medusa Geschrieben am 30. Juni 2023 Geschrieben am 30. Juni 2023 (bearbeitet) Stealth Eldil beugte sich behutsam etwas vor, um den Duft seiner Vorgesetzten zu schnuppern. Es war gefährlich, das wußte er. Nicht, weil sie eine Dunkelelfin war. Sondern wegen der schwachen Note von Pheromonen, die in den Ausdünstungen der Frau lag. „Was ist?“ Commander Siri del’Harlond drehte sich ruckartig zu ihm um und blickte in sein helles Gesicht. „Nichts Besonderes.“ „Und das nicht Besondere?“ „Nimm doch mal eine Nase voll von dem Duft hier im Cockpit. Fällt Dir etwas auf?“, schlug der Mann vor. Die Elfin schnüffelte kurz und runzelte die Stirn. „Das kann doch nicht sein“, stellte sie fest. „Das ist viel zu früh. Wann bist Du dran?“ „Erst in etwa drei Monaten“, antwortete der Ciryaher. Sein Rang war in etwa dem eines Commanders gleich. „Bei mir sollte es noch fast ein halbes Jahr dauern.“ Siri schien verärgert zu sein. „Was machen wir jetzt?“, wollte der Mann wissen. „Wir sollten unsere Vorgesetzten informieren.“ „Das können wir nicht mehr“, erwiderte die Kommandantin. „Wir sind schon zu tief im System. Wenn wir jetzt versuchen, eine Nachricht abzusetzen, dann orten die uns sofort. Und wenn wir versuchen, den Kurs zu ändern, orten sie uns auch.“ „Wird das kleine Problem unsere Mission gefährden?“ „Nicht, wenn wir uns damit nur in den Freischichten beschäftigen.“ Die Frau sah ihren Untergebenen plötzlich mit einer ganz anderen Nuance in ihrem Blick an. „Das heißt“, sagte sie leise, „wenn Du es überhaupt in Betracht ziehen würdest, Dich mit mir zu paaren. Ich hörte, ihr Lichtelben versucht, derlei Gelüste mit Meditation zu unterdrücken.“ „Das gelingt mir schon seit ein paar Tagen nicht mehr so gut“, gab der Untergebene freimütig zu. „Weißt Du, normalerweise kuschele ich ganz gerne vorher mit jemand, bevor es dazu kommt“, erklärte die Commander. „Bei einem unserer Männer wäre das auch kein Problem. Er würde einfach tun, wonach ich verlange. Aber bei Dir bin ich mir nicht so sicher, wie das bei euch läuft.“ „Sollen wir?“ Ciryaher ar-Salfon fragte so direkt, wie kein Dunkelelfenmann es je tun würde. Siri fand es aufregend respektlos von ihm. „Ich müßte Dich vorher allerdings warnen. Wir haben in unserer Flotte zwei Frauen von anderen Spezies, die es getan haben. Beide sagen übereinstimmend, dass Nähe mit uns Dunkelelfen süchtig macht. ‚Das süße Gift der Nähe‘ nannten sie es wohl.“ In den dunkelroten Augen der Frau lag ein Lauern, das etwas an ein Raubtier erinnerte. „Wäre ich Dir verfallen?“, wollte der Gefährte in spe mit einem kecken Lächeln wissen. „Nicht unbedingt mir. Aber Du würdest nicht mehr den gewohnten Frieden in der Meditation finden, glaube ich, sondern Dich nach den Berührungen eines schwarzen Körpers sehnen.“ „Das riskiere ich“, antwortete Eldil. Die Mission war der erste Einsatz eines vollkommen neuen Schiffsprototypen, den die Lichtelben auf der Werft von Salania gebaut hatten. Es war ein Tarnschiff, dafür entworfen, ungesehen und ungehört im Weltraum zu operieren, sich unbemerkt nichtsahnenden Zielen zu nähern und sie aus dem Hinterhalt mit einem ganzen Schwarm von todbringenden schweren Schiff-Schiffs-Torpedos zu überfallen. Das kleine Raumschiff hatte eine Besatzung von nur neun Personen und konnte in seinem Rumpf bis zu sieben der Angriffswaffen transportieren. Der Rumpf war unregelmäßig eckig, so dass Radarstrahlung wirksam zerstreut wurde, die schwarze Lackierung reflektierte so gut wie kein Licht, und die doppelte Außenhaut ließ sich mit Hilfe von flüssigem Wasserstoff so weit abkühlen, dass das kleine Schiff so gut wie keine thermische Infrarotstrahlung mehr abgab. Natürlich hatte alles das seinen Preis. Die Lebenserhaltung der Elben im Schiff, die hochentwickelten