen kleinen frechen Lockenkopf nicht sein, dazu war sie viel zu süß und er viel zu beschäftigt. Er bemerkte eine gefährliche Tendenz zu Nachsicht und Güte, wo doch Toleranz den Weg in die Verdammnis ebnete. Dagegen sollte er bald was tun, bevor das noch Konsequenzen nach sich zog. Vielleicht sollte er die kleine Coco nochmals aufsuchen. Aber wie sollte er dann mit ihr umgehen? Sie verhaften lassen wegen einem dämlichen Spruch? Der Papierkram war die Mühe nicht wert. Sie etwas auspeitschen? Wahrscheinlich würde sie ihm das noch als eine ihre Dienstleistungen anrechnen. Er entschied sich, die Sache gut sein zu lassen, wenn der Spruch wirklich von ihr geändert worden war, was nach ihren letztlichen Verhalten anzunehmen war. Manchmal reichte ein Warnschuss vor den Bug und man musste nicht immer gleich jemanden ins Feuer schicken, nicht wegen so einer Lappalie. Schließlich war er kein massenmordender Puritaner, der schon Leute dafür ins Feuer schickte, weil sie eine Ketzerei begehen könnten. Für ihn war mehr als eine theoretische Möglichkeit nötig, um Menschen bei lebendigen Leib zu verbrennen. Dazwischen gab es noch eine ganz große Bandbreite von Gegenmaßnahmen, aber engstirnige Puritaner hatten einfach zu viel giftigen Staub in den schlecht gelüfteten Archiven inhaliert, was ihre Gehirne zementierte.

Aber jetzt konzentrierte er sich lieber auf das Gespräch mit Cecilia, die als Kontrast nur ein weißes hauchdünnes Kleid mit einem großen bis zum Gürtel geschlitzten Ausschnitt trug, was ihr wirklich gut stand und ihre festen Brüste betonte, deren rosigen Nippel durch den dünnen Stoff schimmern. Ihr Make Up war dezent und sie hatte den trainierten Körper einer Landarbeiterin, die täglich im Sattel auf den Weiden ritt. Die Frau sprach ihn durchaus an und er merkte eine gewisse Reaktion in seinen Lenden auf ihre Erscheinung.

Sie setzte wohl ihren Schwerpunkt auf Kunden, die eher etwas suchten, was unschuldig wirkte. Die Frau führte ihn in ihr Zimmer, das neben einem gotischen hölzernen Bett, einen Schrank, ein Regal mit Utensilien wie man sie in diesem Gewerbe wohl benutzte, einen Tisch mit zwei Stühlen und eine Anrichte mit Getränken und Gläsern beherbergt. Der Raum wirkte deutlich strenger als der von Coco, der eine gewisse Leichtigkeit versprüht hatte. Eine weiterführende Tür ging wohl zur Hygienezelle. Sie rückte ihm einen Stuhl hin und fragte ihn, ob sie ihm was anbieten durfte, was er aber ablehnte.

"Ich danke Ihnen, Herr Inquisitor, dass Sie hier sind. Haben Sie etwas herausgefunden?"

"Ich möchte ihnen ein paar Fragen stellen, Frau Talmun. Warum belästigen Sie den Kardinal mit ihrer verschwunden Tochter?"

"Weil sie verschwunden ist, während sie sich im Pilgerheim aufgehalten hat, Herr Inquisitor."

"Ist ihnen schon mal der Gedanke gekommen, dass sie einfach weggelaufen ist, um sich im Süden herumzutreiben?"

"Das würde Abigail nie machen. Sie liebte ihr Zuhause, ihre Pferde, die Weite des Landes. Für manche ist Nordland nur unendliche Steppe, wo nur Gras wächst und Schafe gezüchtet werden. Wir lebten in unserer kleinen Hütte auf dem Land unserer Arbeitgeberin, Schäfers Lauf. Abigail hatte es dort gut, sie war zufrieden. Sie hatte keinen Grund weg zu laufen."

"Haben Sie schon mal nachgeforscht, ob sie während der Rückfahrt nach Norden verschwunden ist?"

