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TabletopWelt

Überholspur 1.1 - Story des Jahres 2004


Bismarck

Empfohlene Beiträge

Weil ich doch einiges umgestellt und geändert habe, von den Namen der Akteure über die Reihenfolge der Kapitel bis hin zu sehr viel längeren Dialogen, mache ich euch zuliebe nochmal einen Neubeginn mit "Überholspur".

Kritisieren dürft ihr weiterhin, gerne ausführlich mit Begründungen...

Wichtig:

Die Namen der Personen. Ich fand es irgendwie lustig, ihnen die Namen der Apostel zu geben, deshalb heißt jetzt Peter - Mathias, Sebastian - Johannes, Bene - Lukas und Markus? Markus. ;D

Auch wichtig: Falls ihr irgendwelche falsch geschriebenen Eigen- oder Markennamen und Zitate findet oder falls ich grobe logische Fehler mache. Weist mich darauf hin.

So far so long.

Peter

So, habe mal angefangen, das Titelbild zu machen...

Sind nur grobe Skizzen, aber vielleicht interessieren sie euch ja...

Dramatis personae

v.l.n.r.

Sebastian = Johannes trägt den zweireihigen Mantel aus der Lagerfeld für H&M Kollektion, darunter einen leichten weißen Rollkragenpullover von RenÍ© Lezard, dazu eine Hose von Alberto und dunkelbraune Lederschuhe von Lloyd.

Markus = Markus trägt einen schwarzen Pullover mit Zip und eine olive Cargohose, beides von Tom Tailor, dazu Sneakers von Puma.

Der Stoffgürtel ist von Diesel Industries.

Bene = Lukas trägt einen einreihigen Cordanzug, dazu ein rosÍ©farbenes Hemd und schwarze Lederschuhe, alles von Polo Ralph Lauren.

Peter = Mathias trägt ein oranges T-Shirt mit Logoprint von HUGO über einem weißen Hemd von Hilfiger, eine Vintage Denim Jeans von Calvin Klein, dazu eine Kette mit silbernem Kreuz von Jette Joop! und einen schwarzen Ledergürtel von CK Jeans. Die Sneakers sind von BOSS.

Das zweite Bild zeigt die Szenerie, in die die Figuren eingearbeitet werden.

Soll ein bisschen kalt, menschnleer und verloren wirken... ^^

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Sex ist Mathematik.

Individualität kein Thema mehr.

Was macht Intelligenz aus?

Definiere Logik.

Träume - bedeutlungslos.

Intellekt ist keine Hilfe.

Gerechtigkeit ist tot.

Furcht, Anklage, Unschuld, Mitleid, Schuld, Verschwendung, Niederlagen, Leid waren Dinge, die neimand wirklich mehr empfand.

Nachdenken ist zwecklos, die Welt ist sinnlos.

Das Böse ist alles, was bleibt.

Gott gibt es nicht.

Liebe ist Betrug.

Oberfläche,

Oberfläche,

Oberfläche ist alles, dem jemand Bedeutung zumisst.

Bret Easton Ellis - American Psycho

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Kapitel 1 >> Mathias >> Donnerstag >> Kagan

„Nirgendwo in der Galaxis wirst Du mehr Abschaum finden als an diesem Ort.†œ

Obiwan Kenobi, Krieg der Sterne

Das leise, monotone Rattern der Straßenbahn hat mich in einen leichten Halbschlaf versetzt, und ich frage mich, ob es sich wirklich lohnt, heute mal wieder nicht schlafen zu gehen...

Wie letzte Nacht, die Nacht davor, und überhaupt mein ganzes Leben, solange ich mich zurückerinnern kann… Ein zarter, aber unnachgiebiger Nebel aus Alkoholdunst und Nikotin hat sich über meine Vergangenheit gelegt.

Ich grinse bei der Vorstellung, vor allem, weil ich schon fast selbstkritisch wirke…

Das ist natürlich Unsinn.

Dann sehe ich sie, an der Haltestelle, alleine, einer Statue gleich. Ein leichter Wind ist aufgekommen, streicht durch ihre langen, blonden Haare, spielt mit ihnen.... Ich lächle sie an, lege all meine umwerfende Attraktivität in meinen Blick. Da die Fenster der Straßenbahn leicht spiegeln, kann ich mich auch selbst davon überzeugen, dass mein Lächeln einfach nur unverschämt sexy ist.

Beschämt blickt sie zur Seite, und ich nutze diesen kurzen Augenblick, ihren Körper zu studieren.

Schöne Beine, wohlgeformte Taille. Sie sieht ein bisschen fehl am Platz aus in ihrem Minirock und den Stiefeln, ein bisschen zu schlampig für ihr schüchternes Gesicht.

Aber mein Wohlwollen ist erregt, ich halte an meinem Blick in ihre Augen fest. Sie bemerkt es, und diesmal stiehlt sich ein Lächeln in ihr Gesicht. Zehn Sekunden lang strahlen wir uns an, das sollte reichen, um sich unsterblich, aber leider unglücklich, in mich zu verlieben, dann trägt mich die Bahn hinaus in den Abend, der untergehenden Sonne entgegen. Schade, denke ich, schade, dass Du nicht eingestiegen bist…

Ich muss noch ein paar Minuten laufen, an ein paar Obdachlosen in Häuserecken und einer Gruppe Türken vor einer Dönerbude, an einer alten Frau mit Gehwagen und einem einsamen Partygänger vorbei, dann erreiche ich mein Ziel, eine Altbauwohnung in der Wiehre, ziemlich nahe an der Dreisam. Eigentlich ein sehr edler Stadtteil, gute Wohnlage, schöne, alte Häuser, relativ zentral… Aber viel zu viele Ökos auf den Straßen. Da lobe ich mir mein Domizil auf dem Lorettoberg, zwischen altehrwürdigen Studentenverbindungen und den schicken Häusern von Freiburgs Oberschicht. Wenn man die so nennen mag.

Nach dem dritten Klingeln höre ich dann endlich das leise Surren des Türöffners, wahrscheinlich sind sie schon fast zu betrunken, um mich einzulassen.

Ich bahne mir meinen Weg in Lukas Zimmer, auf dem Boden im Flur überall undefinierbarer Müll von seinem Mitbewohner. Zum Glück wohne ich alleine. Meine Gefährten sitzen auf ein paar Sofas mittlerer Qualität, um einen nobel aussehenden, aber billig eingekauften Beistelltisch mit Glasplatte. Vom Tisch selbst sieht man aber nur noch wenig, er ist zugestellt mit Vodka- und Bierflaschen, Aschenbechern, Tetrapacks mit billigem Saft zum Mixen harter Cocktails, Handys…

Handys.

Ich entdecke neben einem vollkommen rückständigen Siemenshandy das neue Sony Ericsson, das ich selbst besitze, und einen sehr prolligen Palm, der nach Geld stinkt. Ich werfe einen kurzen Blick auf den nächstgelegenen Sitzplatz, natürlich, Johannes. Der ist neu. Ich beschließe, ihn dafür zu hassen.

Aufschlussreich, diese eingehende Analyse der Mobiltelefone meiner lieben Freunde.

Unter zustimmenden Lauten meiner Freunde ziehe ich eine Flasche Vodka Absolut unter meinem Mantel hervor. „Genau, jetzt ist Schluss mit dem Aldivodka, jetzt bekommt ihr richtigen Stoff!†œ

Sie strecken ihre Gläser aus, Lukas flitzt kurz in die Küche und holt mir auch ein Glas. Praktisch. Eis, Bitter Lemon, es ist alles da.

„Auf was trinken wir?†œ, fragt Lukas und hebt sein Glas. Heute sieht er aus wie aus dem H&M-Katalog herausgeschnitten, er wechselt seinen Look jeden Tag. VWLer eben. Charakterschwaches Pack.

„Das ist die falsche Frage†œ, korrigiert Markus, Sportler. „Auf wen trinken wir? Auf den Gastgeber, auf den Spender dieses edlen Tropfens, auf uns alle?†œ Er ist ein wenig älter als wir, vierundzwanzig, glaube ich.

„Auf die Freundschaft†œ, schlägt Johannes vor, Vollblutjurist. Man erzählt sich, er habe einen Unterhaltsstreit gegen seinen eigenen Vater gewonnen. Er dementiert es zumindest nicht.

„Warum nicht? Auf die Freundschaft†œ, sage ich und stoße mit ihm an.

„Halt!†œ, ruft da Lukas. „Es gibt Wichtigeres im Leben.†œ

„Aha?†œ Wir schauen ihn erwartungsvoll an.

„Sex. Blowjobs. Bunnies…†œ

„Auf den Blowjob!†œ, rufe ich und proste Lukas zu. Idiot. Macht er sich absichtlich zum Affen? Ich habe gehört, er hat schon wieder keine einzige Klausur bestanden.

„Bleiben wir doch bei der Freundschaft†œ, wirft Markus ein. „Wenn es mit der Freundschaft stimmt, ergibt sich der Rest von alleine.†œ

Mit dem Rest meint er wohl die Liebe. Er ist auf der Suche, verzweifelt, stellt uns alle zwei Wochen eine andere „Liebe seines Lebens†œ vor.

„Eben†œ, Johannes nickt, „auf die Freundschaft.†œ

Es ärgert mich, dass er heute so gut aussieht.

Reihum scheppern wir die Gläser aneinander.

„Herr Mathematiker, wie oft müssen wir eigentlich gerade anstoßen? Auf die Freundschaft, Mathias†œ, fragt Lukas.

„Auf die Freundschaft. Sechsmal†œ, antworte ich. Ist die Anzahl möglichen Verbindungslinien zwischen vier Punkten.

„Hast Du da ne Formel für? Auf die Freundschaft, Markus.†œ

„Die Summe von eins bis N-minus-eins , wieso?†œ

„Nicht irgendwas mit Fakultät?†œ

„Nein. Prost, Markus.†œ

„Hey, mit mir nicht auf die Freundschaft?†œ, protestiert der.

„Pardon†œ, entschuldige ich mich. Wir holen es nach.

„Seid ihr fertig? Sportler und Juristen verstehen nichts von Mathe†œ, wirft Johannes genervt ein. „Auf die Freundschaft, Markus.†œ

„Wir haben schon.†œ

„Ich glaube†œ, fährt er fort, „dass echte Freundschaft etwas ist, wovon nur Männer was verstehen.†œ

„Unfug. Auch Mädels haben ihre besten Freundinnen†œ, widerspricht Markus.

„Da ist das anders. Frauen unterhalten Freundschaften, um sich gegenseitig beneiden zu können. Und, das ist am wichtigsten, um jemanden zu haben, der sich die Nichtigkeiten ihres Lebens anhört. Dafür muss man echt leidensfähig sein.†œ

„Und wozu haben wir Männer Freunde?†œ, frage ich, bevor ich einen guten Schluck Vodka trinke. „Harte Mischung†œ, lobe ich.

„Männerfreundschaften sind Partnerschaften, Verträge. Wir sind loyal, wir respektieren den anderen, wir stehen uns bei. Eine †“ nennen wir sie Bekannte †“ von mir hat die Angewohnheit, jeden Monat eine neue beste Freundin zu finden und die alte zu hassen.†œ

„Kenne ich†œ, Lukas gibt ein Lebenszeichen von sich.

„Sie erzählt dann überall herum, die alte Freundin wäre dumm, eine Schlampe, eine Lügnerin, was auch immer. Ich habe jetzt schon mindestens fünfmal die gleiche Geschichte von ihr gehört, nur mit wechselnden Namen. Frauen belügen sich, suchen zwanghaft nach schlüpfrigen Details und Geheimnissen in den Worten ihrer Freundinnen, um dann mit anderen Freundinnen über sie lästern zu können. Sie decken sich nicht gegenseitig†œ, Johannes ist kaum noch zu bremsen, sein Tonfall fast beschwörend. Will er uns jetzt loben oder verändern? Who ****in†™ cares?

„Ich bin mir dagegen sicher, dass ich hier sagen kann, was ich will, und es wird unseren Kreis nicht verlassen. Wieso? Weil wir Freunde sind, und Männer. Männer haben Ehre. Und solange wir uns ehrenvoll verhalten…†œ

„Das heißt, in Männerfreundschaften geht es in erster Linie um Loyalität, und Frauen haben das nicht?†œ, fasst Markus zusammen.

„Genau.†œ

„Loyalität? Das ist alles? Wollte nur sichergehen, es richtig verstanden zu haben.†œ

„Wieso?†œ, fragt Johannes fast gereizt, „was fehlt dir denn?†œ

„Gemeinsame Hobbys, gleiche Ansichten, Spaß… so was eben.†œ

„Das kriegst Du doch ohnehin. Und das kriegst Du auch von einer Frau, das macht Männerfreundschaften nicht aus.†œ

Ich lache laut auf.

„Was denn?†œ

„Nichts, ich musste mir das nur gerade auf der Zunge zergehen lassen†œ, erkläre ich grinsend. „Ich würde gerne eine Frau sehen, die die Ansicht teilt, ihr Geschlecht sei zur Loyalität nicht fähig.†œ

„Idiot, die Ansichten habe ich nicht gemeint. So etwas darf man einer Frau natürlich niemals sagen. Ich habe sogar einmal eine Reportage darüber gelesen. Da ging es darum, dass in Deutschland zwar gleich viele Frauen wie Männer arbeiten, aber die Führungspositionen fast ausschließlich von Männern besetzt sind. Wieso? Weil die zusammenarbeiten. Da war auch ein cooles Bild, Tauziehen, auf der einen Seite zehn Männer und auf der anderen eine einzelne Frau, und neun andere schauen ihr zu.†œ

„Du hast dir das wahrscheinlich nur wegen dem Bild merken können†œ, kommentiert Markus und lacht.

„Themawechsel†œ, schlägt Lukas vor. „Traumfrauen.†œ

Johannes rollt die Augen gen Himmel. „Du willst nur wieder von Britney erzählen, oder?†œ

Lukas: „Klar. Sie ist und bleibt das non plus ultra.†œ

„Hätte Christina Aguilera keine Piercings, sie könnte ohne weiteres mithalten. Aber Piercings finde ich einfach eklig†œ, erklärt Johannes. „Dafür strahlt sie einfach nur Sex aus.†œ

„Ich mag das Schulmädchenhafte an Britney†œ, verteidigt Lukas sich und greift nach einem Becks.

„Das ist uns allen klar†œ, werfe ich ein.

Wir lachen.

„Vorlage, versenkt†œ, bemerkt Markus und schüttelt mir die Hand. Ich zucke bescheiden die Schultern.

„Und, Mathias, welche darf†™s für Dich sein?†œ, fragt Lukas. Er will dieses Thema wirklich durchdiskutieren.

„Ich finde diese blonde Moderatorin bei Viva verdammt geil†œ, entscheide ich nach ein paar Sekunden des Überlegens.

„Welche?†œ

„Hab ihren Namen vergessen. Süßes Gesicht, Stupsnase.†œ

„Gülcan?†œ

„Die ist doch nicht blond.†œ

„Sarah Kuttner?†œ

„Auch nicht. Die ist aber auch ganz putzig, aber mehr von der Art her…†œ

Lukas bleibt kritisch: „So geil ist diese Viva-Tussi aber auch nicht…†œ

„Das kannst Du doch nicht beurteilen†œ, sage ich lachend, „du weißt ja nicht mal, von wem ich spreche…†œ

„Wäre sie geil, wüsste ich es.†œ

„TouchÍ©.†œ

Ich lehne mich vor, um an den Vodka ranzukommen.

„Mal ein anderes Thema†œ, setzt Johannes an. „Ich habe heute wieder eine Reportage über Neureiche und ihre Partys, über St. Moritz und die Münchner High Society †“ wie nennen sich die Penner? Schickeria? - gesehen. Gibt es so was in Freiburg? Ist übrigens mein Lebensziel. Mit fünfundzwanzig jeden Tag um sieben auf RTL, mit fünfunddreißig um viertel nach acht in der Tagesschau.†œ

„Nicht wirklich†œ, antwortet Lukas. „Es gibt hier keine Elite. Es gibt ja noch nicht mal Designerklamotten.†œ

„Das ist mir auch aufgefallen†œ, bestätige ich. Das ideale Thema für mich.

„Hier bist Du mit Polo Ralph Lauren der Gott. Woanders kommst Du damit nicht mal in einen Club rein. Mit Anzug wirst Du schief angeschaut, und alle Kleidungsstücke von namhaften Designern tragen so dick den Labelaufdruck, dass es schon fast peinlich ist. Echter Luxus bedeutet ja nicht, dass man sich etwas leisten muss, um damit anzugeben, sondern dass man es sich leisten kann, ohne dass es auf den Preis ankommt. Wer sich mit Mode auskennt, wird die Qualität schon erahnen.†œ

„Du meinst also†œ, wirft Markus lachend ein, „dass wir hier die Götter sind?†œ

„Keine Frage.†œ

Ich lache auch, aber mehr über ihn als über seinen Spruch. Wie kann er das anzweifeln? Wir sind die Götter hier.

Wir sehen gut aus, sind gebildet, reich für Studenten, wer könnte uns übertreffen?

„Na dann†œ, er neigt spöttisch den Kopf, „ich vergesse immer wieder Dein überwältigendes Ego.†œ

Markus hat heute die ekelhafte Art, immer das letzte Wort zu haben.

„Wenn heute wieder so viele Schüler im Kagan sind, kotze ich auf die Tanzfläche†œ, unterbricht Johannes.

„Noch zwei Vodka, und ich kotze auch so†œ, kommentiert Lukas.

Markus: „Darfst Du, ist ja Deine Wohnung hier.†œ

Ich: „Wann wollt ihr eigentlich los?

„So in ner halben Stunde?†œ, fragt Johannes. Wir nicken. Ist ja eigentlich auch egal, Hauptsache, wir kommen heute noch hin.

„Um noch mal auf die perfekten Frauen zurückzukommen…†œ, beginnt Lukas.

„Nicht schon wieder!†œ

„Nein, das ist echt interessant. Irgendwelche Verhaltensforscher haben mal eine Blondine in eine Bar gesetzt, dann haben sie ihr die Haare brünett gemacht und dann schwarz, und haben mitgezählt, wie oft sie angelächelt wird.†œ

„Und?†œ

„Als Blondine am häufigsten.†œ

„Und das soll uns sagen, dass Blondinen attraktiver sind als alle anderen?†œ, hake ich nach.

„Klar.†œ

„Unsinn. Blond war eben ihre eigene Haarfarbe, damit sah sie am natürlichsten aus. Angelina Jolie, Salma Hayek, Liv Tyler, Nathalie Portman… Das sind alles granatenhübsche Frauen, und sie sind nicht blond…†œ

„Ahhh†œ, seufzt Markus. „Wieso ist Dir Liv Tyler nicht vorhin eingefallen. Sie ist einfach nur geil…†œ

„Markus? Alles klar?†œ

„Ich träume…†œ

„Na dann. Ich lache.†œ Johannes trinkt seinen Vodka-O aus und schenkt sich großzügig nach.

„Ich muss mal kurz telefonieren†œ, erklärt Markus dann und greift beinahe nach dem falschen †“ meinem, dem teueren †“ Sony Ericsson.

„Ich muss mich vor dem Kagan noch mit einer supersüßen Schnecke treffen…†œ

Johannes und ich tauschen einen resignierenden Seitenblick aus. Nicht schon wieder.

„Sie ist echt süß, ich hab sie vor zwei Wochen kennen gelernt. Eine echte Traumfrau.†œ

„Bestimmt, Markus†œ, lacht Johannes.

„Wie immer†œ, fügt Lukas hinzu.

„Willst Du sie uns nicht gleich vorstellen?†œ, schlage ich vor.

„Nie im Leben!†œ, ruft er lauthals. „Wenn wir nachher im Kagan sind, kenne ich euch nicht!†œ

„Aber wir kennen Dich, und wir werden Dir das Leben zur Hölle machen.†œ

So was macht Lukas immer Spaß.

„Hey, Freunde…†œ

„Ja, Markus?†œ

Er greift zur Vodkaflasche.

„Ach, nichts…†œ

Unser Ziel ist das Kagan, Freiburgs einzige Edeldiskothek, im siebzehnten Stock des Bahnhofsturms. Donnerstagabend ist hier Studententag, das bedeutet weniger Eintritt. Nicht, dass deshalb die Bilderbuchstudenten herfinden würden oder dass uns ein paar Euro mehr stören würden, aber je höher der Eintrittspreis hier ist, desto weniger junge, gutaussehende Frauen finden sich ein. Ein einfaches Gesetz.

Der Türsteher mustert mich kühl, ich antworte mit einem arroganten Lächeln, das ihm den Preis meiner Kleidung bestätigen soll. Richtig, das hat so viel gekostet, wie Du im Monat verdienst, jetzt geh zur Seite.

Wir betreten den Barbereich und Johannes beugt sich zu mir: „Was war noch mal die wichtigste Regel?†œ

„Am Ende eines Abends muss Dich jeder einmal wahrgenommen haben.†œ

„Lieber negativ auffallen als gar nicht.†œ

„Genau. Oscar Wilde.†œ

„Wilde? Wilde war so ein Proll?†œ

„There†™s only one thing worse people talking about you: People not talking about you.†œ

†œOkay†, Johannes lacht. †œWilde war ein Proll. Vielleicht sollte ich ihn doch lesen.†

Wir zerren einen unwürdigen Wurm vom Podest neben der Tanzfläche, es gibt keinen Grund, ihm diese erhabene Position zu überlassen, und schon nach wenigen Minuten scharen sich fünf kleine Erstsemesterschlampen um unsere eroberte Bühne, Johannes kennt sie und stellt sie mir brav vor, nachdem er sie der Reihe nach mit Küsschen gegrüßt hat. Ich höre die Namen und mache dieselbe Runde, vergesse sie aber sofort wieder, denn sie sind nicht mal erstes Semester, sondern Schülerinnen. Ich habe mir vorgenommen, nie wieder was mit Mädels anzufangen, die noch kein Abitur haben, sie bedeuten einfach keine Herausforderung. Also verzichte ich auf das Jus primae nocte und überlasse sie den Jungs, die sich mit Freude auf sie stürzen.

