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TabletopWelt

Stargazer (Abgeschlossen 17.04.2015)


Empfohlene Beiträge

Salvete, liebe Leser,

Es hat wieder einmal ein wenig länger gedauert, bis etwas fertig geworden ist, dafür kommt das neue Kapitel jetzt mit 15 Seiten. Have fun!

Hier übrigens besonders, denn dies ist der 100ste Post!

Wie immer Dank an Nakago, der den Fluffy korrigiert hat †“ dieses Mal vermutlich mehr Arbeit für ihn als sonst ;-D

Mavet Me†™shamaim!

Da Sista

33

Die Regimentsuhren deuten bereits an, dass es auf den Abend zuging, obwohl die Sonne nach wie vor hoch am Zenit stand.

Noch immer tobte die Schlacht um die Himmelskathedrale mit unerbittlicher Härte, ein wilder Gewittersturm vor der Kulisse einer in Flammen, Rauch und Staub gehüllten Toranlage.

Inzwischen hatten es die imperialen Truppen irgendwie fertiggebracht, die grüne Flut hinter die Außenmauern der Kathedrale zurückzudrängen und den Haupteingang zu sprengen.

Ununterbrochen röhrten die Motoren der Chimären durch die rapide kälter werdende Luft, während die Schützenpanzer mit ihren Räumschaufeln Sand und Erde herbeischafften, um die provisorische Sperre während des Gefechts weiter zu verstärken.

Zwischenzeitlich hatte auch der Beschuss der Ork-Artillerie wieder eingesetzt, ein beständiges Dröhnen und Donnern jenseits der dämpfenden Mauern des Beinhauses.

Captain Balgor klopfte seine von Dreck und Blut verkrustete Uniform ab, als er durch den zur Seite gleitenden Vorhang in die improvisierte Kommandozentrale der imperialen Truppen trat. Staub löste sich von seinem Drillich, rieselte als feiner Regen zu Boden.

Wie beiläufig ließ der Basteter seinen Blick durch den Raum schweifen, in dem sich bereits ein halbes Dutzend Offiziere versammelt hatten †“ einige von ihnen im selben desolaten Zustand wie er.

Ekko stand mit Major Carrick am Rand des Holotisches, auf dem die Abbildung der mächtigen Himmelskathedrale flimmerte und sich bei jedem schwereren Treffer für einen Augenblick verzerrte.

Eigentlich wollte Balgor an seinen Freund herantreten, um sein verspätet Eintreffen zu entschuldigen, doch der Vorgesetzte entdeckte ihn, bevor er seine Meldung machen konnte.

»Ich habe gehört, Sie feiern da eine Party zu meinem Geburtstag?« Entrüstet schüttelte der Colonel den Kopf. »Sie feiern meinen Geburtstag †“ und ich bin nicht einmal eingeladen?!«

Von der unerwarteten Begrüßung überrumpelt, konnte Balgor lediglich die Schultern zucken. »Es war eine Überraschungsfeier«, erklärte er nach eine kurzen Zeit der Ratlosigkeit. »Ich war selbst total überrascht.«

Darüber musste der Colonel erst einmal nachdenken. Schließlich neigte er zustimmend den Kopf. »Ja, gut. Den Punkt gestehe ich Ihnen zu.«

»Danke, Chef«, erwiderte der rangniedere Basteter erfreut.

Gütig winkte Ekko ab. »Kein Ursache. Aber wo wir schon bei Ursache sind«, fügte er nach einer Kunstpause an, »bitte sagen Sie mir, dass mein Trommelfell für eine gute Sache geplatzt ist.«

»Ich weiß, was Sie meinen.« Balgor verzog die Mundwinkel zu einem bitteren Lächeln. »Um Captain Retexer zu zitieren: ‚Wir haben es geschafft†˜. Aber ob das wirklich so gut war, müssten Sie entscheiden.«

»Sie haben das Tor zurückerobert?«, warf Major Carrick ein, dessen Ohren sich seit dem Vorfall mit Sergeant Krood in ständiger Abhörbereitschaft befanden.

»Nein. Wir haben es eher zerstört«, präzisierte der Captain und kratzte sich verlegen am Kopf. »Es ist eingestürzt.«

Die Miene des Majors entgleiste mit der Geschwindigkeit eines Schnellzuges auf einer defekten Schienenweiche. Das wohl Schlimmste, was in einer Situation wie der ihren geschehen konnte, war eingetreten: Ihre wohl einzige Rückzugsmöglichkeit war (im wahrsten Sinne des Wortes) zusammengebrochen. Damit ging jede Hoffnung dahin, den Ausbruch aus der belagerten Feste der Kathedralenstadt wagen zu können.

»Das ist ein Scherz«, brachte der imperiale Offizier fassungslos hervor.

Sein Gegenüber schüttelte den Kopf. »Nein, leider nicht.«

»Ja, in der Tat eine etwas ärgerliche Information.« Im Gegensatz zu Carrick, dessen Gesichtsfarbe mit deutlich steigender Geschwindigkeit in den alarmroten Bereich wechselte, nahm Ekko die Lage mit der objektiven Betrachtungsweise eines Taktikers auf, der eine solche Entwicklung erwartet hatte und nun eine neue Lösung für das entstandene Problem suchte. »Aber gut, da kann man vermutlich nichts machen.« Ein Schulterzucken folgte. »Egal. Könnte sich sogar als hilfreich erweisen.«

»Hilfreich?«, murmelte Carrick, entrüstet vom Desinteresse seines Vorgesetzten.

Ekko nickte. »Ja. So kann wenigstens keiner weglaufen.«

Carrick und Balgor wechselten einen flüchtigen Blick, nicht sicher, was sie von der Bemerkung ihres Kommandeurs halten sollten.

Dieser maß derweil seinen Blick mit der Leere des Fußbodens, welche ihm einige neue Gedanken in den Kopf flüsterte. Er runzelte die Stirn und sah auf. »Sagen Sie, Balgor, wer führt jetzt eigentlich Ihre Truppen?«

Der plötzliche Themenwechsel, eigentlich typisch für den Basteter, lockte seinen Untergebenen erneut aus der Reserve. Balgor verzog missmutig das Gesicht, als er daran erinnert wurde, dass es für ihn keine andere Möglichkeit gegeben hatte, als seine Soldaten der Person zu unterstellen, der er in diesem Regiment wohl am wenigsten vertraute. »Retexer«, gab er kurz angebunden zurück.

»Sie haben Retexer das Kommando über Ihre Truppen übergeben?« Ekko schürzte anerkennend die Lippen. »Mutig. Selbst, wenn es nur temporär ist.«

»Punkt für Sie, Chef«, musste der Captain, wenn auch deutlich widerwillig, eingestehen.

»Notiert«, schloss der Kommandeur des 512. das kleine Geplänkel ab und wandte sich an die Allgemeinheit der Versammelten. »Also gut. Wir haben wenig Zeit, daher lassen Sie uns anfangen.«

Konzentrierte Stille stimmte ihm zu. Die Anwesenden blickten zur hololithischen Anzeige, die das Gebiet der Himmelskathedrale im satten Blau der verbündeten Truppen zeigte, während die rote Flut der Angreifer gegen ihre Mauern brandete.

Ekko trat an den Plot und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. »Gute Arbeit«, gratulierte er, ohne sich in langen Einleitungen über die taktische Situation zu verlieren. »Ich bin beeindruckt, dass es Ihnen so erfolgreich gelungen ist, die Grünhäute wieder aus der Stadt zu jagen. Meinen Hut haben Sie!«, er klopfte auf die Schirmmütze, die auf dem Plottisch drapiert lag. »Aber das bedeutet nicht, dass wir uns jetzt zurücklehnen und die Hände in den Schoß legen können.« Ganz beiläufig versenkte er die Hände in den Taschen seines Drillichs. »Der Feind ist noch immer zahlreich, und sicherlich wird er sich bald neue Gemeinheiten einfallen lassen, um den Wall unserer Verteidigung zu durchbrechen und in das Innere dieser heiligen Stätte vorzudringen.«

Er wies auf die hololithische Anzeige, als wäre sie ein Gemälde, über dessen Entstehung er gerade referierte.

Synchron zu seiner Bewegung fror das Bild ein, verlosch für eine oder zwei Sekunden, dann spulte es mit hoher Geschwindigkeit zurück. Das um die Außenmauer wogende Meer roter Photonen brach durch die Außenmauer, vermischte sich mit den dort wartenden blauen Photonen, trieb sie gemächlich vor sich her, erstellte leere Quadrate, entschied sich dann anders, zog sich wieder zurück und löschte die Quadrate, bis die Ausgangslage der Schlacht wiederhergestellt war. Es hätte nur gefehlt, dass jemand Staub von der holografischen Mauer fegte.

Das Bild fror erneut ein, flackerte und startete dann mit leicht erhöhter Geschwindigkeit die während der Schlacht erstellte taktische Aufnahme.

Ekko drehte sich wieder zu den Anwesenden. »Gut fünfzehn Minuten, nachdem die Orks durch den äußeren Ring der Kathedrale gebrochen waren, schafften sie es, eine Lücke in der Verteidigung zwischen den Trupps des zweiten und des zwölften Zugs aufzutun.« Er deutete auf die hoch über dem Projektor flimmernde Darstellung der Himmelskathedrale, durch deren Außenmauer die blutrote Flut des Xeno-Abschaums schwappte. »Noch während die direkt am Feind befindlichen Einheiten versuchten, die über sie hinwegrollenden Wellen von Gegnern zu stoppen, drängten mehr und mehr Xenos in den schnell wachsenden Durchbruch.«

Schnell füllte sich das Bild mit leeren Quadraten, die Überbleibsel dessen, was einst imperiale Infanterietrupps gewesen waren.

»Etwa eine halbe bis dreiviertel Stunde in die Schlacht hinein begannen die ersten unserer Einheiten die taktische Rückverlegung in den zweiten Verteidigungsring. Ich möchte an diesem Punkt Captain Balgor und Captain Rosol danken, die in ihrer Geistesgegenwart so einen vollkommenen Zusammenbruch der Frontlinie verhindert haben.«

Er nickte den beiden Offizieren kurz zu, bevor seine Aufmerksamkeit zu der Holografie zurückglitt.

»Zu den Verlusten kommen wir später. Es dauerte fast eine Stunde, bis die Rückzugslinie soweit etabliert war, dass wir einen Gegenangriff starten konnten. Ebenfalls war hier Captain Balgor federführend.«

Ein feiner Stachel bildete sich aus der Front der Imperialen, stach tief in das von Licht erzeugte Fleisch des Feindes.