"Habe ich. Sie hat ihr Ticket für die Rückfahrt nie benutzt. Das habe ich schon nachgeprüft, auch wenn ich dem Beamten zu Diensten sein musste. Abigail war ein sehr schüchternes Kind. Manche meinten sogar, sie wäre debil, weil sie kein Wort mit Fremden sprach, wenn es nicht unbedingt sein musste. In der Schule lief es für sie nicht so gut, weil sie zwar alles wusste, aber wenn sie was gefragt wurde, vor lauter Aufregung kaum den Mund aufbekam. Sie fremdelte eben, deswegen war sie nicht dumm! Sie wäre nie mit einem Fremden mitgegangen. Außer man hätte sie mit Gewalt dazu gezwungen. Ich weiß, dass sie bis zum letzten Abend im Pilgerheim im Schlafraum ihrer Gruppe gewesen war. Ich hatte Kontakt mit ein paar der Mädchen ihrer Gruppe. Alle bestätigen mir, dass ihr am letzten Abend, nachdem sie zu Bett gegangen waren, schlecht wurde. Daraufhin wurde sie von der Zimmerschwester Magdalena in die Krankenstation gebracht. Am nächsten Tag war sie nicht beim Abschied dabei, ihr Gepäck wurde weggebracht, keines der Mädchen durfte sie auf der Krankenstation sehen. Angerufen aus dem Pilgerheim hat auch niemand. Abigail auch nicht und angeblich gibt es im Pilgerheim auch Televidzellen und ich hatte ihr extra für den Notfall eine Televidkarte gekauft, falls halt was passiert oder sie nicht pünktlich zurück fahren kann. Wir dachten daheim alle, dass sie pünktlich zurückkäme, aber wir warteten vergebens auf ihre Ankunft am Bahnhof. Und dabei hatten wir doch schon alles für eine so schöne Willkommensfeier in der Scheune auf dem zentralen Hof meiner Arbeitgeberin vorbereitet. Ich machte mir schreckliche Sorgen und rief im Pilgerheim an. Dort wurde ich nur endlos weitergeleitet oder vertröstet. Sagen konnte mir keiner etwas. Dann hieß es nach einer Woche, sie wäre tot."

"Und warum glaubten sie das nicht?"

"Weil es hieß, sie hätte eine Lungenentzündung gehabt und wäre daran gestorben. Abigail ist im rauen Norden aufgewachsen, noch bevor sie richtig laufen konnte, war sie eine gute Reiterin und von morgens bis abends draußen auf den Weiden, im Winter wie im Sommer, bei Sonnenschein wie auch bei Regen oder Schneefall. Nur wenn sie Schule hatte, war sie Tagsüber in einem Gebäude. Sie war nie in ihrem Leben krank. Und niemand kann mir erzählen, dass ein Kind des Nordens hier in dieser Stadt an einer Lungenentzündung sterben kann."

"Wie ging es dann weiter?"

"Ich bekam Post von einem der Mädchen aus ihrer Gruppe, das sich erkundigte, ob sie die Heimreise gut überstanden hatte. Ich rief sie an und erfuhrt dann das mit der Krankenstation. Ich rief weitere Mal im Pilgerheim an, wurde aber immer nur vertröstet, endlos weitergeleitet, bis irgendwann die Verbindung abbrach. Schließlich kam ein Dokument mit ihrer Sterbeurkunde. Ich sollte noch ihre Urne bekommen, aber die ist nie angekommen. Angeblich verschollen. Aber ich wusste, dass sie noch lebte."

"Lebte?"

"Etwa eine weitere Woche später, wo ich nicht ein noch aus wusste, fiel mitten in der Nacht ein Bild von ihr von der Wand und das Glas zersprang. Da wusste ich, sie ist gerade gestorben."

"Sie glauben an solche Dinge?"

"Ist das verboten?"

"Es ist ein Aberglaube, eine Abweichung von den Lehren des Gottimperators und kann streng bestraft werden, gute Frau Talmun. Einigen wir uns darauf, dass sie schließlich begriffen haben, dass ihre Tochter tot ist."

"Wie sie befehlen, Herr Inquisitor. Er auf Terra schützt unsere Seelen."

"So ist es, der Imperator sei gepriesen, denn er schützt uns in der Dunkelheit, denn sein Licht weist uns den Weg zur Erlösung. Was passierte dann?"

"Ich hielt es schließlich nicht mehr aus. Durch das ganze Herumtelefonieren habe ich schon Schulden machen müssen, aber meine Arbeitgeberin unterstützte mich mit meinem Plan, das Schicksal von Abigail herauszufinden. Sie lieh mir weiteres Geld und auch meine Kollegen und Kolleginnen von Schäfers Lauf legten zusammen. Also löste ich eine Fahrkarte nach Kathedralstadt und begann zu forschen. Ich bekam aber nur das heraus, was ich schon erzählt habe. Ich ließ diese Zettel anfertigen, wie ich ihnen einen gegeben habe und verteilte diese an Pilger in der Hoffnung, dass einer vielleicht etwas gesehen hatte. Im Pilgerheim wurde ich abgewimmelt. Versuchte es in höheren Positionen, aber die wollten schon Geld sehen, bevor sie mich überhaupt angehört hatten. Und ich hatte keines, also musste ich mir Arbeit suchen. Für Schäferinnen gibt es hier aber keine Arbeit, ich versuchte es als Kellnerin, aber ich verdiente nicht genug. Eine Kollegin, die meine Situation verstand, gab mir den Ratschlag, hier im Seidenschleier mein Geld zu verdienen. Am Anfang war es schwer, hatte ich bis dahin doch nur meinen verstorbenen Mann gehabt. Aber ich dachte dabei immer nur an Abigail und dass ich herausfinden muss, was ihr wirklich passiert ist. Ich arbeitete zuerst meine Schulden bei den Leuten von Schäfers Lauf ab und dann bestach ich nach und nach die Kleriker, bis ich schließlich zum Kardinal vorgelassen wurde, nach zwei Jahren. Ich hatte ein großes Bild von Abigail machen lassen. Ich wollte nur die Erlaubnis, die Mitarbeiter, die Abigail zuletzt betreut haben, zu befragen. Aber bevor ich überhaupt mit meiner Bitte anfangen konnte, schrie der Kardinal mich an, dass ich eine Sünderin sei. Und das nur, weil er das Bild von Abigail gesehen hatte. Er ließ es mir wegnehmen und mich rauswerfen. Da haben Sie mich dann gesehen und ich konnte Ihnen ein meiner Zettel vom Bild meiner Tochter zustecken."