„Bist Du alleine hier?†œ, fragt mich da eine göttliche Dunkelhaarige, klein, schlank, niedlich, entblößt ihre strahlend weißen Zähne und signalisiert ihre Bereitschaft, erobert zu werden.

Ich arbeite noch ein bisschen an der Spannung, indem ich mich ihr nicht sofort zuwende, blicke lieber noch ein bisschen in die Menge unter uns, bemerke sogar zwei höchst interessante Titten, aber die dürfen mich jetzt nicht ablenken.

„Du hast da einen Fleck auf Deinem Hemd!†œ

„Das ist kein Hemd, das ist ein Polohemd.†œ, antworte ich automatisch. Dann, bestürzt: „Ein Fleck? Wo?†œ

„Hier, an der Schulter… Das… ist Lippenstift!†œ

„Klar doch, Lippenstift!†œ Ich lächle überzeugt.

„Doch, wirklich!†œ

Na gut, sie wird es wissen.

„Warst Du das?†œ, frage ich sie frech. Sie lacht glockenhell. „Nein, natürlich nicht.†œ „Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass dieser Verdacht nicht unbegründet ist. Ist aber auch ne coole Anmache! Wie heißt Du?†œ

„Julia. Und du bist ja ein Süßer! Aber ziemlich frech! Komm, wir gehen was trinken!" Sie packt mich bei der Hand, zerrt mich zur Bar. Innerlich muss ich lachen, ich überlasse ihr aber die Illusion der Kontrolle und der Überlegenheit.

Es dauert etwa eine Viertelstunde, bis ich sie davon überzeugt habe, dass ich genau der Richtige für einen Chromosomentausch bin.

Sie staunt über meine Reiseziele, mein soziales Engagement, meine fundierten Kenntnisse der Literatur und Malerei, freut sich auf ein gemeinsames Rendez-vous im Theater... Dummchen. Süß. Ich erfahre, was sie studiert und warum sie sich für dieses Fach entschieden hat, wo sie herkommt und wo sie abends hingeht, dass sie nach langer Zeit wieder solo ist und dass sie mit einer Freundin hier ist, die ihren Ex getroffen hat und mit dem wieder nach Hause gefahren ist.

Interessant. Es dauert keine zwei Minuten, dann habe ich alles wieder vergessen.

Ein paar Sekunden lang herrscht Schweigen, erwartungsvoll blickt sie mich an. Ich lächle, lege den Arm um sie und küsse sie....

Als sie wieder zu Atem kommt, schlägt sie vor, Telefonnummern auszutauschen, doch das reicht mir nicht.

"Ich bringe Dich noch nach Hause", schlage ich vor, die verdeckte Variante von "Zu Dir und nicht zu mir?"... Sie nickt, freut sich wahrscheinlich sogar darüber, dass ich ein Gentleman bin und lässt sich hinausbegleiten.

Ich drehe mich ein letztes Mal zu meinen Kumpels um, aufgereiht stehen sie da, jeder Daumen nach oben. Ja, betet mich an, denke ich, und zeige ihnen mein ekelhaftestes Grinsen.

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Kapitel 2 >> Lukas >> Freitag >> Uni

„Man muss zu weit gehen, damit man weiß, wie weit man gehen kann.†œ

Heinrich Böll

Das Aufwachen ist die Hölle. Es reicht nicht, dass ich total verkatert bin und mein Rachen sich anfühlt, als wäre eine überfahrene Katze darin am Verwesen, nein, mein Zimmer stinkt nach dem Alkohol und den Kippen, die wir gestern zu viert weggemacht haben. Vielleicht hätte ich doch noch schnell aufräumen sollen. Na ja, jetzt ist es eh zu spät.

Obwohl ich eigentlich ziemlich nahe an der Uni wohne, komme ich nie pünktlich. Vielleicht ist das auch gerade der Grund, denn je kürzer die Strecke ist, die man zurücklegen muss, desto mehr Freiraum gesteht man sich zu, um sich noch mal im Bett umzudrehen oder gemütlich Kaffee zu machen. Sofern das bei meiner ekligen Küche †“ Ich hasse meinen Mitbewohner! †“ möglich ist. Wie auch immer, ich komme eine halbe Stunde zu spät ins Auditorium Maximum. Es ist rappelvoll, etwa achthundert Studenten und Studentinnen. Ganz hinten sehe ich Manuel, meinen Schreiber. Er nimmt das Studium weitaus ernster als ich, liest die Financial Times, überarbeitet immer seine Skripte und lernt wie ein Ochse. So sieht er auch aus. Aber, und das ist sein großer Vorteil und der einzige Grund, wieso ich mich mit ihm abgebe, er schenkt mir immer seine erste Version des Mitschriebs, und die ist für mich mehr als ausreichend.

Ich schlendere seelenruhig den Mittelgang die Treppe hoch.

"Ja, guten Morgen!", ertönt es da aus allen Mikrophonen.

Ich drehe mich um, grüße den Dozenten mit einem perfekten Knicks. "Guten Morgen, Professor Dr. Hilbert."

"Ich wollte nur Ihr Gesicht sehen, damit ich sie bei der Diplomsprüfung wieder erkenne."

Schallendes Gelächter mit einem leisen Hauch von Gezwungenheit. Ich ziehe meinen imaginären Hut, lächle ihn an und setze mich.

"Das ging daneben!", lacht Manuel.

„Halb so wild!†œ, antworte ich mit gelassenem Tonfall. „Ich hatte jetzt immerhin die Aufmerksamkeit von achthundert Menschen, davon mindestens hundert hübschen Frauen.†œ

Mein Puls ist auf hundertachtzig und ich schwitze leicht, hoffentlich merkt er das nicht. Natürlich nicht. Er lauscht schon wieder andächtig den Ausführungen des Professors. Um mich zu beruhigen, prüfe ich so lange seinen bisherigen Mitschrieb, sehr gut, übersichtlich und sauber, dann wandere ich mit dem Blick durch die Sitzreihen und suche attraktive Mädchen. Hundert sind es nicht, vielleicht zwanzig oder so. Magere Bestandsaufnahme. Meine Gedanken schweifen ziellos hin und her. Manchmal beneide ich Streber wie Manuel, dass sie sich konzentriert in eine Vorlesung hocken und dem Geschwafel des Dozenten folgen können, ohne müde zu werden oder sich irgendwie abzulenken. Aber egal, wie sehr ich es mir vornehme, mich kann die Investitionsrechnung nicht fesseln. Und dann klappt es natürlich auch am Ende des Semesters bei den Klausuren nicht.

Dafür kann ich sagen, ich habe gut gelebt, habe alles mitgenommen, was mir das Studentenleben zu bieten hatte. Habe ich natürlich nicht, hört sich aber gut an.

Ich entdecke ein paar Kumpels von mir am anderen Ende des Saals, wenn endlich der erlösende Gong erschallt, werde ich wohl zu ihnen flüchten, ist immer noch besser, als mit Manuel in die Mensa zu gehen.

Genau das tue ich dann auch, und ein paar Minuten später haben wir unsere kulinarischen Köstlichkeiten vor uns liegen. Halbrohe Salzkartoffeln, fade Soße und Truthahn-Pressfleisch. Lecker.

„Ich hab am Mittwoch so eine geile Schnecke kennen gelernt†œ, erzählt Jan, ein schmächtiger kleiner Kerl mit peinlicher Mütze. Er kommt aus Hamburg, glaube ich, aber ich vergesse es immer wieder, und noch mal danach zu fragen, wäre langsam peinlich.

„Und?†œ, fragt Flo, Verbindungsstudent im Polo-Pullunder. Es gibt Verbindungsstudenten, die es so richtig krachen lassen. Und es gibt solche wie Flo.

„Leider nichts ‚und†™. Ich hab ihr was zu trinken ausgegeben, dann haben wir uns eine Weile unterhalten, und dann wollte sie weg, hat mir einfach einen Korb gegeben.†œ

„Was hattest Du denn gesagt?†œ

„Nichts. Nur, ob sie mal einen Kaffee trinken will. Wollte sie nicht.†œ

„Wieso das denn?†œ

„Ihr Freund.†œ

Mike, braungebrannter Halbaustralier, lacht. „Das ist ein Grund, aber kein Hindernis.†œ

„Eigentlich weder noch†œ, kommentiere ich. „Dann dauert es einfach nur zehn Minuten länger, bis ich sie im Bett habe.†œ

„Hört, hört!†œ

Alle lachen dreckig, und ich frage mich kurz, wieso mir solche Sprüche nicht kommen, wenn ich mit Mathias, Johannes oder Markus unterwegs bin.

„Und, was hast Du denn so in den letzten Tagen getrieben?†œ, fragt mich Mike,

während die anderen sich halb auf ihre Salzkartoffeln, halb auf seine Worte konzentrieren.

„Gestern war ich mit drei Freunden im Kagan, war eigentlich ziemlich geil. Viel zu viel getrunken, tausend Leute getroffen, coole Musik…†œ

„Dass Du Dir das leisten kannst, neben der Uni unter der Woche wegzugehen…†œ, bewundert Flo. Er kennt meine Klausurergebnisse nicht.

„Irgendwas frauentechnisch Erwähnenswertes?†œ

„Nichts Besonderes. Nur ein bisschen knutschen.†œ Ich tue so, als wäre das wirklich nicht interessant und etwas so Alltägliches, dass ich gar nicht auf die Idee gekommen wäre, es selbst zur Sprache zu bringen.

„Was denn für eine?†œ, fragt Flo interessiert.

„Sandra hieß sie, blond, schöner Körper, zweites Semester Pharmazie.†œ Stimmt sogar soweit, nur durfte ich sie natürlich nicht küssen.

„Ich glaube, die kenne ich†œ, wirft da unvermittelt Jan ein. Das wirft mich ein bisschen aus der Bahn. Denn wenn er sie wirklich kennt, dann besteht die Möglichkeit, dass meine Lüge demnächst auffliegt. Eigentlich fragt man Frauen nicht nach der Bestätigung ihrer sexuellen Abenteuer, aber Jan würde so etwas tun, alleine deshalb, weil er mir nicht vertraut.

Aber auf der anderen Seite ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass er sie tatsächlich kennt, sehr gering. Also gehen wir lieber in diese Richtung. „Woher denn?†œ, frage ich deshalb.

„Hat mal im Maria†™s gekellnert, glaube ich.†œ

„Ziemlich sicher nicht, ich bin da fast jeden Tag, und hab sie noch nie gesehen.†œ Wunderbar. Es war reine Angeberei. Ich darf mich nicht so schnell aus der Ruhe bringen lassen.

„Und wie seid ihr verblieben?†œ, fragt mich Mike.

„Wir treffen uns demnächst mal zum Cocktailtrinken.†œ

Ich habe nicht mal ihre Nummer, aber das müssen sie ja nicht wissen. Zeit, das Thema zu beenden. „Was für ein geiles Gerät†œ, murmle ich und pfeife leise zwischen den Zähne hindurch.

Sie drehen sich pfeilschnell um, im Gedränge der Mensa nach einer hübschen Frau suchend. Ich tue das auch, schließlich habe ich mich noch nicht entschieden, welche Frau ich jetzt genau mit ihnen durchhecheln möchte.

„Die mit dem weißen Top?†œ, nimmt mir Jan die Entscheidung ab.

„Genau die. Geiler Körper.†œ

Mike: „Wisst ihr, was ich an Frauen hammergeil finde?†œ

Wir verneinen, und er erklärt es uns gnädigerweise. „Wenn sie einen perfekt definieren Arsch hat. Wie die da. Wenn sich der Schamhügel deutlich abzeichnet, und der Schlitz vom Hintern so weit nach oben reicht, dass Du dazwischen hindurch sehen kannst. Die hat das. Rattenscharf.†œ

„Das Gesicht gefällt mir nicht so gut. Die Nase ist ein bisschen zu lang†œ, bemängelt Flo.

„****** auf das Gesicht! Schau Dir den Jahrhundertarsch an!†œ

Mike ist manchmal sehr diplomatisch. Und er hat in diesem Fall einfach Recht. Ein flacher Bauch, an dem sich die Beckenknochen wunderbar abzeichnen, der Schamhügel, die sanfte Rundung des Hinterns. Die eng anliegende cremefarbene Hose verbirgt keines dieser unglaublichen Merkmale, aber bei Gott, das muss dieses Mädel auch nicht!

„Euer Essen wird kalt†œ, bemerkt Jan lachend.

„Es gibt wichtigere Dinge als Essen. Nicht viele, aber es gibt sie†œ, antworte ich. „Arterhaltung ist einfach wichtiger als Selbsterhaltung.†œ

„Bei der haben wir so was von keine Chance!†œ, erklärt Mike. „Ich schon†œ, meint Jan. „Aber ich will sie ja auch gar nicht.†œ

„Erzähl keine ******e, erstens willst Du sie, sonst hättest Du jetzt keinen Ständer bis zum Himmel, und zweitens bist Du der letzte hier am Tisch, der an sie rankäme! Also, ich wiederhole, bei der haben wir keinen Stich.†œ

„Und genau das glaube ich nicht†œ, widerspreche ich ihm. „Frauen wissen oft gar nicht, wie geil sie überhaupt sind. Die haben doch alle ihre Komplexe und kein gescheites Selbstbewusstsein. Die wollen alle hören, wie gut sie aussehen, und wenn Du das tust, wieso sollte sie Dich abweisen? Ich denke, ein Mädchen wie sie wird gar nicht so oft angesprochen. Warum auch? Die meisten stürzen sich auf die durchschnittlich aussehenden Mädels, weil sie glauben, bei denen landen zu können. Deshalb kriegen die auch locker zehn sexuelle Angebote am Abend und sind eher genervt davon… Eine Freundin von mir erzählt das immer.†œ

Sie lauschen andächtig, und ich fahre fort:

„Die richtig geilen Schnecken aber, sexy angezogen und mit den perfekten Körpern, die aber dennoch nicht aussehen wie Schlampen, die idealen Frauen eben...†œ

Ich lege eine rhetorische Pause ein, genieße, wie sie an meinen Lippen hängen.

„…die wirken unnahbar. Unerreichbar. Da lassen die meisten lieber die Finger davon. Deshalb wissen sie gar nicht, wie gut sie überhaupt aussehen, glauben, sie machen was falsch. Ihr könnt es mir glauben, sie sind leichter zu haben als die anderen. Wahrscheinlich sogar leichter als die Hässlichen, denn die glauben eh nur, du willst sie verarschen.†œ

Wäre schön, wenn das so wäre. Mathias hat mir das mal glaubhaft und mit ziemlich genau denselben Worten erklärt, und wie auch immer er es anstellt, bei ihm stimmt es. Bei mir nicht.

Jan denkt offenbar dasselbe und spricht es laut aus: „Unsinn. Mag sein, dass es ein paar Bildhübsche mit Komplexen gibt, aber die lassen uns trotzdem nicht ran.†œ

Die Anderen lassen sich auch nicht so wirklich von diesen weisen Worten überzeugen. Ich zucke die Schultern, und ich weiß, sie hassen mich dafür.

O Mann, Sandra gestern war auch so eine. Umwerfend hübsch. Einfach nur unglaublich. Und ich habe es vermasselt…

„Wieso essen wir eigentlich in der Mensa?†œ, fragt Jan und unterbricht mich in meinen Gedanken. „Es schmeckt jeden Tag gleich, total fad…†œ

„Stell Dich nicht so an†œ, kritisiert ihn Mike. „Es ist billig, und wir können jeden Tag eine neue Miss Mensa wählen.†œ

„Wundert mich, dass die hier sitzt†œ, werfe ich ein. „Bei dem fettigen Essen müsste die aufquellen wie ein Gummibärchen in einem Glas Wasser!†œ

„Das habe ich auch mal ausprobiert!†œ, freut sich Jan.

„Mensaessen?†œ

„Nein, das mit dem Gummibärchen!†œ

„Und, willst Du uns von Deinen Erfahrungen berichten?†œ, fragt Mike spöttisch. „Ich finde es eigentlich ziemlich eklig.†œ

„Das war es auch†œ, bestätigt Jan. „Ist innerhalb von einer Woche fast so groß geworden wie das Glas, hat sich total mit Wasser vollgesaugt…†œ

„Ich esse noch†œ, unterbricht Flo. „Und ich will dabei eigentlich nicht an aufgequollene Haribo†™s denken. Ist schon schwer genug, das Essen runterzukriegen.†œ

„Witzig, dass Du Gummibärchen automatisch Haribo†™s nennst†œ, bemerke ich. „Die haben sich echt einen Markennamen geschaffen. Wusstet ihr, dass Aldi bei allen No-name-Produkten trotzdem Haribo verkauft, weil die Deutschen keine anderen Gummibärchen kaufen?†œ

„Spannend†œ, meint Mike spöttisch. Er ist heute extrem freundlich. „Habt ihr das in der Vorlesung gelernt, während ich geschlafen habe? Hört sich zumindest schon fast nach Marketing an. Lass uns wieder über Sex reden.†œ

„Wieso? Du hast doch eh keinen.†œ

„Nicht von sich auf andere schließen, Flo.†œ

„Also†œ, fordere ich ihn auf, „erzähl uns von Sex.†œ

„Auf welchem Stand seid ihr?†œ

„Letzte Woche.†œ „Vor zwei Wochen.†œ „Vorgestern.†œ

Mike nickt. „Also habe ich euch schon von der Brasilianerin aus unserem Studentenwohnheim erzählt, die ich letzte Woche kennen gelernt habe?†œ

„Vom Kennen lernen, ja†œ, bestätige ich. Jetzt kommt wieder eine seiner schmierigen Vögelgeschichten, ich sollte hier weg.

„Die war echt cool. Hatte ihr meine Telefonnummer gegeben, aber nichts groß

dabei gedacht, war ja auch nicht sicher, dass sie sich meldet…†œ

Letzte Woche hatte er noch zuversichtlicher geklungen. Aber da es wohl ohnehin geklappt hat, kann er es jetzt ja zugeben.

„…und dann ruft sie mich auf einmal an, sie braucht einen Arzt, kann aber kaum Deutsch und weiß nicht, wie sie einen finden soll. Ich organisiere ihn ihr also, was tut man nicht alles aus reiner Menschenliebe für ein Weib mit umwerfenden Titten…†œ

Jans Kommentar: „Ein wahrer Kavalier.†œ

„…und sie freut sich total, dass ich mich so lieb um sie kümmere und meint, wir sollten uns mal wieder sehen. Ich frage sie, ob sie heute abend schon was vor hat, und sie meint, nein, also kommt sie bei mir vorbei.†œ

„Wann war das?†œ

„Vorgestern… Mittwoch. Wir haben zwei Flaschen Wein getrunken, und dann hat es sich halt so ergeben. Sie hat mich geritten wie ein Tier. Unglaublich. Ich war einfach nur noch fertig.†œ

„Und ich bin jetzt auch fertig†œ, erklärt Jan unbeeindruckt und legt die Gabel weg. „Wir können.†œ

Wie bekommt man den Übergang vom netten Zusammensitzen zum Poppen hin? Wein trinken, Kerzen, alles schon getan, aber wie kriege ich die Kurve zum Geschlechtsverkehr? Verdammt.

Wir machen uns langsam auf zur Tablettrückgabe. Da ich als einziger noch zum Pfandautomaten muss und mich danach eh mit Mathias treffen wollte, gehen meine Kommilitonen schon mal vor. Der Weg führt genau an Miss Mensa-Arsch vorbei, die wir vorhin durchgehechelt haben.

Warum eigentlich nicht? Langsam pirsche ich mich an sie heran, nähere mich von hinten ihrem Tisch.

„Hi! Kennen wir uns nicht?†œ, frage ich und lächle, so gut ich kann. Sie dreht sich ruckartig um, und ihre langen Haare streifen mein Gesicht. **** wie geil!

„Keine Ahnung, woher denn?†œ Sie antwortet zum Glück.

„Das überlege ich auch schon die ganze Zeit.†œ

„Was studierst Du denn?†œ Sie zeigt Interesse. Nicht schlecht.

„VWL.†œ „Dann wahrscheinlich nicht. Ich mach Lehramt.†œ „Was denn für Fächer?†œ „Spanisch und Mathe.†œ „Dann kennst Du vielleicht…†œ

Sie unterbricht mich.

„Hör mal. Ist nett gemeint, dass Du mich hier ansprechen willst, bist auch eigentlich ein Süßer, aber meine beste Freundin hier muss mir grad was Wichtiges von ihrem Exfreund erzählen. Und… Die Mensa ist nicht gerade der romantische Ort schlechthin. Vielleicht versuchst Du es mal in der Disko.†œ

„Okay, vielleicht sieht man sich da ja mal.†œ

„Ja, vielleicht.†œ

Ein letzter Versuch, die Situation zu retten: „Ich nehme Dich beim Wort!†œ

„Welches Wort?†œ

Dass ich Dich in der Disko ansprechen soll, natürlich. Aber das sage ich nicht, ich resigniere und murmle: „Vergiss es.†œ

„Ja, genau, vergiss es!†œ Autsch.

Ich gehe weiter, am Pfandautomaten vorbei, so schnell wie möglich raus hier. Das braucht niemand zu erfahren. Diese Szene wird aus den Annalen der Geschichte gestrichen.

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Ich oute mich jetzt einfach mal als Fan deiner Geschichte ;)

Die neueste Version gefällt mir gut, obwohl ich vion deinem Entschluss, die ursprüngliche Geschichte aufzuteilen nich so ganz überzeugt bin.

Willst du weder Streit, noch Ärger, sprich nie mit einem Württemberger. ^^

Eure Armut kotzt mich an.
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nahezu unverändert, glaube ich...

Kapitel 3 >> Markus >> Freitag >> Zuhause

„Ich setzte den Fuß in die Luft und sie trug.†œ

Hilde Domin

Die Jalousie ist nicht richtig geschlossen, und wie die tobenden Fluten bei einem Dammbruch bricht das Licht der längst aufgegangenen Sonne durch die kleinen offen stehenden Spalten, die gleißenden Streifen auf den Wänden, den Bildern und Möbeln lassen das Zimmer wie eine Traumwelt, eine surreale Traumwelt wirken.

Und es ist ein Traum.

