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SisterMaryNapalm

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  1. *** »Balgor.« »Colonel.« Ekko räusperte sich, um das Grinsen, das sich auf sein Gesicht stehlen wollte, noch vor der Entstehung zu ersticken, als Balgor mit demselben verzweifelten Ton der Resignation antwortete, mit dem er angesprochen worden war. »Punkt für Sie. Haben Sie Zeit?« »Kommt aufs Konto. Worum geht†™s denn?« Der Captain hatte gerade bei mehreren Soldaten gestanden, die den Inhalt eines angelieferten Containers entluden und die ihm gemeldeten Versorgungsgüter protokolliert. Nun jedoch sah er auf und verstand, dass Ekkos Worte nicht für Jedermanns Ohren bestimmt waren. »Sergeant Nedor«, rief er und wandte sich um. Ein schlanker, muskulöser Sergeant mit dunklem Haar und bronzefarbener Haut trat an seine Seite. »Sir?« »Übernehmen Sie«, ordnete Balgor an, bevor er das Klemmbrett an den Unteroffizier reichte, den er gerade zu sich gerufen hatte. Der Mann nickte und warf einen kurzen Blick auf die Liste, um sich auf den neuesten Stand zu bringen. »Jawohl, Sir. Weiter geht†™s! Verbandpäckchen, klein?« »Vierundvierzig Kisten mit je hundert Stück«, erhielt er von einem der Soldaten zur Antwort. »In Ordnung«, lenkte Balgor Ekkos Aufmerksamkeit zurück auf sich. Er nahm den Colonel mit einer ungezwungenen Geste zur Seite und führte ihn etwas von den Containern weg, damit sie sich nicht unbedingt in Hörweite anderer Soldaten befanden. Bei einem Kistenstapel einige Meter entfernt hielten sie schließlich. Ekko ließ sich auf eine der Kisten sinken und fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. Erschöpft sah er Balgor an und deutete dann auf das Chaos, das sich vor ihnen ausbreitete. »Ich glaube, ich werde noch wahnsinnig.« Balgor lachte auf. Als er Ekkos Blick bemerkte, schüttelte er sich und versuchte, betroffen dreinzublicken. Es misslang ihm spektakulär. »Entschuldigung, Chef. Kommt nicht wieder vor.« »Das höre ich mich auch oft sagen«, stellte Ekko resigniert fest. Dann winkte er ab und wechselte somit das Thema. »Unwichtig. Also, ich brauche Sie mal wieder als Rückversicherung.« Der Captain merkte auf. »Oh, das höre ich gerne. Was schulden Sie mir eigentlich inzwischen alles?« »Fragen Sie nicht †“ wenn ich daran denken muss, dann erleidet mein Ehrgefühl einen Tobsuchtsanfall.« »Freut mich zu hören«, merkte Balgor an. »Also †“ was kann ich dieses Mal für Sie tun?« Ekko unterdrückte den Drang zu lachen, als er daran dachte, dass er beinahe das Gleiche kurz zuvor zu Calgrow gesagt hatte und entschied, dass er gleich zur Sache kommen sollte. »Sie wissen sicherlich, wie professionell Lenhims Trupp zerlegt wurde, oder?« »Also wenn Sie das als professionell bezeichnen wollen«, dachte der andere Basteter nach und zuckte die Achseln. »Ja.« In der Nähe sprang ein schwerer Laster des Munitoriums an. Das tiefe Grollen des Motors unterbrach ihr Gespräch, sodass den beiden Männern nichts anderes übrig blieb als schweigend zu verfolgen, wie das große, mehrachsige Transportfahrzeug sich in Bewegung setzte, einen der von den Talons gelieferten Container aufnahm und damit die abschüssige Straße des dritten Verteidigungsringes hinab rollte. Als das Dröhnen des Transporters endlich über der Ebene verhallte und ein Gespräch in gedämpfter Lautstärke wieder möglich war, setzte Ekko wieder da an, wo sie zuvor unterbrochen worden waren. »Auf jeden Fall hat mich Calgrow gerade darüber informiert, dass Itias bereits wieder auf den Beinen ist.« Balgor nickte verstehend. »So, wie ich Sie kenne, haben Sie ihr sicherlich klar gemacht, dass Sie das einen toten Ork interessiert, richtig?« Ekko überging die Bemerkung. »Also im Grunde geht es mir um folgendes: etwa die Hälfte des Trupps ist tot, die andere Hälfte verwundet oder im Lazarett. Allerdings †“ und das ist die gute Nachricht, sind Rahael und Itias somit wieder verfügbar. Ich würde die beiden, so lange sie nicht in Lenhims Trupp eingesetzt werden können …« »Da dieser ja faktisch im Moment nicht existent ist«, warf der Captain grinsend ein und sah sich gleich mit einem bösen Blick seines Colonel konfrontiert. »… würde ich sie gerne bei Ihnen unterbringen«, beendete Ekko seinen Satz. Balgor zuckte die Schultern. »Na ja, also ich denke nicht, dass das große Probleme geben dürfte. Im Augenblick sind sowieso nur die Ein- und Aufräumarbeiten zu erledigen, da können wir jede helfende Hand gebrauchen.« »Ich danke Ihnen.« Ekko meinte es ehrlich. »Aber was ist mit Gorak?«, erkundigte sich der Captain. »Den halte ich erst einmal bei mir.« Der Colonel verschränkte die Arme vor der Brust und sah nachdenklich in den Himmel, in dessen hellem Blau kein Anzeichen mehr auf das Unwetter zu finden war, das noch vor kurzem über der Himmels-Kathedrale gewütet hatte. »Ich glaube nicht, dass es ihm im Augenblick wirklich gut geht.« »Kann ich ihm nicht verdenken«, stellte Balgor ernst fest, dann sah er seinen Vorgesetzten direkt an. »Boss, wie geht es Ihnen?« »Ganz ehrlich? Ich habe mir in den letzten beiden Tagen gut drei Viertel meines Regiments zu Feind gemacht und darüber hinaus weitere außerhalb geschaffen. Meine Müdigkeit bringt mich um. Außerdem darf ich einen beschissenen Auftrag ausführen, für den der Gott-Imperator nicht einmal ein einen Haufen Dreck abgestellt hätte und zu allem Überfluss muss ich pinkeln und finde keine Toilette. Wie soll es mir da gehen?« »Zum letzten Punkt kann ich Abhilfe schaffen, Boss. Wollen Sie einen tollen Witz hören?« Ekko seufzte. »Lassen Sie es lieber, Balgor. Wenn die geistige Staumauer in meinem Innern bröckelt und das Wasser sich seinen Weg durch die Risse bahnt, würden wir beide wohl ertrinken.« Sie schwiegen eine Weile und betrachteten die Kisten um sich herum, deren dunkelgraue Beschichtung bereits recht abgewetzt aussah. Schwer zu entziffernde Lettern wiesen sie als Munitionsträger für Geschosse Kaliber 30 mm für Maschinenkanonen aus. Beinahe beiläufig erkannte der Colonel, dass er auch auf solch einer Kiste saß. Und irgendwie störte er sich nicht daran, dass das metallartige Material des Transportbehälters in der glühend heißen Sonne regelrecht briet. »Aber sonst läuft es doch gut, oder?«, erkundigte sich Balgor. Ekko nickte abwesend. »Ja. Besser könnte es gar nicht sein.« Beißender Sarkasmus verwischte seine Worte. Balgors elegante Gestalt lehnte sich vor, als der Captain die Stimme noch weiter dämpfte, um keine ungebetenen Zuhörer auf den Plan zu rufen. »Irgendetwas Neues von Sile?« Bei dem Namen der verhassten Sororita sah Ekko zerknirscht auf. »Nein, glücklicherweise nicht«, zischte er. »Seitdem sie mit ihren neuen besten Freunden herumhängt, hat sie mich †“ glücklicherweise †“ nicht mehr belästigt.« Er wandte sich dem anderen Basteter zu. »Und wie sieht es derzeit bei Ihnen aus?« Balgor stieß sichtlich genervt Luft aus, als er von seinem Kommandeur direkt auf das Thema gestoßen wurde, das ihn wohl schon seit einiger Zeit beschäftigte. »Ich bin ziemlich unzufrieden, Boss«, bemerkte er. »Die Ladearbeiten gehen nur schleppend voran. Es ist eine ganze Menge Kram zu verstauen und ich habe dafür einfach zu wenig Männer.« Ekko zuckte ratlos die Schultern. »Da kann ich Ihnen auch keine Abhilfe schaffen. Wir haben keine Männer mehr. Alles, was mi zur Verfügung steht, durchsucht derzeit die Stadt.« Balgor seufzte verstehend. Auch ihm war klar, dass die Durchsuchung der Stadt und der daran angeschlossenen Katakomben eine höhere Priorität besaß als die Einordnung der gelieferten Materialen, aber Ekko vermutete trotzdem, dass er sich etwas mehr Rückhalt bei seiner Aufgabe gewünscht hätte. »Haben sie denn wenigstens etwas gefunden?«, wollte der Captain wissen. »Ja«, brummte Ekko. »Nichts.« Er betonte das Wort ungewollt so scharf, dass der andere Basteter stirnrunzelnd aufsah. »Das klingt ja fast, so, als wenn Ihnen das Sorgen machen würde?«, erkundigte sich Balgor erstaunt. »Nein, ganz und gar nicht.« Der Colonel schnaubte. »Ich denke, ich drücke es am besten aus, wenn ich Major Maryan zitiere: Also der Scheißladen ist so leer, wie 'ne tote Wüste leer sein sollte.« »Also haben Sie das bereits erwartet?« »Wohl eher befürchtet.« Ekko sah seinen Untergebenen an und atmete tief ein. »Ich hatte mir schon gedacht, dass Iglianus mir nicht die ganze Wahrheit über das gesagt hat, was uns hier erwartet. Aber ich hätte nie gedacht, dass sich diese kleine Mission zu so einer Sache auswächst.« Er ließ seinen Arm hilflos durch die Luft schwingen. »Ich meine †“ ich bin jetzt so was wie der ‚Festungskommandant†˜. Und ich habe eine Armee unter mir, bestehend aus imperialen Soldaten, Space Marines und sogar einer Schwester.« »Ihre Sorgen möchte ich haben«, brummte Balgor. »Wollen wir tauschen?« »Scheiße, nein.« Ekko hob abwehrend die Hände. »Was weiß ich, was Sie der Nonne über mich erzählen.« »Das stimmt auch wieder«, sinnierte der Captain. »Und nun?« In den Außenbezirken der Stadt schwoll das heiße Fauchen schwerer Turbojet-Triebwerke an. Offensichtlich kehrten die Sturmtransporter, welche zuvor Material an die Außenposten geliefert hatten, nun geleert zurück, um neue Waffen und Vorräte aufzunehmen. Balgor und Ekko verfolgten, wie der große Körper einer Walküre sich aus den Schatten löste, welche den von ihnen aus sichtbaren Teil der Kathedralenstadt um diese Uhrzeit beherrschte und in einer weiten Kurve zurück in Richtung des Forums schwenkte. Das scharfe Kreischen ihrer Turbinen wurde von den engen Gassen des äußeren Ringes umher geworfen, sodass es bald klang, als befände sich ein ganzes Geschwader von Sturmtransportern im Anflug. Die beiden Basteter schwiegen, während sie die Walküre bei ihrem Anflug auf das Forum beobachteten und dabei zusahen, wie sich der Körper des Senkrechtstarters auf den steinernen Vorhof senkte. Heiße Abgasstrahlen wehten in ihre Richtung, umstrichen die Kisten und Container und erreichten sie schließlich wie eine dumpfe Vorahnung eines besonders warmen Tages. »Oh«, erinnerte sich der Captain. »Da fällt mir ein: ich habe einen interessanten Gast entdeckt. Dieses riesige Flugungeheuer-Dingens, das wohl einmal eine Walküre war, aber jetzt anscheinend eine Diät macht.« Einen Moment lang war Ekko verwirrt, dann fiel es ihm wieder ein. »Ach so, Sie meinen die Sky Talon, die von den Maschinensehern zerlegt worden ist?« Es klang mehr wie eine Feststellung. Balgor ruckte bestätigend mit dem Kopf. »Das scheint ein ernsteres Problem zu sein«, erklärte Ekko. »Wohl irgendetwas mit den Turbinen. Die Reparatur wird noch eine halbe Ewigkeit dauern, habe ich mir sagen lassen. Oh †“ und übrigens: der Pilot ist auch Basteter«, fügte er hinzu. Sein Untergebener hob überrascht die Augenbrauen. »Ach, wirklich?« »Ja. Aber fragen Sie mich nicht weiter aus. So gut kenne ich ihn auch nicht.« Sie schwiegen wieder. Um sie herum ging das Leben weiter, lösten Soldaten Abdeckungen von Kisten, verglichen Inhalte und stellten Listen auf, in denen sie das Inventar verzeichneten. Zwischendurch hörte man Männer lachen oder brüllen, je nachdem, was gerade geschehen war und über allem lag dieses ewige Brummen schwerer Munitoriums-Zugmaschinen, das ihnen bereits seit ihrer Ankunft in dieser Makrokathedrale in die Ohren fuhr. Lautes Dröhnen begleitete das Einladen des Sturmtransporters. Es klang zumindest, als würden die Männer beim Beladen des großen Frachtraums der Walküre keine besondere Vorsicht walten lassen und zumindest Ekko für seinen Teil wartete eigentlich bereits darauf, dass der große Senkrechtstarter mit einem mächtigen Knall in die Luft flog. Es war Balgor, der die Stille zwischen ihnen als erster brach. »Hier könnte man wirklich alt werden«, fand er mit einem Blick auf die weiten Gärten, die den inneren Ring des Makropolbaus beherrschten. Es war offensichtlich, dass ihn die Schönheit und gepflegte Eleganz der Gärten an die Natur erinnerte, die man in der Nähe der großen Flüsse auf Bastet fand. Ekko wurde bei diesem Anblick an das Leid erinnert, das ihn auf seiner Heimatwelt heimgesucht hatte. Neuerlicher Hass auf Leitis Sile und Ihresgleichen wallte in seinem Innersten auf und Trauer zerriss sein Herz. »Sprechen Sie da nur für sich«, knirschte er. »Ich habe nicht vor, besonders alt zu werden.« Von dieser für Ekko ungewöhnlich nachdenklichen und ernsten Bemerkung sprachlos gemacht, sah Balgor seinen Captain scharf an. Ekko erwiderte den Blick und entschloss sich, die peinliche Stille, die ihnen drohte, nicht erst entstehen zu lassen. »Also gut, ich werde sehen, ob ich ein paar Leute vom Munitorium dazu kriege, sich einmal von ihren äußerst essentiellen Aufgaben zu lösen und Ihnen beizustehen.« »Das würde mir sehr helfen, Sir.« Balgor nickte und stieß sich von dem Kistenstapel ab, an dem er gerade gelehnt hatte. Er begriff, dass alles gesagt worden war und sah ein, dass es keinen Sinn hatte, das Gespräch gewaltsam fortzuführen. »Nun gut, dann will ich Sie nicht länger belästigen.« »Na ja«, erwiderte Ekko und zuckte die Schultern, »bedenkt man, dass ich eigentlich zu Ihnen gekommen war, dann ist das eine ziemlich interessante Entwicklung der Ereignisse.« Er stand auf und nickte Balgor zu. »Vielen Dank, Captain. Das hat mir bereits geholfen.« »Gerne, Sir. Ich nehme den Gefallen in die Liste auf.« Ekko verdrehte die Augen. »Lecken Sie mich, Balgor.« Sinnend runzelte der Captain die Stirn. »Sind Sie mir dann noch einen Gefallen schuldig?« Er salutierte nachlässig und wandte sich ab, um zu seinen Aufgaben zurückzukehren. Der Colonel blieb zurück und sah Balgor noch einen Moment lang nach, dann erhob er sich und ging in die andere Richtung. Er konnte sich beim besten Willen nicht erklären, weshalb er in genau diesem Augenblick an Doktor Calgrow denken musste.
  2. Und Kapitel 17. Viel Spaß beim Lesen. 17 Die langen Kolonnen marschierender imperialer Soldaten und stampfender und rollender Fahrzeuge wirbelten Unmengen an Staub auf, unter deren dunstigem Schleier Menschen und Material wie schemenhafte Geister vorwärts glitten. Ungnädig brannte die Sonne vom Himmel und gerade die in die Luft geblasene Mischung aus feinem Sand und Erde, die sie alle lautstark verfluchten, bot ihnen ein gewisses Maß an Schutz vor dem glühenden Gestirn, unter dessen Hitze sie brieten. Joarah Nurin und seine Panzerbesatzung saßen auf dem Dach ihres Destroyers und betrachteten die Männer, die in stummer Niedergeschlagenheit vorbeimarschierten. Röhrende Lastwagen und stampfende Läufer passierten die erschöpften Soldaten mit der steifen Gleichgültigkeit von Technologie, missachteten deren Bedürfnis nach Erholung und Schlaf ebenso kategorisch, wie es ihre Oberbefehlshaber taten. Nach beinahe fünf Tagen voller Kämpfe und Gewaltmärsche, mit nur wenigen Stunden Schlaf und lediglich kurzen Essenspausen versorgt, grenzte es beinahe an ein Wunder, dass die Männer noch immer in der Lage waren zu marschieren und zu kämpfen. Und auch, wenn sie im Grunde lediglich von der Angst vor den eigenen Kommissaren getrieben wurden, so fand Nurin es höchst bewundernswert, dass sie in diesem Zustand überhaupt noch zu Furcht in der Lage waren. »Es heißt, dass das hier die Entscheidungsschlacht wird«, bemerkte eine schnodderige Stimme neben ihm. Der Captain löste seinen Blick von der endlos langen Kolonne aus Menschen und Material. »Bitte?«, fragte er an den Sprecher gewandt, einen breiten Mann mit zerknittertem Gesicht und wirrem Haar, dessen Augen etwas irrsinnig funkelten. »Ich habe gehört, dass das die Entscheidungsschlacht werden soll«, bemerkte Terem Ves, seines Zeichens Fahrer von Enforcer eins, bevor er ausspie. »Stimmt das?« »Dazu kann ich nichts sagen«, entgegnete Nurin achselzuckend. »Habe ich bisher nichts von gehört.« Das war natürlich nur zur Hälfte wahr. Tatsächlich hatte er einiges gehört. Einige Informationen von der Aufklärung, gemischt mit allerlei Vermutungen, Kommentaren und Bewertungen †“ also Dingen, auf die nicht zu hören Jaorah Nurin gelernt hatte. Es war einfach, einen Feind zu betrachten und zu verkünden, was man dachte, dass er es tun würde. Aber es war eine andere Sache, den Feind zu betrachten und seine Ziele wirklich zu erkennen. Ein Jagdpanzer-Kommandant lernte, seine Feinde zu erfassen und sie einzuordnen, sie zu analysieren und ihre Absichten berechnen, ohne auf hochschweifende Kommentare zurückzugreifen oder sich durch überhebliche Bemerkungen zu blenden. Dafür hatten Männer wie er gar keine Zeit. Hätte Nurin irgendetwas auf das gegeben, was er in den letzten Briefings erfahren hatte, dann wäre er allein mit einem geladenen Lasergewehr losmarschiert und hätte die Grünhäute bis auf den letzten Grot erledigt. Doch wenn er seine eigenen Sichtungen und Entdeckungen auswertete und sie mit dem verglich, was die Aufklärung propagierte, dann bot sich ihm ein vollkommen anderes Bild. Orks mochten brutale, aggressive Bestien sein, aber das schloss nicht aus, dass sie intelligent waren. Die Spitzenmodelle unter ihnen waren sogar zu taktischen und strategischen Manövern in der Lage, dass bei einem aufmerksamen imperialen Offizier die Alarmglocken hätten klingeln müssen. Alles, was er bisher beobachtet hatte, deutete darauf hin, dass die Xenos irgendetwas planten. Ihr Weg hatte sie, trotz aller Verluste und Schläge der imperialen Truppen, an diesen Ort geführt. Keine Schlenker, kein Ausweichen. Sie hatten sogar ganze Teile ihrer Armee zurückgelassen und nicht versucht, die Imperialen ihrerseits einzukesseln. Das stimmte etwas nicht. Ganz und gar nicht. Nachdenklich blickte er auf. Enforcer zwo und drei standen der Flanke seines Jagdpanzers direkt gegenüber, ebenfalls mit auf Rumpf und Turm aufgesessener Besatzung. Während sich die Männer von Enforcer drei angeregt unterhielten und ihre letzten Heldentaten für spätere Geschichten abglichen, döste die Mannschaft des zweiten Jagdpanzers in der heißen Sonne. Doch nicht nur die Besatzungen erholten sich von den Strapazen der letzten Schlacht, auch ihre Panzer holten tief Luft und beruhigten sich allmählich. Sämtliche Luken der drei Kampffahrzeuge waren weit aufgerissen, um wenigstens einen Teil der in ihnen gesammelten Hitze entweichen zu lassen. Keiner glaubte, dass es wirklich helfen würde, aber es war ein beinahe verzweifelter Versuch, vielleicht ein wenig Kühle in das Innere der Kampffahrzeuge zu scheuchen. Nach den langen Stunden des vorhergehenden Einsatzes war das auch bitter nötig. Immerhin hatten sie mehr als zwölf Stunden pausenlos in den brütend heißen Panzern gesessen und einen feindlichen Vorstoß leichter Pikk-Ups abgewehrt, bevor sie selbst zum Angriff übergegangen waren. Sie hatten die Pikk-Ups über die Ebene gejagt, attackiert und vernichtet. Xenos waren ihren flammenden Maschinenwaffen zum Opfer gefallen und von ihren Ketten in den Staub gemahlen worden. Und irgendwann während dieser Zeit war zu allem Überfluss auch noch die Kühlanlage, die als einzige in der Lage gewesen war, den kühlenden Hauch frischer Luft in das Innere des Destroyers zu blasen, in Sand und Staub erstickt. Wenigstens hatte man ihnen nach ihrer erfolgreichen Jagd eine Pause zugesprochen und sie mit Essen versorgt, als die Panzerfahrzeuge für die nächste Schlacht vorbereitet wurden. Jetzt waren ihre Kettenfahrzeuge neu aufgetankt und aufmunitioniert, die Besatzungen hatten einen kurze Mahlzeit zu sich genommen und waren bereit, den nächsten Feuersturm auf ihren Feind zu entfesseln. Nurin horchte auf, als ein neues Geräusch ertönte. Ein Salamander-Kommandopanzer glitt mit rasselnden Ketten über die Ebene, parallel zur marschierenden Kolonne. Das Fahrzeug kam aus der Richtung einer Gruppe von Leman Russ-Kampfpanzern, deren Silhouetten sich langsam voneinander zu lösen begannen, um kurz darauf im Gewirr der Soldaten und den Staubfahnen zu verschwinden. An das Desposia wurden also gerade die neuen Befehle ausgeteilt. Sehr gut. Eine Eigenart desposianischer Panzerregimenter war es, dass ihre Fahrzeuge innerhalb der Panzerzüge und deren Untergruppierungen als taktische Einheiten fungierten. Das bedeutete, dass jede Einheit ihre Aufgabe auf dem Schlachtfeld zugewiesen bekam und sich dieser Aufgabe widmete, anstatt wie wild drauflos zu walzen und zu ballern. Das machte es aber auch notwendig, alle Gruppen genau zu instruieren und auf die Aufgabe, die ihnen bevorstand, einzuschwören. Denn wenn die Männer nicht klar bei der Sache waren, dann brachte die beste Instruktion nichts. Als sich das Klirren der Gleisketten endlich deutlich vom Hintergrund der marschierenden Truppen abhob, zerplatzte die Gesprächsblase, die sich um die Männer von Enforcer drei gebildet hatte. Aufmerksam verfolgten die Männer, wie der Kommandopanzer sich ihnen näherte. Aus dem Augenwinkel bemerkte Nurin, dass auch die Besatzung von Enforcer zwo aus ihrem beinahe komatösen Zustand erwachte. Der Salamander rumpelte heran und hielt schließlich, keine zehn Meter vom Heck von Enforcer drei entfernt. Der Kommandant des Fahrzeugs, der im offenen Kommandoraum stand, war gut zu erkennen, außerdem der Richtschütze, der die schweren Flammenwerfer des Fahrzeugs bediente. Außerdem konnte Nurin eine dritte Person im Turm sehen, die sich just in diesem Augenblick anschickte, das Fahrzeug über die Hecktür zu verlassen. Es war nicht schwer zu erkennen, wer das war, auch wenn er die hochaufgerichtete Gestalt inzwischen schon nicht mehr auf den ersten Blick hätte identifizieren können. Kijo Nitsch, den linken Arm und die linke Gesichtshälfte in dicke Verbände gelegt, kam auf sie zu. Nurin registrierte, dass der Politoffizier humpelte. Für sich allein genommen war es schon ein Wunder, dass der Kommissar überhaupt aus dem brennenden Panzerwrack entkommen war. Doch dass er jetzt, bereits gut eine Woche nach der heftigen Panzerschlacht, wieder laufen konnte und bereit war, die Feinde des Imperators zu vernichten, sprach für sich. Vielleicht war es seine Wut über die erlittenen Verletzung, vielleicht auch seine Schmerzen, aber Nitsch wirkte noch aggressiver als er jemals zuvor gewesen war. »Zugehört, Panzerjäger!«, rief der Kommissar laut, als er in den Kreis trat, den die drei Fahrzeuge gebildet hatten. Es klang etwas gelispelt und auf eine gedämpfte Weise verzerrt, sicherlich eine Folge der schweren Verbrennungen, die der dicke Verband in seinem Gesicht verdeckte. »Die Orks beginnen wieder, sich zu sammeln. Die Schwere Aufklärung, die uns voraus vorrückt, hat entdeckt, dass sich ihre Einheiten in einem schmalen Tal zu zusammenrotten, um uns entgegenzutreten.« In der Tat, dachte Nurin. Diese Entwicklung war abzusehen gewesen, doch leider befand er sich nicht in der Position, dies bei den zuständigen Stellen anzumerken. »Da sich unsere Experten einig sind, dass dies die letzten Einheiten der Xenos sind, hat der General beschlossen, dass dies die Zeit ist, sie ein für alle Mal zu vernichten.« Kurzer, abgehackter Donner hallte über sie hinweg. Nurin wandte sich um. Die charakteristischen Rauchspuren schwerer, steil in den Luft gefeuerter imperialer Geschosse malten geisterhafte Erscheinungen in die blaue Unendlichkeit, als sie die wenigen Wolken durchstießen, die sich im Himmel über der Steppe gebildet hatten. Lange, weißlich-graue Lanzen fauchten in gewaltiger Höhe den Konvoi entlang, flogen weiter, begannen dann ihren Abstieg und schlugen schließlich, etliche Kilometer entfernt, in die Reihen fliehender Grünhäute ein, deren Leiber sie in mächtigen Explosionen zerfetzten und verbrannten. »Sie sind stark geschwächt und uns zahlenmäßig weit unterlegen, doch †“ und das sage ich euch als Kommissar †“ das bedeutet nicht, dass wir ein leichtes Spiel mit ihnen haben werden. Ganz im Gegenteil!«, rief der Politoffizier in seiner typisch feurigen Art. »Sie werden kämpfen! Sie werden, in all ihrer abartigen Brutalität gegenüber dem menschlichen Leben, versuchen, so viele von uns wie möglich mit sich in den Tod zu reißen!« »Darauf ein Gebet«, brummte Ves und erntete einen bösen Blick von Nurin. »Das müssen wir ihnen verwehren!«, setzte Nitsch, der nichts von dem Einwurf mitbekommen hatte, seine Ansprache fort. »und deshalb müssen wir sie so schnell und konsequent vernichten, wie möglich!« »Ist denn schon ein Zeitplan aufgestellt worden, wann wir den Feind in einer nächsten Großoffensive attackieren werden?«, warf Lieutenant Nesil Rand ein, der Kommandant von Enforcer zwo. »Der General vermutet, dass die große Schlacht innerhalb der nächsten fünf Tage stattfinden wird«, beantwortete der Kommissar die Frage. Rand nickte verstehend. »Aber er will den Feind bereits vorher zermürben, damit es unsere Männer nicht unnötig schwer haben, einen Sieg über die Bestien zu erringen! Daher -«, Nitsch wandte sich einmal um seine eigene Achse, um jeden der Männer angesehen zu haben, »meine Herren, wird Ihr nächster Auftrag Sie mitten in die feindlichen Linien führen!« Damit hatte er die Aufmerksamkeit der Panzerjäger schlussendlich vollkommen gewonnen. Das war auch nicht anders zu erwarten gewesen. Normalerweise lagen Destroyer als Scharfschützen auf der Lauer und zerstörten feindliche Panzerfahrzeuge gezielt. Sich mitten in ein Gefecht zu begeben und dort die gegnerischen Einheiten im Nahkampf anzugehen, gehörte eigentlich nicht zu ihren Aufgaben. Doch irgendetwas tief in seinem Innersten sagte Nurin, dass ihr Kommandeur genau das mit ihnen vorhatte †“ und höchstwahrscheinlich hatte gerade Nitsch ihn auf diese Idee gebracht. »Der Plan ist, dass Gruppe Enforcer die Aufklärung und unsere Sturmtrupps bei ihren Vorstößen auf den Feind unterstützt. Begleiten Sie die Schützenpanzer, sichern Sie sie und stiften Sie Panik und Verwirrung unter unseren Feinden«, führte der Kommissar weiter aus. »Aber, Herr Kommissar!«, wandte Nurin ein. »Destroyer sind für die Panzerjagd auf lange Reichweiten ausgelegt, nicht auf Nahkämpfe inmitten feindlicher Horden. Wir haben keine Nahdistanzverteidigung, um feindliche Infanterie abzuwehren.« Der Kommissar drehte sich um und bedachte den Captain mit einem kurzen, bemessenden Blick, als halte er die Frage allein für eine Verschwendung seiner Zeit. »Das ist uns natürlich bekannt«, tat er kund. »Deswegen werden Sie ja durch die Fahrzeuge der Aufklärung und die mitfahrende Sturminfanterie gedeckt. Allerdings sind diese gegenüber feindlichen Angriffen mit schnellen Fahrzeugen relativ wehrlos. Und da die schweren Kampfpanzer zu langsam sind, um mit den Aufklärerverbänden mithalten zu können, haben wir entschieden, Sie als Unterstützung einzuteilen.« »Zu freundlich«, brummte Ves. »Bleiben wir denn als Panzergruppe vereint oder werden wir als einzelne Einheiten agieren?«, rief Rand von seinem Sitzplatz auf dem Dach von Enforcer zwo. Nitsch präsentierte ein nichtssagendes Lächeln, als er den Lieutenant adressierte. »Es steht mir nicht zu, Sie bereits jetzt über die Ihnen zugewiesenen Einsatzprofile zu informieren. Dies wird zu gegebener Zeit durch die Aufklärung gesehen, verstanden?« »Was soll das denn heißen?«, murmelte Mirak Redek, Nurins Richtschütze, kaum hörbar in die grummelnde Bestätigung der Männer. »Ganz einfach.« Ves ließ ein Zischen ertönten, das sich wie Ausspeien anhörte. »Er weiß es nicht.« Nurin musste sich beherrschen, dass sein leises Knurren nicht in eine lautstarke Maßregelung überging. Ves war ein unmöglicher Mensch, der zu allem und jedem seine durchweg negative Lebenseinstellung kundtun musste. »Halten Sie endlich die Klappe, Ves.« »Sind dazu noch Fragen? Keine? Gut, dann übernehmen Sie Nurin und setzen Sie Ihre Leute in Marsch. Die 82. Aufklärung des 34. Borodian erwartet Sie bereits. Alles klar, Gruppe Enforcer?«, rief der Kommissar, so laut er durch seinen Verband konnte. Sie versteiften sich. »Alles klar, Herr Kommissar!« Nitsch nickte und humpelte zurück zu seinem Salamander. »In Ordnung, Gruppe Enforcer!«, rief Nurin, während er aufstand, an die Mannschaften seiner Panzergruppe gewandt. »Fahrzeuge besetzen!« Ves und Redek stiegen bereits ins Fahrzeug ein und begannen, die Luken zu schließen, um den Gefechtszustand des Panzers herzustellen. Nurin folgte ihnen und ließ sich auf seinen Sitz gleiten, der, etwas nach rechts versetzt über dem Fahrer lag und dem Kommandanten von Enforcer eins ermöglichte, das gesamte Umfeld des Panzerfahrzeugs durch Periskopschlitze und ein rotierendes Sichtperiskop zu betrachten. Die Hitze, in die er sofort beim Betreten des Panzers abtauchte und die ihn zurück in quälend lange Stunden willkommen hieß, hätte ihn beinahe sofort wieder aus dem Fahrzeug getrieben. Links neben ihm glitt Redek auf seinen Platz, der sich eine halbe Ebene unter dem Sitz des Kommandanten und direkt hinter dem Sichtgerät des Lasergeschützes befand. »Luken sind dicht«, meldete er. Nurin nickte wortlos, griff die Kopfhörer, die über seinem Sitz in einer Halterung hingen und setzte sie auf. Er legte das Kehlkopfmikrofon um, bevor er sowohl die Kopfhörer als auch das Mikrofon in die dafür vorgesehenen Buchsen einsteckte. Dann stieg er zurück ins Luk, um einen guten und vor allem weiten Sichtbereich um das Fahrzeug zu haben. Die Hitze, die von unten zu ihm hinauf wallte, fühlte sich unangenehm und feindlich an. Er knirschte leise mit den Zähnen, entschied dann aber, seinen Aufgaben nachzugehen und die Unannehmlichkeiten zu ignorieren, denen er ausgesetzt war. »Achtung, Enforcer eins: Test des inneren Funkkreises. Nurin †“ in Ordnung.« »Ves †“ in Ordnung«, hörte er den Fahrer in seiner typisch schnoddrigen Art ins Mikrofon sprechen, dann brummte sein Richtschütze hinterher: »Redek hört ebenfalls.« »Verstanden«, schloss Nurin den Funkkreis, bevor er den Mikrofonschalter kippte und so auf den äußeren Funkkreis umschaltete. »Enforcer eins an Enforcer zwo und drei. Test des Funkkreises. Wie verstehen Sie mich? Melden.« »Enforcer zwo hört laut und deutlich, melden.« »Enforcer drei hört laut und deutlich, melden.« »Verstanden. Enforcer eins hört ebenfalls laut und deutlich. Klar bei den Motoren, melden.« Ves schnupfte ins Mikrofon, als er die Nase rümpfte. »Geht klar, Boss.« »Enforcer zwo meldet: klar bei den Motoren, melden.« »Enforcer drei: klar bei den Motoren, melden.« Nurin nickte, auch wenn er wusste, dass seine Männer ihn nicht sehen konnten. »Also gut. Dann legen wir mal los. Motoren an, melden.« Enforcer eins seufzte tief, atmete ein und fing dann an zu zittern. Tiefes Brummen grollte aus seinem Innersten hervor, als würde ein Magenkrampf das Panzerfahrzeug quälen. Einen Moment später schreckte der Panzer auf, schüttelte sich heftig und fauchte hasserfüllt. Ves trat das Gaspedal voll durch. Der Destroyer brüllte auf. Mit dem Knallen von Fehlzündungen startete er. In Nurins Kopfhörern knackte es. »Enforcer zwo: läuft. Melden.« »Enforcer drei: läuft. Melden.« Der Panzerkommandant schürzte die Lippen, lehnte sich zurück und legte die Arme auf das eingefahrene Sichtgerät. Unter sich hörte er den Richtschützen, der gerade mit dem Hochfahren des Geschützes beschäftigt war. Hoffentlich überprüfte er die Hauptzielanlage und dessen Redundanzsysteme so gewissenhaft wie immer, bevor er die Energieleitungen zwischen dem Energiegenerator und dem Hauptgeschütz freischaltete. In einem Höllenloch wie diesem konnte ein kleiner Fehler sie alle das Leben kosten. Entweder, das Geschütz fiel im entscheidenden Moment aus, oder es jagte sich in einer gewaltigen Explosion mitsamt dem Destroyer und seinen Insassen selbst hoch. Beide Fälle wären als Ergebnis einer Panzerjagd für Nurin mehr als nur unbefriedigend gewesen. Er biss sich auf die Lippen und verfolgte, wie mehrere Chimären seine Einheit passierten, dann wandte er sich suchend um. »Enforcer eins an zwo und drei. Panzer marsch! Ende!« Als Enforcer eins ruckend anfuhr, erinnerte sich Nurin noch einmal an die Worte Nitschs. Mit finsterem Blick, der sich irgendwo unter den trampelnden Füßen der Infanteristen auf eine baldige Zukunft konzentrierte, dachte er: Ich hoffe nur, dass der Herr Kommissar mit dem, was er glaubt, recht hat. Ansonsten kann das ziemlich übel für uns ausgehen. *** »Was kann ich für Sie tun, Doktor?« Calgrows attraktiver Körper wiegte sich im seichten Schritt, als die Ärztin ihrem Colonel entgegen kam und ihn aus ihren grünen Augen betrachtete, bevor sie die rechte auf ihre Hüfte stützte und das Näherkommen des Offiziers mit aller gebotenen Ruhe erwartete. »Sie können für mich gar nichts tun, Colonel. Ich dachte eher daran, dass ich etwas für Sie tun kann«, sagte sie schließlich Ekko hob die Augenbrauen. Doktor Calgrow wollte etwas für ihn tun? Einmal abgesehen davon, dass Marith Calgrow Galardin Alberic Ekko niemals freiwillig einen Gefallen getan hätte, gab es in seinen Augen nichts, mit dem sie seiner Stimmung hätte ändern können. Allerdings †“ und das war etwas, das ihm eine gewisse Befriedigung verschaffte †“ konnte er sich gut vorstellen, dass ihr Verhalten einen anderen, sehr viel banaleren Grund hatte. Immerhin hatte er ihr im Lazarett beim Kampf mit Leitis Sile das Leben gerettet. Jetzt versuchte sie, sich dafür zu revanchieren. Er hätte auch nichts anderes von ihr erwartet. Sie mochte ihn nicht und er mochte sie nicht. Ekko die Genugtuung zu gönnen, dass sie ihm etwas schuldete, war für die ehemalige Kommissarin eine nicht tragbare Last. »Sie wollen mir einen Gefallen tun?«, fragte er mit einem ungläubig ironischen Unterton in der Stimme. »Wie komme ich denn zu dieser Ehre?« »Verarschen Sie mich nicht, Ekko. Ich will Ihr Gewissen beruhigen«, schoss sie zurück. Ekko nickte verstehend. Die Ärztin wollte also ihr eigenes Gewissen beruhigen. Nicht, dass er es ihr derart einfach gemacht hätte. »Vielen Dank, Doktor. Aber es gibt im Augenblick nichts, mit dem Sie mein Gewissen beruhigen müssten.« Noch während er das sagte, ging er mit ausladenden Schritten an ihr vorbei. Irgendwie machte das Spaß. Die Regimentsärztin hakte ihre Bewegung in seinen Schritt ein, nahm ihn auf und bemühte sich, mit dem Offizier mitzuhalten. »Ich denke aber, dass diese Information Sie interessieren dürfte.« Er seufzte. »Da ich mir sicher bin, dass ich Sie sowieso nicht davon abhalten kann, mir Ihre Neuigkeiten zu berichten, bitte ich Sie, sie mir um alles im Universum nicht vorzuenthalten.« Sie passierten einen Trupp Soldaten, der gerade dabei war, einen Schützengraben auszuheben. Die Männer hielten in ihrer Arbeit inne und verfolgten sichtlich interessiert, wie ihr Kommandeur offensichtlich vor seiner Regimentsärztin davonlief, bis ein Sergeant sie dabei erwischte und zurück an die Arbeit wehte. Calgrow runzelte die Stirn, knirschte mit den Zähnen und stieß ein missbilligendes Zischen aus, bevor sie sich entschied, dass eine Information wie die ihre die Diskussion mit Ekko nicht wert war. Entnervt gab die Ärztin auf. Eine ihrer Walküren erhob sich in der Nähe und brüllte ihnen einen Abschiedsgruß zu, während sie um die eigene Achse schwenkte und in Richtung Nordwesten davonflog, um einem der vorgelagerten Trupps Munition und Werkzeug zu bringen. Abgasstrahlen bliesen dreckige Erde zu den Seiten des Transporters weg. »Die niedergestreckten Männer sind außer Gefahr«, berichtete Calgrow und lenkte Ekkos Aufmerksamkeit zurück auf die Tatsache, dass sie noch immer neben ihm ging. »Es gibt zwar etliche böse Abschürfungen, Gehirnerschütterungen und sogar zwei Knochenbrüche, aber nichtsdestotrotz sind die Männer weniger schwer verletzt als zuerst gedacht. Itias kann bereits wieder entlassen werden.« Ekko spürte, wie eine gewaltige Last von seinem Herzen fiel. Schon vor einigen Tagen hatte Calgrow ihn informiert, dass die Männer nicht so schwer verletzt waren, wie sie zuerst gedacht hatten, aber dass es noch einige Zeit dauern würde, bis sich herausstellte, wie es nun wirklich um sie stand. Diese paar Tage waren für Ekko eine Tortur gewesen, die nun endlich ein Ende fand. Es blieb nur zu hoffen, dass seine Soldaten so schnell wie möglich gesundeten. Sie hatten, so wusste der Imperator, in den paar Tagen mehr als genug erduldet. Es war auf jeden Fall gut zu wissen, dass der junge Itias bereits wieder auf den Beinen war. »Freut mich zu hören«, antwortete er unbeeindruckt. »Dann sind sie ja sicherlich bald wieder einsatzfähig. Sonst noch etwas?« »Ja, Colonel.« Calgrows Stimme verriet etwas, das Ekko vermutlich am Ehesten mit sexueller Lust verglichen hätte. Überrascht hob er die Augenbrauen, vermied es aber, sich umzudrehen. Vor seinem geistigen Auge entblätterte sich eine bedürftige Marith Calgrow und fixierte ihn mit einem verlangenden Blick. Schnell scheuchte er die halbnackte Doktorin aus seinen Gedanken und schüttelte sich. »Lenhim und Gorak sind aufgewacht«, informierte ihn die Ärztin. Ekko blieb unvermittelt stehen. Das nun war eine Information, die ihn doch etwas aus der Fassung brachte. Lenhim und Gorak, nun inzwischen seit mehr als einer Woche im Koma und an der Schwelle des Todes, waren endlich ins Leben zurückgekehrt. Vermutlich würden sie noch einige Zeit länger ausgefallen sein, aber wenigstens hatte sie der Imperator nicht sterben lassen. Und wenn alle anderen auch überlebt hatten, dann würde sein persönlicher Kampftrupp bald wieder zur Verfügung stehen. Eine wirklich gute Nachricht. Aber davon brauchte Doktor Calgrow nichts zu wissen. »Bitte, wer?«, fragte er und wandte sich um. In der Hoffnung, dem Colonel nun doch noch eine Reaktion entlockt zu haben, schlich sich ein dünnes Lächeln auf das Gesicht der Regimentsärztin. »Lenhim und Gorak.« Ekko runzelte die Stirn und murmelte die Namen ein paar Mal vor sich hin, als würde er überlegen, dann plötzlich schnippte er mit den Fingern. »Ach ja, klar. Der Sergeant und der Soldat, nicht wahr? Ja-ahahahaha.« Er lachte gekünstelt und übertrieb die begleitenden Gesten maßlos, sodass Calgrows Lächeln entgleiste. »Der Sergeant und der Soldat haben überlebt! Natürlich! Wie konnte mir das entfallen?! Der Sergeant und der Soldat haben überlebt! Haha! Überlebt!« Die Ärztin starrte den Offizier vor sich an, der fraglos einem Anfall von Wahnsinn erlitten hatte und schien irgendwo zwischen einem Lachen und einem Weinanfall zu schweben. »Und darüber müssen Sie mich informieren? Sie meinen, das beruhigt mein Gewissen?« Ekko legte so viel Fassungslosigkeit wie möglich in seine weiteren Worte. »Wenn Sie mein Gewissen wirklich beruhigen wollen, dann erledigen Sie Ihre Arbeit und lassen Sie mich meine machen.« Dann wandte er sich ab und ging wieder los. Ein tonloser Seufzer der Erleichterung entfuhr ihm. »Wie Sie meinen.« Calgrow blieb zurück. Sie hatte sicherlich nicht damit gerechnet, dass Ekko dermaßen kalt bleiben würde †“ vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass die Männer, die er vor kurzem für tot erachtet hatte, doch noch lebten. Er winkte zur Bestätigung über die Schulter und vermied es, sich umzudrehen. Er hatte keinen Bedarf, der Cadianerin ins Gesicht zu sehen. Ihr zu zeigen, wie sehr ihn die Nachricht erleichterte, wäre nach seinem Auftritt von vorhin einem ungemeinen Gesichtsverlust gleichgekommen. Und Calgrow wusste das. Sie wusste es sogar besser als irgendwer anderes es jemals hätte erahnen können. Und aus diesem Grund ärgerte es die ehemalige Kommissarin ja auch dermaßen, dass er ihr seine Abneigung derart deutlich zu spüren gab. Wäre sie keine Kommissarin gewesen, sie hätten sich vermutlich blendend verstanden. »Sie sind ein verdammter Mistkerl, Ekko!«, rief sie ihm hinterher. Er nickte zustimmend †“ und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
  3. *** Der Sky Talon wirkte wie ein urzeitliches Flugmonster, das wartend auf dem Boden saß, bereit sich sein nächstes Opfer zu krallen und in die Luft zu entführen. Aber die Techpriester, die um das Luftgefährt standen und es begutachteten, ließen bereits erahnen, dass dieser Frachtflieger so schnell nicht mehr in den Himmel steigen würde. »Die Reparatur kann eine ganze Weile dauern. Dafür werden wir mindestens sieben Tage brauchen«, stellte einer der Männer fest. Seine Stimme besaß dasselbe melodische Heulen der startenden Transporter und als er den Adressaten seiner Worte ansah, konnte der sich des Gedankens nicht erwehren, dass er selbst ein lebendig gewordenes Teil des Luftgefährts war. »So ein Mist«, brummte der Angesprochene und schlug gegen die Seitenpanzerung seines Gefährts. »Gerade jetzt.« Die flügellahme Maschine schwieg zu dem Vorwurf ihres Piloten und wartete mit gesenktem Kopf auf eine weit schärfere Strafe. Demetrian Gantis, 1278. Transportgeschwader der imperialen Raumflotte, seufzte tief und strich das dunkle Haar, das wild unter seinem geöffneten Helm hervorstand, aus dem Gesicht. Dann tippte er der erschöpften Sky Talon auf die Panzerung. »Schon okay. Ich habs nicht böse gemeint, Lyka.« Er wandte sich an die Maschinenseher. »Tun Sie, was Sie tun müssen. Hauptsache, ich komme so schnell wie möglich zu meinem Geschwader zurück.« Die Männer nickten stumm und entfernten sich, um eine nahe Trojan-Zugmaschine heranzuholen, welche die Maschine aus dem Weg schleppen konnte, damit das Entladen der restlichen Einheiten so schnell wie möglich weiterging. Gantis seufzte abermals und folgte einem Trupp Soldaten, die etliche schwere Kisten mit großkalibriger Munition aus dem Strahlbereich der Senkrechtstartertriebwerke brachten. Erst einmal musste er einen der zuständigen Offiziere finden, den er über sein Problem und seinen längeren Aufenthalt bei diesem Regiment informieren konnte. In dem Chaos sicherlich nicht einfach. Er nahm seinen Helm ab und beobachtete die Landungen und Starts seiner Kameraden, welche mit ihren Maschinen schwere Lasten anlieferten. Es tat weh, an den Boden gefesselt zu sein, während er beobachten musste, dass es seinen Kameraden nicht so erging. Nur dreißig Meter entfernt heulten die Turbinen einer Vendetta auf, als die letzten Kisten mit Material aus dem Transporter entladen wurden. Gantis lächelte, als er die charakteristische Malerei erkannte, welche die Nase des Sturmtransporters zierte. Ein Adler, wunderschön gezeichnet, aber mit einem Makel: die Augen des stilisierten Ungeheuers waren nach hinten verrutscht, was den Adler aussehen ließ, als habe er eine kräftige Verstopfung. Dass sie ihn deswegen schielendes Vögelchen nannten, war eigentlich nur eine Freundlichkeit ihrerseits. Es hatten auch schon ganz andere Spitznamen kursiert, von denen nur die wenigsten wirklich freundlich gemeint waren. Er konnte nicht verhindern, dass sein Lächeln zu einem Grinsen wurde, als er an die letzte Namensschöpfung dachte, die da »Kackadu« geheißen hatte. Ein kleines Wortspiel †“ aber sehr amüsant. Doch wie auch immer man es sah, der eigentliche Grund für seine Freude war weniger der missratene Vogel als vielmehr der Pilot der im Cockpit der Vendetta saß. Das war die Maschine von Sturges Rohin, dem wohl besten Trinkkumpanen im ganzen Geschwader. Mit ihm konnte man lustig Sachen erleben †“ wirklich lustige. Gantis blieb stehen und verfolgte, wie einer der Einweiser vor den Flieger trat, die Aufmerksamkeit des Piloten auf sich lenkte und dann die Arme ausstreckte. Der behelmte Kopf von Sturges Rohin wackelte unter der Cockpitscheibe, als der Pilot die Kenntnisnahme des Zeichens bestätigte. Als hätte er seinen Einweiser dadurch zu einem Ballett ermutigt, hob dieser die Arme aus der Waagerechten und ließ die Handflächen über dem Kopf zusammenklatschen. Ronin salutierte und hob seinen Vogel vom Boden. Gehorsam schwenkte der Sturmtransporter herum und folgte dann den anderen Maschinen mit brüllenden Triebwerken gen Südosten. »Auf bald, Sturge«, murmelte der imperiale Pilot und verfolgte, wie die Vendetta in den blauen Himmel verschwand. Zwei Kanonenboote zogen mit heulenden Turbinen in einem weiten Bogen an der Kathedrale vorbei und verschwanden wieder hinter dem Hauptgebäude des Komplexes, der sich in prunkvoller Erhabenheit über den imperialen Soldaten erhob. Gantis nahm sich Zeit, das gewaltige Gemäuer zu betrachten. Es war ein mächtiger Vertreter der imperialen Baukunst, eine Ehrung der Göttlichkeit des Imperators. Man konnte nur stolz sein, im Imperium der Menschheit leben zu dürfen, wo die Menschen noch rein waren in ihrem Glauben und … »Sind Sie etwa total bescheuert?!«, schrie ihn jemand an. „Sorgen Sie dafür, dass das sofort behoben wird!†œ Überrascht schreckte Gantis auf und sah sich um, durch den Ruf bereits alarmiert und angespannt. Ein hochgewachsener Soldat hatte sich vor einer Gruppe anderer Männer aufgebaut und schrie sie †“ offensichtlich grundlos †“ an. Unmerklich entspannte sich der imperiale Pilot. Wenigstens hatte der Mann mit seinem Geschrei nicht ihn gemeint. Ansonsten hätte es jetzt eine ziemlich böse Auseinandersetzung gegeben. Ein Infanterist, der versuchte, einem Piloten der Flotte Vorschriften zu machen. Das war etwas, das die Navy sich nicht gefallen ließ. Außer Kommissaren waren keine Angehörigen der Armee befugt, sich der Flotte gegenüber zu Befehlshabenden zu erklären. So stand es in den Statuten des Imperiums geschrieben, im Handbuch der Kommissare und den Instruktionshandbüchern der imperialen Offiziere, sei es nun von der Flotte oder der Armee. Wortlos verfolgte er, wie der Mann seine Untergebenen in Grund und Boden stampfte und sie dann fortscheuchte, um die nicht (oder nur mangelhaft) erledigten Aufgaben wahrzunehmen. Die Armee durfte der Flotte keine Befehle erteilen, die Flotte der Armee aber auch nicht. Sie existierten nebeneinander her, brauchten einander sogar, aber damit endete ihre gemeinsame Existenz auch schon. Das lag nun einmal in der Geschichte des Imperiums behaftet, in der kombinierte Streitkräfte aus Flotte und Armee gemeutert hatten. Um weitere dieser Auflehnungen zu verhindern, hatte der Hohe Senat zu Terra im Namen des Imperators verfügt, dass nie wieder eine Flotte unter dem Kommando eines Infanterieoffizier und nie wieder eine Armee unter dem Kommando eines Flottenoffiziers diente. Es war übrigens auch der gleiche Grund, aus dem bei der Armee die einzelnen Waffengattungen und bei der Flotte die unterschiedlichen Fliegerstaffeln und Raumschiffverbände in ihren Kommandostrukturen strikt voneinander getrennt wurden. Einzig die für Feldzüge ernannten Oberkommandierenden hatte das Kommando über alle ihre Verbände, um wenigstens eine gewisse Einigkeit zu erhalten, ohne die der Spalt zwischen den einzelnen Teilstreitkräften der Kriegsmaschine von Terra wohl noch größer gewesen wäre. Allerdings, und das freute Gantis ungemein, löste die Anwesenheit dieses schreienden Offiziers sein nächstes größeres Problem zu einem gewissen Teil, denn endlich hatte er einen höherrangiger Truppenführer gefunden. Er straffte seine Uniform, trat zu dem Mann und nahm Haltung an. »Sir?« Der Infanterieoffizier, ein Captain, wandte sich um und musterte den Piloten mit einem strengen Blick, aus dem Uniformvorschriften sprangen und seine Uniform abmaßen. Einige Sekunden lang herrschte vollkommene Stille, dann sah der Mann auf. »Ja?«, fragte er kurz angebunden. »Lieutenant Demetrian Gantis, 1278. Transportgeschwader. Ich suche den Verantwortlichen dieser Einheit.« Die Miene des Offiziers entgleiste sichtlich. Er wandte sich um, suchte einen Moment und wies dann auf einen Mann, der am Rand des improvisierten Landefelds entlang ging. »Der da«, sagte er mit deutlich aggressivem Tonfall in der Stimme. Gantis nickte dankbar, salutierte dem Offizier und beeilte sich, die angezeigte Person zu erreichen. Schon im Gehen nahm er die Gelegenheit war, den Offizier zu betrachten und sich auf ihn vorzubereiten. Der Mann, den der Captain ihm gezeigt hatte, schien nicht nur ein Verantwortlicher zu sein, sondern sogar der Kommandeur des Regiments. Er hatte dunkles, zerzaustes Haar und dunkel funkelnde Augen, was ihm ein etwas dümmliches, aber auch irrsinniges Aussehen gab. Wenn er von Typ her so ein Mensch war, wie er aussah, dann würde Gantis die Maschinenseher sicherlich zu Höchstleistungen antreiben, um nicht noch länger als nötig hier zu verweilen. Selbstsicher trat er auf den Offizier zu und gab dem Mann Gelegenheit, ihn als Neuankömmling zu erfassen, bevor er ihn ansprach. »Sir, ich bin Lieutenant Demetrian Gantis, 1278. Transportgeschwader«, stellte er sich vor und salutierte. Der Offizier musterte ihn kurz, dann nahm er ebenfalls Haltung an und erwiderte den Gruß. »Colonel Galard Ekko, 512. Sera.« »Sera?«, fragte Gantis unvermittelt. Er hatte es einfach nicht verhindern können. Den Namen seiner alten Heimat hatte er schon lange nicht mehr gehört. »Sie meinen … Serareh auf Bastet III …, Sir?« Der Colonel zog die Augenbrauen zusammen. »Ja, Serareh auf Bastet III. Wir sind fast alle Basteter.« »Ich fasse es nicht«, brachte Gantis hervor und versuchte, das auf seine Lippen tretende Grinsen zu unterdrücken. Es gelang ihm nicht. Auf den befremdeten Blick des Basteters hin zuckte er entschuldigend die Achseln. »Es tut mir leid, Sir. Hätte nicht gedacht, sobald ein paar Leute aus der Heimat wiederzusehen.« »Sie stammen auch von Bastet«, stellte der andere fest und begann zu lachen, als Gantis nickte. »Tja, ich würde dann mal sagen: Willkommen.« Der Pilot ließ ein grimassenhaftes Grinsen auf sein Gesicht gleiten. »Vielen Dank.« Auf jeden Fall schien der imperiale Offizier nett zu sein. Vielleicht hatte er ja Glück, dass er an einen Basteter geraten war †“ und dazu noch einen, den man wirklich mögen konnte. »Und was genau hat Sie Flieger auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt?«, erkundigte sich der Colonel. »Lyka hier …« Gantis wies auf die Maschine, die zwischen den landenden und startenden Senkrechtstartern wie ein gestrandeter Wal tot in der aufgehenden Sonne lag und gerade von Maschinensehern umschwärmt wurde, die dabei waren, das nutzlose Fluggerät mit der Trojan zu vertäuen, »… hat leider einige Probleme damit, wieder in die Luft zu kommen.« Verstehend schürzte Ekko die Lippen. »Klingt, als würde das ein längerer Aufenthalt werden.« »Ja, Sir«, bestätigte der Flieger wehleidig. »Ich wünschte, es wäre anders verlaufen.« »Manchmal liebt das Universum es, uns im Namen des Gott-Imperators den einen oder anderen Streich zu spielen«, merkte Ekko an. »Das weiß ich aus eigener Erfahrung.« »Ich hoffe nur, dass es mich nicht zu seinem neuen Lieblingsopfer erkoren hat.« Gantis seufzte leise. Er glaubte fest an den Imperator und dessen göttliche Sicht über die Lebensfäden aller seiner Untertanen. Und wenn Universum sich im Namen des Imperators ein neues Opfer zum Traktieren gesucht hatte, dann hätte er es als Fügung hingenommen. Und dennoch. Er hoffte noch immer, dass es nur vorübergehendes Pech war. »Da habe ich keine Sorge«, versicherte der Colonel aufrichtig. »Das Universum hat sich sein Lieblingsopfer längst ausgesucht.« Für einen Augenblick lang glaubte Gantis, im Blick des Offiziers eine Form von Freudlosigkeit zu sehen †“ oder Melancholie. Dann jedoch klärte sich der Blick des Mannes so schnell wie er sich verdunkelt hatte. »Auf jeden Fall hoffe ich das Beste für Sie und Lyka«, wünschte er. »Fühlen Sie sich hier wie im Schoße der Heiligen †“ sind Sie ja im Grunde auch.« »Es stört Sie gar nicht, dass ich meiner Maschine einen Namen gegeben habe?«, erkundigte sich Gantis stirnrunzelnd. Offensichtlich konnte er nicht glauben, dass ein so hochrangiger Offizier der Infanterie diese Eigenheit aller Fahrzeugführer so einfach hinnahm. »Nein«, antwortete Ekko wie selbstverständlich. »Und wenn Sie das wundert, dann kennen Sie Horatius noch nicht.« Er nickte dem Piloten zu, wandte sich ab und ging.