»Die nächsten vier Stunden waren unsere Truppen damit beschäftigt, das vom Feind eroberte Gebiet zurückzunehmen und zu befestigen, bis es uns gelang, den Feind aus der Außenmauer zu treiben und diese für ihn zu schließen. Den Knall dürften Sie alle gehört haben.«

Ungehaltenes Murren stimmte zu. Es gab wohl niemanden, der nicht durch die mächtige Explosion des Haupttores erschüttert worden war.

»Dafür zeichnete Captain Retexer verantwortlich.« Ekko verschränkte die Arme hinter dem Rücken. »Ich überlege noch, ob ich ihm dafür wirklich dankbar sein sollte. Durch diese †“ nennen wir es einfach einmal ‚Operation†˜ †“ wurde das Haupttor der Außenmauer gesprengt und versperrt. Somit sind uns alle Möglichkeiten, diese Kathedrale in einem Ausfall zu verlassen, genommen worden.«

»Würde es denn einen Unterschied machen, ob wir hier kämpfend zugrunde gehen oder bei dem Versuch eines Ausbruchs aus dem Kessel massakriert werden?«, wandte Captain Tand fragend ein.

»Macht es einen Unterschied, ob ich Ihnen ins Gesicht schieße oder in den Rücken?«, gab Ekko rhetorisch zurück.

Der rangniedere Offizier schloss mit vernehmlichem Klicken den Mund.

»Ein Ausbruch wäre uns sowieso nicht gelungen«, fügte Captain Dees an. Der Kommandant des dreiundzwanzigsten Zugs kniff nachdenklich die Augen zusammen. »Aber was mich viel eher interessiert, Sir, weshalb haben wir nicht †“ wie geplant †“ die Generatorgebäude gesprengt und sind in den zweiten Ring ausgewichen?«

»Da müssen Sie dem Munitorium danken.« Ekko neigte seinen Kopf in Richtung der Munitoriumsangestellten, die am Rande ihrer Runde standen, sich aber urplötzlich im Zentrum des Interesses wiederfanden. »Aufgrund der Tatsache, dass weder die Raketenbatterien zur Feuerunterstützung, noch die Generatorgebäude zur Sprengung vorbereitet waren, stand ein Rückzug nicht zur Debatte.«

Das leuchtete ein. Jeder von ihnen hatte in den vorherigen Besprechungen erkannt, wie wichtig die Feuerunterstützung und die Neutralisierung der Schildgeneratoren waren, um einen gedeckten Rückzug in den zweiten Ring der Kathedrale zu ermöglichen.

Mehrere Dutzend Augenpaare warfen sich vielsagende Blicke zu, vernichteten das verbliebene Selbstvertrauen der Administraten mit deutlicher Sprache.

»Inzwischen hat die Führung des Munitoriums gewechselt«, tat der Colonel kund, um die Aufmerksamkeit der Männer zurück auf sich zu lenken. Er blickte in überraschte Gesichter. »Daher bin ich mir sicher, dass wir, sollten wir noch einmal in eine ähnliche Lage wie heute kommen, entsprechend darauf reagieren können.« Er gab den Offizieren kurz Zeit, ihre Gedanken zu sammeln und sich darüber klar zu werden, dass augenscheinlich er den vorherigen Obersten des Munitoriums ‚abgesetzt†˜ hatte. Und tatsächlich ließ sich in den Gesichtern einiger Offiziere erkennen, dass sie ihre bereits festgesetzte und eingerahmte Meinung über ihn zu revidieren schienen, während er zu dem Thema zurückkam, das ihm im Augenblick am meisten Sorgen bereitete.

»Sie haben den Verlauf der Schlacht gesehen, meine Herren †“ ein Teil von ihnen hat daran sogar teilgenommen. Ich bitte um Ihre Meinungen«, adressierte Ekko seine Untergebenen mit einem kritischen Blick, der besonders die Captains bedachte, die soeben von der Front zurückgekehrt waren.

»Sehr professionell«, bemerkte Balgor sorgenvoll. »Die Xenos waren gut organisiert und haben sich schnell und gnadenlos durch unsere Linien gearbeitet.«

Rosol an seiner Seite nickte. »Dasselbe beim Gegenstoß. Wir hatten wirklich schwer zu kämpfen, den Angriff zu stoppen und zurückzuschlagen.«

Ekko nickte. »Irgendetwas von der gepanzerten Truppe?«, wandte er sich an die anwesenden Fahrzeugführer der Schützenpanzer und Jagdpanzer.

Captain Nurin hatte bereits für sich entschieden, der Besprechung nicht beizuwohnen und stattdessen seinen Stellvertreter, Lieutenant Rand, geschickt.

Inmitten der vielen ranghöheren Offiziere kam sich der Panzerkommandant offensichtlich unwohl vor, weswegen er lediglich eifrig den Kopf neigte und ganz offensichtlich hoffte, der Kelch eines Wortes möge möglichst schnell an ihm vorübergehen.

»Ich kann dem nur zustimmen«, sprach ein anderer Lieutenant glücklicherweise aus und erlöste den Panzerjäger somit von der Pflicht, selbst ein Wort zu verlieren. »Der Angriff der Xenos besaß eine ungewohnte Härte. Man könnte fast von einem Ansatz von … ‚Taktik†˜ sprechen.« Ganz eindeutig vermied er den Begriff ‚Professionalität†˜. Das war etwas, das Xeno-Abschaum nicht besaß.

Ekko ließ seinen Blick weiterschweifen. Die meisten seiner Offiziere nickten, sagten aber nichts. Ihnen allen war klar, dass er selbst einen recht genauen Überblick über ihre Lage besaß und diesen lediglich untermauert oder widersprochen sehen wollte.

»Das bestätigt den Eindruck, den wir hier oben gewonnen haben«, fasste der Colonel seine Sicht zusammen und ließ die Augen zu seinem Stellvertreter schweifen, der ihn seinerseits ernst ansah. »Und auch ihr bisheriges Verhalten. Es kommt einem fast so vor, als wenn sich die Grünhäute nicht nur zusammengerottet haben, sondern auch eine verhältnismäßig straff und taktisch organisierte Führung besitzen.«

Er ließ die Worte für einige Momente im Raum stehen, bevor er zu einer größeren Erklärung seiner Ansicht ausholte. Vermutlich wäre das nicht nötig gewesen, denn jeder der Offizier hatte die heftigen Abwehrkämpfe im äußersten Ring der Kathedrale mitbekommen und daraus seine eigenen Schlüsse gezogen.

»Wollen Sie sagen, dass diese Grünhäute geführt werden?«, rief Captain Dees aus. Der Unglauben auf seiner Miene deutete an, dass er noch nie einen Ork-Angriff auf Bastet III erlebt hatte.

»So unmöglich ist das nicht«, erwiderte Balgor mit vielsagender Gestik. »Je nach Einfluss eines bestimmten Bosses oder sogar Oberbosses rotten sich Orks zu kleineren oder größeren Horden zusammen und sind dann zu erstaunlichen Leistungen fähig.«

Dass er damit eine bereits zu früherer Zeit getroffene Aussage Colonel Ekkos wiederholte, interessierte dabei niemanden (einmal abgesehen von der Tatsache, dass die Worte des Regimentskommandeurs bei den meisten der Offiziere sowieso längst einem stressbedingten Fall von Alzheimer zum Opfer gefallen waren).

Dees stieß abschätzig Luft aus. »Und woher wollen Sie das wissen?«

»Erfahrung«, schoss eine andere Stimme dazwischen. Zur Überraschung war es die ihres Majors. »Haben Sie jemals einen Überfall der Orks auf Bastet III miterlebt?«

Der rangniedere Offizier schwieg betreten, doch das war es nicht, was einen weiteren vernichtenden Angriff von Seiten Major Carricks auf ihn verhinderte.

»Wie sieht es mit unseren Verlusten aus?«, warf Captain Solmaar ein, strangulierte somit die sich entwickelnde Grundsatzdiskussion galant und verhinderte gleichzeitig, dass Colonel Ekko die Gelegenheit erhielt, eine zweifelhafte Motivationsrede zu halten.

»Wir sind noch immer dabei, die tatsächlichen Verluste zu ermessen, aber nachdem, was wir bisher wissen, dürfte sich die Anzahl der Toten bei ungefähr einhundertneunzig einpendeln«, antwortete Carrick, dankbar über die wohlkalkulierte Unterbrechung und strich sich durch sein blondes Haar.

»Ist das gut oder schlecht?«, versuchte sich Tand ein Bild zu machen.

»Im Verhältnis zu den eigenen Abschüssen ist das außerordentlich gut. Im Verhältnis der uns zu Verfügung stehenden Truppen allerdings …« Carrick konsultierte eine unendlich wirkende Zeitspanne lang das Wörterbuch der Stille, ließ die Sekunden für ihn in den vergilbten Seiten der Erinnerung wühlen, bevor er sich zu einer recht deutlichen Beschreibung der Lage durchrang, »sollten wir uns keine Hoffnung auf ein Überleben machen.«

Das saß. Obwohl es eigentlich allen bereits klar gewesen war †“ die Vorübungen am Hologenerator und die Besprechungen mit den Vorgesetzten hatten keinen Zweifel an dem gelassen, was ihnen bevorstand †“ brauchten die Männer etwas, um das Eingeständnis zu verdauen.

»Ihre Zuversicht motiviert mich ungemein, Major.« Abwesend zog Ekko die Stirn kraus und klopfte leise auf den Plottisch, was einen schaurigen Hall durch das Beinhaus jagte. Dass ihn die Verluste des Regiments beschäftigten, war keine wirkliche Überraschung. Ekko hing zu sehr an seinen Männern, als dass er sie freiwillig dem Tod preisgegeben hätte.

Dass er allerdings in sich kehrte und gedankenverloren vor sich hin meditierte, kam eher selten vor und war, selbst in Bezug auf seinen in der Regel ernsten Umgang mit Verlusten unter seinen Leuten, recht ungewöhnlich.

»Und was steht uns noch an schwerem Gerät zur Verfügung?«, erkundigte er sich nach einer Weile. »Jagdpanzer?«

»Die Destroyer sind unbeschädigt«, meldete Lieutenant Ves sofort.