Gestern hätte ich das nicht für möglich gehalten, und wenn mich jemand darauf angesprochen hätte, ich hätte ihn ausgelacht und an seiner geistigen Gesundheit gezweifelt.

Jetzt ist es anders.

Ich bin verliebt.

Verena grunzt leise, verzieht ihren süßen kleinen Schmollmund, und ich lächle, eine wohlige Wärme breitet sich in mir aus. An meine linke Schulter gekuschelt, liegt sie nackt neben mir, wie ein Engel, friedlich schlafend. Ich streichle ihr sanft durch die Haare, lasse die blonden Strähnen zwischen meinen Fingern hindurch gleiten, rieche vorsichtig an ihnen. Sie ist einfach perfekt. Ihr wunderschönes Gesicht, ihre strahlenden türkisen Augen, jetzt gerade von makellosen Lidern bedeckt, ihre warmen feuchten Lippen, die ebenmäßige Haut… Und sie liegt neben mir.

Habe ich Dich verdient, meine Liebe?

Vorsichtig, damit sie weiterschlafen kann, hebe ich den Kopf und blicke mich ein wenig um. Ich war gestern Abend so auf sie fixiert, dass ich gar nichts anderes mehr wahrgenommen habe. Ich liege in einem Doppelbett, dessen Gestell aus kunstvoll geschnitztem dunklem Holz besteht, teuer, wahrscheinlich ein Erbstück. Cremefarbener Teppich, auf dem unser beider Kleidungsstücke liegen, viele Pflanzen unterschiedlichster Größe und Herkunft, ein Kunstdruck †“ Ist das ein Miro? Bestimmt. †“ und zighundert Postkarten, die eine Wand vollständig und die anderen schon zu guten Teilen bedecken. Süß.

Noch immer schlafend, bewegt sich Verena ein bisschen, schiebt ihr Knie über das meine hinweg, es kommt gefährlich nahe an Regionen heran, in denen ein Mann keine harten Knochen spüren will. Auch wenn ihre Knochen nicht hart sind, sondern zart und… Ich halte ihr Bein sanft auf, will sie nicht wecken, doch jetzt öffnet sie die Augen, blinzelt, schmatzt, erkennt nach einigen Sekunden, wer da neben ihr liegt, und lächelt mich an.

Eine weitere Woge der Wärme schwappt mir entgegen, breitet sich aus in mir, erfüllt mich bis zu den Zehenspitzen mit einem wohligen Kribbeln.

Ich kann nicht anders, ich muss sie küssen.

Nur ein kleiner, sanfter Kuss auf die Stirn.

Sie drückt mich sanft weg, grinst und legt ihren Zeigefinger auf meine Nasenspitze, lacht glockenhell über etwas, das ich nicht verstehe, aber ich falle mit ein in dieses Lachen. Wir strahlen uns an, dann richtet sie sich leicht auf, beugt sich sanft über mich und bedeckt mein Gesicht mit Küssen. Erst sind es kurze, schnell aufeinander folgende Berührungen ihrer Lippen, die da auf mein Gesicht niederprasseln, dann werden sie länger, feuchter, fordernder, bis sie schließlich bei meinem Mund angelangt ist und mit ihrer Zunge die meine liebkost.

Ich zittere und keuche schon wieder wie gestern Abend, nur wegen diesem einen Kuss.

Die Arme fest um sie geschlungen, ziehe ich sie an mich heran, presse unsere Körper aneinander, küsse ihren Hals, ihren Nacken. Sie atmet ebenfalls heftiger, beißt mir zärtlich ins Ohrläppchen, ich spüre ihren heißen Atem meinen Gehörgang entlang krabbeln, es macht mich fast wahnsinnig.

„Du bist ja unersättlich†œ, lacht Verena, meine Verena. „War das gestern nicht genug?†œ

„War es für Dich etwa genug?†œ, frage ich zurück, und beuge mich über sie.

Sie zieht mich an sich heran, lächelt: „Wie könnte es das sein?†œ

Die nächsten Stunden vergehen ohne Worte. Wir lieben uns, die Körper vollständig unter der Decke, es ist heiß und stickig, der Sex schnell und leidenschaftlich. Dann liegen wir wieder nebeneinander, wie gerade eben, mit dem kleinen Unterschied, dass wir keuchen wie Marathonläufer. Ihre Stirn ist mit kleinen Schweißtropfen bedeckt, und mit jedem Atemzug hebt sich ihr süßer kleiner Brustkorb, ihre Brüste hüpfen hin und her, als würden sie ein Spiel spielen, dessen Regeln wir nicht kennen, aufeinander zu, voneinander weg, aufeinander zu…

„Gefällt Dir der Anblick?†œ

Ich grinse. „Klar. Deshalb habe ich Dich ausgesucht.†œ

„Ich habe es mir gleich gedacht, Du hast, seit ich Dich kenne, öfter in meinen Ausschnitt als in meine Augen geschaut.†œ

Sie meint das nicht ernst, und ich lache.

„Wenn wir eh schon bei den Klischees sind†œ, antworte ich, „wieso riecht es hier noch nicht nach Kaffee?†œ

„Magst Du einen, Schatz?†œ

„Zwei Löffel Zucker, ein kleiner Schuss Milch†œ, murmle ich und rolle mich in die Kissen.

Ihre Hand klatscht auf meinen Rücken, sie lacht.

„Ich glaube, Du bist eher die Frau in unserer Beziehung†œ, erklärt sie.

„Ganz bestimmt†œ, stimme ich zu, und fixiere ein weiteres Mal ihren Brustbereich.

„Das nimmt langsam erschreckende Ausmaße an†œ, meint Verena, sie kommt aus dem Grinsen nicht mehr heraus. „Mach jetzt Kaffee.†œ

Ich habe keine Chance, trotzdem versuche ich es: „Ich weiß doch nicht mal, wo die Maschine steht und wie sie…†œ

„Du hast Abitur, Du wirst sie finden.†œ

„…und mein Kaffee schmeckt entweder zu wässrig oder der Löffel bleibt darin stecken…†œ

„Bestimmt machst Du wunderbaren Kaffee.†œ

„…und ich muss ausdrücklich betonen, dass ich mit meiner Verweigerung der Kaffeezubereitung nicht nur ein Denkmal im Geschlechterkampf setzen will…†œ

„Ein Denkmal?†œ

„…sondern dass es mir in erster Linie um Deine Gesundheit geht, die unter meinem ungeschickt zubereiteten…†œ

„Jetzt geh schon!†œ

„…Kaffee mehr als leiden würde.†œ

„Auf!†œ Sie hebt drohend die Hand.

„Zuguterletzt möchte ich vorbringen, dass Dein zart gebauter, wunderschöner nackter Körper, der zur Kaffeemaschine schwebt, einen viel erfreulicheren Anblick bieten würde als mein dicker Hintern…†œ

„Dicker Hintern?†œ

„Dicker pickliger haariger Hintern.†œ

Sie verschwindet kurz unter der Decke.

„Na gut, Du hast recht. Ich mache den Kaffee wohl lieber selbst.†œ

Sie zuckt die Schultern, schaut mich vorwurfsvoll an. Doch das kann sie nicht lange aufrechterhalten, Sekundenbruchteile später erscheint wieder das fröhliche Glitzern in ihren Augen, dann schnellen ihre Mundwinkel empor und sie hat es wieder einmal geschafft.

Ich würde für sie sterben, mit Freude mein Leben geben, genau hier und jetzt.

Oder Kaffee machen.

Ich quäle mich aus dem Bett, ächze und stöhne, um das Opfer, das ich für sie bringe, möglichst glaubhaft darzustellen. „Hätte ich gewusst, dass man als Sportstudent mit 24 schon so zugrunde gerichtet ist, dass mein Opa agiler wirkt, ich hätte mir einen anderen gesucht†œ, lautet ihr Urteil. Ich war wohl zu überzeugend.

„Trägst Du mich?†œ, frage ich sie daher.

„Sicher.†œ

Sie schwingt ihre niedlichen kleinen Füße vom Bett, richtet sich schnell auf und umarmt mich von hinten, die Brüste an meinen Rücken gepresst. Das ist sehr erfreulich. Sehr erfreulich.

Sie bemerkt es natürlich, schaut kritisch an mir herunter: „Sicher, dass Du überhaupt Kaffee willst?†œ

Ich hebe sie so sanft als möglich hoch und setze sie neben der Kaffeemaschine auf die Küchentheke.

„Wir können ja mal einen aufsetzen…†œ, schlage ich vor.

„Jetzt hör mir mal zu!†œ, unterbricht sie mich. „Ich bin eine arme Studentin, die ungern ihren Kaffee verschwenden will. Entscheide Dich!†œ

„Kann man das nicht kombinieren?†œ, frage ich grinsend.

Sie rollt die Augen zur Decke.

„Männer…†œ, stöhnt sie leise, hat aber nichts dagegen, dass ich sie ins Bett zurück trage, nachdem sie †“ Ich betone, sie †“ den Kaffee aufgesetzt hat.

„Markus†œ, flüstert sie eine halbe Stunde später, während sie mein Kinn streichelt, „ich glaube, ich bin verliebt.†œ

Ich komme aus dem Lächeln nicht mehr heraus, so sehr durchdringt mich die Freude darüber, stammle eine Antwort, die etwa dasselbe aussagen soll, und dass ich jemanden wie sie immer gesucht habe, und dass ich es gar nicht in Worte fassen kann, wie sehr ich von ihr begeistert bin, und dass sie meine Göttin ist, und…

„Du bist einfach nur sü߆œ, lacht sie, und küsst mich erneut.

Und ich?

Ich nehme mir vor, dieses Bett heute nicht mehr zu verlassen.

Nie mehr.

Der Soundtrack von Indiana Jones †“ mein Klingelton †“ reißt mich aus diesem Gedanken.

„Dein Handy†œ, bemerkt Verena.

„Ich glaube, ich lasse es klingeln.†œ Ich habe nicht die geringste Lust, aufzustehen.

„So schön hört sich das aber nicht an, was Du mir da an musikalischer Untermalung für das Vorspiel zu unseren Liebesakt bietest.†œ

Schon gut.

Ich gehe ja schon.

Die Nummer ist natürlich unterdrückt, bleibt mir nichts anderes übrig, als einfach ranzugehen. „Hallo?†œ, melde ich mich.

„Hi. Mathias hier. Um drei im Maria†™s. Johannes und Lukas kommen auch.†œ

„Ich nicht.†œ

„Wie bitte? Es ist wichtig.†œ

„Was ist denn so wichtig?†œ

„Na ja…†œ

Ich lege auf, er wird das schon verkraften.

Es kann nichts Wichtigeres geben als das, was mich da im Bett erwartet.

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Kapitel 4 >> Mathias >> Freitag Nacht >> bei ihr

„We thought everything worth doing was worth overdoing.†œ

Steven Tyler, Aerosmith

Nachdem ich Julia in den Mantel geholfen †“ „Uh, ein Gentleman†œ †“ und meinen eigenen abgeholt habe, suchen wir uns ein Taxi. Ich merke, dass ich mehr als betrunken bin, und nehme das nächstbeste. Eine schlechte Entscheidung, denn der Taxifahrer, ein seniler Türke, quatscht mich die ganze Zeit dumm von der Seite an.

„Seid ihr ein Liebespaar?†œ

„Und was für eins†œ, erfinde ich. „Wir schweben auf Wolke sieben!†œ

„Wolke… was?†œ „Egal.†œ

Er lässt nicht locker: „Ich war auch mal jung und so verliebt wie ihr jetzt…†œ Als würde mich das in irgendeiner Weise interessieren.

„Wirklich?†œ, fragt Julia freundlich vom Rücksitz. Muss das sein?

„Ja. Ich wollte sie heiraten, und sie mich auch. Aber ich war zu arm, und ihr Vater hat es verboten…†œ Ein modernes Märchen. Romeo und Julia. Süß. Genau das brauche ich jetzt. Kann er nicht einfach die Klappe halten.

„Und was ist dann passiert?†œ, hakt Julia nach, weil der Taxifahrer †“ zum Glück †“ in sentimentalem Schweigen verharrt. Musste das sein? Er war gerade so schön still.

„Ich bin nach Deutschland gekommen, um Geld zu verdienen. Aber Geld hier ist nicht leicht zu bekommen. Ist wie Türkei.†œ

„Das stimmt.†œ

„Wollt ihr mal heiraten?†œ, fragt er sie lächelnd. Irre ich mich, oder verzehrt er sie mit seinen Augen? Das ist kein väterlicher Blick!

„Wollen wir mal heiraten, Mathias?†œ

„Das kann ich doch jetzt nicht sagen†œ, rede ich mich raus. Ich bin betrunken und habe keine Lust auf romantische Spielchen.

„Heute ist anders, heute muss man in eure Alter nicht heiraten…†œ,entdeckt der Taxifahrer.

„Haben Sie sie je wieder gesehen?†œ, Julia ist versessen auf diese tragische Geschichte.

„Nein.†œ Er seufzt geräuschvoll. „Und wir sind da.†œ

Im Taxi mit einem 100-Euro-Schein zu bezahlen, ist zwar etwas übertrieben, aber ich finde, es macht sich einfach gut. Unser Fahrer brummelt etwas in seinen Bart, das ich nicht ganz verstehe, gibt mir aber brav mein Wechselgeld zurück, ein Haufen zerlumpter 5-Euro-Scheine. Hätte ich das früher gewusst, ich hätte doch mit einem Zwanziger gezahlt.

Julia rennt die Treppe hoch, ich stolpere ihr hinterher, sehr darauf bedacht, mir nichts anmerken zu lassen. Dann sind wir endlich in ihrer Wohnung, besser gesagt, in ihrem Zimmer.

Ein typisches Mädchenzimmer: Ein Meer von bunten Kerzen, allerlei sinnlose Hinstell-******e in allen Variationen, rote Herzen, Schwarzweiß-Postkarten, Familienfotos, die Wand gepflastert mit aus irgendwelchen Mädchenzeitschriften †“ wahrscheinlich Young Miss - ausgeschnittenen Parfumwerbungen, natürlich das Poster mit den Arbeitern beim Frühstück auf dem schwebenden Stahlträger †“ Rockefeller Center? †“ das ist in jedem Mädchenzimmer dieser Welt zu finden, dazu farbige Glühbirnen in den Lampen, und rote Bettwäsche. Oh, rot... Signalfarbe!

Ich soll es mir gemütlich machen, lautet ihre Anweisung, sie selbst verschwindet im Bad. Da ich mich sternhagelvoll fühle, kein Wunder bei den vielen Vodka Red Bull, erwäge ich zunächst, mich einfach in ihr Bett zu legen, spaziere dann aber doch ein wenig hin- und her. Sonst schlafe ich am Ende noch ein, bevor es losgeht.

Gedankenverloren nehme ich einen Teddybär in die Hand, packe ihn am Kopf und verbiege ihn so, als ob er sich selbst einen blasen würde, und grinse über das Niveau meiner Selbstbelustigung.

Achtlos werfe ich ihn wieder aufs Bett, widme mich ihrem CD-Ständer.

Nelly Furtado, Alanis Morisette, da schlafen einem ja die Füße ein... Typische Frauenmusik. Oh, das Album von den Black Eyed Peas, das habe ich noch nicht! Schnell und unauffällig verschwindet es in meiner Manteltasche. Das ist quasi die Bezahlung für den besten Sex, den sie in ihrem Leben bekommen wird.

Dann hole ich meine Zigaretten aus der Tasche, überlege, ob ich es mir erlauben kann, mir hier eine Kippe anzustecken. ****** drauf, ich mache es einfach.

"Du willst doch nicht hier drin rauchen?", fragt da Julia, sie ist fertig mit ihrer Abschminkaktion. Erstaunlich fix. Wäre sie noch mal zwei Minuten schneller gewesen, hätte sie ihre CD retten können.

Mist, Rauchen sollte ich vielleicht doch nicht. Zum Glück ist das Feuerzeug in der Packung und ich habe eine Entschuldigung.

„Ich wollte nur ein paar Kerzen anzünden, damit es ein wenig romantischer aussieht", beschwichtige ich sie, und sie lacht.

"Süß...", flüstert sie und zeigt mir ein strahlendes Lächeln. Naives Dummchen!

Ich frage mich, wie lange es wohl noch dauert, bis sie sich oder mich ausziehen will. Ich bin blau, Süße, vernasch mich, ich werde mich nicht wehren! Hallo!

Na gut, dann ergreife ich eben selbst die Initiative. Langsam gehe ich auf sie zu, streichle ihre Haare, umarme sie, küsse ihren Hals. In der GQ vom Januar stand, dass Frauen einem dann nicht mehr widerstehen können, dass sie dem Mann dann eventuell mehr geben, als sie sich vorher vorgenommen hatten. Statistische Erhebungen meinerseits haben das mehr als bestätigt.

„Du gehst aber ran…†œ

Sie zittert heftig, erwidert aber meine Umarmung, und langsam scheint sich der Knoten in ihr zu lösen, denn sie atmet schneller, krallt sich in meinen Rücken, zum Glück trage ich noch Kleidung, und küsst mich mit aller Leidenschaft.

Es dauert nicht mehr lange, und ich darf ihr das Top ausziehen, nette Möpse, sind mir vorher gar nicht so aufgefallen.

„Ich weiß nicht, ob ich das will.†œ

Aber sie arbeitet schon an den Knöpfen meines Hemdes, und wieso hätte sie mich mit nach Hause genommen, wenn sie nicht wollten. Als sie endlich den letzten Knopf geöffnet hat, habe ich ihr schon die Hose abgestreift. Das geht bei engen Frauenjeans meist nicht besonders leicht, aber wenn man es ein paar Mal gemacht hat, hat man den Dreh raus.

Sie beginnt, meine Brustwarzen zu küssen, und ich schiebe ihren Kopf weiter nach unten. „Mmmh, Sixpack!†œ, flüstert sie, mir fällt nichts ein, was ich dazu sagen sollte, also halte ich die Klappe. Dirty Talk ist ohnehin nur was für Frauenversteher.

Auf weitere leichte Druckausübung auf ihren Hinterkopf reagiert sie ein bisschen unwillig. Komm schon, Schlampe, Du weißt, was ich von Dir will!

Ja, brav, erst die Boxershorts, genau, dann nimmst Du ihn in den… Hallo? Wird†™s bald?

Es dauert mir inzwischen ein bisschen zu lange, also beuge ich mich vor und küsse sie wieder auf den Mund, drehe sie dabei auf den Rücken und streife ihr, nachdem sie durch leichtes Anheben des Beckens ihr Einverständnis gegeben und sogar Beihilfe geleistet hat, den Tanga ab…

****** Alkohol, ich habe noch nicht mal einen ordentlichen Ständer, also fummle ich ein bisschen an mir selbst rum, während ich ihre Brüste küsse, und stelle mir vor, sie wäre †“ von wem hatten wir es heute Mittag? †“ Liv Tyler.

Dann ist es endlich so weit, zufrieden mit dem Ergebnis zücke ich ein Gummi…

Endlich kommt das Taxi angerollt. Ich weiß nicht, wie lange ich schon hier in der Kälte stehe und warte. Und weil der Tag ja noch nicht ******e genug war, ist es auch noch der gleiche Fahrer wie vorhin.

Mir ist schlecht, alles dreht sich. ******e! Das so etwas immer mir passieren muss! Oh verdammt, verdammt, verdammt! Ich steige ein, er fährt los in Richtung Innenstadt. Und mir fällt gerade auf, dass ich nicht die geringste Ahnung habe, wo ich hier überhaupt bin.

"Ah! Ich kenne Dich! Vorhin mitgefahren? Ja, klar! Wieso bisse Du nicht gebliebe bei Deiner Freundin? War doch süß, oder? Ihr wolltet heiraten, nicht? Der Taxifahrer kann nicht wissen, dass eine seichte Konversation über das Mädchen das Letzte ist, was ich jetzt brauchen kann.

"Das war nicht meine Freundin!", keife ich ihn an.

†œNa, dann bist Du ein Casanova? Vorhin sah aber anders aus. Hast Du sie angelogen?†œ

Ach, halt doch die Fresse!

Ich antworte nicht mehr, sondern lehne meinen Kopf zurück, lasse ihn seitlich abrollen, so dass ich aussehen muss wie eine Leiche.

Und mit Leichen spricht man nicht, Du Idiot, oder?

Was ist passiert?

Eigentlich lief alles planmäßig.

Ich hatte sie da, wo ich sie haben wollte, wir waren beide nackt, sie hatte mir das Gummi übergezogen und jetzt war ich voll dabei. Aber die ruckartige Bewegung, die Anstrengung, und das gekoppelt mit dem vielen Vodka...

Auf einmal dieser kalte Schweiß, ich habe angefangen zu zittern und dann...

...habe ich mit dem Kotzen angefangen.

Auf ihr Bett, auf den Boden, auf uns beide, in ihre Haare, auf die Decke, den Teddybär… Bis nur noch Galle kam. Krampfhaft zusammengekrümmt lag ich in meinem eigenen Erbrochenen.

Und sie?

Die Erotik war natürlich dahin.

Dieser Gedanke erzeugt jetzt ein trockenes Lachen bei mir, aber es verfliegt schnell wieder.

Der Taxifahrer schaut mich dämlich an, fixiert aber wieder resignierend die Straße, als ich keine Anstalten mache, ihm mein Lachen zu erklären oder sonst irgendetwas zu sagen.

Sie hat sich um mich gekümmert.

Sie hat mich nicht rausgeschmissen.

Hat mich nicht angeschrieen.

Hat nicht mal angewidert auf die ekelhaft stinkende Kotze in ihren Haaren reagiert.

Nein.

Sie hat den Arm um mich gelegt und mich gehalten, hat tapfer versucht, mich zu trösten. Ich habe gestunken wie eine italienische Autobahntoilette, es hat sie nicht gestört.

Ich wollte eigentlich nur tausend Kilometer weg sein, aber sie hielt mich fest an sich. Liebevoll hat sie sich immer wieder erkundigt, wie es mir geht, ob sie etwas tun kann.