"Warum machen Sie das? Warum tun Sie sich das hier an, wenn Sie glauben, Ihre Tochter sei tot?"

"Ich will Gewissheit haben, was mit meiner Tochter passiert. Egal wie furchtbar diese Wahrheit auch sein mag."

"Und was glauben Sie, was mit ihr passiert ist?"

Cecilia Talmun sah ihn mit einem feuchten Glitzern in den Augen an, eine Träne lief ihrer Wange herunter und zerstörte ihr perfektes Makeup.

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Position:

Imperium

Segmentum Pacificus

Sektor Jyoti

System Ghersom

Planet Ghersom IV

Nördliche Hemisphäre

Kontinent Ephrat

Kathedralsstadt

Zeit: 1 587 996.M41

Person: Herad Tabelmann

Es dauerte eine Zeitlang, bis Herad sich zu der Gruft der Inquisition unter der Imperatorkathedrale durchgefragt hatte. Das weiße marmorne Gewölbe befand sich in der ersten Ebene. Es war etwa fünf Meter breit und hundert Meter lang. Die Wände entlang waren Grabnischen für die Schergen und Akolythen. In der Mitte waren die Sarkophage für die Inquisitoren aufgereiht, sodass man bequem links oder rechts vorbei konnte. Auf den Sarkophagdeckeln waren die liegenden Statuen ihres Inhalts abgebildet. Über vierzig Inquisitoren lagen hier bestattet und mehrere hundert Schergen. Seit gestern waren viele dazu gekommen. Die, die noch Marken gehabt hatten, wurden namentlich erwähnt. Auch Inquisitor Vitus war hier bestattet worden, wenn auch sein Abbild natürlich auf dem Sarkophagdeckel noch nicht verewigt war. Mattan hatte ihm seinen Obduktionsbericht auf Herads Datablock überspielt. Mehr als das offensichtliche war dabei aber nicht heraus gekommen, die Trennscheiben aus dem Fallenmechanismus hatten die Rüstung durchschlagen, Verletzungen im Torsobereich verursacht und der multiple Blutverlust hatte wohl zum Tod geführt. Schließlich stand er vor der Nische von Tekoa, ehemals Theodor Koyus Aman, Leutnant der Imperialen Armee, 42. Krieg. Sein Spitzname hatte sich aus seinen Initialen abgeleitet.

"Es war eine gute Zeit, alter Freund." Herad zog sein Buch und schlug seufzend die vorletzte Seite auf. Mit der Grabplatte als Unterlage schrieb er die Lebensdaten von Theodor Koyus Aman, genannt Tekoa auf das Blatt Papier. Viel Platz hatte er wahrlich nicht mehr in seinem Buch. Gedankenverloren klappte er es zu und steckte es weg. Erst so langsam wurde ihm die Leere bewusst, die den Verlust seines Freundes verursachte. So viele Schergen waren schon unter seinem Kommando gefallen, aber es tat immer wieder weh, einen guten Mann zu verlieren. Aber diese Opfer waren eben notwendig. Die Inquisition war das wichtigste Bollwerk des Imperiums gegen den inneren, äußeren und dem verdammten Feind hinter dem Schleier. Und ihre Arbeit forderte nun mal Opfer und manchmal traf es eben die Besten. Das war der Lauf der Dinge. Jetzt lag es an ihm, dass Tekoas Tod nicht umsonst war, dass er diese gefährliche Häretikerin Gavri Pilgerstochter aufspürte und ihrer gerechten Vernichtung zuführte.

"Ich wünschte, ich hätte deine Beerdigung nicht versäumt. Aber du weißt es ja selbst, wie es mit der Zeit ist, wenn man auf der Jagd ist. Und ich wünschte, du wärst dieser heimtückischen Falle nicht anheimgefallen. Ich hätte nie gedacht, dass es Fallen gibt, die Männer von Frauen unterscheiden können. Aber diese Gabriel ist voller Heimtücke und ich werde sie für deinen Tod büßen lassen. Wir waren lange Zeit zusammen und haben viele Sachen erlebt. Ein schwächerer Mann wäre daran zerbrochen. Aber du warst stark und mir immer ein guter Gefolgsmann. Und später ein guter Freund. Ich werde dich vermissen, aber nicht vergessen. Dein Dienst ist nun vorbei und du weilst nun beim Imperator. Möge er dich als tapferen und aufrechten Streiter für das Imperium begrüßen. Wir werden uns eines Tages auf der anderen Seite wiedersehen." Dann sang er das Lied vom guten Kameraden, wie es bei Beerdigungen der imperialen Streitkräfte Brauch war. Anschließend griff er in seine Tasche und schüttete eine großen Teil einer Flasche Amasec auf den Boden, den anderen kleineren Teil trank er. Ein letztes Mal berührte er die Steinplatte, hinter der Tekoa nun ruhte und wandte sich dann schließlich ab. Ohne sich noch einmal umzudrehen verließ er die Gruft, in Gedanken schon wieder bei der Arbeit und seine nächsten Schritte planend. Er war auf der Jagd und nichts würde ihn von seiner Fährte mehr abbringen.