Der Kommandant der abgeteilten Transporter und Schützenpanzer hängte seinen Bericht gleich hinter die Meldung des Panzerkommandanten. »Hinzu kommen siebzehn Salamander und zweiunddreißig Chimären.«

»Zweiunddreißig Chimären?!«, rief Fendel aus. »Wir waren doch bei einundvierzig!«

»Es tut mir leid, Sir«, rechtfertigte sich der Mann. »Aber ohne Infanterieunterstützung ist selbst ein Infanterieabwehrpanzer wertlos.«

Die unverhohlene Anklage verfehlte ihre Wirkung nicht, auch wenn sie in die vollkommen entgegengesetzte Richtung dessen ging, was der Panzersoldat eigentlich beabsichtigt hatte.

Unwilliges Murren klang an, wie das anschwellende Summen in einem wütenden Bienenstock, tiefes Missfallen über den offenkundigen Angriff eines Panzerfahrers, der außer der beengten Umgebung in seinem Eisensarg nicht viel vom Leben verstand.

»Was soll denn das bedeuten?«, rief Captain Dees aus.

Der Panzerzugführer wandte sich ihm zu und setzte gerade zu einer harschen Erwiderung an, als eine verbale Ohrfeige durch das Gebäude schallte.

»Es reicht!«, bellte Ekko. Seine Stimme hallte sprang zwischen den Wänden des Beinhauses umher, erschlug die aufkeimende Konfrontation mit der Präzision eines Flächenbombardements. »Ich weiß nicht, wer sich hier von wem verlassen fühlt …« Bereits während er diese Worte aussprach, entdeckte sein Verstand eine bemerkenswerte Verbindung zwischen der sich entwickelnden Atmosphäre und seiner Beziehung zum Gott-Imperator und dem Universum … auch, wenn es da vermutlich nicht einmal eine Verbindung gab, »aber bleiben Sie fokussiert, thronverdammt! Wir haben eine Aufgabe vor uns! Und selbst, wenn ich als Kommandeur dieser Einheit den Auftrag habe, den Feind von diesem Ort fernzuhalten, kann ich das nur schaffen, wenn Sie mir helfen und sich nicht gegenseitig mit der Stiefelspitze im Verdauungstrakt rumstochern!

Dämlich sein können Sie woanders †“ Sie alle! Also hören Sie gefälligst mit dem Mist auf!«

Betretenes Schweigen kehrte ein, nahm mit der Präzision eines frisch ausgebildeten Rekruten Haltung an.

»Weiter im Text«, grummelte der Colonel, während er einen ätzenden Blick auf seine Untergebenen herniedergehen ließ. »Die Panzer sind durch. Was ist mit der Luftunterstützung?«

»Dann haben wir noch drei Walküren …«

»Zwei«, verbesserte Balgor. »Eine davon ist explodiert.«

Carrick schüttelte den Kopf, erbost über die unerwünschte Unterbrechung. »Nein, drei. Vorher hatten wir vier.«

Der Captain schloss mit vernehmlichem Geräusch den Mund und hob die Augenbrauen. »Ach ja, richtig.«

»Die abgeschossene Walküre ist ein Totalverlust. Die Einheit wurde beim Aufschlag vernichtet, ebenso ein Wohnblock. Kleinere Feuer wüten noch in der Umgebung, aber diese dürften im Laufe der Nacht ausbrennen«, präzisierte der Major den Verlust, ohne auf Captain Balgors neuerliche Bemerkung einzugehen.

»Können wir die Teile der abgestürzten Maschine ausschlachten und verwerten?«

»Da ist nicht mehr viel zum Verwerten, Sir«, wusste einer der Maschinenseher mit hallender Stimme ergänzend zu berichten.

Ekko verzog das Gesicht, mehr über die unerfreuliche Information angegriffen als über die metallen scheppernde Traurigkeit, die dieses Wesen als seine Stimme zu bezeichnen wagte. »Das ist natürlich ärgerlich.« Ein kurzer Moment unruhiger Stille folgte. »Was ist mit dem Sky Talon? Ist er bereits wieder einsatzbereit?«

»Nein«, enttäuschte der Techpriester Ekkos Hoffnungen nur äußerst ungern. »Bisher ist es uns nicht gelungen, den Maschinengeist wieder zu wecken. Wir verdoppeln unsere Bemühungen«, fügte er eilends an, um die finstere Miene des Festungskommandanten zu besänftigen.

»Gut«, gab Ekko launisch zurück. »Aber sind Sie sich sicher, dass das etwas bringt? Ich meine: So viel Massageöl, wie sie auf den Flattermann verwandt haben - müsste der arme Geist da nicht bereits ausgeglitscht sein und sich das Genick gebrochen haben? Wollen Sie nicht doch lieber etwas anderes versuchen? Ein Ritual des Fußtritts vielleicht?"

Rasselndes Zischen rauschte an die frische Luft, übertrug die Schwingungen halbmenschlichen Unmuts in den Raum. »Colonel! Die Wiedererweckung eines Maschinengeistes ist eine überaus heilige Prozedur! Wie können Sie es wagen …?«

»Wie können Sie es wagen, meine kostbare Zeit mit Ihren Unzulänglichkeiten zu stehlen?«, schoss der Colonel zurück. Er fasste sich entnervt an den Kopf und versuchte, seinen vorherigen, inzwischen in wilder Flucht befindlichen Gedanken erneut zu greifen. »Carrick, ich benötige noch einmal die Aufstellung aller Regulären und Irregulären … wie viele haben wir jetzt noch?« Seine Hand wedelte unterstreichend in Richtung holografische Kathedrale.

»Uns bleiben †“ je nach Lage der Verletzten †“ so ungefähr tausendneunhundert Soldaten des Regiments, dazu die achtzig Infanteristen von Lieutenant Valeen und Kommissar Reit.«

Bei der Erwähnung des ominösen Kommissars, der wohl offensichtlich da, aber bisher noch nicht gesichtet worden war, verfinsterte sich die Miene des Regimentskommandeurs erneut.

»Außerdem sind uns zweitausendneunhundert Munitoriumsangestellte verblieben und tausendneunhundert Zivilisten.«

»Verstehe.« Ekko verschränkte nachdenklich die Arme und strich sich mit der Linken über seinen unsauberen Drei-Tage-Bart. Ein neuer Plan begann, sich durch seine Gehirnwindungen zu schieben, zog ein Buch mit unkonventionellen Ideen aus dem Taktik-Regal, konsultierte danach die Erlebnisse der letzten Tage und den Erfahrungsschatz des Colonels, naschte schlussendlich an der Schublade des Wahnsinns und schickte sich dann an, mit erstaunlicher Lebensfreude zu Tage zu treten.

»Ich würde gern noch einmal die Verteidigung des ersten Rings ansprechen.« Balgor verschränkte die Arme vor der Brust und vollführte mit der noch freien Hand eine knappe, erklärende Geste in Richtung des hololithischen Bilds, das kalte Energie in den Raum abstrahlte.

Ekko nickte einladend, kaum dass seufzend er festgestellt hatte, dass sein Gedanke soeben geplatzt war. »Fahren Sie fort.«

»Unsere Schützengräben sind im Grunde nicht mehr existent«, führte der Captain seine Zuhörer tiefer in die Problematik, während er Captain Rosol einen Blick zuwarf. Der andere Offizier neigte zustimmend den Kopf. »Wir haben das gesamte Areal total zerstört. Um es kurz zu machen: diese Trümmerlandschaft zu halten, ist fast erfolgversprechend wie eine Paarung zwischen einem Tau und einem Kroot. Nichts für ungut, Sergeant.«

Schallendes Gelächter brandete auf, drosch mit der Gewalt einer Sturzwelle auf die Wände und Pfeiler des Raumes ein.

Sämtliche während der letzten Stunden aufgestaute Spannung entwich in die vom Schweißgeruch geschwängerte Luft, presst Sorgen und Nöte für einige Momente durch die Ritzen in den verbarrikadierten Fenstern und das flatternde Tuch des Haupteingangs aus dem Raum.

Erleichterung wehte mit der zurückströmenden Luft in das Beinhaus, befreite die Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften wenigstens für einen Moment lang von der schweren Last der Verantwortung und dem Stress der Schlacht.

Lediglich Gren Krood fand nicht so recht in den Humor der Situation.

Tatsächlich zeigte die Miene des Elite-Unteroffiziers keinerlei Regung. »Ich werde es überleben«, nahm er den plötzlichen Heiterkeitsausbruch der Offiziere hin, jedoch nicht, ohne eine leise, boshafte Warnung in Richtung des Basteters auszusprechen: »Ob man das auch von Ihnen sagen kann?«

Seine Worte gingen im Lachen der Umstehenden fast vollkommen unter, lediglich Major Carrick registrierte die Drohung und verengte alarmiert die Augen.

Ekko hingegen war bemüht, die soeben verlorene Kontrolle über seine Besprechung zurückzuerlangen.

»In Ordnung, Leute †“ Gelächter aus.« Ein breites Grinsen entwertete seine Worte vollkommen. »So lustig fand ich das nun auch nicht.« Mit der Urplötzlichkeit eines Erschossenen fielen seine Mundwinkel zurück in die von ihm stets zur Schau getragene neutrale Position, die seinem etwas verwirrten Aussehen zuarbeitete. »In Ordnung. Dann ziehen wir unsere Verteidigung zurück. Und ich meine: weit zurück. Lassen sie ein paar Trupps für die Aufklärung vorn, der Rest besetzt …« Er überlegte kurz. »Bis wohin reichen die Zerstörungen?« Seine Aufmerksamkeit marschierte in Richtung Balgor.

Der Captain kratzte sich am Kopf und versuchte, die Aufzählung der Schäden von der Außenmauer in Richtung Stadtkern hin zu staffeln. »Also die erste Verteidigungslinie kann man kaum noch besetzen. Die Gebäude …«

Allerdings verwarf Ekko weitere Ausschweifungen mit einem Wink seiner Hand. »Wir haben wenig Zeit«, erinnerte er seinen Untergebenen. »Bis wohin reichen die Zerstörungen?«

Balgor dachte einige weitere Sekunden länger nach, bevor er zuließ, dass sich seine Schultern in einer Mischung aus Ahnungslosigkeit und Vermutung hoben. »Kann ich nicht genau sagen. Auf jeden Fall nicht bis in die zweite Defensivstellung.«

Das genügte als Antwort. »In Ordnung«, entschied der Colonel. »Dann verlegen wir die Truppen in die zweite Abwehrstellung und setzen unsere Verteidigung dort neu auf.«

Die Männer nickten verstehend.