Ortungsgeräte und Kristallcomputer in seinem Inneren und auch der Antrieb entwickelten Wärme, die man wegen der starken Kühlung nicht abstrahlen konnte, um den Gegner nicht zu warnen. Glücklicherweise war man mit der elbischen Technologie in der Lage, eine Festkörper-Wärmepumpe ungeahnter Effizienz und überraschend geringer Größe zu bauen. Die Wärme wurde damit in dem magnetischen Einschluß eines Gefäßes gespeichert, das einem veralteten Fusionsreaktor ähnelte. Das Wasserstoffgas in seinem Inneren heizte sich dabei immer mehr auf, was früher oder später zu einer Katastrophe führte, wenn man es nicht rechtzeitig an einem unbeobachteten Ort in den Weltraum abblasen konnte. Die Einsatzdauer eines solchen Tarnschiffes war also begrenzt. Die mit den Dunkelelfen verbündeten Lichtelben hatten es gebaut. Bei seinem ersten Einsatz hatten sie ihre Verbündeten gebeten, dass eine der Ihren das Kommando über das Schiff übernahm, denn die Elben logen nicht gern. Ihren Artgenossen gegenüber, die mit ihnen Verhandlungen führten, damit sie ihre Freundschaft mit den Dunkelelfen aufkündigten, konnten sie so behaupten, für den Überfall nicht verantwortlich gewesen zu sein. Und Siri del’Harlond, die nach der Übergabe ihres Interims-Kommandos über die Charybdis an die reguläre Kapitänin ohne rechte Aufgabe war, hatte sofort zugesagt, als man sie fragte. Die Dunkelelfin hatte die normale medizinische Untersuchung über sich ergehen lassen, wie es für solche Spezialmissionen üblich war. Zwar gab es eine Richtlinie, dass eine bevorstehende Paarungsbereitschaft bei solchen Gelegenheiten gemeldet werden mußte (und dazu führte, dass Krieger wegen der besonderen Anforderungen einer Mission für diese Zeit vom Einsatz ausgeschlossen werden konnten), aber ein halbes Jahr war normalerweise ein genügender zeitlicher Abstand. Was niemand in Betracht gezogen hatte, war die Enge an Bord des kleinen Schiffes. Der gesamte Rumpf war ausgefüllt mit Sensorelektronik, Kristallspeichern, Lichtleiterprozessoren, Holoprojektoren, Kühlaggregaten und dem Laderaum für die Torpedos. Nicht zu vergessen war ein sehr leistungsfähiger Fusionsantrieb, der zwar während der eigentlichen Mission nicht in Betrieb genommen werden durfte, weil er nur dazu diente, bei einer zufälligen Entdeckung des kleinen Schiffes sehr schnell fliehen zu können, der aber trotzdem Raum innerhalb des Rumpfes in Anspruch nahm. Für die Besatzung aus neun biologischen Lebewesen und ihre individuellen Bedürfnisse blieb folglich nicht sehr viel Platz übrig. Die leitende Offizierin Siri hatte eine winzige Kabine für sich. Die anderen acht Besatzungsmitglieder hatten doppelstöckige Kojen in einem gemeinsamen Raum. Es gab eine kleine Nische, in der man zu viert sitzen und den recycelten Essensbrei zu sich nehmen konnte, und eine gemeinsame Sanitärzelle für alle. Mit anderen Worten, Privatsphäre war etwas sehr Kostbares an Bord des kleinen Tarnschiffes. Und das hatte Folgen. Schon nach wenigen Tagen erkannten sich alle an Bord gegenseitig am Geruch des jeweils anderen. Zwar schwitzten Elben nicht, doch hatten sie trotzdem alle einen schwachen, individuellen Körpergeruch. Und bei denen, die sich dem Ende des dreieinhalbjährigen Hormonzyklus ihrer Spezies näherten, waren die Pheromone, die die Paarungsbereitschaft ankündigten, in der recycelten Atemluft deutlich höher konzentriert, als es normal gewesen wäre. Was dazu führte, dass ihre Körper früher aufeinander reagierten, als es unter normalen Bedingungen der Fall war. Dunkelelfin und Lichtelb waren beide etwas schüchtern, als sie die körperliche Nähe eines Wesens, das noch vor wenigen Jahren als Todfeind gegolten hätte, zuließen. Sie lagen bekleidetet auf der Koje in der Kabine und umarmten sich bloß. Eldil streichelte