Ihre weichen Arme kann ich jetzt noch spüren, und für einen kurzen Moment, vielleicht zehn Sekunden, habe ich die Situation vergessen: Den Geruch, die erkaltende Kotze, in der ich saß, aber auch, wie ich eigentlich mit ihr umgehen wollte…

Dann hat es mich wieder eingeholt.

Nachdem sie mir beim Waschen und Anziehen geholfen hat, habe ich einen Tee bei ihr bestellt, nur damit sie kurz beschäftigt war.

Klar, ich mache Dir einen.

Danke.

Dann habe ich meinen Mantel gepackt und bin hinausgerannt, in die Nacht, in die Kälte.

Zum Glück konnte ich mich an die Nummer der Taxizentrale erinnern, für die der Türke fährt.

Und was mache ich jetzt mit ihr?

Sie vergessen.

Diesen Abend vergessen.

Vergessen, verdrängen, aus dem Gedächtnis löschen.

Aber noch während das Taxi anhält und ich dem Türken ein paar seiner stinkenden Fünfer zurückgeben kann, brennt in meinem Kopf ein Bild wie ein Vulkan:

Strahlende, ehrliche Augen voller Trost, Zuneigung und Wärme.

Die habe ich schon eine Weile nicht mehr gesehen...

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Kapitel 5 >> Lukas >> Freitag >> Maria†™s

„Das ist die Dreierregel, verstehst Du? Wenn Dir ein Kerl sagt, mit wie vielen Frauen er geschlafen hat, musst Du die Zahl durch drei teilen.†œ

American Pie 2

Mathias kommt etwa zehn Minuten zu spät, wie gewöhnlich. Wie sagt er immer? „Gute Gesellschaft lässt auf sich warten.†œ Das ist keine Entschuldigung für seine ewige Unpünktlichkeit, aber mit der Zeit lernt man, damit umzugehen.

Daher lasse ich mir heute auch Zeit, komme erst um Viertel nach drei zum Maria's, und da er als selbsterwählter Mittelpunkt des Universums nicht mit Geduld oder Verständnis gewappnet ist, ruft er mich tatsächlich an, kurz bevor ich um die Ecke biege. Ich grinse innerlich, warte an der Ecke und nehme ab. „Ja?†œ „Wo steckst Du?†œ „Bin gleich da.†œ

Ich rauche noch schnell eine, höchstens zwanzig Meter von ihm entfernt.

Als ich ihn dann endlich erlöse, ist er sichtlich verärgert. Süß.

"Morgen, Mathias", begrüße ich ihn fröhlich, er nimmt mürrisch meine Hand und erwidert den Gruß.

"Wo ist Markus?", frage ich ihn, denn der wollte auch vorbeischauen.

"Ich hab ihn vorhin angerufen, um ihn an unseren Kaffee zu erinnern. Er wirkte irgendwie abwesend, und dann hat er einfach aufgelegt."

"Nanu?"

Das ist nun wirklich nicht sein Stil.

"Weißt Du, Lukas, ich denke, das liegt an der Schnecke von gestern Abend." Er lenkt meine Gedanken auf das Offensichtliche. Die Tussi, die da gestern die ganze Zeit an seiner Seite klebte, war vielleicht wirklich mehr als eine "kurze Geschichte".

Wir gehen hinein, bestellen "das Übliche" und freuen uns, dass nach kurzer Zeit tatsächlich zwei doppelte Espressi ihren Weg auf unseren Tisch finden.

"Markus… Ist er mit ihr zusammen?", frage ich.

"Ich hoffe nicht", meint Mathias. "Immer wenn Markus eine Freundin hat, wird er zu einem anderen Menschen. Dann kannst Du ihn für die nächsten Wochen komplett abschreiben."

"Sollte eine Beziehung nicht so sein?", erwidere ich.

Mathias überlegt kurz, nippt an seinem Glas.

"Wahrscheinlich schon."

Ich glaube, er hatte noch nie eine echte Beziehung. Vermisst er das? Ist er eifersüchtig auf Markus, weil der jetzt vielleicht eine Freundin hat, oder doch auf die Freundin, weil sie ihm seinen Markus entrissen hat?

Ich beschließe, das Thema vom Tisch zu schaffen, und ihm eine kleine Gelegenheit zum Angeben zu verschaffen. Außerdem interessiert es mich wirklich: "Was war denn mit dem Mädel, mit dem Du gestern abgehauen bist?"

Er strahlt. Wahrscheinlich hat er schon ein komplettes Referat zu dem Thema vorbereitet.

"Du hast sie ja gesehen, ziemlich geiles Gerät. Und echt witzig. Julia heißt sie. Studiert Englisch auf Lehramt, und irgendwas anderes, hab ich vergessen. War aber wirklich nicht hohl, hatte echt was in der Birne."

Mathias schläft mit jeder dahergelaufenen Schlampe, die ihm in die Finger gerät. Er erzählt aber jedem, er hätte den Anspruch, dass seine Opfer nicht nur gut aussehen - das tun sie wirklich alle - , sondern auch noch intelligent und gesellschaftsfähig sein müssen. Ob das wirklich so ist, sei mal dahingestellt.

"Na ja, wir sind dann zu ihr, und relativ bald zur Sache gekommen. Ich hatte ja vorher schon gesehen, wie sie tanzt, und mir die entsprechenden Bewegungen im Bett ausgemalt, aber es hat jede Erwartung übertroffen."

Ich nicke. "Schön."

"Und Du mit Deiner, wie hieß sie noch mal?"

"Sandra."

"Ist da was gelaufen?"

"Blabla, Telefonnummer, ein bisschen knutschen."

"Bleibst Du dran?"

"Bestimmt."

"Eben. Ein Cocktail kostet ja nichts, und wenn's nicht passt oder sie nicht will, kannst Du ja immer noch abhauen und sie auf der Rechnung sitzen lassen." Idiot.

Wir rauchen für die nächsten Minuten schweigend, Mathias' Blicke schweifen dabei über die anwesenden Mädels, es sind nicht viele und auch nicht die schönsten, und ich denke ein wenig an den gestrigen Abend.

Ich habe soeben zum zweiten Mal mit ihr angegeben, ohne dass irgendwas gelaufen ist. Okay, eine halbe Stunde habe ich mich mit ihr unterhalten, ihr nette Geschichten erzählt, die mindestens zur Hälfte wahr waren, und sie war vielleicht sogar wirklich beeindruckt. Hat zumindest gelächelt. Die ganze Zeit.

Dann habe ich gesehen, wie Mathias mit seiner abgezogen ist.

Und ich?

Bekomme weiche Knie.

Überlege mir fünfzehntausend Formulierungen für die simple Frage nach ihrer Nummer. Keine Chance. Ich finde einfach nicht die passenden Worte. Also reden wir weiter, bis irgendwann ihre beste Freundin aufkreuzt und sie sich zu mir rüberbeugt und mir ins Ohr schreit, dass die jetzt gehen muss, ihre Freundin führe sie heim.

Ein Blick zur Seite, keiner meiner so genannten Kumpels hat mich gesehen, also gehe ich einfach auch, dann kann ich mir morgen eine nette Geschichte ausdenken.

Nicht zu dick aufgetragen, sonst merken sie es doch irgendwann.

Aber auch nicht zu wenig.

Gerade so, dass ich mithalten kann.

Ich trinke meinen Espresso aus, Mathias ist gerade auf der Toilette. Als er wiederkommt, habe ich das ausgeschaltete Handy am Ohr, rufe "Bis morgen dann!" in den toten Hörer.

"Wer war das denn?", fragt er interessiert.

"Sandra."

"Sandra?"

Er hat den Namen bereits vergessen.

"Die von gestern."

"Ach so. Will sie sich mit Dir treffen?"

"Ja, morgen."

"Wo?"

Das sollte ich ihm nicht sagen, am Ende kreuzt er auf.

"Wissen wir noch nicht, ich soll sie anrufen."

"Lad sie doch im Karma zum Essen ein, das kommt immer gut. Die machen wahnsinnig gutes Sushi und vegetarische Frühlingsrollen für die Lady, falls sie Pflanzenfresserin ist."

"Bisschen teuer", gebe ich zu bedenken.

"Musst Du wissen."

Er zuckt mit den Schultern. Arrogantes *********.

Dann scheint er kurz zu überlegen, packt schließlich sein Handy aus, schaut auf das Display.

"Ich habe gar keinen Empfang."

Mein Puls ist auf etwa 90, ich muss improvisieren. Ich habe nämlich auch keinen, fast niemand hat im Maria†™s Empfang. Warum auch immer, denn es ist ein CafÍ© mitten in der Innenstadt, ebenerdig und mit großer Fensterfront.

"Wir haben doch das gleiche Netz. Wieso hast Du...?"

120. Leichte Schweißausbrüche.

"Ist mir schon ein paar Mal aufgefallen, dass in diesem Cafe ein Funkloch ist."

140. Gleich fragt er mich, ob er meinen Telefonspeicher anschauen darf.

Dann die Erleichterung. Es geht ihm ja gar nicht um mich oder mein erfundenes Gespräch. Er hat einfach nur Angst, das schlechtere Handy erwischt zu haben.

Also erwidere ich: "Kann das am Handy liegen? Meine Verbindung war nicht wirklich gut, aber ich habe sie einigermaßen verstanden... Und ich habe gehört, Sony Ericsson hätte da leichte Probleme..."

"Unsinn!"

Es ärgert ihn wirklich. Er rudert mit dem Handy ein wenig in der Luft herum, und tatsächlich schafft er es, ungefähr in Scheitelhöhe, den Arm leicht angewinkelt vom Körper gestreckt, minimalen Empfang zu bekommen. „Zwei Striche… Komm schon. Zeig mir zwei Striche…†œ Er schwenkt den Apparat etwas hin und her, redet weiter beschwörend auf sein Telefon ein.

Es sieht höchst lächerlich aus, aber ich verkneife mir jeden Kommentar. Jetzt eine blöde Bemerkung, und ich bin tot.

Dann legt er es endlich wieder weg.

„Seltsam†œ, erklärt er mir. „Wenn ich das Handy in dieser Höhe und diesem Korridor halte, bekomme ich auch Empfang.†œ

„Faszinierend.†œ

„Das kann doch nicht sein, dass man mit einem ******-Siemens-Handy besser telefonieren kann als mit dem neuen…†œ

„Morgen, Mädels! Ausgeschlafen?†œ, ertönt da eine Stimme neben uns. Endlich.

„Bestens, Schatz!†œ, ruft Mathias euphorisch und begrüßt ihn mit Handschlag.

Johannes lässt sich an unserem Tisch nieder, legt seine Tasche ab und ordert einen Espresso Macchiatto.

„Weißt Du, was mit Markus los ist?†œ, frage ich ihn nach einer Weile.

Er lacht kurz auf.

„Das ist ne klasse Story†œ, meint er dann grinsend. „Lehnt euch zurück und entspannt euch…†œ

„Erzähl schon. Er hat mich vorhin am Handy abgewürgt, und ich bin ein bisschen angepisst†œ, wirft Mathias ein.

„Ich habe vorhin meine Schnecke aus dem Kagan heimgefahren…†œ, beginnt er.

„Wie war†™s eigentlich mit ihr?†œ, frage ich.

„Unwichtig, erzähl weiter†œ, drängt Mathias, es scheint ihn wirklich zu belasten.

„Ist ja gut. Ich habe sie auf jeden Fall heimgefahren, sie wohnt in Denzlingen, diesem Kaff Richtung Karlsruhe. Und auf der Rückfahrt sehe ich auf einmal die Ausfahrt †“ Freiburg Nord †“ und ich denke, jetzt fährst Du mal zu Markus, mal schauen, wie weit das von hier aus ist. Der wohnt doch irgendwo hier.†œ

Er nimmt einen kurzen Schluck Kaffee, schnorrt Mathias um eine Zigarette an und lässt sich Feuer geben. Eigentlich raucht er gar nicht, aber er findet es manchmal ganz cool, und wir Nikotinsüchtigen helfen ihm dann aus.

„Er wohnt aber gar nicht in Freiburg Nord, sondern am anderen Ende der Stadt, und ich musste eine Stunde lang an tausend ******ampeln vorbei und habe beinahe eine Oma auf ihrem Fahrrad überfahren.†œ

„Aha?†œ

„Ne, nichts passiert. Ich wollte dann eigentlich heimfahren, aber ich war ja eh schon unterwegs und irgendwie hat es mich nicht losgelassen.†œ

„Interessant. Und weiter?†œ

„Dann klingle ich also bei ihm. Er macht auf, sieht total verpennt aus. Was machst Du denn hier, fragt er mich. Ich: Na ja, Dich besuchen. Er will mich nur noch loswerden. Jetzt komm rein, aber in fünf Minuten bist Du wieder weg, lautet sein Befehl.†œ

„Kenne ich†œ, werfe ich lachend ein. Es ist mir tatsächlich schon mal passiert. „Wenn man seine Freundin zuhause hat, will man echt keinen Besuch.†œ

„Wie auch immer, da sitzt sie also auf seinem Bett, Beine unter der Decke, hat ein viel zu großes T-Shirt von ihm an. Ich bleibe ganz artig, lasse mich vorstellen. Verena, Johannes, Johannes, Verena, was ich mache, woher er mich kennt und so weiter. Markus bemüht sich die ganze Zeit, ihr zu zeigen, wie cool seine Freunde sind, und auf der anderen Seite will er mich davon überzeugen, dass sie so toll ist, wie er denkt.†œ

„Ist sie das?†œ

„Na ja. Auf jeden Fall musste ich die ganze Zeit an die dummen Sprüche denken, die ich jetzt hätte sagen können.†œ

„Was denn?†œ, frage ich.

„War sie gestern nicht noch brünett? Das wäre mein Favorit gewesen.†œ

Wir lachen.

„Depp†œ, kommentiert Mathias.

„Ich hätte einfach gefragt, ob er mit der anderen schon Schluss gemacht hat. Das hätte ihn auch in Erklärungsnot gebracht†œ, werfe ich ein.

Gut, sie lachen auch über meinen Spruch.

Mathias ist an der Reihe: „Oder einfach sitzen bleiben. Ihr wollt Video schauen? Cool, ich schaue mit. Was macht ihr? Ah, spazieren. Cool, habe ich schon lange nicht mehr… Wein trinken? Oh, ich auch.†œ

Johannes antwortet, immer noch glucksend: „Ich wollte auch fast nicht weg…†œ

„Aber das war schon die Verena, die er gestern im Schlepptau hatte, oder?†œ, fragt Mathias dann, als wir uns wieder beruhigt haben.

„Genau die. Wer denn sonst? Meinst Du, er hat gestern noch eine klargemacht, am besten genau neben ihr? Wie gesagt, Verena ist… ganz nett, wäre aber nichts für mich. Aber Markus hatte es schon immer mit Frauen, die nicht wirklich Triple-A sind†œ, erklärt Johannes.

„Und er hat `Freundin´ gesagt?†œ, lautet meine Zwischenfrage.

„Aber ja doch!†œ

„Dann bleibt nur zu hoffen, dass er sie verarscht. Markus ist unerträglich, wenn er verliebt ist†œ, wirft Mathias ein. Ja, er ist eifersüchtig.

„Wie auch immer†œ, fährt Johannes fort. „Wir sitzen also in seinem Zimmer, reden kein Wort. Sie starren sich die ganze Zeit an, dann wieder auf die Uhr, die hinter meinem Kopf an der Wand hängt, dann zu mir, dann wieder gegenseitig in die Augen. Einfach nur geil, wie die mich loswerden wollten.†œ

„Sag ich doch†œ, wirft Mathias ein.

„Tja, und dann bin ich hier her gefahren.†œ

Wir schweigen kurz.

„Und was ist daran jetzt ne `klasse Story´?†œ, frage ich.

„Na hör mal! Wenn ich das mit dem `brünett´ gebracht hätte…†œ

„Hast Du aber nicht†œ, fällt ihm Mathias ins Wort. „Du bist ein Loser.†œ

„Und Du bist langweilig†œ, werfe ich ein.

Johannes schaut dumm, wir grinsen uns an.

„Leckt mich doch am Arsch!†œ, flucht er, jetzt ebenfalls grinsend, und drückt seine Zigarette gekonnt energisch im Aschenbecher aus.

„Das war witzig!†œ

„Stell Dich nicht so an! Erzähl jetzt lieber die Geschichte von der Tussi gestern†œ, schlägt Mathias vor.

„Jetzt darf ich?†œ

„Ja, jetzt darfst Du. Und dann überlegen wir uns, wie wir Markus dazu bringen, die Liebe seines Lebens abzuschießen.†œ

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@Bismarck:

Noch besser... die neuen sachen sind sehr fein.

Wie geil... Ich huldige dir... :god:

Das mit den Namen ist allerdings für Leute, die schon etwas länger lesen, ziemlich verwirrend. Aber Identitätswahrung ist wichtig.

Das Titelbild ist nett. Sebastian kommt dir schon ziemlich nahe.

Ich will das Buch... Jetzt!

Es gibt zwei Regeln für Erfolg im Leben:

1. Erzähle den Leuten nie alles, was Du weißt.

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Kapitel 6 >> Johannes >> Freitag >> Maria†™s

„Noch drei Jahre, und ich bin Herr des Universums.†œ

Napoleon im Jahre 1811

Ich trinke meinen Espresso Macchiatto alleine aus, denn nach meiner aufregenden Frauengeschichte müssen die beiden schon wieder weg. Lukas verlässt das Maria†™s auf seine watschelnde Art, die wohl cool sein soll, Mathias hocherhobenen Hauptes, die Füße in perfekter gerader Linie voreinander setzend. Um halb fünf habe ich schon die nächste Verabredung auf einen Kaffee, mit Chris, einem Jura-Kollegen.

Bis dahin döse ich ein wenig vor mich hin, schaue den Fischen zu, die mit ihren Mäulern an der Scheibe des kitschigen Aquariums über meinem Kopf entlang reiben, was immer sie da machen, frage mich, warum die Kellnerin so abweisend und genervt bedient, in anderen CafÍ©s wäre sie schon längst gefeuert, und greife mir schließlich die Freiburger Zeitung, die unbeobachtet in der Ecke lag.

Dann endlich trifft Chris ein, ich begrüße ihn mit einem Kopfnicken über den Rand der Zeitung hinweg, falte sie dann umständlich zusammen und schüttle ihm endlich die Hand. Er sieht fertig aus, unglaublich fertig.

„Was ist denn los?†œ, frage ich ihn. Es kann sich eigentlich nur um eine Frau drehen. Prüfungen haben wir gerade keine anstehen, und sonst fällt mir nichts ein, was einen Menschen so aus der Bahn werfen kann.

„Sarah.†œ

Ein Wort, zwei Silben, und doch scheint es, als würde es ihn unglaubliche Anstrengung kosten, diesen Namen auszusprechen. Er schluckt mehrmals, fingert am Kragen seines Cordsakkos herum, und registriert erst nach mehreren Sekunden, dass die unfreundliche Kellnerin hinter ihm steht, um seine Bestellung aufzunehmen.

„Einen Kaffee, bitte†œ, sagt er unsicher und ohne ihr in die Augen zu blicken.

„Tasse oder Kännchen, normaler Kaffee oder Getreidekaffee, Cappuccino, Espresso…†œ

Sie ist unbarmherzig.

„Einfach Kaffee†œ, falle ich ihr ins Wort.

Sie nickt unpersönlich und verschwindet.

„Also, was ist mit Sarah?†œ, frage ich mit einem wohldosierten Anteil Mitgefühl in meiner Stimme.

„Sie hat… Schluss gemacht.†œ

„Ach Du ******e! Wann denn?†œ

„Gestern†œ, antwortet er stockend.

„Und warum?†œ, frage ich nach. „Aus heiterem Himmel?†œ

Auf der einen Seite möchte ich ihm die Gelegenheit geben, sich auszusprechen, auf der anderen Seite interessiert es mich wirklich. Ich kannte seine Freundin nur vom sehen, aber sie sahen sehr glücklich aus.

„Das glaubst Du mir wahrscheinlich nicht, wenn ich es Dir erzähle, ich glaube es ja selbst nicht.†œ

Sie hat ihn verarscht. So viel ist sicher.

Ich hänge an seinen Lippen.

„Du weißt ja†œ, beginnt er, „dass Sarah umziehen wollte, oder?†œ

Ich schüttle den Kopf.

„Vom Rieselfeld in die Wiehre. Ist ja auch egal, jetzt. Auf jeden Fall wollte ich ihr helfen, und ich habe ja diesen Hiwi-Job.†œ

Ich nicke. Er hat genau den Hiwi-Job, den ich eigentlich haben wollte.

„Ich habe mir extra drei Tage frei genommen, damit ich ihr helfen kann, das Zimmer zu streichen und so…†œ

Ich ahne, was jetzt kommt.

„Dann waren wir am Dienstag im Agar, und sie war auf einmal weg. Ich hatte sie nur vorher kurz mit ihrem Ex reden sehen, aber mit dem hatte sich ja eigentlich alles erledigt.†œ

Ach Du heilige ******e.

„Ich habe mir nichts groß dabei gedacht, habe ihr halt ne sms geschrieben, wo sie ist und so, und sie hat zurück geschrieben, dass sie heimgefahren ist.†œ

„Und dann?†œ

„Dann bin ich am nächsten Morgen wieder zu ihr, wir haben weiter in ihrem Zimmer gestrichen, Laminat verlegt. Sie war total gut drauf, hat sich voll lieb um mich gekümmert…†œ

Wen wundert†™s? Du hast ja auch gerade ihr Zimmer gestrichen. Und nach Seitensprüngen sind Frauen immer zuvorkommend.

„… aber dann, gestern, als alles fertig war und wir zusammen Kaffee getrunken haben, hat sie auf einmal damit angefangen, dass es sie wahnsinnig geärgert hat, dass ich ihr am Dienstag hinterherspioniert habe.†œ

„Hinterherspioniert?, echoe ich verständnislos.

Er zuckt die Schultern.

„Ich habe es erst auch nicht verstanden. Sie meinte die sms, wo sie denn ist.†œ

„Das war doch nicht schlimm†œ, werfe ich ein.

„Natürlich nicht†œ, er rudert hilflos mit den Händen in der Luft, er versteht offenbar immer noch nicht, was ihm da geschehen ist.