»Und wenn Sie bereits dabei sind, dann präparieren Sie das Gelände ein wenig.«

»Präparieren?«

»Ja.« Ekko wischte Balgors Verwunderung mit einer Kopfbewegung zur Seite. »Präparieren.« Er brauchte kurz, um seine wild umherschwirrenden Gedanken zu fangen und auf dem Reißbrett des Sprachzentrums in eine geordnete Form zu bringen, bevor er sie seinen Untergebenen skizzierte. »Wenn wir uns tiefer in die Stadt zurückziehen, geben wir damit Raum frei, den die Orks ungehindert nutzen können, um sich an unsere Linien heranzuarbeiten. Besonders in der †“ wie Sie bereits richtig sagten, Balgor †“ Trümmerlandschaft der ersten Wohnblöcke können die Grünen so mit Glück über unsere Stellungen herfallen, bevor wir überhaupt realisieren, dass sie uns erreicht haben.«

»Das wäre blöd«, bemerkte Balgor, ein gern getätigtes Statement seines Vorgesetzten modifizierend.

»Richtig. Das wäre in der Tat …« Ekko suchte nach einem adäquaten Wort, das das sprachliche Unterstatement ihrer Situation überflügelte, doch brauchte nicht lange, bis ihm aufging, dass das Problem genau das war, was man ihm vorwarf: »Blöd.«

»Und was haben Sie sich gedacht, um das zu verhindern?«, wollte ein anderer Captain wissen.

»Wir bauen einen Kanal.« In einer knappen Geste formte der Colonel ein V mit seinen Armen, skizzierte die Idee, die sich hinter seinen Worten versteckte. »Wir zwingen den Feind, direkt in unser Abwehrfeuer zu laufen.«

»Und wie sollen wir die Gegner in diesen ‚Kanal†˜ leiten?«, wandte Fendel ein. »Die Straßenzüge sprengen?«

»Unter anderem.« Ekko nickte. »Außerdem alles, was wir noch so an Explosionsmaterial haben, verlegen. Sprengfallen, Landminen †“ eben alles, was fetzt. Der Feind darf keine andere Möglichkeit mehr haben, als den Weg des geringsten Widerstands zu gehen.«

»Alles verlegen, was fetzt«, sinnierte Solmaar den grundsätzlichen Plan resümierend. »Und dann?«

»Dann beten wir, dass der Gegner auch wirklich den Weg des geringsten Widerstands geht.« Ekko hob zur Verdeutlichung, dass auch ihm nicht mehr einfiel, die Schultern. »Mehr, als ihm die anderen Sektoren der Stadt unappetitlich zu machen, können wir nicht.«

Die Offiziere nickten verstehend.

»Sind denn aus den anderen Sektoren irgendwelche Unregelmäßigkeiten gemeldet worden?«, wandte sich der Regimentskommandeur an seinen Stellvertreter, um sicher zu gehen, dass er wirklich nichts übersehen hatte.

Carrick schüttelte den Kopf. »Nein, Sir. Keine Unregelmäßigkeiten, keine Kontakte, keine Einbrüche. Zumindest ist mir nichts gemeldet worden«, schränkte er seine Aussage sofort wieder ein.

»Na ja«, gab Balgor zu bedenken, während er sich durch den Bart strich, »Tote machen sicherlich keine Meldung mehr.«

»Danke für diese Erkenntnis«, wehrte Ekko jedes weitere Wort und jeden Gedanken in diese Richtung ab. »Bestehen dazu Fragen? Oder gibt es noch irgendetwas, das ich wissen sollte?«, fragte der Colonel in die Runde. »Oder etwas, das ich gerne wissen würde, Sie mir aber nicht erzählen möchten?«

Die Offiziere schwiegen, warteten auf das Kommende.

»Nein? Gut, dann hier mein Vorhaben soweit«, präsentierte der Regimentskommandeur seinen neuen, in den letzten Minuten gefassten Plan. »Wir verlegen die Verteidigung wie besprochen zurück und präparieren das Gelände, um den Feind in unsere Arme zu treiben.« Er pausierte und gab den Anwesenden gnädig Zeit, den Plan in sich aufnehmen, bevor er fortfuhr: »Da unsere Front bereits sehr stark ausgedünnt ist, möchte ich außerdem, dass die kämpfende Truppe und die Reserve durchtauschen.« Er wandte sich an Carrick. »Veranlassen Sie das.«

Der Major versteifte sich. Man konnte ihm ansehen, dass er über diesen Befehl nicht wirklich glücklich war.

Ein Tausch der Truppen, ein Durchwechseln der am Feind befindlichen Einheiten, wurde in größeren Armeeinheiten durchaus praktiziert, da es sich dort lohnte, bereits erschöpfte Regimenter durch frische Truppen zu ersetzen.

In einem derart beengten Raum wie der Himmelskathedrale jedoch, wo man abgekämpfte Truppen nur gegen abgekämpfte Truppen austauschen konnte, ergab ein früher Einsatz der eigenen Reserven im Grunde keinen Sinn. Er kostete lediglich wertvolles Personal, das man später unter Umständen vorteilhafter hätte einsetzen können.

Dem entgegen jedoch stand die Tatsache, dass die direkt an der Front befindlichen Züge des 512. bei weitem nicht mehr die Größe und Schlagkraft aufbringen konnten, um einem erneuten Sturm der Xenos entgegenstehen zu können.

So blieb dem Festungskommandanten also wirklich nichts anderes übrig, als seine verbliebenen Ersatzmannschaften in Marsch zu setzen und die Verteidigung übernehmen zu lassen, während die vormalige Front nun zur Reserve wurde.

Niemand verstand dieses Dilemma besser als der stellvertretende Regimentskommandeur, doch das machte die Entscheidung seines Vorgesetzten für ihn auch nicht wirklich besser.

Und die Sorge, die tief in Colonel Ekko zu rumoren schien, ging viel weiter. Seit nächster Befehl zeigte bereits mehr als deutlich, wie er über ihre Situation dachte. »Und lassen Sie die Toten nach Ausrüstung durchsuchen. Alles, was noch verwendbar ist, abrüsten und an die kampfbereiten Zivilisten weitergeben.«

»Colonel!« Carrick bedachte ihn mit einem vorwurfsvollen Blick, den der Vorgesetzte jedoch gekonnt ignorierte.

»Wird Zeit, dass wir die Miliz ausrüsten und darauf vorbereiten, als Reserve bei Bedarf sofort in den Kampf zu gehen«, entschied er zur Entgeisterung seiner Zugkommandeure.

»Colonel, wir haben nicht mal zweihundert Mann verloren und Sie wollen die Reserve vorbereiten?«, sprach sein Stellvertreter aus, was der Großteil der Offizier in dem Raum dachte.

Ekko hob entschuldigend die Achseln. »Besser früh, als später gar nicht mehr.«

Enttäuschung über das augenscheinlich verlorene Vertrauen seines Vorgesetzten in die Soldaten tränkte die Stimme Captain Prishs. »Das ist hart, Colonel.«

»Nein, das ist realistisch. Hart ist ein Brot von vor zwei Wochen.« Der Regimentskommandeur kratzte sich am Kopf. »Dabei fällt mir ein: Aufgrund der sich schnell ändernden Lage im Kampfgebiet möchte ich einen vorgeschobenen Beobachtungsposten einrichten.«

Der Raum atmete überrascht ein.

Dass Ekko sich gerne in Gefahr begab, war allgemein bekannt, auch wenn die Meisten sein Verhalten eher auf ein stets präsentes Maß an Heldentum zurückführten.

Dieses plötzliche Vorhaben allerdings hob den Wahnsinn, der wirklich hinter den ‚Heldentaten†˜ stand und von dem nur wenige wussten, in vollkommen neue Sphären.

Balgor zog eine Augenbraue hoch und bereitete sich darauf vor, Kritik an dem Vorhaben des Regimentskommandeurs zu üben, doch Major Carrick war, wieder einmal, schneller. »Das halte ich für keine gute Idee, Sir«, lotete er vorsichtig seine Möglichkeit zum Widerstand aus.

»Damit war zu rechnen«, erhielt er zur Antwort. »Deswegen habe ich mir auch in langen Stunden reiflicher Überlegung eine passende Antwort zurechtgelegt.«

Ekko atmete tief ein, um das Ergebnis seine Überlegung nach der Kunstpause kundzutun. Die Offiziere hingen an seinen Lippen. »Einwand notiert.«

In einem einzigen, lang anhaltenden Atemzug entlud sich die aufgebaute Spannung in den zerstörten Raum, der nun ihre Kommandozentrale war, sodass selbst das leise Säuseln der portablen Lüftungsanlagen in dem Geräusch ertrank. Die Antwort, prägnant und vielsagend zugleich, war zwar typisch für den Colonel, aber doch immer wieder eine Überraschung.

»Das ist alles?«, brachte Carrick hervor. Wieder einmal durch seinen Vorgesetzten mit einer kurzen Gegenbemerkung ausmanövriert und in seinem Status als zweiten Mann im Ranggefüge des Regiments unterminiert, blieb ihm nichts anderes übrig, als fassungslos neben dem Colonel zu stehen und dessen beinahe fröhlichen Widerstand hinzunehmen.

Ihn auf mehr oder weniger direkte Weise auf sein wenig vorbildliches Verhalten hinzuweisen hätte der stets korrekte stellvertretende Regimentskommandeur nie gewagt. Vermutlich war das der Grund, aus dem sein Kommandeur sich regelrecht in der Machtlosigkeit des Rangniederen suhlte.

»Ja.« Ekko nickte. »Ich feile noch am Satzbau, aber im Grunde †“ ja.« Er wartete ein wenig länger, um Carrick Gelegenheit für eine Erwiderung zu geben.

Der Major jedoch schwieg, und der Colonel wandte sich wieder den Männern zu. »Irgendwelche Fragen? Einwände vom Munitorium? Nein? Gut, dann Tod und Verderben, meine Herren!«

Mit einer deutlichen Geste scheuchte er die Offiziere in Richtung Ausgang. Die Gruppe löste sich auf.

Sogar Carrick, in dem sich in den letzten Minuten höchstwahrscheinlich eine übermnäßige Wut über seinen uneinsichtigen wie willensstarken Vorgesetzten aufgestaut hatte, nutzte die Möglichkeit, sich außer Armes- und Hörreichweite zu bringen.

Lediglich Captain Balgor blieb zurück.

»Damit haben wir sie doch schon etwas dezimiert, oder?«, fragte er, die Antwort bereits wissend und strich sich beunruhigt über das zerschundene Gesicht. Ein gutes Dutzend Schnitte hatte sich während der Schlacht in seinem Antlitz festgebissen, zierte es mit den nur bedingt dekorierenden Furchen oberflächlicher Hautverletzungen. Wenn sein Gesicht wirklich so aussah, wie es sich anfühlte, dann besaß es inzwischen eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Lageplan eines Grabensystems.