][

"Und was suchen wir hier genau?" Interrogatorin Shiloh sah ihn irritiert an. Hier war das Pilgerhaus für die Mädchen, ein gewaltiger Komplex mit Dutzenden von Innenhöfen, der westlich einen Quadratkilometer breit am dem Nordflügel der Imperatorkathedrale lag. In dieser Anlage konnten gleichzeitig bis zu einer dreiviertel Million kleiner Pilgerinnen beherbergt und versorgt werden. Eine eigene Straße und Schienenbahn verbanden dieser Komplex mit der Stadt. Unablässig fuhren Busse voll mit Mädchen, Straßenbahnen und Lastwägen mit Versorgungsgütern ein und aus.

Auf den Gängen herrschte ein gewaltiges Gewusel. Die meisten Mädchen waren diszipliniert in ihren Gruppen unterwegs, jeweils beaufsichtigt von einer Nonne. Eines der Mädchen trug immer eine Fahne mit einer Bezeichnung, wohl die der Gruppe, welche jedes gleichzeitig noch als Armband trug. Die meisten sahen ihn eher neugierig als ängstlich an. Schon bald ging ihm auf, dass er wahrscheinlich der einzige Mann in dem Gebäude war, da dass Personal in diesem Bereich ausschließlich weiblich war. Im Keller des Gebäudes gab es ein gewaltiges Archiv, welche alle Akten beherbergte über alle Pilgerinnen der letzten hundert Jahre. Weiter wurde das Archiv nicht geführt und jeden Tag wurden tausende von alten Dokumenten dem Recyclinghof zugeführt. In diesem Keller hatte er alle Schreiberinnen für seine Aufgabe eingespannt und inzwischen stapelten sich auf mehreren Wägelchen Berge von Akten. Er hatte Shiloh aus der Zentralbibliothek her zitiert, wo die Wüstenkriegerin irgendwelche obskuren Nachforschungen betrieben hatte, die wohl nicht zum Erfolg geführt hatten. Zebulon hatte sich mit einer Textnachricht abgemeldet. Er war mit Syntyche hinter einer weiteren ominösen Spur her. Was das genau war, lies sich nicht wirklich aus der Botschaft herauslesen, die fast genau so knapp wie Zebs übliche Antworten war. Auf alle Fälle hatte der Scherge seinen Kommunikator deaktiviert, wahrscheinlich war er Undercover. Mattan würde später zu ihnen stoßen, Havilah war für eine solche Aufgabe nicht zu gebrauchen.

"Was wir suchen? Das suchen wir, das hing in einem Revier der örtlichen Polizei an der Wand." Er zeigte ihr die Ausdrucke, die jedes ein dunkles Schicksal repräsentierten. Shiloh ging stirnrunzelnd die Dokumente durch. Herad war nun vom Gotischen in den Dialekt der Wüstenkrieger von Toth gewechselt. Immerhin hatte er fast zwei Jahre auf diesem öden Planeten verbracht und dabei die Sprache der Einheimischen gelernt, da dort ein kruder Dialekt aus Niedergotisch und ihrem eigenen Kauderwelsch gesprochen wurde. Herad war sich sicher, dass niemand auf diesem Planeten diesen Dialekt verstehen konnte und so unterhielt er sich in normaler Lautstärke weiter.

"Das sind verschwundene Kinder, bedauerlich, aber ich kann hier weder ketzerische, häretische, psionische, dämonische oder Xenoseinmischung entdecken. Das ist nicht Aufgabe der Inquisition, sondern die der örtlichen Behörden", antwortete Shiloh in ihrer Muttersprache und gab ihm die Zettel zurück.

"Die örtlichen Behörden sind im Kompetenzstreit gefangen. Die wollen der Ekklesiarchie nicht auf die Füße treten."

"Dann hätten wir noch das Adeptus Arbites für so etwas. Ich habe nicht den Eindruck, dass die hier gerade von Arbeit begraben werden."

"Könnten sie, aber ich denke, hier steckt sehr viel mehr dahinter. Hast du dir mal die regionalen Bräuche angesehen? Was glaubst du, steckt hinter diesem ganzen Pilgergeschäft?" Er machte eine umfassende Geste.

"Eine einfache Methode mit wenig Aufwand sehr viel Geld zu machen?"

"Liegt nahe! War auch mein erster Gedanken, aber die Ekklesiarchie hat diesen Brauch nicht erfunden, sondern nur kommerzialisiert. Wenn ich die Reliefs im Keller richtig deute und mir diese ganze Anlage so ansehe, war das einst nichts weiter als ein gigantischer Auswahlprozess."