der Gefährtin sachte die Wange. In dieser Phase des Kennenlernens sprachen sie nicht in ihren Freischichten, obwohl sie nun begannen, die Nächte regelmäßig gemeinsam zu verbringen. Da das Schlafen in einer engsitzenden Raumuniform nicht sehr bequem war, dauerte es nicht lange, bis die Beiden mehr Kleidung ablegten und sich vertrauter aneinanderschmiegten. Es war Siri, die den ersten Kuß wagte. So zart war die Berührung ihrer Lippen auf der fast golden hellen Haut des Mannes, dass ihre Untergebenen zuhause, die sie nur die „Kratzbürste“ nannten, sie nicht wiedererkannt hätten. „Mhm“, machte Eldil eines Abends, als sie gegenseitig ihre Wärme spürten. „Da kann man sich dran gewöhnen. Macht ihr das eigentlich immer?“ „Du meinst, das Kuscheln?“ Siri blinzelte durch ihre weißen Haare zu dem Gefährten. „Ja, klar. Macht mehr Spaß als meditieren.“ Dann hob sie den Kopf und lächelte. „Es gefällt Dir“, sagte sie frech. „Schon, ja. Ich ahne, warum man es ‚das süße Gift‘ nennt.“ Der Elb legte den Arm wieder um die schwarzen Schultern der Frau und drückte ihren Körper an sich. „Noch etwa eine Woche, bis es losgeht“, flüsterte er. „Ja, ich denke, da hast Du recht.“ Die Frau rieb ihre Wange an der blaßgoldenen Haut. „Meinst Du, die anderen haben was gemerkt?“ „Meinst Du das wirklich ernst?“ Siri hob wieder den Kopf und lachte. „Du übernachtest in jeder Freischicht in meiner Kabine, wir verbringen den Dienst zusammen im Cockpit, und wahrscheinlich stinkt das gesamte Schiff schon unerträglich nach der kurz bevorstehenden Paarung, und die sollen nichts gemerkt haben?“ „Hmja“, seufzte Eldil verlegen, „Du hast wahrscheinlich recht. Vielleicht solltest Du als Kommandantin ein paar Worte dazu sagen.“ „Auf einem Dunkelelfenschiff müßte ich das nicht“, erwiderte die Frau. „Jeder wüßte, was es bedeutet, und dass die Pflicht trotzdem getan wird.“ „Bei uns ist das nicht so.“ Jetzt seufzte Siri tief. „Also gut, ich tue es. Und jetzt küß mich endlich nochmal, Du unglaublich schlecht erzogener Mann.“ „War das ein Befehl?“ „Mhm.“ Das Paar schaffte es, die kritische Phase der Mission wie geplant zu überstehen. Die anderen Besatzungsmitglieder verbargen ihre Belustigung oder Verärgerung über das, was in den Freischichten in der Kabine vor sich ging, mehr oder weniger gut. * Die „Stern von Eldamar“ war das größte Schiff, der Stolz und das Flaggschiff der Flotte von Ramcar. Selbst für Elben war es ein seltener Anblick, denn es war eines der wenigen Lichtsegler-Schlachtschiffe, die überhaupt in dieser Galaxis existierten. „Arano.“ Jumiel erhob sich überrascht von ihrem Sitz, um dem Kommandanten der hiesigen Flotte die ihm zustehende Ehre zu erweisen, als der das Befehlszentrum des Schiffes überraschend betrat. Sein Titel, wörtlich „Prinz“, bedeutete in etwa das Gleiche wie „Admiral“. „Bleib sitzen, Ciryatur“, wies der Elb seine Untergebene an. „Ich wollte nur mal kurz nach dem Rechten sehen, ehe ich mich zur Ruhe begebe. Irgendetwas Besonderes?“ Der Arano hatte ein merkwürdiges Gefühl, eine Art Vorahnung gehabt, und deshalb seine Schritte zur Kommandokuppel des großen Schiffes gelenkt. Hier waren außer der Kapitänin nur zwei andere Offiziere an den Sensorkonsolen anwesend, denn es war die Ruheschicht im normalen Zyklus des Alltages an Bord eines Raumschiffes, das in einem Flottenstützpunkt lag. „Nichts Besonderes, Arano“, meldete die Elbin. „Der normale Verkehr der Zubringerschiffe in diesem Bereich. Ein kleiner unregistrierter Asteroid wird unseren Liegeplatz in Kürze achtern passieren. Keine Gefahr, er wird uns um mehrere tausend Kilometer verfehlen.“ „Mhm.“ Silvar ar-Feinion runzelte die Stirn. „Dieser Asteroid, gibt es frühere Sichtungen davon?