„Ich glaube†œ, fährt er dann fort und spielt mit dem Löffel an seiner Tasse herum, „sie hat einfach nur einen Grund gesucht, es zu beenden. Irgendeinen, bei dem sie am besten nicht selbst Verantwortung tragen oder ehrlich sein muss.†œ

Schlampe.

Nein, Schlange.

Schlange ist das beste Wort.

„Und jetzt hat mich heute morgen ihre beste Freundin angerufen. Se ist am Dienstag schon mit ihrem Ex heim und ist wieder mit ihm zusammen.†œ

„Das heißt†œ, es verschlägt mir fast die Sprache, „sie hat nur noch gewartet, bis ihre Wohnung fertig ist?†œ Ich kann es kaum fassen.

So etwas kann nicht wirklich passieren. Das geht einfach nicht.

„Genau. Ihre Freundin meinte, sie kommt einfach nicht von ihm los, und sie fände es fair, dass ich das wüsste, nachdem meine Ex es mir nicht sagen wollte…†œ

Ich schüttle langsam den Kopf. „Ach Du ******e†œ, flüstere ich. Mehr fällt mir in diesem Moment nicht ein.

„Sie hätte mir doch gleich sagen können, dass sie ihn wiederhat. Das wäre doch drin gewesen. Es wäre ******e für mich gewesen, aber ich hätte damit leben können…†œ

Ich lehne mich zurück. „Frauen sind aber nicht fair†œ, erkläre ich.

„Frauen sind nur solange loyal, wie sie in Dich verliebt sind. Sobald ihre Gefühle für Dich weg sind, hast Du verloren.†œ

Ich halte kurz inne, fahre dann fort: „Weißt Du, wir Männer sind da anders. Wir machen Schluss, wenn die Beziehung nicht mehr passt, hart, aber fair. Einer Frau käme das nicht in den Sinn. Sie hält Dich so lange an der Angel, bis jemand kommt, der ihr besser gefällt.†œ

„Glaubst Du das wirklich?†œ, fragt Chris.

Ich nicke.

„Männer sind Kopfmenschen. Wir überlegen uns, was wir dem Anderen schulden, was fair wäre. Selbst wenn ich ein Mädchen nicht mehr liebe, ich bin so fair und nehme mir die Zeit, das zu klären, ihr ihre Fragen offen und ehrlich zu beantworten. Das hat Sarah ja wohl nicht gemacht.†œ

Jetzt nickt er.

„Frauen entscheiden nämlich mit dem Herz. Solange ihr Herz für Dich schlägt, kannst Du machen, was Du willst, kannst Du sie behandeln wie ******e. Sie wird Dich lieben, an Dir festhalten. Wenn die Gefühle aber weg sind, und das geht auf einen Schlag, bist Du unwichtiger für sie als der Dreck unter ihren Schuhen. Sie ******t auf Deine Gefühle, ******t auf eure gemeinsame Zeit. Das alles bedeutet gar nichts mehr.†œ

„Kann sein†œ, murmelt Chris. „Aber was soll ich jetzt tun?†œ

„Vergiss sie. Schreib sie ab. Wenn Du ihr jetzt hinterher rennst, blamierst Du Dich nur. Deine Zeit für sie ist einfach abgelaufen. Alles, was Du jetzt tust, wird Dich verletzen und sie nerven.†œ

Wieder ein Schluck Kaffee.

„Ist Dir das auch schon passiert?†œ, fragt er mich nach einer kurzen Pause.

„Wem nicht? Aber es ist lange her. Ich habe meine Lehre daraus gezogen.†œ

„Und die wäre?†œ Zweifel liegt in seiner Stimme.

„Ich lasse mich nicht mehr auf die Frauen ein, verliebe mich nicht mehr. Das macht es einfacher, viel einfacher.†œ

„Aber ist es dann nicht wertlos? Wozu bist Du dann mit ihnen zusammen?†œ

„Vielleicht hast Du Recht. Aber ich werde mich nicht mehr verletzen lassen.†œ

Während ich das sage, erscheint wieder Tinas Bild vor meinem geistigen Auge. Die schönste Frau, die mir jemals begegnet ist, und ich durfte sie küssen, durfte mit ihr zusammen sein. Es waren Monate wie im Paradies, ich habe sie auf Händen getragen.

Dann, von einem Tag auf den anderen, war es vorbei.

Zwei Monate des Kampfes folgten, ich habe mich lächerlich gemacht für sie, erniedrigt, aufgeopfert.

Und sie hat nur kalt gelächelt.

„Das ist doch auch nicht der richtige Weg†œ, bemerkt Chris.

„Für mich schon†œ, versetze ich hart.

„Übst Du Rache am weiblichen Geschlecht?†œ Kommt er mir jetzt auf die Psycho-Schiene?

„Nein. Das einzige, was ich tue, ist, sie nicht mehr an mich ranzulassen. Ich verzichte auf ein paar tollpatschig verliebte Momente, um monatelangem Schmerz zu entgehen. Ich finde, das ist ein guter Tausch.†œ

„Dann hast Du nie geliebt†œ, sagt er ernst.

„Spinnst Du?†œ

„Nein, ernsthaft. Eine Sekunde der Verliebtheit, des vollkommenen Glücks, ist es wert. Egal, was für ******e danach kommt.†œ

„Das meinst Du wirklich ernst?†œ; frage ich zweifelnd.

„Todernst. Auch wenn ich jetzt†œ, seine Augen glitzern, „total fertig bin, weil Sarah mich so ******e behandelt hat, ich bin trotzdem froh, dass ich sie lieben durfte.†œ

Romantischer Trottel.

Es ist immer dasselbe. Männer sind die wahren Romantiker, die Gedichteschreiber und Sternbilderzeiger, die Kerzenanzünder und Rosenschenker, Norah-Jones-Hörer und Heimlich-Weiner. Egal, wie hart wir scheinen, wir haben einen unglaublich weichen, verletzlichen Kern, nicht halb so hart wie das Herz einer Frau.

Außer mir.

Ich bin jetzt härter geworden.

Chris†™ Worte verklingen unkommentiert, mir fällt nichts ein, was ich entgegnen sollte, denn überzeugen kann ich ihn ohnehin nicht. Die Zeit wird ihn erkennen lassen, dass ich Recht habe, dass romantische Idioten leiden, während die berechnenden Männer unbehindert durchs Leben ziehen können.

Lukas hat mir mal vom „Gefängnisparadoxon†œ aus der Spieltheorie der BWL erzählt. Der Kerl, den Russell Crowe in „A beautiful mind†œ spielt, hat ungefähr dafür seinen Nobelpreis gewonnen.

Stell Dir vor, Du begehst einen Raubüberfall mit einem Komplizen. Ihr werdet beide getrennt geschnappt, sie haben aber keine Beweise. Du hast zwei Optionen: Gestehen oder leugnen. Das gleiche gilt für Deinen Kollegen, ihr wisst aber beide nicht, was der andere tun wird.

Leugnet ihr beide, lassen sie euch laufen. Sie haben ja nichts in der Hand. Gesteht ihr beide, kommt ihr mit ein paar Monaten davon, weil ihr Reue gezeigt habt. Gesteht aber nur der eine, kommt er zwar auf Bewährung raus, der andere trägt aber die Hauptlast und muss für ein Jahr ins Gefängnis.

Das Interessante ist nun, dass es sinnvoller ist, zu gestehen, obwohl das den „Höchstpreis†œ, ohne Blessuren davonzukommen, für beide ausschließt, denn es ist wichtiger, das schlimmstmögliche Ergebnis auszuschließen.

Ich habe es auf die Beziehungswelt umgemünzt, es ist ganz einfach, und ich will dafür auch einen Nobelpreis.

Es spielen Spieler A und Spieler B das Spiel der Liebe gegeneinander. Jeder hat zwei Alternativen: Du kannst Dich verlieben oder nicht, weißt aber nicht, was der andere tun wird.

Verliebt ihr euch beide nicht, habt ihr eine Affäre. Keiner leidet, keiner gewinnt. Das neutrale Ergebnis.

Verliebt sich nur der eine, leidet der andere nach einiger Zeit, denn er muss den ganzen Kummer tragen.

Nur wenn beide sich für die Liebe entscheiden, gibt es einen Gewinn.

Daher entscheide ich mich fürs „nicht verlieben†œ, um dem negativsten Ergebnis zu entgehen, obwohl das eine glückliche Beziehung unmöglich macht.

Chris hat etwas gesagt, ich bitte ihn, es zu wiederholen.

„Du siehst nachdenklich aus.†œ

„Ja, ist aber nicht so wichtig.†œ

„Verrückt†œ, bemerkt er nach einer kurzen Pause, „mit mir hat gerade meine Freundin Schluss gemacht, sie hat einen Anderen und ich stehe dumm da. Du willst mich aufbauen, und jetzt siehst Du fertiger aus als ich.†œ

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auch unverändert... Irgendwie mögen meine 2 Lektorinnen die Markus-Kapitel so, wie sie sind... Ja, ich bin schon ein Frauenversteher geworden... ;)

Kapitel 7 >> Markus >> Freitag >> Zuhause

„But who could play it well enough,

if deaf and dumb and blind with love?

He that made this knows all the cost;

For he gave all his heart and lost.†

William Butler Yeats

Ich streichle langsam über Verenas Hinterkopf, lasse ihre zerzausten Haarsträhnen zwischen meinen Fingern hindurch gleiten, küsse sie dann sanft auf den Nacken.

Sie wendet sich langsam um und lächelt.

„Glaubst Du eigentlich an Schicksal?†œ, frage ich sie.

„Wie kommst Du denn da drauf?†œ

„Ich habe nur noch mal daran gedacht, wie wir uns kennen gelernt haben.†œ

„Und das war Schicksal?†œ

„Schon ein bisschen.†œ

Verena stand an der Kasse im Penny Markt direkt vor mir und hatte genau zwanzig Cent zu wenig dabei. Sie hatte schon zusammen mit der dicken Kassiererin zu überlegen begonnen, auf was sie jetzt verzichten müsse.

Ich fand sie ganz süß und habe mich großzügigerweise mit einer kleinen Münze erbarmt.

Ein strahlendes Lächeln, und dann draußen ein leises „Hallo†œ…

Der Rest ist Geschichte.

„Wieso warst Du genau zu dem Zeitpunkt an der Kasse? Wieso hattest Du zu wenig Geld dabei?†œ

„Das frage ich mich auch, ich hatte eigentlich genau nachgerechnet, dass es reichen müsste. Ich glaube eh, die hat mich beschissen an der Kasse!†œ

„Was wäre gewesen, wenn Du kurz vor der Kasse gemerkt hättest, dass Du Gurken vergessen hast, und noch mal zurückgelaufen wärst? Wir hätten uns nie kennen gelernt!†œ

Sie lacht auf.

„Gurken? Wieso ausgerechnet Gurken!†œ

Dann schaut sie mich milde lächelnd an. „Sicher, dass Du wirklich Sport studierst? Oder hast Du das nur gesagt, um mich zu beeindrucken?†œ

„Wieso das denn?†œ

Für den Moment bin ich irritiert.

„Na ja†œ, erklärt sie frech grinsend. „Du bist gerade ein klein wenig zu philosophisch für einen Kerl, der seine Erfüllung darin findet, mit kurzen Hosen über Barren zu hopsen!†œ

Ich lasse mich nicht aus dem Konzept bringen: „Ich habe mich nur gerade gefragt, ob es für einen Gott †“ oder wer auch immer da oben sitzt †“ eine echte Herausforderung sein muss, unser Handeln zu koordinieren. Verstehst Du, was ich meine?†œ

„Ja, klar.†œ

„Und wenn das nicht alles fest vorgeschrieben wäre, wer sich wann wo begegnet und verliebt, das gäbe doch ein furchtbares Durcheinander im Himmel.†œ

„Du meinst also, Du hast mir die zwanzig Cent nicht aus freien Stücken gegeben, sondern weil Du es tun musstest, damit ich mich in Dich verlieben kann?†œ

Sie lacht wieder, küsst mich kurz auf den Mund.

„Zwanzig Cent sind übrigens ein sehr billiger Preis für eine Frau†œ, fügt sie dann hinzu und tut so, als würde sie darüber ernsthaft nachdenken.

„Ich glaube, ich habe Dir weit mehr gegeben als nur die zwanzig Cent. Die waren nur die Anzahlung!†œ

„So?†œ

„Ja, inzwischen habe ich mein Herz mit draufgelegt.†œ

Wieder ein Kuss.

„Ich glaube nicht daran, dass es so was wie Schicksal gibt†œ, erklärt Verena dann. „Gab es da nicht ein Sprichwort? Jeder ist seines eigenen Schicksals…†œ Sie überlegt kurz.

„Schmied?†œ, helfe ich nach.

Daraufhin boxt sie mich mit ihrer süßen kleinen Hand in den Bauch.

„Ich bin nicht dumm! Ich hätte das selber gewusst!†œ

„Ganz sicher, Schatz!†œ

„Lach mich nicht aus!†œ

Aber sie grinst selbst schon wieder warm, wir umarmen uns und rollen für die nächsten Minuten im Bett hin und her.

„Aber†œ, fahre ich fort, denn irgendwie fasziniert mich der Gedanke, „was heißt das: Jeder ist seines eigenen Schicksals Schmied?†œ

„Dass Du Dich selbst in jeder Situation entscheiden musst, und das Ergebnis Deiner Entscheidungen bestimmt Dein Schicksal.†œ

„Und wer behält da den Überblick?†œ

„Muss es jemanden geben, der das tut?†œ

„Ich fände es zumindest sehr schade, wenn wir uns nur aus reinem Zufall begegnet wären.†œ

„Das war kein Zufall, das war Glück!†œ

„Ist Glück nicht einfach nur Zufall, den wir positiv bewerten?†œ

„Jetzt wirst Du mir echt zu philosophisch. Komm, küss mich!†œ

Wie könnte ich da widerstehen?

„Weißt Du was†œ, meint sie dann und spielt mit ihrem Zeigefinger an meiner Nase herum, „egal, aus welchen Gründen wir uns begegnet sind, ich bin wahnsinnig froh darüber!†œ

Mir wird warm ums Herz. Das sind diese Wellen der Verliebtheit, die durch Deinen Körper strömen und jegliche Kälte, jeden Schmerz, alle Trägheit hinfort spülen, so dass Du Dich fühlst wie neugeboren.

Ich kann nicht anders, ich muss sie umarmen, muss sie an mich drücken…

„Hilfe! Du erwürgst mich ja!†œ

„Gib mir meine zwanzig Cent zurück, und ich lasse los†œ, schlage ich vor. Albern, eigentlich.

„Es geht Dir also nur ums Geld?†œ, sagt sie entrüstet. Sie steigt in das Spiel ein. Aber ich habe darauf eigentlich schon keine Lust mehr.

„Nein, ich liebe Dich†œ, erwidere ich deshalb.

Sie schweigt einen Moment, hört auf zu lächeln.

„Wie kannst Du das sagen?†œ

„Was? Dass ich Dich liebe? Es stimmt einfach.†œ

Was ist denn jetzt los mit ihr?

„Findest Du das nicht ein bisschen früh?†œ, fragt sie zweifelnd.

„Ich weiß nicht.†œ Jetzt zögere ich. „Aber ich fühle es einfach, und es musste raus. Also habe ich es gesagt.†œ

„Ich finde, Liebe kommt erst mit der Zeit†œ, erklärt Verena. „Man muss sich dafür erst richtig kennen gelernt haben, um das zu sagen.†œ

„Aber wenn es so ist?†œ

„Dann fühle ich mich irgendwie… Ach, ich weiß nicht, aber ich kann jetzt einfach noch nicht darauf antworten… Und jetzt…†œ Sie stockt. „Irgendwie fühle ich mich jetzt minderwertig Dir gegenüber, weil Du mich liebst und ich im Moment nur verliebt bin…†œ

„Hey!†œ, rufe ich, um sie aufzumuntern, denn sie sieht auf einmal richtig fertig aus, fast traurig.

„Mach Dir mal keinen Kopf! Du musst nicht antworten, das ist okay!†œ

„Wirklich?†œ

„Ja, klar!†œ

Sie lächelt zögerlich, und ich presse mein Lippen auf die ihren. Und während meine Zunge mit der ihren spielt und sie immer heftiger atmet, frage ich mich, ob es wirklich okay ist. Hätte ich es nicht sagen sollen? Oder: Wieso sagt sie es nicht?

Ihre Hand gleitet meinen Bauch hinab in meine Boxershorts, und ich verdränge diese düsteren Gedanken.

Danach kommen sie aber sofort zurück, und während ich verschwitzt neben ihr liege, frage ich mich, ob das nicht eigentlich immer andersrum ist. Sagt die Frau nicht immer zuerst: Ich liebe Dich, und der Mann drückt sich um die Antwort? Was bedeutet das, wenn der Mann früher Gefühle hat als die Frau? Dass sie nie welche haben wird? Vollkommener Unsinn, aber der Gedanke lässt mich nicht los…

„Was denkst Du gerade?†œ

Die klassische Frage, die Frauen immer dann stellen, wenn man entweder gerade über etwas nachdenkt, worüber zu sprechen sehr unangenehm für beide wäre, oder wenn man gar nicht denkt.

„Nichts.†œ

„Wie, nichts?†œ

„Weißt Du, ich bin ein Mann, und Männer denken manchmal einfach an gar nichts.†œ

Sie gibt sich nicht damit zufrieden. Natürlich nicht.

„An irgendwas musst Du doch denken!†œ

„Ja, natürlich denke ich an irgendwas. Aber eben an nichts Bestimmtes. Ich lag nur gerade so da und ließ meinem Kopf freien Lauf, und das ist dann meistens so, dass sich da ganze Gedankenketten bilden. Mein Gehirn springt von einer Sache zur nächsten, getragen von Assoziationen, die bestimmt kein anderer Mensch nachvollziehen kann.†œ

Das hört sich gut an. Müsste ich fast aufschreiben.

Sie mustert mich kritisch.

„Manchmal faselst Du einen ganz schönen Unsinn.†œ

Dann dreht sie sich um und schläft ein.

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hier hat sich dagegen einiges getan...

Kapitel 8 >> Mathias >> Freitag >> Theatercafͩ

„Mit jeder Frau, die Dir begegnet, verlierst Du ein Stück Deiner Seele. Es mag etwas drastisch klingen, aber sie nimmt ein Stück von Deinem Feuer mit sich, und irgendwann wird es erloschen sein.†œ

Lorenz Seiser, Jugendpfarrer

Es ist kurz nach elf, als Mira und ich Arm in Arm das Kino verlassen. Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran. Ein wunderschön und liebevoll gestaltetes Portrait der Freundschaft zwischen einem Kind und einem alten Mann, in dem die wichtigen Dinge des Lebens aufgearbeitet werden. Liebe, Tod, Reichtum, wahres Glück, blabla.

Ich hätte lieber was Anderes angeschaut, aber was tut man nicht alles für die Frauen. Und immerhin habe ich auch zwei- oder dreimal wirklich lachen müssen.

„Du hast vorhin gesagt, Du hast das Buch schon gelesen†œ, meint Mira, während wir die Treppe hochsteigen. „Wurde es gut umgesetzt?†œ

Ich habe, bevor ich sie getroffen habe, eine Zusammenfassung im Internet gelesen, damit ich behaupten kann, ich hätte es gelesen. Soweit ich weiß, gab es keine groben Unstimmigkeiten, also bejahe ich ihre Frage.

„Es war eine unglaubliche schauspielerische Leistung, die Omar Sharif heute abgegeben hat.†œ

„Ich kannte ihn irgendwoher…†œ, meint Mira nachdenklich.

„Er war Dr. Shivago, und in Lawrence von Arabien hat er auch mitgespielt†œ, erkläre ich ihr. Zum Glück war meine Internetrecherche sehr ergiebig. „Gehen wir noch was Trinken?†œ, frage ich, und sie nickt erfreut. „Gerne.†œ

Also lotse ich sie ins TheatercafÍ©. Das ist erstens gleich um die Ecke, zweitens kann man von der Glasfront wunderbar auf die Straße hinuntersehen, wenn einem langweilig wird, drittens wird man eventuell selbst gesehen und viertens sieht das Publikum hier immer sehr intellektuell aus. Auch heute enttäuscht es mich nicht. Im Schnitt um die Vierzig, aber aus jeder Altersschicht haben sich Vertreter eingefunden. Gepflegte ältere Herren mit Schals und sorgfältig getrimmten Bärten, Frauen mittleren Alters, die kunstvoll Seidentücher um die Schultern drapiert haben, eindeutig schwule Studenten in engen schwarzen Rollkragenpullis, ein paar Frauen, die stark nach Lehrerin aussehen… Und wir.

„Gehst Du hier gerne hin?†œ, fragt mich Mira mit einer Mischung aus Ver- und Bewunderung. „So hätte ich Dich gar nicht eingeschätzt.†œ

„Wie hättest Du mich denn eingeschätzt?†œ, frage ich lächelnd und lege den Kopf zur Seite. Seit ich ein Buch über Körpersprache gelesen habe, kann ich nicht mehr unvoreingenommen flirten, ich plane und analysiere jede Geste. Das neigen des Kopfes stammt aus der Tierwelt, es soll Vertrauen und Nähe symbolisieren. Man zeigt seine ungeschützte Kehle und geht davon aus, dass der andere nicht hinein beißt. Klappt auch bei den Menschen, wobei, eigentlich würde es mich gar nicht so sehr stören, wenn sie…

„Na ja†œ, meint sie. „Ein bisschen mehr so als Partytyp, der gerne viel trinkt und feiert, nicht so als der Intellektuelle…†œ

„Und was gefällt Dir besser?†œ

„Ich denke†œ, sagt sie lachend. „Die Mischung macht†™s.†œ

Die kann sie haben.

Mira habe ich vor fünf Jahren beim Tanzkurs kennen gelernt. Damals war ich noch ein netter, zurückhaltender und schüchterner Junge, der ein bisschen zu gut in der Schule und ein bisschen zu schlecht im Umgang mit Mädchen war.

Sie fand mich damals „ganz nett†œ, aber damit hatte es sich für sie erledigt.