  4. Und da ist auch schon das nächste Kapitel! 16 Der Regen tropfte von Haestian Carricks Kampfuniform, als der Major durch die mächtigen Flügeltüren in das Innere der Himmels-Kathedrale trat. Es regnete noch immer unvermindert, aber wenigstens hatte das Gewitter an Energie verloren. Es blitzte und donnerte nur noch sporadisch. Ihm bot sich ein fantastischer Anblick, den keine Macht des Universums hätte beschreiben können. Kommissar Ligrev an seiner Seite staunte mit offenem Mund und war genauso sprachlos wie er selbst. Es war ungewohnt, den sonst so lautstarken und arrogant tönenden Kommissar in einem Moment zu erleben, wo er tatsächlich einmal keine Worte für das fand, was er gerade erlebte. Vielleicht war das auch gut so. Hunderte Reihen Betender begrüßten die neu Angekommenen in das Hauptschiff der Kathedrale, das in stummer Erhabenheit den säuselnden Stimmen lauschte, die es beherrschten. Die gewaltige Statue einer Heiligen musterte sie von ihrem Platz einige hundert Meter entfernt mit einem übermenschlich strengen Blick, der unter dem Schein der Deckenlampen so wirkte, als würde er sich immer wieder mal von ihnen lösen und durch den Raum schweifen, nur um dann wieder ungeheuer schnell zu ihnen zurückzuspringen. Fast hätte man glauben können, die beiden Eindringlinge waren der Hüterin dieses heiligen Hauses suspekt genug, um sie unter Beobachtung zu behalten. Ein kräftiger Blitz beleuchtete die Buntglasfenster von außen und bahnte sich seinen Weg ins Innere der Kathedrale. Beeindrucken konnte er niemanden mehr. Dafür hatte dieser Ort bereits zu viel der Aufmerksamkeit seiner Besucher in Beschlag genommen. Der große Basteter ließ seinen Blick umherwandern und betrachtete die farbenfrohen Fresken, welche die riesigen Innenflächen der Seitenwände bedeckten. Viele zeigten den Gott-Imperator, der, mit einer gewaltigen Armee im Rücken, die Feinde des Imperiums zermalmte. Andere begleiteten die Heilige auf ihren Feldzügen für das Wohl der Menschheit. Carrick verstand die meisten der Abbildungen nicht, aber eines war ganz deutlich zu erkennen: sie waren fast ausnahmslos sehr, sehr blutig. Mit einem Mal fühlte sich Carrick winzig gegenüber des riesigen Bollwerks imperialer Reinheit, das sie in seinem Innersten lediglich duldete. Als er an sich heruntersah und entdeckte, wie er in die heilige Stätte des Gott-Imperators getreten war, sie volltropfte mit Regenwasser und dem schmatzenden Schlamm an seinen Stiefeln, schämte er sich urplötzlich. Das Wispern, das sie Willkommen hieß, hörte sich in diesem Augenblick für ihn eher wie eine leise Anklage ihres Benehmens an. Er richtete seinen Blick auf die Quelle der Geräusche und entdeckte etwas, das inmitten dieses fantastischen Anblicks fast unbedeutend und gleichzeitig noch packender erschien: die gewaltigen Körper imperialer Space Marines ragten inmitten des gewaltigen Hauptschiffs auf, Geister, die entsandt wurden, um den Überlebenden der schrecklichen Massaker wieder Hoffnung zu geben. Imperiale Soldaten standen bei den mächtigen Behemonthen, wirkten gegen die bunten Körper aber so unbedeutend wie blass. Einzig die knallige Panzerung von Prioris Leitis Sile schaffte es, sich mit den farbenfrohen Servorüstungen der Astartes zu messen. »Unfassbar«, murmelte der Major und machte sich auf, Colonel Ekkos ‚Gäste†˜ zu erreichen. Das also hatte Gireth gemeint, als er am Funkgerät von einer unerwarteten Entwicklung gesprochen hatte. Eine Untertreibung †“ und eine ziemliche krasse noch dazu. Colonel Ekko schien auf den jungen Soldaten abzufärben. Das Lächeln, das seinen Geist erfasste, schaffte es jedoch nicht, durch seine überraschte Miene zu brechen, als er, Ligrev im Schlepptau, an die Versammelten herantrat und damit ohne Vorbereitung in einen laufenden Streit geworfen wurde. »Ihre Männer sind nicht tot, Colonel«, beschwichtigte der gewaltige Hüne von einem Körperpanzer den offensichtlich seit einiger Zeit wetternden Offizier gerade, als die beiden Neunankömmlinge den Hörbereich der Gruppe erreichten. »Für mich sahen die aber alle recht tot aus«, schoss Ekko zurück. »Und wenn Sie gewusst haben, dass wir die Imperiale Armee sind, warum, beim Hammer des Imperators, haben Sie dann überhaupt einen Kampf begonnen?« »Wir mussten uns sicher sein, dass Sie sind, wer sie zu sein schienen.« Der Colonel riss ungläubig die Augen auf, das war gut zu erkennen. Einen Augenblick lang fragte sich Carrick, ob sein Vorgesetzter jetzt gleich in Gelächter ausbrechen würde. Es wäre ihm zuzutrauen gewesen. Doch stattdessen blies der imperiale Offizier nur wütend Luft aus. »Und dafür haben Sie sechs meiner Männer umgebracht?!« »Sie sind nicht tot.« Die Worte des wesentlich kleineren Basteters schienen an der schieren Gewaltigkeit des unnahbaren Riesen abzuprallen, der mit seiner kräftigen, metallenen Stimme antwortete. »Wir haben sie nur … freundlich angestoßen.« »Ja, ich weiß«, wetterte Ekko weiter. »Wenn Sie sie hätten töten wollen, dann hätten Sie es längst getan.« »Genau«, konterte der Space Marine. Ekko schüttelte den Kopf, kniff sich ungläubig in den Nasenrücken und hielt einen Moment lang inne, so als würde er seine Nerven beruhigen wollen. Erst jetzt bemerkte er Carrick aus den Augenwinkeln, nickte ihm zu und warf dann noch einen kurzen Blick zu Ligrev, den der Kommissar hasserfüllt erwiderte. Es war soweit: ihrer beider Machtspielchen gingen in eine neue Runde. Carrick grüßte seinerseits den Colonel stumm, entdeckte Captain Balgor und nickte ihm ebenfalls wortlos zu, was von dem rangniederen Basteter mit einem leichten Lächeln aufgenommen wurde. Hinter ihm entdeckte der Major zwei Soldaten, von denen er einen als Gireth identifizierte und den anderen als einen, an dessen Namen er sich im Augenblick beim besten Willen nicht erinnern konnte. Die beiden saßen mit apathischen Blicken auf der Rücklehne einer der Kirchenbänke und beschäftigten sich mit ihren eigenen Gedanken. Gireth spielte mit dem Mikrofon seines Funktornisters, schlug sich das wie ein Telefonhörer geformte Sprechgerät gegen das Bein und ließ es an seiner Schnur pendeln. Der andere Soldat ließ sein Lasergewehr auf der Spitze der Schulterstütze kreiseln und musterte dabei den verdreckten Steppentarn seiner Kampfhose. Alles in allem sahen die beiden wirklich mitgenommen aus, gezeichnet von den Erlebnissen, die sie von den Steppen vor Golgarad bis in die Himmels-Kathedrale getrieben hatten. »Also gut«, schloss Ekko das Thema ab. »Kommen wir zum Wesentlichen. Wenn Sie hier sind, wo ist dann die Bevölkerung?« »Die Stadt ist geräumt worden«, informierte der Space Marine die imperialen Offiziere mit seiner gewaltigen, lautsprecherverzerrten Stimme. »Schon vor einer Ewigkeit.« »Schon vor einer Ewigkeit?« Der imperiale Colonel runzelte die Stirn. Seine braunen Augen huschten zu der Prioris, die wortlos und mit ernstem, wissendem Gesicht neben den Astartes stand, dann sah er seinen Stellvertreter mit fragendem Blick an. Carrick zuckte unmerklich die Schultern. Offensichtlich hatte Ekko, ähnlich wie er selbst, angenommen, dass die Makro-Kathedrale attackiert und geschändet worden war. Auf jeden Fall hatte es General Iglianus so in seiner Einweisung an den Colonel kund getan. »Und was haben Sie dann noch hier gemacht?«, fragte der dunkelhaarige Basteter das bunte Ungetüm vor sich. »Die Schwestern vom Orden des Gläubigen Geistes und mein Orden sind hierher entsandt worden, um die letzten Heiligtümer und Reliquien zu evakuieren.« Carrick warf einen Blick zu Sile. Deswegen also waren die Sororitas hier gewesen. Das klärte natürlich einige Fragen. Aber seit wann verteidigten Space Marines Orte der Ekklesiarchie? Das war ungewöhnlich, zumal man zwischen der imperialen Kirche und den Orden der Marines mehr als oft genug verdeckte, teilweise sogar offene Feindseligkeiten beobachten konnte. Während des Zeitalters der Apostasie, der Herrschaft des Blutes, die um circa 200.M36 stattgefunden hatte, hatten die Vorgängerinnen der heutigen Sororitas verbissen dem häretischen Ekklesiarchen Goge Vandire gedient und in seinem Namen die Space Marines bekämpft. Daher rührte auch der Name ‚Bräute des Imperators†˜, den Ligrev so selbstvergessen verwendete. Woher diese plötzliche und faktische Zusammenarbeit der Space Marines und des Adeptus Sororitas herrührte, verstand Carrick unter diesem Gesichtspunkt beileibe nicht. Allerdings, das wiederrum wusste er, würden sie die Imperialen definitiv nicht in die Gründe für ihr Tun einweihen. Mit dieser Tatsache im Genick würde sicherlich auch Ekko entscheiden, dass es nutzlos war, weiter zu bohren. Provozieren konnte er sie nicht und selbst wenn, wäre mit seinem Tod dem Regiment nicht wirklich geholfen. Offensichtlich schien das der Colonel auch so zu sehen, denn er ging nicht weiter auf die Tatsache ein. Stattdessen kratzte er sich nachdenklich am Kinn. »Und was sollte dann mit der Stadt geschehen?« Der Space Marine schwieg. »Sagen Sie mir nicht, Sie wollten die gesamte Anlage sprengen.« Der Marine sah ihn weiterhin lediglich stumm an. Plötzliches Begreifen schoss durch den Raum. »Herr auf dem Thron«, flüsterte Carrick. Er konnte es nicht fassen. Sie hatten dieses gewaltige Bauwerk wirklich vernichten wollen. Weshalb, beim Thron von Terra? Ligrev war käseweiß geworden. »Sie wollten die gesamte Anlage sprengen«, stellte Ekko resigniert fest. Er schüttelte den Kopf und deutete ungläubig auf den Boden. »Wir stehen auf einem Fundament aus Bomben?« Der gepanzerte Hüne antwortete noch immer nicht. »Beim Barte des Propheten«, seufzte der Colonel. »Einen Flug zu den Sternen hatte ich mir anders vorgestellt.« »Aus Erde wird Feuer, aus Feuer wird Asche«, dachte Balgor laut nach. Sile atmete stolz ein. »So im Namen des Imperators.« »Und in seinem Haus auch«, fügte Ekko an. Der Basteter begann, in dem Raum umherzuwandern. »Aber es ist nicht geplant, uns in nächster Zeit in einen anderen Aggregatzustand zu versetzen, richtig?« »Ich denke, dass das, nun da die Imperiale Armee diesen Ort für das Wohl des Imperiums sichert, nicht mehr nötig sein wird«, warf die Prioris neben ihm ein. Ihre erfrischende Stimme hauchte durch die Halle wie zarter Wind. »Sicherlich werden die Brüder mir zustimmen, dass wir die Sprengladungen demontieren können.« »In der Tat«, bestätigte der Space Marine. »Sehr gut«, stimmte Ekko zu. Der Colonel ließ seine braunen Augen einige Sekunden lang über die Toten schweifen und machte sich seine eigenen Gedanken, dann wandte er sich an den in eine bunte Panzerung gehüllten Krieger. »Und was ist mit denen da passiert?«, fragte er mit einem Kopfrucken in die Richtung der Toten. Erst jetzt erkannte Carrick, dass die Männer, die er zuvor für Betende gehalten hatte, tot waren. Ein gewaltiger Schreck durchfuhr ihn. »Ekklesiarch Waloran der Meinung, dass der Tod im Angesicht der nahenden Orks das Beste sei, mit dem er dem Imperator dienen könnte. Viele andere waren seiner Meinung.« Die fast schon gespienen Worte des Marine schlugen wie ein Angriff auf die imperialen Soldaten ein, transportierten die Verachtung, die er den Männern entgegenbrachte, die sich selbst gerichtet hatten, um nicht kämpfend untergehen zu müssen. »Und der Rest wurde auf der Flucht abgeschlachtet«, dachte Carrick laut nach, als er sich an die Opfer erinnerte, die sie vor den Außenmauern der Kathedrale gesehen hatten. »Die Schwestern müssen den Xenos einen ordentlichen Kampf geliefert haben.« In dem Moment, da er diese Worte aussprach, erinnerte er sich daran, wer ihm gegenüberstand und sah auf. Sile würdigte ihn keines Blickes, sondern betrachtete einzig und allein die weiten Mandalas auf dem Boden der Kathedrale. »Na, der wird sich im Grab umdrehen, wenn er erfährt, dass die Imperiale Armee die Kirche vor den Grünen erreicht hat«, murmelte Balgor, bezogen auf den irren Ekklesiarchen. Carrick stellte fest, dass sich ein breites Grinsen auf Ekkos Gesicht gestohlen hatte. »Oh, ja«, stimmte der Colonel zu. »Sehr sogar.« Ligrev neben ihm konnte sich ein Grinsen gerade noch verkneifen, runzelte stattdessen die Stirn. »Also waren die Signale, die wir aufgefangen haben, von Ihnen?« Ohne Frage hatte der Kommissar einen wahnsinnigen Respekt vor den gewaltigen Golems aus Ceramid. Hätte Carrick es beschwören sollen, hätte er sogar von regelrechter Angst gesprochen. Interessant, bedachte man das Verhalten, das er den Schwestern des Adeptus Sororitas entgegenbrachte. »In der Tat«, stellte der Marine fest und riss Carrick aus seinen Grübeleien. »Nachdem der Kontakt zu sämtlichen mit uns auf dieser Welt eingesetzten Einheiten abgebrochen war, haben wir uns hier eingegraben, um gemäß unseren Befehlen die restlichen hier befindlichen Relikte zu bewachen. Allerdings empfingen wir vor wenigen Tagen die verstümmelten Funksprüche anderer Truppenverbände und haben daraufhin versucht, mit diesen Einheiten Kontakt aufzunehmen.« »Scheint geklappt zu haben«, bemerkte Ekko und wandte sich um. » Nun gut. Damit dürfte feststehen, dass diese Kathedrale vorerst geeignet zu sein scheint, um uns als Basis zu dienen. Major«, wandte er sich an Carrick, »Sie organisieren die Errichtung unserer Stellungen außerhalb und innerhalb der Stadtmauern. Der dritte Ring wird durch das Munitorium und die nicht kampffähigen Fahrzeuge besetzt. Stellen Sie mit den Captains einen Defensivplan auf und organisieren Sie die weitere Durchsuchung der Basilika. Legen Sie mir die Ergebnisse so bald wie möglich vor.« Carrick nickte. »Verstanden, Sir. Ich werde es sof...« »5120100, hier 0072 Azrael. Eine Nachricht für Colonel Ekko«, bellte eine metallene Stimme, noch bevor es jemand hätte verhindern können, ihre Nachricht ins Innere der Halle. Die konzentrierte Atmosphäre der Besprechung zerbrach, durch die unerwartete Störung vollkommen aus dem Gleichgewicht gebracht. Alle Augen wandten sich Gireth zu, der nun plötzlich vollkommen allein auf der Kirchenbank saß und erschrocken zurückstarrte. Carrick registrierte, dass das Sprechgerät des Tornisters, mit dem der Soldat gerade noch gespielt hatte, nun an der Schnur baumelte, die es mit dem Funkgerät verband. Offensichtlich hatte Gireth es vor Schock fallen lassen. Rahael war aufgesprungen und lehnte mit entgeistertem Gesicht an der direkt neben der Bank aufragenden Säule. Augenscheinlich hatte er durch den eingehenden Spruch einen Heidenschreck bekommen, der erst langsam wieder verklang. »Ich … ich«, begann der junge Funker, schluckte hart und setzte neu an. »Es tut mir leid, Sir. Ich hatte die Lautsprecher vollkommen vergessen.« »Das haben wir gehört«, erwiderte Ekko trocken und maß den Soldaten mit milden Blicken. Carrick bewunderte die Ruhe, mit der Ekko solche Fehler abnahm. Es zeugte davon, dass der Colonel erkannte, welche Männer gute Arbeit leisteten und nur noch ein wenig Feinschliff benötigten. Er war sich nicht sicher, ob er in derselben Situation ähnlich gehandelt hätte. Immerhin klopfte ihm das Herz noch immer bis zum Hals. Vermutlich hätte er den Funker in einem plötzlichen Wutausbruch aus der Kathedrale geweht. »Also, Gireth?«, fragte der Colonel erwartungsvoll. »Die Nachricht?« Natürlich! Carrick hatte sie über den Schreck vollkommen vergessen. Gireth offensichtlich auch, denn er versuchte in großer Eile, das Sprechgerät an der Schnur zu greifen, was übermäßig albern aussah. Carrick konnte sich lebhaft vorstellen, wie die riesigen, ausdruckslosen Hünen, deren Panzerungen die Kathedrale dominierten, hinter ihrem Helmen über den törichten Menschen lachten, der es nicht schaffte, eine derart einfache Aufgabe gewissenhaft auszuführen. Allein dafür hätte Carrick ihn vor versammelter Mannschaft in die Luft geschossen. Ekko jedoch wartete lediglich darauf, dass sich Gireth wieder sammelte. Einen Moment später bekam der junge Funker das Sprechgerät zu fassen und drückte die Mikrofontaste. »0072 Azrael, hier 5120100, ich höre. Welche Nachricht haben Sie für den Colonel?« Die Antwort ließ einige Herzschläge auf sich warten. Offensichtlich überlegte der Überbringer sich gerade genau, was er sagte. Ein Anzeichen, das Carrick überhaupt nicht gefiel. »General Iglianus fordert Sie auf, sich sofort bei ihm zu melden. Er scheint ziemlich wütend zu sein«, informierte sie die Stimme schließlich. »Ach, verdammt und verwünscht!«, rief Ekko aus und schlug sich in plötzlicher Selbsterkenntnis an den Kopf. »Iglianus! Den hatte ich ganz vergessen.« Die Blicke sämtlicher anwesender Imperialer schossen zum Colonel. Die Besorgnis der Offiziere war nicht zu übersehen. Wenn Iglianus sich meldete und ohne Frage äußerst ungehalten über den Fortgang ihrer Operation war, dann bedeutete das eine gewisse Gefahr für das 512. Wenigstens konnte der Kommandeur des Regiments irgendwo noch einen gewissen Humor in der ganzen Angelegenheit finden. (Und dabei war er es gewesen, der am Schwersten von ihrer neuen Aufgabe getroffen worden war. Mochte der Gott-Imperator verstehen, was zurzeit in Ekko vorging.) Carrick warf einen kurzen Blick zu Kolwa Ligrev, der sich ein fast ekstatisches Grinsen nicht verkneifen konnte. Den Kommissar amüsierte ihre Lage offensichtlich auch sehr. Ohne Frage, denn bisher war er mit seinen Versuchen, Ekko und den Kommandostab zu untergraben, kläglich gescheitert. Höchstwahrscheinlich rechnete er sich nun bessere Chancen aus. Als der blonde Basteter seinen Blick von Ligrev abwandte, trafen seine Augen die von Ekko. In ihnen konnte Carrick sehen, dass der Colonel ähnliches dachte und sich daraufhin entschieden hatte, dem General nicht noch mehr Angriffsfläche zu bieten. Fast lautlos ging das Kommando über die Situation an den Major über, als sein Vorgesetzter den Space Marines zunickte, sich abwandte und, den jungen Funker Gireth vor sich, die Gruppe in Richtung Haupttore der Kathedrale verließ. Die Männer und Sile folgten ihm mit ihren Blicken und machten sich ihre eigenen Gedanken zur Lage. »Vielleicht will der General nur wissen, wo wir bleiben«, dachte Balgor laut nach. Er nahm es niemandem übel, als nicht über seinen Versuch eines Witzes gelacht wurde. *** Die Nacht begann bereits, sich in die orange-roten Schlieren des nahenden Morgens aufzulösen, die bereits ab und an die pausenlos flackernden Entladungen heftiger Artillerieschläge verschlangen, als am südwestlichen Himmel die fahlen Lichter sich nähernder Flugzeuge auftauchten. Eine ganze Front von ihnen hielt auf die Himmels-Kathedrale zu. Das heiße Kreischen, Fauchen und Jaulen ihrer Turbinen ließ die Luft beben. Bodentruppen des 512. Regiments hatten noch in der Nacht damit begonnen, den matschigen Vorplatz der Himmelskathedrale zu räumen, auf dem mindestens zwei Dutzend der Ungetüme Platz fanden. Bedachte man nun, dass das gesamte Umfeld der Kathedrale derartige Ausmaße besaß, war es unschwer sich vorzustellen, wie viel Platz ihnen zur Verfügung stand. Die Einheiten, die in Formationen aus Dreier- und Fünfergruppen anflogen, bildeten kompliziert erscheinende Muster, während sie ihren Kurs um wenige Grad korrigierten, um die Kathedrale in ihrem Vektor direkt zu treffen. Fast hätte man sie für eine lebende, sich windende Kreatur halten können, die sich ihnen unaufhaltsam näherte. Prioris Leitis Sile stand wortlos am Rand des riesigen Platzes, auf dem sich bereits Truppen eingefunden hatten, welche die ankommenden Transporter schnellstmöglich entladen würden, und beobachte die imperialen Soldaten bei ihren Vorbereitungen. Sie wirkten müde und abgekämpft, demotiviert und frustriert. Sile konnte es ihnen nicht verdenken, auch wenn sie dank ihrer Ausbildung und ihres Glaubens wenig Verständnis für derartige Empfindungen hatte. Die Imperiale Armee wusste es nun einmal nicht besser. Ferner Geschützdonner rollte über die Ebene. Kurze, heftige Schläge folgten. Zeitversetzt flackerte neuer Feuerschein in der Ferne auf. Die Luftfahrzeuge waren inzwischen ein ganzes Stück herangerückt und ließen erkennen, dass sie Einheiten der imperialen Flotte waren, schnelle Senkrechtstarter, die alle vom Standard-Technologie-Konstrukt ‚Walküre†˜ abstammten. Die Standard-Technologie-Konstrukte, kurz STK, stammten allesamt aus dem dunklen Zeitalter der Technologie, waren also tausende von Jahren alt, und nur dank ihres Vorhandenseins konnte sich das Imperium überhaupt gegen die Flut der sie angreifenden Mächte verteidigen. STKs waren meistens Baupläne, vielfach aber auch ganze Fabriken, in denen die Herstellung der mächtigen Maschinen sofort begonnen werden konnte, sobald die Anlagen mit Energie und Rohstoffen versorgt wurden. Sie bildeten den einzigen noch existenten Bezug der Menschen zu den längst vergessenen Technologien der Vergangenheit, die in den gewaltigen Bränden früherer Konflikte untergegangen waren. Ohne sie gab es keinen Fortschritt, keine Entwicklung und auch mit der Hilfe dieser Maschinenzaubereien konnten sich die Untertanen des Imperators nur so weit entwickeln, wie es die Konstrukte ermöglichten. So kam es zum Beispiel, dass der Leman Russ, wie er in seinen unterschiedlichen Varianten als Hauptkampfpanzer der Imperialen Armee existierte, seit über tausend Jahren unverändert gefertigt und in den Dienst geworfen wurde, ohne jemals eine Form von Kampfwertsteigerung erhalten zu haben. Die stahlgrauen Augen der Sororita verfolgten den Anflug der imperialen Luftfahrzeuge und maßen ihre Formen mit den Erinnerungen, die sie an imperiale Kampffahrzeuge hatte. Den Kern und zugleich größten Teil der ankommenden Senkrechtstarter bildeten Einheiten vom Typ Walküre und Vendetta, schnelle Sturmtransporter, die sich sichtbar nur durch die Hauptbewaffnung unterschieden. Während die Walküren mit Flugkörpern und Raketenpads ausgerüstet waren, hatten die Vendettas eine ganze Batterie an Laserkanonen, mit denen sie einen Feuersturm gegen feindliche Fahrzeuge entfesseln konnten. Lastentransporter, genannt Sky Talons, mit der charakteristischen Form einer zerquetschten Walküre und beladen mit untergehängten schweren Containern, stationären Verteidigungskanonen und anderen Gütern, stachen vereinzelt aus der Masse der ankommenden Flugmaschinen hervor. Begleitet wurden diese Einheiten von Vulture-Kanonenbooten, ebenfalls Abkömmlinge des STK Walküre. Durch ihr gewaltiges Triebwerk, das den Platz des Truppenraums der Sturmtransporter beanspruchte, mit den Vorteilen großer Leistungsfähigkeit ausgestattet, stellten die Kanonenboote die nahe Feuerunterstützung der vorrückenden Bodentruppen und konnte ebenfalls gegen feindliche Kanonenboote und Flugzeuge eingesetzt werden. Das Vibrieren, das die Vielzahl von Triebwerken in der Luft verursachte, übertrug sich inzwischen auch auf den Boden. Sile spürte, wie ihre Füße sogar noch im Schutz der schweren Rüstung kribbelten, als die Armada von Senkrechtstartern über sie hinweg donnerte. Direkt über der Kathedrale zerbrach die Formation und löste sich in mehrere weite Schleifen auf, in denen sich die Senkrechtstarter zu Anflugstaffeln gruppierten, um dann aus allen vier Himmelsrichtungen zum Kern der Makro-Kathedrale zurückzukehren. Die ersten Transporter begannen bereits den Sinkflug auf die provisorisch eingerichteten Landefelde, wo sie erwartet wurden. Infanteristen und Einweiser des Munitoriums wiesen die großen Flugungeheuer ein, deren mächtige Schubtriebwerke kreischend Steppensand fortbliesen. Urplötzlich war das Umfeld der Kathedrale in eine Wolke aus feinem Staub gehüllt, der in der Luft zu vibrieren schien. In dem Moment, da die erste Walküre auf den Boden sank und der Frachtoffizier die Seitentüren aufschob, wurde die Maschine schon durch Bodentruppen des imperialen Regiments belagert, die gleich einer marodierenden Bande anfingen, den Sturmtransporter auszuräumen. Dann folgte die zweite Maschine. Je mehr Luftfahrzeuge landeten, umso mehr Infanteristen tauchten mit einem Mal aus allen Richtungen auf, um die Flieger zu entladen. Sile verfolgte, wie eifrige Soldaten schwere Kisten aus den Senkrechtstartern holten und sie zu großen Stapeln abseits des Landefelds auftürmten. Über ihnen heulten die Triebwerke der imperialen Kanonenboote, die in weiten Schleifen um die Kathedrale schlichen und versuchten, jede mögliche Bedrohung früh genug zu entdecken, damit sie diese mit ihrer geballten Macht vernichten konnten. Kreischend erhob sich eine der Vendettas wieder in die Luft, drehte über ihre Backbordseite weg und tauchte dann in den zunehmend blauer werdenden Himmel. An ihre Stelle trat eine neue Einheit, ein Sky Talon-Lastenträger. Das große Fluggerät balancierte auf seinen Schubtriebwerken wie ein Jongleur mit einer schweren Last auf einem Drahtseil, als der Pilot die Maschine in eine vom Einweiser des Munitoriums angezeigte Position brachte. Ruckend lösten sich die großen Transportklammern. Mit einem dumpfen Poltern setzte der große Sky Talon seine Last auf den Boden, verharrte einen Augenblick über dem großen Container und erhob sich dann wie ein majestätischer Raubvogel zurück in seinen natürlichen Lebensraum. Eine Walküre folgte ihr kreischend. Sile genoss den Lärm, die professionelle Unruhe als Zeichen wahrer Hingabe an den Imperator. Diese Männer gingen ihren Aufgaben nach, als wären sie Gebete, mit denen sie Ihn priesen. Beinahe beschämt dachte die Sororita daran, dass sie in den Tagen, seitdem sie wieder erwacht war, kaum Zeit zum Beten gefunden hatte. Sie entschied, dieses unverzeihbare Versäumnis sobald wie möglich nachzuholen. Plötzlich geriet die Umgebung in Aufregung. Es war nicht die professionelle Unruhe des Arbeitens. Nein, vielmehr erschien es ihr, als wenn die Soldaten in ihrer Konzentration gestört worden waren und nun strauchelnd versuchten, sich wieder zu fangen. Männer, die zuvor noch unermüdlich angepackt hatten, hielten auf einmal inne, sahen sie furchtsam an und begannen zu flüstern. Sile runzelte die Stirn ob der Tatsache, dass sie plötzlich im allgemeinen Interesse der Umstehenden stand, bis ihr aufging, dass gar nicht sie gemeint war. Vielmehr erfassten die Blicke der Imperialen den gewaltigen Körper, der wie aus dem Nichts plötzlich neben ihr aufgetaucht war. Sile sah ihn an. Es war Sergeant Numitor, der Truppführer der Space Marines. Numitor war ein gewaltiger Golem, bald so breit wie hoch und mit dem einschüchternden Panzer der Servorüstung geschützt. Der Panzerkörper trug die Farben seines Ordens, den Revenge Angels: einen schwarzen Corpus mit dunkelblauen Beinen und dunkelblauem Helm, sowie weiße Schulterplatten, die von einer ebenfalls dunkelblauen Umrandung eingefasst wurden. »Willkommen, Bruder«, begrüßte die Schwester den monströsen Space Marine, dessen linke Hand in einer gewaltigen Energiefaust steckte. »Pioris Sile«, grüßte er zurück und betrachtete die Soldaten, die nun von Offizieren angeschrien und zurück zur Arbeit gestoßen wurden. »Wie ich sehe, plant die Imperiale Armee tatsächlich, diesen Ort zu ihrem Stützpunkt zu machen.« »Ja«, bestätigte die blonde Ordensschwester seufzend. »Sie wissen gar nicht, was sie sich damit antun. Ihre Verluste werden schrecklicher sein als das, was wir bisher erlitten haben.« Sie warf einen Blick zu dem Astartes und musterte das Ordenszeichen auf seiner rechten Schulter, einen Edelstein in Form einer Träne, unter dem sich ein stilisiertes Schriftband befand. Eine Träne. Im Angesicht ihrer Verluste auf makabere Weise passend. Ungemein passend. Der Orden der Revenge Angels war klein und gehörte zu einer inzwischen gemordeten Welt, deren Namen sie vergessen hatte, und deren Überreste irgendwo im All trieben, weit ab von den meisten der anderen Welten des Imperiums. Dass sich ein Trupp des Ordens überhaupt hier befand, war nur der Tatsache zu schulden, dass die Revenge Angels eine ihnen wichtige Tradition besaßen: Sie unternahmen Pilgerreisen, deren einziges Ziel es war, eine Schreinwelt zu erreichen und während der Reise so viele Ketzer, Mutanten und Xenos zu töten, wie sie finden konnten. Und alle Verluste, die sie dabei erlitten, wurden geehrt und gepriesen, indem die Marines noch mehr Feinde töteten. Allerdings hatte wohl keiner von ihnen damit gerechnet, dass es jemals Imperiale sein würden, die einen der ihren vernichteten. Sile konnte sich sehr gut vorstellen, wer den Space Marine erledigt hatte und insgeheim war sie sogar ein wenig beeindruckt, denn einen der gepanzerten Hünen erschoss man nicht einfach so zwischendurch. Dass die Space Marines das nicht so sahen, verstand sie jedoch genauso gut und sie vermutete, dass auch sie eine unbändige Wut erfasst hätte, wäre eine ihrer Schwestern getötet worden. Numitor regte sich um kein Stückchen, während er die Worte der Schwester beantwortete: „Wir werden Bruder Meridus ehren und um ihn trauern, wie es unsere Tradition ist.« Ein finsteres Lächeln stahl sich in das Gesicht der Prioris, als sie die Worte des Space Marine vernahm. »Ihre Tradition, Bruder Numitor?« »Wir werden seinen Mörder finden und ihn zerfetzen.« »Ich bin beeindruckt«, bemerkte die Sororita und strich sich mit der gepanzerten Hand ihrer Servorüstung über den Pferdeschwanz ihres Haupthaars. »Welch Ehre für ihn.« »Ihr Zynismus ist unangebracht«, bemerkte der Astartes ungerührt. »Jeder Bolterschuss wird durch die Aufzählung der Taten unseres Bruders begleitet und ihn somit ehren.« »Das dürften eine Menge Schüsse sein«, stellte die Schwester an der Seite des Hünen fest. »Ich halte die Verschwendung von derart viel Munition für eine schwer verzeiliche Ehrlosigkeit gegenüber den hohen Zielen des Imperators.« »Ich verstehe«, antwortete der Sergeant. Damit schwiegen sie und ließen die Umgebung wieder zu Wort kommen, was diese eifrig wahrnahm. Kreischen, Heulen und Brüllen landender und startender Maschinen umfing sie, ging einher mit dem dumpfen Poltern schwerer Kästen und Container, die den Boden berührten und dem Rufen und Schreien der imperialen Soldaten. »Lasst mich einen Vorschlag machen, Bruder Sergeant«, erhob Sile ihre Stimme, nachdem sie einige Zeit schweigend neben dem Astartes gestanden hatte. »Ihr werdet den wahren Mörder Eures Bruders sicherlich niemals finden. Keiner weiß, wer es war und mich beschleicht das dumpfe Gefühl, dass sich auch niemand freiwillig melden wird.« Auch, wenn die Schwester wusste, dass die schweren Helme der Space Marines aus Ceramid bestanden, ähnlich denen der Schwesternschaft, und damit vollkommen unbeweglich waren, erfasste sie dennoch das unheimliche Gefühl, die stilisierten Augen des Superkriegers hätten sich verengt, als er ihr finster antwortete: »Und was schlagt Ihr vor, Schwester Sile?« »Bündelt Eure Kraft, Bruder! Lenkt Euren Zorn! Wir haben einen Feind, den zu bekämpfen oberste Priorität hat. Ihr ehrt Euren Bruder am Ehesten, wenn Eure Wut den Zorn des Imperators unterstützt, unsere Feinde zerschmettert und so die Taten Eures Bruders in Erinnerung bleiben.« »Das wird meinen Brüdern nicht gefallen«, dachte der Space Marine nach. »Sie wollen Rache.« »Und sie werden ihre Rache bekommen!«, schwor Sile. »Doch an wem wollt Ihr Euren Blutdurst stillen? Wer ist dafür verantwortlich? Das werdet Ihr nie erfahren.« »Und wenn wir diese ganze Armee auslöschen!«, erwiderte der Marine. »Wir werden den Mörder zur Rechenschaft ziehen.« Sile seufzte. Das Adeptus Sororitas lehrte den glühenden Zorn auf die Feinde des Imperators, die unbändige Wut, sie zu zerschmettern und das tödliche Wissen, ihre Leiden ins Unermessliche zu steigern. Doch es lehrte auch, dass es manchmal reichte, die Wut, die man auf jemanden verspürte, in andere Bahnen zu lenken und sie sich zunutze zu machen. Denn jede Energie, die man auf eine persönliche Vendetta verschwendete (bei diesem Gedanken warf sie einen Blick auf die startenden Senkrechtstarter), war Energie, die dem Ziel des Imperators nicht zur Verfügung stand. Daher wurden die Schwestern gelehrt, ihre Wut zu kontrollieren und sie zu richten. Offensichtlich besaßen die Space Marines diese Fähigkeit nicht. Genmanipulierte Schläger ohne Hirn und Verstand. Der Imperator beschützte! »Also gut«, setzte die Schwester neu an. Ihr lag nicht wirklich etwas an den imperialen Soldaten, aber sie wusste, dass die Männer ihre einzige Chance waren, diesen Kampf zu überleben und ohne die Rückzugsmöglichkeit der Kathedrale hatten die Truppen der imperialen Armee keine Chance, gegen die Masse der Orks anzukämpfen, die diesen Planeten längst überrannt hatten. Es gab keine Hoffnung für Agos Virgil. Und wenn es nicht gelang, die Xeno-Streitmacht zu besiegen, dann gab es auch keine Hoffnung für mehr für jene, die noch lebten. Deshalb war es wichtig, ihre ganze Wut und ihren Hass auf den Feind zu konzentrieren, nicht auf einzelne Fehden. »Dann sagt ihnen, dass ihre Rache wird warten müssen, bis der Feind an diesem Ort besiegt ist. Es ist unnütz, sich auf andere Dinge zu fokussieren, denn so sinken Konzentration und Kampfkraft. Wenn der Feind besiegt ist und Ihr noch immer den Wunsch verspürt, Euren Bruder zu rächen, dann tut es. Aber nicht vorher. Das dient weder dem Imperium, noch dem Imperator«, erklärte sie. »Ich denke, meine Brüder werden diesen Standpunkt verstehen«, stellte der Astartes mit seiner tiefen metallenen Stimme fest, deren Klang auf Siles Haut den steten Schauer einer körperlosen Berührung zurückließ. Es war ein angenehmes Gefühl, das in ihr die Lust auf körperliche Befriedigung wach rief und sie fragte sich unwillkürlich, ob der Imperator wohl etwas dagegen gesagt hätte, wenn sie sich mit dem Superkrieger vereinigte. Es dauerte einen Augenblick, diesen durchaus erotischen Gedanken zu bekämpfen und das aufbegehrende Gefühl hemmungsloser Lust zurückzudrängen, das sie zu überfallen drohte. Sie schwieg eine ganze Weile und beobachtete, wie die Transporter landeten, entladen wurden und dann wieder abhoben, während ihr Innerstes mit sich selbst ausfocht, welcher Macht sie nun nachgeben wollte: den Trieben der Natur oder ihrem Eid an den Imperator. Es fand zu keiner Einigung, sondern merkte viel eher an, dass das eine das andere nicht ausschloss. »Sie werden keine Chance haben«, stellte der Marine fest und riss sie aus ihren Überlegungen. Für einen Moment lang war die Schwester verwirrt, dann jedoch fing sie sich. Natürlich meinte er die Imperiale Armee. »Nein, natürlich nicht«, erwiderte Sile, als sei dem Superkrieger erst jetzt eine offensichtliche Tatsache aufgefallen, die sich alle anderen bereits vor Wochen ausgerechnet hatten. »Aber sie werden dennoch kämpfen, gerade weil es ihnen so befohlen wurde und ihr Glaube an den Imperator unendlich ist.« »Normale können niemals wahre Diener des Imperators sein«, brummte Numitor verächtlich. Sile lächelte finster. Wenn man es genau betrachtete, war auch sie, was der Space Marine als »Normale« bezeichnete. Tatsächlich sahen viele Space Marines die nicht manipulierten Menschen als niedere Lebewesen an, die sie lediglich duldeten, weil sie auf der gleichen Seite kämpften, aber die ihnen in jeder Hinsicht unterlegen waren. Aber vermutlich war das eine Eigenart, die sich jeder, der den wahren Dienst für den Imperator zu verrichten glaubte, erlaubte. Bisweilen ertappte sie sich sogar selbst dabei, in diesen Bahnen zu denken, was ihr immer wie ein gewisses Maß an Häresie vorkam und zumeist in Demut und Selbstgeißelung endete. Leitis Sile wollte sich nicht der Arroganz hingeben, zu glauben, sie sei allen anderen Dienenden überlegen. Und wenn das doch geschah, dann war sie ohne Umschweife bereit, sich selbst zu bestrafen. »Habt Ihr es geschafft?«, fragte der gewaltige Hüne aus Ceramid unvermittelt. Die Sororita sah überrascht auf, als er so unerwartet das Thema wechselte, dann jedoch verstand sie und nickte finster. »Ja, es ist uns gelungen. Aber ich habe dabei alle meine Schwestern verloren.« »Ich verstehe.« Die stilisierten Augen des Astartes wandten sich der aufgehenden Sonne zu. »Der Imperator wird sich ihrer annehmen.« »Dafür werde ich beten«, dachte die Sororita laut. Dann schwiegen sie und beobachteten, wie ein imperialer Offizier mehrere Soldaten anschrie, die einen Berg Kisten so überladen hatten, dass dieser zusammengestürzt und Werkzeug aus zerbrochenen Kisten auf den matschigen Boden gefallen war. Die Sororita und der Astartes ließen die Szene einfach geschehen und verfolgten, wie die imperialen Soldaten sich abmühten, den angerichteten Schaden zu beheben. Es dauerte eine ganze Weile, bis der Marine sich dazu entschied, den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen. Seine dunkle, metallene Stimme klang so weich wie teilnahmslos. »Weiß er es?« »Nein«, erwiderte Sile und verschränkte die Arme vor der Brust, als sie verstand, dass er von Colonel Ekko sprach. »Und ich denke auch nicht, dass er es jemals erfahren wird.« Numitor nickte gewichtig. »Was geschieht nun?« »Nun ist es unsere Pflicht, diesen Ort des Imperiums mit aller uns zur Verfügung stehenden Macht zu verteidigen, um der Bedrohung durch die Orkoiden ein für alle Mal ein Ende zu bereiten.« »Die Revenge Angels werden mit Ihnen kämpfen, Schwester Sile«, bekräftigte der gepanzerte Riese. Die Sororita lächelte finster. »Ich danke Ihnen, Sergeant. Ich weiß das zu würdigen.« »Ist das nicht toll?«, rief ihr eine bereits vertraute Stimme zu. Sile wandte den Kopf und entdeckte Ekko, der mit großen Schritten am Platz entlangging und dabei scheinbar Selbstgespräche führte. Es dauerte eine Weile, bis die Schwester erkannte, dass er mit seinem Funker redete, der beinahe Laufen musste, um mit ihm Schritt zu halten. »Das ist wie im Urlaub: Sonne! Sand! Lärm! Und das Wasser finden wir auch, nur ein paar Ebenen tiefer!« Er wirkte freudig, fast ekstatisch, was wohl kein gutes Zeichen war. Soviel hatte Sile während ihrer paar Tage beim Regiment bereits herausgefunden. Das konnte sie nicht verstehen. Jemand, der mit derart viel Hingabe und Begeisterung seinen Dienst für den Imperator erfüllte, hätte eigentlich von allen Menschen respektiert und geehrt werden müssen. Doch so war es leider nur in den wenigsten Fällen. Die meisten dieser wahren Diener gingen im Meer der Masse unter, wurden vergessen und vergingen wie ungehörte Stimmen im Sturm. Und die, denen es vergönnt war zu überleben, wurden als Verrückte abgetan. Nur die wenigsten unter ihnen wurden zu gepriesenen Helden, wie es eigentlich jedem dieser Soldaten des Imperators hätte angedeihen sollen. »Dieser Colonel ist ein interessanter Mensch«, bemerkte der Marine, während er dem Weg der beiden Imperialen mit seinen Augen folgte. Aus seiner Stimme konnte man Verwirrung heraushören, was Sile an ihre eigene erste Begegnung mit Ekko erinnerte. Dort hatte sie den Colonel ebenfalls für einen Irren gehalten. Aber inzwischen erkannte sie, dass das nicht stimmte. Ekko war nicht verrückt … da war mehr. Es war eher wie das Aufblühen eines sterbenden Sterns. Ein heißes Flackern, das seine Umgebung erhellte und erleuchtete, bis sich seine Quelle unter dem Gewicht seiner eigenen Lasten selbst zerstörte. Sie hatte bereits mehr als genügend tapfere Menschen †“ Männer wie auch Frauen †“ gesehen, denen es so ergangen war. Sie hatten sich mit ihren Pflichten selbst überladen und waren daran zerbrochen. Und nun stand sie hier und erlebte den Zerfall eines solchen Menschen mit. Es konnte kein Zufall sein, dass sie mit Ekko zusammengetroffen war. Es musste eine Fügung sein, wie sie nur der Imperator initiierte, um seine wahren Diener zu schützen. Und sie würde dem Imperator dienen. Sie würde Ekko beschützen †“ selbst, wenn es ihr Leben kostete. »Das stimmt«, pflichtete die Sororita den Worten des Astartes bei. »Der Imperator muss ihn berührt haben.« »Sind Sie sich sicher, dass der Imperator ihn berührt hat?«, fragte der Marine mit einem Kopfnicken in die Richtung, in der die beiden Imperialen aus ihrem Blickfeld verschwunden waren. Der Zweifel in seiner mächtigen Stimme ließ Siles Körper selbst noch in ihrer Servorüstung vibrieren. »Ja«, antwortete die Prioris und verschränkte die Arme unter der Brust, während sie ihre Augen auf den Platz richtete. »Anders weiß ich mir nicht zu erklären, wie er so lange überleben konnte.« Das kann ich mir wirklich nicht erklären. Aber jetzt, Galard Ekko, bin ich bei dir. Du musst dich nicht mehr fürchten.
  5. *** »Bereit machen!« Der Frachtoffizier packte den Griff der gepanzerten Seitentür und hielt ihn einen Augenblick lang einfach fest. Das schwere Schlingern des Transporters, dessen unruhig heulende Turbinen mit einen machtvollen Gegner rangen, schien den Mann überhaupt nicht zu stören. Ekkos Magen tanzte in wilden Kapriolen und ließ den Würgreiz im Kopf des Colonels Mal um Mal aufbegehren, doch stets schaffte er es gerade so, das Gefühl soweit zu unterdrücken, dass er zwar angespannt, aber nicht schlecht aussah. Ganz anders Gireth und Rahael. Gireth, der junge Funker, dessen Gesicht bereits bei einer schlingernden Fahrt in einem Kommandopanzerwagen eine gefährlich grüne Färbung annahm, erinnerte inzwischen mehr an einen toten Ork als einen gesunden Menschen. Rahael neben ihm war kalkweiß geworden. Kein Wunder. Immerhin war er erst vor wenigen Tagen mit einem Sturmtransporter abgestürzt. Jetzt mit einem anderen, ebenso instabil fliegenden Senkrechtstarter während eines Gewittersturms in die Luft zu steigen, war nicht gerade das, was Ekko an seiner Stelle hätte tun wollen. Balgor und seine Männer, wenn auch selbst leicht blass, warteten dagegen stumm auf das Erreichen des Kathedralendachs. Ein heftiger Blitz flackerte durch die Sichtschlitze der Seitentüren. Schwerer Donner erschütterte die Maschine. Der Frachtoffizier presste sich die Kopfhörer an die Ohren. Einen Moment später schrie er eine Bestätigung in sein Mikrofon. Die Seitentür ließ er noch immer nicht los. Das Licht an der Tür, das normalerweise als Informationsgeber für Sprungtruppen bei Absprüngen mit Gravschirmen gedacht war, flackerte in kaltem Rot auf. Der Frachtoffizier wandte sich ihnen zu. »Touchdown in zehn!«, schrie er. »In zehn!«, schrien sich die Männer gegenseitig an und gestikulierten die Zahl mit ihren Händen. Die Walküre machte einen heftigen Satz. Das Rütteln nahm zu. Rahael wurde noch weißer. Ekko verfolgte, wie der Frachtoffizier die gepanzerte Tür mit einem Ruck zurückzog. Plötzlich floh sämtliche Wärme aus dem Truppenraum. Eisigkalte Luft stürmte herein. Im Gleißen eines weiteren Blitzes konnten Ekko die Massen an Regen sehen, die aus dem Himmel auf die toten Ebenen von Agos Virgil stürzten. Wie ein Geisterhaus ragte die Himmels-Kathedrale in den stürmischen Nachthimmel. Heftiger Donner erschütterte die Umwelt. Die Walküre machte einen wilden Sprung. Unruhig heulten die Turbojets. Aus dem Dunkel tauchte das Beinhaus auf und kam rasend schnell näher. »Achtung, Aufschlag!«, schrie der Mann an der Seitentür die Warnung vor einer harten Landung. Seine Stimme ging beinahe im Dröhnen der anderen Geräusche unter. »Achtung, Aufschlag!«, brüllten die Soldaten sich gegenseitig an. Ekko spürte nur, wie ein unglaublicher Treffer seinen Körper erschütterte und sein Kinn bis aufs Knie trieb. Der Schlag ließ ihm die Zähne im Mund vibrieren und betäubte seine Ohren. Plötzlich sagen die Turbinen ein halbes Dutzend Oktaven höher. »Und raus!«, rief der Frachtoffizier. Ekko wuchtete sich hoch und sprang seinen Männern voran in die stürmische Nacht hinaus. Seine Stiefel fanden auf dem nassen Naturstein nicht sofort Halt, sodass er erst einige Zentimeter rutschte, bevor das Profil der Sohlen endlich griff. Schrilles Kreischen aktiver Turbojets begleitete ihn. Als er sich umwandte, konnte der Colonel die anderen Soldaten sehen, die aus der Walküre gesprungen waren. Heftiger Wind zerrte mit eisigen Klauen an ihnen und die Stiche tausender kalter, nasser Nadeln drangen durch ihre klamme Kleidung. Einzig Siles schwere Servorüstung hielt dem Kampf mit den Naturgewalten aus und ermöglichte es der Sororita, aufrecht stehenzubleiben und dem übermächtigen Feind zu trotzen. Sie wirkte so übermenschlich und unverwüstlich, so elementar wie eine Lebende Heilige, die sich herabgelassen hatte, ihnen auf ihrem Feldzug beizustehen. Und dafür hasste Ekko sie umso mehr. Die Walküre heulte auf und floh kreischend vom Dach, um irgendwo tiefer Schutz zu suchen. Ihre Abgase umstrichen die Männer heiß. Ein heftiger Knall ließ Ekko alarmiert herumfahren. Es war kein Donner gewesen. Die schweren Holztüren des Gebäudes waren in der Gewalt des brutalen Sturms gegen die steinernen Wände des umtosten Hauses gedonnert. Einige Sekunden lang krachten sie gegen die Wände, bevor sie wieder mit aller Macht zurückflogen und erst wieder von den ehernen Stoppern abrupt gebremst wurden. Ein weiterer, dröhnender Schlag wurde vom Wind fortgetragen. »Sie müssen im Beinhaus sein«, merkte Sile an. Ekko nickte zustimmend und ließ den Blick über seine Begleiter wandern. Rahael und Gireth kauerten, so dicht sie konnten am Boden, während Balgors übrige Männer einen improvisierten Verteidigungsring errichtet hatten und versuchten, dem Wind eine möglichst kleine Angriffsfläche zu bieten. Der Captain selbst schirmte seine Augen gegen die ihnen waagerecht entgegenkommende Regenwand ab und beugte sich vor, damit der heftig an seiner Kleidung reißende Wind ihn nicht in Richtung Abgrund stoßen konnte. Einzig Sile hatte den Kopf hoch erhoben und blickte ihn erwartungsvoll an. Ihre Rüstung wehrte die Gewalt des Wetters ab und die Masse der Panzerung hielt sie am Boden. Ihr Pferdeschwanz flatterte wild im Unwetter und Ekko fragte sich unwillkürlich, wann die Macht des Windes ihn wohl abreißen würde. Eine neue Böe trieb eine dichte Wand aus Regen vor sich her auf das Dach. In der Nähe ging ein heftiger Blitz nieder. Der dazugehörige Donnerschlag ließ die Plattform bis auf ihr Fundament erbeben. »Wenn wir noch länger hier oben bleiben, dann werden wir gegrillt!«, stellte Balgor vollkommen richtig fest. »Also dann«, schloss Ekko und zog seine Laserpistole aus dem Beinholster. »Wer möchte?« Mit einem kurzen Rucken des Kopfes deutete er auf die wild umher schlagenden Türen. Die Basteter blickten ihn erwartungsvoll an. Sile hob ihre Augenbrauen. »War ja klar, dass Sie mich wieder als Deckung nutzen«, brummte der Colonel und ging, die Laserpistole schussbereit erhoben, geduckt voran in das Gemäuer. *** Als sie den im Gang kauernden Trupp †“ oder besser, den kümmerlichen Rest dieses Trupps †“ entdeckten, konnte sich der Colonel eine Bemerkung nicht verkneifen. »Was?«, brachte Ekko ungläubig hervor. »Das sind alle?« Balgor hinter ihm pfiff tonlos. Sicherlich hatte keiner erwartet, dass nur noch so wenige von ihnen übrig waren †“ oder, dass überhaupt noch einige imperiale Soldaten lebten. »Rebis †“ wo ist der Rest Ihres Trupps?«, erkundigte sich der Offizier. Der hustende Corporal deutete auf den verqualmten Raum. »Alle da drin.« »Tot?« Rebis nickte matt und wurde von einem neuerlichen Hustenanfall erfasst. »Vermutlich.« »Wie geht es Ihnen, Krood?«, wandte sich Ekko an den Kasrkin. »Gut«, erwiderte der Sergeant. Blut war in seinem Gesicht geronnen und ließ ihn etwas ramponiert erscheinen. Die Klinge des Energieschwertes knisterte in blauweißem Schein. Ekko nickte verstehend. »Wer ist es und wie viele sind es?« Krood zuckte die Schultern. Sein Gesicht war, wie der Rest seiner Uniform und Panzerung, von Staub bedeckt, durch das Schweiß tiefe Rinnen gezogen hatte. »Wissen wir nicht.« »Sie können zu zweit gewesen sein, vielleicht aber auch zu zwanzigst«, fügte Rebis keuchend hinzu. »Und sie sind riesig.« Balgor seufzte. »Beim Thron von Terra. Das hört man gerne.« »Ich glaube nicht, dass das beabsichtigt war«, erwiderte Ekko. Kreischendes Jaulen einer im Flug befindlichen Walküre hallte durch die zerschlagenen Fenster des Raums in den Gang. Es knallte laut. Irgendjemand schoss auf den vor dem Fenster vorbeirauschenden Sturmtransporter. »Was, beim Barte des Propheten, geht denn da drin vor?«, flüsterte Rahael furchtsam. »Eindeutig Bolter«, stellte der cadianische Kasrkin neben ihm fest. Ekko nickte. Das Krachen der schweren Sturmwaffen war so charakteristisch, dass man es schnell erkannte und niemals vergaß. Laute Schritte trampelten durch den Gang. Weitere Infanteristen stürmten das Gebäude. Balgor wandte sich um und signalisierte den Männern, sich abzuducken und leise zu nähern. Noch während der Captain mit dem Bremsen seiner Trupps beschäftigt war, löste sich Sile aus der am Boden knienden Gruppe, schob sich an dem überraschten Ekko und Sergeant Krood vorbei und blieb an der von Treffern zerrissenen Gangwand stehen. Keiner der imperialen Soldaten war in der Lage, etwas zu dem energischen Auftritt der Schwester zu sagen. »Brüder!«, rief die Sororita in den Raum und wehte alle Geräusche mit der frischen Brise ihrer Stimme fort. »Ich bin Prioris Leitis Sile vom Orden des Gläubigen Geistes! Haltet ein mit dem Wahn. Für den Imperator!« Stille antwortete ihr, die nicht einmal vom Stöhnen und Wimmern verletzter imperialer Soldaten durchbrochen wurde, das ihnen vielleicht noch bewiesen hätte, dass es Überlebende gab. Ekko ließ die Hoffnung fallen, dass seine Männer überhaupt noch lebten. Sile wartete noch einen Augenblick, dann erhob sie sich schweigend und trat langsam, fast gemächlich, in die offene Tür. Erwartungsvoll lauschte Ekko in die entstehende Stille, die nur vom Schlagen ihrer Rüstungsstiefel durchbrochen wurde. Komm schon. Komm schon. Nur einen Bolterschuss. Nur einen. Und dann ein ersticktes Gurgeln. Komm schon. Aber das Universum hatte sich bereits entschieden, ihm selbst diesen kleinen Triumpf nicht zu gönnen. Ekko lauschte noch einen Moment länger in die Stille, dann folgte er ihr in dem Wissen, dass bei seinem Glück vermutlich auf ihn geschossen werden würde. Er lächelte. Selbst wenn, dann wäre das auch nicht besonders tragisch gewesen. »Na, dann wollen wir doch einmal sehen, was wir hier finden.« »Colonel«, flüsterte Rebis. »Seien Sie vorsichtig.« Ekko ignorierte ihn. Er hörte, wie Balgor ihm folgte und sich mit schussbereiter Laserpistole in der Hand aufrichtete, doch er beachtete es nicht. Dafür nahm die Szenerie vor ihm seine Aufmerksamkeit zu sein ein. Der Staub des heftigen Kampfes hatte sich gelegt und gab den Blick auf das Schlachtfeld frei. Wo ein einstmals reich verzierter Raum den Sarg einer Heiligen und ihre stumme Wache beherbergt hatte, sah es nun aus, als hätte ein Chaosdämon gewütet. Sämtliche Steinfiguren der Space Marines waren zerstört und in Trümmer aufgelöst. Es sah aus, als wären sie alle zugleich in einer mächtigen Explosion zerplatzt. Von kohärentem Licht gestanzte, faustgroße Löcher säumten die einstmals üppig verzierten Wände. Scherben zerbrochener und abgeplatzter Kacheln lagen, zusammen mit den Trümmern der gesprengten Steinfiguren, auf dem von Einschlägen hochenergetischer Laserwaffen übersäten Boden wie Steine in einer Kraterlandschaft. Blutspuren und abgesprengte Rüstungstücke zeugten davon, wer hier gegen wen gekämpft hatte, aber sie gaben keinen Aufschluss darüber, wer siegreich aus der Schlacht hervorgegangen war. Die sechs auf dem Boden liegenden Soldaten der imperialen Armee jedoch zeigten dies überdeutlich. Leise Schritte ertönten. Kasrkin rückten nahezu geräuschlos in den Raum vor, gefolgt von den restlichen Soldaten. Sie schwärmten sicher und schnell aus und nahmen Positionen ein, von denen aus sie ihre Offiziere sofort unterstützen und mit Feuer decken konnten. Doch das war gar nicht nötig. Auch, wenn der Raum vollkommen zerstört war, unmittelbare Gefahr schien ihnen nicht zu drohen. Ungläubig senkte der Colonel seine Laserpistole und halfterte sie. Dann trat er zu den bereits im Raum Anwesenden. Es waren insgesamt sechs, die noch standen. Ein weiterer, riesenhafter Körper lag gefällt neben einem der imperialen Soldaten, den Ekko nicht sofort erkannte. Sile stand inmitten des zerschlagenen Saals, gegenüber einem gewaltigen, in eine bunte Rüstung gehüllten Körper, der fast drei Meter neben der trotz ihrer eigenen Rüstung zierlich wirkenden Sororita aufragte. »Ich werd verrückt«, brachte Ekko hervor und musterte die riesenhafte, gepanzerte Gestalt, die ihn ihrerseits aus den eckigen, stilisierten Augen ihres Helms ansah. »Space Marines.«
  6. Hallo, Leute, hier kommt das nächste Kapitel. Ich habe versucht, es etwas hinauszuzögern, damit ich noch Zeit habe, ein nächstes Kapitel nachzuwerfen, um meine Reserven aufzufrischen, aber leider hat das nicht so ganz funktioniert. Von daher hau ich das Kapitel einfach rein. Aber ich habe noch ein paar^^ Nun aber viel Spaß beim Lesen! 15 Irgendwo in den Innereien der Stadt hatten Infanteristen die restlichen Generatoren gefunden. Mit dem Geräusch dumpfer Schläge sprang die Deckenbeleuchtung an und tauchte das Hauptschiff der Himmels-Kathedrale in unwirkliches Licht, das wie von einer fernen Sonne auf sie hernieder strahlte. Ekko musste für einen Augenblick die Augen zusammenkneifen, um sich an die prächtige Helligkeit zu gewöhnen, die ihn und seine Männer blendete. Nach der tiefen Düsternis, die sie seit ihrem Eintritt in die Kathedrale begleitet hatte, schmerzte das aufflammende Licht auf brutale Weise. Der Basteter knirschte mit den Zähnen, weil er gezwungen war, einige Sekunden zu warten, bis sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten. Und als er sie dann aufschlug, waren die sitzenden Toten das Erste, was in sein Blickfeld geriet. Wortlos betrachtete der Colonel die betenden Körper, welche, demütig geneigt, an den Außenseiten der Bänke saßen. Es mussten hunderte sein, die meisten von ihnen in teure Roben geworfen. Ekko erinnerte sich an die Worte des Kasrkin, der die Toten zuerst überprüft hatte. Ritueller Selbstmord. Ihre Gesichter konnte man zumeist nicht richtig erkennen, denn sie waren zusammengesunken und verbeugten sich vor der Größe des Gottimperators, aber es war für Ekko nicht schwierig sich vorzustellen, dass sie mit freudig erwartenden Gesichtern in den Tod gegangen waren. Das hier sah wirklich nach einer Art von rituellem Selbstmord aus. Es schien sogar, als wäre es mit aller gebotenen Disziplin durchgeführt worden. Die gespenstische Szene zu betrachten war unheimlich und Ekko wünschte sich in diesem Moment, das Licht wäre niemals eingeschaltet worden. Er wandte sich ab und versuchte, seinen Blick nicht mehr auf die Verschiedenen zu richten, geschweige denn an sie zu denken. Erst jetzt entfaltete die Kathedrale ihren wahren Eindruck auf ihn. Lautlos schlug der Anblick überragender Hingabe an das Imperium zu und lähmte den Colonel für eine Weile in stillem Erstaunen, auch wenn der Gedanke an die getöteten Körper noch immer irgendwo in seinem Gedächtnis umhergeisterte. Die Basilika selbst war im imperial-gotischen Stil errichtet. Lange, schlanke Säulen stützten das Kreuzrippengewölbe, dessen elfenbeinweiße Färbung das hell strahlende Licht reflektierte. Überwältigt blieb Ekko stehen und drehte sich um seine eigene Achse, um die gesamte Größe des Bauwerks zu bestaunen. Fresken von Kampf und Ehre säumten Wände und das gut dreihundert Meter über ihnen aufgespannte Deckengewölbe, von dem aus ein breiter Gang weiter hinaufführte in die Spindel und die Türme. Mächtige Buntglasfenster säumten die Flanken und das altarseitige Ende des Hauptschiffs. Der Fußboden bestand aus Marmor, auf dem sich die riesigen Linien gewaltiger Malereien abzeichneten, von Mosaiken und gotischen Mandalas. Ekko entdeckte Balgor, der bereits weitergegangen war und nun direkt vor einem goldenen Altar stand, in dessen Verlängerung eine gewaltige Statue einer Heiligen über den Innenraum der Kathedrale wachte, ein sakrales Buch in der einen Hand und ein mächtiges Schwert in den anderen. Die riesenhafte Steinfigur wirkte, als wäre sie mitten in der Bewegung eines Ritterschlags eingefroren und der Basteter, der vor ihr stand, schien von ihr besonders beeindruckt. Es dauerte einen Moment, bis Ekko sich daran erinnerte, dass Balgors Vater einst Steinmetz gewesen war. Der Captain konnte die Arbeit, die an diesen Mauern und Statuen geleistet worden war, also durchaus bewerten – und, seinen langsamen Bewegungen nach zu urteilen, schien er das auch zu tun. Ein Sergeant tauchte aus dem Portal zu einem der Nebeneingänge auf, die sich parallel der beiden Querschiffe links und rechts entspannen. Schnellen Schrittes ging er auf Balgor zu, trat vor den Altar, verneigte sich in tiefster Ehrerbietung vor der Heiligen, und erstattete dann eine Meldung. Balgor nahm sie mit ruhiger Stimme ab, die als fernes Flüstern durch den riesigen Raum säuselte, bevor er den Mann mit einem knappen Wink entließ. Schritte brandeten auf und verhallten, als der Sergeant herumfuhr und wieder in den Gang verschwand, aus dem er gekommen war. Ekko schloss zum Captain auf. Jetzt, wo das Licht angeschaltet war, fiel ihm auf, dass ihm das Gewitter draußen gar nicht mehr so unheimlich vorkam. Zwar grollte der Donner nach wie vor über sie hinweg, hallte durch das Innenschiff der Basilika und ließ Boden, Wände und Glas erzittern, aber die heftigen und gleißend hellen Blitze vermochten nicht mehr, das Licht der Basilika zu durchdringen. Ein Glück. Wenigstens jetzt fanden die Männer einen Augenblick Ruhe, auch wenn die Toten, von denen sie flankiert wurden, ihnen sicherlich gruselige Schauer über den Rücken jagte. Der Colonel notierte sich geistig, dass es dringend herauszufinden galt, was genau hier geschehen war und ob das ihren Auftrag in irgendeiner Weise bedrohte – und zwar, bevor sie sich entschieden, die Makrokathedrale und ihr Umland zu befestigen. Er wollte keine böse Überraschung erleben. Tiefes Grollen brach durch die offenen Türen und die Fenster, lärmte durch die Halle und verlor sich schließlich, und zwar in genau dem Moment, da Ekko in mühsam unterdrückter Wut an Iglianus und Del Mar dachte. Ob sie gewusst hatten, was ihn hier erwartete? Eigentlich konnte das nicht sein. Aber andererseits war es auch gut vorstellbar, dass sie genau über die Lage im Bilde gewesen waren. Ekko schob den Gedanken zur Seite, bevor er ihn in einen irreversiblen Status der Wut getrieben hatte und entschied, sich stattdessen wieder auf den Weg zu konzentrieren. Sieben über die ganze Breite der Kathedrale verlaufende Steinstufen führten zu einer etwas erhöhten Ebene hinauf, auf der der Altar (und offensichtlich auch die Heilige) thronten. Sie waren so spiegelglatt poliert, dass Ekko für einen Moment zögerte, sie zu betreten, aus Sorge, er könnte auf ihnen ausrutschen. Balgor bemerkte den nahenden Colonel und wandte sich um. »Niemand hier«, meldete er. Ekko nickte, erklomm die Stufen schließlich doch und trat seine Seite. »Die Dame scheint ausgeflogen zu sein. Irgendeine Spur ihres Engelskostüms?« »Sir?« Der Colonel winkte ab. »Wollte nur sicher sein, ob sie auch wirklich geflogen ist. Diese Welt zu Fuß zu überqueren, soll in letzter Zeit ja ziemlich gefährlich sein.« »Kann mir gar nicht vorstellen, weshalb, Sir«, erwiderte der andere Basteter. Ekko stellte sich neben Balgor, der die mächtige Statue bestaunte, die erhaben auf ihre toten Diener herabblickte. Wortlos verharrten sie eine Weile und gaben dem Moment Gelegenheit, sich ihnen in seiner gesamten Gewalt zu präsentieren. »Beim Barte des Propheten«, murmelte Balgor, »das ist fantastisch.« »Also selbst, wenn ich sagen muss, dass die Architektur durchaus fasziniert, würde ich die Szenerie nicht als fantastisch bezeichnen«, merkte Ekko an und wies hinter sich. Balgor rollte mit den Augen. »Das doch nicht. Sie ist ausgezeichnet. Man kann ihre Größe fast schon spüren«, stellte er im Bezug auf die Statue fest. »Und bei dem Körperbau«, brummte Ekko und betrachtete die Figur der Heiligen nun selbst, »hätte ich mir auch ein so großes Häuschen angeschafft.« Der Captain seufzte. »Sie können einem wirklich jeden Moment verderben.« Ekko nickte entschuldigend. »Ja.« Hallende Schritte drangen an ihre Ohren. Die beiden Offiziere drehten sich um. Gireth kam aufgeregt angelaufen, das Sprechgerät seines Funktornisters in der Hand. »Captain Solmaar für Sie, Sir«, rief er. Ekko trat die Mamorstufen herab, die den Altar über die Zuhörer- und Zuschauerschaft erhoben und ging dem atemlosen Funker entgegen. Gireth reichte das Sprechgerät weiter, dann stützte er sich auf seine Knie und japste. Der Colonel klopfte dem jüngeren Soldaten auf die Schulter und lenkte seine Aufmerksamkeit danach auf den Funkapparat. »Hier Ekko, ich höre?« »Sir, wir ziehen uns jetzt aus den unteren Ebenen zurück. Hier sammelt sich das Wasser. Und offenbar sind sämtliche Abflüsse zugemauert worden.« Solmaars Worte wurden von einem Rauschen überdeckt, das der Colonel einen Moment später als Regenprasseln erkannte. »Die Abflüsse sind zugemauert?« »Ja, Sir!«, bestätigte die verzerrte Stimme. »Die hat man so gründlich zugemacht, dass nicht mal ein Tröpfchen durchdringen könnte.« »Warum sollte man so etwas tun?«, fragte Ekko und schalt sich im selben Augenblick für diese Frage. Es war klar, weshalb jemand die Abflüsse versperrt hatte. Orks kamen im Untergrund sehr viel besser zurecht als Menschen. Es wäre beinahe eine Einladung für sie gewesen, die imperiale Stadt aus den Kanalisationsabflüssen heraus zu attackieren. Er seufzte. »Vergessen Sie es. Räumen Sie die unteren Ebenen.« »Verstanden, Sir. Solmaar, Ende!« Ekko reichte das Mikrofon an Gireth zurück und musterte den jungen Funker eine Weile still. Schließlich verschränkte er die Arme hinter dem Rücken und spitzte die Lippen. »Was gibt es, Gireth?« Der junge Funker sah ihn überrascht an, wandte seinen Blick ab und trat nervös von einem Fuß auf den anderen. Ekko seufzte. »Gireth, ich sehe Ihnen an, dass Sie irgendetwas bedrückt. Also würde ich gerne wissen, was es ist.« Es dauerte jedoch noch eine weitere gefühlte Ewigkeit, bis der Soldat sich dazu durchringen konnte, seine Sorgen mit dem Kommandeur zu teilen. »Ist Ihnen aufgefallen, wie dunkel es plötzlich nach dem ersten Blitz geworden ist?« »Mhm«, bestätigte der Colonel. »Ich denke, dass es uns allen aufgefallen ist«, stellte Balgor fest und kam zu ihnen. »Aber keiner hat sich bisher getraut, irgendetwas zu sagen.« »Sie haben sich darüber Gedanken gemacht?«, erkundigte sich Ekko, ohne auf den Einwurf des Captains zu achten. »Ja, Sir.« »Und?« »War das der Erzfeind?«, fragte der Funker besorgt. Balgor lachte leise und warf einen amüsierten Blick zu seinem Kommandeur. Ekko erwiderte den Blick mit aller gebotenen Ruhe und ließ sich noch länger Zeit, bevor er sich entschied, dem jungen Soldaten eine Antwort zu geben. »Nein, sicherlich nicht.« Gireths Augen huschten von seinem Colonel zu dem Captain neben ihm und wieder zurück. Er schien sich nicht sicher zu sein, ob sie gerade mit ihm spielten. »Und was war es denn?« Der Colonel zuckte die Schultern. »Ein Stromausfall.« Auf Gireths erschrockenen Blick hin lachte er leise. »Nein, sicherlich nicht. Ich weiß auch nicht, was es war, und ich muss zugeben, dass es auch mich gegruselt hat. Aber ich bin mir sicher, dass es keine vom Chaos eingefädelte Bösartigkeit war.« Der junge Basteter schien nicht überzeugt. »Was war es denn?« Ekko sah Balgor an und zuckte die Schultern. »Ich weiß es nicht.« Der massige Funktornister auf Gireths Rücken erwachte plötzlich zum Leben und begann, heftig zu schnattern. »Das Gebiet ist nicht – ich wiederhole: nicht – sicher! Ich …« Das Knistern hochenergetischer Laserwaffen verschluckte die Worte. »Thronverd…!« Ein lautes Krachen ertönte, dann war nur noch Rauschen zu hören. »Das war Krood«, stellte Balgor überrascht fest. »Oh, nein«, brummte Ekko. »Nicht schon wieder.« Er wandte sich um und ging mit schnellen Schritten in Richtung Haupteingang. »Gireth, sofort eine Walküre auf den Platz vor der Kathedrale. « »Verstanden, Colonel.« Der junge Funker aktivierte sein Sprechgerät und begann hineinzusprechen. »Balgor!« »Chef?« »Holen Sie Truppen zur Unterstützung ran! Wir brauchen mehr Männer! Rahael, zu mir!« »Verstanden, Chef! Jelard!« Ekko und Gireth marschierten schnellen Schrittes auf den Ausgang der Kathedrale zu, während Balgor hinter ihnen seinen eigenen Funker zu sich rief. »Mobilisieren Sie alle Truppen, die Sie kriegen können. Holen Sie die beiden anderen Walküren ran. Wir müssen schnellstmöglich Truppen auf den Turm kriegen.« »Verstanden, Sir.« Der Funker wandte sich ab und gab die Befehle weiter. Vor dem Haupteingang der Basilika schwoll das unheilverkündende Heulen von Vector-Turbojets an. Eine Walküre befand sich im Landeanflug auf das Forum. »Los!«, bellte Ekko und stürmte regelrecht davon, Balgor, Rahael und Gireth im Schlepptau. Hinter ihnen löste sich Leitis Sile aus ihrer Starre und folgte den vier Soldaten. Noch im Laufen zogen Ekko und Balgor ihre Laserpistolen, während Gireth viel zu aufgeregt an seinem Lasergewehr fummelte. *** Rahael verspürte einen Stich der Furcht in seinem Herzen, als er an die letzten zwei Tage Krieg dachte, die seinen Geist und seinen Körper geschunden hatten, doch er umfasste sein eigenes Gewehr nur noch fester. Er wollte bei Colonel Ekko bleiben! Er würde ihn nicht enttäuschen. Nicht noch einmal. Heftiger Regen begrüßte sie in die kühle Dunkelheit der gewitterigen Nacht. Bereits nach wenigen Schritten fühlte sich sein Gesicht taub an, geschunden von den hunderten eisigkalten Nadeln aus Wasser, die auf seine Haut niedergingen. Rahael schüttelte das Gefühl aus seinem Geist, biss die Zähne zusammen und zwang sich, mit den Gedanken bei der Situation zu bleiben. Vor ihnen öffnete sich die Seitentür der gelandeten Walküre. Der Frachtoffizier, ein hochgewachsener Soldat mit dem obligatorischen Einsatzhelm der Flugbesatzungen sprang heraus und winkte die ankommenden Soldaten zu sich heran. Als er den wartenden Sturmtransporter entdeckte, der seine heißen Abgase in die gewittrige Nacht hinaus blies und verstand, was genau das bedeutete, schossen dann doch die Schmerzen der Erinnerung in seinen Kopf zurück. Der Rauch in der Kabine von 1208, das Kreischen der überlasteten Triebwerke, die Explosion, die zwei seiner Kameraden als schreiende, hilflos um sich schlagender Körper aus dem Rumpf des Sturmtransporters wirbelte – und dann … der Aufschlag. Rahael, für einen Moment lang abgelenkt, geriet ins Straucheln und stolperte über seine eigenen Füße. Fast im gleichen Moment spürte er eine Hand, die ihn an der Koppel packte und in den Truppenraum zog. Die Bewegung war nicht elegant gewesen und Rahael schlug sich dabei das Knie an. Aber es war immer noch besser, als mit dem Kopf gegen die Kante des Truppenraums zu fallen und sich dabei vielleicht noch mehr zu verletzen. Rahael sah auf und entdeckte Captain Balgor, der neben ihm an der Tür lehnte. Hatte er ihn ins Innere der Walküre gezogen? So schnell er konnte richtete er sich auf und suchte sich den nächstbesten Sitzplatz, um den nachfolgenden Soldaten nicht im Weg zu sein. Sile rauschte mit einem mächtigen Schritt, der für ihre schlanke, gepanzerte Gestalt fast schon athletisch wirkte, durch die Seitentüre ins Innere der Walküre. Ein Hauch kühlen Duftes wehte mit ihr herein. Sie wirkte konzentriert und abwesend, ein Todesengel, der sich auf seine kommende Aufgabe vorbereitete. Ihre Schönheit hielt Rahael in ihrem Bann, so als würde ein heiliger Schein auf ihrem Kopf seinen Blick festhalten. Wieder kreisten die Gedanken, die er bereits im Innern der Kathedrale gehabt hatte, durch seinen Kopf. Wie konnte er so etwas gerade jetzt denken? Es war, als hätte Sile telepathische Fähigkeiten und zwang ihn, diese Gedanken zu denken. Nervös warf er ihr einen Blick zu. Weitere Soldaten aus Balgors Trupp folgten der Sororita ins Innere des Transporters Bereits kurz darauf hob der Frachtoffizier, der an der offenen Seitenluke stand, die Hand und wehrte weitere Eindringlinge in sein Reich ab. »Wir sind voll! Nächster Transporter!« Dann stieg er ein und ließ die restlichen Soldaten zurück, die sich sofort zu einem sicheren Ort außerhalb der Abgasstrahlen der Walküre begaben. »Oh, Mann«, brummte Balgor und ließ den Kopf in die Hände sinken. »Ein Flug mit einer Walküre in einem Gewittersturm. Wir müssen verrückt sein.« Ekko neben ihm lachte. »Dann los!«, bellte der Frachtoffizier ins Mikrofon seiner Kopfhörer und zog die Seitentür zu. Das gedämpfte Kreischen der Turbinen schwoll an und brachte den Innenraum des Sturmtransporters zum Vibrieren. Mit widerstrebendem Kreischen entzog sich der schnelle Senkrechtstarter zitternd der Anziehung des Erdbodens.