“ „Ich habe natürlich nachgefragt, bei den Außenstationen, Herr“, antwortete Jumiel. „Er wurde zuerst vor etwa zwei Wochen entdeckt, bevor er den Bereich der Planetenbahnen erreichte. Scheint auf einer hyperbolischen Bahn aus dem interstellaren Raum zu kommen. Vor zehn Tagen wurde er dann noch einmal gesichtet, als es zu einer Freisetzung von Wasserstoff durch ihn kam.“ Der Admiral zog die Augenbrauen noch düsterer zusammen. Die ungute Vorahnung wollte nicht weichen. „Hast Du dieses Ding mit unseren eigenen Sensoren gescannt, Ciryatur“, wollte der Mann wissen. „Natürlich“, erwiderte die Offizierin. „Ist ziemlich klein und dunkel. Nur etwa 30 bis 40 Meter groß und vollkommen inaktiv, bis auf den einen Ausbruch von Wasserstoff. Ich vermute, das ist ein Rest eines Kometen, der langsam anfängt, in der Sonnenstrahlung zu verdampfen.“ „Könnte natürlich sein“, murmelte Arano ar-Feinion leise vor sich hin. „Wie genau passiert dieses Objekt uns eigentlich?“ „Genau achtern, Herr.“ „Wie genau? Wieviel Grad Abweichung?“, wollte der Kommandant wissen. „Exakt. Keine Abweichung, Herr.“ Das ungute Gefühl des Flottenkommandanten begann sich zu verstärken. „Ich möchte, dass das Ding nochmal gescannt wird. Ich will ein Profil der Oberfläche sehen. Ich glaube erst, dass das wirklich ein Asteroid oder Komet ist, wenn ich seine pockennarbige Oberfläche betrachtet habe.“ „Aber Herr“, erklärte die Kapitänin, „wir können die Oberfläche aus dieser Entfernung nicht auflösen. Er ist klein, dunkel und zu weit weg. Wir haben den Brocken doch schon ein paar Mal gescannt in der ganzen Zeit, und er wird uns ja nicht mehr näher kommen.“ „Haben wir eine Jagdstaffel im Hangar in Bereitschaft?“, wollte der Arano wissen. „Das ist nämlich Vorschrift während der Ruheperiode. Wie Ihr sicherlich wißt, Ciryatur.“ „Zu Befehl, Herr. Ich werde veranlassen, dass sie sich startbereit machen.“ „Laß sie hinfliegen und dieses Objekt von allen Seiten mit ihren eigenen Augen betrachten, ob es wirklich nur ein Himmelskörper ist.“ * Eldil betrat das Cockpit des Tarnschiffes, in dem sich schon zwei andere Elben und die Dunkelelfin drängten. Siri hatte Gefechtsbereitsschaft befohlen, denn es dauerte nicht mehr sehr lange, bis ihr Fluggerät die optimale Position für den Abschuß der Torpedos erreicht hatte. „Hallo“, flüsterte er der Gefährtin zu und schmiegte sich unauffällig an sie, ehe er sich auf den Sitz des Copiloten schwang und die Gurte anlegte. Die Frau schenkte ihm ein kurzes Lächeln, ehe sie sich wieder ganz den Instrumentenholos vor ihr widmete. Der Elb war erstaunt darüber, denn Dunkelelfen waren beinahe sprichwörtlich für ihre Disziplinlosigkeit bekannt. Offenbar galt das aber nicht, wenn sie sich dem Kampf widmeten. „Die könnten was gemerkt haben“, erklärte sie gerade der Elbin, die an der Seite des Cockpits saß. „Das waren jetzt zwei neue Scans in den letzten Minuten. Arwen, geh bitte mit allen passiven Sensoren mit höchster Empfindlichkeit auf unser Ziel und melde mir sofort, wenn sich dort das Geringste rührt.“ „Aye, Ma’am.“ „Was ist denn?“, wollte der Neuankömmling wissen. „Die werden unruhig. Wir sind aber noch nicht ganz in Schußposition“, erklärte seine Gefährtin. „Wieviel Grad Abweichung haben wir noch?“, wollte der Mann wissen. „Zweieinhalb etwa“, antwortete die Kommandantin. „Das ist genau genug“, erklärte der Copilot. „Laß uns von hier aus den Angriff durchführen und dann verschwinden, so schnell wir können.“ „Ich warte, so lange es geht.“ Siri machte ein entschlossenes Gesicht. „Ma’am, ich habe etwas im Scanner“, meldete die Elbin. „Sieht so aus, als ob die eine Staffel Flugkörper gestartet haben. Sie nehmen Kurs auf uns.“ „Geht das Ziel schon auf Gefechtsbereitschaft?“, wollte Commander del’Harond wissen. „Noch nicht, Ma’am“, antwortete Arwen. „Wie lange haben wir noch?