Nun, es sind ein paar Jahre ins Land gezogen, und heute sieht die Sache anders aus. Ich habe sie letzte Woche im F-Club wieder getroffen, rein zufällig, und es hat keine fünf Minuten gedauert, sie von meinen Qualitäten zu überzeugen.

„Ja, ich bin hier immer wieder gerne†œ, antworte ich endlich auf ihre Einstiegsfrage. „Es ist bequem hier, nicht so teuer, und die Gespräche an den Nebentischen drehen sich im Gegensatz zu den meisten anderen Bars nicht um Sex, sondern um Politik, Kunst und Kultur.†œ

Sie lacht.

„Und das ist spannender?†œ

„Nein, aber erholsam.†œ

Sie trägt einen schicken dünnen Pulli, der die Schultern freilässt, in zartem Rosa, an der Hüfte hängt ein kleiner Strenesse-Aufkleber. Dazu eine Perlenkette und passende Ohrringe, eine enge weiße Jeans, hochhackige Schuhe †“ ich kenne mich mit Frauenlogos nicht so gut aus, aber das sieht ganz gut aus.

Ich habe mich heute zurückgehalten, dunkelblaues Polohemd von Polo Ralph Lauren, dazu Jeans von Esprit, braune, glänzend polierte Lederschuhe von Boss, und einen langen schwarzen Mantel, ebenfalls von Boss.

Aber ich scheine ihr zu gefallen. Sie fährt sich andauernd mit der linken Hand durch die Haare, während wir sprechen, beugt sich immer wieder zu mir vor, lacht kokett und mit strahlenden Augen… Eigentlich habe ich sie in der Tasche.

„Erzähl doch mal ein bisschen, was Du so machst†œ, fordert sie mich dann auf.

„Ich studiere Mathe†œ, antworte ich, wahrheitsgemäß. Sonst erfinde ich meistens nette Studiengänge, Humanbiologie, Jura, Veterinärmedizin, aber ich bin mir nicht ganz sicher, was ich ihr im F-Club erzählt habe, deshalb bleibe ich mal bei der Wahrheit.

„Passt überhaupt nicht zu Dir… Mathe, meine ich.†œ

„Rein optisch bestimmt. Du willst gar nicht wissen, was für schräge Vögel bei uns in den Vorlesungen hocken…†œ

„Die ganz klassischen?†œ

„Genau die. Hornbrille…†œ

„…Hochwasserhose?†œ

„Ungewaschene Haare…†œ

„…Turnschuhe?†œ

„Genau die. Schrecklich. Und unser Fachschaftsraum… Widerlich. Stinkt wie die Pest.†œ

„Wieso studierst Du es dann?†œ, fragt sie.

„Das ist ganz einfach. Ich kann es.†œ

„Aha?†œ

„Ja, ich hatte in der Schule nie wirklich Probleme mit Mathe, hatte immer eine Eins, ohne zu lernen, und irgendwie beeindruckt die Mathematik mich auch. Du hast nirgendwo sonst diese unumstößliche Wahrheit, diese absolute Klarheit, diese Ästhetik der Logik…†œ

„Du spinnst.†œ Sie lacht.

„Ja, natürlich.†œ Ich lache auch, gezwungenermaßen, denn eigentlich meinte ich das ernst.

„Das einzige Problem sind die Frauen.†œ

„Die Frauen?†œ Sie lacht schon wieder. „Inwiefern?†œ

„Na ja, man kann sie in unseren Vorlesungen optisch nicht von den Männern unterscheiden.†œ

Ihr Lachen verwandelt sich in ein Kichern, ich gieße trotzdem zur Sicherheit noch mal Chianti nach. Man kann nie wissen…

„Ist es wirklich so schlimm?†œ

„Schlimmer.†œ

Ich trinke demonstrativ mein Glas leer. Sie folgt nach. Das ist fast zu einfach heute.

„Und was genau ist da das Problem?†œ

„Nun, würde ich zum Beispiel Jura oder Medizin studieren†œ, sie fährt sich wieder durch die Haare, „dann hätte ich die Chance, auf normalem Wege normale Frauen kennen zu lernen. Vielleicht sogar eine, die annähernd so hübsch ist wie Du.†œ

Solche Sätze kann man nur sagen, wenn man schon eine ganze Menge Alkohol intus hat. Und das Gegenüber lächelt nur darüber, wenn für sie dasselbe gilt. Sie lächelt, errötet fast. Bingo.

„Was willst Du denn damit sagen?†œ, fragt sie, währenddessen beugt sie sich ein bisschen nach vorne und spielt mit dem Stiel ihres Weinglases.

„Weil ich keine Frauen übers Studium kennen lerne, muss ich das in der Disko machen. Aber da wird es immer so schnell sexuell, man hat gar keine Zeit, sich wirklich näherzukommen, wie es im Studium…†œ

Sie gackert laut auf, lehnt sich wieder zurück. Mist, ich sollte vielleicht doch nicht über so etwas reden. Zeit, die Kurve zu kriegen.

„Als würde es einen Mann †“ und vor allem Dich †“ stören, wenn es zu schnell sexuell wird!†œ

Gar nicht erst darauf einlassen, ich wische den Einwurf mit einem Lächeln beiseite und fahre dann fort.

„Auf jeden Fall bin ich froh, dass wir uns hier ganz normal unterhalten können…†œ

ich zwinkere ihr erneut zu.

Sie deutet es richtig: „Also ist unser Treffen nicht sexueller Natur?†œ

Sie massiert schon wieder diesen Glasstiel und lacht lasziv auf.

Ich hebe †“ gespielt erstaunt †“ die Brauen: „Wie kommst Du denn darauf?†œ

Dass sie immer noch lacht, gibt mir alle Signale, die ich brauche.

Dafür bedarf es noch nicht einmal eines Körpersprachebuchs.

„Über was wir uns hier unterhalten…†œ Sie schüttelt den Kopf. „Ich bin ganz schockiert.†œ Das bist Du nicht.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich jetzt die Karten auf den Tisch legen oder das Spiel noch eine Weile fortsetzen soll. Ich entscheide mich für das Spiel, für knisternde Erotik. Holla!

„Ich verstehe gar nicht, was Du meinst…†œ

Meine Hand liegt inzwischen auf dem Tisch, sie braucht nur danach zu greifen. Wie zufällig berührt ihr kleiner Finger den meinen. Sie hält kurz inne, zieht sich wieder zurück…

Ich hätte mich für die Karten entscheiden sollen. Eine Stunde später soll ich sie zum Bus bringen.

„War ein sehr schöner Abend mit Dir†œ, sage ich und lächle. Wir haben noch gute fünf Minuten, jetzt heißt es: Gas geben und konzentriert arbeiten.

„Ja, fand ich auch. Schade, dass ich am Montag nach Heidelberg zurück muss.†œ Sie kommt ein Stückchen näher, wir stehen uns jetzt mit einem Abstand von einem knappen Meter gegenüber.

„Dann haben wir ja noch zwei Tage, uns kennen zu lernen.†œ

„Nee, weißt Du, morgen kommen zwei Freunde aus Heidelberg zu Besuch, die nehmen mich dann mit zurück.†œ

Ist das Bedauern in ihrer Stimme jetzt echt oder nur verdammt gut gespielt?

„Schade.†œ

„Ja, schade.†œ

„Dann†œ, ich trete noch ein Stück näher, greife ihre Hand, setze alles auf eine Karte, „lass uns die wenige Zeit, die uns bleibt, nicht verschwenden…†œ

„Spinner†œ, ruft sie lachend aus, aber das meint sie nicht so, denn ihre Hand greift schon nach meiner, und ihr Blick spricht Bände.

Sie verpasst leider ihren Bus.

Als sich ihre Lippen nach einer guten Viertelstunde von den meinen lösen, hat sich wieder etwas Ernst in ihre Stimme geschlichen.

„Aber den Nächsten nehme ich…†œ

„Klar†œ, antworte ich.

„Allein†œ, meint sie bestimmend.

Ich schmolle, was erst ein Lachen, dann ein Seufzen, dann ein Augen-gen-Himmel-Rollen und dann ein „Männer…†œ zur Folge hat.

„Ich bringe Dich nur kurz nach Hause†œ, schlage ich vor.

„Klar†œ, sagt sie. Sie glaubt natürlich kein Wort. Kluges Kind.

Wir küssen uns wieder, vielleicht bringt sie das auf andere Gedanken. Ich streichle sanft ihren Kiefer, ihren Nacken, streiche ihr die Haare aus dem Gesicht… Du willst es doch auch, verdammt! Das ist jetzt irgendwie nicht der richtige Zeitpunkt, ein artiges Mädchen zu werden…

„Hör auf!†œ, schimpft sie halb grinsend. Zu wem sagt sie das? Zu mir oder zu sich selbst? Wen will sie da bremsen?

„Echt schlimm mit Dir†œ, stellt sie fest.

„Tut mir leid.†œ

„Tut es nicht.†œ

„Stimmt.†œ Ich grinse frech.

Leider muss ich dennoch alleine nach Hause fahren.

Viereinhalb vergeudete Stunden.

Sie will sich bei mir melden.

Toll.

Davon kann ich mir was kaufen.

Nett war†™s. Aber verschwendete Zeit.

Blöde nette Schlampe.

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Wie nicht ansders zu erwarten äußerst unterhaltsam.

3 Dinge:

1. Du hast mir auf meinem weg, die Frauen zu verstehen geholfen - danke ;D

2.

Seit ich ein Buch über Körpersprache gelesen habe, kann ich nicht mehr unvoreingenommen flirten, ich plane und analysiere jede Geste.

Titel und ISBN Numemr bitte ;D

3.

Ja, ich bin schon ein Frauenversteher geworden...

du Mädchen ;)

Willst du weder Streit, noch Ärger, sprich nie mit einem Württemberger. ^^

Eure Armut kotzt mich an.
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Ich danke dir. werd mir das ding holen und dann....BWAHAHAHAHAHA! ....sry ;D

Ich respektiere ja deinen Tatendrang, die Geschichte so perfekt wie möglich zu gestalten, aber es wäre wirklich lobenswert, wenn du sie mal zuende führen würdest :-)

€dit:

Eine feministisch angehauchte bekannte lässt dir mitteilen, dass sie die ältere Fassung der Geschichte an einem abend verschlungen hat :)

Willst du weder Streit, noch Ärger, sprich nie mit einem Württemberger. ^^

Eure Armut kotzt mich an.
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Kapitel 9 >> Johannes >> Samstag >> Oscar†™s

„Haben Sie Kaviar?†œ

„Nur Beluga, Sir. Und der kostet 200 Dollar pro Portion.†œ

„Dann nehme ich am besten zwei davon.†œ

Breakfast at Tiffany†™s

Ich stehe an der Straßenecke und warte, trage kurze Hosen und Sportschuhe, mein Joggingoutfit, passt nur nicht so gut zu der Zigarette in meinem Mundwinkel, die ich gerade von einem vorbeilaufenden Bunny geschnorrt habe.

Endlich verlässt Nina meine Wohnung, blickt sich irritiert um, entdeckt mich aber zum Glück nicht. Sie folgt der Straße in die andere Richtung, wahrscheinlich auf der Suche nach einer Bushaltestelle. Nun, da wirst Du eine Weile laufen müssen. In meine Richtung wäre es kürzer gewesen.

Nina ist eine Kommilitonin von mir, ich denke, ich sehe sie ohnehin früh genug wieder. Sie hatte sich ein paar Wochen lang in den Vorlesungen sehr auffällig neben mich gesetzt und irgendwann die Initiative ergriffen.

Wir waren zweimal nett was Trinken gegangen, dann hatte sie mich endlich so weit. Es war wirklich so, dass sie mich verführt hat, ja fast überreden musste, denn eigentlich mag ich es nicht, wenn Frauen so aufdringlich sind. Das sind dann meistens Schlampen und keine Ladies.

Die Art, wie Nina gestern über mich hergefallen ist, bestätigt diese Vermutung nur.

Ich schnippe den Zigarettenstummel weg und lache innerlich, als er eine Handbreit an einem Fahrradfahrer vorbeifliegt.

Oh Mann, war das gestern krass. Sie war einfach unersättlich, aber ich hatte nach dem zweiten Mal einfach keine Lust mehr und wollte schlafen.

Was macht sie?

Nimmt ihn einfach noch mal in den Mund…

Da kann man ja schlecht ablehnen.

Zurück in meiner Wohnung räume ich die gröbsten Hinweise auf die letzte Nacht weg, beziehe das Bett neu und gehe unter die Dusche. Sie meldet sich heute bestimmt noch. Vielleicht ist sie sauer, weil ich vorhin einfach keine Lust auf ein nettes gemeinsames Frühstück hatte und dezent verschwunden bin, „joggen†œ.

Dass sie fast ein ganze Stunde gewartet hat, erstaunt mich. Die meisten gehen nach spätestens einer halben, viele sofort. Sie gehen mir genauso aus dem Weg wie ich ihnen, haben ebenso wenig Lust, mir in die Augen sehen zu müssen.

Ich trockne mich ab und überlege, was ich anziehen soll. In ein paar Minuten treffe ich mich mit Mathias zum Brunch, das nimmt mir die Entscheidung ab. Er lässt sich von jeder Marke ****en, also kleide ich mich so teuer ein, wie ich kann, nur um ihn ein bisschen zu ärgern.

Wir entscheiden uns für das Oscar†™s, ein kleines CafÍ© in der Innenstadt, das sich verzweifelt bemüht, etwas Hollywoodflair zu erzeugen.

Die Wände tapeziert mit Schwarz-Weiß-Fotografien von Filmstars, Regisseuren, Diven und Ikonen längst vergessener Tage, Humphrey Bogart und Marilyn Monroe sind die einzigen, die ich noch erkenne.

Ich blicke mich interessiert um, immerhin war ich noch nie hier. Kitschig, aber mir gefällt die Idee, die Frühstücksvariationen nach Filmstars zu benennen. Brunch Í  la Marilyn Monroe, vespern wie Arnold Schwarzenegger, das hat doch was.

„Mir gefällt die Alain Delon Variante am besten, aber wer ist das?†œ

„Keine Ahnung.†œ Mathias zuckt die Schultern.

„Ich kann ihm im Moment kein Gesicht zuordnen.†œ Er schaut sich um, sucht die Wände nach einem Portrait ab, dreht sich wieder zu mir: „Frag doch die Kellnerin. Oder nimm James Dean, der ist wenigstens eine echte Legende.†œ

„Ist es wichtig, dass mein Frühstück den Namen einer Legende trägt?†œ, frage ich belustigt.

„Klar.†œ

„Ist Arnold eine Legende?†œ

„Nein. Höchstens noch Marilyn, aber davon wirst Du nicht satt.†œ

„Habt ihr euch entschieden?†œ, fragt da die Kellnerin. Sie grinst mich breit an, aber noch viel breiter als ihr Lächeln ist ihr Hintern. Daher empfinde ich ihre Zutraulichkeit als Beleidigung.

„Wer war denn James Dean?†œ, fragt Mathias.

„James Dean? Der hängt da drüben…†œ

Wir drehen uns beide um und begutachten sein Portrait am gegenüberliegenden Ende des CafÍ©s.

„Sieht er gut aus?†œ

„Aber klar.†œ

„So gut wie wir beide hier?†œ

Er flirtet die Wuchtbrumme von Kellnerin offen an, ich muss beinahe kotzen.

Sie lacht schrill: „fast so gut.†œ

„Dann nehme ich James Dean†œ, beschließt er und zwinkert ihr zu.

Sie richtet ihre Glubschaugen auf mich: „Und Du?†œ

„Äh… Arnold Schwarzenegger.†œ

„Und trinken?†œ

„Kaffee.†œ „Kaffee.†œ

Der Tisch erbebt unter ihren sich langsam entfernenden Schritten.

„Gott, bist Du eklig†œ, sage ich, als sie weit genug entfernt ist.

„Du kannst mich auch Mathias nennen†œ, antwortet er und lacht, „und außerdem: Wann hast Du mal die Gelegenheit, mit einem Planeten zu flirten?†œ

„Planet?†œ

„Hast Du die Gravitation nicht bemerkt?†œ

„Doch, sie scheint Dich irgendwie angezogen zu haben…†œ, erwidere ich grinsend.

„Bullshit. Es hat mir einfach Spaß gemacht, mir versichern zu lassen, dass ich gut aussehe. Außerdem kostet es mich nichts, und sie freut sich vielleicht. Das passiert ihr doch sonst nie, mit Gürtelgröße Äquator.†œ

„Du bist zu gütig.†œ

„Ich weiß.†œ

„Und, was hast Du gestern Abend noch so getrieben?†œ, frage ich Mathias, ich will meine Zeit eigentlich nicht mit Lästereien über fette Kellnerinnen vergeuden.

„Nichts Besonderes. Ich war mit Mira im Kino, Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran. Wieder ein ganz netter Film, für den ich eigentlich kein Geld ausgegeben hätte. Hast Du das Buch gelesen?†œ

Ich nicke, habe es aber natürlich nicht gelesen.

„Mira. Wer war noch mal Mira?†œ, frage ich ihn dann.

„Sie hat mit mir vor fünf Jahren Tanzkurs gemacht, ich habe sie neulich im F-Club wieder getroffen, sie ist eine echte Granate geworden.†œ

„Nicht schlecht. Lief was?†œ

„Wir haben uns erstmal wieder ein bisschen kennen gelernt. Nur knutschen. Aber ich glaube, sie hat durchaus Interesse.†œ

Endlich trifft unser Essen ein.

Der Orangensaft ist mit Sicherheit nicht frisch gepresst, wir lassen ihn zurückgehen. Eine Zeitlang kauen wir schweigend, dann stellt Mathias endlich die Frage, auf die ich schon eine halbe Stunde warten musste: †œUnd was lief bei Dir gestern?†œ

„Ich hatte endlich Nina.†œ

„Nina?†œ

„Erinnerst Du Dich nicht mehr an sie? Letzte Woche im Maria†™s kam sie zu uns an den Tisch gerannt und hat eine halbe Stunde auf mich eingequasselt.†œ

„Brünett, schlank, Hilfiger Top?†œ

„Genau die. Dass sie mich wollte, war ja von vorneherein klar, hast Du ja auch gesehen, aber ich wollte es schon sicher wissen. Außerdem hat mich interessiert, wie sie unter ihrer Kleidung aussieht.†œ

„Das hast Du jetzt wohl rausgefunden.†œ

„Exakt. Bauchnabelpiercing. Süß.†œ

„Find ich albern.†œ

Ich nicke. „Ist es auch. Fast so schlimm wie diese Arschgeweihe, die jede dritte Tussi hat.†œ

„Arschgeweihe?†œ

„Na, diese Tattoos über dem Hintern, die von weitem aussehen wie… na, Geweihe eben.†œ

„Ach die. Hatte ich neulich erst. Aber auf die Assoziation bin ich nicht gekommen, hatte besseres zu tun.†œ

„Denkst Du beim Sex nie nach?†œ

„Schon, aber nicht über so was.†œ

Damit unser Rührei nicht kalt wird, stellen wir für die nächsten Minuten unsere Gespräche ein. Ich lausche ein bisschen am Nebentisch mit, da unterhält sich eine Gruppe junger Männer über die Erfolge in ihrem Leben. Manchmal kann ich nur müde lächeln, aber bei einem kneife ich neidvoll die Augen zusammen. Er hat es geschafft. Studium der Wirtschaft mit Auslandssemester in Harvard, dort anschließendes Masterstudium, Praktikum und Jobangebot bei McKinsey. Aber er interessiert sich mehr für Wirtschaftsjournalismus und ist jetzt ZEIT-Volontär.

Ich beschließe spontan, ihn zu hassen.

Mathias hat irgendetwas gesagt, ich bitte ihn, es zu wiederholen.

†œMein Kaffee ist alle.†œ

„Du hast Dir doch einen heißen Draht zur Kellnerin aufgebaut, was sagst Du das mir?†œ

„Ich werfe mal einen Blick durchs Hubble-Teleskop, vielleicht entdecke ich sie.†œ

„Idiot.†œ

Sie hat wirklich eine Art Gravitation, ich spüre, wie sich meine Nackenhaare aufstellen, wenn sie hinter mir steht.

„Was kann ich den gut aussehenden Herren bringen?†œ, fragt sie mit einer Visage, die wohl ein verschmitztes Grinsen darstellen soll. Mich erinnert es an einen ausgeschnitzten Kürbiskopf an Halloween.

„Zwei Kaffee. Du nimmst doch noch einen, Johannes?†œ

Ich winke ab.

„Dann einen, Schatz.†œ

Er hat sie wirklich Schatz genannt.

Kaum hat sie sich umgedreht, zwinkert er mir zu und ruft: „Mann, ist die süß! Von der hätte ich gerne die Nummer, aber ich traue mich nicht, sie zu fragen.†œ

„Ich kotze Dir gleich mein Frühstück auf den Teller.†œ

„Findest Du das nicht lustig?†œ

„Eher erbärmlich.†œ

„Na gut†œ, er zuckt die Schultern, „reden wir über was anderes. Markus?†œ

„Ich habe ihn heute angerufen, und er hat sich schon wieder nicht gemeldet.†œ

„Bei mir genau dasselbe: Seit Donnerstagabend habe ich nichts mehr von ihm gehört. Wahrscheinlich hat er das Bett seitdem nicht verlassen.†œ

Ich spiele mit der Gabel an einem kalten Stück Rührei herum. Arnie kann offenbar mehr essen als ich.

„Ich finde, wir sollten mal mit ihm reden. Es ist immer dasselbe. Sobald er eine Freundin hat, sind wir ihm nicht mehr gut genug†œ, schimpft Mathias.

„Na gut, das kann man aber auch verstehen, wenn er gerade zwei Tage mit ihr zusammen ist…†œ, gebe ich zu bedenken.

„Erinnerst Du Dich an seine letzte Freundin, diese Dicke?†œ

„Das Rubensweib? Sie wog immerhin nur die Hälfte von Deiner neuen Freundin.†œ

Er verzichtet aufs Kontern: „Da war es doch auch so: Ein halbes Jahr war er nie mit uns weg, weil sie das nicht wollte, weil sie Angst hatte um ihn.†œ

„Eigentlich ist es doch das Beste, wenn es so läuft wie bei ihm†œ, erkläre ich.