»Ja«, stimmte Ekko zu. Er deutete nachlässig auf die Karte, die ihnen ein recht gutes Bild von ihrer Lage vermittelte: eine kleine Insel aus blauen Photonen inmitten einer roten Flut. »Aber es sind noch immer reichlich Gegner da.« Er kratzte sich am Kopf. »Wissen Sie, was mir wirklich fehlt?«

»Nein. Was denn?«

»Ein irrwitziger Plan, mit dem ich die Orks zähmen und auf ihnen nach Bastet reiten könnte.«

Aus den Augenwinkeln konnte man erkennen, wie die in der Kommandozentrale verbliebenen Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften aufsahen und bedeutungsschwere Blicke tauschten. Ihr Kommandeur war schließlich doch vollkommen verrückt geworden.

»Ich denke, ich sollte zu meinen Männern zurückgehen«, beschloss der Captain vorsichtshalber. Er hatte die Reaktion der Männer nicht genau gesehen, aber er fühlte ihre Blicke. »Wenn ich noch länger weg bleibe, begeht Jelard höchstwahrscheinlich Selbstmord.«

Sich den letzten Teil des Satzes zu verkneifen, fiel ihm erst ein, als er ihn bereits ausgesprochen hatte. Das war nicht gut. Verdammt seiest du, Colonel Ekko, dass du mich immer wieder dazu verleitest!

Wie vom Sarkasmus der Bemerkung in den Hintern gestochen, richtete sich sein Gegenüber abrupt auf und klatschte bedeutsam in die Hände. »Thronverdammt!«, rief er aus, bevor sein Kopf in Richtung des Captain herumschoss. »Danke, dass Sie mich daran erinnert haben! Jetzt weiß ich wieder, woran ich die ganze Zeit nicht gedacht habe!«

Ein abgespanntes Seufzen antwortete ihm. »Colonel, bitte sagen Sie mir, dass das nicht wahr ist.«

Ekko allerdings achtete gar nicht mehr auf Worte, die ihm sein Untergebener entgegenwarf.

Bereits von einer neuen fixen Idee infiziert und somit unempfänglich für sämtliche Warnungen, bahnte sich der imperiale Offizier einen Weg in Richtung Plottisch. Im Vorbeigehen fischte er zielsicher seine Schirmmütze von der Projektionsfläche. »Wenn Sie wirklich so dringend ein Buch schreiben wollen, dann entwerfen Sie doch einen Nachruf auf mich. Titel: die endlosen Leiden des Colonel E.« Ohne in der fließenden Bewegung innezuhalten, setzte sich der Regimentskommandeur die Mütze auf den Kopf und korrigierte den Sitz der eckigen Staubschutzbrille. »Legen Sie mir das fertige Manuskript zur Durchsicht vor. Bis dahin gehe ich noch ein bisschen frische Luft schnappen.«

Balgor verfolgte wortlos, wie sein Freund den Uniformdrillich glatt zog, ihm zunickte und dann in Richtung Ausgang marschierte.

Erst, als Ekko bereits durch den blickdichten Vorhang schritt, der die Kommandozentrale vom Rest des Beinhauses trennte, geriet er selbst in Bewegung. »Warten Sie, Colonel. Ich komme mit. Wer weiß, ob Ihre Feldbluse der Belastung dieses Mal standhält.«

***

Die Nacht verlief relativ ruhig, auch wenn das donnernde Toben der Orks vor den Mauern der Himmelskathedrale düsteren Vorahnungen durch die Köpfe der Überlebenden trieb.

Das Umfeld der Kathedrale loderte mit der Heftigkeit eines schweren Sommergewitters, ein gewaltiger Feuersturm, der die Ebene verkohlte. Scheppernder Geschützdonner brandete über die schweren Mauern hinweg, ließ die gesamte Stadt bis in ihr Fundament erbeben.

Grell pfeifende Artilleriegeschosse verfingen sich mit demselben Geräusch im energetischen Schutzschild, mit dem man normalerweise gegen eine Tür aus Gummi trommelt.

Die Luft diesseits und jenseits der Mauern flimmerte, so heiß brannte sich das Geschützfeuer in den steinernen Außenwall der Kathedralenstadt.

Und doch gelang es dem Feind nicht, den meterdicken Steindamm zu durchbrechen, noch konnte er eine Lücke in die energetische Barriere schlagen, welche die Überlebenden des Massakers von Agos Virgil schützte. Selbst das eher notdürftig versperrte Haupttor hatte bisher allen weiteren Angriffen Stand gehalten.

Dafür allerdings brachen die Xenos Stück für Stück durch den Inneren Wall. Durch die Mauer, mit der sich jede noch lebende Seele umgab.

Das Mündungsfeuer ihrer Waffen brannte den Makel der Verzweiflung tief in die Gemüter. Das Donnern ihrer Geschütze erschütterte den Glauben bis in das tiefste Fundament der menschlichen Herzen.

Und die Hitze schließlich versengte den letzten Funken Hoffnung, die Imperialen könnten ihre Stellung vielleicht doch gegen den Feind behaupten.

Sergeant Kleit stand beim improvisierten Landefeld, das die Basteter und die ihnen angeschlossenen Einheiten der Instandhaltung auf dem Vorhof der Kathedrale errichtet hatten und zog hinter vorgehaltener Hand lang und ausgiebig an seinem Lho-Stäbchen.

Seitdem man ihn und die Reste seiner Einheit von der Front abgezogen hatte, hatte er im Rücken der nun an der Front befindlichen Truppe mit seinen verbliebenen Soldaten Männer der sich neu formierten Irregulären ausgestattet und ein wenig Ausbildung betrieben. Eigentlich viel zu wenig, bedachte man die Knochenmühle, die dort draußen darauf wartete, eine Lücke in der Verteidigung aufzutun und sie alle massakrieren zu können.

Diese Aufgabe hatte ihn bis in die späten Nachtstunden beschäftigt, sodass er erst jetzt die Gelegenheit fand, Körper und Geist ein wenig Ruhe zu gönnen.

Als wenn es an diesem Ort jemals so etwas wie Ruhe gegeben hätte.

»Unwahrscheinlich, dass bei dem Lärm irgendjemand schlafen kann«, grummelte eine von Schmerzmitteln vernebelte Stimme neben ihm.

»Ja«, erwiderte Kleit und nahm einen weiteren Zug. »Aber abgesehen davon kann man die Nacht durchaus als ruhig bezeichnen.«

Sie schwiegen wieder.

Es dauerte nicht lange, da schwoll über ihnen dumpfes Heulen an. Die schweren Turbinen von Vector-Turbojets wurden angeworfen. Und schon wenig später drang das scharfe Kreischen einer herniedergehenden Walküre an ihre Ohren.

Kleit drehte sich um. Ein dunkler, vom Schlachtgewitter schwach beleuchteter Körper schwebte die Flanke der Kathedrale herab, senkte sich mit präzise dosierter Leichtigkeit auf den ihr zugewiesenen Landeplatz.

»Ich verstehe es nicht«, seufzte die Stimme. »Warum verschleißt die Obrigkeit wichtiges Material für derart sinnlose Aufgaben?«

Kleit zuckte die Achseln, während er verfolgte, wie die Seitentüren des Truppenraums aufgeschoben wurden und mehrere Soldaten in die glimmende Nacht entließ. »Fragen Sie mich etwas leichteres, Lenhim.«

Baldrian Lenhim, den Körper stellenweise noch immer in dicke Verbände gehüllt, lehnte sich schwerfällig gegen die Kiste, vor der er saß und atmete, so tief er konnte, ein. Dem verzerrten Gesicht nach zu urteilen fiel es ihm nicht besonders leicht. Er stöhnte. »Thronverdammt. Hätte ich gewusst, was mich hier nach meinem Aufwachen erwartet, ich wäre lieber gestorben.«

»Wie kommt es nur, dass mir heute alle denselben Vorschlag machen wollen?«, brummte sie jemand anderes gereizt von der Seite an.

Kleit wandte sich erneut um. Lenhim folgte seinem Blick, so gut es ging.

Colonel Ekko, seinen Freund und Untergebenen Captain Balgor im Schlepptau, kam auf sie zu. Höchstwahrscheinlich waren sie mit der gerade gelandeten Walküre eingetroffen.

»Sir!«, rief Kleit aus und nahm Haltung an. Lenhim versuchte, aufzustehen, wurde aber von dem Regimentskommandeur zurückgewunken. »Bleiben Sie sitzen, Lenhim. Ich wusste gar nicht, dass Doktor Calgrow sie bereits entlassen hat. Sind Sie schon wieder auf den Beinen?«

»Auf den Beinen ist relativ«, erklärte Lenhim. »Es war viel eher so, dass Doktor Calgrow allmählich der Platz ausging. Da hat sie mich hinausgeworfen. Zitat: ‚Gehen Sie mir aus dem Weg und irgendwo hin, wo Sie nicht sofort erschossen werden. Ich werde mich später um die Sache kümmern†˜.«

»Es wundert mich, dass sie ‚die Sache†˜ nicht gleich selbst erledigt hat«, sinnierte der Colonel.

Lenhims Miene entgleiste. Balgor warf seinem Begleiter einen teils amüsierten, teils missbilligenden Blick zu.

Ekko räusperte sich, nachdem er einige Zeit lang die Belagerungswaffen der Orks beobachtet hatte. »Ja. Wo wir schon dabei sind: wissen Sie eigentlich, wie es der Besatzung der abgestürzten Walküre geht?«

Lenhim brauchte ein wenig, um den plötzlichen, aber für Ekko typischen Richtungswechsel in der Gedankenwelt des Colonels nachzuvollziehen. Oder aber ihn beschäftigte noch die vorangegangene Bemerkung seines Vorgesetzten.

Als er sich schließlich fing, hatten die Waffen der Grünhäute bereits wieder ein gutes Stück Gestein aus der Außenmauer gebrochen.

»Pilot und Waffensystemoffizier konnten sich aus der Maschine ausschießen. Der Fallschirm des WSO hat sich allerdings nicht geöffnet«, erzählte der Sergeant. »Daher ein personeller Totalverlust.«

Ekko nickte wortlos. In der Dunkelheit wirkte es, als würde er schwanken. »Und der Pilot?«

»Sein Schirm hat sich geöffnet, jedoch war er so niedrig, dass Bremswirkung kaum auftrat. Wie es aussieht, wird er diesen Tag nicht überleben.«

»Dann sollten wir auch ihn als personellen Totalverlust abschreiben«, entschied der Colonel.