“ „Nicht lange genug bis zum visuellen Kontakt.“ „Also gut. Alles vorbereiten für den Abschuß. Machen wir es so gut, wie wir es von hier aus hinbekommen. Miriel, bereite alles für den schnellen Abwurf der Kühlflüssigkeit vor. Und Du, Eldil, hast die Codes für die Gefechtsköpfe der Torpedos. Mach Deinen Job. Ich will in drei Minuten Feuerbereitschaft haben.“ * Mit Besorgnis folgte der Blick des Flottenkommandanten den kleinen Jägern, die in die Schwärze des Weltraumes hinausgeflogen waren. „Erwarten Sichtkontakt in etwa fünf Minuten“, erklang die Stimme des Staffelführers im Com. „Hey, jetzt passiert etwas. Da sind Gase zu sehen.“ Noch ehe der Arano den Befehl dazu geben konnte, kam auch schon die Meldung des Elben an der Sensorkonsole. „Das Objekt eruptiert große Mengen Wasserstoffgas, Herr“, erklärte er. „Es scheint auseinandergebrochen zu sein." „Alle Scanner, aktiv und passiv“, befahl Silvar. Seine Vorahnung steigerte sich bis hin zur Furcht vor einer nahen Katastrophe. „Da sind mehrere kleine Objekte in der Wolke. Wie ich schon sagte, der Kometenrest scheint auseinandergebrochen zu sein, Herr.“ „Und warum beschleunigt dann eines der kleinen Objekte auf uns zu?“, rief der Arano verärgert. „Sieht denn keiner, was hier passiert? Vollen Alarm auslösen und Gefechtsbereitschaft herstellen! Sofort!“ „Bestätige: sieben Objekte aus der Wasserstoffwolke fliegen mit hoher Geschwindigkeit auf uns zu. Hinter der Wolke beschleunigt ein einzelnes größeres Objekt sehr schnell von uns weg“, meldete der Mann an den Sensoren. „Meldung an die Jäger: die fliehenden Bastarde verfolgen und eliminieren!“ Der Flottenkommandant war ganz unelbisch außer sich. Jemand versuchte, seinem Schmuckstück, dem Stolz der Flotte, Schaden zuzufügen. Angesichts der herannahenden feindlichen Geschosse besann er sich kurz und befahl dann mit gewohnt ruhiger Stimme: „Auf bevorstehende Kollision vorbereiten!“ „Herr.“ Die Ciryatur versuchte auf sich aufmerksam zu machen. „Die Leute sind in der Ruheperiode. Auch wenn die meisten von ihnen noch nicht schlafen werden, so sind sie in den Freizeiteinrichtungen, oder sie trinken in den Messen des Schiffes mit Freunden. Es wird dauern, gefechtsbereit zu werden. Ich fürchte, wir können uns auf den Einschlag dieser Torpedos nicht schnell genug vorbereiten.“ „Die Mannschaft hat das trainiert!“, ereiferte sich ihr Vorgesetzter. „Sie müssen in zwei Minuten auf ihrem Posten sein können! Das ist Vorschrift!“ „Das mag sein. Aber nicht, wenn das Schiff an seinem Liegeplatz verweilt. Ein Teil von ihnen hat vielleicht den ‚Stern‘ sogar für einen kurzen Planetenurlaub verlassen.“ Darum bemüht, seine Haltung als Oberbefehlshaber nicht zu kompromittieren, versuchte Silvar Haltung zu bewahren und sein Gesicht nicht zu verziehen, während sein Blick der sich schnell nähernden Nemesis auf dem Holodisplay folgte. * Das Tarnschiff beschleunigte mit seinem Fusionsantrieb so stark, dass die Schwerkraftkompensatoren die Kräfte nicht vollkommen ausgleichen konnten. Deshalb wurde die gesamte Mannschaft des Schiffes mehr oder weniger stark in ihre Sitze gedrückt. „Statusmeldung“, rief Siri durch das Grollen des Fusionsantriebes gepreßt in ihr Com. „Verfolger fallen zurück, Ma’am“, hörte die Dunkelelfin in ihren Helmlautsprechern. „Wir entkommen ihnen.“ „Gutes Schiff, das ihr Lichtelben da gebaut habt“, gab sie zurück. „Danke, Ma’am.“ „Was machen denn unsere Torpedos?“, wollte die Kommandantin als nächstes wissen. „Erreichen gerade ihre Ziele.“ „Auf das Frontholo, bitte.“ „Aye, Ma’am.