  7. *** Das Erste, was sie erreichten, war ein mächtiger, mit Säulen verzierter Raum, der so eine Art Eingangshalle darstellte. Zwei riesige steinerne Tafeln, die beiderseits des Weges in die Wände eingelassen worden waren, wiesen den Besucher darauf hin, wo er sich befand und wie er sich hier zu verhalten hatte. »Die heilige Janaͯs«, sagte einer von Rebis Soldaten leise. Es war ein riesiger Kerl, fast so groß wie ein Ork und Krood erinnerte sich daran, ihn bereits vorher schon einmal gesehen haben. »Schon mal von der gehört?« Der kleinere und offensichtlich jüngere Soldat neben ihm schüttelte den Kopf. »Nein.« »Haltet die Klappe«; zischte Rebis. Krood schüttelte den Kopf. Worte waren in diesem Augenblick unnötig und höchst gefährlich. »Weiter«, befahl er fast wortlos in sein Mikrofon. Sie formierten sich wieder und setzten ihren Weg fort. Direkt hinter der Halle tauchte eine schmale, steile Wendeltreppe mit fast mannshohem Geländer ins Innere der Felsformation ab. Vorsichtig folgten sie dem Gang, der sich in einer langgezogenen Biegung nach rechts in die Tiefe wand. Offensichtlich war dieses Beinhaus nicht das, was Krood erwartet hatte. Donner grummelte, durch die steinerne Decke auf ein Brummen reduziert und hallte als fernes, unwirkliches Geräusch innerhalb der Mauern wieder. Das Gewitter schien in seiner Intensität nicht nachgelassen zu haben. Bereits nach einer halben Drehung endete die Treppe. Vor ihnen entspann sich ein langer Gang. »Wo sind wir?«, fragte Rebis leise, während er an Kroods Seite trat. Krood versuchte, sich an den Plan der Himmels-Kathedrale zu erinnern, den er bei Ekko gesehen hatte. Wo, in Namen des Throns, waren sie? Eine solche Ebene war nicht eingezeichnet … es sei denn. »Die Plattform«, sagte er leise. »Wir müssen in der Plattform sein.« »Sie meinen die Plattform, auf der das Beinhaus steht?«, erkundigte sich der Corporal. »Ja«, antwortete Krood und warf seine Hand in einer schnellen Bewegung nach vorn. Sie setzten sich wieder in Bewegung. Je weiter sie in das Dunkel des kalten Gemäuers vordrangen, umso stärker beschlich Krood das Gefühl, dass er recht gehabt hatte. Sie mussten sich in der Plattform befinden. Der Weg führte als kerzengerade Spur einen langen, aus quaderförmigen Natursteinen bestehenden Gang entlang. Ihre Schritte dröhnten unnatürlich laut durch die Dunkelheit. Krood musterte die sie einschließende Umgebung, die ab und an im Blitzen vorbeihuschender Lichtstrahlen sichtbar wurde. Der Gang wirkte alt, archaisch und ein leicht modriger Geruch, der durch die Luft waberte, erinnerte Krood daran, dass diese Kathedrale alt war. Wie alt genau sie wirklich war, wusste er nicht, aber es blieb zu vermuten, dass es irgendwo zwischen eintausend und zehntausend Jahre waren. Bei sakralen Bauten konnte man das nie exakt sagen. In diesem Moment erreichten sie eine Tür, deren Rahmen unauffällig in die uralte Steinmauer der linken Gangwand eingelassen worden war. Cedd, der die Formation anführte, hob die Hand. Im vollkommenen Dunkel war es nur schwer zu erkennen und einzig die Gewehrlampen, die auf die Rüstung des Cadianers wiesen, ermöglichten es den Soldaten, sofort auf die Anweisung zu reagieren. Der Trupp verharrte auf der Stelle und wich wortlos an die Wand zurück. Gewehre wurden angelegt. Nahezu lautlos versuchte Cedd, die Tür aufzumachen. Knisternde Stille umfing die Wartenden und wurde nur von einem fernen, gedämpften Donner durchbrochen, der aber viel zu schwach war, um irgendwen zu beeindrucken. »Die Tür ist verschlossen«, meldete der Kasrkin leise. »Also gut, dann müssen wir sie eben öffnen. Cedd?« Der Kasrkin stellte sich vor die Tür und begann, in der Seitentasche seiner Uniform herumzukramen. Krood deckte ihn, indem er mit seiner HE-Laserpistole auf den Türeingang zeigte. Hätte nun ein Feind die Tür geöffnet, wäre er von dem Kasrkin-Sergeant durchlöchert worden. Im Licht der Gewehrlampen konnten die restlichen Imperialen sehen, wie der cadianische Kasrkin eine Kugel aus Knetmasse aus der Tasche zog. Mit sicheren, geübten Händen formte der Elitesoldat aus der Knetmasse einen längere, hügelige Masse, die er über das Schloss der Tür presste. Wortlos nahm er ein streichholzgroßes Röhrchen aus einer anderen Tasche und drückte es genau in die Mitte der Masse. Die imperialen Soldaten pressten sich an die Wand und warteten, bis der Kasrkin seine Aufgabe erledigt hatte. »Alles klar«, flüsterte er und reihte sich hinter Krood ein. »So, Leute! Mund auf, Ohren zu!«, befahl der Sergeant gedämpft. »Das kracht gleich ordentlich.« Keiner der restlichen imperialen Soldaten hatte jemals eine derartige Masse gesehen, sodass sie sich nur denken konnten, was es war und darauf vertrauen mussten, dass das, was der Grenadier ihnen sagte, auch stimmte. Krood ließ seinen Blick ein letztes Mal über die ihm unterstellten Soldaten gleiten, um ganz sicher zu gehen, dass alles bereit war. Rebis und seine Männer schienen bereit zu sein, Cedd und Tall waren es sowieso. Es konnte losgehen. »Also gut«, schloss der Sergeant der Kasrkin so leise, dass es nicht über die Ohren der Anwesenden hinweg drang, »dann sollten wir sie öffnen und gucken, was sich dahinter befindet, oder?« Die cadianischen Grenadiere nickten grimmig. Rebis†˜ Männer blieben stumm. Krood lächelte grimmig und aktivierte das Energieschwert, das bisher an seiner Rüstung gebaumelt hatte. Es war ein Geschenk eines hochrangingen imperialen Offiziers, dessen Leben Kroods Trupp vor langer Zeit gerettet hatte. Heißes Summen drang an seine Ohren. Sofort begann die Klinge der säbelartigen Waffe in fahlem Blau zu schimmern. »Cedd?«, rief der Unteroffizier. Der Kasrkin direkt hinter ihm wandte seinen Kopf. »Achtung, Zündung!«, bellte er und drückte den Auslöser. Der satte Knall der Detonation fegte durch den Gang, zusammen mit den Überresten der zerrissenen Tür. »Los! Los! Los!«, schrie Krood und stürmte in den Raum. *** Vor ihnen entspann sich ein hallengroßer, halbrunder Raum, der scheinbar das wahre Beinhaus war. Er war in demselben sakralen Gotisch gehalten, wie es auch die Formen abertausender anderer Gebäude im Imperium beherrschte. Die Vertikale war sehr betont, vermutlich im Verhältnis eins zu drei, was Krood für einen derartigen Raum bereits recht beeindruckend fand. Schmale, hochgeschossene Strebepfeiler verschmolzen mit Kreuzgewölben, die wie die Rippen eines Menschen über dem Innenraum thronten. Riesige Fensterfronten warteten darauf, endlich wieder Licht in den Raum lassen zu dürfen. Das Prasseln des Regens war hier wieder viel deutlicher zu vernehmen und in dem Moment, da sie den Eingang sprengten, flackerte der Himmel hell auf. Krachender Donner mischte sich mit dem Nachhall der Explosion. Eine alte Ekklesiarchin schreckte auf, als die Tür splitternd in Fetzen flog und schwer gepanzerte Soldaten in den Raum stürmten. Sie hatte auf einer der wenigen Bänke gesessen, welche man scheinbar wahllos im Raum platziert hatte, und die sie umgebenden Statuen von Space Marines betrachtet, die in Nischen an den Wänden standen und ihren Blick auf das Zentrum des Raumes richteten. Im schummrigen Licht der sie umgebenden Kerzen konnte Krood erkennen, dass sie recht vornehm gekleidet war, in teure Roben geworfen und mit silbernem Haar. Aufmerksam verfolgte sie, wie die imperialen Soldaten sich im schnell im Raum verteilten, von den knappen Gesten ihrer beiden Anführer zielsicher dirigiert. Lange dauerte es nicht, da hatten sie den Raum gesichert und die alte Frau eingekreist. »Der Imperator beschützt«, flüsterte sie, als sie erkannte wer sich ihr näherte. »Was ist denn das für eine Schrumpelgosse?«, lachte einer der Soldaten. »Halten Sie das Maul, Lawn!«, knurrte Rebis. »Und ihr auch!«, fuhr er zwei andere seiner Männer an, die versuchten, ihr Prusten so weit wie möglich zu verstecken. Der große Soldat, der Krood bereits zuvor aufgefallen war, trat zum Corporal. Offensichtlich schien er der Stellvertreter von Rebis zu sein. Er beugte sich zu seinem Truppführer herunter und flüsterte ihm etwas in Ohr. Der Corporal nickte verstehend. »Gut gemacht, Melbin«, sagte er leise. Der Riese erhob sich wieder und verschwand zurück ins Dunkel. Rebis gesellte sich zu Krood. »Der Raum ist sicher«, meldete er. »Verstanden«, bestätigte der Kasrkin. »Ihr Trupp hat gute Arbeit geleistet.« »Vielen Dank, Sir.« Ein Blitz ließ erleuchtete den hallenförmigen Raum. Dröhnender Donner durchdrang ihre Körper. Rebis schüttelte sich. »Sind wir wirklich in der Plattform?«, fragte er gedämpft und wies auf den Raum. »Das ist doch viel zu groß.« Der Kasrkin-Sergeant musterte die Umgebung. »Ich vermute, dass diese Halle hier sowohl die Plattform als auch das Beinhaus umfasst.« Krood bedeutete Rebis, ihm zu folgen, dann setzte er sich in Richtung der alten Ekklesiarchin in Bewegung. »Du, die Statuen sind wirklich brüchig«, hörte er einen der Basteter seinem Kameraden gegenüber feststellen. Der Kasrkin schenkte den unbedachten Worten des Mannes keinerlei Beachtung. Es mochte gut sein, dass diese Statuen wirklich brüchig waren. Da sie allerdings keinen Einfluss auf die Statik des Raumes oder gar des Gebäudes hatten, mussten die Soldaten nicht mehr als sich von ihnen fernhalten. Er würde den Corporal beizeiten daran erinnern. Als sie die Ekklesiarchin erreichten, konnte Krood einen genaueren Blick auf sie werfen. Er stellte fest, dass sie aus der Nähe gar nicht so alt aussah. Es war wohl der fahle Schein der Kerzen gewesen, das sie so vergreist hatte aussehen lassen. Vielleicht war sie fünfzig, vielleicht sechzig, aber keineswegs älter. Sie hatte im Kerzenlicht funkelnde Augen, die Krood auf eine hellgraue Färbung schätzte und ein ernstes, von der Zeit gezeichnetes Gesicht. Es war gut vorstellbar, dass sie vor langer Zeit der Schwesternschaft des Adeptus Sororitas angehört hatte. »Der Hammer des Imperators grüßt Sie«, begann Krood. »Wir sind endlich da.« »Nein«, murmelte sie. »Nein! Nein! Sie müssen gehen! Sie können nicht hier bleiben.« »Keine Sorge«, versicherte Rebis ihr. »Wir sind hier, um Sie zu retten.« »Gehen Sie!«, forderte die Frau die Soldaten auf. »Solange Sie noch können. Gehen Sie!« In ihren Augen stand ehrliche Sorge, keine vom Chaos oder von Häresie genährte Lüge. »Dieser Ort ist nicht zu retten! Fliehen Sie, solange Sie noch können!« Dann sprang sie auf und lief mit überraschender Agilität davon. Bei ihrer Flucht warf sie einen Kerzenständer um. Flackernd erloschen die Kerzen. Ein kleineres, von Wachs genähertes Feuer brannte weiter auf dem kalten Stein. »Hey!«, bellte Krood. »Warten Sie!« Doch die Frau war bereits mit wehendem Umhang in den Gang verschwunden. Zwei Soldaten aus Rebis Trupp rannten ebenfalls los und versuchten, sie wieder einzufangen. »Stopp!«, bellte Krood. »Lasst sie laufen!« »Sehr freundlich sind die aber nicht«, brummte Rebis und musterte die Umgebung aufmerksam. »Sind Sie sich sicher, dass die Dame sauber ist?« »Ich sah keine Lüge in ihren Augen.« Rebis brummte nachdenklich und Krood glaubte, daraus ein »Wenn Sie meinen« zu hören. Er überging es. Es war bezeichnend für die Normalen. Ein Kasrkin kannte diese anmaßende Arroganz nicht. Die erbarmungslose Ausbildung tötete alle in diese Richtung gehenden Bedürfnisse ab. »Also gut«, befahl Krood den Männern. »Seht euch um und guckt, ob es hier irgendetwas Interessantes zu finden gibt.« Sie schwärmten aus. Viel gab es jedoch nicht zu entdecken. Kroods und Rebis Männer schlichen um die Säulen und ließen die Lichtkegel ihrer Lampen über die Ornamente und Statuen gleiten, die den halbrunden Raum beherrschten. Nach einer Weile mussten sie jedoch melden, dass der Raum, bis auf die Sitzbänke, leer war. Krood wandte sich an Rebis. »Sehr merkwürdig«, stellte er fest. »In der Tat«, antwortete dieser. »Was machen wir jetzt?« Der Kasrkin warf einen Blick zu der Tür, durch die die alte Ekklesiarchin verschwunden war. »Der Raum hier scheint soweit sicher zu sein. Wir sollten unseren We…« »Die Statue!«, rief irgendwer in Panik. Krood fuhr herum und sah einen der steinernen Körper krachend zerplatzen. Fassungslos musste er mit ansehen, wie ein riesiger Hüne aus dem granitfarbenen Abbild des Space Marine brach und seine gepanzerte Faust in die Richtung der ihm am Nächsten befindlichen Basteter schwenkte. Eine gewaltige Macht traf den Brustpanzer des führenden Soldaten und ließ ihn zurückprallen wie einen Gummiball. Gleich einem weggeworfenen Spielzeug wirbelte er nach hinten und flog stöhnend gegen einen der hinter ihm befindlichen Stützpfeiler. »Vorsicht«, schrie sein Kamerad in die allgemeine Verwirrung. Die Gewalt eines weiteren Schlags erwischte ihn und schickte ihn zu Boden, wo er noch einige Meter über die kühlen Steine rutschte und dann blutend liegen blieb. Urplötzlich zerbarsten sämtliche Statuen um sie herum in tausende Teile. Krood zog den Kopf ein und bedeckte seine ungeschützten Körperteile mit den Panzerschienen seiner Armpanzerung. Splitter schossen als Schrapnelle durch den Raum, prallten an den Armaplastpanzern der Soldaten ab und sirrten wie Querschläger davon. Helles Klingeln umnebelte die imperialen Soldaten, als die Welt sich in Trümmer und Scherben auflöste. Dröhnend brachen grauenhafte, eherne Riesen in blinder Wut aus den Staubwolken hervor. Irgendwo schrie jemand, als ein in hoher Geschwindigkeit durch den Raum schießendes Trümmerstück ihn erwischte. Planloses Lasergewitter flackerte panisch auf. Was, im Namen des Throns, sollten sie tun? Worauf schießen? Wer waren die Angreifer? Ein weiterer Soldat segelte getroffen durch die Luft. Krood fuhr herum. Seine Ausbildung übernahm die Kontrolle über sein Denken und Handeln. »Cedd, Tall, Feuer konzentrieren!«, schrie er, so laut er konnte und zog den Abzug seiner HE-Laserpistole durch. Die Waffe knisterte und hämmerte kohärente Energie gegen den eisernen Körper des ihm nächsten Hünen. Helles, stroboskopartiges Licht flackerte auf, als seine beiden Kasrkin in den Beschuss einfielen. Ultraheiße Laserkaskaden stanzten beeindruckende, rauchende Löcher in den Eisenkörper des Angreifers. Aufhalten konnten sie ihn nicht. Krood wich zurück. Von links raste eine riesige Pranke heran. Instinktiv duckte sich der Sergeant weg und spürte den kalten Luftzug des Treffers, dem er gerade noch entgangen war. In einer fließenden Bewegung drehte er sich und setzte eine gut gezielte Salve seiner Pistole in die Achselhöhle des Hünen. Er erzielte keinen Effekt. Elegant, wenn auch etwas schwerfällig, kam der Angreifer herum und setzte zu einem neuen Schlag an. Krood brüllte wütend und hieb dem Hünen mit seinem Energieschwert entgegen. Vor den Buntglasfenstern blitzte es. Donner krachte. Jetzt sah Krood, wer ihn attackierte. Aber in diesem Stadium den Angriff abzubrechen oder erkennen zu geben, wer man wirklich war, war eindeutig zu spät. Außerdem waren seine eingedrillten Verteidigungsroutinen aktiv. Die abzustellen war nicht gerade einfach. Dafür hatte seine Ausbildung gesorgt. Ich bin ein rational denkender Kasrkin! Was ich gesehen habe, kann es gar nicht geben! Ich muss es mir einbilden!, stärkte er seinen Geist und setzte die begonnene Attacke fort. Die gleißend blaue Energieklinge schnitt in die Rüstung des Feindes. Der riesige Angreifer heulte und taumelte rückwärts. Mit einem Getöse, das den gesamten Bau erschütterte, stürzte der Feind rückwärts auf den Boden und verschwand in einer neuerlich aufgewirbelten Staubwolke. Krood atmete tief ein und schwenkte sein gleißendes Energieschwert. Laserfeuer flackerte heftig zu seiner Linken. Auf jeden Fall waren seine Kasrkin noch da. Ein gutes Gefühl. Vielleicht war es die Gerechtigkeit des Imperators, Ekko für seinen Eigennutz zu strafen, indem er einen seiner Trupps vernichtete. In dem Moment, indem der cadianische Elite-Sergeant sich umwandte, sprang der Schatten ihn an. Anders hätte er es nicht beschreiben können. Er sah den anderen Gegner nur noch aus dem Staub auftauchen. Für eine Reaktion war es zu spät. Ein urgewaltiger Schlag ging durch den Kasrkin, als ihn der Treffer des massigen, gepanzerten Körpers erwischte und ihn wie ein Blatt im Sturm vom Boden hob. Zusammen mit dem Angreifer segelte er durch die Luft und schlug nach einer halben Ewigkeit hart auf den Boden, wo er fast drei Meter weiterrutschte, bevor er von der Wut der Reibung herumgerissen wurde und endlich zum Halten kam. Die drohende Silhouette des neuen Angreifers tauchte über ihm auf wie der Zorn des Imperators und holte zum Schlag aus. Instinktiv riss Krood sein Energieschwert in die Höhe und stellte erschrocken fest, dass es nicht funktionierte. Durch seinen Flug und die unsanfte Landung musste er wohl die Energieleitungen der Waffe zerstört haben. In diesem Augenblick traf den Feind etwas, das ihn aus dem Gleichgewicht brachte. Synchrones Flackern heftiger Laserentladungen flammte auf seiner Brust auf. Er taumelte einen Schritt rückwärts und brach seinen Angriff ab. Das Feuer der HE-Lasergewehre stoppte unvermittelt, dann warf sich ein anderer Körper auf den Feind. Krood spürte, wie mehrere Arme nach ihm griffen und ihn über den Boden schleiften. Wütendes blaues Licht blitzte durch die Buntglasfenster des Raumes. Im Schein des Himmelsfeuers konnte Krood sehen, wer dem unmenschlichen Riesen entgegengetreten war. Es war der riesige imperiale Soldat, der ihm bereits zuvor aufgefallen war. Der Mann schlug mit seiner Waffe zu und traf den gepanzerten Hünen direkt auf den Brustkorb. Ohne überhaupt irgendeinen Effekt erzielt zu haben prallte das Lasergewehr an der bunten Rüstung ab. Unbeeindruckt packte der Riese die Waffe und riss sie aus den Händen des imperialen Soldaten, bevor er ihn mit einem Schlag seiner anderen Hand aus dem Weg wischte. Der Bastet flog fluchend durch den Raum und krachte heftig an die gegenüberliegende Wand, wo er betäubt liegen blieb. Krachender Donner ließ die Buntglasfenster klirren. »Helft mir hoch«, befahl er den Händen und ließ sich von drei Männern und seinen eigenen Beinen in die Höhe hieven. Ein kurzer Blick sagte ihm, dass es seine beiden Kasrkin und Rebis, der Corporal des anderen Trupps waren. Offensichtlich waren seine sämtlichen Soldaten gefallen. Wenn er gewusst hätte, was Krood wusste … »Klar machen zum Gegenschlag«, befahl der Kasrkin-Sergeant. Seine Männer legten ihre Gewehre an. »Nein«, ging Rebis entschieden dazwischen. »Wir brauchen mehr Unterstützung. Wir können sie so nicht aufhalten. Meine Männer haben sich nicht geopfert, damit Sie sich gleich darauf in einer sinnlosen Schlacht gegen diese Supersoldaten verheizen.« Vor ihnen flammte Laserfeuer auf. Im Schein eines Blitzes huschte ein stummes Ungeheuer vorbei. Ein Schrei. Hässliches Knacken ertönte. Die Laserkaskaden endeten schlagartig. Donner rollte über sie hinweg. »Wir müssen Colonel Ekko informieren«, stellte Rebis fest und hustete. »Colonel Ekko?«, schrie der Kasrkin. »Niemals!« Rebis starrte ihn wütend an und packte ihn an der Armpanzerung. »Wir sterben hier! Seien Sie kein Idiot! Ziehen Sie sich zurück!« »Wir geben nicht auf! Nicht der fünfte Trupp der dreiunddreißigsten Kasrkin! Wir halten die Stellung!« »Sie sind nicht mehr der fünfte Trupp der dreiunddreißigsten Kasrkin! Sie sind im Augenblick Teil des 512. Sera!« Krood schlug ihm ins Gesicht. Ein gleißender Blitz ließ die Umgebung für den Bruchteil einer Sekunde in unwirklichem Schimmer erstrahlen. Schatten zogen durch den Staub, stampften auf der Suche nach ihnen umher. Rebis, auch wenn er vermessen war, hatte recht. Hier wartete kein ehrenvoller Kampf, kein gerechter Tod für den Imperator. Es war ein Gemetzel. Ein Kampf ohne Chancen. Und so sehr es den Kasrkin auch schmerzte, das zuzugeben, sie mussten Colonel Ekko informieren und um Verstärkung bitten. In ihm kam die Erinnerung an eine sehr ähnliche Situation vor wenigen Tagen auf, in der er den Großteil seines Trupps verloren hatte. Und nun war er wieder von dem selbstsüchtigen, unfähigen Offizier abhängig. Krood nickte. »Geordneter Rückzug«, bellte der Kasrkin-Sergeant und glitt rückwärts zur Eingangstür zurück. Ein Gewitter aus Laserstrahlen aus den Hochenergielasergewehren seiner Begleiter löste den Raum in seine Bestandteile auf. Knisternd fielen Kacheln aus den Wänden, von abprallenden Energiestrahlen gesprengt. Zersplitterte Fliesen wirbelten als Kleinsttrümmer in die Luft und Staub nahm den Männern die Luft zu atmen. Krood zog eine Hochexplosivgranate von seinem Gürtel und schnippte den ringförmigen Splind des Sprengkörpers mit einem routinierten Zug seines Daumens weg. Mit einem leisen Klirren flog der Sicherungsbügel ab. »Granate!«, schrie Krood und warf den Ei-förmigen Sprengkörper in den Raum. Dann flohen die Soldaten durch die Tür in den Gang. Keine Sekunde zu früh. Eine heftige Explosion ließ die Buntglasfenster des Raumes in tausend Scherben zerspringen.
  8. *** Ungefähr fünf Minuten später trat Gren Krood zu Colonel Ekko und Captain Balgor. Die beiden Offiziere standen nebeneinander in der knisternden Stille voller flüsternder Stimmen, die in den Moment zwischen den Donnerschlägen des Gewitters das Einzige waren, was man im Innern der gewaltigen Kathedrale wahrnehmen konnte. Für sie grenzte es beinahe schon an ein Wunder, dass sie sich im Herzen der Finsternis gefunden hatten, doch dass auf einmal Krood mit der Selbstsicherheit vollkommenen Wissens zu ihnen trat, erstaunte sie umso mehr. »Was gibt es?«, fragte die schemenhafte Gestalt Colonel Ekkos. »Das Gebiet scheint sicher zu sein«, meldete der Kasrkin mit gedämpfter Stimme. Balgor stöhnte. »Scheint?« »Die derzeitige Ausleuchtung des Zielgebiets lässt eine genauere Lageaufklärung nicht zu«, antwortete der Cadianer ungerührt. »Schön zu hören«, stellte Ekko fest. »Ich hatte schon gefürchtet, Sie könnten alles.« Der Elite-Sergeant überging die Bemerkung einfach. Sie zu parieren wäre ihm zu viel Energieverschwendung gewesen. Galardin Ekko war diese Energie bei weitem nicht wert. »Sir, mit Ihrer Erlaubnis würde ich die oberen Ebenen der Himmels-Kathedrale durchsuchen.« Ekko und Balgor sahen sich an. Krood konnte sich denken, dass sie einander nur schemenhaft sahen und daher keine stumme Konversation zu führen in der Lage waren. »Die oberen Ebenen sind wichtig«, gab der Captain zu bedenken. »Wir sollten auf jeden Fall feststellen, ob sie sicher sind oder nicht.« »Das stimmt«, überlegte Ekko. »Aber in diesem Moment möchte ich eigentlich keine Truppen freistellen. Wir wissen nicht, was uns hier noch erwartet.« »Sir«, warf Krood ein. »Diese Leute sind tot. Sie haben keinen Einfluss auf unsere Präsenz hier. Ich halte die oberen Ebenen für sehr viel gefährlicher, solange sie nicht aufgeklärt sind.« Balgors Schatten nickte zustimmend. »Er hat recht, Chef. Eine Einheit sollte auf jeden Fall aufklären, wie es da oben aussieht.« Er wies in Richtung des Kathedralendachs. Der Colonel zögerte. Er schien sich nicht mehr sicher zu sein, was er mit der Idee des Sergeants anfangen sollte. Krood konnte es ihm nicht verdenken. Ekko war ein Mistkerl, stets auf den eigenen Vorteil aus. Er tat Dinge nur, um sich selbst ins bessere Licht zu rücken und um sein Regiment zu schützen. Ein junger Soldat trat aus dem Dunkel. Der schwere Funktornister auf seinem Rücken zwang ihn in eine gebückte Haltung. Ekko wandte sich um, als der Mann näher kam. »Was gibt es, Gireth?« Die Stimme des jungen Funkers zitterte vor Aufregung. »Major Carrick hat Ihren Befehl bestätigt. Soldaten schwärmen in die Stadt aus, um die restlichen Generatorgebäude zu erreichen.« »Sehr gut. Vielleicht bringt das etwas Licht in die Sache«, bemerkte Ekko. »Danke Gireth, gut gemacht.« Dann wandte er sich wieder Krood und Balgor zu. »Spätestens, wenn wir die Generatoren wieder in Betrieb nehmen, wissen sie, dass wir hier sind«, gab der Captain zu bedenken. Ekko biss sich geistesabwesend auf die Lippe. Offensichtlich rang er mit den verschiedenen Aspekten von Kroods Vorschlag. »Sie wollen das übernehmen?«, fragte er zweifelnd und glitt wieder in eine geistige Abwesenheit. In seiner Lage hätte Krood sicherlich auch länger überlegt, bevor er eine unsichere Operation genehmigt hätte. Der Kasrkin-Sergeant nickte. »Natürlich, Sir.« Ekko und Balgor sahen sich wieder an. »Wie sieht Ihr Plan aus?«, erkundigte sich der Captain, der Krood immer mehr an Ekko erinnerte, abgesehen von der Beobachtung, dass er kompetent zu sein schien. »Den Plänen nach zu urteilen und dem, was man von der Himmels-Kathedrale sehen konnte, scheint die oberste Plattform das Fundament eines Beinhauses zu sein, das man über die Außen am Fels entlanglaufende Wendeltreppe erreichen kann. Da die Treppe nicht im Felsen endet, sondern bis aufs Topp führt, schließe ich daraus, dass das Beinhaus durch eine äußere Tür zu erreichen ist. Da setzen wir an. Wir sichern das Beinhaus und den Bereich der Plattform, bevor wir über die Wendeltreppe in die Tiefe vorstoßen und uns hier wieder mit den Truppen vereinigen.« »Klingt gut«, überlegte Balgor. »Aber es ist ein langer Weg nach oben.« »Das stimmt.« Krood nickte bestätigend. »Darauf sind wir trainiert.« Der Captain gab sich mit der Antwort nicht zufrieden. »Wie hoch ist die Chance einer Aufklärung durch den Feind?« »Unbemerkt kommen wir auf keinen Fall nach oben«, stellte der Kasrkin klar. »Es wird uns jemand entdecken, ob wir wollen oder nicht. Spätestens, wenn wir auf der Plattform stehen, wissen die, dass wir da sind. Die Frage ist nun, wie wir damit umgehen.« »Und wie gehen wir damit um?«, bohrte Balgor weiter. Krood ließ die Waffe aus seiner Hand gleiten, um besser erklären zu können, was er vorhatte. Das HE-Lasergewehr knirsche leise, als sein Trageriemen es davon abhielt, laut polternd auf den Boden zu schlagen und es stattdessen vor Kroods Brustpanzerung hängen blieb. »Im Grunde ist es eine Frage der Geschwindigkeit. Wir können den Feind nur bedingt überraschen, aber wir können ihn vollends überrennen. Es muss uns lediglich gelingen, ihm keine Gelegenheit zum Zuschlagen mehr zu geben.« »Sie spielen da mit recht heißen Kohlen«, bemerkte der Captain. »Ihr Plan hat Schwachstellen.« »Es gibt keinen perfekten Plan«, antwortete Krood ruhig. »Und wieso gehen Sie gerade davon aus, dass sich jemand †“ sollte überhaupt irgendwer hier sein †“ gerade im Beinhaus auf dem Topp der Kathedrale verschanzen sollte?« »Wahrscheinlichste Stelle«, erwiderte Krood. »Dort hat man verlässliche Tarnung, eine schwer zu erreichende Deckung und außerdem einen weiten Blick über die umliegende Steppe. Ideal, um eine angreifende Streitmacht zu bekämpfen.« »Bekämpfen?«, fragte der Basteter ungläubig. »Da oben ist doch nicht mal genug Platz für ein Kampfgeschütz.« Der cadianische Elitesoldat zuckte unbeeindruckt die Schultern. »Man könnte die Kathedrale auch einfach … sprengen.« Ein Blitz teilte den nächtlichen Himmel, gejagt von einem röhrenden Donner. Krood fiel auf, dass Ekko sich vollkommen aus ihrem Gespräch ausgeklinkt hatte. Wo er sich gerade befand, konnte wahrscheinlich niemand sagen, aber Krood vermutete, dass er sich irgendwo sehr, sehr tief in seinen Gedanken verloren hatte. Auch, dass der basteter Captain die Gesprächsführung übernommen hatte war ein Indiz dafür, auch wenn Krood vermutete, dass das eigentlich gar nicht seiner Aufgabe oblag. »Sprengen?«, fragte Balgor ungläubig. »Wie, im Namen des Throns sollte das jemand tun?« »Das Gelände ist durch Abwasserleitungen und Versorgungsschächte gut untertunnelt. Mit einem oder zwei Nuklearsprengköpfen kann man die gesamte Makrostätte hochgehen lassen.« »Na, das meine ich doch nicht«, erwiderte der Captain, von der lebhaften Vorstellung offensichtlich aus der Fassung gebracht, gereizt. »Ich meinte, wie sich jemand für so etwas selbst opfern kann?« »Sie haben eine Sororita in Ihrem Regiment. Fragen Sie die doch einfach.« Für einen Augenblick zögerte Balgor und Krood glaubte zu spüren, wie sich eine Aura der Wut um ihn herum aufbaute. Dann jedoch entschied sich der Captain, der gezielten Stichelei des Sergeants keinen Nährboden zu geben und sich nicht in die Falle locken zu lassen. Stattdessen kam er zum eigentlichen Thema zurück. »Also gut. Wenn die Treppe keine Option ist: was bleibt dann?« »Der Luftweg.« »Der Luftweg?« Balgors Stimme klang wenig überzeugt. Vermutlich war für ihn nicht vorstellbar, was Krood im Sinn hatte. Aber das war auch der große Unterschied zwischen den normalen Soldaten und den Grenadieren. »Eine Walküre wird uns auf dem Dach absetzen«, führte der Kasrkin aus. Das grelle Flackern eines mächtigen Blitzes zerriss den Himmel. Donner rollte als Mischung aus tiefen Schlägen und bitterem Grummeln über sie hinweg. »Mit einer Walküre?«, rief Balgor erstaunt aus. Er deutete auf die Buntglasfenster, gegen die der Regen noch immer unvermindert mit aller Macht trommelte. »Bei diesem Wetter? Das ist mutig.« »Aber nötig«, merkte Ekko an, der endlich wieder aus seiner Parallelwelt der Gedanken zurückgekehrt war. »Wenn wir von hier unten versuchen, nach oben zu gelangen, wird das Ewigkeiten dauern. Dann wissen die, wer auch immer da oben ist, längst Bescheid. Und wir können noch nicht sagen, welche Überraschungen sie hier für uns deponiert haben. Tun Sie es, Krood.« »Verstanden, Sir. Ich werde sofort meine Männer zusammenrufen.« »Colonel«, brachte Balgor entgeistert hervor. »Das kann doch nicht wirklich Ihr Ernst sein!« Ekko ignorierte ihn. »Krood, warten Sie.« Der Cadianer blieb stehen und nahm Haltung an. »Sir?« »Sie denken doch nicht, dass ich Sie da allein hoch schicke, oder? Flugtreibstoff ist teuer«, bemerkte Ekko und wandte sich um. »Rebis!« Seine Stimme gellte durch das leere Hauptschiff der Kathedrale. Krood verzog das Gesicht. Was für Idioten. Disziplin und straffe Ordnung waren der Grundstein einer effizienten Armee. Dieses Regiment besaß, nachdem, was er bisher mitbekommen hatte, das erste nur in Maßen und das zweite überhaupt nicht. Lautes Poltern schwerer Kampfstiefel ertönte. Ein dunkelhaariger Corporal, dessen grüne Augen im scheinenden Taschenlampenlicht aufmerksam blitzten, tauchte neben ihnen auf und nahm Haltung an. »Colonel?« Ekko nickte ihm zu und deutete dann auf Krood. »Rebis, Sie und Ihr Trupp mit den Kasrkin.« Der Corporal nickte. »Verstanden, Colonel!«, erwiderte er, salutierte nachlässig und pfiff seinen Trupp mit einem lauten Ton herbei, der Krood einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Dieses Regiment war wirklich wie ein Chaosdämon in einer Schafsherde. »Ach ja †“ und Rebis?« »Sir?« Ekko zog den Saum seines Drillichs glatt. »Rahael bleibt hier.« Himmlische Wut ging flammend auf die Erde nieder und rollte als unmenschliches Grollen über sie hinweg. »Colonel? In der Walküre wäre genügend Platz.« »Das weiß ich«, erwiderte Ekko ruhig. »Rahael bleibt hier.« »Verstanden, … Sir«, bestätigte der Corporal den Befehl und lief los, seinen Trupp zu sammeln. Ekko wandte sich wieder an den Cadianer, der noch immer bei ihm stand. »Also dann: weg mit Ihnen, Krood.« Der Kasrkin schlug die Hacken zusammen. »Verstanden, Sir.« Dann wandte er sich um und ging schnellen, sicheren Schrittes durch die Dunkelheit zurück zum Eingang der Kathedrale. Seine Männer folgten ihm. »Hier Krood! Eine Walküre zum Haupteingang der Kathedrale.« Hinter sich hörte er, wie Rebis seine Männer zusammenrief und Balgor begann, erhitzt auf Ekko einzureden. »Colonel, das ist doch Irrsinn. Mit einer Walküre in einem Gewittersturm. Da können wir sie dem Chaos gleich zum Rösten anbieten.« »Melbin, Lawn, Talic!« »Ja, ich weiß. Meine Entscheidung steht.« »Tesket, Lados, Itias! Rahael, Sie zum Colonel!« »Ich hoffe, Sie wissen, was Sie tun.« »Verstanden! 5120102 †“ Sammeln!!« »Das hoffen vermutlich alle.« Bereits einen Moment später vernahm Krood das laute Kreischen einer sich nähernden Walküre. Das Donnern des Transporters, der sich auf den Vorhof zur Kathedrale senkte, wehte als brüllender Sturm aus Lärm in das Hauptschiff der Basilika. Ekko und seine Männer waren gezwungen, sich die Ohren zuzuhalten, bis der schnelle Senkrechtstarter die Soldaten aufgenommen und sich wieder in die Luft erhoben hatte. Krood lächelte. Endlich hatte er einen Sieg gegen Colonel Ekko erlangt. *** Der Sturmtransporter setzte den Trupp am Fuß des Beinhauses ab, das mit den vier es umgebenden Türmen eine Einheit bildete. Die heftigen Schlingerbewegungen, die der Transporter während der Landung machte, störten die drei Kasrkin überhaupt nicht, denn sie waren darauf trainiert, solche Extremsituationen psychisch zu kompensieren. Bei den anderen imperialen Soldaten sah es da schon anders aus. Der Trupp dieses Rebis war ausnahmslos grün angelaufen und die lautlosen Litaneien, die über die Lippen der Männer brachen, zeigte Krood auf, wie viel Furcht die Männer ergriffen hatte. Er lächelte in sich hinein. Normale. Es war schwer zu glauben, dass er selbst einmal einer von ihnen gewesen war, aber selbst Krood konnte sich der Tatsache nicht erwehren, dass er aus den Reihen der Normalen stammte. Zwar lagen diese Zeiten weit in der Vergangenheit, aber immer, wenn er an der Seite ‚Normaler†˜ kämpfte, wurde er an seine damaligen Unzulänglichkeiten erinnert. Etwas heftiger als gewollt prallte der Senkrechtstarter auf das Dach und erzitterte bis ins Mark. Der Frachtoffizier, selbst etwas weiß um die Nasenspitze, öffnete die Seitentür und entließ die Männer in das von Sturmwolken und heißen Blitzen dominierte Inferno des Kathedralendachs. Eisige Kälte umfing sie, als sie den schützenden Körper des Sturmtransporters verließen. Heftiger Wind trieb den Regen beinahe waagerecht über die Dachplattform des Kathedralenbaus und zerrte an Gesichtern und Kleidung der Männer, während eisiger Regen ihnen auf die ungeschützten Körperpartien von Kopf, Hals, Händen und Armen prasselte. Kreischend erhob sich die Walküre zurück in die Luft und wehte mehr, als dass sie flog, die Flanke der Kathedrale herab. Die heißen Abgasstrahlen des Sturmtransporters umstrichen die abgeknieten Soldaten und ließen sie in einer Fontäne aufgewirbelten Wasserdampfs zurück. Krood verharrte einen Moment, bevor er sich nicht mehr im unmittelbaren Bereich der Triebwerksabgase befand, dann nickte er seinen beiden Grenadieren zu und wies sie an, sofort die äußere Tür des Beinhauses zu überprüfen, bevor er sich an die ihm zugeteilten Infanteristen wandte und sie mit einer kurzen Gestenkombination ebenfalls zum Eingang befahl. Nah an den Boden geduckt schlichen Sie mit erstaunlicher Ruhe und im prasselnden Regen lautlos zum Eingang des Beinhauses, dessen an ein Tor erinnernde Tür wie auch der Haupteingang der Kathedrale mit fein gearbeiteten Totenköpfen besetzt war, die eine Heilige mit flammendem Schwert umringten. »Die Tür ist offen«, meldete die Stimme von Cedd, einem seiner beiden überlebenden Kasrkin. Tall, der zweite Mann, stand neben ihm und deckte ihn für den Fall, dass plötzlich jemand die Tür öffnete und dem gepanzerten imperialen Grenadier gegenüberstand. Rebis und seine Männer formierten sich beiderseits der Tür und warteten auf das Signal des Sergeants, der ihnen nun faktisch vorgesetzt war. Krood nickte und ging mit schnellen Schritten zu ihnen. »Klar machen zum Vorrücken«, befahl er. Bereits während des Flugs hatten und Rebis ihre Kurzfrequenzfunkgeräte auf dieselbe Frequenz eingestellt, um schnell und effizient miteinander kommunizieren zu können. Jetzt hob der Corporal die Hand und signalisierte seinen Männern, sich vorzubereiten. Krood konnte sehen, wie Gewehre angelegt und Energielevels ein letztes Mal überprüft wurden. Dann war es soweit. »Sturm«, befahl der Sergeant. Die beiden Kasrkin brachen regelrecht mit der Tür ein, so heftig traten sie sie auf. Laut knirschend schwangen die beiden hölzernen Türflügel auf und schepperten mit hallendem Lärm gegen die steinernen Innenwände des Gebäudes. Gähnende, schwarze Leere begrüßte sie. Wortlos und nahezu geräuschlos folgten die Soldaten aus Rebis Kommando seinen beiden Kasrkin. Wie Raubtiere an die Wände beiderseits des Ganges geschmiegt, rückten sie im Licht ihrer Gewehrlampen langsam immer tiefer in die dunkle Ewigkeit des alten Ganges vor. Im leichten Laufschritt passierte Krood die Männer und setzte sich hinter den führenden Kasrkin. »Kann losgehen«, wisperte er in sein Mikrofon. Der Cadianer †“ es war Cedd †“ nickte wortlos und beschleunigte seine Schritte.