Kleit warf ihm einen kurzen Blick zu, sah dann zu Balgor und zog schließlich an seinem Lho-Stäbchen. Heller, gräulicher Rauch kräuselte sich an der Spitze des Sargnagels, dampfte in die düstere Nacht hinauf. Lenhim schwieg betreten.

Wenn man bereits an der Schwelle zum Tod stand, ohne Hoffnung auf ein Überleben und mit der Gewissheit im Rücken, dass man keinen ehrbaren Tod im Namen des Imperators starb, dann steigerte das Sinnieren über die erlittenen Verluste den Kampfgeist auch nicht wirklich.

»Und was ist mit Del Mar?«

Der Sergeant des zweiten Trupps des ersten Zugs zuckte die Achseln. Eine unüberlegte Handlung, die ihm sichtliche Schmerzen bereitete. »Liegt noch immer im Koma«, stöhnte er.

»Ich hoffe, das bleibt auch so.« Ekko versenkte die Hände in den Taschen seines Mantels, bevor er sich an Balgor wandte.

Im flackernden Schein des wütenden Artilleriefeuers wirkten seine verdreckten Gesichtszüge hart und finster. »Dabei fällt mir ein: Dieser Kommissar Reit †“ wo ist der eigentlich?«

»Motiviert wahrscheinlich gerade seine Truppen«, gab der Captain zurück.

»Ich frage mich, weshalb ich da nicht selbst drauf gekommen bin.«

Ein schwerer Schlag rollte bestätigend durch die Kathedralenstadt, ließ den Männern die Zähne im Mund vibrieren.

»Ist nicht ab 23:00 Uhr Nachtruhe?«, erkundigte sich der Colonel und gähnte. »Ruhe da draußen!«, schrie er in Richtung der wütenden Grünhäute. »Wir wollen schlafen!«

»Wenn wir denn schlafen könnten.« Kleit besaß sich das fast ganz heruntergeglommene Lho-Stäbchen, bevor er es in die Dunkelheit davonschnippte.

»Passen Sie bloß auf!«, warnte Balgor, sichtlich angegriffen. »Hier liegt immer noch eine ganze Menge Munition herum.«

»Wo bleibt Ihr Sinn für Humor, Balgor?«, gab der Colonel zurück. »Wenn die da draußen rumböllern, können wir das hier drinnen auch.«

»Ja, aber ich muss dabei nicht unbedingt vom Winde verweht werden.« Balgor verzog das Gesicht und vollführte eine ausladende Geste. Eine grelle Explosion reichte ihm symbolisch die Hand.

Schallender Donner erschütterte das Landefeld. Ein plötzlicher Lichtblitz platzte aus der Düsternis im ersten Ring. Irgendwo in der Stadt war eine improvisierte Sprengladung durch die Erschütterung detoniert.

»Und wie geht es nun weiter?«, wollte Kleit wissen.

»Die Xenos werden mit aller Macht versuchen, durch die Außenmauer zu brechen. Sie können gar nicht anders.« Ekko vergrub seine Hände tiefer in den Taschen seines Mantels. »Wie sonst sollten sie die erlittene Schmach wettmachen?«

»Schmach?«

»Ja. Glauben Sie nicht, dass die richtig sauer sind, weil wir ihnen so mächtig auf die Fresse gegeben haben?«

»Ich kann nicht behaupten, dass mich das glücklich stimmt.« Kleit griff in seine Drillichtasche und kramte nach einem neuen Lho-Stäbchen.

Er befand sich noch mitten im Prozess festzustellen, dass er keine Räucherstäbchen mehr bei sich trug, als eine freundliche Hand in sein Gesichtsfeld reichte, einen noch jungfräulichen Sargnagel zwischen den Fingern.

Dankbar nahm der Sergeant das Lho-Stäbchen an, bevor er entdeckte, dass es sein Colonel gewesen war, dessen Hand ihm das Stäbchen gereicht hatte und sich fragte, seit wann der Regimentskommandeur rauchte.

Captain Balgor indes zog ein Armee-Sturmfeuerzeug hervor und schnippte es auf. Eine schwache Flamme züngelte den Kamin empor. Entweder war die Flamme reduziert oder das Promethium bald alle.

Gierig zündete sich Kleit das Lho-Stäbchen an und nahm einen tiefen Zug. Als er es absetzte, stellte er fest, dass seine Hände zitterten.

Bemerkenswert.

»Kann sich jemand daran erinnern, als wir alle bei den PVS dienten und die Galaxis noch nicht ganz so riesig und tödlich erschien?«, wollte Lenhim melancholisch wissen.

»Ja«, antwortete Balgor lakonisch. »Das war vor einer sehr langen Zeit.«

Ekko brummte zustimmend. »Und solch einen Gedanken von einem Cadianer zu hören, macht mir nicht wirklich Hoffnung.«

»Gab es denn überhaupt jemals Hoffnung?«, fragte Kleit unverblümt zurück.

Ekko schwieg lange †“ sehr lange. Was hätte er auch sagen sollen? Hoffnung hin oder her.

»Hoffnung ist etwas für Romantiker«, löste er sich schließlich aus seiner Starre. »Hoffnung ist etwas für Televid-Regisseure. Genauso wie Ehre, Ruhm und Glück im Namen des Imperators.« Er schüttelte den Kopf, verscheuchte die Finsternis, die sich aus der Schwärze der Nacht auf seinen Geist herabsenkte. »Nutzen Sie die Zeit und ruhen Sie sich noch ein wenig aus«, schlug er vor. »Je länger wir durchhalten, umso mehr ärgern wir die Grünen.«

»Sagen Sie mir, Colonel«, warf Kleit dazwischen, »hat die Zerstörung des Tors unter dermaßen hohen Verlusten wirklich die gewaltige Änderung herbeigeführt, die Sie sich erhofft haben?«

Wenn es ein beabsichtigter Treffer gewesen war, so hatte der Sergeant ihn definitiv sehr gut platziert.

Die Worte entwichen nämlich in die kalte Nachtluft, ohne dass sich irgendjemand traute, sie zu kommentieren.

Lenhim und Balgor schwiegen und betrachteten die im Feuer der Geschütze schemenhaft wütende Orkmeute, die nach wie vor damit beschäftigt war, Eindruck auf das Bollwerk zu machen, dessen Undurchdringlichkeit sie in stummem Schalk auslachte.

Kleit zog an seinem Lho-Stäbchen. Ekko überlegte.

So dauerte es eine ganze Weile, bis doch wieder Bewegung in das Gespräch kam.

»Nein.«

Dieses Geständnis, vom Schlag einer detonierenden Granate beinahe verschluckt, saß fast genauso gut wie der vormalige Treffer von Kleit, überraschte die beiden Sergeants und erschütterte sogar Balgor mit derselben Stärke wie der Explosionsdonner, der sich über die Ebene ergoss.

»Nein? Das müssen Sie mir erklären«, verlangte der andere Offizier. »Wir haben also so viel Auferheben um eine Sache gemacht, die im Grunde gar keinen Sinn und Zweck erfüllt?«

»Na ja, ganz ohne Sinn würde ich das Ganze nicht sehen. Immerhin kommen die Orks nun nicht mehr rein.«

»Ja, aber wir kommen auch nicht mehr raus.«

»Das stimmt. Allerdings müssen Sie bedenken, dass wir so Zeit gewonnen haben, unsere Wunden zu versorgen und uns neu zu organisieren.«

»Colonel, das kann doch nicht Ihr Ernst sein!«

»Doch.« Ekko zog ein neues Lho-Stäbchen aus seiner Manteltasche und steckte es sich in den Mundwinkel. Interessanterweise machte er aber keine Anstalten, sich den Sargnagel anzustecken. »Ich hatte es zwar ein wenig anders geplant, aber der Effekt ist schlussendlich derselbe, finden Sie nicht?«, gab er die Überlegung zurück.

Kleit senkte nachdenklich den Kopf. Er konnte sich nicht recht entscheiden, ob er dem Colonel beipflichten wollte. Natürlich stimmte es: dadurch, dass Retexer das Haupttor vernichtet hatte, war ihnen eine Gnadenfrist gewährt worden. Aber machte das die Lage wirklich besser? Im Grunde verlängerten sich die Qualen ihres Todeskampfes dadurch lediglich.

Kleit legte sich den Satz zurecht und bereitete sich darauf vor, seine Meinung öffentlich kund zu tun, doch als er aufsah, stellte er mit gelindem Erstaunen einzig fest, dass er und Lenhim bereits wieder allein waren.

***

In der tiefen Schwärze der Nacht fiel die Flanke des Berges, auf dem die Kathedrale stand, sehr viel steiler in die Tiefe, als Ekko es in Erinnerung hatte.

Einige Meter weit ließ sich die sanfte Krümmung der Pflasterstraße den Hang zwar noch hinunter verfolgen, und wenn man die Hand ausstreckte, beschlich einen das eigenartige Gefühl, man könne nach dem zerschlissenen Belag der Allee greifen.

Aber dahinter lauerten bereits die Schatten einer gefährlichen Dunkelheit. Die unsichtbaren Klauen der Bedrohung, geboren aus der ureigenen Phantasie eines Menschen und genährt von der Furcht vor dem Unbekannten.

Wer konnte schon sagen, was in den Tiefen der Finsternis auf einen wartete oder mit Sicherheit wissen, ob die Schatten einen wirklich wieder freigaben, wenn sie ihr Opfer erst einmal verschlungen hatten.

Gedankenverloren kaute Ekko an dem Lho-Stäbchen in seinem Mund.

War es wirklich erst wenige Tage her, dass er diesem Anblick erlegen war und nicht mehr fühlte als blankes Erstaunen vor der Urgewalt dieser gewaltigen Stadt?

Konnte es wirklich sein, dass er an diesem Ort so etwas wie Frieden gefühlt hatte?

Erinnerte er sich daran zurück, wie ihn die wenigen Tage im Schoss des mächtigen Bauwerks beruhigt und inspiriert hatten, dann fragte er sich unwillkürlich, ob das alles nicht ein bösartiger Traum gewesen war. Eine weitere Grausamkeit des Imperators und des Universums, geboren um ihn zu quälen.

»Ich hoffe nur, dass Retexers Ehrgefühl nun befriedigt ist«, hörte er die Stimme Captain Balgors neben sich, als dieser mit knirschenden Schritten an seiner Seite zum Halten kam.