“ Die Frau dachte nur kurz daran, wie gut die Lichtelben ihr gehorchten, als auch schon die geforderte Anzeige vor ihr aufleuchtete. Das Holo war mit Daten der Heckkameras hinterlegt und sah daher sehr realistisch aus. Einer der winzigen Punkte verfehlte das Heck des Schlachtschiffes und raste am Rumpf entlang bis zur hervorragenden Kante des Oberdecks, wo er einschlug. Die Gewalt der Explosion pflanzte sich im Inneren fort und brach aus einigen der Geschützluken des Decks wieder aus. Ein Treffer. Sehr gut. Zwei weitere Torpedos durchschlugen die Rumpfpanzerung im Heck, dort brachen durch die Detonationen Teile der Struktur aus dem Rumpf. Ein Torpedo verfehlte das Schiff und flog davon. Das war nicht gut. Aber immerhin gab es weder Abwehrfeuer noch aktivierte der Lichtsegler sein Tarnfeld. Das riesige Schiff lag einfach nur da und wurde getroffen. Das nächste der Geschosse traf aus einer massiven Kurskorrektor heraus den hinteren Teil des Rumpfes seitlich. Wahrscheinlich war der Droidenkern des Torpedos einem Trümmerstück ausgewichen. Eine ganze Kaskade aus Detonationen war die Folge, hier löste offenbar der Treffer Folgexplosionen in beschädigten Maschinen aus. Die Energieversorgung brach in Teilen des Schiffes zusammen. Die Lichter im Kielbereich gingen aus. Zwei Torpedos waren noch im Anflug. Einer der Jäger, die umgekehrt waren, zwang das Letzte aus seiner Maschine heraus und schaffte es, den Nachzügler abzuschießen. In dieser Zeit traf der letzte übrige Flugkörper in der Nähe des Backbordmastes. Die Explosionswolken liefen durch die Schächte für die Seilzüge der Segel, und es war zu erkennen, dass zwei der Segel durch die Schockwellen brennender Gase in Fetzen gerissen wurden. „Gut, das war’s, Leute“, faßte Siri das Geschehen zusammen. „Wir haben das gegnerische Schiff ziemlich schwer beschädigt. Ich glaube nicht, dass die so bald irgendwohin damit auslaufen werden.“ Die Bekundungen der Zufriedenheit verliefen eher verhalten. Nun ja, es sind eben Lichtelben, dachte die Kommandantin. „Du siehst ein bißchen traurig aus“, hörte die Frau die Stimme des Gefährten neben sich. „Das war ein schönes Schiff. So große und anmutige Lichtsegler sind selten. Es befindet sich nur in den falschen Händen.“ „Ich wußte nicht, dass es Dir darum leid tun könnte“, erwiderte Eldil etwas erstaunt. „Selbst Dunkelelfen haben einen Sinn für Schönheit“, antwortete die Frau. Später am Abend, nach einer kurzen Siegesfeier mit der Mannschaft, waren Siri und Eldil wieder allein in der Kapitänskajüte. „Auch eine befriedigende Art, das Gelingen der Mission zu feiern“, sagte die Dunkelelfin mit einem zufriedenen Lächeln und kletterte von ihrem Sitz rittlings auf dem Unterleib ihres Gefährten herunter. „Wenn Du das sagst.“ „Zum Glück ist es bald vorbei. Ich kriege schon Muskelkater von diesen dauernden Turnübungen“, stellte die Kommandantin trocken fest. „Ich werde mich gerne daran erinnern“, bemerkte der Mann. „Übrigens, ich hätte da noch eine Frage. Du sagtest vorhin im Cockpit etwas von Schönheit.“ „Mhm.“ Siri dachte einen Moment nach. „Du bist zum Beispiel schön. Für einen Lichtelben – und Mann noch dazu – siehst Du überraschend süß aus.“ Eldil lächelte und schloß die Augen. „Darf ich das noch mal hören, Herrin?“ „Was hast Du da gerade gesagt?“ Die Frau bemerkte entsetzt, dass das letzte Wort eine merkwürdige Saite in ihrem Herzen zum Klingen brachte. Eine, die sie nie wieder hatte hören wollen. „Was? ‚Herrin‘?“ der Lichtelb sah ihr in die Augen. „Ich wollte wissen, wie sich das anfühlt, so etwas zu Dir zu sagen.“ „Hey.“ Die Kommandantin setzte sich im Bett auf. „Du solltest das hier nicht mit Hingabe verwechseln.“ „Du meinst, wir sind beide nur dem Befehl der Natur gefolgt. Nein, nicht nur.