  9. Hallo Leute, hier kommt das nächste Kapitel. Viel Spaß beim Lesen. 14 Sie hatten die Hälfte des Platzes überquert, als sie die volle Wucht der schweren Regenfront traf. Die Plötzlichkeit und Heftigkeit, mit der das Wetter auf sie niederging, ließ Ekko für einen Moment lang taumeln. Augenblicklich reduzierte sich die Sichtweite auf wenige Meter und wich einem verschwommenen Bild aus unterschiedlich stark präsenten Grautönen. Das Rauschen des niedergehenden Wassers verdeckte sogar die Schritte der Männer und die Panzermotoren. Nur das metallene Klirren der Gleisketten war noch zu hören. Ekko schüttelte sich. Die plötzliche, kalte Dusche, welche die zuvor noch erhitzte Luft schlagartig abkühlte und wusch, brachte seinen Körper für einen Moment lang aus dem Gleichgewicht. Neben sich hört der Colonel jemanden wütend schnauben. »Scheißwetter«, fluchte ein Soldat. »Nirim, halten Sie die Klappe«, ertönte Balgors gekeuchte Antwort. »Sie wollten es den ganzen Tag doch nass und kühl haben.« Rechts von Ekko tauchte der gepanzerte Körper von Krood auf. Wie konnte der Kasrkin in seiner Rüstung so dermaßen schnell laufen? Blaues Leuchten erhellte die Umgebung. Röhrender Donner ließ den Erdboden erzittern. Mit großen Schritten näherte sich Ekko dem dunklen Schatten des Kirchentors, das sich vor ihm aufbaute. In wenigen Sekunden … Ein feuriger Energieblitz brach aus einem der hoch oben gelegenen Fenster der Kathedrale hervor und lenkte ihn ab. Ein Angriff! »Achtung!« Instinktiv warf sich Ekko auf den Boden und rutschte den letzten Meter gegen die Außenmauer. Captain Balgor kam neben ihm zum Halten und ging in die Hocke. »Boss, was ist passiert?«, fragte er. »Haben Sie denn den Blitz nicht gesehen?« Helles Licht flammte über den Himmel. Schwerer, rollender Donner brach über sie herein. »Ach so, ja, jetzt sehe ich den auch«, erwiderte Balgor. Der Colonel knirschte mit den Zähnen. Mit einem Mal kam er sich ausgesprochen dämlich vor. Hatte nur er das Leuchten gesehen? »Nein, ich meinte das Licht, das aus dem Turmfenster kam.« »Alles okay, Boss?«, fragte Balgor und beugte sich über seinen Kommandeur. Er glaubte ihm kein Wort. Ekko gab es auf. Vielleicht war es ja wirklich eine Spiegelung gewesen oder einfach nur Einbildung. Er funkelte den Captain an. »Ja, natürlich geht es mir gut. Ich dachte nur, ich fange hier unten mit der Suche nach der Tür an. Was dachten Sie denn?« »Nichts«, erwiderte der Basteter mit einem mühsam verkniffenen Lachen. »Sind Sie denn fündig geworden?« »Nein, natürlich nicht«, brummte Ekko. »Ich suche noch.« Aufmerksam nickte Balgor. Dann hob er hilfsbereit die Hand und deutete auf einen Punkt wenige Meter entfernt. »Vielleicht sollten Sie es da drüben versuchen, Sir. Da ist das Tor.« Ekko stand auf und klopfte gegen seinen von Matsch bedeckten Drillich. »Ach ja, richtig«, antwortete er. Basteter Infanteristen hatten bereits beiderseits der Torflügel Aufstellung genommen. Ekko erntete befremdete Blicke, als er wie ein planloser Pantomime begann, die Tore abzutasten. Vermutlich hielten die Leute das, was sie in der regnerischen Dunkelheit von ihm erkennen konnten, für verrückt. Aber das war ihm egal. Hier irgendwo musste doch ... Das kalte, glitschige Metall eines nassen Türrings glitt in seine Hand. »Licht!«, befahl er knapp. Einer der Soldaten trat zu ihm und aktivierte die Gewehrlampe. Ein schmaler, heller Streifen Licht traf auf den von Ornamenten bedeckten Torflügel. Ekko wies den Mann an, sein Licht über die Fläche gleichen zu lassen. Der Türring selbst war ein aus einer Art von Messing gearbeitetes und blank poliertes, aber vom schmirgelnden Staub der Steppe bereits teilweise abgeriebenes Stück, das mit einem dicken Bolzen im ehernen Körper des Tores versenkt war. Und da es zu klein war, um das Gesamtwerk zu öffnen, musste es einfach zu einer Tür gehören. Ekko warf noch einen Blick auf die gewaltige, mit Totenschädeln verzierte Front, die im Flackern eines weiteren Blitzes vor ihm aufleuchtete. Erst jetzt ging ihm auf, dass das Schwert der Heiligen, das so plastisch aus der Darstellung herausragte, direkt auf ihn wies. Vielleicht war das ein Hinweis. Das würde sich nun zeigen. Ekko drehte den Türring und zog daran. »Sesam, öffne dich!« Doch der Eingang blockierte. Er packte das Schloss und rüttelte daran. »Sesam, geh auf!« Keine Reaktion. Vielleicht gab es doch keine Tür und er hatte sich geirrt. In diesem Falle wäre das, nicht nur für ihn, eine sehr blamable Angelegenheit geworden. Ähnlich wie diese Sache damals auf Bastet, als eine Gruppe Aufständische einhundert Meter vor den Augen seiner PVS-Einheit die Brücke in die Luft sprengten, die sie gerade noch gesichert geglaubt hatten. Auch, wenn dieser Vorfall mit einem sehr unangenehmen Nachspiel geendet hatte, hatte der damalige Sergeant eine wichtige Lektion für sein Leben gelernt: Meist waren es die kleinen, aber wichtigen Dinge, die man übersah. Ekko packte den Gewehrlauf des Lasergewehrs, das noch immer auf den Türring zeigte und drückte die Waffe etwas nach unten. Ein schmaler Schlitz, unter dem großen Ring von ihm zuerst übersehen, offenbarte, was sie brauchten, aber nicht besaßen. Einen Schlüssel. Der Colonel stieß einen entnervten Seufzer aus. Nicht auch noch das. »Ich bringe dir den Wetterbericht!«, fuhr er das Schloss an. »Es blitzt und donnert! Und du wirst sicherlich vom Blitz getroffen, wenn du nicht kooperierst!« Dann rüttelte er noch einmal am Türring. Das Schloss verweigerte weiterhin die Zusammenarbeit. Ekko knirschte mit den Zähnen. Regenwasser lief von seinem Kopf über sein Gesicht, Hals und Nacken unter seinen Uniformdrillich, der bereits die Konsistenz frisch gewaschener Wäsche annahm. Die Zeit rannte haltlos vorwärts – und mit jeder verstrichenen Sekunde wuchs seine Wut über das wenig kooperative Stück einfachster Technologie, das er nicht überwinden konnte. Es waren vielleicht fünfzehn Sekunden vergangen, in denen Ekko und die Verriegelung ihre Blicke gemessen hatten, da traf er eine Entscheidung. Ohne ein weiteres Wort zog er die Laserpistole aus seinem Tiefziehholster, aktivierte die Energiezelle und richtete sie auf das Schloss. »Achtung, Feuer!«, rief er und setzte einen Schuss direkt in den schmalen Schlitz. Knirschend löste sich Metall auf, zerbarst ob der intensiven abgefeuerten Energie. Ekko drehte den Türring in seiner Halterung, rüttelte daran und spürte plötzlich, wie die schwere Holztür aus der Verrieglung rastete. Noch eine interessante Tatsache: Man zog sie nicht auf. Man drückte. Gut, daran hätte er auch vorher denken können … Vielleicht war sie ja doch offen gewesen. »Und los!« Mit ihren Gewehren im Anschlag rückten die Kasrkin vor und stießen die schwere Holztür im großen Tor der Basilika auf. Krood voran, gingen sie in den Raum vor, gefolgt von Lenhims Trupp, dessen Mitglieder bemüht waren, den cadianischen Elitesoldaten in nichts nachzustehen, und Leitis Sile. Gireth wollte sich ebenfalls auf den Weg machen, um sie zu unterstützen, aber Ekkos Hand legte sich auf seine Schulter. »Du bleibst bei mir«, forderte er den jungen Soldaten auf. Seine Stimme duldete keinen Widerspruch. Dann folgte der Colonel den Männern durch die Holztür. Beruhigende Dunkelheit empfing sie. Urplötzlich fiel die Temperatur um fast fünf Grad. Eine angenehme Kühle wehte ihnen gleich dem Wind eines gemäßigten Tages entgegen. Nach dem schweren Regenguss, der drückenden Hitze in den Fahrzeugen und dem gnadenlos Wind, der den Sand im Umland umher getrieben hatte, waren die Soldaten dem Imperator für diesen Moment der Ruhe dankbar. »Sicher!« »Hier auch!« »Verstanden«, bestätigte Kroods Stimme von überall die Meldungen seiner beiden Grenadiere mit einem leisen, warnenden Unterton der Vorsicht. »Weiter vorrücken.« Wortlos und fast lautlos trabten sie im leichten Laufschritt vorwärts. Balgor trat zu Ekko, der sich irgendwo neben den Haupteingang gestellt hatte, um weitere Infanteristen durchzulassen. »Den Wetterbericht?«, fragte er verwundert. Ekko zuckte die Schultern. »Die Mitleidstour. Hat nicht funktioniert.« Dann folgte er den Soldaten ins Innere des Hauptschiffs. Schmale Strahlen starker Gewehrlampen tanzten in die undurchdringliche Dunkelheit hinaus und suchten den Boden im näheren Umfeld ab. Was sie fanden, machte den Imperialen nicht gerade Mut. Zerschlagene Bänke, gebrochen und zersplittert, säumten den Weg in Richtung Altar. Egal, welche Grausamkeiten hier stattgefunden hatten, der Fantasie verliehen ihre Überbleibsel Flügel. Während die Kasrkin ihrem Wesen als perfekt gedrillte, furchtlose Kämpfer gerecht blieben und das zerrissene Umfeld wortlos ausblendeten, wurden die restlichen Soldaten immer langsamer. Sie waren bereits ein gutes Stück in das Innere des geweihten Raumes vorgedrungen, als die kleine Gruppe aus Imprialen zum Stehen kam. Im brutal hellen Licht eines folgenden Blitzes starrte ihnen das Grauen entgegen. Menschen. Mehrere Dutzend Menschen saßen auf den noch heilen Bänken an den Außenseiten des Hauptschiffs, so als seien sie von dem, der hier die Verwüstungen angerichtet hatte, vollkommen außer Acht gelassen worden. Lasergewehre wurden knirschend entsichert und in dem Moment hochgerissen, da die Kathedrale wieder in tiefste Dunkelheit getaucht wurde. Regen prasselte dröhnend auf das weit über ihnen gelegene Dach. Ansonsten war kein weiteres Geräusch zu hören. Die imperialen Soldaten standen vollkommen unter Schock. Urplötzlich fiel die Temperatur in die Tiefe. Weiter vorne knirschte es. Holz brach. Einer der drei Kasrkin ging festen Schrittes durch die zerschlagenen Bankreihen auf den ihm wohl am nächsten sitzenden Mann zu, um ihn anzusprechen. Atemlos warteten die Soldaten, was geschah. »Gireth«, flüsterte Ekko nach hinten. Er erntete ein ersticktes »Ja?« »Zweiter Trupp zu mir.« »Verstanden«, antwortete die ängstliche Stimme. Das Funkgerät rauschte. »5120100 an 5120202 …« »Die sind tot«, meldete der Kasrkin vor ihnen. Wie Ekko sehen konnte, hatte er den sitzenden Körper erreicht und betrachtet. »Sieht nach einer Form von rituellem Selbstmord aus.« »Ja, verstanden. 5120202 unterwegs«, schrie das Funkgerät seine Antwort in die kalte, einsame Stille hinaus. Irgendjemand grunzte vor Schreck. Ein gleißender Blitz flammte auf. Der gellende Donner ging in schwere Schritte über. *** »Das ist echt unheimlich«, flüsterte Gireth an Rahael gewandt. Der junge Cadianer, der seinen Kameraden nicht sehen konnte, nickte in das Dunkel und versuchte, sich an ein passendes Gebet für einen solchen Fall zu erinnern. Er fand keines. Im starken Schein seiner Gewehrlampe, das trotzdem nur wenige Meter weit reichte, konnte er das zerschlagene Holz einstmalig reich verzierter Sitzbänke sehen. Der Grusel, der ihn bei dem Gedanken überkam, was genau hier geschehen war … vielleicht war es besser, sich nicht damit zu beschäftigen. Gedämpfte Schritte näherten sich aus dem Dunkel, das vor Rahaels Augen immer wieder von einem sehr dunklen Blau in ein tiefes Schwarz überging. Im knisternden Schweigen der vom Gewitter aufgeladenen Luft ließ es seine Haare zu Berge stehen. Die schemenhaften Schatten von Melbin und einem anderen Soldaten huschten vorbei. Im Gegensatz zu den Neulingen bewegten sie sich auch in der Schwärze zielsicher und leise. Lichter tanzten durch die bläulich angehauchte Nacht, streiften Eingangstore und Säulen. Weitere Basteter fluteten, die Waffen im Anschlag, in den Raum. Das schwere Trommeln ihrer Schritte, die gedämpft klirrende Ausrüstung und scharfe Knirschen ihrer Lasergewehre schallten durch die Kathedrale. Irgendwo weiter vorne knackte es laut. Holz brach mit einem Geräusch, das durch die gewaltige Basilika peitschte. Der gefauchte Fluch eines imperialen Soldaten machte klar, was geschehen war. Rahael trat einen Schritt zwischen die Bänke und zog Gireth mit sich, damit die erfahreneren Soldaten sie ungehindert passieren konnten. Ein strahlender Blitz zuckte vor den Buntglasfenstern auf die Erde. Für einen Augenblick lang erstrahlte das Hauptschiff des Baus in unwirklichem Licht. Da saßen sie: die Toten auf den Bänken, ihre Hände zum Gebet gefaltet und mitten in der Bewegung erfroren. Die Panik, die Rahael bei diesem Anblick verspürte, hätte niemand beschreiben können. Eiswasser rann über seine Haut, das heiße Kribbeln schwerer innerer Unruhe erfasste seinen restlichen Körper. Als diese beiden Gegensätze zusammenprallten, konnte er nicht anders als sich vor Aufregung zu schütteln. Er wollte hier raus. So schnell wie möglich. »Der Horror«, flüsterte ein Soldat aus Balgors Trupp in seiner Nähe. Das dumpfe Klatschen von Haut auf Haar ertönte, als sein Kamerad ihm einen Schlag auf den Hinterkopf gab. »Halt’s Maul!« »Konzentriert euch«, murmelte jemand anderes erregt. Wieder knackte Holz. In der Stille klang es unnatürlich laut. Rahael versuchte, sich nicht vorzustellen, wie jemand sich in der Dunkelheit an ihn heranschlich. »Alles in Ordnung, Jungs?«, erkundigte sich eine körperlose Stimme direkt hinter ihnen. Gireth und Rahael fuhren erschrocken herum. Im Licht ihrer Gewehrlampen sah Colonel Ekko sie an. War er nicht eben noch vor ihnen gewesen? Auch der Colonel wirkte angespannt, aber es gelang ihm, diese Belastung zu einem großen Teil zu verbergen. Einzig die tiefen Schatten in seinem Gesicht zeugten davon, wie sehr ihn die Situation mitnahm. Vielleicht aber ließen auch nur die Lampen, die direkt in sein Gesicht strahlten, ihn so dermaßen gerädert aussehen. »Kann man nicht behaupten«, flüsterte Gireth, bemüht, die in diesen Mauern beheimateten Geister nicht auf sich aufmerksam zu machen. »Dann sind Sie genau die Richtigen«, antwortete der Colonel. »Wollen wir?« Mit einem schwachen Nicken deutete er in die hallende Schwärze, in der versprengte Taschenlampen scheinbar zufällige Muster auf den Boden malten. Rahael schluckte schwer. »Eigentlich ungern.« »Oh«, murmelte Ekko in das ferne Grummeln eines weitreichenden Donners, der durch die offene Tür zu ihnen ins Gemäuer strömte und sich im hallenden Inneren der Basilika verlor. »Das kann ich sehr gut nachfühlen.« Langsam nickte Rahael und warf einen Blick zu Gireth, dessen Gesicht er nur schemenhaft sehen konnte. Der Funker stand geduckt neben ihm, vom Gewicht seines Funktornisters und der Düsternis niedergehalten. Er wirkte nicht besonders glücklich. »Also, Jungs. Lasst uns den Schatten trotzen«, schlug der Colonel vor und betrachtete sie aufmerksam. Rahael nickte. Die Furcht hatte noch immer die Kontrolle über seinen Körper, aber er war bereit, für Ekko gegen sie anzutreten. Gireths Haltung verriet, dass es ihm nicht so erging. Er bewegte sich zögernd, widerstrebend und überließ Rahael und seinem Lasergewehr die Führung in das Hauptschiff. Ein leuchtender Blitz ging wütend auf die Erde nieder. Donner rollte durch die Wände des Gebäudes und verklang in der riesigen Halle. Rahael wandte sich um und guckte, ob Colonel Ekko überhaupt noch hinter ihnen war. Bei den unheimlichen Schatten, die sie lauernd umstrichen, hätte es ihn nicht gewundert, wenn der Colonel urplötzlich verschwunden gewesen wäre. Doch Ekko folgte ihnen langsam weiter in das Gemäuer. Jeder seiner Schritte hallte bis zur Unendlichkeit und kehrte einige Augenblicke später von dort zurück. Ein neuerlicher Schauer kroch über Rahaels Rücken. Je tiefer sie in das Hauptschiff eindrangen, umso dunkler schien es um sie herum zu werden. Die Taschenlampen durchdrangen die kalte Finsternis wie verängstigte Laserstrahlen, die sich freiwillig nie getraut hätten, den schützenden Mantel ihrer Gewehre zu verlassen. Rahael gelangte zu der Ansicht, dass nicht einmal die hellste Sonne eines glutheißen Tages durch die Hauptfenster fluten und das Innenleben dieses Baus mit Licht erfüllen konnte. Ein gleißender Blitz erleuchtete die Himmels-Kathedrale. Schwerer Donner ließ die Buntglasfenster klirren. Wieder kam die Schützenreihe vor ihnen zum Stehen. Gewehrlampen wurden geschwenkt, sandten ihr Licht über die zerstörten Bänke und verloren sich schließlich in der Finsternis. Wie konnte ein Raum nur so dermaßen dunkel sein? »Das ist keine Durchschnittsfinsternis mehr«, keuchte Gireth aufgeregt. »Das ist fortgeschrittene Finsternis.« »Im Endstadium«, wandte Colonel Ekkos Stimme von irgendwo her ein. »Wir brauchen Strom, Gireth. Sorgen Sie dafür.« Rahael hört die Anspannung in der Stimme des jungen Funkers, der direkt neben ihm stand und trotzdem nur als undeutlicher Schemen zu erkennen war. Sie erinnerte ihn an seine eigene Furcht vor diesem Ort. »Wie soll ich das tun?« »Treiben Sie die anderen mal etwas an«, erhielt er zur Antwort. Ein gleißender Blitz warf einen langen, bedrohlichen Schatten über Rahaels Schulter. Der junge Cadianer fuhr erschrocken herum, hob sein Gewehr und leuchtete … direkt in das Gesicht von Leitis Sile. Vor Schreck stieß er Luft aus. Die Prioris erinnerte ihn jetzt mehr denn je an einen imperialen Todesengel, der durch die tiefen Verliese einer toten Gruft glitt, um unselige Grabräuber zu meucheln. Wo war Colonel Ekko? »Nun, Soldat?«, fragte sie mit feenweicher Stimme und bedachte ihn mit einem auffordernden Blick, der ihn entweder zum Weitergehen bewegen sollte oder … Er wollte noch verhindern, dass er in dieser Situation genau diesen Gedanken dachte, aber das war beinahe unmöglich. Er wandte sich ab, errötete und hob das Gewehr an die Schulter, um etwas gedankenlos in der Gegend umher zu leuchten. Tiefreichender Donner ließ die Kathedrale erzittern. Er raste in die Haupthalle, durchmaß das Gemäuer in seiner gesamten Größe und verlor sich allmählich. In die folgende Stille sangen ferne, murmelnde Stimmen Lobhymnen auf den heiligen Imperator. Wie groß die Himmels-Kathedrale war, ließ sich dadurch nur erahnen. Aber Rahael glaubte, dass sie einfach mehr als riesig sein musste. Die blutrote Rüstung Leitis Siles schob sich an ihm vorbei. Ein Hauch kühler Erotik streifte ihn mit ihrem Duft. Der junge Cadianer konnte nicht anders, als die langsam vorwärts gehende Sororita mit seiner Gewehrlampe anzustrahlen. Die murmelnden Stimmen verklangen. Langsam ließ er das an seiner Waffe montierte Licht über sie gleiten. Auch, wenn der massige Körperpanzer sie bedrohlich aussehen ließ, so konnte man dennoch erkennen, dass sich darunter eine schlanke, äußerst weibliche Figur befand. Als Rahael daran dachte, wie sich dieser geschmeidige Körper im Lazarett gegen die vielen Soldaten gewehrt hatte, fühlte er wieder Hitze in sich aufwallen. Er erinnerte sich daran, wie er sie gefunden hatte, wie sie versucht hatte ihn zu töten und an ihre kalte, berechnende Art. Und er spürte, dass da etwas war, das ihn zu ihr hinzog. Etwas, das in diesem Augenblick vollkommen unpassend war, aber das er irgendwo in seinem Innersten spürte und das ihm einen Strohhalm bot, an den er sich klammern konnte. Am Himmel flackerte ein großer Blitz auf. Sile blieb stehen. Einen Augenblick lang schwieg die Prioris, bevor sie sich entschied, doch das Wort an ihn zu richten. »Rahael«, sagte sie mit ruhiger, konzentrierter Stimme, ohne sich umzudrehen. »Wenn sie es noch einmal wagen, mich in diesem Dunkel anzuleuchten, dann töte ich Sie.« Krachender Donner unterstrich ihre Worte.
  10. *** Sie rollten die verlassenen Gassen entlang. Das Gewitter hatte sich inzwischen entschieden, sie dabei zu begleiten und war rasend schnell näher gekommen. Heftiger Wind trieb aufgewirbelten Staub mit kalten, gleichgültigen Zügen über die Straßen zwischen den riesig aufragenden Bauten und ein ozonhaltiger Geruch schwängerte die Luft als Vorbote der nahenden Himmelswut. »Warum liegen hier keine Toten?«, fragte Gireth unvermittelt. Die Spannung, die von seinem Körper ausging, war fast so greifbar wie die knisternde Atmosphäre um sie herum. Ekko folgte seinem Blick und verstand, was der junge Soldat meinte. Als sie die Makrokathedrale erreicht hatten, hatte vermutlich jeder von ihnen vermutet, dass sie innerhalb der Mauern des Komplexes ein Schlachthaus vorfinden würden. Nach dem bestialischen und blutreichen Massaker, das an den Menschen außerhalb des Festungsgürtels angerichtet worden war, hätte Ekko vermutet, dass sie knietief durch Blut waten mussten. Doch dem war nicht so. Seit sie die massige Außenmauer durch das geöffnete Tor passierten hatten, rollten sie menschenleere, unberührte Straßenzüge entlang, bei denen man dem Gedanken anheim fallen konnte, dass die Bewohner dieser Kirchenstadt von dem Massaker vor den Mauern ihrer Makropole überhaupt nichts wussten. Es hätte so friedlich und beruhigend an diesem Ort sein können, wäre da nicht eine Sache gewesen, die Ekko Schauer über den Rücken trieb. Die Straßen waren leer. So leer wie die Wege eine Necropole, tot seit tausenden von Jahren und von jeglichem Leben verlassen, das stimmte. Aber †“ und genau das machte ihn nervös †“ es gab auch keine Hinweise darauf, dass hier jemals Leben existiert hätte. Es war anders, das wussten sie, denn Maryans Sentinels hatten in den östlichen Ausläufern der Stadt Beweise dafür gefunden, dass an diesem Ort Menschen gelebt hatten, doch hier waren keine Anzeichen davon zu finden. Das schleifende Klirren der Panzerketten prallte unnatürlich laut von den Gebäudefassaden ab und umtoste die vorrückenden Truppen wie das Gellen unseliger Geister. Ekko lehnte auf den Rand des Kommandostands und musterte die langsam vorbeiziehenden Häuserfassaden. Dieser Ort strahlte bereits nicht mehr den faszinierenden Hauch des Mysteriösen aus. Er war einfach nur noch unheimlich. Seit sie dem spiralförmig angelegten Weg folgten, betrachtete der Colonel die um sie aufragenden Gebäude. Er hatte bisher weder Abnutzungsspuren, noch sonstige Anzeichen für ein alltägliches Leben entdecken können. Die Türen der Gebäude waren geschlossen, ebenso ihre Fenster und von innen mit farblosen Gardinen verhängt, so als warteten sie auf ihre baldigen Benutzer. Die um sie herum liegenden Straßen waren leer und perfekt rein, so rein wie … ein schneebedecktes Feld im Winter. Verdammt sei der Thron. Weshalb musste er gerade jetzt an Leitis Sile denken? Er wandte sich um und sah sich der blutroten Rüstung der Schwester gegenüber. Sie stand neben dem Bordschützen des Kommandopanzers und sondierte die Umgebung mit aufmerksamen Blicken. Ihn ignorierte sie vollkommen. Der Pferdeschwanz ihres blonden Haars wehte im starken Wind, der unter Ekkos Uniformjacke fasste und ihr frösteln ließ. Was, im Namen des Throns, machte sie hier? Der seichte Anstieg der Straße wurde allmählich steiler. Als sie die erste Innenmauer passierten, erreichte er die fünfunddreißig Grad. Die Gebäude, zuvor noch dicht gedrängte, mehrstöckige Wohn- und Arbeitshäuser, wurden immer größer und prunkvoller. Ausladende Alleen flankierten die zunehmend breiter werdende Hauptstraße auf dem Weg die Hügelflanke hinauf. Ekko stellte fest, dass dieser Teil der Makropole im Gesamten sehr viel größer war als die Behausungen des vorherigen Ringes. Wer auch immer hier gelebt hatte, man hatte sich den steigenden Luxus von Platz und fruchtbaren Boden auf diesem offensichtlich eher lebensfeindlichen Planeten einiges kosten lassen. Ekko betrachtete die grünen Parkanlagen, die zu ihrer Linken auf stufenförmig absteigenden Terrassenanlagen zwischen langen Säulenformationen angelegt worden waren. Wie lange war es her, dass er selbst Bäume, Hecken und grüne Wiesen in einer friedlichen Umgebung genossen hatte? Eine Ewigkeit. Eine Ewigkeit, die sich bereits fast vollständig aus seinem Gedächtnis zurückgezogen hatte. Er drehte sich um. Hinter ihnen rasselten die Chimären auf klirrenden Gleisketten die lange, mit Pflastersteinen bedeckte Straße hinauf. »Das wird sicherlich keinen guten Eindruck hinterlassen«, bemerkte der Bordschütze und wies auf die Steine, deren Kanten bereits unter dem Gewicht des Kommandopanzers gesplittert waren. Mit einem halben Dutzend Chimären, die dem Salamander folgten, würde die Straße in wenigen Minuten sehr abgenutzt aussehen. Der Colonel lachte. Hier kamen sie †“ zur Befreiung einer Kathedralenstadt, die sie im Zuge dieser Befreiung selbst zerstörten. Ein wirklich klassischer Gedanke. »Ich kam, ich sah und demolierte«, murmelte er und wandte seinen Blick nach rechts, wo sich vier, nein fünf, Terrassen mit großen Anwesen erstreckten. Es waren schmutzig weiße Gebäude mit breiten, säulengestützten Fronten und gewaltigen Spitzdächern, die selbst an kleine Kirchen erinnerten. Ekko konsultierte die Karte, die Gireth ihm nach einem kurzen Wink reichte, und erkannte, dass in jede der vier Haupthimmelsrichtung fünf dieser Terrassen mit insgesamt vierzig Anwesen wiesen. Flankiert wurden sie von den mächtigen Parkanlagen, durch die zwei spiralförmig in Gegenrichtung verlaufende Straßen von den Außenanlagen der Stadt bis ins ihr Zentrum verliefen. Ekko gab dem Funker die Karte zurück und genoss für eine Weile einfach den Ausblick, der sich ihm aus dem rumpelnden Panzerfahrzeug bot. Von hier oben hatte man eine ungefähre Vorstellung von der eigentlichen Größe dieses Orts. Einige Kilometer entfernt konnte Ekko eine der Walküren sehen, die auf einem der scheinbar zufällig über die äußeren Ringe verteilten Plätze gelandet war und dort nun auf weitere Befehle wartete. Trupps zweibeiniger Ameisen in Kampfuniformen der imperialen Armee verteilten sich im Laufschritt in der gewaltigen Stadt, während vor dem Mauern der Makrokathedrale eine beeindruckende Staubwolke davon zeugte, dass sich das Knäul der Fahrzeuge allmählich zu entwirren begann. Gut so. Allerdings musste jetzt erst einmal genügend Platz gefunden werden, um alle ihm anvertrauten Fahrzeuge innerhalb der Mauern der Himmels-Kathedrale unterzubringen. Ekko lehnte sich auf die Panzerung des Kommandostands, schloss die Augen und gestattet sich einen Moment der Ruhe. Sile und sein Regiment, Iglianus und Del Mar, das alles rückte weit in den Hintergrund. Wo waren die Zeiten hin, als er noch einfacher Sergeant der PVS von Bastet III gewesen war? Ein Mann mit Perspektive, unerschütterlichem Glauben und lebensfroher Ironie? Er war alt geworden, wenn auch nicht körperlich. Aber er fühlte sich alt. Gebrochen. Verroht. Selbst, wenn er mehr als oft genug mit seinem Auftreten darüber hinweg zu täuschen versuchte, konnte er dennoch nicht verhindern, dass ihm eine Sache stets ganz deutlich im Hinterkopf blieb: Er hatte sich verändert. Nicht zum Guten, denn dafür war sein Leben zu rigoros in negativen Bahnen verlaufen. Er war vielmehr vereinsamt und unglücklich geworden und hatte jeden Lebenswillen verloren. Aber leider gaben nun einmal weder der Gott-Imperator, noch das gewaltsame Universum einen Deut darum, was ihm im Kopf umherging. Und so blieb ihm, der er für eine Selbstverletzung viel zu feige war, nur der Versuch, sich möglichst unspektakulär aus der ewigen Gleichung von Gut und Böse zu streichen. Der Kommandopanzer rumpelte heftig und Ekko schreckte auf. Ein mächtiger Torbogen zog ruhig über sie hinweg. Erstaunt erkannte der Colonel, dass es das Tor der zweiten Innenmauer war, die den spiralförmig gewundenen Weg auf seiner Reise zum zentralen Komplex des Makropolbaus abermals unterbrach. Er sah sich um. Die Umgebung war abermals von einem plötzlichen, signifikanten Wandel gezeichnet. Riesige Gartenanlagen und beindruckend große, grüne Hecken umgaben gewaltige Herrenhäuser, deren durch Alleen flankierte Auffahrten von mächtigen, schmiedeeisernen Toren geschützt wurden. Im Grunde waren sie nichts anderes als die Gebäude der vorherigen Ebene †“ nur noch größer und noch einschüchternder. Die übersprudelnde Geldverschwendung erinnerte Ekko an vieles, aber sicherlich nicht an die Peripherie einer Kathedrale. Der Reichtum, der ihm hier präsentiert wurde, sprengte jede ihm vorher bekannte Dimension. Auf Bastet war Reichtum ein Nebenerwerb, den sich ein treuer Diener des Imperators leisten konnte, indem er seine Aufgaben gewissenhaft und stets ehrlich ausführte. Er war weder Sinn, noch Zweck der Arbeit. Hier allerdings … sah das anders aus. Prunk, Protz und Glanz schienen der Lebensinhalt der hier ansässigen Bewohner gewesen zu sein. Wie konnte ein im Dienste †“ im heiligen Dienste †“ der imperialen Doktrin und dessen Urvater, dem göttlichen Imperator, stehender Komplex zur Zentrale ketzerischer Wertsammlungen werden? Nicht, dass Ekko etwas dagegen gehabt hätte. Ihm war es egal. Sollte das verdammt Universum doch die Habgier der Ekklesiarchen nähren. Aber ihn und seine Männer zu schicken, um ebendiesen Reichtum zu sichern, das war einfach nicht gerecht. Ihm gegenüber nicht und seinen Leuten gegenüber noch weniger. Er wandte sich um. Der stete Anstieg des Weges machte den Soldaten zu schaffen. Einige keuchten unter der schweren Ausrüstung bereits asthmatisch. Aber vielleicht, dachte Ekko, ist es wirklich meine Schuld. Vielleicht habe ich den Gott-Imperator und das Universum einfach zu weit gereizt. Sie haben es tatsächlich auf mich abgesehen. Urplötzlich flachte die steile Flanke des Hügels ab. Sie würden als bald die Spitze erreichen. Schlau vom Gott-Imperator, mich gerade jetzt aus meinen Gedanken zu reißen. Ekko warf einen Blick auf die Kathedrale, die stetig aus dem Boden wuchs und vor seinen Augen stetig anschwoll. Bereits jetzt ragte sie in einer Gewaltigkeit in den dunklen Himmel, die Ihresgleichen suchte. Ein Gebäude, gebaut als ewiges Monument der menschlichen Rasse gegenüber dem Universum. Unzerstörbar und zerbrechlich zugleich. Unendlich lange Schatten waren die Fassade hinaufgeklettert und lauerten dort auf die winzigen Menschen, die in seltsam anmutenden Gefährten auf den Plan traten, sie in ihrer unendlichen Ruhe zu stören. Ekko klopfte dem Bordschützen auf die Schulter, dann aktivierte er das interne Funknetz des Panzers. »Halten Sie hier. Wir gehen zu Fuß weiter. Stellen Sie nur den Feuerschutz sicher.« »Verstanden«, antworteten Fahrer und Bordschütze gleichzeitig. Knirschend kam das Kommandofahrzeug zum Stehen. Ekko nickte Gireth zu, dann öffnete er die Heckklappe und sprang vom Fahrzeug. Der junge Funker folgte ihm und schaffte es sogar, nicht wieder wie ein nasser Sack auf die Erde zu klatschen und dabei sein Gewehr im Boden zu versenken. Sile folgte ihnen mit der unfassbaren Leichtfüßigkeit, die sie trotz ihrer schweren Servorüstung perfekt beherrschte. Keuchende Basteter passierten sie in schweigender Konzentration im Laufschritt. Das gedämpfte Klirren ihrer Ausrüstung begleitete die asynchronen Schritte der Männer und ein schwerer Geruch aus Schweiß, Unruhe und Aufregung waberte träge und flüchtig hinter ihnen her. Ekko wartete, bis sich eine Lücke im Strom der Männer auftat, dann lief er hinter ihnen her, Gireth und Sile im Schlepptau. Ein gleißender Blitz flackerte über den Himmel. Die rollende Peitsche des harten Donners folgte ihm. Direkt vor den Fahrzeugen gingen die Infanteristen in Stellung, eine Mauer aus Leibern und Waffen, die jedem Angriff sofort mit tödlicher Macht entgegenstehen würde. Ekko passierte die Männer, wies Gireth und Sile an, zurückzubleiben und lief weiter vor. Er zog die Pistole aus dem Tiefziehholster und prüfte den Ladestatus der Waffe. Mit leisen Schritten schlich er vorwärts und wartete darauf, dass jede Sekunde aus einem Versteck das Feuer auf ihn eröffnet wurde. Doch nichts dergleichen geschah. Stattdessen endeten die Gärten schlagartig, so als hätte man sie mit beim Erreichen der Hügelspitze abgeschnitten. Ekko kniete sich hin, dann drückte er sich gegen den Boden und robbte die restlichen Meter nach oben. Ein vorsichtiger Blick über den Rand der Straße zeigte ihm, dass die eigentliche Spitze des Bergs abgeschnitten worden und nun ein künstliches Plateau war, das die Kathedrale und das umgebende Areal trug. Der Colonel lehnte sich vor und riskierte einen genaueren Blick darauf, auch wenn er wusste, dass er so exponiert und ein gutes Ziel für einen Scharfschützen bot. Aber das war ihm egal. Hier war ein guter Ort zum Sterben. Und sein Regiment wäre dann auch in Sicherheit, auf jeden Fall im Moment und relativ gesehen. Einen Augenblick lang wartete er schweigend und hoffte, dass es ihn erwischte. Als ihm aufging, dass ihn das Universum um ein weiteres Mal um seine Hoffnung und seinen Wunsch betrog, gab er es auf. Vielleicht würde es ihm später den Gefallen tun. »Lasset alle Hoffnung fahren, die die Ihr hier eindringt. Euer Leiden wird unendlich sein †“ und Euer Geist vor Schmerzen schreien«, brummte er ein alte Litanei, die ihm urplötzlich ins Gedächtnis kam und nahm den Feldstecher, der vor seiner Brust baumelte, vor die Augen. Ein heftiger Blitz erhellte das Umland. Donner ließ die Erde erzittern. Ekko betrachtete das Bild, das sich ihm bot. Recht schnell ging ihm auf, dass die Karte, die er zuvor am Schützenpanzer studiert hatte, in keiner Weise den wahren Ausmaßen des Platzes gerecht wurde. Das Forum war in Form eines mehrschenkligen Rechtecks angelegt, dessen Zentrum die Himmels-Kathedrale bildete. Die Größe ließ sich bei diesem Wetter nicht wirklich ermessen, aber Ekko vermutete, dass auf dem Forum ein bis zwei Landungsschiffe der Imperialen Armee Platz gefunden hätten. Thron von Terra, das würde Zeit kosten. Der Colonel wandte sich um und wies die Soldaten mit einem knappen Wink an, sich abzuknien. Dann fuhr er fort, das Gebiet zu beobachten und sich geistig einen Plan zu skizzieren, wie er gleichzeitig den Platz sichern und die Himmels-Kathedrale stürmen konnte. Erneut flammte es in den Wolken auf. Donner krachte. Ekko beobachtete die Front der Kathedrale, die sich vor ihm als künstlicher Berg auftürmte. Beim Barte des Propheten, dachte er. Die Makrokathedrale war ein uraltes Baumuster. Ein mächtiger, aufragender Bau, der so verziert und mit zusätzlichen Verschnörkelungen versehen war, dass sein Körper an eine Schnitzerei aus altem, morschem Holz erinnerte. Ein gewaltiges, ehernes Tor mit einer Front aus fein gearbeiteten Totenschädeln, die sich auf jedem Torflügel um eine riesenhafte Darstellung einer Heiligen drängten, deren flammendes Schwert der Gerechtigkeit plastisch aus dem unzerstörbar wirkenden Material herausragte, bildete den Eingang zu dem Bau. Ekko hob den Feldstecher, der vor seiner Brust baumelte, an die Augen. Das Tor war groß. Es war sogar um ein weites größer als es zuerst den Eindruck gemacht hatte. Je länger er den Eingang betrachtete, umso mehr gewann Ekko den Eindruck, dass mindestens zwei superschwere Baneblade-Panzer übereinander in das Innere der Kathedrale hätten einfahren können, ohne eine der Mauern oder das Portaldach zu rammen. Und genau da lag der Punkt. Sie hätten vermutlich einen Baneblade gebraucht, um den verschlossenen Eingang aufzubrechen. Außer natürlich ... Neben ihm tauchte Balgor auf. »Und, Chef?« »Es ist zu«, stellte Ekko leise fest. Krachender Donner unterbrach ihn. Der Platz flackerte in unwirklichem, fehlfarbenem Licht auf. »Die Tür ist zu«, setzte der Colonel neu an und warf einen Blick zu seinem Untergeben. »Hier stimmt etwas ganz und gar nicht.« »Ich bin der gleichen Meinung«, sagte Balgor und hob sein Lasergewehr, um einen Blick durch das Zielerfassungsgerät zu werfen. »Wenn ich vor einer verschlossenen Tür stehe, dann frage ich mich auch immer, warum man mich nicht einlassen will.« Ekko lachte leise. »Dass man Sie aussperrt, kann ich verstehen … aber mich?« »Da wiederrum kann ich mir schon ein paar Gründe vorstellen«, erwiderte der Captain neben ihm grinsend. Ekko wandte sich ihm zu, um ihm diesen Sieg nicht zu gönnen. Doch er kam gar nicht mehr zum Antworten. Feuchtigkeit benetzte sein Gesicht. Der Colonel streckte die Hand aus. Regen. Das war Regen. Kühle Wassertropfen fielen spärlich aus dem pechschwarzen Himmel. Welche Heilige auch immer diese Welt beschützt hatte, sie hatte gerade begonnen, ihre Toten bitterlich zu beweinen. »Verdammt. Jetzt fängt es auch noch an zu regnen«, brummte Balgor wenig taktvoll. »Oh, Herr auf dem Thron«, erwiderte Ekko abwesend, während er mit seinem Feldstecher wieder den Körper der Kathedrale abrasterte. »Es regnet! Während eines Gewitters! Oh, nein! Das muss eine Teufelei des Erzfeinds sein!« »Punkt für Sie, Chef«, brummte der Captain. Ekko nickte. »Notiert.« Dann nahm er den Feldstecher von den Augen und rollte sich zu Balgor herum. »Ich vermute, dass innerhalb dieses riesigen Kirchentors noch eine kleinere Tür existiert. Die zu finden wird nicht ganz einfach.« Er dachte einen Augenblick nach. »Also gut. Folgender Plan: Schneller Vorstoß über den Hauptplatz, dann Sicherung des Gebiets. Kasrkin und einen Trupp mit mir, wir werden uns die Kathedrale ansehen, zweiter Trupp zu meiner Verfügung. Sie übernehmen das Kommando hier draußen. Bereiten Sie die Errichtung eines Kommandopostens vor und sorgen Sie dafür, dass der Platz vor der Kathedrale für den Anflug unserer Transporter frei bleibt. Alles andere liegt bei Ihnen.« »Oh, vielen Dank«, murmelte Balgor sarkastisch. »Endlich etwas Verantwortung.« Er nickte Ekko zu und zog sich geduckt zurück, um die Befehle an die Unteroffiziere weiterzugeben. Der Colonel blieb liegen und hob den Feldstecher wieder an die Augen. Verdammt, was für ein riesiges Gebäude. Es würde nicht einfach werden, den gewaltigen Bau einzunehmen und abzuriegeln. Das größte Problem dabei war, dass ihm nur Balgors Zug zur Verfügung stand, um die Kathedrale und dessen Umfeld zu sichern, was natürlich seine Möglichkeiten zur Truppenverteilung in gewisser Weise einschränkte. Aber als Sergeant der Planetenverteidigung und Offizier der Imperialen Armee lernte man, mit Material- und Personalknappheit auszukommen. Und genauso wie er hatte auch Balgor diese Erfahrung gemacht und den Umgang mit ihr verinnerlicht. Er wusste also, worauf es ankam. Gleißendes blaues Licht tauchte die Welt in ein bizarres Muster auch Licht und Schatten. Himmlische Wut entlud sich in dröhnenden Wellen. Die schweren, bleiernen Gewitterwolken bedeckten nun den Himmel in seiner gesamten Ausdehnung. Gleich geht†™s richtig los, dachte Ekko und ließ seinen Blick zu Balgor schweifen. Der Captain befand sich bereits auf dem Rückweg vom improvisierten Briefing. Seine Sergeants gaben die Befehle ihres Kommandanten weiter. Basteter Infanteristen formierten sich zu zwei langen Kolonnen, die links und rechts an den Straßenrändern vorrücken würden, sobald sie den entsprechenden Wink erhielten. Die Motoren der Panzerfahrzeuge, die sie flankierten, tuckerten im Leerlauf. Balgor hechtete zu Ekko, duckte sich weg und warf sich auf den staubigen Weg. »So, Chef. Wir haben es. Die Jungs sind bereit und warten auf Ihr Zeichen.« Ekko nickte abwesend. Das also war die Stunde der Wahrheit. Die Frage, was genau sie im Zentrum dieser Anlage finden würden, würde sich in den nächsten paar Minuten beantworten. Den Tod? Den Schrecken? Er lächelte nachdenklich, als er an einen Menschen zurückdachte, dem das hier alles sehr viel bedeutet hätte. Vielleicht würde er sie bald wiedersehen. Er hoffte es. Er wünschte sich, bald dem Horror diesem, seinem Leben entfliehen und in sich in die endlose Liste namenloser Verluste einreihen zu können, um dann endlich, vom göttlichen Imperator begnadigt und seinen Leiden erlöst, die Unendlichkeit mit ihr verbringen zu können. Und um ganz ehrlich zu sein: Wer wollte schon ewig leben? »Also dann los!«, befahl der Colonel und trat auf den riesigen Platz. Balgor neben ihm wandte sich um, hob die Hände und gab das Startsignal. Dann folgte er seinem Colonel in die schutzlose, regnerische Kälte des von schwarzen Wolken verhangenen Abends. Als hätten sie damit die Welt veranlasst, wieder einzuatmen, setzte das Klirren schwerer Panzerketten ein, als die Kolonne aus Truppentransportern und Schützenpanzern sich wieder in Bewegung setzte. Mit ihnen schwärmten Basteter Infanteristen auf den Kirchenvorhof aus.
  11. *** Die Stille lachte sie aus. »Sir, das gefällt mir nicht!«, gab Carrick zu bedenken. Ekko nickte wortlos. Ihm gefiel es genauso wenig. Noch immer rollten die Fahrzeuge der Kolonne auf die bereits stehenden und vergrößerten das Knäuel, das sich um das Tor der Basilika gebildet hatte. Beinahe im Minutentakt meldeten Trupps, dass sie den Verteidigungsring vergrößerten, um die neu hinzugekommenen LKWs, Schlepper und Transporter abzudecken. Wie löcherig der zu Beginn recht solide Ring aus improvisierten Stellungen inzwischen war, wollte er im Grunde gar nicht wissen. »5120604 †“ wir verlegen weiter vor.« »Verstanden, 5120604.« Ekko warf einen Blick zu Gireth, der inzwischen sehr viel ruhiger geworden war. Seitdem sie den schaukelnden und wippenden Innenraum des Salamanders verlassen hatten, bekam der junge Funker endlich seine Farbe zurück. Zwischendurch hatte es wieder schlecht um ihn gestanden, als er begriff, dass sein Kommandeur vorhatte, die Himmels-Kathedrale zu betreten, in deren Außenmauer man hilflose Menschen gepfählt hatte. Ekko hatte schon vermutete, dass er ihn zu Doktor Calgrow würde schicken müssen, doch glücklicherweise beruhigte sich der Funker recht schnell wieder. Ob die Erwähnung der Doktorin damit in Verbindung stand, war jedoch im Nachhinein nicht mehr festzustellen. Das Funkgerät knackte wieder. »5120100, hier 5120801, kommen.« Die beiden Offiziere sahen sich an. Endlich! Es hatte eine Ewigkeit gedauert, bis sich der kleine Stoßtrupp, den sie ins Innere der mächtigen Mauern entsandt hatten, sich endlich das erste Mal meldete †“ und eine weitere Ewigkeit verging, bevor die Truppe von ihrer Landestelle zum Generatorgebäude und hineingelangt war. Jetzt schien sich ein erster Durchbruch anzubahnen. Endlich! Ekko winkte Gireth heran und nahm das Sprechgerät seines Funktornisters entgegen. »Hier Ekko. Was gibt es?« Die Stimme, die ihm antwortete, klang triumphierend. »Sir, wir haben den Generatorraum geöffnet. Setzen die Anlagen jetzt in Gang.« Ekko nickte, selbst wenn der andere ihn nicht sehen konnte. »Ja, verstanden. Fahren Sie fort.« »Verstanden. Stoßtrupp †“ Ende!« Der Colonel lächelte seinem Major triumphierend zu, wandte sich um und pfiff durch die Zähne. Die Captains, die bei den vordersten Schützenpanzern zusammenstanden, sahen auf. Er ließ seinen Arm in einer Sammelbewegung kreisen und wies dann erst nach links, danach nach rechts, als würde er einen winkenden Roboter imitieren. Die Zugkommandeure verstanden den Befehl sofort und beeilten sich, wenn auch ohne Hast, ihre Männer um sich zu scharen und sie für den gedeckten Einmarsch in die Basilika aufzustellen. Balgor legte die Hände als improvisierten Lautverstärker um den Mund. »Alles in Bereitschaft!«, bellte er gegen den Lärm der Fahrzeuge an. »Alles in Bereitschaft!«, echoten den anderen Captains. Basteter Soldaten tauchten urplötzlich aus sämtlichen Richtungen auf, formierten sich zu Trupps und postierten sich nahe dem mächtigen Tor. Aus ihren entschlossenen, vom Dreck verkrustet wirkenden Gesichtern starrte Anspannung auf die Frage, was genau sie hinter den noch verschlossenen Flügeln des gewaltigen Portals erwartete und, im Hinblick auf das Blutbad vor den mächtigen Mauern, was beim goldenen Thron hier geschehen war. Es dauerte weitere fünf Minuten, in denen sie in der nur vom leicht wehenden Wind erfüllten Stille ausharrten, dann plötzlich kam Bewegung in die starre Konstruktion, die ihnen den Weg ins Innere der Himmels-Kathedrale versperrte. Sie knirschte und ächzte markerschütternd. Festgesetzter Sand platzte aus Scharnieren und Rillen, dann erschauderten die mächtigen, schmiedeeisernen Haupttore und öffneten sich langsam wie von Geisterhand mit einem mahlenden Geräusch, das sich nach den Ketten einer ganzen Kompanie Superschwerer Panzer anhörte. Ekko trat unwillkürlich einige Schritte zurück und verfolgte, wie sich der Spalt zwischen den mächtigen Toren allmählich verbreiterte und so den Blick auf eine breite Hauptstraße freigab, die zu beiden Seiten von Gebäuden im gotischen Stil der Ekklesiarchie flankiert wurde. Direkt voraus erhob sich die gewaltige Basilika wie ein von Menschen errichtetes Hochland, das die Bergnadel in ihrer Mitte einschloss und sich an ihr gleich einer Schlingpflanze aufwärts wand. Agos Virgils Sonne ließ die Buntglasfenster entlang des spindelförmigen Aufgangs an der Bergflanke in malerischen Farben funkeln. Von da, wo sie standen, wirkte die Kathedrale zugleich erhaben mächtig, zum anderen jedoch auch zerbrechlich, so als würde sie alle Menschen verzaubern, allerdings niemals einem Sturm trotzen können. Dem Colonel verschlug es die Sprache, als er sich der Magie dieses Orts bewusst wurde. Seine Gedanken über häretische Schändungen und Zerstörungen, die er zuvor gehegt hatte und die sein aufgewühltes Gemüt befriedigt hatten, flohen in die hintersten Windungen seines Kopfes und verbargen sich wimmernd vor der Gewalt, die das Bauwerk auf ihn ausübte. Ohrenbetäubend krachend schlugen die Tore gegen die ehernen Schutzmauern. Eine Lawine aus Sand löste sich aus den Ritzen zwischen den Steinen und bröckelte wie abgelöster Putz von der leicht angeschrägten Oberfläche des Bollwerks. Im selben Augenblick zerbrach die Reglosigkeit der Männer. »Vorwärts!«, trieb Retexer seine Männer an. Balgor und Solmaar fielen ein. Basteter Infanteristen rückten im Laufschritt vor und schwärmten aus, sobald sie die beiden Torflügel passiert hatten. Ekko nickte den Captains zu, als sie an ihm vorbei nach vorn liefen und machte dann kehrt, um zu seinem Kommandofahrzeug zurückzugelangen. Die Schlange aus Infanteristen begegnete ihm mit respektvoller Gleichgültigkeit. Er konnte es ihnen nicht verdenken, so konzentriert wie sie ab jetzt zu sein hatten. Tatsächlich war er sogar stolz auf die Männer, die ihren Blick voll und ganz auf die Pflicht richteten, die mit ihrer Aufgabe einhergingen. Gute Männer, die weder das Gewicht ihrer Mission, noch das ihrer Gefechtsausrüstung verzagen ließ. Auch wenn er das Universum hasste †“ auf die Männer seines Regiments war er unendlich stolz. Er ließ seine Augen abermals über die langen Reihen aus Soldaten schweifen. Ihm blieb das Herz stehen. Krood und seine beiden überlebenden Grenadiere rückten mit den anderen Bastetern vor. Erst dachte Ekko, er bilde sich einen Wahnwitz ein, doch ihm ging schnell auf, dass er sich den schwer gepanzerten Soldaten vor seinen Augen nicht erträumt hatte. In der Sekunde, in der Ekko ihn entdeckte, warf der Cadianer einen Blick zur Seite. Sie erkannten sich. In Kroods Augen glühte Hass. Abgrundtiefer Hass auf den Basteter, der seine Männer so bereitwillig in den Tod geschickt hatte, um seine eigenen Männer zu retten. Ekko atmete durch und zwang sich, dem Kasrkin-Sergeant zuzunicken. Mehr tun konnte er nicht, so gerne er es auch gewollt hätte. Ein harter Kloß bildete sich in seinem Hals, verhöhnte ihn und zwang ihn, wieder an die grausame Schlacht und seinen folgenschweren Befehl zu denken. Dann war der Kasrkin vorbei, verschwand aus dem Blickfeld des Basteters und ließ ihn mit dem unerträglichen Gefühl der Angst zurück. Angst, versagt zu haben. Angst vor den kommenden Tagen. Angst, der beruhigenden Erlösung durch den sinnlosen Tod wieder einmal entrissen worden zu sein. Der Kommando-Salamander kam in Sicht. Dort standen mehrere Offiziere, unter anderem auch Carrick und Ligrev, der zwischenzeitlich wieder aufgetaucht war, und studierten Kartenmaterial, das ihnen vom Munitorium übergeben worden war. »Major Carrick«, rief Ekko seinen Stellvertreter zu sich. Der Major und Ligrev sahen auf. Der hochgewachsene, blonde Basteter löste sich von dem Kartenmaterial, das er gerade mit Gireth an der Seitenwand des Kommandosalamanders betrachtete, und ging mit raschen Schritten zu seinem Kommandeur. »Sir?« Ekko wandte seinen Kopf in Richtung der Sturmkolonnen, die sich bereits aufteilten und in verschiedene Bereiche der Kathedralenstadt ausschwärmten. »Was machen denn Krood und seine Leute hier?« »Oh!« Carrick tippte sich in einer stilisierten Geste an den Kopf und nickte. »Richtig. Ich hatte es neben dem ganzen Chaos vollkommen vergessen, aber Sergeant Krood und seine Überlebenden-« Ekko verzog bei dem Wort †ºÜberlebende†¹ das Gesicht, »-wurden uns vom Oberkommando zugeteilt, weil sie, wie sich Krood ausdrückte, bei einer Offensive dieses Ausmaßes auch keinen Unterschied mehr machen würden und daher zurückgezogen bei der Sicherung der Basilika unterstützen sollen.« »Sie machen mir mit dieser Information keine Freude, Carrick«, merkte Ekko an und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. »Die Heilige Bastet hat wirklich einen grausamen Humor, wenn sie die Befehle des Gott-Imperators ausführt.« »Die schönen Frauen sind meist die kältesten«, gab der Major mit einem Nicken auf Leitis Sile, die vor dem in die Mauer gepfählten Körper einer anderen gepanzerten Schwester kniete und eine stille Litanei zu sprechen schien, zurück. Ekko kniff die Augen zusammen. Diese Frau, schön und zugleich tödlich, wurde immer mehr zu einem Mysterium für ihn, abseits des Hasses, den er den Schwestern des Adeptus Sororitas entgegenbrachte. Einen Moment noch konnte er ihr im Sonnenlicht funkelndes blondes Haar betrachten, das als Pferdeschwanz über den Kragenschutz ihrer Servorüstung floss, dann versperrte eine vorbeitrabende Infanterieeinheit den Blick auf die Sororita. »Und jetzt?«, erkundigte sich der Major bei seinem Vorgesetzten. Ekko löste sich von dem Bild der schönen Frau, das noch immer durch seinen Kopf geisterte und sah seinen Stellvertreter an. »Wollen Sie denen den ganzen Spaß überlassen?« Er wies auf die Infanteristen, die im Laufschritt durch das mächtige Haupttor in die Kathedralenstadt vorstießen. Carrick schürzte seine trockenen und rissigen Lippen. »Ich glaube kaum«, stellte er mit ruhiger Stimme fest. »Sehen Sie?« Ekko klopfte ihm auf die Schulter, bevor er die paar Schritte zum Salamander zurücklegte und sich über das Heck in den offenen Kommandostand schwang, wo Gireth bereits an der dünnen Panzerwand lehnte. Ligrev war wieder verschwunden. Der Colonel setzte sich die Kopfhörer auf, gab dem Bordschützen ein Zeichen und sprach dann leise ins Mikrofon. Das Panzerfahrzeug rasselte auf klirrenden Ketten los und wirbelte Sand auf, als es den vorrückenden Infanteristen ins Innere der Kathedralenstadt folgte. *** Die Luft hatte sich verändert, der Lichteinfall der inzwischen sinkenden Sonne reduzierte sich beinahe auf null und urplötzlich wurde es wunderbar kühl. Der warme Schweiß, der gerade noch seinen Rücken herabgelaufen war, sandte Schauer über seine Haut und ließ ihn frösteln. Er schwieg bedächtig und lauschte den Schritten der anderen, versucht eine Unregelmäßigkeit in der sie umgebenden Stille zu entdecken. Er fand keine. Nur abweisende, undurchdringlich vollkommene Stille. Es wehte nicht einmal Wind. Fast konnte man dem Gedanken anheimfallen, er fürchte sich vor der Erhabenheit des Bauwerks. Sein Blick wanderte prüfend nach links, sondierte die hoch aufragenden Gebäude. Dreistöckig, durch fein verzierte Säulen gestützt, reihten sie sich entlang der schneckenhausförmig gewundenen Straße wie die Wände eines Canyons. Er wies seine Männer an, sich noch etwas dichter an die Häuserfassaden zu schmiegen. Hier waren sie gutes Ziel für jeden Angreifer †“ und gleichzeitig so exponiert, dass jeder Versuch, auf einen Überraschungsangriff mit tödlicher Gewalt zu reagieren, in einem schrecklichen Massaker geendet hätte. Nicht, dass das für ihn von Belang gewesen wäre. Er war nur ein Diener des Imperators und sein Tod würde dem Imperium ein weiteres Stück seiner Größe geben. Kriege wurden mit Blut gewonnen. Wessen Blut, das war unerheblich. Von hinten rollte ein Salamander-Kommandopanzer die enge Wegschlucht hinauf, flankiert von weiteren Soldaten †“ von ‚Normalen†˜. Obwohl stets auf die vor ihm liegenden Bedrohungen gerichtet, erlaubte sich der einsame imperiale Kämpfer, stets aus einem Augenwinkel zu beobachten, wie das kleine Kommandovehikel und sein zerbrechlicher Begleitschutz zu ihm aufschlossen. Je näher das Fahrzeug den lautlos vorrückenden Cadianern kam, umso langsamer wurde es. Jetzt erkannte Krood auch, dass der Kommandopanzerwagen nicht allein mit Infanterieunterstützung unterwegs war. Ein halbes Dutzend gepanzerte Chirmäre-Truppentransporter begleitete ihn, die mit aufmerksam von links nach rechts und zurück schwenkenden Türmen die Umgebung sondierten. Ihre klirrenden Gleisketten mahlen sich tief in den von Steppensand und Staub bedeckten Boden. Wortlos folgte er mit seinem Blick, wie der gepanzerte Befehlswagen an ihm und seinen Männern vorbeidröhnte und knirschend zum Halten kam. Über dem Rand des breiten Kommandoturms erschien die Büste von Galard Ekko. Der imperiale Grenadier knirschte mit den Zähnen. Colonel Ekko. Die Wahrheit über Ekko hatte er erst vom Kommissar erfahren. Ekko war ein Mistkerl, ein verdammtes, unfassbar selbstgerechtes Schwein. Er hatte die Effizienz und Opferbereitschaft der Kasrkin †“ seiner Kasrkin †“ ausgenutzt, um das Leben seiner eigenen Männer zu retten. Verdammter Mistkerl. Stellte das Leben eines normalen Soldaten über das eines cadianischen Grenadiers, der gut zehn Männer wert war. Er hoffte, dass sich diese Schande eines imperialen Offiziers nicht dazu herabließ, hier zu halten und die weitere Vorgehensweise mit seinen Männern zu besprechen. Doch genau das tat der dunkelhaarige Basteter. Nur einen Moment, nachdem der Salamander zum Stehen gekommen war, öffnete sich die Heckluke und Ekko sprang vom Kommandostand in den aufgewirbelten Staub. Ein junger Funker folgte ihm und eine ... Dem Grenadier verschlug es die Sprache. Eine Schwester des Adeptus Sororitas. Eine fanatische Elitesoldatin in der blutroten Rüstung des Ordens des Gläubigen Geistes. Was †“ im Namen des Throns †“ tat sie hier? Hatte sie einen Auftrag, der Ekko betraf? Und vor allem, wer hatte sie hierher entsandt? Die Sororita streifte seinen Blick mit kalten, stahlblauen Augen, die eine ungewöhnliche Reinheit ausstrahlten. Ihr Gesicht war weich, mit zarten Zügen gesegnet und ihre blonden Haare zitterten bei jeder ihrer Bewegungen. Sie ist wunderschön, stellte er beeindruckt fest. Wortlos verfolgte er, wie Ekko und seine beiden Begleiter an die Seite des Kommandopanzers traten und der junge Funker eine Karte aus einer Beintasche zog. Ein Captain sprang vom ersten der folgenden Chimäre-Transportpanzer und ging schnellen Schrittes zu den anderen. Wie Ekko war auch er dunkelhaarig, aber etwas größer und sah nicht nur älter, sondern auch sehr viel eleganter wie der Colonel aus. Links (und vermutlich auch rechts) der Transportpanzer gingen die Infanteristen in Stellung und begannen, die Umgebung aufmerksam zu sondieren. Man konnte ihnen ansehen, dass sie nervös und ängstlich waren. Idioten. Ihnen fehlten nun einmal Disziplin und Effizienz der Kasrkin. Wie konnte irgendjemand, der bei klarem Verstand war, das Leben dieser Menschen nur gegen einen Trupp cadianischer Elitesoldaten aufwiegen? Aber inzwischen wusste der Grenadier, dass Galardin Ekko nicht bei klarem Verstand war. Er signalisierte seinen Kameraden ein kurzes ‚Halt†™, dann schob er sich etwas näher an die Nicht-Cadianer heran, um ihnen bei ihrer Lagebesprechung besser zuhören zu können. »Also, wie sieht es aus?«, erkundigte sich Ekko gerade und betrachtete die Karte, die durch ihn und den jungen Funker an der Panzerung des Salamanders gehalten wurde. Leise Funksprüche knisterten aus dem Tornister auf dem Rücken des Funkers. Der Captain trat vor die Karte, orientierte sich kurz und deutete dann auf einen unsichtbaren Punkt im organisierten Chaos des Netzwerkes aus Wegen und Gebäuden. »Wir sind hier, nordöstliche Richtung, und nähern uns dem ersten inneren Ring.« Der Grenadier sah bei diesen Worten auf und musterte die steile Mauer, die hoch hinter den mehrstöckigen Gebäuden in die Luft ragte. Dahinter konnte man die gewaltige Kathedrale erkennen, deren zerbrechlich wirkende Türme beinahe bis hinauf in die Wolken reichten. Die Manifestation des Göttlichen. Der Schrein, der dem Wesen des Imperiums geweiht war. »Major Carrick und Kommissar Ligrev sind bei der Hauptkolonne und organisieren das Einrücken und Verteilen der Bodentruppen«, fuhr der Captain fort und tippte auf einen anderen Punkt der Karte, der das Haupttor und das dahinter liegende Viertel der Stadt darstellte. Die Tatsache, dass Ligrev als Kommissar und Führungspersönlichkeit eigentlich irgendwo an der Front hätte sein müssen, blieb unangetastet. Er fuhr mit den Fingern nacheinander zwei Hauptstraßen entlang, die parallel zur ersten Innenmauer durch die nördlichen und südlichen Bezirke verliefen. »Erste Sturmkommandos durchkämmen die Randgebiete hier, hier und hier, haben aber bisher noch nichts finden können. Diese Stadt scheint tot zu sein.« Ekko nickte nachdenklich und fuhr die Linien nach. »Eine Necropole«, stellte er abwesend fest. »Was sagt Maryan?« »Kein Kontakt«, erwiderte der Captain. Seine Hand zuckte zu einer Stelle innerhalb der Mauern, die sehr weit östlich lag. »Seine Sentinels klären jetzt die restlichen Außenareale in dieser Gegend auf und melden sich, wenn sie etwas gefunden haben. Aber seiner Einschätzung nach sind wir vollkommen allein.« »Freut mich natürlich, dass Maryan das auch so sieht«, brummte Ekko. »Aber es haben sich schon andere geirrt, was solche Einschätzungen angeht. Also warnen Sie die Männer, nicht zu vorsichtig zu sein.« »Verstanden«, nickte der Captain. »Soll ich einen Trupp Stalker zu unserer Unterstützung abstellen?« »Nein. Die Transportfahrzeuge dürften reichen«, schloss der Colonel das Thema ab und sah sich um. Der Grenadier folgte seinem Blick. Die dunkle Wolkenfront, welche die inzwischen sinkende Sonne verschluckt hatte und sich unaufhaltsam näherte, erinnerte ihn daran, dass den Offizieren vermutlich die Zeit davonlief. In der Ferne grummelte es. Donner? Artillerie? Beides kam in Frage. Immerhin kämpfte irgendwo im Südwesten die imperiale Armee gegen den Orkmob. Da, wo er eigentlich auch hätte sein müssen, wenn nicht Ekko ... Er verbannte diese Gedanken aus seinem Kopf und entschied sich, wieder den Worten der Offiziere zuzuhören. »Ich will auf jeden Fall den innersten Ring so schnell wie möglich gesichert haben. Balgor, dafür sind Sie und Ihre Truppen verantwortlich. Der Platz und das Umland der Kathedrale sind einzunehmen, zu säubern und zu sichern.« »Habe verstanden«, antwortete Balgor. »Wir sind direkt hinter Ihnen.« Ekko nickte und drehte sich um, als habe er nur auf diese Gelegenheit gewartet. Hatte er wahrscheinlich auch. Ekko, Sie Mistkerl. »Krood«, wandte sich der Offizier an den ihm unterstellten Sergeant. »Sie und Ihre Männer werden mich jetzt begleiten. Wir rücken auf die Kathedrale vor und stürmen das Gebäude †“ nur für den Fall, dass sich hier noch Feinde befinden.« »Ich protestiere«, erwiderte der Kasrkin †“ zum ersten Mal in seinem Leben. »Die Sicherung dieses Gebiets hat Vorrang, um die Sicherheit der einrückenden Truppen gewährleisten zu können.« Ekko bedachte ihm mit dem Bick. »Sie protestieren? Gegen einen meiner Befehle?« In gespieltem Erstaunen hob er die Augenbrauen und sah die anderen Offiziere an. »Ich dachte, Befehle auszuführen sei für die Kasrkin die größte Ehre, die ihnen zuteilwerden könne?«, stichelte der imperiale Colonel. Krood knirschte abermals mit den Zähnen. Wenn es eines gab, das man Ekko nicht vorwerfen konnte, dann war es die Tatsache, dass er über die Traditionen und Gebräuche der cadianischen Elitegrenadiere außerordentlich informiert war †“ und dass er wusste, wie er diese Tatsache gegen ihren Sinn und Zweck für seine eigenen Belange einsetzen konnte. Doch das war eine verdammte Häresie, die ihn eigentlich das Leben kosten musste. Doch hier wollte der Grenadier nicht die Waffe heben und schießen. Das wäre sicherlich ein schwerer Fehler gewesen. Ekko sprach von Ehre. Ehre? Wie konnte der Bastard es wagen, das Wort ‚Ehre†˜ bei seiner gespaltenen Zunge in den Mund zu nehmen. Was wusste dieser Mann schon über Ehre? Aber †“ beim Eid der Kasrkin †“ er hatte recht. Die Befehle eines Offiziers zu ignorieren, auch wenn man ihn für ein inkompetentes Mistschwein hielt, das sich auf den Leibern seiner Gefallenen zu profilieren und gleichzeitig zu retten versuchte, wäre einem Verrat gleich gekommen. Etwas, das einem Kasrkin von seinesgleichen niemals vergeben worden wäre. »Haben Sie nun Ehre oder nicht?«, erkundigte sich Ekko so ruhig, dass sogar einem gestandenen Kommissar für einen Augenblick die Luft weggeblieben wäre. Der Cadianer starrte Ekko wie ein niederes Insekt an, dann jedoch nahm seine Ausbildung überhand. Er entschied sich, ihr weiter zu folgen und winkte seine Männer herbei. »Zu Ihrer Verfügung, Colonel«, meldete sich der imperiale Grenadier. Ekko lächelte dünn, als er, gefolgt von dem Funker und der schönen Sororita, wieder in den Kommandopanzer einstieg. »Also dann: vorwärts.«