"Aber für was?"

"Was glauben die Thorianer?"

"Das ein Gefäß für den Imperator gefunden werden muss? Was eigentlich schon recht nahe an Ketzerei herankommt, da der Imperator so etwas nach unserer Lehre eigentlich gar nicht nötig hätten haben sollte. Aber Puritaner leben ja bekanntlich in ihrer eigenen staubigen Welt, begraben unter uraltem Pergament."

"Genau und ich denke mal, hier wurde auch ein Gefäß gesucht. Aber nicht für den Imperator, sondern für den Dämon, der jetzt in Gavri Pilgerstochter ist. Irgendwann kam vor langer Zeit ein Kollege dahinter, liquidierte scheinbar alle die daran beteiligt waren und versiegelte die Anlage. Die Ekklesiarchie wollte aber ihre Einnahmen behalten und wandelte die ganze Sache in eine harmlose aber für sie lukrative Pilgerreise um. Allerdings wurde das Auswahlverfahren im Geheimen von Überlebenden des Dämonenzirkels weiter praktiziert, nur dass die Kinder nun gezielt im Vorfeld selektiert wurden und nur die, welche wirklich dem Schema entsprachen, wurden in die Engelsgruft gebracht. Wenn sich das Tor nicht öffnete, wurde das Kind entsorgt, um die Verschwörung nicht zu gefährden. Dieser Vitus kam später auf die Spur dieser Kultisten, wahrscheinlich bei einer seiner Recherchen. Er kam bis zur Säule, verstarb dort. Seine restlichen Gardisten wurden schließlich in einem Hinterhalt von dem hier ansässigen Kult erledigt. So sehe ich das inzwischen."

"Aber einige der Kinder sind verschwunden, nachdem Gavri schon besessen war."

"Vielleicht haben die Kultisten das entweder nicht bemerkt, weil Gavri Pilgerstochter ja durch den Schacht in die Gruft kam und nicht über die sonstigen Wege, wie die auch immer aussehen mögen. Oder es gibt mehr als einen Dämon, der auf einen Wirt wartet."

"Ich bin zwar nicht vom Ordo Malleus, aber ich weiß, dass Dämonen normalerweise es nicht so kompliziert machen und sich einfach das nächste psionisch aktive Ziel schnappen, egal wo es sich gerade befindet. Genau deswegen werden ja Psioniker auch auf die Schwarzen Schiffe gebracht, aussortiert und die würdigen erhalten die Seelenbindung. Ehrlich, in meinen Augen macht deine Theorie keinen Sinn, wenn es sich um einen Dämonen handeln sollte."

"Ich denke, dass der Dämon in Gavri unglaublich raffiniert und geduldig ist. Ihm geht es nicht um etwas Chaos und Krieg zu stiften. Er will das ganze Programm, segmentumsweite Aufstände, Milliarden über Milliarden von Toten, dass gesamte Imperium in Flammen. Etwas, dass jeden schwarzen Kreuzzug verblassen lässt. Er will durch ein Auftreten in einer Lichtgestalt das Imperium spalten."

"Aber dann hätte der mutmaßliche Dämon in Gavri Pilgerstochter doch nur das Angebot des Prinzen eingehen müssen."

"Aber dann wäre doch allen klar gewesen, dass er ein Dämon ist. Nein, dazu ist er zu raffiniert. Ich denke, hier ist ein uralter Kult des Tzeentch am Werk und er ist noch aktiv. Das sind die Akten der Verschwunden und der Gruppen, mit denen sie gemeinsam hier waren. Du nimmst den Stapel ich diesen hier. Wir suchen nach Gemeinsamkeiten, wie Herkunft, Gruppe, Betreuer, Zimmer, so was in der Art."

"Wie groß ist der Kult und wie hoch geht der? Bis zum Kardinal?" Herad dachte an die massive Reaktion des Kardinals auf das Bild von Abigail Talmun. Aber er war nicht gerade der typische Kandidat, der für einen Dämonenkult anfällig war. Er gehörte zu der reichsten Familie des Segmentum Pacificus, er hatte den höchsten Posten der Ekklesiarchie in diesem Segment inne und er wurde insgeheim als Favorit für die nächste Wahl des Ekklesiarchen gehandelt. Und damit war ein Platz im Senat von Terra verbunden. Höher konnte er nicht mehr aufsteigen.

"Ich schätze mal, dass der Kult bis in die mittlere Ebene geht, also von regionalen Kultisten geleitet wird. Die höheren Ämter sind von auswärtigen Klerikern besetzt, ich glaube eher weniger, dass sie die unterwandert haben. Den Kardinal schätze ich auch nicht als Dämonenpaktierer ein, er hat schon alles, was sich ein Mensch erträumen kann. Aber vielleicht duldet er den Kult wissentlich. Aber mit einem solch mächtigen Mann will ich mich nicht ohne wirklich konkreten Beweis an seiner Mitgliedschaft anlegen. Fangen wir erst mal von unten an und arbeiten uns dann hoch. Schätze mal, Zebulon wird bald sehr viel Beschäftigung bekommen. Also, an die Arbeit." Theoretisch stand die Inquisition über dem Imperialen Gesetz, aber praktisch gab es auch für die Inquisition gewisse Richtlinien. Und eine der Richtlinien war, dass man schon Großinquisitor sein sollte, wenn man gegen hochrangige Mitglieder des Imperialen Adels vorging. Oder einen verdammt guten Grund und einen stichhaltigen Beweis haben musste, der einer intensiven nachträglichen Prüfung standhalten würde.