“ Die Stimme des Gefährten klang eine Winzigkeit enttäuscht. „Was sollten wir denn machen? Paarungszeit ist nun mal lästig. Irgendwie muß man das Verlangen ja stillen. Vielleicht könnt ihr Lichtelben es wegmeditieren, ich kann es nicht. Und wenn ich in so einem kleinen Schiff unter dem Einfluß der Hormone aggressiv geworden wäre, hätte das die ganze Mission gefährdet. Hier gibt es ja nicht einmal einen kleinen Raum für Kampftraining, wo ich mich hätte austoben können.“ „Ist das so heftig bei euch?“ „Ja. Glaub mir, Du möchtest keinen paarungsbereiten Dunkelelfen ohne Partner erleben. Ich hätte Dich nicht mehr gefragt, ob Du willst.“ „Mußtest Du ja auch nicht.“ „Stimmt. Danke dafür.“ Die Frau sah zu ihm und lächelte ein wenig. Eine Pause trat ein, ehe Eldil leise bemerkte: „Morgen erreichen wir das Trägerschiff und docken an. In zwei Tagen sind wir wieder zuhause. Gibt es eine Möglichkeit, dass wir uns einfach mal wieder so treffen?“ Die Saite in Siris Herz klang wieder, und sie versuchte, es nicht zu spüren. „Ich geb Dir meine Com-Adresse“, erklärte sie. „Vielleicht, wenn wir am selben Ort sind, können wir ja mal wieder einen Abend kuscheln.“ „Wenigstens etwas. Herrin.“ Es fühlte sich nicht schlecht an, fand der Elb. Die Beiden trafen sich allerdings schneller wieder, als sie geplant hatten. Es war Siri, die den völlig überraschten Eldil (der sich darüber sehr freute) wenige Wochen später über Com anrief und um ein Treffen bat. Einige Tage später begegneten sich beide in Salania-Orbital. Der Raumhafen war groß und es war dieser Tage nicht ungewöhnlich, dort auch Dunkelelfen zu sehen. Der Mann umarmte seine Besucherin überschwänglich, und auch sie nahm ihn in die Arme und drückte ihn enger an sich, als sie vorgehabt hatte. „Ich freue mich so, Dich zu sehen“, sagte er. „Das merke ich“, antwortete sie vorsichtig. „Was ist denn so wichtig, dass wir es unbedingt persönlich besprechen müssen?“ „Können wir hier irgendwo ungestört reden?“ „Na klar. Es gibt hier eine Lokation, wo man warme Getränke bekommt, und sie haben dort Tische mit Schallisolatoren. Da drüben, glaube ich“, erklärte der Lichtelb. Den Weg dorthin war Siri sehr schweigsam. Als die Beiden endlich ungestört und mit dampfendem Tee versorgt in ihrer Sitzecke reden konnten, rückte die Dunkelelfin endlich mit dem Grund ihrer Reise hierher heraus. „Eldil, ich bin schwanger“, sagte sie knapp. „Aber das ist ja wunderbar“, erwiderte der und lächelte so breit, wie er nur konnte. Spontan nahm er die schwarze Hand der Frau und küßte und drückte sie. „Verstehst Du nicht?“, fragte sie mit Sorge in der Stimme. „Es gab in dieser Paarungszeit nur Dich. Niemand sonst. Es ist ein Mischling.“ „Ich wußte nicht, dass das überhaupt geht“, sagte der Elb, „und das macht es umso schöner.“ „Ich wußte es auch nicht, sonst hätte ich mir die Eier ausgespült, damit nichts passieren kann.“ „Was? Sowas macht ihr?“ „Das machen alle Frauen, auch eure“, erwiderte Siri. „Die erzählen es euch nur nicht. Und wenn ich daran denke, in dieser kleinen Sanitärzelle, in der man kaum stehen konnte... keine Ahnung, ob es überhaupt gegangen wäre. Und die anderen hätten es natürlich noch deutlicher gemerkt, was wir gemacht haben.“ „Was ist denn so schlimm daran, einen Mischling als Kind zu haben?“ Die Gedanken des Mannes waren überhaupt nicht beim Thema Verhütung ungewollten Nachwuchses. „Was mir die Ärztin darüber erzählt hat, ist, dass unsere DNA nicht vollkommen kompatibel ist. Normalerweise gibt es, wenn überhaupt eine Befruchtung stattfindet, immer einige Gendefekte, und das Ei stirbt vor der Reife ab und muß entfernt werden.“ Die Dunkelelfin fühlte sich jetzt, da sie darüber mit jemand Betroffenem reden konnte, etwas weniger unwohl. „Allerdings hat die Untersuchung und die Analyse einer Zellprobe ergeben, dass unsere Gene erstaunlicherweise einigermaßen passen. Das Ei wird reifen, und unsere Tochter wird lebend darin heranwachsen und zur Welt kommen. Sie wird sogar ohne verkrüppelte Gliedmaßen oder defekte Organe geboren werden. Allerdings sind Mischlinge immer Töchter, und sie können selbst keine Kinder mehr haben.