„Wieso das denn?†œ Mathias ist wirklich aufgebracht.

„Na ja, wenn Du Dich selbst mal verlieben würdest, könntest Du es vielleicht nachvollziehen.†œ

Er will gerade etwas erwidern, aber mein Handy klingelt. Nina.

†œHallo?†œ

„Hi, hier ist Nina.†œ

„Schön. Guten Morgen.†œ

„Ich wollte Dich fragen, ob wir uns nachher auf einen Kaffee treffen wollen?†œ

„Eigentlich sehr gerne, aber ich bin gerade bei meiner Freundin.†œ

„Wolltest Du nicht Schluss machen?†œ

„Wollte ich, ja. Aber das geht nicht.†œ

Kurze Pause in der Leitung. Ich spreche weiter, bevor sie es wirklich verarbeitet hat.

„Weißt Du, sie hat mir gerade etwas Schreckliches erzählt. Ihr Vater hat Krebs und wird wahrscheinlich sterben. Sie braucht mich jetzt. Ich kann da doch nicht Schluss machen…†œ

„Aber Du hast doch gesagt…†œ

„Klar habe ich das gesagt. Aber verstehst Du denn nicht, was das für eine Situation ist?†œ

„Doch, klar, aber…†œ

„Ich melde mich bei Dir.†œ

†œOkay.†œ

„Bis dann.†œ

Ich lege auf.

„Wie vielen Frauen hast Du eigentlich schon erzählt, dass Deine Freundin Krebs hat?†œ

„Nicht meine Freundin†œ, korrigiere ich und weiche damit aus. „Ihr Vater.†œ

Er grinst hämisch.

„Witzig, dass Du gerade auf ekelhafteste Art und Weise ein Mädchen verarschst, während Du mir erklären willst, wie Verliebtheit aussieht.†œ

„Relativiert das meine Worte?†œ

„Ein bisschen, ja.†œ Er grinst. „Man könnte sogar sagen, es entkräftet sie vollständig.†œ

Ich will nicht länger darüber sprechen, deshalb nicke ich nur kurz, winke der dicken Kellnerin zu, ohne groß zu lächeln. Es dauert nicht lange und sie kommt angerollt.

„Macht dann achtzehn Euro fünfzig für Dich, und…†œ, sie wendet sich zu Mathias, grinst wie ein Nilpferd, „neunzehn Euro zwanzig bei Dir. Und achtundzwanzig †“ zehn †“ sechshundertvierzig, falls Du Dich traust?†œ

Das Fragezeichen am Ende spricht sie wirklich aus, zentnerschwere Hoffnung liegt in ihrer Stimme.

Mathias hat gar nicht zugehört.

„Sechshundertvierzig?†œ, murmelt er gedankenverloren.

Sie wiederholt ihre Nummer, und er versteht endlich, was sie von ihm will.

„Magst sie Dir nicht aufschreiben?†œ

„Ich kann sie mir merken†œ, meint der sichtlich aus dem Konzept gebrachte Mathias. Ich lache hämisch in mich hinein.

„Schön. Dann vertraue ich darauf. Tschüss ihr beiden, und †“ schönen Tag noch!†œ

Sie winkt uns noch nach, als wir das Oscar†™s verlassen. Ich wusste gar nicht, dass Mathias so schnell laufen kann.

„Wenn sie in irgendeiner Form attraktiv gewesen wäre, ich würde jetzt echt meinen Hut vor Dir ziehen†œ, kommentiere ich die absurde Situation.

„Hast Du noch nie zum Spaß geflirtet?†œ, fragt er.

„Klar, aber so was fällt bei mir nicht unter Spaß.†œ

„Ich fand es echt lustig. Vor allem, dass sie mir wirklich ihre Nummer…†œ

„Erzähl es trotzdem keinem†œ, rate ich ihm, „und weil wir gute Freunde sind, behalte ich es auch für mich. Immerhin habe ich jetzt etwas, das ich gegen Dich verwenden kann.†œ

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Diesmal musste ich Markus leider anpassen... ;)

Kapitel 10 >> Markus >> Sonntag >> Caruso's

"But I, being poor, have only my dreams;

I have spread my dreams under your feet;

Tread softly because you tread on my dreams."

William Butler Yeats

Sonntag. Mein erster Tag ohne Verena, wobei, heute Abend sehe ich sie ja noch, ich bin von ihren Eltern zum Abendessen eingeladen worden. "Benimm Dich!"

"Klar, werde ich machen. Gibt es Themen, die ich vermeiden muss?"

„Deine Trennungsabsichten, Deine Sektenangehörigkeit und dass Du Atomstrombefürworter, Kommunist bist, Aids hast und dass Deine Eltern Altnazis sind.†œ

„Schade, das wären eigentlich alles Themen gewesen, über die ich gerne mit ihnen diskutiert hätte.†œ

„Kann ich mir vorstellen.†œ

Natürlich benehme ich mich, es gibt keinen Grund dazu, das nicht zu tun.

Ich habe sie jetzt fünf Stunden nicht gesehen, sie ist heute Morgen nach Hause gefahren, vielleicht nicht die dümmste Idee, immerhin wohnt sie seit Freitag morgen bei mir. Sie wollte nicht, dass ihre Eltern mich zwischen Tür und Angel kennen lernen, also haben wir uns aus dem Haus geschlichen und sind zu mir gefahren. Klasse, dass sie für solche Nacht-und-Nebel-Aktionen zu haben ist…

Ich habe versucht, ein bisschen zu lernen, konnte aber keinen klaren Gedanken fassen, also habe ich Lukas†™ Drängen auf einen Kaffee nachgegeben. Schon seltsam, wie viel Zeit man als Student im Cafe verbringt, aber das gehört wohl zum Lebensgefühl.

Es nieselt ein bisschen, und der Wind schneidet mir ins Gesicht, während ich mich auf dem Fahrrad der Stadtmitte nähere. Was konnte ich dieser Stadt eigentlich abgewinnen, bevor ich Verena kannte? Freiburg war trist und leblos. Doch jetzt, da sie mir gehört, strahlt die Welt in allen Farben, selbst der kalte Regen erscheint mir wunderschön, er taucht die Häuser in einen silbrigen Dunst.

Ich spinne, ich weiß, aber Liebe und Wahnsinn waren nie weit auseinander.

Wir treffen uns im Caruso's. Irgendwann letztes Jahr †“ oder war es vorletztes? - war es Haupthandlungsort für einen der wenigen Filme, die je in Freiburg gedreht wurden. Das Publikum ist meistens eher älter, aber das braucht mich ja jetzt nicht mehr zu kümmern. Ich hätte Verena doch nicht alleine lassen sollen.

"Hi!", ruft da schon Lukas, der an der Straßenecke gewartet hat. Er grinst mich herausfordernd an und deutet dabei mit dem Finger auf seine Armbanduhr.

"Ich weiß, ich bin spät dran", keuche ich und schließe mein Rad ab.

"Früher waren die Sportstudenten mehr in Form."

"Hey, ich hatte Gegenwind!"

"Schon klar."

Wir nehmen einen kleinen Tisch hinten im Eck und ich darf mich wieder mal dafür auslachen lassen, dass ich keinen Kaffee trinke, er schmeckt mir einfach nicht. „Dehydriert das Deinen athletischen Körper?†œ

Ich zucke die Schultern. Wen kümmert's?

"Ich habe gehört, Du bist schwer verliebt?", fragt Lukas gleich zum Einstieg.

"Ja.†œ

„Die von Donnerstagabend?†œ

„Verena, ja, sie ist einfach unglaublich süß.†œ

„Ich kann mich nicht genau an sie erinnern, ist sie ein Gerät?†œ

Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendwer, vor allem Lukas, sie vergessen könnte, und natürlich sieht sie umwerfend aus. Das Wort „Gerät†œ will ich mit ihr nicht in einem Atemzug hören.

†œAber natürlich†œ, antworte ich. „Sie ist wunderschön, intelligent, freundlich, höflich, charakterstark und hat einfach ein gutes Herz.†œ

†œUnd wie ist sie im Bett?†œ

Ich spare mir einen Kommentar.

Lukas merkt, dass das die falsche Frage war, sein nächster Satz ist aber leider nur geringfügig besser: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es eine Frau gibt, die all diese Eigenschaften verkörpert.†œ

†œSie muss sie auch nicht für alle verkörpern, es reicht, wenn sie das für mich tut.†œ

†œHmm.†œ Lukas überlegt kurz, dann fährt er fort: „Weil Du verliebt bist. Sobald Deine Verliebtheitsbrille wieder weg ist, das dauert wahrscheinlich so zwei Wochen, sieht die Welt wieder ganz anders aus. Dir fallen lauter kleine Fehler an ihrem Charakter auf, sie ist dann gar nicht mehr so klug, nett und zuvorkommend, der Sex wird langweilig…†œ

†œWar das bei Dir immer so?†œ

„Was? Langweiliger Sex?†œ

„Das sowieso†œ, Ich lache ihn spontan aus, „ich meinte, dass sich das so schnell ins Gegenteil verkehrt.†œ

Er nickt mehrmals.

†œImmer.†œ

„Und dann?†œ

„Dann habe ich Schluss gemacht.†œ

„Wolltest Du den Beziehungen keine Chance geben, sich zu festigen?†œ

Er überlegt kurz: „Ich denke, es ist besser, wenn man es kurz und schmerzlos macht, bevor sie sich überhaupt an mich gewöhnt hat.†œ

Jetzt ist es kurz an mir, nachzudenken. Habe ich jemals eine seiner Freundinnen überhaupt kennen gelernt? Habe ich irgendeine Frau an seiner Seite gesehen, tagsüber in der Stadt beim Einkaufen oder bei sonst irgendeiner Gelegenheit? Ich glaube nicht, wiederhole deshalb die Frage laut.

Er antwortet nicht. Irgendwas in dem Satz scheint ihn hart zu treffen, denn er blickt für ein paar Sekunden betreten zu Boden.

Ich weiß nicht, was, nehme aber schnell den Faden wieder auf, damit keine peinliche Stille entsteht: "Auf jeden Fall weiß ich bei ihr, dass sie die Richtige ist. ich spüre es einfach. Wir kommunizieren auf einer Ebene, die ich gar nicht für möglich gehalten habe... Ich meine, ich bin jetzt drei Tage mit ihr zusammen, davor kannte ich sie gerade mal zwei Wochen, aber sie weiß schon Dinge über mich, die ich sonst keinem erzählen würde."

"Steiger Dich da bloß nicht so rein." Ist das eine Warnung? "Lass es lieber am Anfang etwas ruhiger angehen, sonst wirst Du nur verletzt."

Verletzt? Von Verena? Niemals.

Ich rede weiter, es muss sich furchtbar kitschig für ihn anhören, aber das ist mir egal: "Weißt Du, ich habe mit ihr einfach Glück gehabt. Ich habe eine solche Frau gar nicht verdient."

"Wie meinst Du denn das?"

"Na ja, so krass, wie wir abgegangen sind… Die vielen Frauen, das andauernde Saufen, Angeben und Baggern. Ich dachte schon, ich komme nie wieder an eine bodenständige Frau ran."

"Bodenständig waren die anderen doch auch alle..."

Ich schüttle heftig den Kopf.

"Die kleinen Schülerinnen und aufgetakelten Tussis, die wir im Kagan und Agar klargemacht haben? Unsinn."

Lukas resigniert: "Wenn Du meinst..."

"Und ich habe gemerkt", fahre ich fort, "dass das eigentlich gar nicht meins ist. Ich bin kein Mann, der jeden Abend eine andere haben muss. Ich bin gottfroh, wenn ich fest gebunden bin und ein bisschen Sicherheit habe... Weißt Du, wenn Du mal schlecht drauf bist, kannst Du nicht einfach Deine Freundin anrufen und sie nimmt Dich in den Arm..."

"Ich suche mir einfach schnell eine, die das macht."

Ich winke ab.

"Das ist doch nicht dasselbe, und das weißt Du. Ich rede von Wärme, von Vertrauen und Geborgenheit."

"Hmm..."

"Das bekommst Du nicht von einem Bunny von der Straßenecke."

Er schweigt kurz, nimmt einen Schluck Kaffee, zündet sich eine Zigarette an. Furchtbar, diese Raucherei unter meinen Freunden. Freunden...

"Krass, wie Du Dich verändert hast", bemerkt Lukas dann.

"Ich habe mich nicht verändert, ich habe mich vorher nur die ganze Zeit verstellt."

Ich fühle mich auf einmal sehr selbstbewusst, ich bin meinem Gegenüber einfach überlegen. Er kennt die Liebe nicht, kennt das Vertrauen nicht, kennt nicht das wunderschöne Gefühl, sich einem Menschen zu schenken, voll und ganz.

Will er mich überzeugen, das sei etwas Schlechtes?

Er hat einfach keine Ahnung, wovon er redet.

Das merkt man auch, denn er ist sehr still geworden. Also überlege ich, wie ich ihn aufheitern kann, was ich sagen kann, um ihn abzulenken. Aber mir fällt nichts ein, nichts oberflächlich belangloses, mit dem wir sonst immer die Stunden vertrieben haben.

Lukas, ich bin jetzt einfach ein Stück weiter als Du, reifer, entwickelter.

Ein kurzer Blick auf die Uhr, wir sitzen hier gerade mal eine halbe Stunde, ich kann mich unmöglich einfach verabschieden. Also frage ich ihn einfach, was er die Tage so gemacht hat.

"Uni war ziemlich stressig am Freitag, vor allem, weil ich total verkatert war vom Donnerstag. Dann hab ich mich mit Sandra getroffen, der Kleinen, die ich im Kagan kennen gelernt habe. War ziemlich cool, der Abend. Wir saßen bis halb drei im Baltino, Cocktails trinken, und waren am Ende total betrunken, haben nur noch gelacht."

"Cool" ist alles, was mir dazu einfällt.

"Ja. War echt klasse."

"Was macht sie denn so?"

Er stockt. "Wie meinst Du?"

"Na, was studiert sie, meine ich. Wirst Du sie ja wohl gefragt haben."

†œPharmazie.†œ

„Oh je, ziemlich stressiges Studium, oder?†œ

„Ja… Sie sitzt den ganzen Tag nur in der Uni… Und im Labor.†œ

„Was macht sie sonst so?†œ

„Sie… reitet.†œ

„Sie reitet?†œ

„Ja… Reiten. Pferd. Sattel. Galopp. Reiten eben. Woran denkst Du gerade?†œ Er lacht dreckig. Idiot.

"Aber da wir eh gerade dabei sind. Ich war auch mit ihr im Bett."

"Schön." Nicht, dass ich ihm das glaube, aber es interessiert mich zu wenig, um mir darüber Gedanken zu machen oder es laut zu bezweifeln.

"Ja, sie war eine echte Granate!"

"Weißt Du, Lukas", belehre ich ihn, "darüber schweigt und genießt der Gentleman."

"Mathias und Johannes erzählen es auch immer!"

Ich muss unwillkürlich lachen.

"Ja, aber die sind auch keine Gentlemen. In der Hinsicht würde ich sie nicht zu Ikonen erheben."

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Kapitel 11 >> Mathias >> Montag >> Uni

„ Whoa! I feel nice, like sugar and spice.†

James Brown, I feel good

In American Psycho beschreibt die Hauptfigur seitenlang, wie man einen Körper zu pflegen hat. Auch wenn ich dem geisteskranken Massenmörder nicht auf allen Gebieten nacheifern will, was Stilsicherheit angeht, kann ihm wohl kaum jemand das Wasser reichen. Wie die meisten bescheuerten Einfälle kam mir der hier unter der Dusche, aber es ist mir ein Bedürfnis, ihn zu verwirklichen, also renne ich nackt in mein Schlafzimmer, suche nach dem uralten Kassettenrecorder auf dem Schrank und nehme den folgenden Monolog auf, während ich mich der morgendlichen Körperpflege widme:

„Bei der Rasur bevorzuge ich den Gillette Mach 3. Er ist nicht nur sehr gründlich, er hat auch ein schickes Design und sehr teure Klingen, allerdings nicht so teuer, dass man sie nicht überall erstehen kann. Wenn man die Klingen je drei Mal verwendet, was sie bei täglichem Rasieren nicht so stumpf werden lässt, dass sie die Haut reizen, kommt man auf 50 Cent pro Rasur. Und auch wenn Wilkinson mit ihrem neuen Modell Quattro mit sensationellen vier Klingen dem klassischen Mach 3 den Kampf angesagt hat, ich bleibe meiner Marke treu. Ich verwende auch das komplette Zubehör von Gillette, das Rasiergel und den Aftershave Balsam, um eine gewisse Einheit in meinen Badezimmerschrank in edlem Chrom-Design zu bringen.†œ

Der Schaum sollte jetzt genug Zeit zum Einwirken gehabt haben. Ich doziere weiter:

„Es ist wichtig, den Rasierschaum mehrere Minuten einwirken zu lassen, damit die Barthaare Zeit haben, sich aufzurichten. Die Rasierklinge führe ich immer in Wuchsrichtung, das verringert die Verletzungsgefahr und ist ebenfalls gut für die Haut. Zuerst sind die Wangen an der Reihe, dann arbeite ich mich über den Hals zu Kinn und Oberlippe vor, denn dort sind die Stoppeln am Widerspenstigsten.†œ

Dass man sich eigentlich nicht nach dem Duschen rasieren sollte, weil durch das heiße Wasser die Haut anschwillt, verschweige ich, denn ich halte mich ja selbst nicht daran.

„Die Pflegelotionen und der Post-Shave-Healer von Clinique sind parfumfrei und die verträglichsten für strapazierte Haut, dermatologisch gesehen einwandfrei und allergologisch unbedenklich.

Das After Shave meiner Wahl ist „Cool Water†œ von Davidoff, auch ein Klassiker, es überzeugt durch frischen Geruch und ein hervorragendes Marketing, das ich gerne unterstütze.†œ

Ich nehme mal wieder viel zu viel, aber ich habe ja auch die große Flasche gekauft, und schaden kann es nicht.

„Das Eau de Toilette von Armani ist nicht viel teurer als andere Duftmarken, hat aber einen guten Namen und wurde in GQ mit dem Kosmopoliten in Verbindung gebracht, ein Image, das mich anspricht und das ich gerne verkörpere.

Kommen wir zum Deodorant: Aufgrund der witzigsten Werbespots habe ich mich für Axe entschieden, der Effekt ist zwar leider nicht so beeindruckend wie in der Werbung, aber es tut 24 Stunden seinen Dienst, riecht frisch und ist nicht zu aufdringlich. Das Axe Limited Edition mit der weißen Dose hat eine angenehme Note, außerdem gefällt mir der Name sehr gut.†œ

Bevor ich meine Haare machen kann, sollte ich mich vielleicht oben rum anziehen. Also drücke ich die Pausetaste, gehe kurz an den Kleiderschrank und wähle ein lachsfarbenes Hemd von Ralph Lauren mit giftgrünem Poloreiter sowie ein dunkelblaues Sweatshirt von Merz.

„Für meine Haare wähle ich L†™Oreal Freeze!, es hält die Haare bombenfest zusammen. Danach korrigiere ich noch kurz mit Nivea Haarspray nach. Ich habe bei meinen kurzen Haaren nicht die geringsten Bedenken, dass eine Überdosis Chemie hier dauerhafte Schäden anrichtet, Hauptsache, die Frisur hält jeder Belastung stand.†œ

Stop.

Einen guten Tag erkennt man daran, wie wohl man sich fühlt, wenn man in den Spiegel sieht. Ich sehe zwar jeden Tag gut aus, aber ich bin den Anblick ja auch gewöhnt und damit sensibilisiert für kleine Unstimmigkeiten. Heute finde ich keine. Ich sehe wirklich umwerfend aus, geradezu ekelhaft anziehend.

Zeit für die restliche Kleidung: Da man auf der Jeans die Marke ohnehin nur erkennen kann, wenn man auf Fellatio-Distanz heranrückt, sind Marken überflüssig, ich entscheide mich für eine Jack&Jones in Used-Optik. Dazu weiße Sneakers, BOSS, sind gar nicht so teuer gewesen.

Ich überprüfe meinen Geldbeutel in dunklem Leder - 200 Euro sollten reichen - der praktischerweise so schmal ist, dass der 100Euro-Schein genau einen Zentimeter seitlich übersteht, genug, um sicherzustellen, dass er wahrgenommen wird. Genau deshalb trage ich immer einen mit mir rum, und im Normalfall taste ich ihn auch nicht an, er kommt aber immer wieder gut.

Ich greife nach meinem Rucksack und bemerke, dass der meinem Outfit nicht gerecht wird. 4U. Das Problem ist vermutlich, dass ich meist im Hinblick auf meine Freizeit einkaufen gehe, und das Tragemedium für meine Skripte nicht wirklich damit in Verbindung gebracht werden kann. Wie auch immer, das Problem ist jetzt erkannt, Ersatz muss her.

Soweit ich mich erinnern kann, waren in einer der letzten GQ†™s verschiedene Taschen vorgestellt worden, davon einige innerhalb meines Kreditrahmens.

Obwohl es dadurch unmöglich wird, die erste Vorlesung pünktlich zu erreichen, suche ich verbissen nach dem Artikel, blättere Ausgabe für Ausgabe durch und bleibe nur manchmal an den Strellson-Anzeigen hängen. Endlich werde ich fündig.

Die Tasche von HUGO ist zwar mit 40 Euro durchaus preiswert für diesen Namen, sieht aber extrem alternativ aus in grauem Stoff mit Totenköpfen in grellem Orange.

Die fällt aus.

Und die anderen in meiner Preisklasse tragen Namen, die ich nicht kenne. Damit kennt sie vermutlich auch niemand sonst. Ärgerlich.

Es bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als die teuersten Modehäuser und Lederartikelgeschäfte aufzusuchen. Damit fällt auch die zweite Vorlesung an diesem Montagmorgen flach.

Ich schlendere gemütlich die Einkaufspassagen entlang, sorgfältig den nun als Feind meines Erscheinungsbildes identifizierten Rucksack unter dem Arm verbergend. Mein Blick bleibt an sieben schönen Hintern und drei Aktentaschen hängen, aber die letzteren sind leider außerhalb meiner Reichweite.