  12. Hallo, Leute. Hier das nächste Kapitel. Es geht so langsam aufs Ende meiner Reserven zu. Einige Kapitel habe ich noch inpetto, aber dann wird man sich auf längere Wartezeiten einstellen müssen. Ich gebe dies nur als Information bekannt. Jetzt aber viel Spaß beim Lesen. 13 Es dauerte knapp eine Stunde, dann war das singende Jaulen von Vector-Turbojet-Triebwerken zu vernehmen. Am südwestlichen Himmel zeichnete sich eine Formation von drei Flugmaschinen ab, die rasch größer wurden. Während Ekko verfolgte, wie sie sich ihnen näherten, hoffte er inständig, dass es die von Gireth in seinem Namen angeforderte Unterstützung war und nicht eine feindliche Aufklärungseinheit. Er nahm den Feldstecher von den Augen und ließ seinen Blick über die Umgebung schweifen. Seit ihrer Ankunft hatte sich eine beeindruckende Traube an Fahrzeugen um das mächtige Tor gebildet, das noch immer den Zugang zu der Basilika verschloss. Sie standen kreuz und quer, ohne einen wirklichen Plan dort abgestellt, wo sie zum Halten gekommen waren. Zu Anfang war das noch niemandem aufgefallen, denn es war nicht wichtig. Die Chimären und Aufklärungsfahrzeuge stoppten und spien Truppen aus, die sofort in die Gegend ausschwärmten und das Umfeld sondierten, um einen hinterhältigen Angriff der Orks frühzeitig zu entdecken und Abwehrmaßnahmen ergreifen zu können. Doch je mehr Fahrzeuge auf die stehenden auffuhren und ebenfalls stoppten, umso deutlicher wurde, dass die Imperialen einen bedeutenden Fehler begangen hatten. Das Knäuel aus Transportpanzern, Lastern, Zugmaschinen, Aufklärungs- und Kommandofahrzeugen zog sich enger und weitete sich gleichzeitig aus. Es jetzt schnell zu entwirren und die Fahrt fortzusetzen war so gut wie unmöglich. Ekko verfluchte sich im Stillen. Hätte er doch nur eher darauf geachtet. Nun gut, er hätte sich denken können, dass man sie nicht mit offenen Armen empfing. Aber genau da lag das Problem. Er hatte es nicht getan. Carrick neben ihm hob seinen eigenen Feldstecher an die Augen. »Sieht aus, als wären das welche von unseren †“ oder, Sir?« »Das will ich hoffen«, antwortete Ekko und verfolgte, wie sich langsam Formen aus den Silhouetten der Flugzeuge schälten. Es waren in der Tat Walküren. Die klobigen Sturmtransporter heulten tief über dem Erdboden heran und passierten das wartende Knäuel aus Fahrzeugen und Menschen kreischend mit Überschallgeschwindigkeit, bevor sie die Flanke der Kathedrale entlang steil in den Himmel stiegen. »Was für Angeber«, brummte Ekko, während die Männer um ihn sich abduckten, um nicht von den heißen Strahlen der Triebwerke umgeblasen oder mit Massen von aufgewirbeltem Staub eingedeckt zu werden. »Irgendwann müssen sie runterkommen. Und dann sind sie fällig.« Aufgewirbelter Staub bedeckte sein Gesicht, verklebte Augen und füllt seine Nase, dass er angewidert niesen musste. »So, das war†™s!«, brummte er missmutig. »Jetzt sind sie fällig!« Er hörte, wie Carrick neben ihm leise mit den Zähnen knirschte, wandte ihm seinen Blick jedoch nicht zu †“ auch wenn es ihn interessiert hätte zu sehen, ob der Major auch wirklich wütend auf die waghalsigen Piloten war oder einfach nur krampfhaft versuchte, ein Lachen zu unterdrücken. Die Sturmtransporter donnerten in einer weiten Schleife erneut über die wartenden Truppen, bevor sie auf die Kathedrale einschwenkten. Man konnte die Führungsmaschine gut erkennen, deren in rot nachgezogene Linien einen stilisierten Vogel darstellten. In Gireths Funkgerät begann es zu knistern. »5120100, hier 0072 Azrael. Hören Sie mich? Kommen.« Der junge Funker trat aufgeregt zu seinem Kommandeur und reichte ihm das Sprechgerät. »Hier 5120100. Ich höre«, meldete sich der Colonel. »0072 Azrael meldet sich und zwei Maschinen mit drei Trupps zur Stelle.« »Sehr schön«, antwortete Ekko, dann wies er Carrick mit einem kurzen Wink an, ihm die Karte zu bringen. Der Major nickte und winkte seinerseits einen Adjutanten heran, damit er ihm die Karte brachte. Ekko schürzte die Lippen und stellte sich vor, wie eine ganze Legion von Adjutanten nun wild zu winken begannen, damit von dem gut zwanzig bis dreißig Meter entfernten Kommandopanzer eine spezielle Karte aufgelesen und zu ihrem Colonel gebracht wurde. Nicht, dass es ihn belustigt hätte. Einen Moment später tauchte der Soldat mit der zerschlissenen Karte auf und brachte sie Carrick, welcher sie an Ekko weiterreichte. »Zu freundlich«, kommentierte der Colonel die Aktion. Er kniete sich auf den trockenen Sandboden und breitete die Karte aus. Es war eine Ansicht der Himmels-Kathedrale. Ekko fuhr die feinen Linien auf dem Papier nach und orientierte sich. Genau genommen bestand die Makro-Kathedrale aus sieben Ebenen. Das Zentrum der Anlage wandte sich um einen dünnen, fast felsnadelspitzen Berg, dessen Ursprünge in der langen und wilden Geschichte von Agos Virgil lagen. Eine ausladende Plattform thronte auf dem Berg, auf der ein reich verziertes Beinhaus stand. Die gesamte Plattform war nur durch vier Haupttürme mit dem vierhundert Meter tiefer liegenden Ende des Kirchengebäudes verbunden. Eine schmale, von der Außenwelt abgeschottete Wendeltreppe schlängelte sich, gleich einer Kletterpflanze, um die Felsnadel und durch die Türme bis zur obersten Ebene der Kathedrale. Die Kathedrale selbst war ein gewaltiges, in alle vier Himmelsrichtungen reichendes Gebäude, dessen Zentrum ein mächtiger Turm war, der den dürren Berg einschloss und das Fundament der vier Stütztürme bildete. Darum lang ein ausladender Platz, der noch einmal die doppelte Größe des Kirchenbaus maß. Bereits allein dieses im Vergleich winzige System bildete die ersten zwei Ebenen der Himmels-Kathedrale. Ging man nach der Karte, konnte man das Gebäude und alle seine Türme, Zitadellen und Kuppeln als innersten Verteidigungsring des makropolgleichen Komplexes sehen, der sich um den prächtigen Bau gebildet hatte. Den nächsten Ring (und die nächsten zwei Ebenen) bildeten die beiden inneren Mauern, welche die einflussreichen und wohlhabenden Kleriker und Bewohner der Stätte von den unteren drei Ebenen abschotteten, wo die weniger wohlhabenden Kleriker, dann die Handwerker, Diener und deren Familien und schlussendlich die restlichen Menschen, also das, was man in der Imperialen Armee als ‚Tross†˜ bezeichnet hätte, an der Außenmauer gelebt hatten. So konnte man die Makrokathedrale in drei, mit der Kathedrale selbst, in vier Verteidigungszonen einteilen, die jede für sich autark überleben konnte. Das bedeutete, dass jeder dieser Verteidigungsringe über eigene Strom- und Wasserversorgung verfügte. Die entsprechenden Generatoren und unterirdischen Reservoirs waren eingezeichnet. »In Ordnung. Hört mir zu. Die Himmels-Kathedrale besitzt drei Hauptgeneratorräume, welche die gesamte Stadt mit Energie versorgen. Wir müssen eine dieser Anlagen wieder in Betrieb nehmen und die zur Verfügung gestellte Energie in die Außentore umleiten.« »Verstanden, Wo sollen wir suchen?« Ekko musterte die Quadranten, in welche die Karte eingeteilt war. »Quadrant Elysia Acht sieht am Vielversprechendsten aus. Probiert es dort.« »Verstanden, Azrael Ende.« Das Heulen der Turbojet-Triebwerke schwoll wieder an, als die schnellen Sturmtransporter über die Makro-Kathedrale hinweg zogen. Gireth, der den Funkverkehr mitgehört hatte, runzelte die Stirn. »Sir, was machen Sie da?« Ekko schürzte die Lippen und faltete die Karte zusammen. »Ich folge einer alten Weisheit: Wenn keiner aufmacht, lass dich selbst herein.«
  13. *** Am frühen Abend zogen bedrohlich bleigraue Gewitterwolken am Horizont auf. Früher Abend, das war nach der Uhrzeit eigentlich später Abend, denn sie überschritt die zwanzig Uhr. Aber Abend, das war auf Agos Virgil auch ein relatives Wort, denn die Nächte auf der Welt waren kurz. Sie dauerten nicht einmal neun Stunden. Ekko lehnte auf der Seitenpanzerung und betrachtete die dunkle Front, auf sie sie direkt zuhielten. Neben ihm hatten sich Gireth, der Schütze, sowie Leitis Sile und sogar der riesige Melbin in den Kommandoturm des Salamanders gezwängt. Letztere waren beim letzten Halt des Panzers bei einer Lagepeilung zugestiegen, wobei Leitis Sile darum gebeten hatte und Melbin von Rebis für alle Fälle mitgeschickt worden war. Jetzt wirkte der sowieso schon so enge Raum des Kommandoturms dermaßen überladen, dass sie eigentlich nach oben hätten herausquellen müssen. Wie sie es schafften, sich trotzdem mit ihrem Platz zu arrangieren, wusste nur der Imperator. Das Gelände war hügelig geworden, wenn auch nicht weniger trostlos. Die sandige Wüste hatten sie inzwischen hinter sich gelassen, auch wenn Ekko vermutete, dass die am Ende der Kolonne fahrenden Fahrzeuge noch immer am Rand des Sandmeers fuhren. »Da!«, rief Melbin und wies auf eine Stelle, etwa dreißig bis fünfunddreißig Grad nach rechts. Alles folgte seinem Blick. Ekko hob den Feldstecher an die Augen. Er brauchte einen Moment, bis er sah, was Melbin entdeckt hatte. Die Basilika hob sich sichtbar gegen den dunklen Himmel ab. Sie sah aus wie ein gewaltiger, aufwärts abgefeuerter Strahl, der im Stadium höchster Intensität auf die Wolken getroffen und eingefroren war. Das Gebäude reichte mindestens tausendfünfhundert Meter in den Himmel. Näheres war noch nicht zu erkennen, aber bereits jetzt ergriff eine undefinierbare Furcht Galard Ekko. Zum ersten Mal in seinem Leben würde er eine Stätte der Ekklesiarchie betreten. Er malte sich bereits unterschiedliche Weisen aus, auf die er sie schänden und entweihen konnte, nur um es den bösartigen Angreifern, die sein Leben zerstört hatten, heimzuzahlen. Er war sich sicher, was die Orks gemacht hatten, wäre dagegen nur ein lächerlicher Witz gewesen. Allerdings gab es eine Sache, die ihn im Augenblick noch mehr beschäftigte. »Das ist doch … Die ist doch an einem ganz anderen … Gireth, die Karte!« Er gab Melbin den Feldstecher. »Herzlichen Glückwunsch, Melbin. Sie haben unser Ziel entdeckt.« Der Funker hinter ihnen knisterte mit der Karte, in der ihr Ziel eingezeichnet war. Er versuchte ungeschickt, die Karte im Fahrtwind auszubreiten, bis Ekko sie ihm ungeduldig aus der Hand nahm. »Geben Sie her, Soldat.« Der Colonel breitete sie innerhalb des Kommandostands aus und wies Gireth und den Schützen an, sie gegen die Seitenwand des Innenraums zu drücken. Dann beugte er sich etwas vor und begann, die feinen Linien nachzuzeichnen. Dabei murmelte er leise Litaneien, gepaart mit Verwünschungen. »Wo befinden wir uns?«, fragte Sile, die in ihrer roten Servorüstung den meisten Platz im Kommandoturm einnahm, und warf einen Blick über Ekkos Schulter. »Hier«, erwiderte er gedankenverloren und tippte auf die Karte. »Aber diese Karten stimmen nicht. Wenn die Basilika †“ wir sehen sie ja †“ hier ist, dann … müssten wir eigentlich da sein und nicht hier … wo wir ja hier sehen, dass wir da sind.« Die Sororita sah ihn mit einem scharfen Blick an. »Was bedeutet das?« »Gar nichts«, brummte er. »Nur, dass die vom Munitorium unverschämte Idioten sind.« »Das kann keine Basilika sein«, murmelte Melbin neben ihm ergriffen. »Das ist eine Makropole!« Ekko hörte die Worte des Soldaten, ignorierte sie aber. »Fahrer, drehen Sie nach rechts auf zwei Uhr!«, befahl er über Funk. Die Antwort kam prompt. »Auf zwei Uhr drehen. Verstanden, Colonel!« Der Kommandopanzer ruckte herum und zog wieder an. Mit einem Blick nach hinten vergewisserte Ekko sich, dass die anderen Transportpanzer ihnen folgten. Hinter ihnen kam die erste Chimäre herum. Im Funkgerät erklang eine Warnung, dass die Kolonne vorne nach rechts schwenkte. Bestätigungen folgten. Ekko richtete sich auf und wies Gireth an, die Karte wieder wegzupacken. Dann wandte er sich um und richtete seine Augen abermals auf die Masse rollenden Materials, die seinem Kommandopanzer gehorsam folgte. Wieder einmal überwältigte ihn der Anblick. Jetzt, wo sie sich von der marschierenden Kolonne entfernten, konnte man die mehrere Meilen hohe Staubwolke sehen, welche die Fahrzeuge einhüllte. Ein beinahe unbeschreibliches Bild. Während seiner Zeit bei den Planetaren Verteidigungsstreitkräften Bastets hatte er bereits unglaubliche Dinge gesehen, meistens in den südlichen Bergen des Jareth-Bezirks, aber das hier sprengte die Dimensionen seiner Erinnerungen bei weitem. Es war größer als eine wütende Herde Karikas. Es war beeindruckender als ein Artillerieangriff aus einhundert Geschützen und es war faszinierender als eine Parade zu Ehren der Heiligen Bastet, deren Prozession sich quer durch die Schluchten des Dah-Tals zog. Aber so beeindruckend sie auch aussah, diese Kolonne war äußerst verwundbar. Bei einem Angriff oder einem Hinterhalt würde das totale Chaos ausbrechen und die Soldaten somit vollkommen desorientiert und hilflos werden. Die Explosion der Chimäre hatte es bewiesen. Wenn ihnen so etwas direkt vor der Kathedrale passierte, dann wäre das die endgültige Katastrophe. Doch so sehr er sie sich auch herbeisehnte, zwei wichtige Faktoren hielten ihn davon ab, einfach weiter zu fahren. Zum einen wollte er weder Ligrev, noch Del Mar oder Iglianus den Triumph gönnen, ihn endlich und vollständig besiegt zu haben, indem er sich selbst mit dem Großteil seines Regiments vernichtete und somit nicht nur im Kampf, sondern auch in Ungnade fiel. Zum anderen wollte er seine Männer nicht verlieren. Weder im sinnlosen Tod noch an einen anderen Kommandeur. Das wollte und würde er niemals zulassen. Entschlossen wandte er sich seinem Funker zu. »Die nächste Chimäre soll uns folgen. Wir werden dem Konvoi voraus fahren und uns die Sache mal ansehen. Ich mag es nicht, wenn wir so ganz ohne Kenntnis der Lage ins Unbekannte fahren.« »Aber, Sir!«, protestierte Gireth. »Der Kommandeur …« »Sparen Sie sich Ihre Belehrungen. Die haben Sie sowieso nur von Carrick geklaut. Führen Sie meinen Befehl aus, Gireth!« Kleinlaut gab der Funker nach. »Ja, Colonel.« Sich mit seinem Kommandeur anlegen, das wollte er dann doch nicht. Ekko beachtete ihn auch nicht weiter, sondern adressierte sofort danach den Fahrer. »Geben Sie Gas †“ direkt auf die Basilika zu, verstanden?« »Verstanden«, antwortete ihm die körperlose Stimme. Hinter ihnen heulte der Motor der ersten Chimäre in der Kolonne auf, als das Fahrzeug los preschte, um ihnen auf der gefährlichen Aufklärungsmission zu folgen. Sie waren auf dem Weg, die Entscheidungen waren getroffen und selbst, wenn Ekko sie jetzt gerne rückgängig gemacht hätte, so wäre es doch recht schwierig geworden, die Befehle zu stornieren und die Kolonne umzulenken. Außerdem konnte es verdammt unangenehm werden, die Aktion im Nachhinein vor Iglianus und Del Mar zu erklären. Die beiden Fahrzeuge rasselten schaukelnd vorwärts. Je weiter sie sich dem monströsen Bauwerk näherten, umso mehr Details waren für Ekko zu erkennen. Und je größer der Ort wurde, desto stärker zog er den Colonel in seinen Bann. Es war eine Basilika †“ aber was für eine! Ekko erinnerte sich an die Worte Melbins. Die Basilika erinnerte mit ihrer Form tatsächlich an eine Makropole. Eine riesige Mauer schützte die unteren Ebenen gleich einer Festung, aus denen nur die in blassem Gold gedeckten Spitzdächer von Gebäuden herausragten, offensichtlich die Arbeits- und Wohngebäude der Bediensteten. Dahinter erhob sich eine riesige, fast dreihundert Meter hohe Kathedrale, die schließlich in einem Turm endete, der den gesamten Berg umfasste und in weitere Ebenen überging. Wie ein Termitenhügel schmiegte sich die Himmels-Kathedrale den Berg hinauf gleich einer Spindel, die in gleichmäßigen Abständen von unterschiedlich großen Türmen durchsetzt war und sich nach oben hin immer weiter verjüngte, bis sie schließlich wenige Meter unter der Spitzes des Berges in einer gewaltigen, kreuzförmigen Anlage endete, aus der vier Türme die Spitze des Berges flankierten. Das ganze Gebilde erinnerte eine mächtige, von Menschenhand gebaute und dann in den Fels gewachsene Kletterpflanze im Baustil einer längst vergessenen Kultur der Menschen. Er konnte sich irren und vielleicht von den Sonnenstrahlen täuschen lassen, aber die Fassade der Basilika schien weißer zu werden, je höher sie in den Himmel reichte. Es war ein faszinierendes Farbspiel, das nicht weniger als die Erhabenheit dieses Orts unterstrich. Der Colonel war so fasziniert, dass er ergriffen schwieg, bis sie die Außenmauer der Kathedrale erreicht hatten. Erst jetzt machte ihn einer der Soldaten auf ein offensichtliches Problem aufmerksam, das ihm entgangen war. »Wo ist denn das Tor?«, erkundigte sich Melbin. Ekko fiel auf, dass der Cadianer recht hatte. Es schien wirklich kein Tor zu geben. Er schürzte die Lippen. »Fahrer, nach rechts. Folgen Sie der Mauer.« Der Kommandopanzer knirschte, als der Fahrer das Fahrzeug herumschwenkte. Sie rollten die Außenmauer entlang. »Nimmt diese Mauer denn gar kein Ende?«, fragte Melbin, während Gireth sprachlos auf die riesige, schier unzerstörbare Wand aus betonartigem Material starrte, die sich zu ihrer Linken erhob. Verheerte, verkratzte Embleme der Ekklesiarchie lagen zersplittert auf dem Erdboden oder hingen, in teilweise abgerissen, in ihren Halterungen an der Mauer. Tiefe Einschläge, verkrustetes Blut und auf die Insignien gespießte Tote in abscheulichen Posen begleiteten sie ihren Weg als mahnende Zeugen der Grausamkeiten, die hier stattgefunden hatten. Noch mehr böse Vorzeichen, dachte Ekko bei sich. Als hätte es den Tag lang noch nicht genug davon gegeben. Die Staubwolke der Kolonne war bereits nicht mehr zu sehen, wurde von der hoch aufragenden Außenmauer der Kathedrale verdeckt, als sie endlich einen Eingang fanden. Er war verschlossen. Ein ehernes Tor, fast so groß wie ein imperialer Warhound-Titan, versperrte den Zugang zur Kirche. »Hier halten«, befahl Ekko ins Funkgerät. Der Kommandopanzer rollte aus und blieb schließlich stehen. Ekko wies den Schützen an, wachsam zu bleiben, dann öffnete er die Heckluke und stieg aus. Die Staubschutzbrille auf seiner Mütze verrutschte. Er rückte sie zurecht, zog den Saum seines Uniformdrillichs glatt und marschierte dann zielstrebig auf das große Tor zu. Hinter ihm ließ sich Sile trotz ihrer Servorüstung vollkommen weich und beinahe geräuschlos auf die Erde gleiten. Gireth neben ihr fiel wie ein nasser Sack auf den Boden. Das schwere Funkgerät auf seinem Rücken ließ ihn beinahe vorne überkippen. Um die Balance zu halten rammte er den Lauf seines Lasergewehrs in die Erde, nur um im nächsten Moment zu begreifen, dass das ein schlimmer Fehler gewesen war. Während Ekko mit der Sororita im Schlepptau in Richtung des Tors ging, folgte der junge Funker ihnen in einigem Abstand und versuchte, den Lauf seines Gewehrs wieder freizuräumen. Einige Meter neben ihnen hielt die Chimäre. Die Heckluke fiel herunter, heraus stürmte ein Infanterietrupp mit Balgor an der Spitze. Die Männer schwärmten aus, während der Captain sofort zu seinem Kommandeur stieß »Mann, Chef, Sie finden aber auch überall Dinge, die anzugucken es sich lohnt.« »Ziemlich riesig.« Ergriffen lehnte sich Gireth zurück, versuchte die massive Konstruktion in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Balgor hielt ihn fest. »Vorsicht, Gireth, sonst fallen Sie noch hinten über. Und bei dem Gewicht würde Sie nicht einmal ein Atlas-Bergepanzer wieder hochkriegen.« Der Funker wurde leicht rot. Zum einen lag das an der Tatsache, dass Balgor ihn auf etwas aufmerksam gemacht hatte, was er selbst hätte wissen müssen, zum anderen, weil der Captain ihn mit seinem Namen angesprochen hatte. Für einen jungen, einfachen Soldaten gab es wohl nichts, was der Tatsache gleich kam, von den Offizieren namentlich genannt zu werden. Vor ihnen verschränkte Sile die Arme und warf Ekko einen Seitenblick zu. »Also, was haben Sie jetzt vor?« Ekko griff an sein Tiefziehholster und öffnete es. Danach zog er die Laserpistole und richtete sie auf das Tor. »Was wohl passiert, wenn ich darauf schieße?« »Besser nicht«, riet Balgor. »Bei Ihrem Glück heute erwischen Sie noch einen von uns.« Die Sororita neben ihm verzog das Gesicht und erwiderte gereizt: »Meines Wissens gibt es so etwas wie Glück nicht.« Gireth gaffte sie schockiert an. »Sie wollen sagen, dass er das plant?« »Natürlich«, warf Ekko ein. »Von langer Hand. Ich habe Sie nur hierher geführt, um sie möglichst originell aus dem Weg zu räumen, Gireth.« Sile warf ihm einen bösen Blick zu, enthielt sich jedoch eines weiteren Kommentars. Dass er ihre Bemerkung absichtlich auf sich und nicht auf den Imperator bezog, der ja bekanntlich alles Geschick der Menschheit steuerte, war im Grunde keinerlei Erwähnung wert. Es hätte ja auch sein können, dass sie sich auf ihn bezog †“ so genau hatte sie sich auch nicht ausgedrückt. Das Stampfen von Läuferfüßen drang an ihre Ohren. Stalker eins und vier polterten heran. Die beiden Sentinels kamen bis zu ihnen und stoppten dann. Die Cockpits senkten sich auf die Beine ab, dann öffnete sich die Cockpittür von Stalker eins. Maryans Gesicht erschien in der Luke. »Tut mir leid«, rief der Sentinelführer. »Wir hatten uns total verlaufen.« »Wenn das ein Witz sein sollte †“ oder ein Wortspiel †“, dann war das ziemlich schlecht, Maryan«, hielt Ekko fest. Der Sentinelführer verzog das Gesicht und überlegte angestrengt eine entsprechende Antwort. Er kam jedoch nicht mehr dazu, den Gedanken zu Ende zu führen. »Herr auf dem Thron, ist das ruhig hier«, bemerkte Balgor. Eine plumpe Ablenkung, welche aber ihren Zweck erfüllte. Die Anwesenden schwiegen und horchten auf. Der Captain hatte recht gehabt. Vollkommene Stille umgab sie. In der hereinbrechenden Dunkelheit dröhnten die im Leerlauf befindlichen Motoren der Truppentransporter und Sentinels unnatürlich laut. »Abschalten«, befahl Ekko. »Motoren aus!« Balgor wandte sich zu der Chimäre um und deutete mit seiner Hand das Durchtrennen der Kehle an. Einige Augenblicke später erstarb der Panzermotor. Zur gleichen Zeit schalteten Stalker eins und Stalker vier ebenfalls ihre Motoren ab. Seufzend sanken die Sentinels in den Ruhezustand und verharrten wie in der Bewegung erstarrte, leblose Bestien. Augenblicklich hielt die Welt den Atem an. Sie lauschten angestrengt. Es war nichts zu vernehmen. Kein Geräusch. Kein Wind. Keine Tiere oder Natur. Nichts. Nur in der Ferne grollten die Motoren der anderen Fahrzeuge. »Also ich hör nichts«, brummte Maryan nach einer Weile. »Er hat recht«, stimmte Sile zu. »Es ist totenstill.« Ekko nickte nachdenklich. »Klingt bestimmt abgedroschen, wenn ich sage: Das gefällt mir nicht †“ aber: Das gefällt mir nicht. Gireth!« Der junge Funker richtete sich ertappt auf. Er hatte es noch immer nicht geschafft, den Lauf seiner Waffe freizuräumen. »Sir?« »Die ersten drei Züge nach vorn. Ich will hier eine Sicherung haben, wenn das Tor aufgeht.« »Verstanden, Colonel!«, rief Gireth und entfernte sich, um Carrick über die Befehle zu informieren. Zeit, sich wieder der eigentlich Frage zuzuwenden: Wie bekamen Sie das Tor auf? »Also«, wandte sich Ekko an die anderen. »Vorschläge?« »Vielleicht gibt es eine Sprachsteuerung? Ein Passwort oder so etwas?«, schlug Balgor vor. »Gute Idee«, pflichtete Ekko bei. Er wandte sich an die Stahlkonstruktion und hob gebieterisch die Hände. »Sesam, öffne dich!«, rief er. Das Tor blieb reglos. Genauso gut hätte es sich auch totlachen können. »Thronverdammt«, brummte der Colonel. »Was ist?«, fragte Sile. Ekko kratzte sich am Kopf und warf einen Blick in die Runde der Anwesenden. »Haben Sie einen Schlüssel für das Teil?«
  14. *** Kaum hatten sie die Überreste der einstigen Siedlung passiert, begannen die Probleme. Um sechzehn Uhr dreißig versagte spontan der Motor eines der riesigen LKWs und sprang nicht wieder an, um sechzehn Uhr dreiundfünfzig verreckte ein zweiter. Gegen siebzehn Uhr zwei, noch während die Bergungstrupps Material der beiden toten Riesen auf andere Fahrzeuge verluden, damit nichts vergeudet wurde, explodierte in einer mitten in der Kolonne fahrenden Chimäre Munition. Schreie und wütend gebrüllte Befehle beherrschten die vom Motorenlärm erfüllte Luft, als gut zweitausend Basteter von ihren Transportern absprangen und in Deckung hechteten. Der satte Knall der Explosion drückte den aufgewirbelten Staub in einem Umkreis von einhundert Metern um das detonierte Fahrzeug weg und ließ die Staubwolke aussehen, als hätte in ihrem Inneren gerade ein Chaosdämon gerülpst. Ekko fuhr herum und starrte entgeistert auf die eigenartige, pilzförmige Wolke aus Sand, Rauch und Flammen, die sich weit über den Konvoi erhob. Was, beim Thron, war geschehen? Noch während er vollkommen fassungslos auf das verschwommene Bild sah und sich fragte, von was er gerade Ohrenzeuge gewesen war, schossen zwei Sentinels vorbei. Die metallenen Schritte der Läufer hallten weit über die Ebene, während sich in seinen Kopfhörern wildes Geschnatter in Panik geratener Munitoriumseinheiten überlagerte. Irgendwer brüllte etwas von einem Angriff, jemand anderes befahl dem Konvoi, sich aufzulösen †“ heilloses Chaos. »Ruhe!«, schrie Ekko ins Funkmkro. »Sofortige Stille im Kom. Befehlspanzer ruft alle 512 zur Meldung an Kommandeur! Was ist da los?« Noch zwei Sentinels stürmten vorbei. »5120101! Hier Carrick!«, meldete sich der Major. »Explosion in der Mitte der Kolonne. Es gibt Tote und Verletzte Wir können nicht erkennen, ob wir beschossen wurden oder es sich um einen Unfall handelte.« »Verstanden.« Ekko wechselte die Frequenz. »Stalker eins, hier Carime eins. Maryan, sofort Flankenpatrouille. Ich will wissen, ob wir angegriffen wurden.« »Verstanden.« Ekko wandte sich an den Schützen. »Sagen Sie dem Fahrer, er soll wenden.« Hinter ihnen rollte die erste Chimäre heran. Balgor sah aus dem Turm. »Was war das denn?«, schrie er seinem Colonel entgegen. »Das weiß ich nicht!«, antwortete der. »Aber ich werde es mir ansehen! Fahren Sie weiter, Balgor. Wir müssen in Bewegung bleiben!« »War ja klar!«, maulte der Captain lauthals. »Jetzt wo es spannend wird, lassen Sie mich weiterfahren.« »Das Recht des Kommandeurs!«, bellte Ekko zurück, salutierte nachlässig und winkte den Transportpanzer vorbei, als der Salamander herumruckte. Mit Sand und Erde aufwirbelnden Ketten rasselten sie zurück in die Staubwolke. *** »Hier ist Stalker Eins!«, war Maryans Stimme zu vernehmen. »Also der Scheißladen ist so leer wie 'ne tote Wüste leer sein sollte.« Major Carrick stand bei dem ausgebrannten Wrack der Chimäre, während Transportpanzer und LKWs sich langsam wieder in Bewegung setzten. Als die Explosion zu hören gewesen und die Kolonne ins Stocken geraten war, hatte Carrick den Soldaten befohlen, sofort abzusitzen und die Umgebung abzusichern. Jetzt mussten die Soldaten erst wieder Trupp für Trupp einsteigen, sodass sie nur schleppend voran kamen. Der Major vermutete, dass es noch bis zum Dunkeln dauerte, bis das letzte Fahrzeug der Kolonne wieder in Marsch gesetzt werden konnte. Was für ein thronverfluchter Dreck. »Verstanden, Stalker eins!«, ertönte Ekkos Stimme aus dem Funkgerät. »Flankensicherung fortsetzen.« Carrick drehte sich um und sah einen hoch aufragenden Lastwagen an sich vorbei rollen. Das schwere Gefährt kämpfte sichtlich mit dem fließenden Übergang zwischen Steppe und Wüste und der Major fürchtete, hier den nächsten baldigen Totalverlust vor sich zu haben. Einige Meter entfernt schnauzte ein Corporal einige seiner Soldaten an, sofort wieder in ihre Chimäre einzusteigen. Carrick runzelte die Stirn. Die Männer waren bereits nervös und gereizt und die Explosion des Munitionstransporters konnte man nicht gerade als hilfreiche Entwicklung bezeichnen. Es war ein Wunder, dass noch keiner durchgedreht und ausgerastet war. Nahe dem Vorfall mit dem Corporal bahnte sich neuer Ärger an. Soldat Terric versuchte, die angespannte Stimmung etwas aufzulockern, indem er einen Witz erzählte, den er irgendwo einmal gehört hatte. »Zwei Hostpitalinnen auf dem Rückweg zu ihrem Konvent. Plötzlich bemerken sie, dass ihnen ein Soldat der PVS folgt. Sie beschleunigen ihre Schritte und versuchen, ihn abzuschütteln, aber er folgt ihnen weiter. Als sie an eine Weggabelung kommen, entscheiden sie sich, dass sie sich trennen, damit wenigstens eine Schwester entkommen und Hilfe holen kann. Der Plan geht auf. Der Mann folgt der ersten Schwester. Die Zweite geht, bis sie außer Sichtweise ist, dann beginnt sie zu laufen. Sie will Hilfe holen, doch als sie, vor Erschöpfung japsend, am Konvent ankommt, erkennt sie, dass die andere Schwester ebenfalls gerade dort eingetroffen ist. Überrascht wendet sie sich an die Frau: †ºSchwester! Was bin ich froh, Euch zu sehen! Wie konntet Ihr dem Lüstling entkommen?†¹ Darauf antwortet die andere: †ºNachdem wir uns getrennt hatten, holte er mich ein und stellte mich. Das Unvermeidbare geschah: Ich hob meine Kutte, er ließ seine Hose runter.†¹ Erregt und wütend über die offensichtliche Schändung fragt die zweite Schwester: †ºUnd dann?†¹ †ºEinfachste Logik†¹, antwortet die Erste: †ºEine Schwester mit erhobener Kutte kann schneller laufen als ein Soldat mit herunter gelassener Hose.†¹« Schallendes Lachen der ihn umgebenden Männer ertönte und endete dann abrupt. Für einen Moment war der Soldat verwirrt und versuchte, den Grund für das Schweigen der Männer ausfindig zu machen, dann ging ihm auf, dass die anderen nicht ihn ansehen. Sie sahen über ihn hinweg. »Sie steht hinter mir, oder?«, presste er hervor. Unmerkliches Nicken bestätigte seine Annahme. Er grunzte. »Warum, beim Warp, passiert eigentlich immer mir so eine Scheiße?« Dann wandte er sich um und sah genau in die stahlblauen Augen von Leitis Sile. Die Prioris musterte ihn kalt. »Der war nicht schlecht. Aber wollen Sie einmal wirklich was zu lachen haben?« Die Soldaten schwiegen. Sie alle wussten von den Geschehnissen im Lazarett. »Ja?«, fragte Sile mit ihrer weichen, erfrischenden Stimme, dann beugte sie sich vor und zog das Bajonett von ihrem Gewehr. »Ich habe schon weit tapferere Männer als Sie getötet«, flüsterte sie bedrohlich und ließ die Stichwaffe niedergehen. Sie rutschte aus ihrer Hand und bohrte sich in den staubigen Untergrund. Terric folgte mit seinem Blick dem Weg ihres Wurfs und sah, dass sie mit dem Bajonett einen etwa mausgroßen Skorpion gespalten hatte, der sich, halb unter Sand und Erde verborgen, direkt zwischen seinen Füßen befunden hatte. Er atmete tief und erschrocken ein. »Schön, dass Sie Ihren Humor noch nicht verloren haben«, sagte Sile leise und ging. Carrick wandte sich ab und atmete seinerseits tief durch. Ein Glück, dass die Prioris nicht weiter auf den dummen Witz eingegangen war. Bei der Vorstellung, die sie Ekko, Solmaar und den Wachen im Lazarett geliefert hatte, hätte sie höchstwahrscheinlich den ganzen Trupp auseinander genommen, wenn die Lage eskaliert wäre. Offensichtlich hatte das Gespräch mit dem Colonel tatsächlich was gebracht. Trotzdem konnte es nicht schaden, wenn sie noch länger unter Beobachtung blieb. Durch das Brummen der Fahrzeugmotoren näherte sich das eilige Rasseln schnell laufender Ketten. Der Major kniff die Augen zusammen. Ein Salamander glitt durch den staubigen Nebel auf ihn zu. Ekkos Kommandopanzer war noch nicht vollkommen ausgerollt, da flogen bereits die Hecktüren auf und der Colonel sprang aus dem Fahrzeug, den aschfahlen Gireth mit seinem schweren Funkgerät im Schlepptau. »Major!«, rief der Colonel den ihn entgegenkommenden Carrick. »Was ist passiert?« »Sir, gegen siebzehn Uhr ist eine Munitionschimäre des Munitoriums explodiert. Der Grund dafür ist unbekannt«, meldete der Major schnell. »Ein feindlicher Angriff scheint es aber nicht gewesen zu sein.« »Dann würde es hier auch sicherlich anders aussehen«, dachte Ekko laut nach. »Was vermuten Sie?« Der blonde Basteter zuckte unglücklich die Schultern. »Sie wissen ja, wie die vom Munitorium sind. Die finden überall noch Platz für Munition. Scheint so, als hätten sie es dieses Mal übertrieben.« Ekko kniff sich mit den Fingern in den Nasenrücken. Er sah sehr müde aus. »Verluste?« »Die Besatzung hat's vollständig zerrissen«, sagte der Major. »Die Explosion hat zwei begleitende Kradfahrer zum Imperator geweht. Außerdem ist uns ein LKW schwer beschädigt worden und nicht mehr fahrtüchtig. Und meine Nerven sind hin.« Zwei braune Augen musterten ihn. »Ist der LKW noch zu gebrauchen? Können wir das Ding mit einem Bergepanzer hochheben und abschleppen?« »Das würde gehen, aber das Oberkommando hat sämtliche Atlasse mitgenommen.« Der Atlas-Bergepanzer war das Zugpferd alle imperialer Panzerkompanien. »Dann hängt den LKW an eine Trojan und zieht ihn einfach«, wies Ekko seinen Stellvertreter an. »Wir brauchen die Fahrzeuge. Noch mehr umladen können wir nicht.« »Verstanden, Sir«, bestätigte Carrick. »Gut.« Ekko sah sich um. »Wo ist Ligrev?« »Als ich anhalten ließ, hat der Kommissar eine Chimäre requiriert und ist damit weitergefahren. Ich habe keine Ahnung, wo er sich im Augenblick befindet.« »Fantastisch«, wetterte der Colonel. »Schwierigkeiten über Schwierigkeiten. Tote, Verletzte, Explosionen †“ und Ligrev? Der requiriert eine Chimäre und macht sich aus dem Staub.« Seine Hand winkte in eine weite Ferne. »Wirklich schade, dass er sich dafür nicht selbst exekutieren muss. Ich hätte ihm gerne dabei zugesehen.« Carrick runzelte die Stirn. Selbst Ekko wirkte aggressiv und gereizt. Sein sonst so zynisches und überlegenes Wesen war noch bösartiger und gleichzeitig einem einfachen, von raschen Erwägungen getriebenen Geist gewichen, der auf eine nicht näher definierbare Weise mehr Unruhe verbreitete als dass er sie tilgte. So hatte er Ekko noch nie erlebt †“ und wenn er ehrlich sein sollte: Das machte ihm Sorgen. Sie standen einige Minuten beieinander, dann plötzlich setzte sich der Colonel in Bewegung. Irgendetwas schien seine Aufmerksamkeit erregt zu haben. Bemüht, an seinem Kommandeur zu bleiben, beschleunigte Carrick seine Schritte und folgte dem dunkelhaarigen Basteter. Nur wenige Schritte später blieb Ekko wieder stehen und betrachtete ein merkwürdiges Objekt, das halb im Sand vergraben, vor ihnen lag. Carrick benötigte einen Moment um festzustellen, was es war. Es handelte sich um eine klobige Staubschutzbrille, die vermutlich einer der Kradfahrer während der Explosion verloren hatte. »Was für ein thronverfluchter Mist«, brummte Ekko und hob die Schutzbrille auf. »Die gehörte wohl einem der Kradfahrer«, teilte Carrick seine Vermutung mit. Der Colonel nickte matt. »Heute läuft wirklich alles schief«, murmelte er und schwenkte die Schutzbrille in seine Hand umher. Sie schien nicht beschädigt zu sein. Carrick verfolgte verblüfft, wie Ekko sie über seine Mütze zog und ihren Sitz kontrollierte. Sie war etwas zu groß und saß auch nicht ganz richtig, doch der Colonel schien damit vollends zufrieden zu sein. »Passt«, freute er sich. Als er Carricks überraschten Blick bemerkte, zuckte er die Schultern. »Ein Gutes hat die Sache. Er hat mir seine Schutzbrille da gelassen.« Carrick nickte. Als der Colonel sich umdrehte, um zu seinem Kommandopanzer zurückzugehen, war er froh, über den Zynismus in Ekkos Worten lächeln zu müssen.
  15. 12 Als sie sich von der Armee trennten, konnte man die Spannung regelrecht spüren, die Ekkos Männer ergriffen hatte und ihre Stimmung drückte. Das Leichentuch des ewigen Staubs, den die Läufer, Transportfahrzeuge und Laster aufwirbelten, legte sich auf die Niederlage zuvor noch von Siegestaumel erfüllten Soldaten. Die leblose Steppe, gefüllt mit abertausenden Kilometern von zerstampfter Erde und einigen wenigen Oasen vertrockneten Grases, in denen es vor Jahren sicherlich blühendes Leben gegeben hatte, machten die Männer zusätzlich nervös. Es gab wohl keinen, dem im Angesicht der über die einst blühende Welt gekommen Zerstörung nicht der Sieg wie ein bitterer Kloß im Hals stecken geblieben wäre. Dafür war das Gesehene einfach zu trostlos. Wofür kämpften sie eigentlich noch? Es gab hier nichts mehr, für das es sich zu kämpfen gelohnt hätte. Aus dem Kommandostand seines Salamander-Kommandopanzers sah Ekko nach hinten auf die viele Kilometer lange Kolonne, die sich durch das unbefestigte Gelände quälte. Die dichte Staubwolke, die die Fahrzeuge aufwirbelten, musste für die Orks beeindruckend aussehen †“ als würde sich eine zweite imperiale Streitmacht an ihrer Flanke entlang bewegen und versuchen, sie in einer schnellen Zangenbewegung zu umgehen. Nicht, dass das bei der derzeitigen Geschwindigkeit möglich gewesen wäre. Ekko wettete mit sich selbst, dass die Orks in diesem Augenblick sämtliche von der Imperialen Armee aufgestellten Geschwindigkeitsrekorde für Fußtruppen brachen, während sie in wilder Panik vor der mahlenden Maschinerie mehrerer Regimenter flohen. Nicht, dass es seine eigene Stimmung gehoben hätte. Kurz vor drei Uhr erreichten sie die Ausläufer einer Wüste, die sich am Rand ihres Wegs erstreckte. Es war, als hätten sie eine fremde Welt betreten, jenseits jeder Zivilisation. Die unaufhaltsam vorrückende Wüste schickte sich an, das Land unter einer tiefen sandigen Schicht aus perfekter Reinheit zu vergraben, um sich mit stoischer Ruhe weiter gen Osten zu wälzen. Unaufhörlich. Unaufhaltsam. Kleine Wirbelwinde aus Sand überquerten eine unbefestigte, von Schlaglöchern und Pflanzen überwucherte Straße, die nur spärlich unter der Fläche aus Erde und verwelktem Gras zu erkennen war. Offensichtlich hatte sie vor langem als Verkehrsader gedient, war aber dann vergessen und von der Natur verschlungen worden. Direkt vor ihnen, nur wenige Kilometer entfernt, erhoben sich die Silhouetten niedriger Bauten aus der drückend warmen Luft wie klobige Riesen mit spitzen Hüten, die sich an den Boden pressten. Unzweifelhaft eine Siedlung. Je näher sie dem kleinen Ort kamen, umso stärker kämpften die Fahrzeuge mit der vorrückenden Flut aus Sand. Sogar die Sentinels hatte immense Probleme, auf dem körnigen Grund voran zu kommen. Vier der Kampfläufer hatten sich als Aufklärer gute zwei Kilometer vor ihnen postiert und suchten die Umgebung nach Bedrohungen ab, die anderen vier polterten als Flankenschutz die Kolonne entlang. Die tiefen Spuren ihrer Füße zeugten von den Schwierigkeiten ihrer Piloten, das Gleichgewicht der bipedalen Läufer zu halten. Wir hätten Sprung-Sentinels gebrauchen können, sinnierte Ekko. Die sind wenigstens so kompakt, dass man die im Notfall hätte rollen können. Er warf einen Blick auf sein Chronometer. Unaufhaltsam zählte es weiter, Sekunde für Sekunde, Minute für Minute. Die Sonne brannte heiß vom Himmel auf ihn hinab und ließ ihn schwitzen. Dichte, stickige Luft stand so erdrückend schwer über dem flimmernden Boden, dass es vermutlich Panzer mit Räumschaufeln gebraucht hätte, um sie so schnell wie möglich zur Seite zu räumen. Das Dorf rückte immer näher. Es schälte sich wie eine Reihe von dunklen Phantomen aus der erhitzten Luft. Der Turmschütze lud den Zwillingsbolter der Hauptbewaffnung durch, als das Fahrzeug weiter vorwärts rollte und richtete die Waffe auf das unbekannte Terrain aus. Ekko schob sich das Halstuch tiefer ins Gesicht. Seine Miene verfinsterte sich. »Carime eins an Gruppe Stalker, kommen.« »Hier Stalker eins, ich höre Sie, kommen«, antwortete Maryan. Seine Stimme klang so verzerrt, als würde sie von der Hitze verwaschen. Ekko wollte sich nicht ausmalen, wie sehr die Sentinelpiloten in ihren abgeschlossenen Cockpits unter der Hitze brieten. Es sprach für sie, dass sie sich davon nicht beeindrucken ließen. »Maryan, ich möchte, dass Sie das Dorf da rechts vor uns unter die Lupe nehmen. Ich schicke Ihnen eine Chimäre mit einem Aufklärungstrupp zur Unterstützung. Ende.« Der Salamander rumpelte über unebenes Gelände. Der Motor heulte auf. Ekko wurde von einem Stoß in den Rücken gegen die Wand des Kommandostands gedrückt und fuhr herum. Hinter ihm torkelte Gireth im heftigen Rütteln des Kommandopanzers. »Tu-tut mir leid, Sir«, stammelte er mit aschfahlem Gesicht. Ekko erkannte sofort, was das bedeutete. Mit sicherer Hand griff er den jungen Funker und drückte ihn über den Rand der hinteren Türen. Seine Vorahnung hatte ihn nicht getäuscht. Einen Augenblick später erbrach sich Gireth jämmerlich auf die von den Panzerketten aufgewühlte Erde. Die ersten Würgkrämpfe des Funkers waren noch ziemlich heftig, dann beruhigte er sich langsam. Ekko sah den Schützen an, der ihm ein wissendes Lächeln schenkte. Mitgliedern der Fahrzeugbesatzung waren die Unannehmlichkeiten der Infanteristen in den schaukelnden Gefährten gut bekannt. Doch für mehr als über die ‚sandfressenden Weicheier†™ zu lächeln waren sich die Panzercrews meist zu schade. Der Colonel warf ihm noch einen scharfen Blick zu und aktivierte das Mikro. »5120102, hier Carime eins. Kommen.« »Hier Rebis, Sir. Ich höre, kommen?« »Rebis. Folgen Sie den Stalker-Einheiten bis zu dem Dorf einige Kilometer vor uns. Klären Sie die Situation und räumen Sie das Gebiet. Kommen« »Verstanden, Sir. Kommen.« »Carime eins. Ende.« Ekko wandte sich um und warf noch einen Blick auf Gireth, der würgend über der Heckpanzerung hing, dann richtete er seine Augen nach hinten, wo sich aus dem Staub, den sein Fahrzeug erzeugte, die Silhouetten der anderen Transportpanzer und LKWs schälten. Die vierte Chimäre der Kolonne schob ihre achtunddreißig Tonnen Gewicht mit einem Mal nach rechts aus der Reihe der marschierenden Fahrzeuge. Der Motor des gepanzerten Truppentransporters keuchte im staubigen Vorhang, den die drei Transportpanzer vor ihr aufwirbelten, dann setzte die Chimäre zum Überholen an. Auch wenn das Fahrzeug mit seinen beinahe sechzig Kilometern pro Stunde recht langsam war, zog es zügig an der kriechenden Kolonne vorbei. Ekko sah Corporal Rebis auf dem Rücken des Kettenfahrzeugs sitzen, ein Bein angewinkelt und das andere durch die obere Rumpfluke im Inneren des Rumpfs verborgen. Der Corporal warf ihm einen kurzen Blick zu, machte eine halb verborgene Geste, die so viel wie ‚Bis dann†™ bedeutete und starrte dann weiter auf den Weg, als sich die Chimäre vor den Kommandopanzer setzte. Einen Moment später tauchte der Salamander in die Staubfahne ein, die die Chimäre hinter sich zurück ließ. Ekko duckte sich hinter die Panzerung, wandte sich ab und wischte sich über die Augen. Dieser verdammte Sand! Er musste sich dringend eine Schutzbrille zulegen. Als er aufsah konnte er erkennen, dass Gireth ihm gegenüber saß. Im engen Kommandoraum des Salamanders berührten sich ihre Füße beinahe. Er sah noch immer nicht gesund aus. »Alles in Ordnung mit Ihnen?«, erkundigte sich Ekko. Der Funker nickte schwach. »Muss das Essen gewesen sein«, murmelte er. *** Stalker eins und vier wirbelten Wölkchen aus Sand auf, während sie der Chimäre mit dem Rufzeichen Sival drei vorauseilten. Die schnellen Läufer legten den Weg zu ihrem Ziel innerhalb kürzester Zeit zurück und schwenkten dann nach links und rechts weg, um dem Truppentransporter den Weg frei zu machen. In dem Augenblick, in dem der Panzermotor aufheulte und sich das Gefährt über einen Trümmerhaufen schob, der einmal ein Gebäude gewesen war, rutschte Rebis zurück in den Transportraum. Die offene Tür der Dachluke schlug er wie beiläufig über sich zu. »In Ordnung«, sagte er mit ruhiger, kräftiger Stimme. »Nur noch ein paar Sekunden. Ihr wisst, was das bedeutet. Melbin, Sie übernehmen die zweite Gruppe.« Der massige Cadianer nickte. »Rahael, Lawn und Talic folgen mir, Tesket, Lados und Itias gehen mit dem Corporal«, wies er die Soldaten an. Das war Lenhims neuer Trupp †“ derzeit noch unter Sollstärke. Gorak und Lenhim lagen noch immer im Lazarett und sollten nach Sicherung der Basilika mit einer Walküre, zusammen mit den anderen schwer verletzten, zu dem ruhigen Ort transferiert werden, da sich die vorrückende Armee nicht mit ihnen belasten konnte. Deswegen führte derzeit auch Rebis den Trupp. Und das machte er gar nicht schlecht, sah man einmal davon ab, dass die Soldaten unter seinem Kommando aus unterschiedlichen Trupps zusammengewürfelt worden waren. Rebis und Melbin bemühten sich, die Männer bei Laune zu halten, aber sie hatten es noch sichtlich schwer, die Soldaten zu einer Einheit zu verschweißen. Natürlich waren sie erst seit wenigen Stunden miteinander bekannt, aber trotzdem hatte sich Rahael bereits seine Meinung über die ‚Neuzugänge†˜ gebildet. Besonders schwer schien es Itias zu haben. Weshalb das so war, wusste er nicht, aber das war vermutlich im Augenblick auch nicht wichtig. »Fertigmachen!«, dröhnte die Stimme des Kommandanten über den Motorenlärm. »Fertigmachen!«, gab Rebis weiter. Rahael atmete tief durch. Noch immer stand er unter dem Einfluss der letzten Stunden und fühlte sich aufgedreht. Er wusste, dass er mehr als vierundzwanzig Stunden nicht geschlafen hatte, aber auch wenn er es beim besten Willen gewollt hätte, wäre es ihm nicht gelungen, jetzt zur Ruhe zu kommen. Außerdem hatten sie einen recht hohen Gast. Prioris Leitis Sile hatte darum gebeten, mit ihnen fahren zu dürfen und saß nun in der blutroten Rüstung ihres Ordens gegenüber von Melbin. Allein ihre Anwesenheit hätte verhindert, dass Rahael jetzt die Augen zu schließen in der Lage gewesen wäre. Die Erlebnisse aus dem Lazarett verfolgten ihn noch immer und auch wenn er nach wie vor stolz darauf war, ihr Leben gerettet und so für sie gekämpft zu haben, wünschte er sich, er hätte danach nie wieder einen Gedanken an sie verschwendet. Unauffällig warf er ihr einen verstohlenen Blick zu. Ihre hellblonden Haare waren zu einem Zopf gebunden und ihre stahlblauen Augen fixierten einen Punkt auf der Innenwand des Truppentransporters, den er nicht sah. Auf ihren Knien ruhte ein Lasergewehr der Imperialen Armee, über das sie überhaupt nicht glücklich zu sein schien. »Prioris Sile«, eröffnete Rebis ihr, »schließen Sie sich einfach einer Gruppe an.« »Das werde ich tun«, antwortete sie mit ihrer weichen Stimme. Die Chimäre ruckte, ihr Motor brüllte auf, dann stoppte sie unvermittelt. Servomotoren heulten, klickend lösten sich Klammern. Die Heckrampe fiel krachend herunter. Helles Sonnenlicht flutete den Raum. Rahael kniff die Augen zusammen. »Los, los, los!«, bellte Rebis. Rahael sah, wie vor ihm Tesket und Lawn über die Rampe ans Licht stürmten, dann plötzlich war er frei und stand geduckt im Gang. Er spürte, wie sich hinter ihm ebenfalls jemand erhob und lief vorwärts. Mit einem Mal war die Enge des Transporters verschwunden und er sprang nach rechts von der Rampe in den Sand, in den er sofort einsank. In einer fließenden Bewegung ließ er sich nach Vorne auf ein Knie fallen und richtete sein Lasergewehr auf die Häuserruinen. Hinter ihm kamen die anderen Soldaten aus dem Fahrzeug. Aus den Augenwinkeln sah er Melbin, der seine Gruppe zu sich winkte. Wortlos erhob sich der junge Soldat und kontrollierte beim Aufschließen zu ihrem Gruppenführer, wo die beiden anderen Gruppenmitglieder sich befanden. Er brauchte nur einen Augenblick, bevor er sie entdeckte. Lawn und Talic, beide Basteter und ihm weitestgehend unbekannt, zogen ähnlich grimmige Gesichter wie Sergeant Lenhim und schienen auch nicht minder kampferfahren zu sein. Die Art, wie sie sich bewegten, die Weise, auf die sie ihre Umgebung wahrnahmen und sondierten, das alles zeugte von dem Wissen alteingesessener Veteranen. Rahael merkte sich vor, sie niemals vollkommen aus den Augen zu lassen. Leise jaulend wurde die Heckklappe der Chimäre wieder hochgefahren, dann legte der Fahrer den Rückwärtsgang ein und setzte zurück. Als Rahael sich kurz umwandte, stockte ihm für einen Moment das Herz. Hinter ihm stand Leitis Sile, das Lasergewehr in Pirschhaltung. Sie bewegte ihren Kopf nicht und ihre stahlblauen Augen waren in eine weite Ferne gerichtet. Trotzdem beschlich ihn das Gefühl, dass sie jedes Detail der Umgebung aufnahm. Eine Sekunde später sah sie ihn direkt an. »Nicht stehen bleiben«, erinnerte sie ihn. Dann war sie an ihm vorbei. Erst jetzt nahm Rahael bewusst wahr, wie es in ihrem Umfeld aussah. Es war tatsächlich einmal ein Dorf gewesen, höchstwahrscheinlich im Stadium frühzeitlicher Industrialisierung. Erkennbar war das nur noch an den schweren Schornsteinen und Backsteinen, von denen einige aus den schwarz verbrannten Trümmern der einstigen Siedlung herausragten. Verkohlte Holzpfosten, welche die einstigen Grenzen der Gebäude markierten, waren auch noch zu erkennen. Aber aus viel mehr bestand das Dorf auch nicht mehr. Sein Name, die Gebäude und Einwohner waren aus der Geschichte getilgt. Es roch nach … Sand. Dieser Geruch nach heißem, leblosem Sand, gepaart mit dem Gestank der Asche, die vom stoßweise auffrischenden Wind über den bröckligen Boden getragen wurde, gleich einem rastlosen Heulen der Toten, deren Überreste über die verlorene Ebene wanderten. Es roch nach Niederlage. Nach Tod. Andere Gerüche fehlten ganz. In der staubigen, trockenen Ödnis schluckte Rahael schwer. Er warf einen Blick zu Leitis Sile, die sich etwas von der Gruppe entfernt hatte und auf eigene Faust durch die Ruinen streifte. Ihre rote Rüstung verschwamm im Flimmern der erhitzten Luft. »Rahael, wo bleibst du?!«, rief Melbins Stimme ihn nachsichtig. Der junge Cadianer schreckte aus seinen Gedanken auf und bemerkte, dass die anderen Soldaten ihren Weg bereits fortgesetzt hatten. Er beeilte sich, zu ihnen aufzuschließen. »Oh, Thron. Was für eine verdammte Scheiße«, brummte Lawn und schwenkte seine Waffe wachsam. »Ob man die Leute hier rechtzeitig evakuiert hat?« »Nein«, erinnerte Talic ihn. »Haste bei der Einweisung nicht zugehört? Auf dieser Welt lebt nichts mehr.« »Warum, beim Barte des Propheten, sind wir dann hier?«, maulte der andere Basteter. Eine Frage, die er sich auch schon gestellt hatte. Rahael löste sich aus seiner Zuhörerrolle. Etwas in der Nähe war ihm aufgefallen. Etwas, das in den Boden gebrannt worden war. Interessiert besah er sich den dunklen Fleck genauer. Hier, inmitten der Zerstörung auf dem sandigen Platz wirkten Aussehen und Form des Flecks eigenartig absonderlich. Die Form erinnerte fast an einen … Rahael machte einen Satz rückwärts †“ und zwar so schnell, dass Lawn in der Nähe herumfuhr und sein Gewehr hochriss. »Was, beim Barte des Propheten, ist denn mit dir los?«, rief er. Rahael würgte. »Das ist … das war ein ...« »Mensch«, beendete Melbin den Satz. Erschreckt fuhr Rahael herum. Wie hatte der massige Mann es geschafft, sich unbemerkt anzunähern? »Du hast echt ein Talent dafür, gleich die interessantesten Dinge zu finden, oder?«, erkundigte sich der andere Cadianer freundlich, aber nicht ohne eine Spur von Ironie. »Was†™n das?«, rief Rebis an Melbin gewandt zu ihnen herüber. »Tote«, informierte der massige Cadianer ihn. »Verstehe!«, antwortete Rebis und deutete auf ein Feld inmitten der Trümmer. »Hier drüben liegen noch welche.« Rufe der anderen Soldaten, die sich in der hallenden Stille verloren, bestätigten die Sichtung weiterer Toten. Was beim goldenen Thron von Terra, war hier bloß geschehen? »Orks«, stellte Sile fest, die in diesem Augenblick wieder zu ihnen stieß. Wo sie her kam und wo sie die ganze Zeit über gewesen war, konnte sich Rahael zu seinem eigenen Erstaunen nicht beantworten. Das schleichende Gift ihrer Stimme wehte als frische Brise durch seinen Kopf. Ihm schwindelte in der drückenden Hitze.. »Eindeutig«, pflichtete Lawn der Prioris bei. Melbin nickte schweigend. Rahael schluckte abermals und ging weiter rückwärts von dem Toten weg. Unabsichtlich stieß er an einen verkohlten Pfeiler. Es knackte, als das schwarze Stück Holz abbrach und auf die Erde fiel. Vor den Augen des erschrockenen Soldaten zersplitterte es beim Aufschlag wie Glas. Das regelmäßige Poltern marschierender Läuferfüße bahnte sich seinen Weg in ihre Richtung. Einer der beiden Sentinels kam nahe bei ihnen zum Stehen und senkte sich knirschend auf seine Füße, damit er nicht das Gleichgewicht verlor. Die Seitentür öffnete sich und das Gesicht von Maryan erschien. Er trug seinen Helm nicht mehr. »Wie sieht's aus?«, rief er ihnen zu. »Wie vom Warp verwüstet«, antwortete Melbin. »Die Orks haben hier alles verbrannt †“ bis auf die Knochen.« Der Sentinelkommandant und -schwadronsführer schüttelte den Kopf. »Verdammte Grünhäute.« Er pausierte einen Augenblick, in dem er die Umgebung musterte, bevor er sich wieder an Melbin wandte. »Stalker vier und ich machen uns dann mal wieder auf den Weg. Wir wollen das Gebiet klären, denn so wie es aussieht, will der Colonel doch nicht anhalten und das Aroma dieses Orts und die wunderbare Aussicht genießen.« »Wen wunderts?«, rief Melbin ihm zu. »Viel Erfolg« »Danke«, antwortete er. »Euch auch.« Rahael glaubte noch zu hören, wie er leiser hinterher sagte: »und bleibt am Leben.« Der junge Cadianer konnte nicht sagen, dass ihn das sonderlich beruhigt hätte. Röhrend erhob sich der Sentinel wieder und setzte seinen Weg fort. Einige Momente später folgte der Zweite. Das metallene Poltern der Läuferfüße nahm ab, als die beiden Sentinels sich wieder auf den Weg machten, um ihre Aufklärung fortzusetzen. Rahael wandte sich um, als dafür das Dröhnen der Motoren hinter ihnen überhandnahm. Es war ein fantastischer Anblick. Die Staubwolke, die die schier endlose Kolonne von Fahrzeugen in die Luft wirbelte, musste mindestens vier Kilometer in den Himmel reichen. Ein Großteil der Transportpanzer, Zugmaschinen und Lastwagen war nur zu erahnen. Immer wieder schälten sich die Umrisse eines Fahrzeugs aus dem Dunst, als es an dem Überresten der Siedlung vorbei zog. Ekkos Kommando-Salamander hatte den Ort bereits passiert. Man konnte den Colonel aufrecht im Kommandoturm stehen sehen. Es folgten mehrere Chimären, die mit rasselnden Ketten und vollkommen unbeeindruckt von dem Grauen, das hier stattgefunden hatte, dem Kommandopanzer folgten. Dann passierte sie ein Lastwagen. Die Soldaten standen teilweise auf der Ladefläche und sahen auf die Überreste des einstigen Dorfes. Rahael konnte sich gut vorstellen, dass sie sich ihre eigenen Gedanken über die langsam nach Achtern wandernde Ansammlung von Ruinen machten und die nicht minder verstörenden, überall verstreuten und verkohlten Leichen mit aufsteigendem Grauen betrachteten, an denen die Kolonne langsam vorbei rollte. Was auch immer hier geschehen war, es stand in krassem Gegensatz zu den Erlebnissen, die sie mit den Orks gehabt hatten. Ob die Xenos ihre Wut bereits an diesen Menschen ausgelassen hatten und deswegen die Imperiale Armee nicht hatten überwinden können? Oder war das hier nur ein Vorgeschmack auf das, was sie noch erwartete? »... Tote gefunden, die ziemlich übel zugerichtet wurden. Egal, was hier geschehen ist. Es hat die Leute vollständig zu Asche verbrannt«, sprach Rebis, auf dem Rücken der Chimäre kniend, ins Funkgerät. Höchstwahrscheinlich sprach er mit Ekko. Er lauschte einige Zeit, dann nickte er. »Verstanden.« Nachdem er die Kopfhörer an den Panzerkommandanten zurückgegeben hatte, sprang er von der Chimäre. »Also dann«, rief Rebis. »Alles aufsitzen. Wir fahren weiter.« Als Rahael sich umdrehte, um zurück zur Chimäre zu gehen, wäre er beinahe mit Leitis Sile zusammengestoßen, die aufmerksam die Umgebung in musterte. »Dem Tod auf dem Schlachtfeld zu begegnen, ist eine Sache. Ihm hilflos gegenüberzustehen, eine andere, nicht wahr?«, sinnierte sie gedankenverloren. Eine Ewigkeit standen sie sich gegenüber. Eine Ewigkeit, in der alle Geräusche, Gerüche und Ereignisse um sie herum zu Unkenntlichkeit verschwammen. Rahael bemerkte erst jetzt, wie schön Leitis Sile wirklich war. Ihr Gesicht besaß eine unglaubliche Reinheit, die durch die helle, weiche Haut nur verstärkt wurde. Ihre stahlblauen Augen verstrahlten eine unglaubliche Klarheit, die einen in ihrem Bann hielt und ihr eine himmlische Ausstrahlung verlieh. Die Ausstrahlung eines Engels. Eines Todesengels. In ihrer Rüstung erschien sie wie eine Lebende Heilige, die gekommen war, um den Feinden des Imperators den Tod zu bringen. Rahael spürte, wie seine Beine zu zittern anfingen. »Ich denke, wir sollten jetzt zu Corporal Rebis zurückkehren«, merkte Sile an und lächelte. Wie ein schneebedecktes Feld im Winter. Trotz der drückenden Hitze fröstelte der junge Cadianer.