»Retexers Ehrgefühl?« Ekko lachte, wobei das Lho-Stäbchen in seinem Mund fröhlich tanzte. Retexers Ehrgefühl. Ein Phänomen für sich. Bei weitem größer als die Himmelskathedrale und mit demselben unersättlichen Hunger nach Aufmerksamkeit, mit dem die langen Klauen der Finsternis über die Seele ihrer Opfer strichen. »Retexers Ehrgefühl zu befriedigen ist fast so einfach, wie einen Leman Russ in voller Fahrt mit Promethium aus Armasec-Flaschen zu betanken.«

»Interessante Metapher«, gab der Captain zu.

Eine heftige Explosion prallte gegen die Verteidigungsanlagen der imperialen Truppen, bestrahlte die Umgebung mit grellem, weiß-orangen Licht. Schallender Donner röhrte über die Kathedrale hinweg.

Ekko lehnte sich nach hinten und ließ seinen Blick in den Nachthimmel davon gleiten. »Ach, ist das nicht schön? So viele begeisterungsfähige Individuen da draußen vor dem Tor!«

»Ja, ich kann mich kaum halten.«, grummelte Balgor. »Allerdings frage ich mich, was die dort wohl gerade machen?«

»Vermutlich bauen Sie derzeit eine große Colonel Ekko-Stoffpuppe. Und wenn sie damit fertig sind, zünden sie sie wieder an.« Der Colonel fuhr herum, von weiser Voraussicht alarmiert. »Sagen Sie nichts! Ich weiß: bei meinem Glück geht denen die Fackel vorher aus.«

»Ich habe doch gar nichts gesagt«, wehrte der Captain ab. »Aber mich würde doch schon sehr wundern, warum Ihnen jemand einen solchen Gefallen tun sollte.«

»Was? Die Fackeln ausblasen?«

»Nein«, erwiderte der dunkelhaarige Basteter, indem er die Augen verdrehte. »Eine Colonel Ekko-Stoffpuppe bauen. Sie glauben doch nicht wirklich, dass jemand Ihnen diesen Gefallen tun würde.«

»Doch.«

»Colonel, Sie sind wahnsinnig«, bemerkte Balgor, als hätte er diese Tatsache gerade erst entdeckt. Er atmete tief durch, um seine Gedanken zu ordnen, welche gerade neue Einfälle in den Korb der zu besprechenden Themen warfen. »Dabei fällt mir ein: Ihre Schwester ist eine irre Metze!«

Der Colonel hob sehr langsam erst den Kopf, dann eine Augenbraue. »Ich habe keine Schwester«, informierte er seinen Freund, nur um ihn an eine längst bekannte Tatsache zu erinnern. Dass er bereits wusste, worauf Balgor eigentlich hauswollte, ließ sich deutlich daran erkennen, dass seine Lippen im fahlen Licht ferner Explosionen betont unauffällig zu einer schmalen Linie zusammenwuchsen.

»Ich meinte Sile, Sir. Sie hat ihren Trupp zum Rückzug befohlen und dann an der Seite der Space Marines weitergekämpft«, fuhr der Captain fort, ohne die launige Bemerkung seines Vorgesetzten in irgendeiner Weise zu parieren. Noch wusste er, wann es besser war, den Regimentskommandeur nicht übermäßig zu reizen. Und beim Thron, er hoffte, dass sich das auch niemals ändern würde.

Sofort nahm sein Freund den Faden auf. »So etwas erwarte ich von meinen Truppführern«, rief er eine weitere, längst bekannte Tatsache zurück in das Gedächtnis seines Untergebenen.

»Aber, Colonel!«, wandte Balgor ein. »Sie hat ihren Trupp zurückgelassen, um an der Seite einer anderen Einheit weiterzukämpfen!

»In diesem Fall hätte ich von dem Trupp erwartet, dass er an ihrer Seite bleibt«, konterte Ekko unbeeindruckt.

»Colonel!«

Das brach letztlich das Siegel der Zurückhaltung, mit dem sich der imperiale Offizier während der Besprechung umgeben hatte, und das seine Gedanken und Empfindungen hinter dem taktischen Kalkül wichtiger Entscheidungen zurückhielt. »Was soll ich Ihrer Meinung nach tun? Zu ihr hingehen und ihr sagen, dass mir ihr Gutdünken nicht behagt?« Der Regimentskommandeur lachte resigniert auf. »Sie würde mich umbringen.« Es folgte ein ernster, begreifender Blick in Richtung des Captains. »Ich verstehe. Gute Idee.«

Balgor wollte gerade erwidern, dass sich sein Verständnis von Humor zutiefst beleidigt sah, als ihm etwas anderes auffiel, das einer dringenderen verbalen Bearbeitung bedurfte: Sile, in die rote Rüstung und die weißen Epitrachelien ihres Ordens gehüllt, trat in die Kommandozentrale, das goldene Haar und hübsche Gesicht über und über mit hässlichen Blutflecken bedeckt. Wieso schaffte es die Prioris eigentlich immer dann, wenn sie am wenigsten erwünscht war, dort aufzutauchen, wo es am Unpassendsten war?

Der Zugführer des zweiten Zugs wollte gerade einen Warnruf ausstoßen, der in auffallender Weise dem einer frisch kastrierten Elster ähnelte, aber er kam zu spät. Sein Freund hatte die Prioris schon entdeckt.

»Schwester«, rief Ekko die Sororita und winkte sie zu sich.

Durch die ihr plötzlich zugedachte Aufmerksamkeit verzückt, wehte die erfrischende Brise ihrer Stimme in Richtung der beiden Offiziere, gefolgt von ihrem engelsgleich heranschwebenden Körper. »Ja?«

Eine überzogene Geste entwich dem Colonel. »Was tun Sie hier?«

»Ich benötigte eine neue Waffe«, lautete die bestechende Erklärung der Prioris, die nicht weniger trug als ihre schwere Servorüstung. Ohne Frage †“ sie brauchte eine Waffe.

»Ach so. Da sind Sie hier vollkommen falsch«, belehrte er sie. »Es sei denn, Sie wollen mit Captain Balgor schmeißen.«

Siles Miene fror ein, konservierte ihre ebenmäßig kühle Schönheit in einem Moment der Strenge, der deutlich machte, wie wenig sie von seiner Bemerkung hielt.

Tatsächlich spürte Ekko, wie das schneebedeckte Feld im Winter, mit dem sie sich vergleichen ließ, seinen eiskalten Atem in seine Richtung hauchte. Die unausgesprochene Warnung blieb nicht ohne Wirkung.

Sein Unterbewusstsein schreckte zurück und entschied, die Bemerkung mit einem kurzen Wink vorsichtshalber zur Seite zu wischen, um gleich darauf das nächste Thema anzuschneiden. »Aber wo Sie schon einmal da sind …« Der Colonel holte tief und dramatisierend Luft. »Ich hatte gerade ein Gespräch mit Captain Balgor«, eröffnete er und wies auf den anderen Basteter, dessen Miene just in dem Moment dem Frost zum Opfer fiel, der aus Leitis Siles Richtung zu ihnen herüberwehte, »und basierend auf diesem Gespräch möchte ich Ihnen etwas mitteilen, das mir dringend auf der Seele brennt: mir behagt Ihr Gutdünken nicht.«

Das goldene Haar der Prioris stürzte wild über ihre Schultern, als sie verständnislos den Kopf schüttelte. »Bitte, was?«

»Stehe, stehe, denn wir haben deiner Gaben voll gemessen«, sprang Balgor seinem Vorgesetzten von der Seite bei.

Das verwirrte Sile nur umso mehr. »Ich begreife immer noch nicht«, gab sie zu.

Ekko seufzte, von der langen Leitung der Ordensschwester allmählich entnervt. »Bei der Imperialen Armee gibt es ein Leitbild, das da lautet: Befehl und Gehorsam.«

»Auf Bastet sagen wir dazu: Du tust, was ich sage

»Ja … vielen Dank, Balgor«, warf Ekko ein, durch die Bemerkung in seinen Gedanken gestört.

»Habe ich doch gern gemacht«, erhielt er zur Antwort. Ein Grund für ihn, den entnervten Blick nun für einige Sekundenschläge auf seinen Untergebenen zu richten.

»Also gut †“ vergessen wir das. Was ich damit sagen wollte: Selbst, wenn Sie als Sororita, nein, als Celestia …« †“ er nahm sich das Recht, ihre Stellung innerhalb der Schwesternschaft noch einmal besonders zu betonen †“ »einen grundsätzlich anderen Auftrag haben als wir, und demnach auch einer vollkommen differenzierten Gesetzmäßigkeit unterstehen, so sind Sie dennoch eine Dienerin des Imperators. Und als diese haben Sie mir, der ich Kommandant der Feste bin, einen Eid geschworen. Sie haben geschworen, als Führerin eines meiner Trupps die Verteidigung dieser Makrokathedrale zu übernehmen.«

Der Colonel ließ den Schall seiner Stimme in die abendliche Kühle des Beinhauses entweichen, gab ihm gnädig Vorsprung, bevor er seine nächsten Worte ins Rennen schickte, dieses Mal deutlich leiser und mit einem bedrohlich enttäuschten Unterton. »Aber Sie haben diese Aufgabe nicht erfüllt. Sie haben Ihren Dienst nicht geleistet, Prioris!«

Die kalten, stahlblauen Augen der Sororita flackerten, gleichermaßen entrüstet und erbost über die Behauptung des imperialen Offiziers. Es war, als hätte er sie der Häresie bezichtigt, einer Sünde, für die es keine Absolution gab.

»Colonel!«, versuchte sie zu widersprechen, doch der Mann, der ‚Held von Agos Virgil†˜, winkte jeden in der Entstehung befindlichen Einwand mühelos zur Seite.

»Von Ihnen erwarte ich dasselbe, das ich von meinen Männern erwarte: wenn ich einen Befehl gebe, dann führen Sie ihn aus. Und wenn ich sage, Sie führen einen meiner Trupps, dann führen Sie diesen Trupp und übergeben nicht einfach das Kommando, nur weil Sie neben der gesammelten Intelligenz eines abgeschossenen Leman Russ-Panzers in den Kampf gehen wollen.«

»Colonel.« Jetzt endlich schaffte die Sororita es, den Colonel im Redefluss zu unterbrechen. Und was sie zu sagen hatte, stoppte ihn in jeder Hinsicht. »Ich hoffe, Sie meinen das nicht so, wie ich es eben verstanden zu haben scheine. Und mir gefällt ganz und gar nicht, welchen Ton Sie mir gegenüber anschlagen, Colonel Ekko. Wie können Sie es wagen, sich ein Urteil über die Aufgaben und Pflichten einer Sororita anzumaßen? Wie können Sie es wagen, als imperialer Soldaten über eine Celestia bestimmen zu wollen?« Tödliches Stahlblau schnitt durch seine Gedanken, durchschnitt seine Überlegenheit mit der Präzision einer scharfen Klinge.