"Wie ihr befiehlt, mein Inquisitor." Er warf ihr einen fragenden Blick zu, aber sie hatte schon die erste Akte aufgeschlagen und beschlossen, ihn zu ignorieren. Herad seufzte innerlich und widmete sich seiner Akte.

Position:

Imperium

Segmentum Pacificus

Sektor Jyoti

System Ghersom

Planet Ghersom IV

Nördliche Hemisphäre

Kontinent Ephrat

Kathedralsstadt

Imperatorkathedrale

Schlafgemach des Gästebereichs

Zeit: 1 588 996.M41

Person: Herad Tabelmann

Etwas weckte ihn und Herad zog sofort seine Infernopistole unter dem Kopfkissen hervor. Im Zwielicht des Zimmers konnte er eine Gestalt ausmachen und richtete seine Waffe darauf aus.

"Nicht schießen! Ich bin es nur!" Das war die Stimme von Shiloh, erkannte er und knipste das Licht an. Interrogatorin Shiloh stand barfuß im Morgenmantel vor seinem Bett.

"Warum schleichst du dich auch so an! Ich hätte dich beinahe erschossen, Mädchen! Das solltest du verdammt nochmal besser wissen." Sie zuckte mit den Schultern, öffnete ihren Morgenmantel und ließ ihn von den Schultern gleiten. Ihr vernarbter und durchtrainierter Körper verfügte nur über kleine Brüste, deren Nippel aber hart und aufgerichtet waren. Der Bewuchs ihrer Scham war offensichtlich frisch enthaart worden, dass tat sie immer, bevor sie miteinander schliefen. Er legte die Pistole zur Seite und schlug die Decke zurück. Worte wechselten sie erst mal lange keine mehr.

Nachdem sie fertig waren, lagen sie beieinander. Normalerweise ging sie dann immer sofort ins Bad, manchmal hatte ihn das gestört, als ob er unrein wäre oder sie zu etwas gezwungen hätte und sie das jetzt abspülen musste. Er kannte sie, seit er sie als Kind von einem Opferaltar eines Khornekultes gerettet hatte. Eigentlich hätte er sie zu ihrem eigenen Besten töten müssen, so lautete die vorgeschriebene Standardprozedur, aber war schon immer jemand gewesen, der die Vorschriften sehr weit auslegte und manchmal auch brach, wenn es ihm für das Imperium richtig erschien. Und als Mitglied seines Gefolges war sie eben außerhalb des Gesetzes. Anfangs war ihre Aufgabe gewesen, seinen Hut zu tragen. Kleiner Hutständer hatte er sie immer genannt. Ihre Klugheit, ihre grenzenlose Neugier auf die Wunder der Galaxie und ihr Mut war ihm sofort aufgefallen. Nur wenige Erwachsene hätten das, was sie erdulden musste, bei geistiger Gesundheit überlebt. Und sie war gerade mal sieben gewesen, als ihre Eltern und Geschwistern brutal vor ihr ausgeweidet und zerstückelt wurden. Ihren richtigen Namen kannte er nicht mal, Shiloh hatte er sie getauft.

Im Laufe der Jahre war sie mehr als nur sein Hutständer geworden. Er persönlich hatte sie unterrichtet, ihr das Handwerk des Inquisitors von Grund auf beigebracht. Sie war eine überaus fähige und einfallsreiche Explikatorin gewesen. Schnell war sie in den Rang eines Interrogators aufgestiegen. Eine sexuelle Beziehung hatte er mit ihr, seit sie sechzehn war und die Initiative war von ihr ausgegangen und er hatte es nie als wirklich gute Idee empfunden, mit ihr zu schlafen, auch wenn er nicht nein sagte, wenn sie an sein Bett kam. Sexuelle Beziehungen innerhalb des Gefolges komplizierten alles nur, besonders da Shiloh manchmal Anfälle von krankhafter Eifersucht hatte, wie er schon mehrmals zugetragen bekommen hatte. Aber sein Fleisch war schwach und Shiloh ein hübsche Frau.

"Was liegt dir auf dem Herzen?", fragte er, nachdem sie ihn fast eine Viertelstunde nur angesehen hatte, ihre Hand lag warm in der seinen.

"Ich bin nicht sicher, ob ich es zur Sprache bringen soll." Ihre Stimme klang zaghaft, etwas, was er von ihr gar nicht kannte. Shiloh war jemand, der geradeheraus war. Wenn ihr was nicht gefiel, brachte sie es zur Sprache.

"Dann ist es wohl was wirklich Schwerwiegendes."