  16. *** Die Panzer und Truppentransporter der imperialen Streitmacht rollten über die leblosen Ebenen von Agos Virgil und ließen die lange Kolonne aus Menschen und Material in einer dunstigen Wolke aus aufgewirbeltem Staub verschwinden. Ekko stand aufrecht im offenen Turm des Salamander-Kommandopanzers, den man ihm zur Verfügung gestellt hatte und grunzte in das steppentarnfarbene Halstuch, das er sich als Schutz vor dem Dunst aus Dreckmassen ums Gesicht gebunden hatte. Nicht, dass es was geholfen hätte. Der Sand war hartnäckig. Unaufhaltsam bahnte er sich seinen Weg durch Vertiefungen und kleine Risse in der Uniform, durchdrang die Jacken und Hosen und rieselte überall, wo es ihm möglich war, unter die Kleidung. Ekko brummte unwillig und schüttelte sich. Der Sand kratzte und scheuerte †“ es fühlte sich an, als führe er eine komplette Wüste in seinem Kampfanzug mit sich. »Carime eins, Carime eins, hier Azrael. Funktest, Funktest, kommen«, blökte die Stimme eines Piloten in seinen Kopfhörern. Ekko brummte unwillig und zog das Staubtuch vom Gesicht. Sofort setzte sich der Staub in seinem Gesicht fest und drang ihm in Nase und Mund. »Azrael, hier Carime eins. Ich höre Sie, kommen.« »Carime eins, hier Azrael. Wir hören Sie ebenfalls gut. Ende.« Nachdem der kurze Funktest abgeschlossen war, legte Ekko die Kopfhörer zur Seite, setzte das Halstuch wieder auf und wandte sich nach rechts, wo endlos lange Kolonnen aus Panzern, Läufern und Fahrzeugen die marschierenden Soldaten passierten. Neben seinem langsam vorwärts rollenden Kommandofahrzeug ging Major Derend, gefolgt von seinem Funker und einer Abteilung Basteter, die im eintönigen Braun der aufsteigenden Schwaden verschwanden. Ekko wusste, dass es nur die erste von etlichen war, denn er hatte über fünfhundert Männer abgeben müssen, um den während seiner Abwesenheit fortlaufenden Angriff zu unterstützen. Und das war nur Infanterie. Mit allen Läufern, Schweren Waffen und Soldaten, die zur Unterstützung bei der Hauptarmee blieben, standen von seinen knapp dreitausend Soldaten zu Anfang des Agos Virgil-Feldzugs noch ganze zweitausendeinhundert unter seinem Kommando. Außerdem hatte er die Hälfte seiner Flammenwerfertrupps, so gut wie alle Schweren Waffen und einen Großteil seiner offensiven Schlagkraft †“ sprich Läufer und Transporter †“ verloren. Dafür hatte man ihm gut die Hälfte der sechstausend bei der Armee befindlichen Angehörigen des Munitoriums unterstellt, damit diese die Basilika zum Armeelager umfunktionierten und Vorbereitungen für die triumphale Landung der bald eintreffenden Armeegruppe zu treffen. Beim Thron, wie er sich ärgerte. Er hätte wirklich an der Front bleiben und sich töten lassen sollen, anstatt diese irre Schwester zu retten, die bereits jetzt mehr Chaos angerichtet hatte als … das Chaos selbst. »Sir, ich wollte mich noch einmal bei Ihnen dafür bedanken, dass ich diese Chance erhalte. Ich werde Sie sicherlich nicht enttäuschen.« Derends Stimme klang dünn und brüchig durch den Mundschutz, den er trug und ging beinahe im Lärm der vorbei rasselnden Kettenfahrzeuge unter. »Dessen bin ich mir sicher«, versicherte der Colonel. »Wenn doch, dann wissen Sie ja, wer Ihnen in den Arsch tritt.« Man konnte das Gesicht des Majors unter dem dicken Halstuch nicht sehen, aber Ekko konnte sich sehr gut vorstellen, wie die Gesichtszüge des Mannes entgleisten. Zeit, den diskreten Abgang zu beginnen. Er lächelte grimmig. Sein Abgang †“ was für ein passender Gedanke »Also, dann«, murmelte der Colonel und setzte sich die Kopfhörer auf. Er nickte Derend zu und lehnte sich dann auf die Panzerung des Kommandostands. »Links aus der Formation schwenken. Wir machen uns auf den Weg.« »Verstanden«, antwortete der Fahrer und ließ den Kommandopanzer anziehen. Hinter ihnen reihte sich eine Formation aus gut dreihundert Fahrzeugen, zumeist schwerfällige Lastwagen und Raupenschlepper, ein. Walküren und weitere Fahrzeuge mit zusätzlichem Material würden folgen, sobald die Basilika in imperialer Hand war. Ekko murmelte eine Verwünschung und zog sein Staubtuch tiefer ins Gesicht. *** Jaorah Nurin saß auf dem Rand des Kommandantenluks seines vorwärts kriechenden Jagdpanzers und verfolgte, wie sich das einsame Regiment mit dem merkwürdig unauffälligen Steppentarn und den olivfarbenen Armaplastrüstungen vom Rest der vorrückenden Armee trennte. Das also war jenes Regiment, dessen Kommandant ein wahnsinniger Irrer war und ihrer aller Leben aufs Spiel gesetzt hatte. Nurin konnte nicht behaupten, dass er die Strafe als angemessen empfand. Wieso wurde das Regiment nur abgezogen? Damit verringerte man nicht nur die Schlagkraft der vorrückenden Truppen, sondern vermittelte den übrigen Männer obendrein noch ein vollkommen weiches Bild der Truppenführung. Natürlich dürften die Offiziere da oben ihre Gründe für die Entscheidung gehabt haben, aber Nurin an ihrer Stelle hätte eine standrechtliche Erschießung für den Kommandanten des Regiments vor aller Öffentlichkeit inszeniert, um ein klares Bild von sich zu präsentieren. Er schüttelte den Kopf. War denn die ganze Armeegruppe verrückt geworden? Es knackte in seinen Kopfhörern. »Enforcer zwo an Enforcer eins, melden.« »Enforcer eins hier, melden.« »Jetzt werden wir keine bösen Überraschungen mehr erleben, Boss, oder? Melden.« »Da haben Sie wohl Recht, Enforcer zwo, melden.« »Wollt's nur wissen. Enforcer zwo, Ende.«
  17. *** Der Major war bemüht, ihm alle Sachverhalte korrekt und in der richtigen Reihenfolge zu präsentieren, damit der Colonel sich ein genaues Bild von der Situation machen konnte. In seiner Aufregung setzte er mehrmals neu an, verhaspelte sich und stockte, bis Ekko ihn schließlich stoppte. »Einen Moment, Major. Fangen Sie noch einmal von Vorne an. Langsam.« Derend schwieg einen Moment lang, bis er seine Gedanken geordnet hatte und neu ansetzte. »Eigentlich begann es während unseres Angriffs auf die Ork-Stellungen. Unsere Züge steckten im Angriff der Orks fest und hatten sich in die von der Artillerie gerissenen Krater geworfen, um den tödlichen Waffen der Xenos zu entgehen.« »Ja, das weiß ich. Ich konnte sie sehen«, merkte Ekko an, ungehalten darüber, dass er immer wieder an seine Entscheidung erinnert wurde, die ihm die ganze jetzige Lage eingebrockt hatte. Der Major verzog unglücklich das Gesicht, riss sich dann aber zusammen. »Während dieses Feuergefechts sprang Soldat Itias plötzlich auf und stürmte den feindlichen Truppen entgegen, was einige Zugführer zum Anlass nahmen, ihre Männer vorwärts stürmen zu lassen. Dadurch wurde der Schwung unseres Angriffs auf sämtliche Einheiten übertragen.« »Ja, ja«, winkte Ekko ab. »Ich war dabei. Und wo liegt das Problem?« »Nun stellte sich allerdings heraus, dass Soldat Itias nur in die falschen Richtung gelaufen ist.« Ekko runzelte die Stirn. »Ach … so. Wo wollte er denn eigentlich hin?« »Zurück, Sir.« »Hatte er etwas vergessen?« »Sir? … Nein, Sir. Er wollte fliehen.« »Oh.« Ekko nickte verstehend. »Ja, †ºoh†¹, Sir. In der Tat.« »Und wo liegt das Problem?« Derend hob Hilfe suchend die Hände. »Sein Zugführer ist Captain Retexer, Sir.« Ekko ließ ein angewidertes Geräusch ertönen, eine Mischung aus Stöhnen und Ekel erregtem Seufzen. »Retexer ist außer sich vor Wut. Er will Soldat Itias hinrichten lassen, weil dieser die Ehre des Regiments beschmutzt hat«, führte der Major weiter aus. »Was für ein Idiot«, stellte Ekko kopfschüttelnd fest. »Also gut, darum kümmere ich mich auch noch. Sorgen Sie nur dafür, dass Ihre Truppen einsatzbereit sind, wenn es losgeht.« Derend nickte. »Verstanden, Sir.« Dann entfernte er sich. Ekko eilte zurück. Er wusste, dass seine schnellen Schritte ihn vermutlich aussehen ließen, als suche er dringend eine Toilette, aber im Augenblick war ihm das egal. Als er die ersten seiner Männer erreichte, verfiel er in einen leichten Trab. »Wo ist Retexer?!«, verlangte er zu wissen. »Wo finde ich Captain Retexer?« Keiner von ihnen konnte ihm helfen. »Wo ist der Vierte Zug?«, sprach er eine Gruppe von Soldaten an, die, Lho-Stäbchen rauchend, am Wrack eines zerschossenen Ork-Transporters standen und dieses begutachteten. »Vorne, circa sechshundert Meter in diese Richtung«, informierte ihn einer der Soldaten. »Da, wo die Chimären stehen.« »Danke«, erwiderte der Colonel kurz angebunden und lief wieder los. Von der Sorge getrieben, vielleicht zu spät zu kommen und dem jungen Soldaten nicht mehr helfen zu können, beschleunigte er seinen Trab und rannte beinahe postwendend einen anderen Soldaten über den Haufen, der zufällig hinter einen Radfahrzeug hervor kam. Während der Mann fluchend seine fallengelassene Ausrüstung zusammensammelte und dabei den hirnlosen Idioten beschimpfte, der ihn umgeworfen hatte, lief Ekko weiter. Er hatte keine Zeit, um sich bei dem Mann mit einem sarkastischen Kommentar in Erinnerung zu rufen. Als er bei den Chimären ankam, traf er auch gleich auf Soldat Merling aus Sergeant Kleits Trupp. Endlich eine Einheit aus dem Vierten Zug. »Wo ist Retexer?« Merling erhob sich und versuchte, trotz seiner schweren Ausrüstung eine schneidige Meldung zu machen. Ekko winkte ab. »Ich habe keine Zeit dafür. Wo ist Retexer?« Überrascht und verwirrt wies der Soldat auf eines der Fahrzeuge. »Er und ein paar seiner Männer sind nach hinten gegangen, hinter eine der Chimären.« »Oh, nein«, murmelte Ekko und beschleunigte seine Schritte. Als er zwischen die Transportpanzer trat, konnte er die Männer bereits sehen. Sie hatten sich nicht einmal die Mühe gemacht, Abstand zur Truppe zu bekommen, sondern sich gleich hinter das ihnen am geeignetsten scheinende Fahrzeug gestellt. Die Männer standen im Halbkreis um das gepanzerte Transportvehikel und starrten auf etwas in ihrer Mitte. Sie ignorierten Ekko vollkommen, als er zu ihnen trat. Ob sie das absichtlich taten oder ihn einfach nur nicht kommen hörten, wusste er nicht, aber das war für ihn in diesem Augenblick auch unerheblich. Sie gaben ihm damit unwissentlich die Chance, ihnen vollkommen den Spaß zu verderben. Gerade murmelte Retexer eine Litanei, die der Colonel im Rausch des Adrenalins nicht mitbekam, doch er erkannte, dass jetzt jeder Herzschlag zählte. Zielsicher hob er die Waffe und drückte den Lauf in Retexers Nacken. Augenblicklich brach der Captain ab und schwieg. Die Männer bei ihm bemerkten erst jetzt den Colonel, der eine gezogene Laserpistole auf ihren Kommandanten gerichtet hatte und ihr Kreis brach auf. Endlich bekam Ekko die Gelegenheit zu sehen, was hier vorgegangen war. Itias stand in der Mitte, Tränen in den Augen und vollkommen verzweifelt. Sie hatten ihn an den Transporter gestellt und ihn zwischen sich eingeschlossen, so dass er nicht entkommen konnte. Sie waren also wirklich dazu bereit gewesen. Ekko konnte es beinahe nicht glauben. Männer aus seinem Regiment bemühten sich um Selbstjustiz. Thronverdammte Schweine. Er hätte sie am Liebsten alle hingerichtet. Retexer hatte aber noch nicht mit seiner Aufgabe abgeschlossen. »Amen«, sagte er leise und zog langsam, ganz allmählich, den Abzug seiner Laserpistole nach hinten. »Probieren Sie es gar nicht erst, Captain«, warnte der Colonel ihn. »Wenn sie noch weiter Durchziehen, wird es ihre letzte Handbewegung gewesen sein.« Langsam senkte Retexer seine eigene Waffe. »Lassen Sie mich das erledigen, Sir!«, zischte er. »Dann brauchen Sie sich nicht die Hände schmutzig zu machen und die Sache ist bereinigt. Und es hat nie eine Ehr-Beschmutzung in diesem Regiment gegeben.« »Retexer, ich verstehe das nicht: Dieser junge Soldat hat, so wie ich das verstanden habe, den gesamten Angriff ausgelöst, indem er vorwärts stürmte. Dafür wollen Sie ihn jetzt erschießen?« »Er wollte fliehen!«, warf Retexer ein. »Ja, und?«, schleuderte Ekko dem Captain entgegen. »Jeden von uns ergreift irgendwann die Panik. Hatten Sie etwa keine Panik, als die Massen an Orks auf Sie zustürmten?« »Nein, Sir!«, erwiderte Retexer vollkommen ehrlich. »Natürlich nicht«, stimmte Ekko zu. »Aber Sie haben Ihre Männer willentlich in Gefahr gebracht, um sich selbst Ruhm zu sichern, der Ihnen überhaupt nicht zusteht! War das keine Panik? Also maßen Sie sich nicht an, über Ehr-Beschmutzung sprechen zu wollen. Dann müssten Sie sich als ersten hinrichten.« Retexer riss, bebend vor Wut, die Augen auf. »Wenn Sie darauf bestehen, Soldat Itias zu erschießen, dann werde ich Sie ebenfalls töten †“ einfach nur, um das Universum auf diese Weise auszugleichen, verstehen Sie?«, fragte Ekko voller Gleichgültigkeit. »Der Gott-Imperator wird Ihre Ansicht von Ehre sicherlich höchst interessant finden.« Er verstärkte den Druck auf seinen Waffenarm. Vom sich in seinen Hals bohrenden Lauf der Laserpistole überzeugt, sicherte Retexer seine eigene Pistole und reichte sie über die Schulter an Ekko weiter. Der Colonel nahm sie in Empfang und betrachtete sie kurz. »Wieso funktioniert Ihre Energieanzeige nicht?«, wollte er wissen. »Die Waffe war gar nicht geladen, Sir!«, erklärte Retexer. »Ich habe eine leere Batterie eingesetzt, um dem Jungen Angst zu machen.« Ekko starrte ihn überrascht an. So etwas hätte er von Retexer tatsächlich nicht erwartet. Trotzdem. Seine Worte zurückzunehmen kam ihm gar nicht in den Sinn. Stattdessen lächelte er kalt. »Ich nicht«, sagte er mit fester Stimme. »Und ich war entschlossen, Sie zu erschießen.« Die Gesichtszüge des Captains entgleisten. Vor seinen Untergebenen von seinem Kommandeur bloß gestellt zu werden, schmeckte Retexer überhaupt nicht. »Verschwinden Sie«, forderte Ekko die Männer auf und gab die Waffe an Retexer zurück. »Bevor ich es mir anders überlege und Sie alle erschießen lasse.« Sie wussten, dass er es ernst meinte und waren sichtlich froh, wenn auch verstimmt, ihre Strafe nicht durchführen zu können, als er sie gehen ließ. »Wir sprechen uns noch«, drohte Ekko Retexer. Der Captain nickte matt, noch immer sichtlich überrascht von der Härte seines Kommandanten. Die Männer gruppierten sich um ihn. Dann waren sie fort. Itias sank zu Boden und blieb schluchzend sitzen. »Es tut mir leid, Sir. Ich bin einfach durchgedreht.« »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Itias. So etwas kann jedem irgendwann passieren.« »Ist es Ihnen schon passiert?«, fragte Itias nach. Ekko nickte, wagte aber nicht zu sagen, wann. »Ja, mir ist so etwas schon öfter geschehen.« »Wird man diese Panik vor dem Versagen irgendwann einmal los?« »Nein, nicht, wenn man sich nur darauf konzentriert. Jeder versagt in seinem Leben. Es kommt darauf an, wie man damit umgeht.« Diese Antwort machte den jungen Soldaten auch nicht glücklicher. »Normalerweise würde ich Sie zum Doktor schicken, damit sie Ihnen ein Beruhigungsmittel gibt, aber ich kenne ja Doktor Calgrow. Ich denke kaum, dass sie Ihnen dieses Verhalten verzeihen würde. Und im Gegensatz zu Retexer dürfte ihre Regelung der Lage recht endgültig sein.« Das war ein Grund für Itias, noch geschockter auszusehen. Ekko zuckte die Schultern. »Ich weiß, dass das alles hier ein großer Schock für sie ist und weiß, wie Sie sich fühlen. Da ist es ganz natürlich, dass Sie versuchen, dem Ganzen zu entfliehen.« Noch während er diese Worte aussprach, fragte er sich gleichzeitig, was, beim Thron er hier eigentlich redete. Wie konnte es angehen, dass er diesen jungen Mann nur noch weiter ängstigte? Er brauchte dringend Schlaf, sehr dringend. »So wie Sie?«, fragte Itias durch seine Tränen unverblühmt, bevor ihm klar wurde, was er gesagt hatte. Verwundert und von derartiger Respektlosigkeit gegenüber einem Vorgesetzten aus dem Konzept gebracht, fiel dem Colonel nicht besseres ein, als die Augenbrauen zu heben und ein »Bitte?« hervorzubringen. Es reichte, damit Itias erbleichte und zögernd erklärte, was er gemeint hatte. »Kommissar Ligrev hat gesagt, dass Sie versuchen, sich gewaltsam umzubringen, um Ihrer Pflicht dem Imperium gegenüber zu entfliehen.« Ekko schaffte es im letzten Moment, seine Miene zu retten, um vor dem Soldaten nicht vollkommen das Gesicht zu verlieren, einen wenig kaschierten Ausruf der Überraschung vermochte er aber nicht mehr zu verhindern. »Tut er das?« Der junge Soldat nickte. Er sah verängstigt aus, verwirrt und verschreckt. Fast noch ein Kind. Es war kein Wunder, dass er den Glauben an sich und das Imperium verloren hatte. Nur damit war er Freiwild und nicht lebensfähig. Vor allem aber wurde er so zu einem idealen Ziel für Ligrev, denn seine eigene Angst vor dem Versagen machte ihn anfällig für die Suggestionen des Kommissars, auch wenn er nie gedacht hätte, dass Ligrev ... Und wie er eben selbst bewiesen hatte, begann Itias, den Worten Ligrevs Glauben zu schenken, zumindest aber an den Motiven seines Kommandeurs zu zweifeln. Leider wusste Ekko nicht, wie er das aufhalten konnte. Es zu verleugnen gäbe dem Soldaten nur noch mehr Grund, sich vor dem Colonel in acht zu nehmen. »Hm«, brummte Ekko. »Man sagt ja, dass diejenigen, die ihren ersten Schock vermasseln, länger leben. Also denken Sie daran. Eine zweite Chance werden Sie vielleicht nicht erhalten. Aber für alle Fälle versetze ich Sie zu Sergeant Lenhims Trupp. Die können da neue Leute gebrauchen. Und Lenhim kümmert sich um seine Soldaten. Außerdem haben die da einen anderen Jungspund. Allerdings, aufgrund der Schweres Ihres Vergehens, da hat Captain Retexer nicht ganz unrecht, sehe ich mich gezwungen, Sie mit einer zweimonatigen Kürzung des Solds zu bestrafen. Ist das für Sie annehmbar?« Itias sprang beinahe auf, so schnell erhob er sich. »Ja, Sir!«, sagte er eilig und wischte sich die Tränen weg. »Vielen Dank, Sir!« »Gut«, bestätigte Ekko. »Dann packen Sie Ihren Kram zusammen und melden Sie sich bei Corporal Rebis.« Itias salutierte und eilte von dannen. Ekko starrte ins Leere. Er hätte es eigentlich ahnen müssen, thronverdammt! Vielleicht hatte Ligrev das geplant, vielleicht auch nur den Moment genutzt. Egal, wie man es drehte, er hatte sich den perfekten Moment für eine Hetzkampagne gegen den Colonel ausgesucht. Er war beim Oberkommando in Ungnade gefallen und bekam deswegen eine Strafaufgabe, die seine Leute unwillig stimmte. Rahaels Ausraster im Lazarett und die dabei gefallenen Worte waren der Situation auch nicht besonders zuträglich gewesen. Und Ligrev suchte sich die richtigen Leute für seine Kampagne aus. Leute wie den armen Itias, der schon genug verschreckt war, um Ligrevs Worten Glauben zu schenken und an seinem Kommandanten zu zweifeln. Kurzum: Wieder einmal hatte sich das Universum unter dem Banner des Gott-Imperators versammelt, um sich göttlich über in zu amüsieren. Das war genug Ärger für einen Tag. Noch mehr Schwierigkeiten konnte er jetzt nicht gebrauchen. »Sir?«, sprach Carrick ihn von der Seite an. Der Colonel machte beinahe einen Luftsprung, so sehr erschrak er sich. »Im Namen des …! Thron! Carrick! Schleichen Sie sich nicht noch einmal so leise an mich heran!« »Es tut mir leid«, brachte der Major überrascht hervor, aber das schadenfrohe Lachen, das sich gewaltsam durch seine Miene zu brechen bemüht war, entwertete seine Aufrichtigkeit vollkommen. »Schön, dass Sie das lustig finden!«, brummte Ekko, konnte sich ein Grinsen aber auch nicht verkneifen. »Was gibt es?« »Colonel, Leitis Sile hat darum gebeten, mit Ihnen sprechen zu dürfen.« Ekko sah Carrick an und rümpfte die Nase. »Vielleicht will ich nicht mit ihr sprechen.« »Das mag sein, Sir. Aber was sollen wir dann mit ihr machen? Was passiert, wenn Del Mar und Iglianus herauskriegen, dass Sie sie vor ihnen verborgen haben? Ich meine, wir wissen seit mehr als siebzehn Stunden von ihrer Existenz. Und Sie haben Sie gute sieben Stunden ignoriert, Sir. Ich mache mir vor allem Sorgen, dass Ligrev es erfährt.« »Ist ja gut«, unterbrach Ekko ihn. »Ich kümmere mich um die Schwester.« Er schüttelte den Kopf. »Ligrev erfährt dies, Ligrev erfährt das. Woher kriegt der Mann eigentlich seine Informationen?« »Keine Ahnung, Sir. Soll ich das herausfinden?« »Tun Sie das, aber bleiben Sie diskret.« Carrick nickte, salutierte und wandte sich ab. Ekko verfolgte den Major mit seinen Blicken, als er wieder zwischen den Chimären verschwand. Nebenbei fragte er sich, ob er einen Sender an seiner Uniform trug. Wie hatte Carrick ihn zwischen den Transportern finden können? Er schnaubte noch einmal, zog seinen Uniformdrillich glatt und marschierte dann in Richtung Azrael. *** Sile stand mit verschränkten Armen an den Rumpf der Kommandowalküre gelehnt und verfolgte mit harten, stahlblauen Augen, wie Ekko sich ihr näherte. Schon von weitem war für den Colonel zu erkennen gewesen, dass die beiden Wachen einen äußerst großen Sicherheitsabstand zu der Schwester eingenommen hatten, was auf einen zufälligen Betrachter höchstwahrscheinlich lächerlich gewirkt hätte. Ekko jedoch konnte sich noch gut an die Schläge und Tritte erinnern, die sie im Lazarett verteilt hatte und fand es recht vernünftig, dass die beiden Männer so vorsichtig waren. Außerdem machte es das Gespräch mit Sile sehr viel leichter. Mit einem kurzen Wink befahl er ihnen, sich noch weiter zu entfernen und blieb gut zwei Meter vor der Schwester stehen. »Was wollen Sie, Sile?« Sie funkelte ihn an. »Zeigen Sie mehr Respekt, Colonel«, forderte sie ihn auf. »So können Sie mich nicht behandeln.« »Respekt?«, fragte er überrascht. »Nach Ihrem Auftritt?« »Wie ich bereits sagte, Colonel, es gibt Dinge, die von großer Bedeutung sind.« »Dann scheinen sich die wichtigen Aufgaben der Celestias ja gewandelt zu haben. Ich wusste gar nicht, dass Sie in Lazarett hilflose Kinder verprügeln müssen. Oder sind Sie bloß so tief gesunken?« Sile sprang vor †“ schneller als Ekko reagieren konnte. Als sie direkt vor ihm stand, hallte bereits der Schall der kräftigen Ohrfeige, die sie ihm verpasst hatte, über die Ebene. »Wie können Sie es wagen?« Er schüttelte den Kopf und nahm den lieblichen Duft ihres Körpers auf. »Herr auf dem Thron, bei der Klaue wackeln einem ja die Zähne im Mund.« Ihre stahlblauen Augen versuchten, ihm niederzuzwingen, doch er begegnete ihr mit aller gebotenen Gewalt. Er wollte ihr widerstehen, ihr beweisen, dass sie ihre Macht nicht über ihn ausüben konnte. »Wie ich sehe, haben Sie sich recht gut und schnell erholt. Kann man von Rahael nicht sagen«, zischte er. Sile lächelte. »Gut. Sein Leben ist sowieso nichts mehr wert.« »Leben wird überbewertet«, antwortete Ekko. Verdammt, warum blinzelte sie nicht? »Aber Sie verstehen einen Dreck vom Leben, Sile.« »Meinen Sie?« Gut, dachte Ekko. Wenn es dir solchen Spaß macht, dann werden wir dir das Ganze etwas bitterer machen. »Rahael ist nicht besessen, wie Sie meinen.« »Das sehe ich anders.« Siles Haare wehten sanft in der Brise, die seine Haut frösteln ließ. Unwillkürlich musste er an eine Eisprinzessin denken, die versuchte, ihn mit ihren kalten Finger zu lähmen, um ihn dann einzufrieren und zu besitzen. Aber das würde ihr nicht gelingen. Nicht bei ihm. »Er hat für Sie gekämpft †“ selbst im Angesicht des Todes. Das Einzige, von dem er besessen ist, ist sein Fanatismus für den Imperator. So, wie ihm das gedankt wird, kann ich das gar nicht verstehen. Die Einzige, die etwas Respekt zeigen sollte, sind Sie. Sie sollten die Hingabe respektieren, mit der er Sie und Ihr Ziel verteidigt hat. Aber so verblendete Individuen wie Sie sind dazu gar nicht in der Lage.« »Ich konnte darin keine Hingabe erkennen«, gab sie zu. Es klang nicht wirklich ehrlich. Ekko schnaubte. »Ich sollte Sie für Ihre Verblendung erschießen.« Die Prioris lachte auf. »Dann sind wir jetzt wohl quitt, richtig?« Beide verstanden es als Signal, ein Patt erreicht zu haben, das sich im Augenblick von keiner Seite überwinden ließ. Also lösten sie sich voneinander. Sile verschränkte wieder die Arme unter der Brust. »Ich gebe zu, diesen neuen Aspekt nicht bedacht zu haben, als ich mich zu meiner Aktion entschied. Unter diesem neuen Gesichtspunkt bin ich natürlich bereit, die Angelegenheit neu zu bewerten.« »Das freut mich«, schleuderte er ihr sarkastisch entgegen. Die Sororita sah auf das vor ihnen liegende Schlachtfeld, auf dem sich nun die Trosse der imperialen Bodentruppen zu sammeln begannen, um den vorrückenden Bodentruppen folgen zu können, die sich weiter vorne formierten. Es war Zeit für den Abmarsch. »Ihnen liegen Ihre Leute sehr am Herzen, nicht wahr?« Er hustete rau auf, als ihm das vorbereitete Lachen im Hals stecken blieb. Sie hatte einen wunden Punkt getroffen. Einen sehr wunden. »Ja. Mehr als mein eigenes Leben es tut.« Sile nickte nachdenklich. »Das zeichnet einen wahren Anführer aus. Ein Colonel, der sein Leben für seine Leute opfern würde, ist ein guter Offizier.« Ekko schwieg über das offensichtliche Missverständnis zwischen ihnen, denn so lange Sile nicht auf die Idee kam, sich daraus eine Legende zu basteln, war alles in Ordnung. »Ich möchte Sie begleiten, Colonel. Sie und Ihr Regiment.« Das saß. »Wie kommen Sie darauf, dass ich Sie mitnehme?« »Ich denke, wir haben das gleiche Ziel«, erklärte sie. Endlich gelang Ekko sein Lachen, wenn auch reichlich verspätet. »Das denke ich nicht.« Die Prioris richtete ihre stahlblauen Augen zurück auf den Colonel und bedachte ihn mit einem Blick, der ehrliche Überraschung verriet. Sie war wirklich davon ausgegangen, dass er sie mitnehmen würde, wenn sie fragte, ging ihm auf. »Wie kommen Sie auf die Idee?«, setzte er nach. »Sie haben dem General meine Anwesenheit nicht gemeldet, obwohl Sie dazu verpflichtet gewesen wären. Warum nicht, wenn Sie mich so offensichtlich hassen?« Ekko zuckte die Schultern. »Das Beste hebt man sich zum Schluss auf, oder?« Sile verzog das Gesicht, offensichtlich beleidigt. »Ich denke, damit ist das Thema erledigt, richtig?«, setzte er nach. Die Prioris schwieg und senkte den Kopf. Ekko verschränkte zufrieden die Arme. Das Thema war erledigt. Jetzt hatte er sie überwunden. Er wandte sich zum Gehen. »Ligrev wettert ordentlich gegen Sie, Colonel.« Ekko wirbelte herum. »Bitte?« Sile lächelte. Sie hatte ihn bewusst provoziert, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Das Thema war doch nicht erledigt. Sie war noch längst nicht überwunden. »Kommissar Ligrev diskreditiert Sie öffentlich vor den Männern Ihres Regiments.« Der Colonel versuchte, möglichst ruhig und desinteressiert die Schultern zu zucken, verkrampfte dabei aber unwillkürlich. »Das tut er, seitdem ich ihn kenne.« »Das mag sein«, bestätigte Sile. »Aber so, wie ich die Situation in den letzten Stunden erlebt habe, war er dabei noch nie so erfolgreich wie heute.« Ekko sagte nichts. Er knirschte nur mit den Zähnen. »Ich denke, es ist von Vorteil, wenn Sie mich mitnehmen«, stellte die Prioris fest. »Sie benötigen jemanden, dem Sie vertrauen können.« »Ach, ich kann Ihnen vertrauen?« Sile überging die offensive Beleidigung elegant. »Wie Sie diene auch ich dem Imperator mit meinem Leben. Mein Herz und meinem Seele gehören ihm. Und genau das ist es, was Sie brauchen.« Ekko hob überrascht und ungläubig die Augenbrauen. Was, beim Thron, dachte sich die Frau dabei, ihn über die Führung seines Regiments belehren zu wollen? »Das meinen Sie nicht ehrlich, oder?« Sile nahm seine Antwort zum Anlass, ihren Gedanken weiter auszuführen. »Colonel, Sie benötigen jemanden, der das Feuer Ihrer Leute wach hält und ihnen Vertrauen einflößt. Kommissar Ligrev ist dazu nicht in der Lage. Sie haben es bereits gesagt: Er ist sich dafür selbst viel zu wichtig. Lassen Sie mich diese Aufgabe übernehmen. Für den Imperator.« Für den Imperator? Ekko runzelte die Stirn. Er hatte genügend Fanatiker erlebt, um zu wissen, dass Sile es ehrlich meinte. Vermutlich war das der Grund, weshalb er sich in ihrer Nähe so unbehaglich fühlte †“ abgesehen davon, dass sie eine Sororita war. »Auch wenn ich mir in meinen tiefsten Träumereien wünsche, dass Sie sich mir anbieten, klingt das Ganze zu gut, um wahr zu sein. Was springt für Sie dabei raus?« »Ich kann meinem Dienst für den Imperator nachkommen, so gut es mir in der derzeitigen Situation möglich ist«, entgegnete sie mit erschreckender Ehrlichkeit. Er hatte sich also nicht geirrt. Sile war eine Fanatikerin, eine wahre Kämpferin der Ekklesiarchie. Unberührbar, unkorrumpierbar. Sie konnte eine mächtige Verbündete sein †“ oder ein schrecklicher Feind. Je nachdem, auf welcher Seite man stand. »In Ordnung«, sagte Ekko. Vielleicht war es gar nicht so schlecht, wenn er Sile an seiner Seite hielt. Zum Einen hatte er dann ein Auge auf sie, zum anderen stimmte natürlich, was ihm alle predigten. Sollten Iglianus oder Del Mar herausfinden, dass er ihnen eine Schwester des Adeptus Sororitas vorenthielt, dann würden die Konsequenzen für ihn äußerst unangenehm ausfallen. Er ahnte bereits, dass seine Entscheidung so oder so Konsequenzen haben für ihn haben würde. Welcher Art, das wusste er noch nicht. Warum sollte er ihnen nicht in die Augen sehen? »Sprechen Sie mit Major Carrick. Er wird Ihnen sicherlich weiterhelfen können.« Sile nickte und wandte sich zum Gehen. »Ich werde mich beeilen, Colonel.« »Ach ja«, schloss Ekko. Sile hielt inne, sah ihn aber nicht an. »Wenn ich höre, dass Sie Rahael irgendetwas getan haben, dann werden Sie die restlichen paar Minuten Ihres Lebens nicht mehr froh werden, verstanden?« Die Prioris neigte den Kopf. »Vollkommen, Colonel.« Dann entfernte sie sich. Ihre Wachen folgten in gebührendem Abstand. Balgor kam ihnen entgegen und sah sie irritiert an. Sile nickte ihm respektvoll zu und setzte ihren Weg fort. »Was war denn das eben, Chef?«, erkundigte sich der Captain, als er Ekko erreichte. Der Colonel hob ahnungsvoll die Schultern. »Ihre neue Mama, Balgor †“ auf jeden Fall für den Rest unserer Operation hier.« Balgors Stirn legte sich in Falten, er unterließ jede weitere Frage aber. »Major Carrick richtet seine Grüße aus. Er lässt melden, dass die Truppen jetzt zum Abmarsch bereit sind.« Ekko warf einen Blick auf sein Chrono. »Sogar im Zeitplan. Ich bin begeistert.« Er seufzte. »Also gut, wenn wir noch länger warten, pinkle ich mir in die Hose. Abmarsch in †“ sagen wir †“ dreißig?« Balgor konsultierte sein eigenes Chrono. »Also um dreizehnhundertfünfzehn?« »Richtig.« »Sehr gut. Ich werde das so weiter geben.« »Na dann: Tod und Verderben.« »Der gefällt Ihnen wirklich, oder?« »Ja, kommt ja auch von mir.« Balgor lachte kurz, dann wurde er wieder ernst. »Erlaubnis, offen zu sprechen?« Ekko rollte die Augen. »Ich kann Sie ja doch nicht davon abhalten.« Der Captain deutete mit einem knappen Nicken hinter sich. »Was mich interessiert: Die Sororita †“ Leitis Sile †“ was hat sie hier gemacht?« »Gute Frage.« Ekko schürzte die Lippen. »Sollte auf jeden Fall noch geklärt werden. Mich interessiert im Augenblick allerdings mehr, was sie jetzt von uns will.« »Da haben Sie recht, Sir«, bestätigte Balgor. »Ich melde mich dann ab.« Ekko entließ ihn mit einer nachlässigen Geste, bevor er sich wieder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigte.
  18. Und das nächste Kapitel. Frohe Ostern wünsche ich schon mal! 11 Im Laufe der Besprechung kristallisierte sich mehr und mehr heraus, das die Sache wirklich keinem gefiel. Um ehrlich zu sein, diese Besprechung war die größte Katastrophe, die Ekko jemals erlebt hatte. Abgesehen von Balgor (der gewaltsam versuchte, einen Witz zu machen) war die Stimmung unter den Nullpunkt gesunken. Als dann auch noch ein Funker die vom Oberkommando angeforderten Einheiten vorlas, sank die restliche Zuversicht der Offiziere ins Bodenlose und wich schließlich unverhohlener Resignation. Nur Ligrev war bester Dinge. »Dann werde ich die Männer auf die Ihnen bevorstehende Aufgabe einschwören«, sagte er und empfahl sich. Alle waren froh, ihn los zu sein. »Und jetzt?«, fragte Captain Solmaar in die Runde. Der Captain war noch immer um Kopf und den von Sile aufgeschlitzten Arm verbunden, aber wie die meisten Offiziere, die Ekko kannte, hatte er die nächste sich ihm bietende Gelegenheit genutzt, um zurück zur kämpfenden Truppe zu gelangen. Jetzt stand er mit verschränkten Armen etwa abseits der anderen und betrachtete die niedergeschlagene Runde mit aufmerksamen Blicken. »Ich denke, es ist am Einfachsten, wenn wir unsere Befehle ausführen, oder?«, warf Carrick in den Raum. »Befehle ausführen?«, herrschte Major Maryan ihn an. Maryan war der Kommandant der regimentseigenen Sentinels und wie alle Sentinel-Piloten ein Einzelgänger und Störenfried. Da er im Grunde den gleichen Rang bekleidete wie Carrick, gab es zwischen den beiden eine versteckte Feindschaft, weil jeder sich als eigentlich legitime Nummer Zwei des Regiments sah, direkt nach Ekko. Da aber Maryan nun einmal ein Sentinel-Pilot war, und Sentinel-Piloten weitestgehend autonom operierten †“ und weil Ekko Carrick mehr vertraute als Maryan †“ hatte der hochgewachsene, blonde Basteter das Rennen gegen den stämmigen, dunkelhäutigen Mann gewonnen. Seitdem kritisierte letzterer ersteren bei jeder sich ihm bietenden Gelegenheit. Heute war Ekko sogar gewillt, ihm zuzustimmen. »Wir reden hier davon, ein Drittel des ganzen Regiments abzuziehen †“ und zwar das Drittel, in dem sich all unsere schweren Waffen befinden. Und das wollen Sie einfach so zulassen?«, fragte Maryan giftig. »Uns bleibt keine Wahl«, erinnerte Balgor ihn. Er schüttelte den Kopf. »Wenn wir uns weigern, bekommt Ligrev von Del Mar und Iglianus freie Hand. Also das möchte ich wirklich nicht erleben.« Maryan fluchte. Einige der dreiunddreißig Anwesenden taten es ihm nach. »Himmel, Dreck und Chaosmakel. Dass gerade jetzt so eine Scheiße passieren muss. Dann werde ich mal meine Männer für den Abmarsch vorbereiten.« »Nicht so schnell«, stoppte Ekko den Major, bevor er den Raum verlassen konnte. »Sie werden nicht gehen.« »Bitte, was?« »Sie bleiben bei mir. Ich will Sie bei mir haben, wenn etwas schief geht.« Ekko nickte einem sehr niedrig gebauten Offizier mit haselnussbraunen Haaren zu, der ihn überrascht ansah. »Major Derend wird die Truppen übernehmen. Unterstellen Sie Ihre Sentinels seinem Kommando und suchen Sie sich acht Piloten aus, die bei uns bleiben.« »Ich muss protestieren, Sir!«, rief Maryan aus. Ekko schlug auf den Tisch. Urplötzlich wurde es leise. Alle anderen Geräusche schrie der Colonel nieder. »Noch bin ich der verdammte, beschissene Kommandeur dieses verfluchten Regiments und wenn ich eine Anweisung gebe, dann erwarte ich †“ thronverflucht noch mal †“ dass diese ausgeführt wird, Scheiße verdammt. Unsere verfluchten Truppen werden diese Waffenteams und Sentinels bekommen, damit wir unsere Ruhe haben und die Kathedrale einnehmen können, damit die beschissenen Verstärkungstruppen diese Welt anfliegen und verdammt noch mal befreien können. Haben Sie das verstanden, Maryan?« Der Major schluckte. »Vollkommen, Sir.« Ekko funkelte ihn wie ein Wahnsinniger an. »Gut.« Solmaar räusperte sich. In der Stille klang es fast gekünstelt. »Eine Frage, wenn Sie gestatten.« »Was?«, knurrte Ekko. »Was ist, wenn unsere Truppen scheitern, bevor die Verstärkung eintrifft?« Ekko zuckte die Schultern. »Dann sind wir sowieso am Arsch und brauchen auch keine schweren Waffen mehr.« Die Männer verstanden schweigend. »Also gut«, schloss Ekko. »An die Captains: Bereiten Sie Ihre Männer vor. Lassen Sie sie sämtliche Aufrüstung aufnehmen, noch etwas essen und ihre Magazine auffüllen. Um dreizehnhundert sind sie vollständig abmarschbereit, verstanden?« »Ja, Sir«, lautete die einstimmige Antwort. »Carrick, Maryan, Derend«, wandte sich Ekko an die drei Majors, »organisieren Sie die Trennung der Truppenverbände und die Neuzusammenstellung der Trupps, die Verluste erlitten haben. Sprechen Sie sich mit den jeweiligen Captains ab und bereiten Sie alles vor.« Dass Derend unglücklich aussah und beinahe wie ein Fisch auf dem Trockenen zappeln wollte, ignorierte er. »Ich selbst werde mich mit dem Munitorium auseinander setzen. Alle Aufgaben verteilt? Also dann, meine Herren: Tod und Verderben.« »Tod und Verderben«, wiederholten sie. Als die Männer Ekko verließen, um die Befehle auszugeben, fühlte er sich allein, so als hätte er sie alle verscheucht. Balgor blieb zurück und wartete, bis die anderen gegangen waren. »Haben Sie kurz Zeit?« Schon vor Jahren hatte Ekko Balgor das Du angeboten, was vom Captain aber nie genutzt worden war. Er hatte das immer mit dem Gedanken begründet, sich diese persönliche Anrede für einen angemessenen Moment aufheben zu wollen. In Augenblick wie diesem konnte der Colonel es seinem Untergeben und Freund auch nicht verdenken. Eine Beleidigung war im †ºDu†¹ sehr viel schneller gesagt als im †ºSie†¹. »Raus mit der Sprache, ich kann Sie Ihnen ja doch nicht verbieten. Balgor trat näher. Als er sprach, hatte er die Stimme soweit gesenkt, dass es klang, als würde er wie eine Schlange zischen. »Sie hätten wirklich nicht so angeben brauchen, Colonel. Die Männer vertrauen Ihnen auch, ohne dass Sie das gesamte Regiment beleidigen.« Ekko zuckte die Schultern. »Es war nötig, ein Machtwort zu sprechen.« »Und woher kommen diese neuen, fanatischen Töne von Ihnen?« Ekko funkelte den Captain an. »Was meinen Sie?« »Tod und Verderben?«, grunzte Balgor. »Wo haben Sie denn den aufgeschnappt?« »Ich fand ihn passend«, erwiderte Ekko. Sein Gegenüber schüttelte den Kopf. »Mag sein, aber er passt so wenig zu Ihnen wie eine vollbusige Schwester in eine Plattenrüstung.« Ekko runzelte die Stirn. »Ich verstehe, was Sie meinen. Alles quillt so lange heraus, bis der Rahmen gesprengt wird.« Jetzt war es Balgor, der die Stirn runzelte. »Ich nehme an, dass Sie meine Metapher gerade falsch verstanden haben, Sir.« »Irgendwie mache ich mich heute vollends zum Deppen. Und der Tag fing so gut an«, brummte Ekko. Balgor zuckte die Schultern. »Machen Sie sich nicht fertig, Chef. Sie konnten nicht ahnen, dass der Gott-Imperator diesen Weg für uns wählte. Und selbst wenn, Sie hätten nichts dran ändern können.« »Dieses Mal habe ich wirklich verdammten Mist gebaut.« »Da haben Sie Recht, Sir. Trotzdem sind Sie für die meisten Leute aus unserem Regiment ein echter Held.« »Helden sind verdammte Idioten, die einfach nur Glück hatten.« »Das mag stimmen, Chef, aber was sind Sie dann?«, dachte Balgor laut nach. »Ein verdammter Idiot, der einfach nur Glück hatte, Captain.« Sie schwiegen eine Weile. Schließlich seufzte Ekko. »Wenn Ihnen nicht noch etwas auf dem Gemüt brennen würde, hätten Sie sich schon längst auf den Weg nach draußen gemacht. Also, was ist noch?« Balgor zögerte. »Halten Sie es für gut, Derend das Kommando zu übergeben? Er ist ein Neuling. Vielleicht ist er mit der Truppenführung überfordert.« »Lassen Sie das meine Sorge sein, Captain. Wenn er sich das nicht zutrauen würde, hätte er das gesagt.« »Sie haben gar nicht gemerkt, wie unglücklich er war, Chef. Sie haben alle zusammengeschrien. Ist doch klar, dass der Junge da nichts sagt.« Balgor seufzte. »Muss ich Ihnen ins Gewissen reden, Sir? Sie wissen, dass Sie die guten Leute nicht immer bei sich behalten können. Das macht Sie in aller Augen unglaubwürdig.« Ekko nickte. »Ich weiß.« Balgor wollte noch etwas sagen, merkte aber, dass es an Ekko abprallen würde. Also entschied er sich dagegen, salutierte knapp und ging zum Ausgang. »Ich habe von ihr geträumt«, informierte Ekko ihn. Balgor drehte sich um. »Von wem?« »Kortessa.« Der Captain runzelte die Stirn. »Wie lange ist das jetzt her, Chef? Fünf Jahre? Sechs? Es ist klar, dass Sie das noch immer verfolgt. Das ist ganz natürlich.« »Sie haben mich falsch verstanden, Balgor«, berichtigte Ekko. »Ich meinte, meine erste Begegnung mit ihr.« Balgor hob überrascht eine Augenbraue. Ekko lehnte sich gegen den Holotisch. »Ich weiß nicht mehr genau, wie alt ich war, aber der Tag, an dem ich sie zum ersten Mal sah, wird ewig in meinem Gedächtnis bleiben.« »Tut mir leid, das zu hören, Chef.« »Seien Sie froh, dass Sie nicht dabei waren, Balgor.« »Bin ich, Colonel. Sehr froh sogar.« »Ich frage mich nur, ob das etwas zu bedeuten hat. Erst die Begegnung mit Sile, dann der Traum von Kortessa †“ und die Sache im Lazarett. Irgendetwas sagt mir, dass da mehr dahinter steckt.« »Ich verstehe nicht viel von mystischen Dingen, Colonel«, gestand Balgor. »Sie kennen mich ja. Aber ich denke, dass alles im Universum einen Grund hat. Alles hängt miteinander zusammen, weil der Gott-Imperator es so bestimmt hat. Man muss es nur richtig einordnen †“ apropos †ºeinordnen†¹«, fügte der Captain an und kramte in seiner Drillichtasche. »Hier«, rief er und warf Ekko ein verrostetes Eisenpäckchen zu. Der Colonel fing es überrascht und erkannte, dass es ein Rationspack war, wie man sie für Notrationen verwendete. »Wir haben es Horatius genannt.« Ekko besah sich das Päckchen näher. »Die Form stimmt«, stellte er fest. »Es ließ sich widerstandslos abführen. Das Katalogisieren übernehmen Sie ja.« Dann verließ auch Balgor den Kommandostand und Ekko blieb mit der Notration allein zurück. Der Colonel seufzte leise und betrachtete das Päckchen. »1101965.M41. Vor zwei Jahren abgelaufen.« Na, herzlichen Glückwunsch. »Du wirst mir sicherlich nicht helfen, meine ganzen Probleme zu lösen, oder?« Die Notration schwieg vornehm. Ekko nickte. »Dachte ich mir.« *** Das Munitorium, beziehungsweise seine Vertreter auf Agos Virgil, waren überraschend kooperativ, als sich Ekko mit ihnen in Verbindung setzte. Innerhalb von nur einer halben Stunde waren sämtliche angeforderten Fahrzeuge, Materialien und Versorgungsgüter zum 512. transferiert, was für sich genommen schon eine Leistung war, die im von der Bürokratie beherrschten Munitorium ihresgleichen suchte. Noch beeindruckender jedoch war, dass bereits eine halbe Stunde später der Konvoi für die Bodentruppen des Regiments bereit stand. Der Colonel verfolgte mit unverhohlener Überraschung, wie die von sicherer Hand geführten Fahrzeuge sich etwas abseits der Hauptkolonne formierten, die zur selben Zeit wie Ekkos Truppen in Marsch gesetzt und auf die Jagd nach den Orks gesandt werden würde. Die verantwortlichen Munitoriums-Angestellten waren höchst freundlich, zuvorkommend und hilfsbereit, was Ekko bereits nach dieser Stunde Zusammenarbeit mehr auf die Nerven ging als das Trödeln ihrer Kollegen auf Bastet. Es hatte mehr von Heuchelei. Sie schienen verdammt froh zu sein, dass Ekko und sein Regiment vorhatten, die Armeegruppe zu verlassen. Vielleicht hatten sie aber auch nur Angst vor dem Irren, der die gesamte imperiale Streitmacht in Marsch gesetzt und so die Orks zur Flucht veranlasst hatte. Egal, was es war und wie sehr es ihm auf die Nerven ging, Ekko konnte nicht sagen, dass ihn ihre schnelle und vorzügliche Arbeit unglücklich gestimmt hätte. Ganz im Gegenteil. Er fühlte im Grunde das Gleiche wie sie: Er war froh, wenn er die Armeegruppe verlassen hatte und weitestgehend autonom operieren konnte. Es waren Momente wie dieser, in denen er sich fragte, weshalb er eigentlich nicht zu den Läufern gegangen war. Während er zurück zum ehernen Rumpf von Azrael ging, die noch immer einsam über dem ehemaligen Schlachtfeld wachte, blieb er ab und zu kurz stehen, betrachtete die Überbleibsel des Gemetzel oder sprach kurz mit Soldaten aus seinem Regiment. Er wollte wissen, welche Stimmung seine Leute erfasst hatte. Man konnte die nachlassende Hochstimmung noch immer fühlen, aber es war spürbar, dass die Männer zunehmend unzufriedener mit ihrer Lage wurden. Man konnte es ihnen nicht verübeln. Als Ekko die Truppen verließ und sich auf den Weg in Richtung Azrael machte, tauchte plötzlich Balgor neben ihm auf. »Balgor?« »Chef, wir haben da ein Problem.« Ekko runzelte die Stirn und trat mit seinem Stiefel staubige Erde in die Luft. »Irgendwie dachte ich mir, dass man mich heute nicht in Ruhe lassen würde. Was gibt es?« »Ligrev hat erfahren, dass die Sororita behauptet hatte, Rahael sei vom Makel erfüllt. Nun sucht er einen Weg, um Rahael zu töten.« Ekko schürzte genervt die Lippen. »Natürlich sucht er einen Weg. Er will Lenhim und mir damit eins auswischen. Ist der Junge in akuter Gefahr?« Der Captain schüttelte den Kopf. »Nein, derzeit nicht. Zwei meiner Jungs passen auf ihn auf.« »Sehr gut«, pflichtete Ekko Balgor bei. »Egal, was Ligrev versucht. Es darf ihm nicht gelingen. Den Gefallen werden wir ihm nicht tun.« »Bin ich Ihrer Meinung, Chef. Ich kümmere mich darum.« »Danke, Balgor.« »Für Sie doch immer.« Der Captain nickte. »Achso, eine Sache noch. Es geht um Retexer.« Überrascht hob Ekko die Augenbrauen. »Ich gebe zu, dass mich das überrascht, obwohl es das eigentlich nicht tut.« »Der Captain ist so versessen darauf, Ruhm und Ehre zu erlangen, dass er seine Leute in Gefahr bringt«, fuhr Balgor fort, ohne auf den Einwurf seines Gegenübers einzugehen. Aufmerksam nickte Ekko. »Aha?« »Er wollte die Schützengräben entgegen Ihres Befehls weiter stürmen, obwohl ich ihm gesagt habe, dass ich seine Leute dann mit abfackle«, teilte der Captain kurz mit. »Verstehe«, brummte der Colonel und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. »Gut, ich werde ihn in der nächsten Zeit zur Seite nehmen und gucken, ob ich ihm ein schlechtes Gewissen einreden kann.« »Ihm das Glied abzuhacken wäre, glaube ich, angebrachter«, bemerkte Balgor, hob aber auf Ekkos Blick hin entschuldigend die Hände. »Schon gut, schon gut. Ich weiß ja, wie sie zu fairen Strafen stehen.« Ekko öffnete den Mund für eine entsprechend harsche Antwort, schloss ihn dann aber unverrichteter Dinge wieder. Ihm fiel einfach keine passende Entgegnung ein. Er schüttelte den Kopf und entließ Balgor mit einem Wink. Der Captain grinste über seinen Sieg in diesem Duell und entfernte sich, um wieder seinen Aufgaben nachzugehen. Ekko blieb zurück und sah in den Himmel, dessen Färbung nach wie vor von aufgewirbeltem Staub und Rauch bestimmt wurde. Der sandige Dunst beeinträchtigte nicht nur die Sicht, er legte sich auch als Millimeter dicke Schicht auf Menschen und Material und die verbrannte Erde der gemordeten Welt wie ein Leichentuch, das sich über sie alle zu senken gedachte. Irgendwann. Ganz willkürlich. Es war der Moment, auf den er sehnsüchtig wartete. Der Augenblick, in dem er wusste, dass all das, wofür er gelebt, wofür er gekämpft hatte, schlussendlich vergebens gewesen war und er die Chance erhielt, mit seinem beschissenen Leben abzuschließen. Doch der Mist, den er sich hier eingebrockt hatte, war etwas vollkommen anderes †“ auch wenn er praktisch gesehen genau das war, was sich Ekko gewünscht hatte: vom Universum langsam, aber allmählich zerstört und schließlich gleich einem kaputten Spielzeug weggeworfen zu werden. Aber das hier war nicht seine Art, den Weg ins Grab zu suchen. Immerhin zog er unter Umständen sein ganzes Regiment mit sich in den Untergang. Was für ein katastrophaler Tag. Konnte es überhaupt noch schlimmer kommen? »Sir, haben Sie einen Augenblick Zeit für mich?« Ekko fuhr herum. Major Derend stand hinter ihm. Er hatte den rangjüngeren Mann gar nicht kommen hören. Der Colonel seufzte leise. Warum beschrie er es eigentlich immer wieder? »Was gibt es, Derend?« Unbehaglich fuhr sich der Major mit der Hand durch die haselnussbraunen Haare. »Ich wollte mit Ihnen über meine Designation zum Truppenkommandanten sprechen.« Ekko stieß genervt Luft aus. »Muss das sein? Ich dachte, das wäre geklärt.« »Nein, Sir … es tut mir leid. Ich fühle mich dazu nicht in der Lage.« Wieder ein Seufzen von Ekko. »Und das wollten Sie mir nicht vorher sagen, weil …?« Unsicher zögerte der Major. »Ganz ehrlich? Ich hatte Angst, Sie noch mehr zu enttäuschen als wir es sowieso schon getan haben.« Balgor hatte also recht mit seiner Vermutung gehabt. Ekko presste die Lippen fest zusammen und versuchte, sich seinen aufkeimenden Ärger über die eigene Dummheit nicht anzumerken zu lassen. Er hatte sich hier in eine Sackgasse manövriert, aus der es kein Entkommen gab. Ihm fiel nichts ein, mit dem er seinen Wutausbruch während des Briefings vor dem Major hätte rechtfertigen können. So sehr er es versuchte, so sehr er sich wand, er verknotete sich nur noch fester in dem Netz aus Überlegungen. Es blieb ihm wohl nur die Standardantwort. »Ich habe vollstes Vertrauen in Ihre Fähigkeiten.« Major Derend schien nicht überzeugt. Wieder rauschte seine Hand nervös durchs haselnussbraune Haar. »Sir, ich bin mir wirklich nicht sicher, ob nicht doch Major Carrick oder Major Maryan viel besser ...« Ekko unterbrach den Major, während er sich über die Augen rieb. »Sehen Sie, Derend: Ich brauche die altgedienten Führungsoffiziere bei mir, weil ich Sorge habe, dass ich die Leute †“ und vor allem Ligrev †“ nicht bei Laune halten kann, wenn wir uns um dieses dämliche Ziel kümmern. Sie dagegen werden einzig und allein das Problem haben, die Männer kaum zurückhalten zu können.« Verzweifelt versuchte der junge Major, eine Lösung für sein Problem zu finden und rang mit sich. Ekko konnte die Mitleid erregende Unsicherheit des Mannes nicht mit ansehen. Was im Namen des Imperators hatte er in der Schola gelernt? »Major, was wollen Sie? Ewig im Schatten von Carrick und Maryan stehen? Dann schlage ich vor, ich mache Sie wieder zum einfachen Soldaten ohne Verantwortung.« Sofort versteifte sich der Offizier. »Auf keinen Fall, Sir.« »Dachte ich mir. Ist ein dreckiges Leben im Staub, Derend«, stellte Ekko fest, bevor er fortfuhr: »Ich vertraue Ihnen. Ich möchte, dass Sie mehr Erfahrung sammeln und zu einem für mich verlässlichen und brauchbaren Mann werden, damit ich weiß, dass ich auf Sie zählen kann, wenn die Männer gute Führer benötigen.« »Ich verstehe, Sir«, sagte Derend. Er klang nicht überzeugt. Der ältere Basteter legte dem jüngeren Mann die Hand auf die Schulter. »Sie können das. Sie haben gute Leute. Zeigen Sie den Grünhäuten, wo der Hammer des Gott-Imperators hängt.« Derend lächelte dünn. »Das werde ich. Vielen Dank, Sir.« Er wirkte trotzdem noch immer nicht wirklich glücklich. Der Colonel nickte stumm. Problem gelöst. Möge das nächste an die Tür klopfen. Derend schwieg einen Augenblick, dann setzte er wieder an. »Es gäbe da noch eine Sache, um die Sie sich kümmern sollten, Sir.« »Woher wusste ich das?«, brummte Ekko.