Ein wenig bedrückt schaue ich auf die Uhr und beschließe, wenigstens pünktlich in die Mensa zu gehen.

Allerlei langhaariges Volk hat sich vor dem Haupteingang angesammelt, und mir bleibt nichts anderes übrig, als Johannes auf dem Handy anzurufen, um ihn zu finden. Letztendlich erkenne ich ihn nur an seinem Burberry-Schal. Er war wahrscheinlich der erste, der ihn in Freiburg getragen hat. Ich habe mir letzte Woche, nur um ihn zu ärgern, die Mühe gemacht, auf der Straße zu zählen, wie viele Leute ihn inzwischen auch haben. Momentan bin ich bei achtundvierzig.

Wir kämpfen uns an einer Gruppe Zecken mit verschimmelten Dreadlocks und Klamotten aus der Altkleidersammlung vorbei zur Essensausgabe durch, staunen über die kulinarische Köstlichkeit, die heute wieder für uns zubereitet wurde, und suchen uns einen Tisch.

„Wieso fallen wir eigentlich immer wieder drauf rein?†œ, fragt Johannes.

„Worauf?†œ

„Auf den Mensa-Speiseplan.†œ

„Und Du kommst erst heute auf den Gedanken, dass das Essen hier noch nie geschmeckt hat und wohl niemals schmecken wird?†œ

Ich schüttle enttäuscht den Kopf.

„Ich glaube, es ist mir schon vorher mal eingefallen, aber ich hatte nicht den Mut, es Dir zu sagen. Du sahst so zufrieden aus mit Deiner frittierten Kacke†œ, kontert Johannes.

„Ja, das war ich auch†œ, gestehe ich grinsend. „Und auch heute danke ich wieder Gott, dass er mich hier hergeführt hat. Schau es Dir mal aus der Nähe an: Da haben wir zunächst vegetarische Gyros, das steht aber nur sehr klein auf der Karte, und man sieht es ihnen auch auf den ersten Blick nicht an, man merkt es kaum beim Kauen, denn das Fleisch hier schmeckt auch nicht anders. Lecker. Sie haben die Gewürze zur Sicherheit weggelassen, als langhaariger Campingfan würde ich einen Gewürzspender mitbringen, aber ich leide lieber. Dann der Reis, ein entfernter Verwandter des Basmati. Und das gewagte Bananendressing auf einer sicher heimischen Salatkreation. Wer kann da nicht Gott und die Mensaküche lobpreisen?†œ

„Ich würde lieber beten, dass Du das überstehst.†œ

„Zu wem? Zu Gott oder zur Mensaküche?†œ

Er lacht. „Zu Gott. Egal, wie war die Uni?†œ

„War nicht da, ich habe verzweifelt nach einer Tasche gesucht.†œ

„Einer Tasche.†œ

„Ja, ich habe gemerkt, dass meine hässlich ist.†œ

„Heute ist wieder so ein Tag, reich an neuen Erkenntnissen.†œ

Wir kauen eine Weile schweigend, es schmeckt wirklich scheußlich. Dann ergreift Johannes wieder das Wort: „Lukas hat mich vorhin angerufen, er meinte, er hat versucht, Markus seine Freundin auszureden.†œ

„War er erfolgreich?†œ

„Du kennst doch Lukas!†œ

„Er hat†™s also vermasselt.†œ

„So hat es Lukas selbst natürlich nicht ausgedrückt, aber ich denke, Markus hat ihn ganz schön zur Sau gemacht.†œ

Ich nicke. „Er ist einfach kein Rhetoriker. Manchmal frage ich, warum wir ihn uns halten.†œ

„Harte Worte.†œ

„Sollte ein Scherz sein.†œ

„Du bist offenbar auch ein wahrer Gesprächsstratege!†œ

Denkt Johannes da anders als ich? Lukas ist ein Versager, das wissen wir doch beide. Wieso nimmt er ihn in Schutz? Er ist manchmal ganz lustig, und er ist ein praktischer Partykollege, weil man ihn irgendwo abstellen kann und weil er freiwillig Vodka holen geht, aber…

Verunsichert kaue ich auf etwas herum, das wie Fleisch aussieht.

„Ich denke, es wäre besser, Markus Beziehung einfach erstmal ihren Lauf zu lassen. Eine kleine, wohl platzierte Bemerkung hier und da, und er kommt schon auf den Trichter, dass er bei uns besser aufgehoben ist†œ, schlage ich vor.

„Warum nicht?†œ Johannes ist einverstanden, zuckt die Schultern.

„Was ist eigentlich mit Deiner Schnecke von Donnerstagabend?†œ, fragt er dann. „Hast Du Dich noch mal mit ihr getroffen?†œ

„Die eine Nacht hat mir gereicht†œ, erfinde ich. „Sie hat mir ein paar Sms geschrieben, ob ich Kaffee trinken oder Videoschauen will, aber ich habe ihr nicht geantwortet.†œ

„Video schauen†œ, lacht Johannes und malt mit den Fingern Anführungsstriche in die Luft. „Kenne ich.†œ Ich wusste, das ihm das gefallen würde, und füge noch hinzu: „Ich habe mir schwer überlegt, ob ich: Nein, aber vielleicht könnten wir uns zum ****en treffen! antworten sollte.†œ

„Darauf will sie vermutlich hinaus, aber man sagt so was doch nicht direkt.†œ

„Nicht?†œ

Ich lege meinen unschuldigsten, unwissendsten Blick auf.

Diesmal lachen wir beide.

„Also, Süßer†œ, beende ich unser Gespräch. „mein BWL-Tutorat will ich nicht verpassen. Saugeile Tutorin. 26, geiler Arsch. Bis zum Ende vom Semester will ich sie eigentlich noch knallen.†œ

„Viel Glück.†œ

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was mich hierbei am meisten freut ist, dass lukas/bene besser wegkommt! er macht jetzt echt den eindruck des sympathischen losers noch perfekter..... allerdings finde ich immernoch, dass er wenigstens in einer hinsciht überlegen sein sollte...ja...irgendwie schon, denn er wirkt einfach viel zu inferior, zwar nicht mehr so extrem, aber noch zu sehr für meinen geschmack.....

und ja, stimmt, markus erinnert mich an wen ;) ich werde das ein wenig ändern!

ps-dein posteingang ist voll!

....ist doch sinnfrei

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@Bismarck:

Hidiho Daddy-O

Manchmal frage ich, warum wir ihn uns halten

hmm, mittlerweile frage ich mich das auch...^^

Es kommt mir irgendwie so vor als wenn die anderen Drei eigentlich durchschauen , daß Bene ... ääh Lukas ein Blender ist.

Ich frage mich wie der sich in diese schicki-micki Clique einschleichen konnte.

Es ist nicht wirklich ein Logikfehler, aber zumindest erklärenswert ^^

peace

Niemals wieder!*

*und wenn doch dann jetzt gleich!

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"Es bedarf der Unkräuter, um die Pracht der Rosen schätzen zu können."

Lukas ist mehr oder weniger ein Versager, die anderen merken das natürlich, aber dadurch fühlen sie sich selbst noch besser. Ist ihnen lieber, jemanden bei sich zu haben, der ihnen zeigt, wie schlecht es um den Rest der Welt steht, als sich von ihm zu trennen.

Verständlich?

Außerdem: Alles wissen sie ja nicht... ^^

@Llewellyen

Ich gebe mir Mühe, ihn etwas heller strahlen zu lassen. Und es ist wie ein Wunder, das nächste Kapitel, das folgen wird, tat eigentlich schon vorher genau das... Cool. ^^

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das ist ein recht lustiges prinzip!

wusstet ihr, dass im bösen mittelalter deutsche adlige bucklige, lispler und zwerge an ihrem hof hatten! speziell bei audienzen wurden die armen kerle mit in den saal geschleppt um den jeweiligen hochwürden noch strahlender erscheinen zu lassen!

herr bismarck, man kann ihnen also ein glückliches händchen attestieren, denn schon die grossen wie eschenbach zum beispiel haben das auch immer wieder in diesem stil getan ;)

....ist doch sinnfrei

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Kapitel 12 >> Lukas >> Dienstag >> Agar

"Den verraten? ach ihn, welcher uns alles erst,

Sinn und Leben erschuf, ihn, den beseelenden

Schutzgott unserer Liebe,

Dies, dies Eine vermag ich nicht."

Aus "Der Abschied", Hölderlin

Es ist etwa zehn, und ich räume die letzten Reste von dem Chaos weg, das mein Mitbewohner mir zum Abschied hinterlassen hat. Stapelweise benutzte Teller, Besteck, Essensreste, alte Zeitungen... Als absolutes Highlight finde ich eine benutzte Unterhose, weiß, Feinripp, im Brotkasten. Wunderbar. Ich hätte damals auf meinen Instinkt hören und mir eine eigene Wohnung nehmen sollen, aber nein, ich musste mir ja ausmalen, wie schwer ich es haben würde, mit neuen Leuten in Kontakt zu kommen. Eine WG ist da besser, da ist man gleich unter Leuten.

Habe ich erwähnt, dass ich meinen Mitbewohner hasse?

Nach gründlicher Desinfektion des Brotkastens begutachte ich mein Werk. Eine schöne, saubere Küche, ein bisschen heruntergekommen, aber man kann jetzt vom Boden essen. Zumindest bis mein Mitbewohner am Wochenende wiederkommt. Vielleicht sollte ich die Schlösser austauschen lassen oder mich mit Johannes unterhalten, ob es rein rechtlich möglich ist, den Mietanteil zu senken, weil man aus Ekel nicht in der Lage ist, die gemeinsame Wohnfläche zu nutzen.

Vielleicht sollte ich das wirklich tun.

Es klingelt, Markus und seine Freundin. Ich hatte eigentlich gehofft, Johannes oder Mathias würden ihren Weg hierher schneller finden, denn neben einem Pärchen ist man irgendwie immer als fünftes Rad am Wagen.

"Guten Abend, Lukas", begrüßt er mich. "Darf ich Dir meine Freundin Verena vorstellen?"

"Hi, Verena", grüße ich artig, aber gelangweilt und mit Unbehagen. "Wir haben uns ja schon am Donnerstag kurz gesehen, oder?†œ

Sie nickt, und ich winke sie zur Tür hinein. Markus steuert auf mein Zimmer zu, aber ich halte ihn auf: „Gehen wir lieber in die Küche, da ist mehr Platz."

Das ist eine Lüge, der eigentliche Grund ist, dass ich nicht wieder in einem völlig verrauchten Zimmer aufwachen will.

In der Küche biete ich ihnen etwas zu Trinken an, wie es sich für den Gastgeber gehört. Ich habe vorher noch Bier geholt und Bitter Lemon, außerdem habe ich eine reichhaltige Bar. Markus begnügt sich mit Leitungswasser, sehr anständig, aber seine Tussi ist weniger bescheiden: Sie will meinen Wein. Verdammt, den hatte ich eigentlich nur der Vollständigkeit halber erwähnt, ich wollte ihn zu einer besonderen Gelegenheit trinken. Teuer und extra aus Spanien mitgebracht.

"Gerne doch", sage ich lächelnd und greife nach einem blitzblank gespülten Weinglas.

Wir schweigen uns für ein paar Sekunden an, dann fragt mich die Schnecke, was ich denn studiere.

"Hat es Markus nicht erwähnt?", frage ich vorschnell, antworte dann aber schnell: "VWL."

"VWL? Cool. Eine Freundin von mir auch. Welches Semester denn?"

"Viertes. Wer ist denn Deine Freundin?"

Hoffentlich kenne ich sie.

"Saskia."

Ich zucke die Schultern, frage dann nach: "Wie sieht sie denn aus?"

"Groß, brünett, auch in Deinem Semester."

Ist zwar eine Allerweltsbeschreibung, aber mir fällt nur eine ein, mir will nur eine einfallen: Unsere Göttin. Unsere absolute VWL-Göttin.

"Klar, die kenne ich vom Sehen. Sag ihr mal schöne Grüße."

"Werd ich..."

Das Scheppern der Klingel lässt sie verstummen, ich eile zur Tür. Johannes.

Souverän stürmt er die Küche, begrüßt Markus und zwinkert Verena zu: "Wir haben uns ja schon kennen gelernt."

Ich sage eine Weile nichts, staune, wie die drei Smalltalk über vollkommen belanglose, teilweise auch etwas schmutzigere Dinge führen können.

Klar hätte ich dasselbe sagen können, aber es verwundert mich, dass der Unsinn überhaupt jemanden interessiert. Vielleicht würde es aber auch keinen interessieren, wenn ich es sagen würde.

Ich habe versucht, mich der Worte zu erinnern, die sie verwendet haben, aber sie müssen so nichtig gewesen sein, dass sie meinen Kopf sofort wieder verlassen haben.

Smalltalk ist wohl eine der wichtigsten Eigenschaften des sozialkompetenten Menschen. Konversation über gar nichts, nur dem einen Zweck dienend, seine Körpersprache auszuleben und sich gegenseitig zu beschnuppern.

Ich würde ja gerne ein interessanteres Thema anschneiden, aber sie sind so tief in ihren seichten Gesprächen, dass ich vermutlich einfach aufstehen und gehen könnte. Sie würden es nicht einmal bemerken.

Die Minuten verstreichen grauenhaft langsam, und mir bleibt nur die gefährliche Beschäftigung, mein Vodkaglas zu füllen und zu leeren. Dass man davon gesprächiger wird, ist übrigens Unsinn. Zumindest traf es auf mich nie zu.

Mathias trudelt um kurz vor Elf ein, knallt eine Flasche Vodka auf den Tisch, schält sich übertrieben theatralisch aus seiner Jacke, darauf achtend, dass sie so auf der Stuhllehne aufliegt, dass man das BOSS-Schild gerade noch lesen kann.

Schön, wir haben es gesehen, du kannst sie wieder umdrehen.

Er schenkt uns reihum ein, auch Verena wird gar nicht erst gefragt, ob sie sich überhaupt betrinken will, es scheint sie aber nicht zu stören.

"Und Du bist die legendäre Verena?", fragt er sie dann.

"Legendär?" Sie hebt zweifelnd eine Augenbraue, scheint aber durchaus geschmeichelt zu sein.

Er zwinkert sein ekelhaft aufdringliches Zwinkern.

"Nach dem, was Markus erzählt hat, hatte ich einiges zu erwarten. Jetzt, da ich Dich tatsächlich antreffe, muss ich aber erkennen, dass Markus noch untertrieben hat."

"Du hast also untertrieben, Markus?", fragt sie mit einem schelmischen Seitenblick.

"Das ist nicht sein Fehler. Die deutsche Sprache hält einfach keine adäquaten Wörter für eine derartige Schönheit bereit."

Was für eine schlechte Floskel. Aber sie lacht, und Johannes und Markus fallen mit ein. Also grinse ich auch, gezwungenermaßen.

"Und jetzt hörst Du auf, meine Freundin anzugraben, Junior", meint Markus grinsend, legt den Arm um sie und zieht sie an sich heran. "Du bist meins, Süße, und lass Dir eins gesagt sein: Glaub diesem ******kerl kein Wort."

Zu spät, Markus.

"Willst Du damit sagen, er hat gelogen und ich bin gar nicht so hübsch?", fragt sie ihn grinsend.

Was für eine absurde Situation. Sie reden im Scherz und vor uns allen darüber, doch ich kann mir nicht vorstellen, dass Markus das in irgendeiner Weise lustig findet. Er fände das noch unlustiger, wenn er wüsste, was Mathias über seine Pläne mit dieser Beziehung verlauten hat lassen.

Ich springe mit einem spontanen Themenwechsel ein: "Wann wollt ihr denn los?"

"So um halb eins, davor geht da eh nichts", schlägt Johannes vor, die anderen nicken.

"Hoffentlich sind heute mal wieder ein paar Studenten da, ich fand's die letzten Wochen schrecklich: Nur Schüler und seltsames Volk."

Dienstag ist Studententag im Agar, aber Markus hat Recht. Im vergangenen halben Jahr gab es keinen Dienstagabend, an dem wir uns nicht gefragt haben, wo die ganzen Studenten hinverschwunden sind. Wir waren trotzdem immer da.

"Heute wird's besser", meint Johannes. "Und wenn nicht, kommen wir zurück und betrinken uns."

"Hast Du morgen frei?", fragt ihn Markus' Schneckchen.

"ich habe meinen Studienplan sozusagen auf das Agar zurechtgeschnitten und mir den Mittwochmorgen freigehalten. Ich hab nur Ö-Recht, und das schaffe ich auch ohne Vorlesung."

"Ö-Recht?"

"Öffentliches Recht."

Die Flasche Vodka ist inzwischen weg, ich verteile eine Runde Bier an die Jungs und überlasse Verena die Kontrolle über meinen teuren Wein. Vielleicht bleibt ja was übrig und ich kann es in den nächsten Tagen zu irgendeiner Gelegenheit trinken.

"Ich nehme auch lieber Wein", meint Johannes da.

Danke, Du *********.

"Klar, bedien Dich."

Wir schaffen es, wahrscheinlich wegen der störenden femininen Aura, in der nächsten Stunde nicht, auf unser übliches Männerniveau zu kommen, keine einzige schlüpfrige Bemerkung, keine erotischen Anekdoten, Prahlereien und Lästereien über Probleme der weiblichen Anatomie.

Wie soll man da in Stimmung kommen?

Dass sie jetzt wirklich die Studiengebühren einführen wollen, finde ich eine Unverschämtheit vielleicht sollten wir demnächst aufbrechen, sonst kommen wir nicht mehr und es gibt in ganz Freiburg keine Mode von Emernegildo Zegna, obwohl die Spanien ist ein schönes Land aber ich habe so meine Probleme, den lokalen Dialekt zu ein Instrument? Klar, ich spiele Die Liebe, natürlich. Es ist immer wieder die was hast Du gesagt? Egal, auf jeden Fall wollte ich Nein, sag nichts, ich Kann man Jura eigentlich auch im Ausland ich bin Vegetarierin, verrückt, nicht, dass sie das nein es ist nicht so, wie ihr denkt, wir wo wer?

Meine Füße schlafen ein.

Meine Hände fühlen sich lahm an.

Mein Kopf, ein Sieb.

Das Glas ist leer ist mein Kopf ist leer ist die Welt.

Sie sind sehr nett zu Verena, umgarnen sie von allen Seiten. Sie fühlt sich ziemlich wohl, denke ich. Wirklich geil ist sie nämlich nicht, und ich glaube nicht, dass sie oft von so stylischen Kerlen wie uns umgeben ist.

†œIch hätte es Markus gar nicht zugetraut, dass er in seinem Alter noch so eine hübsche Freundin abbekommt.†œ

Gut. Besser. Verena.

„Verena, wie schafft man es eigentlich, gleichzeitig so süß und so clever zu sein?†œ

Quadratisch. Praktisch. Verena.

„Verena, Du bist eine echte Lady.†œ

Nichts ist unmöglich. Verena.

„Hättest Du was gegen einen flotten Dreier mit Markus und mir? Obwohl, Markus können wir eigentlich weglassen…†œ

Verena. Ich bin doch nicht blöd.

„Verena, was bedeutet eigentlich Dein Name?†œ

Verena. Jede Woche eine neue Welt.

„Süß, Verena.†œ

„Schön, Verena.†œ

Ich komme mir vor wie im falschen Film.

Schließlich brechen wir auf, ich steige mit Mathias zusammen als Letzter die Treppe hinab. "Wie findest Du sie?", frage ich ihn.

"Ganz nett, aber nicht mein Typ. Ein bisschen speckig."

"Warst aber ******freundlich zu ihr."

"Ich wollte in Übung bleiben."

"Schleimer."

"Genau das. Erfolgreicher Schleimer."

Das Agar ist heute nicht so voll, und ich erkenne auf den ersten Blick keinen aus meinem Semester. Johannes stürmt zu einer Gruppe Juristen - man erkennt sie auf den ersten Blick - und bleibt da wahrscheinlich für eine Weile, wir anderen stürmen die Tanzfläche.

Auf einmal packt mich Verena am Arm. "Komm, ich zeige Dir Saskia. Dann kannst Du ihr die Grüße selbst ausrichten."

Sie schreit Markus etwas ins Ohr, vermutlich dasselbe wie mir, und zerrt mich von der Tanzfläche.

Verena. Wohnst Du noch oder lebst Du schon?

"Wo ist sie denn?", frage ich sie, denn sie kann Saskia unmöglich von der Tanzfläche aus dort gesehen haben, wo sie mich jetzt hinführt, im Ausgangsbereich.

"Pssst", sagt sie, legt mir den Finger auf den Mund.

Dann küsst sie mich erst sachte, dann immer fordernder.

Ich bin total überwältigt, stehe regungslos da, nur meine Zunge findet irgendwie ihren Rhythmus.

Weil†™s besser schmeckt. Verena.

Was geht denn hier ab?

"Weißt Du, ich finde Dich süß. Aber kein Wort zu Markus!", schärft sie mir ein, ich nicke, und sie zerrt mich wieder zurück zu den anderen. Ich fühle mich total benommen, bin vollkommen irritiert. Was sollte denn das sein?

Verena. Drei-zwei-eins. Meins.

"Ich habe mich geirrt, er kennt sie nicht", schreit sie Markus entgegen und küsst ihn kurz auf den Mund. Dann zwinkert sie mir kurz zu, bevor sie zu Jamelias "Superstar" die Hüften schwingt.

Was für eine unglaubliche Schlampe!

Aber irgendwie gefällt sie mir. Und während ich neben ihr tanze, kann ich nicht umhin, mir vorzustellen, mit ihr Sex zu haben. Und ich beginne, Markus dafür zu hassen, dass er sie in den Armen halten kann.

Come in and find out. Verena

Das ist jetzt unser Geheimnis, Verena. Eigentlich gehören wir beide zusammen. Mir gefällt der Gedanke, denn er bedeutet Erfolg. Zum ersten Mal war ich besser als Markus mit seiner Beziehungstour, Mathias mit seinem Geschleime und Johannes mit seinem Jurageprotze.

Verena. Ich liebe es.

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