"Ja, mir geht in letzter Zeit einiges durch den Kopf. Nehmen wir einfach mal rein hypothetisch an, Gavri Pilgertochter wäre wirklich das Gefäß eines Erzengels namens Gabriel und ihre Worte wären wahr." Das leidige Thema also wieder. Shiloh hatte sich schon sehr früh in etwas verrannt und begriff einfach nicht, wie raffiniert dieses Ding in Gavri Pilgerstochter war.

"Rein hypothetisch als auszuschließende Möglichkeit natürlich, alles andere wäre ja Ketzerei."

"Ja, Ketzerei. Was ist, wenn sie die Wahrheit sagt? Wenn sie wirklich wie eine lebende Heilige ist und über dieses Wissen verfügt, weil sie einen Erzengel in sich trägt?" Herad seufzte und holte tief Luft.

"Damit würde sie alles in Frage stellen, für das ich gekämpft habe. All das, was ich mein Leben lang getan hätte, wäre hinfällig. Alles wäre in Frage gestellt, das ganze Imperium würde diese Enthüllungen ins Chaos stürzen. Die ganze Imperatorgeschichte würde als Lügengebilde dastehen. Und der Glaube an den Imperator eint das Imperium. Diesen Vertrauensverlust würde das Adeptus Ministorum in die Bedeutungslosigkeit stürzen. Die Rechtmäßigkeit des Senats würde in Zweifel gezogen werden und jedes Gesetz der letzten achttausend Jahre. Wenn ihre Worte der Wahrheit entsprechen sollten und sie das einer breiten Öffentlichkeit zugänglich macht, haben wir hier einen Bürgerkrieg, der die Apostasie wie ein laues Lüftchen zu einem Zyklon wirken lässt. Das wäre das Ende von dem Imperium, wie wir es kennen.

Für mich stellt sich diese Frage nicht. Sie ist äußerst raffiniert, dieser Tzeentchdämon. Nur wenige mischen Wahrheit und Lüge so gut wie ein Dämon des Tzeentch. Ihr Wirken ist schwer zu erkennen, ihre Pläne reichen weit und ihre Geduld ist sprichwörtlich in der Inquisition. Sie mag durchaus recht haben in einigen Punkten, aber der größte Mühlstein im Imperium ist immer noch das Chaos in seiner subtileren Form. Khorne und Nurgle sind leicht erkennbar. Slaanesh meist auch. Nur Tzeentch ist raffiniert genug, um selbst den Klügsten ins schwanken zu bringen. Gabriel ist eine Schlange, die ein wenig schmackhafte Wahrheit mit vielen Lügen würzt. Und genau deswegen müssen wir sie vernichten. Um jeden Preis, koste was es wolle!", erklärte er mit fester Stimme und im Brustton der Überzeugung.

"Aber mir geht nicht aus dem Kopf, warum der Khorne Dämonenrpinz dann den Stichwortgeber gespielt hat. Das passt nicht."

"Vielleicht hat sie ihn manipuliert? Ihre psionischen Fähigkeiten bewegen sich scheinbar im Plussektor und vielleicht sind auch Khornedämonen gegen solch ein gewaltige Macht nicht vollständig immun. Oder die Aufnahmen sind schlicht gefälscht, um uns ins Zweifeln zu bringen. Das sind nur zwei Punkte, die mir gerade so einfallen."

"Und da ist noch der Zelot, der sie so heftig beleidigt hat. Ich hätte ihn in dieser Situation erschossen."

"Kleine Gesten können viel bewirken. Sie kann offensichtlich in die Zukunft sehen, weiß dadurch, wie sie wirkt. Gavri Pilgerstochter und das was in ihr ist, sind ein sehr mächtiger und raffinierter Feind. Ihr Lügengebilde ist schwer zum Einsturz zu bringen, da es keinerlei offizielle Originaldokumente mehr aus der Gründungszeit des Imperiums gibt. Alles was wir über das Leben des Imperators und den Bruderkrieg kennen, ist erst viel später geschrieben worden. Vielleicht von authentischen Abschriften, vielleicht ist auch vieles Fiktion. Das macht es schwer, sie zu widerlegen."

"Welche Religion hing der Imperator an?"

"Hä?"

"An was hat der Imperator geglaubt, was hat ihn angetrieben?"

"Keine Ahnung, früher gab es viele Kulte und der Tempel des Imperialen Heilands setzte sich schließlich als allgemein gültiger und einziger Kult im Adeptus Ministorum durch. Sehen wir mal vom Maschinenkult und dem Sonderfall der Space Marines ab. Alle anderen wurden verfolgt und vernichtet. Später wurde das Ministorum von der Konföderation des Lichtes unter Sebastian Thor reformiert."

"Ich habe aufgepasst, als es um frühe imperiale Archaik ging. Das weiß ich alles, Herad. Aber hast du dich nie gefragt, an was der Imperator selbst geglaubt hat?"

"Eigentlich nicht und ich sehe nicht, was das jetzt mit Gavri Pilgertochter zu tun hat."