  19. Salve Ja, geht noch weiter. Hab im Augenblick dienstlich einiges um die Ohren und daher keine Zeit, mir den Kram vorzueditieren. Ich mache aber weiter. Alles Vale
  20. *** Das wütende Toben von General Iglianus prallte wie eine Flutwelle an die Wände seines Büros, während der vor Wut beinahe glühende General unruhig auf und ab tigerte, als wäre er hinter den Gitterstäben der Verantwortung gefangen. Ekko fragte sich, ob er vielleicht gleich von Innen heraus platzen würde. »Verdammt, Colonel!«, rief der etwas breitere Offizier aus und bedachte seinen stumm neben ihm in einem ledernen Sessel residierenden Kommissar. »Wie konnten Sie das tun?« »Ich habe eine Entscheidung getroffen, Sir«, erwiderte Ekko ruhig †“ bereits zum fünften Mal seit seiner Ankunft im Kommando-Leviathan des Armeekommandos, der gemächlich über die Ebenen Agos Virgils kroch. Der General schnaubte vor Unglauben, dass der Colonel es wagte, ihn zu unterbrechen. Es klang wie ein verstimmtes Vulture-Kanonenboot. »Halten sie die Klappe, Ekko! Sie haben sich mit ihrer kleinen Eskapade ziemlich viel geleistet und wenn es nach Kommissar-General Del Mar ginge, hätten Sie bereits vor Stunden Ihre Ende gefunden!« Natürlich. Ekko hat bereits viel von der Härte des Kommissar-Generals gehört. Der Mann war eiskalt und tödlich und schreckte vor nichts zurück. »Tatsächlich würde auch ich Sie am liebsten an die Wand stellen!«, versetzte Iglianus. »War eine verdammte Schweinerei, die Sie da angerichtet haben, Ekko«, fügte Del Mar an. Ekko musterte ihn genauer. Er war ein hochgeschossener Mann mit einer gebrochenen Nase, mehreren Narben im Gesicht und Augen, bei denen sich sein Rücken am liebsten unter einer Gänsehaut versteckt hätte. Er klang kalt und desinteressiert, so als ginge ihn das alles nichts an. »Können Sie all die Toten verkraften, Colonel?« Ekko zuckte die Schultern. »Kommt drauf an, wie viele aus meinem Regiment sind, Sir.« Unangenehmes Schweigen erfüllte den Raum. Del Mar schoss einen stummen Blick zu Iglianus. Obwohl er kein Wort verlor, konnte Ekko die eiskalte Stimme hören, die im Plauderton fragte: »Sind Sie sich sicher, dass er es wert ist?« Der General seufzte unbehaglich. »Die Verluste gingen überraschend glimpflich für uns aus, Ekko. Deswegen haben Sie verdammtes Glück gehabt. Insgesamt gingen uns nur dreihundertfünfundvierzig Soldaten verloren, davon zweihundertneununddreißig neununddreißig Totalverlust, was weit unter den Einschätzungen des Tacticae lag. Damit haben Sie uns im Grunde sogar noch einen Dienst erwiesen.« »Ich bin froh, dass ich helfen konnte, Sir.« »Gibt es eigentlich einmal irgendeine Situation, die Sie nicht kommentieren?« »Ich habe noch keine erlebt, Sir.« Del Mar löste sich von der Wand. »An ihrer Stelle, Colonel«, sagte er gefährlich ruhig, »würde ich mein vorlautes Mundwerk halten und zuhören. Sie bekommen gerade die Chance, meiner Gerechtigkeit zu entgehen. Nutzen Sie sie besser.« Ekko ließ seine Augen unmerklich von dem Kommissar zurück zu Iglianus schweifen. Obwohl er sich bemühte, seine Furcht nicht überhand nehmen zu lassen, ging ihm auf, dass er mit Del Mar einen weitaus gefährlicheren Gegner vor sich hatte als mit Ligrev. Eher jemanden wie Marith Calgrow oder diese Leitis Sile: Entschieden, zurückhaltend und dennoch aufmerksam. Ein gefährliches Raubtier, das ihn beschlich und bereit war, ihn bei der nächsten Gelegenheit zu vernichten. Und jetzt diese eigenartige Sache mit der Chance, Del Mars Gerechtigkeit zu entgehen. Wovon, beim Barte des Propheten der Heiligen Bastet, redeten die Männer da? »Wovon, im Namen des Throns, reden Sie, Sir?« »Colonel, in Anbetracht der Situation habe ich entschieden, dass Sie scheinbar der Richtige sind für eine kleine Operation, die abseits unseres Hauptvorstoßes stattfinden wird.« »Wie meinen Sie das?«, hakte Ekko ungläubig nach. »Ich habe mich für Sie eingesetzt, Ekko.« Del Mar schürzte die Lippen. »Ich heiße das nach wie vor nicht gut, General. Ich denke, das könnte den Truppen das falsche Bild ...« »Es war meine Entscheidung«, unterbrach Iglianus. »Um die Bestrafung können wir uns danach immer noch Gedanken machen.« Ekko seufzte. Schon wieder hatte ihn das Universum beschissen. »Das hier ist Bestrafung genug, Sir.« Del Mar fixierte ihn. »Sie sind ein Mistkerl, Ekko.« »Vielen Dank. Man wollte mich auch schon zum Kommissar machen.« Die Augenlider des Kommissars begannen, wütend zu flackern. Er wollte eine harsche Erwiderung in Richtung des Colonels schleudern und ihm mitteilen, was am Besten in sein Gesicht passen würde. Iglianus hielt ihn mit einer knappen Geste zurück. »Ekko«, brummte er mit erstaunlicher Selbstbeherrschung trotz des unglaublich vermessenen Verhaltens seines Offiziers, »man sollte die Hand, die einen füttert, besser nicht beißen.« Dann wandte er sich um, einem hololithischen Daten-Globus zu, der sich nach einer kurzen Berührung des Bedienelements aktivierte. Sofort wurden die Regimenter als stilisierte Truppen dargestellt, die sich durch die riesige, durchsichtige Ebene von Agos Virgil zwängten, während die Orks bereits einen weiten Vorsprung gewonnen hatten †“ auf jeden Fall das, was noch von ihnen übrig war. Iglianus räusperte sich. »Also, Ekko, zurück zu meiner Entscheidung. Wir haben hier, nördlich von uns, eine Basilika der Ekklesiarchie, die Himmels-Kathedrale. Sie wurde von den Orks überrannt und geschändet.« Das hololithische Bild flackerte und verschob sich. Ein massives Bauwerk schimmerte in matten Blau über die aus Licht nachgebildete Landschaft. Es wirkte mächtig und elementar, dass man glauben konnte, es stünde bereits seit Anbeginn der Zeit da. Iglianus wies auf die Darstellung. »Da die Priesterschaft und das örtliche Pilgertum niedergemetzelt worden sind, bietet sich diese Makro-Kathedrale als neue Basis unserer Operationen geradezu an. Ich denke, es wäre sogar nur rechtens, wen von diesem geheiligten Ort aus die restlichen Truppen des Imperiums aus zu uns stoßen, wenn sie eingetroffen sind. Dabei gibt es nur eine Schwierigkeit: Wir haben seltsame Kom-Signale von dort erhalten, die nicht orkisch sind, wir aber auch nicht entschlüsseln können.« Eigentlich würde ich dem Ganzen etwas mehr Interesse entgegenbringen. Allerdings war Ihr eigenmächtiges Verhalten für unsere Truppen so inspirierend und für den Feind derart niederschmetternd, dass ich eigentlich keines der Regimenter entbehren kann, um die Basilika zu säubern und eine neue Operationsbasis zu schaffen. Allerdings haben die Basteter unter Ihrem Kommando bewiesen, dass Sie und Ihre Männer dafür mehr als prädestiniert sind. Das wird Ihre neue Aufgabe sein: Gehen sie dorthin und reinigen sie diesen Ort für uns.« Es klang so dermaßen beiläufig, dass es einfach wichtig sein musste. »Sie lassen mich eine verdammte Kirche einnehmen?«, fragte Ekko ungläubig. »Ich will weiter an der Front kämpfen, Sir!« »Halten sie das Maul, Ekko!«, schnauzte Del Mar. »Sie sind ein imperator-verfluchtes Arschloch, das es versaut hat, also sorgen Sie dafür, dass Sie es wieder hinbiegen, sonst mache ich es selber und dann können Sie Ihr schwarz verbranntes Gehirn von der Wand wischen!« Der Kommissar-General trat nah an ihn heran. »Was sollen wir dann mit Ihren Männern machen? Wenn Sie tot sind, wird sich niemand um sie kümmern und es wird mir eine Ehre sein, das Kommando zu übernehmen, Sie kleiner unbedeutender Wicht! Also benehmen Sie sich!«, zischte er. Noch bevor Ekko reagieren konnte, mischte sich Iglianus ein. »Sie haben genügend Schaden angerichtet, Ekko. Ich will Sie bei was wissen, das Sie nicht versauen können, haben Sie das verstanden?!«, fragte er. »Außerdem ist es hilfreich, wenn wir den Siegestaumel Ihrer Männer ein bisschen bremsen. Nicht, dass jemand auf häretische Gedanken kommt. Und verdammt noch mal - nehmen Sie Haltung an, wenn ich mit Ihnen rede!« Ekko straffte sich, auf wenn sich in seinem Kopf alles drehte. Konnte das sein? War das wirklich wahr? Hatte Iglianus ihm gerade offenbart, dass er und Del Mar beabsichtigten, seine Männer gegen ihn aufzubringen? »Ach, ja«, fügte Iglianus an. Wieder so verdammt beiläufig. »Wir werden sämtliches schweres Gerät, Ihre Transporter und Läufer mitnehmen.« Jetzt konnte Ekko nicht anders, als erschrocken zusammenzusinken. »Was?« »Das Regiment wird sich an keiner Vorwärtsbewegung unserer Truppen auf diesem Planeten mehr beteiligen. Sie werden das Gebiet halten und befestigen. Daher werden Sie den Großteil ihres Fuhrparks nicht benötigen.« »Aber, Sir«, brachte Ekko ungläubig hervor. »Ruhe!«, bellte Del Mar. Iglianus fuhr ungerührt fort. »Sie behalten ein paar Chimären, neun Läufer und eine Schwadron Walküren zurück. Suchen Sie sich die Truppen aus, die Sie mitnehmen wollen und dann machen Sie sich auf den Weg. Bis 1400 sind Sie auf dem Weg. Sie haben immerhin gut vierzig Kilometer Strecke vor sich.« »Sir, ich ...« »Sie haben Ihre Befehle, Colonel!«, fauchte Del Mar. »Führen Sie sie aus †“ oder sterben Sie.« Ekko biss die Zähne wütend zusammen. Del Mar und Iglianus hatten ihn ausgetrickst und ihn in eine Zwickmühle manövriert, das wurde ihm klar. Er wollte nicht sterben, das war sicher, nicht durch Del Mars Hand. Aber wenn er sich entschied, den Auftrag auszuführen, dann würde das einen Gesichtsverlust gegenüber seinen Männern bedeuten. So oder so, er würde einen herben Verlust erleiden. »Gibt es weitere Anweisungen?«, knirschte er. »Zu diesem Zeitpunkt nicht. Setzen Sie sich mit dem Munitorium in Verbindung. Dort wird man Ihnen die neuen Einheiten zuteilen und Ihre Truppen abziehen.« »Verstanden, Sir.« Der Colonel straffte sich abermals, salutierte und machte kehrt. Dieser Schlag hatte ihn eher getroffen als alles, was er bis dahin in seiner Laufbahn erlebt hatte (abgesehen von einigen persönlichen Rückschlägen). »Und, Ekko«, endete der General. »Sie sehen beschissen aus.« »So fühle ich mich auch, General.« Iglianus ignorierte die versteckte Beleidigung. »Seien Sie froh, dass es für Sie derart glimpflich ausgeht, Ekko. Wenn ich nicht Männer wie Sie brauchen würde, dann hätte ich Sie längst exekutieren lassen.« Ekko nickte verstehend. »Ja, General«, pflichtete er bei. »Wenn es danach ginge, dann hätte ich mich sicherlich bereits selbst exekutiert.« »Verschwinden Sie, Ekko«, grummelte der massige Mann bedrohlich. Der Colonel deutete einen kurzen Salut an und machte abermals auf dem Absatz kehrt, bevor er den Raum durch die zur Seite gleitende Tür verließ. Ob das vorsichtige Lächeln in seinem Gesicht jetzt von Wut oder Triumph geprägt wurde, konnte er selbst nicht genau sagen. *** Der Tag brach an und Ekko fühlte, wie der emporstrebende Schlaf ihn umwölkte. Der Rückflug verlief ereignislos. Ekko spürte den stechenden Blick des Frachtoffiziers der Walküre, mit der er flog, auf sich ruhen. Es fühlte sich an, als würde er mit tausend Messerstichen durchbohrt. Die Maschine zog unruhig über den hell werdenden Himmel und die Müdigkeit kletterte ihm in die Poren. Diese Walküre war kein speziell hergerichtetes Modell für den Transport von wichtigen Personen, sondern ein einfacher Fracht- und Truppentransporter. Dementsprechend einsam und unbequem war der Transport. Am Schlimmsten jedoch war, alle paar Sekunden aus dem Dämmerschlaf gerissen zu werden, wenn die Maschine ruckte und ihm der Kopf gegen die Seitenwand schlug oder nach vorne kippte. Jedes Mal wachte er erschrocken und desorientiert auf, nur um sich dann noch müder zu fühlen. Er fand einfach keine Ruhe, dafür dröhnte ihm aber der Kopf. Keine gute Kombination. Wann er das nächste Mal Schlaf finden würde, wusste er nicht. Vielleicht war es die Resignation, die er aufgrund dessen verspürte, die ihn wach hielt, aber wenn er sowieso nicht richtig zur Ruhe kam, dann musste er sich die Zeit eben anders vertreiben. Er atmete tief ein. »Geben Sie durch, dass sich sämtliche Führungsoffiziere bei Azrael versammeln sollen. Meine Leute wissen, was damit gemeint ist.« Der Frachtoffizier nickte zweifelnd und sprach dann in sein Funkmikro. Einige Sekunden später nickte er einer körperlosen Stimme zu, bevor er sich an Ekko wandte. »Der Pilot wird es gleich senden, Sir. Er meldet mir, sobald er eine Bestätigung erhält.« Ekko neigte kurz den Kopf und wandte sich dann dem schmalen Sichtschlitz zu. Vor nicht all zu langer Zeit hatte er ebenfalls auf diese Weise aus dem Innenraum eines Sturmtransporters auf die Rauchschwaden geblickt, die von einer brennenden Ebene aufstiegen, auf der sich die Imperiale Armee der grünen Flut des Feindes entgegen gestemmt hatte. Bei dem Gedanken daran fasste er kurz an das Tiefziehholster seiner Laserpistole. War das wirklich erst kaum dreizehn Stunden her? Die Nächte auf Agos Virgil waren sehr kurz, das wusste er, doch wenn er sich jetzt daran erinnerte, hatte er nicht mehr als einen schmalen Streifen Dunkelheit gesehen, bemalt vom fernen Flackern des Grauens. Die Landschaft zog unter ihnen entlang, staubige, unwirtliche Ebene, wie sie nur die Steppen eines außerirdischen Planeten haben konnte. Gräulich-beiger Sand und dürre, verbrannte Vegetation wechselten sich ab mit einigen Flecken grüner Erde, wo die Natur dem unerbittlichen Wirken des Universums und selbst der Zerstörung durch Menschen und Grünhäute getrotzt hatte. Aber das war es auch. In der Ferne konnte man die rauchenden Überreste von etwas erkennen, das vor langer Zeit die aufstrebende Makropole Golgarad gewesen war, jetzt ein Synonym für die vollständige Auslöschung jeglichen menschlichen Lebens auf dieser Welt. Sie waren zu spät gekommen. Was, im Namen des Throns, taten sie noch hier? Diese Welt war tot, übersät mit dem Makel der Grünhäute und verseucht von ihrem Wirken. Es gab hier nichts, für das es sich zu kämpfen lohnte. Also genau die richtige Welt für ihn. Genau die richtige Welt, um hier den Tod zu finden. Was aber das Armeekommando veranlasste, weiter an diesem Ort festzuhalten, war ihm schleierhaft. So sollte es wohl auch bleiben. »Befehl wurde bestätigt«, bemerkte der Frachtoffizier. Ekko nickte abwesend. Der Krieg ermüdete ihn. Er hätte bereits vor langer Zeit seinen Tod finden sollen, aber immer wieder wurde er darum betrogen, so als hätte der Gott-Imperator gerade ihn sich herausgesucht, um sich an seinem Unglück zu belustigen und ihn zu quälen. Die Walküre machte einen Satz und sank tiefer. Leuchtspurgarben zischten vor der Sichtluke vorbei. Ekko rieb sich die Augen. Waren das gerade wirklich …? Nein, es war nur Einbildung gewesen, ein Streich, den ihm die aufgehende Sonne gespielt hatte. Er ließ den Streich Streich sein und lehnte sich zurück. Eine Erschütterung donnerte seinen Kopf gegen die Wand. Er biss die Zähne zusammen und stützte sich auf seine Ellenbögen. Nur einen Moment Ruhe, auch wenn es ihm nicht vergönnt sein würde zu schlafen. Irgendetwas schüttelte ihn. Er schlug die Augen auf. Der Frachtoffizier stand direkt vor ihm und hielt sich mit einer Hand an der in die Decke eingelassenen Haltestange fest, während er den Colonel an der Schulter schüttelte. »Noch zwanzig Sekunden«, meldete er. Noch zwanzig Sekunden? Der Flug vom Armeekommando bis zur Front dauerte gut fünfundvierzig Minuten. Erstaunt erkannte Ekko, dass die Kopfschmerzen zwar nicht verschwunden waren, sich aber in die hintersten Windungen seines Gehirns zurückgezogen hatten, wo sie als beharrliches Flüstern weiter existierten. Pass auf dich auf, Soldat! Das Heulen der Triebwerke veränderte sich, als der Pilot den Schub auf die an den Flügeln liegenden vertikalen Schubdüsen umleitete. Sie sanken schnell. Die Walküre war ursprünglich als Sturmtransporter gebaut worden, sollte also weder für Komfort bieten, noch das Wohlbefinden der Passagiere befriedigen. Aber eine Landung in einer Walküre spottet dieser Beschreibung. Jeder, der noch nie mit einem Sturmtransporter geflogen war oder ein festes Nervenkostüm besaß, hätte sich vermutlich ob dieses kontrollierten Absturzes in die Hose gemacht, wobei Ekko insgeheim vermutete, dass die Piloten Offizieren wie ihm damit nur eins auswischen wollten. Ihm sollte es recht sein †“ so lange aus dem kontrollierten Absturz kein unkontrollierter wurde. Ein spürbarer Ruck ließ seinen Magen hüpfen. Sie waren gelandet. Der Frachtoffizier nickte Ekko zu, erhob sich und öffnete die Seitentür, während der Colonel ungeschickt versuchte, sich aus den Gurten zu befreien. Plötzlich wandelte sich das gedämpfte Jaulen der Triebwerke zu einem kreischenden Heulen, das schmerzhaft in die Ohren drang und ihn zu betäuben versuchte. Ekko erhob sich und verließ die Walküre, wobei er seine Schirmmütze mit einer fließenden Bewegung auf seinen Kopf setzte und den Salut des Frachtoffiziers gleichgültig abnahm. Als er den Sturmtransporter verlassen hatte, knallte die Seitentür hinter ihm zu und die Turbinen liefen wieder an. Das Kreischen brannte sich durch sein Trommelfell. Der Boden fühlte sich seltsam weich und irreal an, während er über den improvisierten Landeplatz zum Kommandozelt ging, an dessen Eingang Carrick und die Captains warteten. Ligrev stand ebenfalls bei ihnen. Der Kommissar stellte ein hässliches, grausames Grinsen zur Schau, als wollte er den Sieg über seinen Feind Galard Ekko feiern. Aber soweit war es nicht †“ noch lange nicht. Die Walküre schrie auf und erhob sich wieder in die Luft. Ekko betete, dass der entstehende Luftzug ihm seine Mütze nicht vom Kopf wehen würde, als er die Hitze der Triebwerke in seinem Nacken spürte. »Wie sieht es aus?«, fragte Carrick, der wie die anderen wohl überrascht war, dass Ekko lebend zurückgekommen war. »Sie müssen den Armasec wohl wieder kalt stellen, Herr Kommissar. Ich bin noch nicht tot.« »Zu schade«, brummte Ligrev. »Und jetzt, Sir?« »Wir haben einen neuen Auftrag«, eröffnete Ekko ihnen, als er an den Versammelten vorbei schritt und sich anschickte, das Innere von Azrael zu betreten. Carrick runzelte die Stirn. »Das klingt … interessant.« »Es wird Ihnen nicht gefallen, Carrick. Ihnen übrigens auch nicht, meine Herren. Es scheint, als habe ich Sie dieses Mal wirklich tief mit rein geritten.« »Wen wundert's?«, fragte Balgor. »Sie sind Basteter.« Alle lachten †“ außer Ligrev. »Nun gut. Egal, wie viel Mist ich dieses Mal gebaut habe, es gibt etwas zu erledigen. Ich denke, wir sollten es angehen.« Ekko betrat die Kommandozentrale. »Oder haben Sie etwas anderes zu tun?« Grimmiges Lächeln antwortete, als die Männer ihm folgten.
  21. Salvete, Vielen Dank für den Kommentar. Es freut mich riesig, wenn jemandem meine Wort-/Satzschöpfungen gefallen. Schön, dass der Satz gefallen hat! Und damit kommt auch schon der nächste Teil. 10 »Also, was ist los?«, erkundigte sich Ekko, als er auf die attraktive Figur von Doktor Calgrow zusteuerte. Trotz ihres bereits fortgeschrittenen Alters wirkte sie noch immer recht anziehend und er konnte sich vorstellen, dass die Frau, die nun in einem Alter von fast fünfzig Jahren vor ihm stand, als junges Mädchen kein Problem gehabt haben musste, einen Verehrer zu finden. »Ich habe einen von Ihren irren Armaplast-Trägern, der in meinem Lazarett Amok läuft. Das ist los.« Ekko hob überrascht und ärgerlich die Augenbrauen. Er hatte keine Zeit für dämliche Spielchen, die die War-mal-Kommissarin-bin-jetzt-Doktor-(aber-eigentlich-noch-immer-Kommissarin)-Ärztin gern zu spielen pflegte. Er legte übermäßig starke Betonung in seine nächsten Worte, eine Präzisierung der ursprünglichen Frage: »Also, Doktor, was genau ist mit Rahael los?« »Sie wissen es genau, Colonel«, sagte sie mit anklagender Stimme. »Wir bezeichnen es als †ºSpontan-Häresie†¹.« »Ja, natürlich«, brummte Ekko zurück. »Ein junger Cadianer voller Illusionen über ein gerechtes Universum und mit einem unerschütterlichen Glauben an den Gott-Imperator entscheidet sich spontan, zu einem Ketzer an seinem Glauben zu werden und gerade in Ihrem Lazarett zu randalieren. Nehmen Sie sich nicht so wichtig.« Er funkelte sie an. »Sie wissen genau, was es ist, Doktor.« »Natürlich.« Ihre Stimme war wissend, voller Ruhe und aus ihren Augen strahlte Mitleid für den jungen Mann, der sich gerade anschickte, sein Leben zu verwirken. »Es ist einfach nur Stress, Colonel.« »Also behandeln Sie es auch so!«, herrschte er sie an. »Sie sind Ärztin. Ich dachte, Ihr Dasein gilt dem Leben von Patienten, nicht deren Exekution.« Er brauchte nicht zu sagen, was er ihr wirklich an den Kopf hatte schleudern wollen. Sie wusste, dass Ekko Kommissare verachtete, nicht nur Kolwa Ligrev. Und Sie wusste, dass er sie wegen ihrer Vergangenheit höchstens tolerierte. Sie hatte stets versucht, sich Colonel Ekko nicht zum Feind zu machen, denn er war ein unberechenbarer Mensch, den nicht einmal ein Politischer Offizier kontrollieren konnte. Und er war sehr beliebt bei seinen Leuten. Das wichtigste Argument jedoch war, dass er recht hatte †“ von einem menschlichen Standpunkt aus. Und das war nun einmal Ekkos Problem. Er war manchmal zu menschlich. Sie folgte ihm, als er durch die Tür und sofort in den Gefahrenbereich trat. Rahael fuhr herum, die Augen weit aufgerissen. »Verräter!«, schrie er und wies auf Ekko. Die Menschentraube wandte sich um. Es waren hauptsächlich Sanitäter und leicht verletzte Soldaten unterschiedlicher Regimenter, die wortlos im Halbkreis um den wütend um sich schlagenden Cadianer standen und gafften, aber auch Wachsoldaten, die alarmiert ins Lazarett gestürmt waren. »Raus!«, ordnete Ekko an. »Schicken Sie alle raus!« »Sie haben den Colonel gehört!«, befahl Calgrow mit vernehmlicher Stimme. »Alle verlassen sofort den Bereich. Kommt schon, Leute! Raus mit euch!« Man merkte sofort, dass sie vor langer Zeit Kommissarin gewesen war, denn ihre Stimme war befehlsgewohnt und mit warnendem Unterton. Sie hielt ein gutes Dutzend Sanitäter zurück, die bei den Schwerverletzten bleiben sollten und für den Fall, dass man sie benötigte. »Was ist mit den Wachen?«, erkundigte sie die Ärztin, als die Soldaten sich weigerten, es ihren Kameraden gleichzutun. »Auch raus. Ich will hier niemanden, den er als Bedrohung auffassen könnte.« »Aber, Colonel!«, wehrte sich ein Sergeant gegen den Befehl. Ekko schwang herum und wehte die Männer mit erhobener Hand zur Tür hinaus. »Raus!« Die Männer stolperten an belegten Betten vorbei zum Eingang und verließen das Lazarett, um davor für alle Fälle in Position zu gehen. Trotzdem kam es Ekko so vor, als wäre der Raum nach wie vor brechend voll. Er warf einen kurzen Blick auf die Betten und entdeckte Captain Solmaar, einen Riesen, der beinahe so breit wie groß war und mit einem dicken Verband um seine rechte Kopfhälfte aufmerksam auf seinem Bett saß und verfolgte, was geschah. »Colonel!«, rief Rahael. »Sie haben versprochen, dass Sie jeden retten.« »Das habe ich«, antwortete der Colonel. »Alle sind am Leben. Sergeant Lenhim, Corporal Rebis, Gorak und Melbin †“ und Sie, Rahael.« »Das meine ich nicht«, sagte er verzweifelt. Ekko hob fragend die Hände. »Was meinen Sie denn?« Rahael starrte ihn für einen Moment an, dann schien er sich zusammenzureißen. »Sie wissen, was ich meine.« Wieder hob der Colonel die Hände. »Sagen Sie es mir, Rahael.« »Wo ist sie?«, schrie der junge Cadianer. »Wo ist der Engel?« »Welcher Engel?« »Oh, nein«, sagte Calgrow leise. »Jetzt verstehe ich, was er meint.« Ekko warf ihr einen fragenden Blick zu. »Die Prioris«, erklärte sie. »Er hat mich vorhin gefragt, ob die Sororita überlebt hat. Da waren Sie mit der Schwester beschäftigt.« Ein resigniertes Seufzen entfuhr Ekko. »Und Sie haben †ºNein†¹ gesagt.« »Nein«, gestand sie. »Ich habe ihm gesagt, es hätte nie einen Engel gegeben.« Der Colonel musterte sie einen Augenblick, dann seufzte er abermals. Scheiß Ex-Kommissare. »Erinnern Sie mich daran, dass ich Sie bei nächster Gelegenheit tot schlage, Doktor.« Er wandte sich wieder Rahael zu und versuchte, den jungen Cadianer zu beruhigen, kam aber nicht mehr zu Wort. »Wo ist der Engel!«, schrie Rahael abermals. »Ich bin hier.« Stille breitete sich aus. Die Stimme, auch wenn sie so unspektakulär und weich klang, dass man sie leicht hätte überhören können, hatte die Wort kraftvoll und so entschieden eingeworfen, dass sämtlichen Anwesenden verstummten. Ekko spürte einen heißkalten Schauer über seinen Rücken laufen und drehte sich um. Leitis Sile stand im Eingang zum Lazarett und fixierte den jungen Cadianer mit ihrem Blick. Sie sah entschlossen aus. Irgendetwas an ihr war komisch. Ekko musste kurz an Ligrevs Konfrontation mit der Sororita denken und versuchte sich zu erinnern. Die restlichen Anwesenden, vor allem Rahael, waren gefangen von ihren Augen. Sie machte einige Schritte auf ihn zu und öffnete einladend ihre Arme. »Du lebst«, flüsterte Rahael. Sie lächelte und kam näher. »Ja.« Die Anwesenden wichen zurück, als würde eine magische Aura sie auseinander drängen. Keiner konnte die Augen von ihr abwenden. Rahaels Stimme klang so dünn, dass man glauben konnte, seine Stimmbänder wären gerade im Begriff zu reißen. »Ich dachte, du bist tot.« »Ich bin nicht tot.« Fast zärtlich schloss sie die Arme um ihn und ließ seinen Kopf an ihre Brust sinken. »Siehst du? Alles wird gut.« Ihre Hand wanderte beruhigend über seinen Rücken und streichelte seinen zitternden Körper. Herr auf dem Thron, es waren ihre Augen †“ der kalte Blick in ihren Augen! Irgendetwas blitzte in ihrer Hand auf. Ein Skalpell, schrie Ekkos Geist. Ein verdammtes Skalpell! »Vorsicht, sie ist bewaffnet!«, rief einer der Sanitäter aus. Stirb, du Ketzer! Die Sororita wollte gerade zustechen, als sein Arm heranschoss und ihre Hand wegschlug. In einer grazilen Bewegung wirbelte sie herum und versetzte dem Colonel einen Schlag auf den Hinterkopf, der ihn in einen Beistelltisch schleuderte. »Er muss sterben!«, schrie sie und wandte sich wieder Rahael zu, der auf dem Boden gefallen war und vor Panik brüllte. »Das Chaos hat ihn … das Chaos!« Im selben Moment sprang einer von Calgrows Sanitätern sie an. Der Mann war muskulös und fasste sie sofort so, dass es kein Entrinnen für sie geben konnte. Im nächsten Augenblick segelte er quer durch den Raum. »Wache!«, brüllte Solmaar und warf sich auf den Boden, als das Skalpell aus ihrer Hand in seine Richtung sauste. Ekko kam wieder auf und Beine und stürzte sich auf die Frau. Seine Faust ging auf sie nieder und traf sie direkt am Kopf. Sie taumelte zurück und bekam ein Instrumententablett zu fassen. Nur wenige Herzschläge später flog das Tablett dem Colonel in die Rippen und warf ihn auf den Boden. Von der anderen Seite griffen zwei leicht verletzte Soldaten des 512. in den Kampf ein. Sie waren bei Ausbruch des Kampfes von ihren Betten gesprungen und hatten auf die nächste Möglichkeit gewartet, ihren Colonel zu unterstützen. Jetzt warfen sie sich auf die Prioris und drängten sie mit einem Hageln an Faustschlägen nach hinten. Sie zuckte zusammen und keuchte auf, als hätte sie einen schweren Schlag hinnehmen müssen, dann ging einer der Männer stöhnend zu Boden, einen Augenblick später wurde der zweite von einem gut platzierten Fußtritt zurückgeschleudert. Ekko sprang auf und wischte das Blut, das aus seiner Nase lief, mit dem Handrücken ab. Dann griff er wieder an. Er setzte so viel Energie wie möglich in seinen nächsten Schlag, um sie außer Gefecht zu setzen, doch er griff ins Leere. Ein Schmerz zuckte durch sein Bein und ließ ihn wieder stürzen. Hinter ihm kam Sile aus ihrer Drehung und fuhr auf der Suche nach dem nächsten Gegner herum. Starke Hände fassten sie von hinten und versuchten sie zu fixieren. Es war der muskulöse Sanitäter. Er ließ seine breiten Arme um ihren Körper gleiten und presste sie fest aneinander, damit sie sich aus der Umklammerung nicht lösen konnte, doch er hatte nicht mit ihrer Agilität gerechnet. Wie ein Aal glitt sie aus seinen Händen, fiel auf den Boden und rollte sich ab, nur um ihm dann die Beine wegzutreten. Er heulte auf und schlug hart hin. Zwei Wachposten stürzten durch den Eingang. Die beiden rissen ihre Lasergewehre hoch und wollten gerade auf die Sororita schießen, als Ekkos Stimme aus dem Kampfgetümmel brach. »Ich will sie lebend!« Vollkommen erstaunt verfolgten sie, wie Captain Solmaar der Furie entgegen rannte und sie mit aller Kraft zu Boden zu drücken versuchte, jedoch selbst stürzte, als sie seinen Schwung abfederte und sich mit ihm fallen ließ, nur um ihm dann in den Magen zu schlagen und mit einer schneller Drehung wieder auf die Beine zu kommen. Jetzt stürzten sie sich ebenfalls in den Kampf. Rund um sie herum flohen die übrig gebliebenen Patienten und Sanitäter, soweit es ihnen möglich war, aus dem Raum. Zwei weitere Wachsoldaten stürzten durch die Tür und sprangen ins Getümmel. Vor ihnen ging einer ihrer Kameraden nach einem Kinntreffer zu Boden, der zweite erlitt einen Schlag in den Bauch und taumelte zurück. Die neu Eingetroffenen warfen sich sofort in den Kampf und bearbeiteten die Prioris mit ihren Gewehrkolben. Sie wehrte die ersten Schläge mit ihren Armen ab, dann griff sie einen der Gewehrkolben und rammte dem Träger den Lauf ins Gesicht. Er schrie auf und ließ seine Waffe los. In einer schnellen Drehung ließ die Sororita die Waffe herum schwingen und schlug sie dem zweiten Soldaten ins Gesicht. Er stolperte und fiel ebenfalls. Im gleichen Moment jedoch kam Solmaar von links und tauchte unter dem heran schwingenden Gewehr durch. Er wollte gerade zum Schlag ausholen, als ihn der Lauf im Nacken traf und er sein Gleichgewicht verlor. Er wäre beinahe in sie gefallen, hätte sie nicht im letzten Augenblick einige Schritte zur Seite gemacht. Ekko nutzte diesen Moment der Unachtsamkeit aus und riss ihr das Gewehr aus den Händen, um es wegzuschleudern. Ein Schlag traf ihn ins Gesicht und warf ihn nach hinten. Er fiel hin und bemerkte, dass die Regimentsärztin hinter ihm stand, wie paralysiert auf den Kampf starrend. »Haben Sie sie vorhin Drogen gesetzt?«, fuhr Ekko Calgrow an und rappelte sich auf. Sie schüttelte den Kopf, die Augen weit aufgerissen. »Ich … ich!« »Tun Sie endlich was!« Eine Hand fasste ihn von hinten. Er fuhr herum, um sich aus dem Griff winden, doch eine grazile Bewegung verwendete seinen Schwung gegen ihn. »Oh, neeeein!«, konnte Ekko noch rufen, dann krachte er in die ihm nächsten Krankenbetten. Die Tür flog wieder auf und noch mehr Soldaten stürmten ins Lazarett. Calgrow, durch die Worte des Colonels endlich aus ihrer Schreckstarre erwacht, griff nach einem bereitliegenden Injektor mit einem Betäubungsmittel, da schoss ein neues Skalpell heran. Die Prioris setzte ihre komplette Kraft in den Stoß und versuchte, die kleine Waffe zwischen Calgrows Brüste zu rammen. Solmaar schlug ihr in die Seite. Sie fuhr zusammen. Ihre Hand rutschte mit dem Skalpell weg und schnitt dem Captain in den Arm. Die Ärztin taumelte zurück, als ihr Mantel aufgeschlitzt wurde und fiel zitternd auf den Boden. Zeitgleich schoss einer der Wachsoldaten heran und griff Siles Arme. »Weg mit dem Ding!«, schrie er. Die Prioris rammte ihren Kopf in seinen Bauch und warf ihn über den Rücken. Dann stürzte sie sich auf Rahael, der etwas abseits des Kampfes kauerte. Sie hatte ihn beinahe erreicht, als eine große Masse sie traf und aus dem Gleichgewicht brachte. Ekko rollte sich über die linke Schulter ab, wirbelte herum und ignorierte seinen schmerzenden Körper. Sile schüttelte den Kopf und taumelte. Er musste sie hart getroffen haben. Ein weiterer Gewehrkolben ging auf die Schwester nieder, die sich heftig zur Wehr setzte. Sie stürzte zu Boden. Das Skalpell glitt aus ihrer Hand. Einer der Wachsoldaten wollte sie gerade greifen, als ihre Hand in tödlicher Wut nach oben schoss. Er seufzte auf und sank in sich zusammen. Sein Lasergewehr fand sich in ihren Händen wieder und spie kohärentes Licht in die Luft. Alle warfen sich in Deckung. »Nicht auf sie schießen!«, bellte Ekko nachdrücklich hinter einem vom Kampf umgeworfenen Krankenbett. »Ich will sie lebend.« Solmaar neben ihm schüttelte den Kopf. »Was haben Sie vor, Colonel?« »Fragen Sie mich nochmal, wenn ich Zeit hatte, mir was zu überlegen«, gab er zurück. Vor ihnen schrie die Sororita wie in Trance und zerstrahlte den Raum. »Ihr Magazin ist bald verbraucht«, versicherte der Colonel. Der Captain presste sich noch enger an den Boden. »Hoffentlich.« Plötzlich zerriss ein Stoffvorhang. Sile warf den Kopf herum, da wurde sie auch schon in die Luft gehoben. Ein riesiger Arm schloss sich um ihren Hals. Es knackte hässlich. Sie erschlaffte. »Tut mir leid, Sir«, entschuldigte sich Melbin. »Ich bin etwas spät.« Ekko keuchte auf und versuchte, seine malträtierten Rippen zu reiben. »Schon okay. Ist sie tot?« »Nein, Sir, nur betäubt«, sagte der Cadianer leise und legte die Prioris vorsichtig auf eines der Betten, wo sie sofort von in den Raum flutenden Sanitätern und Soldaten umschwärmt wurde, die sich bemühten, sie ausbruchsicher zu fixieren. »Ein Hoch auf ihre Sanftheit, Melbin. Hipp, hipp †“ Hurra.« Calgrow trat zu Ekko und half ihm, sich richtig aufzurichten, bevor sie begann, seinen Brustkorb abzutasten. »Sie haben sich ganz schön ins Zeug gelegt, Colonel«, stellte sie sachlich fest. »Das würde ich gerne genauer untersuchen.« Ekko sah die Ärztin an und schüttelte langsam den Kopf. »Und sie kam mir so nett vor«, sagte er. Calgrow warf ihm einen mitleidigen Blick zu und reichte ihm ein Tuch, damit er seine blutende Nase abwischen konnte. »Es kommt noch besser«, murmelte Solmaar, dessen Arm von einem Sanitäter verbunden wurde, und deutete auf den Zelteingang. Dort stand Ligrev. Der Kommissar ließ seinen Blick angewidert durch das Lazarett schweifen, bis er Ekko entdeckte und ohne Umschweife auf ihn zutrat. »Wie ich sehe, wäre es wohl besser gewesen, sie sofort zu erschießen, oder?« »Was wollen Sie?«, brummte Ekko ungehalten. Der Kommissar lächelte selbstgefällig. »General Iglianus fordert Sie auf, sich sofort zu ihm zu begeben.« »Sehr gut«, antwortete Ekko und verfolgte befriedigt, wie Ligrevs Züge entgleisten. »Captain Solmaar, bitte informieren Sie Major Carrick, dass Prioris Leitis Sile bis auf weiteres in der Kommandozentrale festgehalten wird. Ich will, dass es ihr gut geht, wenn ich zurückkomme.« »Verstanden.« Ekko nickte bestätigend und wandte sich zum Gehen, da bemerkte er den zitternden Rahael, der von zwei Sanitätern auf eine Liege gesetzt wurde. Der arme Junge hatte wirklich viel mitmachen müssen in den letzten Tagen. Mit dieser Aktion hatte er in den Augen dieses abartigen Schweins von Kommissar sicherlich sein Leben verwirkt. Ligrev würde ihn erschießen, so viel war sicher †“ so sicher, wie er es bei Lenhim versucht hatte. »Ach ja«, fügte Ekko leise an. »Soldat Rahael wird auch nichts geschehen.« Ligrev versteifte sich. »Colonel!«, mahnte er. Ekko verengte die Augen und nickte Ligrev zum Abschied zu. »Kommissar Ligrev.« Dann verließ er das Zelt. Der Kommissar brauchte nur ein oder zwei Sekunden länger, dann fasste er den Griff der Boltpistole in seinem Holster und schickte sich an, Ekko zu folgen. Jetzt würde er es zu Ende bringen. Der Colonel war zu weit gegangen. »Lassen Sie es, Ligrev.« Die starke, weibliche Stimme, die ihn in Verbindung mit dem Arm stoppte, war die von Calgrow. Die Ärztin musterte ihn aus ihren energischen, klaren Augen und forderte ihn so auf, Ekko nicht nachzulaufen. »Es wird Ihnen nichts bringen.« »Das stimmt«, ertönte eine andere Stimme. Beide wandten sich um. »Er hat nur versucht, Sie aufzuhalten, als Sie die Prioris erschießen wollten«, bemerkte Melbin, der sich wieder auf seinem Bett niedergelassen hatte. »Wir haben es alle gesehen.« Ligrev funkelte ihn hasserfüllt aus seinen dunkelbraunen Augen an. Auch Calgrow erschoss ihn mit ihren Blicken. »Halten Sie die Klappe, Melbin.« Der große Cadianer verzog eingeschnappt den Mund und wandte sich von den beiden ab. Calgrow wartete, bis der Cadianer ihnen nicht mehr zusah, dann adressierte sie Ligrev wieder. Obwohl sie ihre Stimme gesenkt hatte, schrie das Feuer in ihren Augen ihn regelrecht an. »Herr Kommissar, wenn Sie wirklich gut sind, wissen Sie, wer ich bin. Und im Zuge dieses Wissen dürfte Ihnen bekannt sein, was zu tun ich in der Lage bin. Versuchen Sie also nichts, was Ihnen oder uns in irgendeiner Weise schaden könnte. Colonel Ekko wird sicherlich zu gegebener Zeit diszipliniert werden †“ aber dieser Tag wird nicht heute sein, haben Sie mich verstanden?« »Wie können Sie es wagen, Doktor?«, platzte es aus Ligrev heraus. »Sich so vermessen zu geben und zu glauben, dass Sie mir etwas vorschreiben könnten. Das wird Konsequenzen für Sie haben, glauben Sie mir!« »Ligrev, Sie sind ein himmelschreiender Idiot und wissen gar nicht, was Sie sich gerade antun.« Calgrow klang gelangweilt und sonderbar gereizt, als habe sie gerade den schlechtesten Sex ihres Lebens gehabt. »Ich könnte Sie einfach verschwinden lassen, Kommissar, so als wären Sie von mir eingesaugt worden wie ein Planet von der Gravitation eines Schwarzen Lochs, und niemand würde je wieder Ihre Existenz auch bloß erwähnen. Selbst mein Tod würde Sie verfolgen wie ein Albtraum und schließlich in Blut und Tränen für Sie enden. Ich hoffe, Sie denken daran, wenn Sie sich entscheiden, sich gegen mich zu stellen.« Ligrev wollte etwas erwidern, doch ihm fiel nichts ein, sodass er nur seine Boltpistole zurück ins Halfter gleiten ließ und wutschnaubend aus dem Lazarett stapfte. »Doktor.« »Ja, Melbin?« »Sie sind die beste Frau im Universum.« Calgrow lachte leise. »Vielen Dank, Melbin.« »Jetzt, wo Sie ihn zurecht gewiesen haben, wird er es nicht noch einmal wagen, sich gegen einen von uns zu stellen«, stellte er grinsend fest. »Oh, Melbin«, sagte sie und bedachte den massigen Cadianer mit einem eiskalten Lächeln, »Das beweist doch nur, wie unfähig er im Grunde ist. In meinen besten Zeiten hätte ich an seiner Stelle das ganze Regiment exekutieren lassen †“ und wo wir schon beim Sterben sind: Könnten Sie mir kurz bei Sergeant Lenhim helfen? Er wird es sonst nicht mehr lange mitmachen.« Die Fröhlichkeit aus Melbins Gesicht verschwand.
  22. *** Als Kolwa Ligrev das Kommandozelt erreichte und durch den Eingang trat, sahen Ekko, Carrick und die Sororita auf. Der Major war nur einen Augenblick vor ihm eingetreten und wahrte noch Distanz zu der jungen Frau, die im Halbdunkel in einer Ecke stand und der Dinge harrte, die jetzt kommen würden. Der Kommissar schoss Ekko einen verachtenden Blick zu und musterte kurz den trotz der spätnächtlichen Stunde tadellos gekleideten Carrick. Dann wandte er sich der Sororita zu. Für einige Sekunden stockte ihm der Atem unter der Maske aus Abscheu, die sich auf sein Gesicht gelegt hatte. Die liebliche, sanfte Form ihres Gesichts und das hellblonde Haar, das an die Spiegelung funkelnden Goldes erinnerte, bildeten einen vollkommen Kontrast zu der strengen Aura, die sie umgab. Stahlblaue Augen musterten ihn mit einer Kälte, die ihn frösteln ließ und dennoch erregte, auf eine unerklärliche und undefinierbare Weise. Sie wirkte gut proportioniert, selbst unter der schlichten Krankenrobe, die sie angelegt hatte und die ihre Körperform sehr geschickt verbarg. Ligrev fragte sich, ob sie auf einem Liebhaber eine ebenso gute Figur machen würde wie hier vor den drei Offizieren. Er wusste, dass die Sororitas zwar keusch waren, aber keinem Zölibat unterlagen, was sich vielleicht sogar zu seinem Vorteil auswirken konnte. Er musste sie nur unter seine Kontrolle bringen. Macht war der Schlüssel zu ihrem Herzen †“ wie bei allen ergebenen Dienerinnen des Imperiums. Als der Kommissar das Zelt vollends betreten hatte, nickte Ekko der Schwester zu. »Mein Name ist Leitis Sile. Ich bin Prioris des Ordens des Gläubigen Geistes«, stellte sie sich vor und sah sowohl Kommissar als auch Colonel und seinen Stellvertreter herausfordernd an. Ekko schoss einen Blick zu Ligrev, bevor er sich wieder der Sororita zuwandte. Darauf hatte der Kommissar nur gewartet. Noch bevor der Colonel in der Lage war, den Mund aufzumachen, hatte er die Vorstellung kurz und knapp mit der Hilfe von Gesten begonnen. Macht war der Schlüssel. »Kolwa Ligrev: Kommissar, Haestian Carrick: Major, Galard Ekko: Colonel. Also †“ was wollen Sie hier?« Ekko und Carrick sahen sich überrascht an. Die stahlblauen Augen der Prioris richteten sich auf den Redner, bevor sie ihre eisfarbenen Lippen bewegte. »Mir gefällt Ihr Ton nicht, Kommissar.« »Mir gefällt es nicht, dass Sie hier sind. Sie sollten besser verschwinden, Schwester.« Sile schwieg einen Augenblick, bevor sie mit einem Tonfall antwortete, der sich mit der Kälte der Eiswelt Valhalla hätte messen können. »Sie scheinen ein sehr dummer Mann zu sein, Kommissar Kolwa Ligrev. Sie wissen nämlich nicht, mit wem Sie sich anlegen.« Sie war schwerer zu knacken als er gedacht hatte. »Doch«, antwortete er mit abwertendem Ton in seiner Stimme. »Ich kenne Euch Schwestern genau.« Die hellblonde Frau starrte ihn an, als sei er ein niederes Insekt, das zu zertreten sie nur gerade keine Lust hatte. Ekko hatte die Zeit über geschwiegen, nun aber schaltete er sich in das Gespräch ein. Sein plötzlicher Themenwechsel erschien wie ein plumper Versuch der Deeskalation. War er auch. »Was haben Sie hier gemacht?«, fragte der Colonel ganz unverblühmt. »Meine Späher haben Sie inmitten einer gewaltigen Orkstreitmacht gefunden. Mindestens tausend Kopf stark. Haben Sie die alle allein weggeräumt?« Sie lächelte zwar, aber ein Schatten zog über ihr Gesicht. »Nein, auch wenn es mir eine Ehre gewesen wäre, dem Imperator so zu dienen.« Ihr Blick richtete sich abermals auf Ligrev. Es war keine Warnung. Es war eine Drohung. Der Kommissar verstand. Er war zu weit gegangen und hatte sich einen bösartigen Feind geschaffen. Diese Schwester war Fanatikerin, Kriegerin für den Imperator bis in den Tod. Für sie gab es nur eine Macht †“ und an der zu rütteln wäre einer Häresie gleichgekommen. Sile beachtete ihn nicht weiter. »Ich habe an der Seite meiner Schwestern gekämpft. Leider hat der Feind uns besiegt.« Unstillbarer Hass wallte in ihm auf. »Schwestern?«, erkundigte sich Carrick ehrlich überrascht ob der Vorstellung, dass hier noch mehr blonde Schönheiten in Rüstungen umherliefen, doch Ekko hatte die unausgesprochene Frage bereits verstanden. »Oh, ich denke: Wenn sie nicht geflohen sind ...« »Die Sororitas fliehen niemals!«, herrschte sie ihn an. Er ließ sich von ihrem Ausbruch nur insofern beeindrucken, dass er nachdenklich und schweigend nickte, als würde er ihr dabei zustimmen, bevor er zum Eingang des Zeltes ging und sich wieder umwandte. »Wie gesagt: wenn das so ist, tja …« Ekko schob die Plane beiseite, sodass sie einen überwältigenden Blick auf das ferne, in Nachtschatten getauchte Schlachtfeld hatten, auf dem mächtige Explosionen und schillernde Farben feuernder Waffen die kaum sichtbare Masse aus wogenden Leibern und Maschinen erhellten und die von den Flammenwerfern angezündeten Schützengräben, die wie Mahnfackeln vor dieser Kulisse des Grauens brannten. »... dann liegen sie wohl noch da irgendwo«, beendet der Colonel seinen Satz. Sile trat näher und starrte wie erfroren auf die vielfarbige Auseinandersetzung der imperialen Truppen mit den angreifenden Orks. »Thron von Terra«, brachte sie hervor. »Der Thron kann Ihnen auch nicht mehr helfen«, bemerkte Ligrev. »Sind Sie ein Ketzer?«, fragte sie. Ekko zuckte die Schultern. »Darüber kann man streiten. Wir prüfen das noch.« »Ekko!«, schrie Ligrev so laut, dass die Funker unter ihren Geräten zusammenzuckten und herumfuhren. Ekko würde ihn nicht lächerlich machen und unterminieren †“ nein, Ekko nicht! »Ligrev!«, bellte Ekko zurück. Dieser arrogante Mistkerl! Was maßte er sich an, Kolwa Ligrev ausstechen zu wollen? »Das heißt Kommissar Ligrev!«, erinnerte Ligrev Ekko. »Und ich bin Colonel Ekko!«, antwortete dieser. Alles eine Frage der Macht. Die beiden Männer standen sich gegenüber und schossen unsichtbare Laserstrahlen aus ihren Augen aufeinander. Der, der zuerst zucken würde, wäre Verlierer dieses Duells. »Ich verachte Männer, denen die Geltung nach Ruhm wichtiger ist als ihr Dienst für den Imperator«, bemerkte Sile. »Sie sind den Platz im Universum nicht wert, den der Imperator für Sie reserviert hat.« Die beiden Streithähne wandten sich ihr überrascht zu. »Ihr Schwestern macht einem nur Ärger«, zischte Ligrev. Ein Fehler. Urplötzlich starrte er in den Lauf einer Laserpistole. Die Funker sprangen auf. Ligrev wich zurück. Ekko staunte. Erst jetzt ging ihnen auf, dass sie die Pistole aus dem Gürtelhalfter von Major Carrick gezogen hatte, der gut einen Meter entfernt stand und überrascht an das leere Halfter fasste. Im Namen des Throns, sie war schnell. Die Funker zogen ihre Pistolen und richteten sie gegen Sile, die vollkommen konzentriert auf Ligrev blickte, mit der kalten Präzision einer geübten Killerin. Die beiden Wachposten, die vor dem Zelt gestanden hatten, kamen mit ihren Gewehren im Anschlag in das Kommandozelt und nahmen links und rechts der Tür Stellung ein, um ein freies Schussfeld auf Sile zu erhalten. »Nicht feuern«, befahl Ekko. Alle Anwesenden entschieden in diesem Augenblick, niemals ein Spielchen mit Leitis Sile zu treiben †“ außer Kolwa Ligrev, der damit beschäftigt war, seine sich leise entleerende Blase unter Kontrolle zu bringen. »Ich denke, wir sollten uns beruhigen«, schlug Carrick vorsichtig vor. Ekko lachte. Es war eine irreale Situation. Alle sahen ihn an. Er hustete. »Entschuldigen Sie. Es kam gerade über mich. Habe ich Ihnen den Text versaut? Das tut mir leid. Wo waren wir?« Die Imperialen †“ ausgenommen Ligrev †“ mussten schmunzeln, trotz der bedrohlichen Situation. Sile zuckte mit keiner Wimper. Sie öffnete ihren Mund. Schleichendes Gift strömte daraus hervor. »Haben Sie Angst, Kolwa Ligrev?« Ligrev atmete schwer ein und aus, so als würde er mit Herzproblemen kämpfen. »Das sollten Sie. Ein aufrechter Mann hat stets Angst.« Ihr Finger krümmte sich um den Abzug. »Angst, dass sein Dienst an den Imperator durch seine eigene Einfältigkeit zunichte gemacht und verraten wird. Haben Sie davor Angst, Kolwa Ligrev?« Jetzt schaffte sie es, auch Ekko in Sorge zu versetzen. »Major Carrick hat recht. Wir sollten uns wirklich beruhigen.« Er machte einen Schritt auf Sile zu. Die Pistole zuckte vor. Alle wichen zurück. »Haben Sie Angst, den Imperator zu verraten, Kolwa Ligrev?«, schrie Sile. Ihre Stimme stürmte durch die Kommandozentrale. »Ja«, japste Ligrev. »Ja, um des Throns Willen!« Sile senkte die Waffe und ließ sie in ihrer Hand herumschwingen, bevor sie sie zurück an Carrick reichte. Der Major griff danach, wobei er versuchte, so viel Abstand wie möglich zu der Sororita zu halten, als fürchtete er, sie könnte ihn mit einem plötzlichen Handkantenschlag ausschalten. »Das reicht vorerst«, bemerkte sie. »Nutzen Sie die Chance, Kommissar. Es wird Ihre letzte sein.« Dann ging sie einfach, als hätte es den Tumult nie gegeben. Ekko schnippte nach den beiden Wachposten und deutete auf den Zelteingang. Passt auf sie auf, aber kommt ihr nicht zu nahe. Die Männer nickten knapp und folgten der Sororita aus der Kommandozentrale. Ein weiterer Moment der Stille verging. Ligrev stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch. »Kommissar Ligrev †“ Erlaubnis, offen zu sprechen?« Der Kommissar musterte den Colonel, als wäre er Abschaum, warf einen kurzen Blick zum Eingang des Zeltes, durch den die Sororita nach draußen verschwunden war und nickte dann. Als er das Zeichen sah, fuhr der Colonel herum und funkelte den Kommissar an. »Was †“ im Namen des Gott-Imperators †“ sollte das?«, herrschte er. »Sind Sie wahnsinnig, Mann? Das ist eine Sororita. Die mampft Sie zum Frühstück weg und hängt sich Ihren Kopf als Trophäe zwischen die Beine ... und meinen an den Gürtel.« »Sie ist nur eine Braut des Imperators. Und ist allein †“ wir sind ein Regiment!«, stellte der Kommissar fest. »Sie wird es nicht wagen, einen von uns anzurühren.« Ekko legte den Kopf schief und riss die Augen auf. »Sie wird es nicht … was beim Thron war das denn gerade eben? Und wenn wir eine ganze Armeegruppe wären. Was auch immer die Schwester hierher verschlagen hat, wird sie zu Ende bringen. Dabei wird sie niemand von uns behindern. Und als †ºBraut†¹ des Imperators würde ich sie an Ihrer Stelle nicht bezeichnen.« »Lassen Sie diese Hexe nicht zu nahe an sich heran!«, warnte der Kommissar den Offizier mit bedrohlich zitternder Stimme. Ekko konnte keinen Zweifel daran haben, wer sich hier gerade zu seinem potenziellen Feind erklärte. »Niemand, nicht einmal eine Vollstreckerin der Inquisition, darf diesem Regiment übergeordnet werden. Das Gesetz hier bin ich. Sie sind es nicht †“ und Sie -« Er neigte seinen Kopf zum Zelteingang, »- ist es erst Recht nicht.« »Sie ist keine Hexe. Sie ist eine Hexenjägerin«, antwortete Ekko, von den Worten des Kommissars vollkommen unberührt. »Außerdem wird sie das sicherlich nicht ganz so gerne hören wie Sie es gerade gesagt haben. Im Übrigen bin ich recht überrascht, dass Sie das Maul jetzt noch soweit aufreißen, Ligrev.« In diesem Augenblick begann der Daten-Globus an einigen Punkten wild zu blinken und dirigierte die Aufmerksamkeit des Colonels auf sich. Die breite Front aus blauen, stilisierten Trupps, Läufern und Panzern bewegte sich auf eine fast ebenso breite Front von stilisierten Orks zu, die zum erneuten Gegenangriff ansetzten. Nur einige Momente später flammte die gesamte Front auf, als die beiden Seiten aufeinander trafen. Das bereitstehende Funkgerät, bedient durch zwei Soldaten, die in der Ecke mit großen Kopfhörern auf eintreffende Nachrichten warteten, wurde knisternd aktiv. »Colonel, Captain Balgor hat den Auftrag ausgeführt. Die Gräben brennen. Er erkundigt sich, was er jetzt mit den Flammenwerfern machen soll.« »Sie sollen zurückkommen und neu tanken. Und bitten Sie sie, auf dem Rückweg nach einer gefällten Streitmacht des Adeptus Sororitas Ausschau zu halten.« Der Funker gab Ekkos Auftrag weiter und wartete auf die Bestätigung. Einige Sekunden später drehte er sich um. »Sollen Sie sie mitnehmen?« »Nein. Liegen lassen.« Wieder sprach der Funker in sein Mikrofon und wartete. »Befehl bestätigt«, sagte er schließlich. »Sehr schön«, kommentierte der Colonel die Bestätigung, die bereits quittiert wurde. »Auf wessen Seite stehen Sie eigentlich, Ekko?«, erkundigte sich der Kommissar zitternd. »Sind Sie auf der Seite der Guten oder der Bösen?« Ekko sah von seinem Daten-Globus auf und warf ihm einen spöttischen Blick zu. »Nur dieses Universum teilt sich in Gut und Böse. Ich stehe irgendwo dazwischen †“ eben da, wo es Spaß macht. Dabei fällt mir ein †“ sollten Sie nicht an vorderster Stelle todesmutig vorstürmen, Herr Kommissar?« Ligrev schoss noch einen vernichtenden Blick zu Ekko, bevor er auf dem Absatz kehrt machte und die improvisierte Kommandozentrale verließ. »Was für eine Katastrophe«, bemerkte Carrick. Ekko nickte. »Das können Sie laut sagen«, brummte er. »Ausgerechnet eine Schwester des Adeptus Sororitas.« Er schwieg einen Augenblick und grinste dann wieder. »Lustig war es irgendwie trotzdem, oder?« *** Die Prioris stand vor dem Zelt und verfolgte, wie die imperialen Truppen den Gegenangriff der Orks blutig zurückschlugen. Ihre schlanke Figur wurde von den stroboskopartig flackernden Energieentladung tausender Waffen ein ums andere Mal erhellt. Sie schien von der tobenden Wut der Schlacht fasziniert, so gebannt und reglos verfolgte die den Kampf. Nein, das war es nicht. Im grellen Scheinwerferlicht einer sie überquerenden Walküre sah er die Wahrheit. Sile hatte ihn gesehen †“ oder gehört †“ was unmöglich sein konnte, weil sie in die andere Richtung blickte. Sie wischte sich verdeckt über die Augen, dann wandte sie sich um und sah ihn direkt an. Der Colonel trat näher. Es gab in diesem Regiment wohl niemanden, der die Schwestern des Adeptus Sororitas mehr hasste als er †“ und dennoch: Diese Sororita, so allein und verloren sie auch wirken mochte, interessierte ihn. Was hatte sie hier mit den anderen Schwestern gewollt, die auf dem Schlachtfeld, auf dem Lenhims Soldaten sie gefunden hatten, gefallen waren? Ohne Frage hatte es nicht mit ihm oder seinem Regiment zu tun, noch mit seiner Heimatwelt. Trotzdem waren die Parallelen zu einigen Abschnitten der Geschichte von Bastet unverkennbar. Er wollte es verstehen †“ musste es verstehen †“ wie ein Forscher ein gefährliches Raubtier oder Kampfsportler einen unberechenbaren Feind zu verstehen versuchte. »Sie stammen von Bastet, nicht wahr?«, fragte sie, als er neben ihr stand. Ihr Blick blieb auf das sich entfernende Flackern der riesigen Schlacht gerichtet. »Ja«, offenbarte er. »Das stimmt. Ich stamme von Bastet III, der Hauptwelt des Systems.« »Dachte ich mir«, erwiderte sie nachdenklich. Dann schwieg sie eine Weile und ließ das dumpfe Donnern von Explosionen und das Wirrwarr aus geisterhaft leuchtenden Kaskaden auf sich wirken. Ekko konnte aus dem Kommandozelt die wilden Rufe, Befehle und Funksprüche hören, die das organisierte Chaos der Schlacht begleiteten. Zwei Walküren starteten hinter ihnen, wo das Lazarett lag und kreischten über sie hinweg. Der Lärm war ohrenbetäubend. Für einen Augenblick dachte Ekko an die Verletzten aus Lenhims Trupp und den restlichen Einheiten seines Regiments. Und er dachte an die Toten. Krieg bedeutete Tote, das ließ sich nicht vermeiden. Aber Galard Ekko hatte es als nie wirklich akzeptabel befunden, jemand anderen als sich in den Tod zu senden †“ und mochte ihm derjenige auch noch so zu unbekannt sein. So unbekannt wie Gren Krood und seine Kasrkin. Eine Reihe flammender Blitze ging auf das Schlachtfeld nieder, ein heftiger Luftangriff imperialer Sturmtransporter. Der Colonel schluckte leise, als eine anklagende Stimme, die seines Mentors in der Schola Progenium, in seinem Kopf aufbegehrte und ihn mit Tadel überhäufte. †ºWie kann dein Gewissen rein sein, wenn du weißt, dass das, was du tust, falsch ist? Wie kannst du die Lehren des Imperators leben, wenn du stets danach trachtest, ihn zu verraten?†¹ Aber ich verrate ihn doch ni... Er brach den Gedanken ab und wischte ihn wütend fort. Nur ein weiterer Grund, sein Leben unter die vom Imperator angedachte Zeitspanne zu verkürzen. †ºSiehst du? Du willst ihn schon wieder verraten†¹, flüsterte die Stimme hämisch. Leitis Sile neben ihm entschied sich just im selben Moment, ihr Schweigen zu brechen. »Ich habe noch nie einen Menschen aus dem Bastet-System gesehen, der meinen Schwestern in irgendeiner Weise wohlgesonnen gegenübergetreten wäre.« »Das bin ich auch nicht«, gab er zu und zuckte die Achseln. »Aber ich bin jemand, der Kosten und Nutzen gegeneinander abwägt. Und ich sehe keinen Nutzen darin, Ihnen Probleme zu bereiten. Dann sind Sie schneller weg und kann meinen Auftrag wieder in Ruhe ausführen.« »Eine Mentalität, die man wirklich nur bei der Imperialen Armee zu finden scheint«, murmelte sie. Er lachte auf. »Ich denke, man muss dafür geboren sein, diese Mentalität zu besitzen. Ich habe schon vollkommen andere Charaktere in der Imperialen Armee erlebt.« »Das glaube ich Ihnen gerne, Colonel.« »Das klingt, als wenn Sie das verurteilen.« »Nein, sicherlich nicht. So lange man seinen Dienst für den Imperator gewissenhaft erfüllt, habe ich nichts dagegen einzuwenden.« Eine flammende Perlenkette reichte in den Himmel und leckte nach den Wolken. Kurze, abgehackte Schläge wie bei einer Ohrfeige folgten. Die Antwort bestand aus einer Serie Donnerschläge. Ekko seufzte. »Ich hoffe, Sie denken von mir nicht genauso schlecht wie von Kommissar Ligrev?« »Würde das für Sie einen Unterschied machen? »Nein, sicherlich nicht.« »Dann wäre es verschwendete Mühe, Ihr Gewissen zu beruhigen.« Dann schwiegen sie eine Weile. Nur der Krieg sprach. »Ich bin von Ihnen beeindruckt«, gab Ekko schließlich zu. »Ich habe noch nie jemanden eine Pistole so schnell aus einem Halfter ziehen sehen, das ihm nicht gehörte.« »Jahrelanges Training, Colonel.« »Sie dienen dem Imperator sicherlich gut, Prioris.« Ekko ballte die Fäuste. Er konnte nicht glauben, dass er das gerade wirklich gesagt hatte. »Kommissar Ligrev scheint das nicht so zu sehen.« »Ligrev ist ein Idiot. Ich habe noch nie einen Menschen gesehen, der sich selbst mehr wert gewesen wäre als ihn.« Sile warf ihm einen überraschten Blick zu. Ihre stahlblauen Augen funkelten. »Sie lehnen sich sehr weit vor, Colonel. Passen Sie auf, dass Sie nicht stürzen.« »Keine Sorge. Ich hoffe jeden Tag darauf und habe es nie geschafft.« »Wie meinen Sie das?«, fragte Sile stirnrunzelnd. Ekko winkte ab. »Nicht so wichtig.« Eine heftige Explosion beleuchtete die Wolken. Schwerer Donner rollte über sie hinweg. Die Schlacht klang aus der Ferne wie eigenartige Musik grausam verstimmter Instrumente †“ oder ein erregter Wortwechsel in einer Sprache, die er nicht verstand, auch wenn er sie sprach. Zeit, sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. »Was genau haben Sie hier eigentlich gemacht, Schwester?« »Es gibt Dinge, die von großer Bedeutung sind, Colonel. Um solche Dinge kümmern meine Schwestern und ich uns.« »Dann sind Sie eine Celestia?« Sile wandte den Kopf und funkelte ihn an. »Jetzt bin ich beeindruckt. Sie scheinen gut informiert zu sein.« »Ich bin nicht Ligrev. Ich ziehe es vor, meinen Feind zu kennen.« »Eine löbliche Einstellung, Colonel. Kommissar Ligrev ahnt nicht, in welcher Gefahr er sich befindet«, stellte sie fest. »Das hat er noch nie gewusst«, pflichtete Ekko ihr bei. »Und wenn er es merkt, wird es zu spät sein. Aber das sollte uns nicht kümmern. Wie Sie bereits sagten, Prioris: Es gibt Dinge, die wichtiger sind.« Zwei Walküren heulten an ihnen vorbei und schossen nach hinten aus dem Sichtfeld, vermutlich um Verletzte zum Lazarett zu bringen. Ekko sah ihnen nach. »Und nun stehen Sie hier draußen?« Siles Stimme war zu einem Flüstern geworden, zum einen Windhauch. Zerbrechlich und kaum zu vernehmen. »Ich versuche, es zu verstehen.« »Was zu verstehen?« »Dass ich versagt habe.« »Sie haben versagt?«, fragte er überrascht. »Ich habe noch nie eine meiner Schwestern verloren«, tat sie kund. Ihre Stimme klang verzweifelt. Verluste. Ekko sah weg und schloss die Augen. Verdammte Verluste. Er sah Kroods Gesicht vor sich, sein energisches Nicken, als er erfuhr, dass es nicht genügend Platz für all seine Männer gab. Er sah das Gesicht seines Bruders vor sich, wie er entschlossen gegen die Prokura kämpfte, die die Sororitas bei seiner Verhaftung anführte, um seinem kleinen Bruder die Chance zu geben, ihnen zu entkommen. Er sah hunderte von Männern, die er kannte oder auch nicht, die aber für ihn gekämpft hatten und gestorben waren. Noch ein Grund, sein Leben zu verkürzen. Wie würde er jemals damit leben können? »Wie soll ich damit leben?« Sile sah ihn an. »Heißt Leitis nicht so etwas wie: †ºDie, die immer glücklich ist†¹ oder so?«, erwiderte er und starrte zurück. Sie sah ihn hasserfüllt an. »Dafür könnte ich Sie töten.« »Irgendwie hatte ich gehofft, dass Sie das jetzt sagen würden«, überlegte er nachdenklich. »Aber dann wäre die Geschichte ja zu Ende.« »Sie sind nicht der Mittelpunkt der Geschichte.« »Natürlich. Meiner eigenen kleinen Geschichte, Prioris«, erwiderte er und lächelte freundlich. »Schlafen Sie erst einmal eine Nacht und sehen Sie dann weiter, wie es morgen vorangeht.« Bin ich irgendwie verrückt oder so etwas in der Art?, dachte er. Seit wann rede ich mit einer verdammten Mörderin, als wäre sie meine beste Freundin? »Colonel! Colonel Ekko!« Die beiden drehten sich um. Ein Soldat im Steppentarn der Basteter stürmte über die dunkle Ebene, als wären sämtliche Chaosdämonen auf seinen Fersen. Die Atemlosigkeit des Mann alarmierte Ekko bereits soweit, dass er ihm kurz angebunden entgegen bellte: »Was gibt es?« Der Soldat kam schlitternd zum Stehen. »Colonel, es ist Rahael. Er rastet total aus.«