“ „Sie wird leben. Das ist doch schön“, erwiderte Eldil. Siri sah ihn lange an. „Du weißt nicht, wie Mischlinge aussehen, nicht wahr?“, fragte sie leise. „Grau wahrscheinlich“, spekulierte ihr Gefährte. „Sie hätte die hellgoldene Haut von Dir mit dichten schwarzen Sommersprossen von mir. Jeder würde es sofort sehen, was sie ist. Haare weiß ich nicht genau. So in der Art Elfenbein nehme ich an. Heller als dein Blond und nicht so weiß wie ich. Man würde sie ausgrenzen. Sie würde weder zu meinem Volk noch zu Deinem Volk gehören.“ Die Frau atmete tief durch, um ruhig zu bleiben. „Sie würde zu uns gehören.“ „Wenn es doch so einfach wäre.“ „Wir schaffen das.“ „Wir?“ Siri sah den Lichtelben ungläubig an. „Selbstverständlich. Du trägst mein Kind in Dir. Da lasse ich Dich doch nicht damit alleine.“ Eldil machte ein entschlossenes Gesicht, und die Elfin glaubte, sich verhört zu haben. Eine Dunkelelfin hörte solche Worte einfach nicht von einem Mann. „Du sagst also, wir sollen es haben, trotz aller Probleme.“ „Wenn es leben kann, dann ist es der Wille der Götter, dass es das tut“, antwortete er. „Ich bin nicht so religiös. Aber ich möchte es eigentlich auch nicht töten.“ Die Frau blickte etwas verlegen zur Seite. „Dann sind wir uns doch einig. Kannst Du ein eigentlich paar Tage bleiben?“ „Ich muß morgen zurück. Wenn Du unbedingt willst, könnte ich meinen Urlaub vielleicht verlängern“, erwiderte sie. „Dann komm. In einer halben Stunde geht ein Shuttle Richtung Aioa, meiner Heimatwelt. Tu mir bitte den Gefallen, meine Herrin.“ Eldil hielt ihr die Hand hin. „Sag das nicht zu mir.“ Siri verzerrte das Gesicht, als quälte sie ein alter Schmerz. „Was bedrückt Dich?“ „Es gab da mal jemand... es war Hingabe. Richtige Hingabe. Er wurde während der Schlacht um Deneb vor meinen Augen von einer imperialen Fusionslanze verbrannt.“ Die Dunkelelfin schloß die Augen atmete tief durch. „Der Tod eines Kriegers, ehrenvoll, ja klar. Aber ich konnte es nie verwinden.“ „Das verstehe ich.“ Der Mann hielt weiter seine Hand vor sie. „Ich spreche hier nicht von Meleth oder so. Aber wir haben jetzt die gemeinsame Verantwortung für ein Kind. Wenn Du willst. Ob daraus später mehr wird, das findet sich. Sei es Hingabe oder Meleth oder einfach nur, dass wir Freunde sind. Ich mochte Dich schon leiden, als das Hormonchaos uns noch nicht in den Fängen hatte. Konnte von Anfang an nicht verstehen, warum Deine Leute Dich die ‚Kratzbürste‘ nannten.“ „Das hast Du gewußt?“, fragte die Elfin ungläubig. „Natürlich habe ich gewußt, wer da als Kommandantin zu uns kommt.“ „Gut.“ „Und ich würde wirklich gerne mal wieder einfach nur mit Dir kuscheln.“ Siri mußte jetzt lachen, und sie nahm seine Hand. „Also gut“, sagte sie mit einem Lächeln, um zu zeigen, dass sie das Folgende nicht ganz ernst meinte. „Dann nehme ich Deinen Treueschwur an.“ Zwei Jahre später, als die kleine Peri schon geboren war, kniete Eldil vor seiner Herrin Siri tatsächlich ganz öffentlich nieder und leistete den Treueeid nach dem alten Ritus der Dunkelelfen. Es war das erste Mal seit fast zehntausend Jahren, dass ein Lichtelb es tat. © 2023 ~Diane Neisius. (Ein Kapitel aus dem im Entstehen begriffenen dritten Band der "Renegatinnen") bearbeitet 30. Juni 2023 von medusa "Menschen, ja. Sie nennen sich selbst vernunftbegabt. In Wirklichkeit sind sie eine Sorte von haarlosen Affen, deren pausenlose Balzzeit in einen aggressiven Territorialinstinkt ausartet, der nur noch von ihrer Habgier übertroffen wird. Die Galaxis wäre ohne sie besser dran." (Morwen ar-Ithildor zugeschrieben)
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