"Nun, es könnte doch sein, dass die Ekklesiarchie sich das was heute als Standard gilt, einfach zurecht gelegt hat und Details, die nicht in ihr Bild passten, einfach ausgegliedert und zur Ketzerei erklärt haben." Seine Interrogatorin begab sich auf wahrlich dünnes Eis. Kein Wunder, dass sie so einen intimen Rahmen für ihr Gespräch gesucht hatte.

"Shiloh! Solche Sätze geben die von sich, die wir ins Feuer werfen! Das ist Ketzerei! Hypothetisch oder nicht, du begibst dich hier in Regionen, die den Tod bedeuten. Genau um solche Gedanken zu unterbinden, sind wir da. Wir sind vom Ordo Hereticus und jagen eben nun mal Ketzer!" Erklärte Herad mit sorgenvoller Miene. Seine Interrogatorin begab sich in äußerst gefährliche Regionen. Regionen, die eine Liquidation zwingend erforderlich machen konnten. Und einen weiteren Verlust in seinem Gefolge konnte er nicht mehr wirklich kompensieren, schon dreimal nicht, wenn er jetzt auch noch Shiloh verlieren würde. Ganz abgesehen davon, dass er mehr für sie empfand, als ihm als Inquisitor gut tat.

"Aber Gavri Pilgerstochter ist doch ein Wesen das so durch und durch gut ist. Schau dir nur die Einträge im Buch der Strafen in dem Waisenhaus an. Manche Kinder wurden täglich gezüchtigt, dann kam Gavri und alles wurde viel ruhiger. Dann in den sieben Tagen wo sie weg war, schnellte alles wieder auf das alte Niveau hoch. Um dann bei ihrer Rückkehr wieder auf den Stand vor ihrem Verschwinden zu sinken. Die Klassen, die sie besucht hat, waren im gesamten Bereich immer besser als jede andere. Die Strafen sanken nach den Büchern zu urteilen, gegen Null, wenn sie mit dabei war. Ich kann nicht verstehen, was du gegen so ein Wesen haben kannst, das letztendlich nur Gutes seiner Umwelt zufügt." Er hatte Shiloh noch nie so aufgewühlt erlebt.

"So ein Gespräch sollten wir nicht nötig haben. Du bist Interrogatorin der Inquisition, solche Fragen sollte sich nicht mal ein Anwärter stellen. Es geht hier nicht um gut oder böse, richtig oder falsch. Es geht darum, Ketzer oder nicht Ketzer, besessen oder nicht besessen. Sie ist ein Ketzer und sie ist besessen, das ist Fakt! Alles andere hat uns nicht zu interessieren. Das sind die für uns einzig relevanten Fakten. Es ist egal, dass in ihrer Nähe sich Kinder besser benehmen oder nicht. Es ist egal, wie viele Chaoskultisten, Chaos Space Marines und berüchtigte Dämonenprinzen sie ohne Kraftanstrengung abschlachten kann. Es ist egal, was in ihr letztendlich ist. Tzeentch oder ein Erzengel. Es spielt keine Rolle, ob sie es vielleicht aus ihrer Sicht nur gut meint.

Uns sollten nur die Fakten interessieren und die lauten, Gavri Pilgerstochter ist eine besessene Hexe, die blasphemische, höchst ketzerische Reden von sich gibt, die der offiziellen und allgemein gültigen Lehre des Adeptus Ministorum in allen wichtigen Punkten widersprechen. Die Inquisition hat nicht über die Lehren der Ekklesiarchie zu entscheiden, sie sind der unumstößliche Ankerpunkt, an dem das ganze Imperium hängt. Der Glaube an den Gottimperator ist der gemeinsame Nenner, die verbindende Gemeinsamkeit welche eine Million Welten zu diesem Imperium zusammenfügt. Der Ordo Hereticus wurde genau zu diesem Zweck gegründet, die einzig wahre Lehre zu verteidigen und jede nicht genehmigte Abweichung davon zu unterbinden, mit jedem möglichen Mittel. Mit aller zu Verfügung stehenden Härte!"

"Du hast also keine Zweifel?" Sie sah ihm tief in sein verbliebenes Auge.

"Und selbst wenn sie recht hätte, es ändert nichts an der Tatsache, dass sie eine besessene Hexe ist, von ihr selbst schriftlich zugegeben!" Sein Tonfall war nun hart und unnachgiebig.

"Wenn das so ist, dann musst du mich jetzt töten." Ihre Stimme bebte, aber sie war voller Entschlossenheit.

"Aha?" Ihre Antwort schockierte ihn, auch wenn sie durchaus Recht hatte. Ihre Position war Ketzerei und dafür gab es nur eine einzige angemessene Strafe.

"Ich habe Zweifel, ich weiß nicht, was ich von ihr halten soll. Und ich kann für mich nicht ausschließen, dass Gabriel vielleicht die Wahrheit spricht. Also kann ich nicht länger als Interrogatorin der Inquisition arbeiten. Und du weißt, dass man in diesem Beruf keine Kündigung schreiben kann. Also nimm deine Pistole und tu deine verdammte ach so heilige Pflicht als Inquisitor des Gottimperators. Töte mich hier und jetzt!"

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