  23. 9 Als sie kamen, hatte er gekämpft. Die Panzer, mehrere Leman Russ, und Soldaten standen vor der Makropole. Ihre Feinde waren Rebellen, Hunderte von ehemaligen Bauarbeitern. Aber die Imperiale Armee würde siegen †“ immerhin waren sie im Namen des Imperators ausgerückt, um den Feind zu besiegen. Gerade erklommen ihre Truppen die Mauern der Makropole. Mehrere Männer stürzten nach Direkttreffern der Rebellen ab und starben einen grausamen Tod. Dann jedoch führte er, Galardin Ekko, die Männer an und erklomm die Mauer. Mehrere Feinde attackierten ihn direkt, doch sein Kettenschwert zerschnitt sie. Hinter ihm stürmten andere Soldaten das Haupttor und öffneten es. Die Panzer, die vor dem Tor gewartet hatten, sprangen dröhnend an und fuhren mit alles zermalmenden Ketten durch das Tor. Die Rebellen hatten keine Chance. Die Makropole war genommen. Die Menschen würden ihn bejubeln und ihn als Kriegshelden feiern †“ als Nachfolger des großen Ibram Gaunt. Als heldenhafter wie Kommissar Yarrick. Als tapferer wie Ciaphas Cain. Dann jedoch geschah etwas, das er nicht erwartet hatte. Angst kroch seine Glieder hinauf. Sie ließ sich nicht genau an etwas festmachen, sie war einfach … da. War es die Luft? Nein. Waren es die Geräusche der Natur, die so urplötzlich verstummt waren? Auch nicht. Er stand auf und sah sich suchend um. Was war das? Tränen traten in seine Augen. Er fürchtete sich schrecklich †“ so schrecklich, wie sich ein Ibram Gaunt, ein Ciaphas Cain, ein Yarrick nie gefürchtet hatte. Er war auch kein Kommissar, kein siegreicher Offizier. Er war bloß ein kleiner Junge, der Krieg spielte und vom Heldentum träumte. Jetzt aber ergriff Panik ihn und er überlegte, ob er nach seinem Bruder rufen sollte. Die Imperialen hatten sich längst in Makropole verschanzt. Geräusche erklangen von vorne, von der Haustür. Galardin verließ seinen Spielplatz und kroch unter knorrige Bäume zu einem Busch, den er schon vor langer Zeit gegen den Widerstand seines Bruders beschnitten und zu seinem Versteck gemacht hatte, weil er von dort aus die Vordertür des Hauses sehen konnte und trotzdem hinter dem hohen Gartenzaun vor den Blicken anderer geschützt war. Als er seinen Beobachtungsplatz bezogen hatte und alles gut sehen konnte, stockte ihm der Atem. Vor dem Haus hatte sich eine Gruppe von Frauen versammelt, junge Kriegerinnen mit großen Waffen, die entfernt an die Gewehre der Planetaren Verteidigungsstreitkräfte von Bastet erinnerten, aber sehr viel schöner aussahen und auch tödlicher. Alle Frauen waren von einem Körperpanzer geschützt, in einem dunklen Blau, vielleicht schwarz gehalten und mit roten Gewändern geschmückt. Es stank widerlich süßlich nach Weihrauch, der als beinahe beißender Qualm aus den schweren Weihrauchfässern drang, die an langen Ketten an den Rüstungen der gepanzerten, weißhaarigen Erinnyen baumelten. Er verfolgte, wie die Kriegerinnen sich um die Haustür versammelten. Eine von ihnen mit einer Art von Schrein mit brennenden Kerzen auf dem Rücken und langen papyrusähnlichen Reinheitssiegeln an ihrer Rüstung, schritt aus seinem Sichtfeld und bollerte gegen die Tür. Dann sah Galardin noch eine Frau auftauchen. Sie trug eine goldene Rüstung, wirkte jedoch nicht so kampferfahren wie die anderen, mit dunklen Rüstungen gepanzerten Frauen und schien sich auch sonst von den anderen abzuheben. Wer war sie? Kam sie von den Tempeln des Imperators oder der Heiligen Bastet? Er hörte seinen Bruder die Tür öffnen. Ein Schrei ertönte. Die Tür schlug zu, dann flog sie krachend aus den Angeln. In Panik kreischte Galardin. Die andere, in goldene Rüstung gehüllte Frau wirbelte herum und starrte auf den Zaun. »Da ist noch einer!«, brüllte sie. Sofort stürmten mehrere der Frauen in ihren dunklen Rüstungen auf sein Versteck zu. Er konnte sich nicht rühren. Er hörte, wie sein Bruder mit der großen Frau kämpfte, die wohl die Anführerin gewesen war, und seinen Namen rief. »Lauf, Alb!«, schrie er. »Lauf und versteck dich!« Ein dumpfer Schlag ertönte. »Egal, wer es ist †“ holt ihn!«, ertönte nun auch die Stimme der Anführerin, die noch immer mit seinem Bruder rang. Wer immer diese Furien waren, sie wollten sein Leben und das seines Bruders †“ so wie das Chaos die Menschen vernichten wollte. Das spürte er. Von dieser Erkenntnis wachgerüttelt, robbte er rückwärts aus dem Unterholz, so wie er es bei den Männern der Planetenverteidigungsstreitkräfte gesehen hatte. Vor ihm krachten schwere Rüstungen in den Gartenzaun und ließen ihn zersplittern. Er hörte fluchende Stimmen, als sich die Frauen im dichten Gestrüpp verfingen. Panisch sprang er auf und rannte los. Er traute sich nicht zu schreien oder um Hilfe zu rufen, sondern rannte einfach nur. Es ging um sein Leben. Das Fenster der Terrassentür zerbarst in Splitter und die Anführerin trat heraus. Wo war sein Bruder? Sie sah ihn einen Augenblick lang an und richtete dann ihre Pistole auf ihn. Feuer leckte daraus hervor. Der Baum hinter ihm zerfetzte. Jetzt schrie Galardin. Er schrie sogar noch, als er den nahen Wald erreichte und ins Unterholz brach. Hinter ihm krachten und knackten Äste, zertreten von schweren Kampfstiefeln. »Los!«, schrie eine metallisch verzerrte, weibliche Stimme. »Er ist in das Unterholz geflüchtet. Schwärmt aus und findet ihn!« Andere Stimmen antworteten. Er rannte weiter, stolperte und fiel hin, rappelte sich wieder auf und ignorierte sein brennendes Bein. Ein Ast schlug ihm ins Gesicht und hinterließ eine hässliche Schramme. Wo war er? Wohin sollte er laufen? Tränen liefen über seine Wangen. Sie kamen näher. Er hörte sie hinter sich. Plötzlich tauchte ein gewaltiger, uralter Baum vor ihm auf. Erst jetzt wusste er, wo er war. Seine Beine und sein Unterbewusstsein hatten ihn hierher geleitet, wo er sich sicher, sich geborgen fühlte. Er sprang auf ein mächtiges auf dem Boden liegendes Holz, das den Umfang von vier Männern hatte. Andere Leute hätten das dicke Holz für einen verknorpelten, verbrannten Stamm gehalten, der durch einen gewaltigen Sturm umgeknickt war, doch Galardin wusste es besser. Dieser †ºStamm†¹ war in Wahrheit eine Wurzel und gehörte zu dem uralten Baum, der sich bereits vor Jahrtausenden tief ins Erdreich gegraben und so kleine Höhlen geschaffen hatte, unter die kein Erwachsener passte †“ ein Kind jedoch hatte einigermaßen Platz. Voller Angst schwer atmend kletterte er über das Holz und ließ sich in den kleinen Hohlraum darunter gleiten. Es roch moderig und nach Mutterboden. Er zwang sich, ruhiger zu atmen und auf sein Umfeld zu achten, sich darauf zu konzentrieren, jedes Geräusch wahrzunehmen, so wie sein Bruder es ihm gezeigt hatte. Die Stille, die sich um ihn herum ausbreitete, war noch stiller als lautlos. Es war, als hätte die Natur aufgehört zu atmen und sich vor den wütenden Frauen versteckt, die ihn so in Panik versetzt hatten. Ein Paar Stiefel kam näher. Es knackte hässlich, als sie einen Ast zertraten. Galardin zuckte zusammen und kauerte sich noch tiefer unter die Wurzel. Er betete zum Gott-Imperator, wie es ihm sein Bruder immer beigebracht hatte. »Oh, großer Imperator der Menschheit, Richte Deinen gütigen Blick auf mich, Wache über mich, Deinen Diener und Soldaten, und behüte mich vor der Gefahr. Oh, großer Imperator der Menschheit, Richte Deinen gütigen Blick auf ...« Er wusste nicht, wie oft er das Gebet vor sich hin murmelte und wie sehr er sich trotz seiner Furcht anstrengte, es wirklich zu glauben, doch die Stimme, die es immerzu vor seinem geistigen Gehör flüsterte †“ die Stimme seines Bruders †“ gab ihm genug Kraft, um irgendwann aufzuhören und zu horchen, ob sie ihn noch immer suchten. Vollkommene Stille. Das Gebet hatte ihn gerettet. Er dankte dem Gott-Imperator und öffnete die Augen. Urplötzlich stand sie vor ihm. Er hätte vor Schreck beinahe geschrien. Die Frau sah ihn an. Sie hatte ein zartes, fast noch kindliches Gesicht, aus dem zwei grüne Smaragde voller Energie leuchteten und ihn mit erbarmungsloser Strenge musterten. Für eine Ewigkeit schlug ihm das Herz bis zum Hals, verkrampfte sich sein Körper in unsäglicher Panik, wie sie regungslos vor ihm stand, den großen Bolter in den schwarz gepanzerten Händen, gleich einem Todesengel, von denen sein Großvater ihm in viel jüngeren Jahren erzählt hatte. Tränen liefen über sein Gesicht. Wollte sie kommen, um ihn zu holen? Und hatte sie seinen Bruder bereits geholt? Jetzt erst erkannte er, dass es nicht die Anführerin war, die vor ihm stand. Es war eine der anderen Frauen. Mit leiser, fast sanfter Stimme begann sie zu sprechen. »Wer bist du?« Der Bolter ruhte nach wie vor in ihren Händen, kalt, leblos und bewegte sich nicht, obwohl Galardin das Gefühl hatte, die Waffe würde ihn verdeckt anstarren und nur darauf warten, sich auf ihn zu stürzen wie ein grausames Raubtier, das von seiner Herrin entfesselt wurde. »Wer bist du?«, wiederholte sie. Die Panik kehrte zurück †“ der Imperator und sein Bruder waren gegangen und hatten ihn allein gelassen. »Rede.« Der Bolter knurrte ihn an und zuckte vor. Entsetzt wicht Galardin ein Stück zurück und stieß an die Wurzel. Die Frau machte einen Schritt auf ihn zu. »Ich bin kein schlechter Mensch«, flüsterte er erstickt. »Bitte nimm mich nicht mit. Der Imperator beschützt! Der Imperator beschützt!« Dann brach er wieder in Tränen aus, rollte sich zusammen und zitterte unkontrolliert. »Der Imperator beschützt! Der Imperator beschützt!« Mit einem Mal schloss sich ihre gepanzerte Hand um seinen Kopf und hinderte ihn an Schreien, als sie ihn zu sich drehte und ihn aus der Nähe betrachtete. »Wage es nicht zu schreien, wenn du leben willst«, befahl sie. »Hast du das verstanden?« Er nickte verzweifelt, fühlte, wie die Todesangst seine Glieder herauf kroch. »Gut«, wisperte sie und löste ihre gepanzerte Hand wieder von seinem Kopf. »Also«, wiederholte sie. »Wer bist du?« Ihre Smaragdaugen glitzerten erwartungsvoll. »Ich bin Ga... Ga... Galardin«, zitterte er. »Galardin«, wiederholte sie. »Ein schöner Name. Hat er eine besondere Bedeutung?« »I-ich wei... weiß nicht.« »Schade. Es hätte mich sehr interessiert.« Ihre Stimme war kalt, leidenschaftslos und durchsetzt von einer kaum wahrnehmbaren Grausamkeit, bei der sich ihm der Magen umdrehte. »Was soll ich jetzt mit dir machen, kleiner Galardin?«, fragte sie fast traurig. »Wärest du doch nur an einem anderen Ort gewesen.« Der Bolter knurrte und erschauderte wohlig, als sie an ihm zog. Er hustete metallisch. »Es tut mir leid.« Sie schien es ehrlich zu meinen. Der Bolter starrte ihn mit seinem leeren Auge an. »Kortessa!«, rief eine andere weibliche Stimme. »Schwester, melde dich! Wo bist du denn?« Schwester Kortessa sah alarmiert auf und blieb einige Sekunden lang reglos stehen. Schließlich schweiften ihre Augen zurück zu Galardin. »Bitte nimm mich nicht mit«, flüsterte er erstickt. »Der Imperator beschützt! Der …!« »Schweig!«, forderte sie ihn auf und bedachte ihn abermals mit eindringlichen Blicken, bevor sie sich abwandte. Der Bolter knurrte noch einmal und ignorierte ihn dann auch, als seine Herrin ihm das Blickfeld auf sein Opfer versperrte. Dann ging sie einfach fort, so als hätte er nie existiert. Der Junge blieb zitternd liegen und wartete, was nun passieren würde. Einige Momente lang herrschte Schweigen, während die Schwester sich entfernte. Dann hörte er wieder Stimmen. »Wo warst du denn?«, fragte die andere Frau, offensichtlich sehr aufgeregt. Sie klang genauso jung wie Kortessa. »Und warum hast du dein Funkgerät abgeschaltet? Die Inquisitorin und die Prokura sind bereits sehr ungehalten.« »Schwester Kortessa!«, erschallte eine neue Stimme. Sie klang wütend und erinnerte Galardin an die der Frau in der goldenen Rüstung. »Ich hoffe, Ihr habt eine gute Erklärung für die lange Abwesenheit.« »Ich dachte, ich hätte jemanden gesehen und wollte ihn nicht auf mich aufmerksam machen. Daher habe ich das Funkgerät auf lautlos gestellt. Aber ich hatte mich geirrt. Es ist niemand mehr hier, Inquisitorin«, berichtete sie der neuen körperlosen Stimme. Die goldene Frau hieß also †ºInquisitorin†¹. Galardin schwor sich, diesen Namen nie zu vergessen. Ebenso wenig wie den Namen Kortessa. Einen Augenblick herrschte Schweigen, ein Moment, der Galardin wie ein Jahr vorkam. Endlich erhielt sie ihre Antwort. »Sehr gut, Kortessa. Unsere Mission ist damit erfüllt.« Der Junge hörte, wie Befehle gegeben und bestätigt wurden, dann rückten die Kriegerinnen ab. Galardin blieb liegen und rührte sich nicht, seine Gedanken jedoch rasten. Die Frau wusste sicherlich nicht, welchen Eindruck sie auf ihn machte, wie tief sie sich in sein Gedächtnis gebrannt hatte, doch in all den Jahren, die noch kommen würden, würde sie ihm in all seinen Wunschgedanken zur Seite stehen als grausame Rächerin †“ und in all seinen Träumen würde sie ihm nehmen, was ihm lieb und teuer war. Sie war zum greifbaren Mittelpunkt dessen geworden, was er sich immer unter dem Begriff »Ekklesiarchie« vorzustellen in der Lage gewesen war. Endlich wusste er genau, wovor er sich fürchten und was er hassen musste. Zitternd blieb er sitzen. Eine Stunde. Dann zwei. Es wurde bereits dunkel, als er sich wieder in die Nähe des Hauses traute. Die Frauen mit ihren stinkenden Weihrauchfässchen waren fort. Eine Macht, stärker als die des Gott-Imperators, hatte die Sand-Makropole vernichtet und gut drei Viertel seiner Truppen unter riesigen Haufen von Sand begraben. Die Verluste erinnerten an die Schlacht um die Vervun-Makropole, an der das berühmte 1. Tanith teilgenommen hatte. Sieben der acht Leman Russ waren zertreten. Warum? Seine zitternde Hand fasste den überlebenden Leman Russ und hob ihn auf. Er drückte sich den Panzer fest an den Körper und stolperte vorwärts. Er betrat das Haus und rief den Namen seines Bruders. Es kam keine Antwort. Galardin setzte seine Suche fort. Je länger er suchte, umso panischer wurde er. Sollte er nun allein sein? Wo war sein Bruder hingegangen? Wieso hatte er ihn verlassen? Er wusste nicht, wie lange er durch das Gebäude geirrt war, gerufen und geweint hatte, aber als er schließlich wieder im Zimmer seines Bruders ankam und das Bett noch immer leer vor fand, ging ihm auf, dass das kein Spaß war. Sein Bruder war irgendwo hingegangen und hatte ihn zurückgelassen. Erschöpft sank er gegen den Bettpfosten, der in der Dunkelheit nur wie ein Schatten aufragte und begann zu schluchzen. Tränen wollten nicht mehr fließen. Durch die Stille knarrte die Haustür so laut, als würde das gesamte Haus knirschend einstürzen. Für einen Moment hoffte Galardin, sein Bruder wäre wieder da, doch nichts regte sich. Da waren nur die schweren Schritte von Kampfstiefeln, die über den Boden schabten und langsam die Stufen der Treppe erklommen. Galardin erstarrte vor Angst, als er an die gepanzerten Furien erinnert wurde, die ihn durch das Unterholz gejagt hatten. Er konnte sich nicht rühren. Der Leman Russ hatte bereits irgendwo Deckung gefunden und wartete das Kommende ab. Ein Gewehr tauchte um die Ecke und sah sich suchend im Raum um, dann senkte es sich und zog einen Soldaten hinter dem Rahmen hervor, der sich ebenfalls umsah, bis er den auf dem Boden sitzenden Jungen entdeckte. Es war Ilor Lohah, ein älterer Mann, der einige Häuser weiter weg wohnte und ehemaliger Soldat der PVS war. Galardin wusste das, weil der Alte seine Rüstung stets zur Schau stellte und gerne Geschichten aus seinem Leben erzählte. Ilor ging auf ihn zu und ließ sich vor ihm auf die Knie sinken. »Galardin. Als die Schwestern kamen, fürchteten wir, dass wir Euch beide verlieren würden.« »Wo ist er?«, fragte der Junge. Trauer und Schmerz füllten Ilors Augen. »Wo ist mein Bruder?« »Dein Bruder wird nicht zurückkommen, Galardin«, sagte der alte Mann langsam. »Er ist fort und wird nie wiederkommen, verstehst du das?« Galardin nickte. Er verstand, was ihm gesagt wurde †“ aber er verstand nicht, wieso. Er hatte sich stets bemüht, ihm nie Kummer zu bereiten oder sich mit ihm zu streiten. Er wusste auch nicht, welche Rolle die Frauen gespielt hatten †“ er sollte es erst sehr viel später begreifen. Wichtig war nur: Sein Bruder war fort. Er hatte ihn allein gelassen. Doch Galardin Alberic Ekko weinte nicht. Er begann zu hassen. *** »Und jetzt lassen Sie uns durch, oder ich garantiere Ihnen, dass die nächste …!« »Das hier ist ein gesicherter Bereich.« »Sie fangen sich gleich eine gesicherte Ohrfeige, Soldat!« Die feste Stimme von Doktor Calgrow und das erregte Geschnatter eines Wachsoldaten zogen ihn zurück in die Realität. Einen Augenblick lang war er vollkommen verwirrt und musste sich erst noch von der schmerzlichen Erinnerung lösen, dann jedoch kam er von der hololithischen Anzeige hoch und zwang sich, seinen Blick nicht mehr so verloren auf die flammenden Punkte zu richten, die auf dem Tisch vor ihm in wilder Wut tanzten. Verdammte Tagträumerei. Er rieb sich über das Gesicht und seufzte tief, dann sah er sich verstohlen um. Niemand hatte etwas bemerkt. Ligrev war bereits vor zwei Stunden gegangen und die Funker waren so beschäftigt, dass ihn nicht einmal aufgefallen wäre, wenn das Zelt über ihren Köpfen abgebrannt wäre. Vor gut dreißig Minuten hatten beherzte Elemente der orkischen Streitmacht einen Gegenangriff begonnen, der mit tödlicher Brutalität durch die Reihen der imperialen Armee zu brechen versuchte. »Jetzt lassen Sie uns durch! Colonel Ekko!« »Was gibt es?«, brummte er, indem er aus dem Zelt trat, und rieb sich die Augen. Nach dem grellen, alles erleuchtenden Licht des Kommandozelts an die frische Luft zu treten und direkt in die aufziehende Dämmerung, schmerzte nicht nur den Augen, sondern ermattete darüber hinaus ungemein. Der Wachposten und Calgrow sahen ihn beide an, aber noch bevor der Mann den Mund aufmachen konnte, hatte Calgrow mit ihrem unheimlich hochnäsigen Akzent des Hochgotischen begonnen, ihren Colonel zu adressieren. »Colonel Ekko, dieser Wachposten hat sich standhaft geweigert, mich zu Ihnen zu lassen.« Ekko lächelte müde. »Auf meinen Befehl hin. Ich wollte verhindern, dass sich irgendwer ungebeten Zugang zu meinen intimsten Gedanken verschafft.« Calgrow starrte ihn an. Man konnte fast sehen, wie sie überlegte. Einen Augenblick später verstand die Ärztin und öffnete den Mund, brachte aber keinen Ton heraus. Ekko lächelte abermals tragisch, dann winkte er ab. »Also, Doktor, was kann ich für Sie tun?« In ihren Augen funkelte etwas, das er nicht genau einordnen konnte, aber es ließ eine innere Anspannung in ihrem aufwallen. »Die Prioris ist aufgewacht und möchte sie sprechen.« Calgrow wies hinter sich. Dort stand die Sororita in der hereinbrechenden Dunkelheit und musterte den Offizier, mit dem Calgrow einige Worte wechselte. Dass sie hinter der Ärztin gestanden hatte, war ihm vorher gar nicht aufgefallen. Sie jetzt, in ihrer ganzen Schönheit unter der sinkenden Sonne Agos Virgils zu sehen, verwirrte und überraschte ihn. Er hatte ihre Anmut auf den Dornröschenschlaf geschoben, in dem sie die junge Frau auf den Ebenen gefunden hatte, doch er schien sich geirrt zu haben. In Wahrheit entfaltete sich ihre Anziehungskraft erst jetzt, da sie voller Leben vor ihm stand. Sie war wirklich eine Sororita. Im Namen des Throns, wie er die Schwestern hasste. Ekko riss seinen Blick von ihr los und wandte sich wieder Calgrow zu. »Vielen Dank, Doktor. Ich denke, ich sollte Sie nicht weiter von Ihren Pflichten abhalten.« Sie machte ein Geräusch, das wie Ausspeien klang, dann wandte sie sich um und marschierte zum Lazarett zurück. Sile trat vor. Ihr blondes Haar funkelte golden wie die Reinheit einer Lebenden Heiligen. Ekko schluckte. »Co-Colonel Galardin Ekko, 512. Sera«, stellte er sich vor und zwang sich, nicht weiter in den Bann der mysteriösen Schwester zu geraten. Es gelang ihm nur teilweise. »Prioris Leitis Sile vom Orden des Gläubigen Geistes«, antwortete sie. Weitere Worte waren vorerst nicht notwendig. Ihre Stimme war hell, aber weich, wie eine erfrischende Brise †“ oder schleichendes Gift. Die in Tonfall und Stimme versteckte Warnung war nicht an ihm vorbeigegangen. Sie warnte ihn, sich vor ihr in acht zu nehmen. »Holen Sie Kommissar Ligrev und Major Carrick und bitten Sie sie, zum Kommandozelt zu kommen«, wies er einen der Soldaten an, der vor dem Eingang Wache hielt. Dann forderte er die Prioris mit einer einladenden Handbewegung auf, in das Kommandozelt zu treten. Die Funker sahen alarmiert auf, als Ekko die fremde Person hereinführte. Ganz versunken waren Sie also doch nicht gewesen. Funksprüche knisterten aus den Lautsprechern. »Remembrance Zwei-Sechs an Halo drei-neun, passieren jetzt Delta-Romeo.« »Halo drei-neun: verstanden, Remembrance zwei-sechs! Ende! Remembrance, dachte Ekko. Ein Andenken. Aber für wen?
  24. *** Retexers Zug stürmte die Schützengräben. Direkt vor dem Captain sprangen die Soldaten Lenner und Halto in den tiefen Graben, aus dem die Orks ihren Angriff gestartet hatten. Beide wurden von der Tiefe überrascht, in die sie fielen und legten sich unelegant hin, wie vermutlich ein großer Teil der eingesetzten Infanteristen. Bolterfeuer krachte. Ein anderer Soldat, der neben dem Captain in den Graben fiel, wurde förmlich zerrissen und bespritzte die nachfolgenden Männer und die Grabenwand mit seinen Innereien. Doch wo dieser eine Soldat fiel, sprangen zehn Mann nach. Lasergewehre zischten. Das Bolterfeuer verstummte. Eine nahe Serie Granateinschläge imperiale Artillerie ließ den Boden unter seinen Füßen erzittern. »Wie sieht es aus?«, rief Retexer über den Lärm der schreienden und schießenden Soldaten hinweg. Wejoun, sein Adjutant, sagte etwas in das Mikrofon, das vom großen Funktornister auf seinem Rücken über seine Schulter baumelte, wartete die Antwort ab und lief dann zum Captain. »Sir, wir sind die ersten, die die Gräben gestürmt haben«, meldete der erschöpfte Funker atemlos. Retexer nickte und konnte sein Lächeln nicht verbergen. Wieder einmal war es ihm gelungen, Ruhm und Ehre zu erlangen! Um sie herum fielen weitere Soldaten in die Schützengräben, die die Orks offensichtlich für ihre Körpergröße modifiziert hatten. Die schleimigen Grabenwände waren brutal verbreitert worden und recht instabil, was Retexer beim Fallen zu spüren bekommen hatte. Wahrscheinlich hatten die Orks ohne große Anstrengungen improvisierte Arbeiten begonnen, ohne die Auswirkungen auf die Stabilität der menschlichen Konstruktion zu bedenken. Typisch für die Xenos. Ein Teil der Grabenwand fiel in sich zusammen, als zwei Soldaten über den Rand rutschten. Er begrub einen der Männer bis zur Hüfte und ließ den zweiten stürzen. Ein irrsinnig kichernder Grot mit einer schweren Anti-Panzer-Sprengladung auf dem Kopf rannte auf sie zu. Der Stift aus der Handgranate in seiner Hand war bereits gezogen. Wo beim Thron war der denn hergekommen? »Vorsicht!«, rief ein Soldat. Männer wandten sich um und begannen zu schießen. Sie durchlöcherten den anstürmenden Feind und töten ihn. Die Granate fiel auf den Boden. Der Grot fiel drauf. »Volle Deckung!«, schrie Retexer. Die Explosion fegte als kanalisierter Strom aus Hitze und Staub durch den Schützengraben. Männer, die nicht mehr rechtzeitig reagieren konnten, wurden von der Detonationswelle erfasst und umgerissen. Dort, wo vorher die beiden Soldaten versucht hatten, aus dem Schutt der Grabenwand freizukommen, ragten nun zwei grausam verdrehte Körper wie abartig aussehende Baumstümpfe in die Höhe. Retexer würgte und wandte sich dann um. »Alle Sergeants zu mir!« Er konnte sehen, wie die Sergeants Lovin, Helt und Kelba sich von ihren Trupps lösten und im Laufschritt zu ihm trabten. Kleit sprang gerade hinter ihm in den Graben. »Hören Sie zu!«, rief er laut, damit ihn die Männer auch über den sie umtosenden Gefechtslärm hören konnten. »Das war eine böse Überraschung. Eine zweite will ich nicht erleben. Säubern Sie die Gräben, verstanden?« »Ja, Sir!«, lautete die einhellige Antwort der Unteroffiziere. Dann machten sie sich wieder auf zu ihren Trupps, wobei Kleit seinem Kommandanten noch einen Blick zuwarf, den Retexer bewusst ignorierte. »Retexer!« Er wandte sich um. Captain Balgor vom zweiten Zug kam durch den seichten Matsch angetrabt, den der Schleim mit der aufgewirbelten Erde gebildet hatte. Balgor war ein recht gut aussehender Mann, zwar schon etwas älter, aber gepflegt und mit einem nachdenklichen Blick, der sich immer nach der Ferne richtete, so als wenn der Captain auf etwas warten würde, das er hinter dem Horizont vermutete. »Ja?«, fragte er. »Die Männer sollen die Schützengräben verlassen und sie von den Flammenwerfern ausbrennen lassen.« »Das können wir nicht!«, widersprach der Captain des vierten Zugs. »Wir müssen die Schützengräben einnehmen und die Verteidigung wiederherstellen.« »Die Verteidigung von was?«, fuhr Balgor ihn an. »Auf dieser Welt lebt nichts mehr, Mann!« Retexer wollte antworten, doch ihm ging auf, dass Balgor recht hatte. Als die Imperiale Armee eingetroffen war, hatten die Orks nicht nur die Verteidigung, sondern auch sämtliche Siedlungen Agos Virgils bereits vernichtet gehabt. Es gab auf dieser Welt im Grunde nichts mehr, für das es sich zu kämpfen lohnte. Aber sein Ehrgefühl, sein unbeirrbarer Geist wollte nicht wahrhaben, dass es zu Ende war. Es musste hier doch irgendwo noch Ruhm geben. »Hören Sie, Retexer: Ich bin an Ihrer Ruhmessache nicht interessiert. Ich brauche sie nicht und will sie nicht. Für mich zählt der Auftrag, klar?« Weiter vorne schrien Männer wütend auf, als ein imperialer Leman Russ-Kampfpanzer über den Graben hinweg walzte und ihn auf einer Strecke von fast fünfundzwanzig Metern zum Einsturz brachte. Unbeirrt fuhr Balgor fort. »Der Colonel hat mir befohlen, die Gräben auszubrennen, also schaffen Sie Ihre Leute hier raus! Ich werde sie sonst ohne Gewissensbisse mit abfackeln!« Er wartete nicht auf die Antwort, sondern schob sich an dem verblüfften Retexer vorbei und dirigierte seine Flammenwerfer in Position. »Also dann, Leute! Feuer frei!« »Verdammt!«, fluchte der Captain, als die fauchenden Flammenwerfer ihr Vernichtungswerk begannen. »Wejoun!« Der Funker kam angetrabt. »Sir?« »Sagen Sie allen, sie sollen die Gräben räumen und Platz machen für die Flammenwerfer!« »Ja, Sir!« Wejoun entfernte sich und begann, in sein Funkgerät zu sprechen. Hinter ihm ballte Retexer die Hände zu Fäusten. »Verdammt! Verdammt! Verdammt!« *** »Holen Sie mir eine neue Klemme!«, befahl Calgrow schroff und strich sich mit dem blutigen Handschuh Stränen ihres ergrauten Haares zurück. Der angesprochene Sanitäter verschwand kurz im Chaos des überfüllten Feldlazaretts, während sein Kamerad den wild um sich schlagenden und schreienden Soldaten auf die Liege drückte. Die Ärztin hielt ihre behandschuhten Finger auf die offene Oberschenkelwunde gepresst, aus der fröhlich Blut spritzte. »Los!«, drängte sie ungerichtet in den Saal. »Beeilung!« Der Sanitäter tauchte wieder auf und reichte ihr ein unförmiges Instrument, mit dem sie begann, das verletzte Bein zu bearbeiten. Momente wie dieser waren es, die sie an ihrem Ärztedasein so sehr hasste. Momente, in denen sie sich so hilflos fühlte. Momente, in denen die rote Suppe überall auf die Liege, den Boden und ihre Kleidung spritzte und sie wusste, dass keine Dusche im Universum die Erinnerung fortwaschen konnte. Momente, in denen sie sich wünschte, nicht mit dem Leben eines ihr anvertrauten Menschen balancieren zu müssen unter der ständigen Gefahr, mit ihm in ihren Armen zu stürzen und ihn damit umzubringen. Momente, in denen sie sich wünschte, noch immer Kommissarin zu sein. Mit einem kleinen Kopfschuss wäre die Sache erledigt gewesen. Doch das, so hatte sie entschieden, war nicht mehr ihre Welt. Sie wollte den Mann retten. Sie würde den Mann retten. »Es tut weh, Doc«, murmelte der Soldat betäubt. Sie nickte beruhigend. »Ich weiß. Ich kriege Sie wieder hin.« Verdammt, wo war die Arterie? Innerlich verfluchte sie sich. Es gelang ihr einfach nicht, diese Arterie zu fassen zu bekommen. Immer wieder glitt sie ihr aus den Fingern, wobei Schwälle aus rotem Blut auf ihre Maske und ihr Gesicht spritzten. Momente wie diese waren es, in denen sie alles hinschmeißen und gehen wollte. Tschüss, ich bin weg! Sagt dem Colonel, dass ich Urlaub genommen habe. Der Soldat vor ihr wand sich, als hätte er über ihre grimmigen Gedanken gelacht, dann erschlaffte er. Jetzt bekam sie die Arterie zu fassen. Es war zu spät. Moment wie dieser waren es, in denen sie einfach nur verzweifeln wollte. »Doktor, wir haben ihn verloren«, bemerkte der Sanitäter »Das weiß ich selbst!«, fauchte sie. Dann ließ sie von dem Toten ab, sodass die Sanitäter ihn wegtragen konnten. Calgrow ließ sich an die Lehne sinken und nahm sich einen Augenblick, um durchzuatmen. Sie betrachtete das Chaos, das vor wenigen Stunden noch ein sauberes Lazarett gewesen war. Jetzt lagen benutzte Verbände auf dem Boden, durchtränkt vom Blut schreiender und sterbender Soldaten, um die sich Ärzte und Sanitäter scharrten, um ihre Leben zu retten. Klemmen und OP-Besteck lagen auf rot gesprenkelten Beistelltischen, die wie fahrbare Gerüste im Raum standen, teilweise verwendet, teilweise verlassen. Soldaten streuten Massen von Sand auf den Boden und versuchten, dem rutschenden medizinischen Personal etwas Halt zu bieten, damit sie nicht mitten in einer OP stürzten und sich oder jemand anderen verletzten. Calgrow entschied, dass sie nun genügend Zeit zum Erholen gehabt hatte. Etwas, das sie noch aus ihrer Zeit beim Kommissariat mitgebracht hatte: Eiserne Disziplin. »Also gut«, sagte sie. »Geben Sie mir den nächsten.« »Es sind keine neuen Verwundeten hereingekommen, Frau Doktor«, antwortete der Sanitäter. Keine Verwundeten? Was bedeutete das? »Wie bitte?« »Es sind keine neuen Verwundeten hereingekommen.« War die Schlacht etwa beendet? Die Artillerie feuerte doch noch immer. Wie konnte das sein? »Also gut«, entschloss sie. »Dann sehen Sie zu, dass Sie woanders helfen können. Wenn ich Sie brauche, rufe ich sie.« Mit einem Wink scheuchte sie die Männer weg und lehnte sich abermals erschöpft gegen die Lehne. Sie hatte es satt. Sie hatte es so satt, diesen verzweifelten Kampf gegen den Tod zu kämpfen und von ihm ein ums andere Mal besiegt zu werden. Selbst, wenn es ihr gelang, die Männer zu retten, wusste sie, dass es nur ein Aufschub gewesen war. Der Tod würde sie unweigerlich alle einholen. Calgrow sah auf, als sie etwas in ihrem Nacken spürte, das instinktive Gefühl, beobachtet zu werden, das jeder Kommissar mit der Zeit entwickelte. Sie fuhr herum und sah sich dem Gesicht der Prioris gegenüber, die sie aus stahlblauen Augen musterte †“ kalt, fanatisch. Marith Calgrow hatte sich stets für eine entschlossene Frau gehalten, der nicht so schnell der Rock hochging, wenn sie sich einem ebenbürtigen Offizier oder Kommissar gegenüber sah, doch bei diesem Blick war sie zum ersten Mal in ihrem Leben aus anderen Gründen als medizinischen froh, keine Kommissarin mehr zu sein. Ansonsten hätte sie jetzt nämlich tätig werden und jemanden wegen Feigheit exekutieren müssen. Aber wer erschießt sich schon gerne selbst? Dann ging ihr auf, dass die Sororita nicht mehr in ihrem Bett lag. Sie stand ihr in der Enge des Lazaretts gegenüber. Es war ihr zuvor gar nicht aufgefallen. Wann war sie aufgewacht? Calgrow brauchte einige Sekunden, bis sie sich durchringen konnte, die Schwester anzusprechen. »Sie sollten im Bett liegen.« »Ich weiß«, erhielt sie zur Antwort. Verblüfft zögerte die Ärztin. »Und was tun Sie dann hier?« Die Sororita funkelte sie aus ihren stahlblauen Augen an. »Ich muss den kommandierenden Offizier sprechen«, sagte sie entschlossen. »Sofort!« Marith Calgrow wagte es nicht zu widersprechen. Es waren Momente wie dieser, in denen sie froh war, keine Kommissarin mehr zu sein. »Folgen Sie mir«, forderte sie die Prioris auf.
  25. 8 Die Orks flohen. Ihr Angriff war von der imperialen Streitmacht gestoppt und zurückgeschlagen worden. Der urplötzliche Sturm der Basteter hatte die Grünhäute vollkommen aus dem Konzept gebracht. Jetzt wandten sie den Imperialen in ihrer Gesamtheit den Rücken liefen um ihr Leben. An Bord seines Jagdpanzers vom Typ »Destroyer«, einem äußerst flachen Panzerfahrzeug, das man auch als Scharfschütze unter den Panzern bezeichnete, verfolgte Captain Jaorah Nurin, wie cadianische Infanterie vor ihm auf die feindlichen Schützengräben zustürmte. Schützengräber, dachte er bei sich. Die Offensive hatte vollkommen unvermittelt und ohne einen erkennbaren Plan begonnen und damit nicht nur die eingesetzten Truppen, sondern auch ihre Kommandeure und vor allem ihre Fähigkeiten sehr strapaziert. Inzwischen war schon zu ihm durchgesickert, dass irgendeiner der Offiziere eines der anderen Regimenter offenbar ausgerastet war und eigenmächtig den kompletten Angriff in Gang gesetzt hatte. Wenn er den Mann erwischte, der das gewesen war, dann würde dieser umgehend die Gnade des Imperators zu spüren bekommen. Später †“ irgendwann später, wenn diese Schlacht geschlagen war. Jetzt galt erst einmal, diese Feinde des Imperiums zu eliminieren. Nurin sah durch das Zielgerät und ließ das Sichtperiskop dreihundertsechzig Grad um den vorwärts rollenden Jagdpanzer rotieren. Da! »Richtschütze: neues Ziel! Auf zehn Uhr, zweihundertfünfzig, feindlicher Gargbot †“ Feuer frei!« Nurin verfolgte durch den schmalen Sichtschlitz, wie sein Richtschütze das Rohr in der Vertikalen ausrichtete, während der Fahrer das Kettenfahrzeug herumschwingen ließ. Knappe Befehle und Bestätigungen im Kom begleiteten das eingespielte Ausrichten des Kampfgefährts. Abrupt hielt der Panzer, verharrte auf der Stelle und wartete, bis seine menschlichen Insassen den Feind im Visier hatten. Das Jaulen des Geschützrohrs drang gedämpft in den Innenraum des Jagdpanzers. »Zwo †“ eins †“ Feuer!«, rief der Richtschütze. »Feuer!«, wiederholten sämtlichen Besatzungsmitglieder des Destroyers, um den beim Schuss entstehenden Druck in ihren Ohren auszugleichen. Ein saugendes Geräusch ertönte, dann blies der Panzerjäger einen gleißenden, kohärenten Lichtstrahl auf den feindlichen Bot. Das aus schlechtem Material zusammengeschweißte Kampfgefährt wurde direkt getroffen und zerbarst, von dem Laser säuberlich durchschlagen. Der zweite Jagdpanzer der Panzerschwadron preschte mit wippender Aufhängung an seinem eigenen Fahrzeug vorbei, um seinerseits einen feindlichen Läufer ins Visier zu nehmen. »Panzer, marsch!«, befahl Nurin und sein Kampffahrzeug setzte sich wieder in Bewegung. Rechts von ihnen ging ein Leman Russ-Kampfpanzer in den Schießhalt. Die Schweren Bolter in den Seitenkuppen schwangen großzügig umher und verteilten Boltpatronen in die Reihen der Orks. Die Hauptkanone feuerte und jagte eine Fontäne aus Erde und Leibern in die Luft. Tief reichender Explosionsdonner ließ den Stahl des Jagdpanzers erzittern. Nurin drehte das Sichtperiskop ein Stück weiter und sah eine andere Gruppe Panzer, die inmitten wogender Infanterie auf rasselnden Kettengliedern vorwärts rollten. Blitzende Maschinenwaffen brachten die Luft vor ihnen zum Flimmern. Er sah einen Kommandanten hoch aufgerichtet im Turmluk stehen und brüllen. Nein, das war kein Panzerkommandant. Das war ein Kommissar. Er sah heroisch aus mit seinem wehenden Mantel und dem Energieschwert, das er in Angriffsrichtung gerichtet hatte und der Kommissariats-Schirmmütze, die fest auf seinem Kopf saß, während um ihn herum die Panzer und Infanteristen Wut heulend Tod und Verderben brachten. Verdammt, es konnte doch nicht sein, dass das … Kijo Nitsch war, sein Regimentskommissar? Auch, wenn Nurin ihn in der von Explosionen, Flammenwerfern, Lasern und Abgasen aufgeheizten, flimmernden Luft selbst mit der maximalen Vergrößerung des Periskops nicht richtig erkennen konnte, war er sich sicher, dass es Nitsch sein musste. Der Kommissar war immer der Erste in der vorstürmenden Linie und peitschte die Männer um sich herum mit gellenden Schlachtrufen und feurigem, ansteckendem Eifer gegen den Feind vorwärts. Es musste Nitsch sein. Man konnte seinen Feuereifer bis hier in die enge, stickige Kabine des Destroyers spüren. »Kommandant!«, schrie der Richtschütze durchs Interkom. Nurin schwenkte das Sehrohr wieder nach vorne und entdeckte im letzten Moment den orkischen Beutepanzer, ein ehemaliges Modell der imperialen Armee. Der Captain riss die Augen auf und vergaß über den Schreck seine Nachlässigkeit. »Panzer haaaalt!«, schrie er. Der Fahrer stoppte so unvermittelt, dass sich Nurin den Kopf am Sichtgerät schlug. Der feindliche Panzer feuerte. Eine Explosion fegte vor dem Jagdpanzer in die Luft, ließ das Gefährt schwer schaukeln und Erde sowie Steine als harten Regen gegen die Panzerung prasseln. Der Staub hatte sich noch nicht verzogen, da bellte Nurin bereits wieder: »Vorwärts!« Der Jagdpanzer heulte auf und machte einen Satz nach vorn. Das Hauptgeschütz des feindlichen Kampffahrzeugs krachte abermals. Dieses Mal flog die Granate zu weit und schlug in eine Gruppe laufender Gardisten ein. Zerfetzte Leiber wurden in die Luft gewirbelt. »Halt!«, schrie der Captain. »Richtschütze!« Er gab keine genaue Ansage für das Ziel, denn sie alle wussten, wo und wie weit entfernt es war. Er hatte keine Zeit für eine protokollarische Zielangabe. Der Destroyer ruckte heftig und wippte auf seinem Fahrgestell, als er brutal abgestoppt wurde. Nurin schlug sich wieder den Kopf an. »Zehn Grad links!«, rief der Richtschütze im Kom. Protestierend heulte der Motor auf, als das tonnenschwere Gefährt herumschwenkte. »Gut so! Zwo †“ eins †“ Feuer!« »Feuer!«, wiederholte die Besatzung. Wieder saugte das Geschütz an seinem Generator und blies dann einen energetischen Strahl auf das anvisierte Ziel. Der Laser schnitt chirurgisch präzise in den Turm des feindlichen Panzers und zerschmolz ihn. Hochgehende Munition ließ das Fahrzeug zerplatzen. Eine heftige Explosionswelle und weitere Detonationen rissen eine tiefe Lücke in die Orks, die in Massen aus ihren Schützengräben flüchteten. »Guter Schuss!«, rief Nurin und verfolgte, wie das rauchende Wrack noch einige Meter weiterrollte und dann stehen blieb. Ein abgeschossenes Stück Stahl, das nur ein weiteres Opfer der grausamen Schlacht darstellte. Nurin korrigierte sein Zielvisier und musterte die Umgebung mit einem weiteren Rundblick. Vor ihnen sanken tiefe Furchen in den Boden: die Schützengräben der Orks. Erste Infanteristen stürmten über die Wände und verschwanden in der Tiefe, während heftiges Flackern die dunklen Einschnitte in der Oberfläche erhellte und ab und an Flammen emporschnellten oder Erdfontänen aufstiegen. Der Captain schwenkte das Periskop weiter und entdeckte etwas, das ihm den Atem stocken ließ. Der Leman Russ, auf dem der Kommissar gestanden und seine Leute vorwärts gepeitscht hatte, brannte in hellen Flammen und beleuchtete die Uniformen der laufenden und schießenden Gardisten. Wann hatte er denn einen derart verheerenden Treffer erhalten? Verdammt und verwünscht! Blieb nur zu hoffen, dass Nitsch überlebt hatte. So einen guten und hingebungsvollen Kommissar würde das Regiment sicherlich nirgendwo sonst finden. »Enforcer eins, Enforcer eins, hier Enforcer zwo, melden!« Statische Interferenzen überlagerten die aus dem wilden Kom-Kauderwelsch hervor dringende Stimme des zweiten Panzerjägers seiner Einheit. »Hier Enforcer eins für Enforcer zwo, melden.« »Boss, wie sieht es denn aus, melden?« »Wir haben bereits zwei Abschüsse und liegen gut davor, die Infanterie sollte aber vielleicht noch die Schützengräber säubern, melden?« »Die was?«, erkundigte sich der Kommandant von Enforcer zwo. Nurin stockte. Hatte er gerade wirklich Schützengräber gesagt? Innerlich verfluchte er sich. Er musste dringend aufhören, sich zu viele Gedanken um die Schlacht zu machen. »Schützengräben, Mann«, schnauzte er, um seine Wut über seinen Patzer zu verschleiern und den anderen Offizier abzulenken. »Was haben Sie denn verstanden, melden?« »Schützengräber, Sir. Muss wohl eine Störung gewesen sein, melden.« Nurin atmete tief ein. »Scheint so, melden.« »Verstanden. Weitere Befehle? Melden.« »Zurück in Formation, melden.« »Verstanden, eins. Ende.« Nurin nickte, als das Klicken im Kom ihm bestätigte, dass der zweite Jagdpanzer die Verbindung beendet hatte und sich wieder in Richtung des Kommandopanzers in Bewegung setzte. »Enforcer drei, hier Enforcer eins, melden.« »Enforcer eins, hier Enforcer drei, melden.« Enforcer drei war ein älterer Leman Russ, ein hoch aufragendes Ungetüm mit Plasmakanonen als Hauptbewaffnung und in den Seitenkuppeln. Man hatte ihm Enforcer drei als Ersatz für den ursprünglichen Jagdpanzer in seiner Schwadron zugeteilt, nachdem jemandem aufgefallen war, dass Nurin nicht, wie vom Munitorium eigentlich vorgegeben, einen, sondern drei Jagdpanzer befehligte. Aus diesem Grund war sein dritter Jagdpanzer abgezogen worden. Enforcer zwo hatte man ihm auch noch nehmen wollen, doch das hatte er verhindern können. Nichtsdestotrotz war ihm eine neue Einheit unterstellt worden, damit auch die Bücher des Munitoriums wieder stimmten. Die Wahl war auf einen Leman Russ Executioner gefallen, dessen letzte Schwadron bis auf dieses eine Fahrzeug vernichtet worden war. Man konnte zwar nicht umhin, die Erhabenheit und Feuerkraft des betagten Riesen zu bewundern, Nurin hasste ihn trotzdem. Zwei Jagdpanzer mit einem Leman Russ Executioner in der Formation †“ das war, als würde man Ballett mit einem Klotz am Bein tanzen. Doch so sehr Nurin das wuchtige Panzerfahrzeug wegen seiner Unförmigkeit auch verachten mochte, es besaß unbestreitbare Vorteile in Situationen wie dieser. In erster Linie war der Plasma-Panzer ein tödlicher Vernichter, der alles, Leiber als auch Panzerung, mühelos durchschlug und verdampfte. Im Gegensatz zu den beiden Jagdpanzern besaß er damit ein weniger zielgerichtetes Zerstörungspotenzial, das sich nun voll entfalten ließ. »Enforcer drei, Ihr Auftritt. Enforcer zwo und ich geben Rückendeckung, melden.« »Verstanden, eins. Drei übernimmt die Führung, melden.« »Enforcer eins an Enforcer zwo. Haben Sie mitgehört, melden?« »Hier Enforcer zwo. Haben mitgehört. Warten auf weitere Anweisungen, melden.« »Eins an zwo und drei. Ausführung. Ende!« Nurin verfolgte, wie der große Kampfpanzer seinen Destroyer überholte und sich Schlamm aufwirbelnd an die Spitze der Formation setzte, während er mit flammenden Plasmakanonen über die breiten Schützengräben hinwegsetzte, die von Massen imperialer Infanterie geflutet wurden. Zwei gute Panzerlängen vor Enforcer drei setzten Höllenhunde mit langen Flammenlanzen aus ihrer Hauptbewaffnung die Umgebung in Brand und versengten grüne Orkkörper zu Dutzenden. Grimmig lächelte der Captain. Auch wenn ein überhasteter Befehl und schlechte Kommandostrukturen den Angriff eingeleitet haben mochten, der Erfolg sprach für sich. Eines musste man dem irren Architekten dieses Sturms lassen: Er schien sich den richtigen Zeitpunkt für sein Handeln ausgesucht zu haben. Mit ratternden Maschinengewehren heulte ein Pikk-Up auf die imperialen Stoßtruppen zu. Ein neues Ziel für Jaorah Nurin und seinen Destroyer. Der Captain war sich sicher: Er würde der letzte sein, an dem die Operation scheiterte! »Richtschütze! Auf zwei Uhr, circa dreihundert, feindlicher Transporter †“ Feuer frei!« *** Die Holosphäre flackerte gerade, als Ekko das Kommandozelt betrat. Ligrev sah auf, sichtlich erfreut, einen der Kommandooffiziere zu sehen und sich der ihm kurzzeitig übertragenen Verantwortung für das vorrückende Regiment entziehen zu können. Als er erkannte, wer ihm die Verantwortung abnehmen würde, verzog der das Gesicht. »Colonel Ekko«, murmelte er. »In der Tat«, antwortete Ekko und trat sofort an die holografische Anzeige, die ihm einen Überblick über das Schlachtfeld bot. Er dachte nicht einmal daran, Ligrev um eine kurze Einweisung zu bitten. An einigen Stellen der Karte flackerten kurze Abschnitte in bedrohlichem Rot auf. Dort schienen heftige Nahkämpfe im Gange zu sein. Allerdings hatten die Imperialen viel an Boden gut gemacht. Sogar verdammt viel, musste er zugeben. Wie hatten die Truppen es geschafft, soweit vorzurücken? Das war … fantastisch! Tatsächlich hatten die ersten Infanterietrupps die Schützengräben der Orks gestürmt und räucherten sie nun aus, um alle Reste des grünen Abschaums zu vernichten, während eine Beule aus Kampffahrzeugen des 35sten Desposia den fliehenden Xenos nachsetzte und sie in Scharen ausrottete. Was ursprünglich von ihm in einer unbedachten Reaktion ausgelöst worden war, um seine Männer zu retten, hatte eine Eigendynamik entwickelt, die jede im ursprünglichen Plan errechnete Erfolgschance bei weitem übertraf. »Großartig«, murmelte er zu sich selbst. »Der Angriff läuft fast wie von selbst.« Ligrev, der sich sofort angesprochen fühlte, schnaubte verächtlich. »Nur dank des Wirkens von General Iglianus. Der General befindet sich im Kommandozentrum und versucht, Ihre kolossale Unfähigkeit auszubügeln. Er hat verlautbaren lassen, dass er sich noch mit Ihnen befassen wird.« »Das ist gut«, stimmte Ekko zu. »Endlich interessiert sich mal jemand für mich.« Dann beachtete er Ligrev nicht weiter. »Fünfhundertzwölftes stürmt jetzt die feindlichen Linien«, meldete ein Gefechtsbeobachter im Kom. Ekko nickte seinen Funkern zu. »Sehr gut. Sorgen wir dafür, dass die Offensive in Schwung bleibt. Stellen Sie mir eine Verbindung zu Captain Balgor her.« »Verstanden, Sir.« Der Colonel warf einen kurzen Blick zu Gireth, der bereits wieder seinen Platz eingenommen hatte und pflichtbewusst die einkommenden Gefechtsmeldungen bestätigte. Man konnte seiner Körperhaltung jedoch ansehen, dass er noch immer unter dem Eindruck der Ereignisse stand und Ekko konnte sich sehr gut vorstellen, dass der junge Basteter erst noch die volle Wucht des Erlebnisses zu spüren bekommen würde. Später, wenn der Kampf abgeflaut war. Es war dringend notwendig, dass er mit jemandem sprach †“ am besten Carrick oder einem anderen, auf keinem Fall Ligrev oder ihm selbst. Bei ersterem würde er sich vermutlich selbst sofort erschießen, bei letzterem … Ekko unterbrach seine Gedanken, als er eine schnoddrige, raue Stimme vernahm, die durchs Funkgerät dröhnte. »Nachricht vom Chef? Was ist denn los?« »Colonel, ich habe Captain Balgor!«, meldete einer der Funker. Ekko trat an das Funkgerät, ignorierte den stechenden Blick, den der Kommissar auf ihn richtete und griff sich einen bereitliegenden Hörclip mit Mikrofon. »5120201, hier Azrael. Wie hören Sie mich?« »Laut und deutlich, Chef.« »Wo sind Sie gerade, Balgor?« »Sie meinen, bevor Sie mich in Deckung zwangen?« Balgor diente seit vielen Jahren mit Ekko. Tatsächlich hatte Ekko den Captain aus seiner Zeit bei der PVS mitgebracht und ihre Freundschaft hatte nicht nur einige Dinge erlebt, sondern auch viele von Ekkos Eigenschaften auf Balgor übertragen †“ unter anderem eine recht eigenwillige Art, mit anderen umzugehen. Ekko selbst hatte oft Schwierigkeiten, mit der Art seines Untergebenen klar zu kommen, vor allem, weil er wusste, dass er selbst so war. Und wie wohl Abermilliarden andere Menschen vor ihm hatte er sich nie einen Plan zurechtgelegt für den Fall, es einmal mit sich selbst als Gegner zu tun zu bekommen. »Bestätigt«, sagte er nur. »Fünfzig Meter hinter dem Vierten Zug, Boss.« Retexer, dachte Ekko. Retexer war bekannt dafür, immer der Erste an der Front zu sein, um seiner Familie Ruhm und Ehre zu bringen. Wäre Ekko nicht Ekko gewesen, dann hätte er den Captain für wahnsinnig gehalten. Aber leider †“ oder glücklicherweise †“ stand ihm ein solches Urteil nicht zu. An die Gründe dafür brauchte er sich jetzt nicht zu erinnern. »Dann will ich Sie auch nicht länger als nötig aufhalten, Balgor!« Als der Captain antwortete, klang er überrascht. »Dann … war schön, dass Sie mal reingehört haben.« »Ich habe nicht gesagt, dass Sie keinen Auftrag haben, Captain!«, stellte Ekko klar. Balgor lachte auf. Ein Kettenfahrzeug passierte seine Position mit rasselnden Ketten. Es klang unheimlich. »Habe ich nie angenommen, Colonel. Also, was soll ich tun?« Ekko unterdrückte ein Seufzen. Er war verdammt schwer, seine Leute am Leben zu halten. Balgor stellte jedoch unter ihnen allerdings noch eine Besonderheit dar. Er besaß eine derart treffende Art, unbedachte Äußerungen zu parieren, dass Ekko selbst ihn oft genug schon hatte erschießen wollen. Ligrev wusste das und wartete nur auf die Gelegenheit. Grund genug, sie ihm nicht zu geben. »Wir wissen zwar, dass die PVS diese Schützengräben ursprünglich als Schutz vor den im Ödland lebenden Orks errichtet hatte, aber nachdem die Grünhäute die PVS als … Besitzer ablösten, haben sie sicherlich einige unangenehme Überraschungen für uns zurückgelassen.« Stille herrschte am anderen Ende der Leitung vor, bis die Verbindung wieder zu knistern begann. Heftiges Laserfeuer und Schreie waren im Hintergrund zu vernehmen. »Worauf wollen Sie hinaus, Ekko?« »Verbrennen Sie die Gräben, Balgor. Bis nichts mehr übrig bleibt.« »Was ist mit den Überresten der PVS?« »Ich denke nicht, dass da noch irgendetwas von PVS lebt, Balgor.« »Außer vielleicht den zurückgelassenen Rationen«, sinnierte der andere. Eine heftige Explosion ließ die Funkverbindung kurz knistern und verstümmelte eine häretische Verwünschung des Captains. »Nicht verstanden?«, fragte Ekko. »Ich sagte: Ein Hoch auf unsere Artillerie.« »Gut, gut«, murmelte Ekko und versuchte, Ligrevs Blick in seinem Rücken weiterhin zu ignorieren. Es fiel ihm nicht gerade leicht. »Also †“ falls Ihnen Rationen der PVS über denen Weg laufen, nehmen Sie sie fest. Wir katalogisieren die neuen Lebensformen später. Alles andere verbrennen Sie, verstanden?« Wieder schwieg Balgor. Das Besondere an den Wortgefechten zwischen dem Captain und dem Colonel war, dass sie ausgeglichen abliefen. Mal gewann der eine, das andere Mal der andere. So war es schon seit langem und so würde es vermutlich bis ans Ende ihrer Tage sein. Beide hatten sich damit abgefunden. Es war ihre Art, einander den Respekt entgegenzubringen, der ihre Freundschaft ausmachte. Als dem Captain aufging, dass er dieses Mal den kürzeren gezogen hatte, meldete er sich. »Habe verstanden, Azrael. Wir werden die Schützengräben ausbrennen. 5120201, Ende!«
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