Polternd brach seine vorbereitete theatralische Rede in sich zusammen. »Ähm«, war das Einzige, was er stattdessen herausbrachte.

»Ich bin einzig und allein dem Imperator verpflichtet †“ und wenn er meiner Dienste bedarf, dann werde ich mich ihm unterordnen«, fuhr sie fort, vernichtete seine Aufforderung zur Unterwerfung mit spielender Leichtigkeit. »Und Sie sollten das nicht vergessen.«

Das saß. Der Regimentskommandeur starrte die Ordensschwester lediglich an, unfähig etwas Intelligentes zu erwidern. Eine kleine, verräterische Stimme in seinem Kopf begehrte auf, erinnerte ihn mit aller Deutlichkeit daran, dass er sich durch seine eigenen ‚Leistungen†˜ dazu hatte hinreißen lassen, seine Macht in diesem Punkt deutlich zu überschätzen.

Welche Unergründlichkeit des Universums ihm das Leben gerettet hatte, verstand er nicht, denn Sile war gegenüber Ligrev nicht so nachsichtig gewesen. Und dass sich zusätzlich dazu jetzt auch noch das Bild einer ‚kniend dienenden Heiligen†˜ in seinen Kopf stahl und vor dem goldenen Thron des Imperators auf und ab tanzte, verwirrte ihn umso mehr.

»Versuchen Sie nicht, mit mir zu spielen, Colonel«, zischte die Prioris gefährlich und zwang seine Aufmerksamkeit zurück in die Realität. »Es sei denn, Sie wollen so enden wie Kommissar Ligrev.«

Ekko atmete scharf ein. Wie der Imperator ein wunder Punkt ihrer Seele war, war es Ligrev bei ihm. »Gut«, grummelte er zurück. »Dann machen Sie keine Versprechungen, die Sie nicht halten können, Schwester. Denn schlussendlich sind Sie nur dem Imperator Rechenschaft schuldig.«

Für einen kurzen Augenblick schmolz er ein Loch in das perfekte Winterkind, das vor ihm stand. Ihre Wangen glühten rot auf und sie senkte die Augenlider. Man konnte ihr ansehen, dass sie um Fassung rang und entweder kurz davor stand, auf die Knie zu fallen und den Colonel um Vergebung zu bitten oder ihm den Kopf abzureißen. Aber es war genauso offensichtlich, dass sie all ihren Stolz und ihre Haltung zusammennehmen würde, um sich nicht auf diese Weise zu entblößen - zumindest nicht im Beisein von Captain Balgor.

Ekko entschied, dass weitere Worte eine Verschwendung von Zeit und Atemluft gewesen wären und entließ die Prioris mit demselben Fingerschnippen, mit dem er ein Insekt vom Plottisch geschleudert hätte.

Die Wangen der Prioris gewannen an noch mehr Farbe, sodass es nun auffallende Ähnlichkeit mit einer gerade auf einem Planeten eingeschlagenen Landekapsel der Space Marines besaß. Ob es sich dabei um Schames- oder Zornesröte handelte, ließ sich nicht auf Anhieb sagen.

Sile zumindest schien beschlossen zu haben, dass es der Situation nicht angemessen war, wenn sie begann, Colonel Ekko den Dschihad im Namen des Imperators zu erklären.

Das Haupt in Demut, vielleicht auch ein wenig gedemütigt, gesenkt, verabschiedete sich die Schwester, machte Kehrt und beeilte sich, wieder in das Dunkel der Nacht zu entschwinden.

Als das dumpfe Stapfen ihrer Rüstung in der Finsternis verhallte, wieder unter den Lärmpegel des Waffenfeuers fiel, wandte Ekko sich um, die Miene unglücklich verzogen. »Oh, thronverdammt. Vergraben Sie mich, Balgor. Ich bin tot.«

»Ich weiß nicht. Es kommt mir so vor, als wenn Sie das gerade richtig genossen haben, Chef«, bemerkte der Captain.

»Genossen? Thronverdammt †“ ich habe mir vor Angst fast in die Hosen gemacht. Meinen Sie, die Dame hat irgendetwas von dem, was ich ihr gesagt habe, begriffen?« Er schnaubte freudlos und deutete in die Richtung, in die die Sororita verschwunden war. Ein fruchtloser Versuch, seine angegriffene moralische Überlegenheit zu gipsen. »Da geht sie hin †“ und ballert weiter. Und wenn sie damit fertig ist, knackt sie meine Nüsse. Beim nächsten Mal, wenn Sie so eine phantastische Idee haben, warnen Sie mich vor den Risiken.«

»Ach, ich merkt es«, rezitierte Balgor mit überdeutlich theatralischer Stimme. »Wehe, wehe, hat er doch das Wort vergessen! Ach das Wort, worauf am Ende sie das wird was sie gewesen! Ach, sie läuft und schießt beidhändig! Wär†˜ sie doch die alte …« Als Ekko sich erhob und seinen Kopf betont langsam in Richtung des Captains wandte, verstummte Balgor, erneut seufzend. »Aber so lässt es sich auch gut lesen«, schloss er.

»Balgor †“ habe ich da gerade Poesie aus Ihrer Stimme vernommen? Oder war das Zynismus?«

Der dunkelhaarige Basteter nickte, von der Feststellung seines Kommandeurs richtiggehend erfreut. »Ich plane für mein neues Buch. Ekko, Sile und der Jagdpanzer. Eine Liebesgeschichte im Imperium

Krachender Explosionsdonner unterstrich seine Worte.

»Beim Barte des Propheten«, seufzte der Regimentskommandeur und warf seinen Kopf in den Nacken. »Womit habe ich das verdient?«

Die Sterne lachten in an.

Entnervt überließ der Basteter die Unendlichkeit sich selbst und verschränkte die Arme vor der Brust. »Thron von Terra«, gab er auf, »Womit habe ich das verdient?«, und begann an seinen Fingern abzuzählen: »Eine Prioris, ein Kommissar-General, ein Trupp Space Marines, eine verrückte Ekklesiarchin. Kann es überhaupt noch schlimmer werden?«

Balgor hob die Schultern. »Ein lebensmüder Colonel?«

Ekko nahm den Punkt in seine Liste auf. »Stimmt. Den hatte ich vergessen. Guter Einwand. Damit wären wir ein Pentavirat der Katastrophen. Der Imperator beschützt.«

»Der Imperator beschützt«, wiederholte der Zugführer.

»Ich hätte damals schießen sollen«, bemerkte Ekko nach einer Weile.

Die Stirn seines Freundes legte sich in tiefe Falten. »Wann?«

»Damals«, wiederholte der Basteter, als sei damit alles gesagt, bevor er mehr an sich gerichtet fortfuhr: »Auf Bastet. Ich hätte auf sie schießen sollen.«

»Auf Kortessa?«

»Nein. Auf Ayle.« Ekko versank in den schmerzhaften Erinnerungen der Vergangenheit. »Haben Sie wirklich gedacht, ich würde mit einer Laserpistole auf eine Servorüstung schießen?« Seine Stimme klang seltsam fern, ja, beinahe beschwingt. »Ich hätte sie nie mit ihnen gehen lassen dürfen.«

Balgor schwieg und hörte zu, wie sich sein langjähriger Freund in einem Meer aus bitterer Melancholie selbst ertränkte, referierte über das Für und Wider einer einzigen Entscheidung, die sein Leben am damaligen Tag mit einem Schlag hätte beenden können.

Sein Leben und das … von Balgor.

Wenn er sich daran erinnerte, wie er damals aus tiefster Loyalität zu seinem Vorgesetzten sein Leben in die Waagschale geworfen hatte, kam es ihm fast wie Verrat vor, diese Worte aus dem Mund seines letzten verbliebenen Freund in der Galaxis zu hören.

Er wusste, gehörte zu Ekkos Art, auf eine grausame, einem Vorgesetzten eigentlich unwürdige Weise mit seinem eigenen Leben zu spielen und das Vertrauen, nein, vielmehr die Hoffnung seiner Leute so nicht nur zu missbrauchen, sondern auch zu zerstören.

Während im Imperium die weit verbreitete Meinung vorherrschte, Soldaten seien lediglich eine sich stets erneuernde Mauer aus nutzlosen Leibern, teilte man auf Bastet diese Meinung nicht unbedingt.

Für einen Vorgesetzten waren seine Männer ebenso Ressourcen wie die ehernen Körper der Leman Russ, die schnellen Sentinels, die kreischenden Walküren und selbst die im Vergleich zu diesen Waffen unbedeutenden, aber zuverlässigen Lasergewehre. Sie sinnlos zu verbrauchen, ergab bei einer Bevölkerung mit der Größe Bastets einfach keinen Sinn.

Diese Richtlinie hatte Bastets Überleben in vielen Jahrhunderten ständiger Belagerung durch die Orks in einem Universum voller Krieg gesichert und jeder Kommandant einer bastetischen Einheit wurde zusätzlich zu den imperialen Doktrinen der Kriegsführung im umsichtigen Umgang mit seinem Personal geschult (auch wenn imperiale Offiziere die bastetische Kampfführung im Allgemeinen ablehnten).

In seiner Zeit bei der PVS hatte Ekko dieses Konzept der ‚Humanität†˜ stets beherzigt, aber seit dem Eintritt in die Imperiale Armee (damals noch im Rang eines Lieutenants der Bodentruppen), hatte er sich gewandelt.

Besessen von seinem Wunsch zur Selbstvernichtung und gefangen in den Tiefen einer egozentrischen Melancholie entfernte er sich immer mehr von der Person, die er einst gewesen war.

Major Carrick hatte diese Eigenart des Colonels kurz vor ihrer Landung auf Agos Virgil mit einem Ausdruck von Bastet bedacht: das ‚Herz aus Eisen†˜.

Das Herz aus Eisen war im Grunde eine Versinnbildlichung für all die Schmerzen, die ein Mensch in sich trug, jedoch hinter einer Maske verbarg. Zumeist ging dieser Begriff einher mit der Art, wie dieser Mensch sich nach außen hin gab.

Einige Soldaten hatten dem Colonel zeitweilig ein Herz aus Stein, beziehungsweise ein Herz aus Eis zugesprochen, auch wenn das vollkommen absurd war. Die Eigenschaften, die man mit Stein und Eis verband, trafen auf Ekko gewiss nicht zu.

Natürlich hatte selbst der Major inzwischen erkannte, dass das Herz aus Eisen auf Ekko ebenfalls lediglich bedingt anzuwenden war.

Trotzdem ließ sich der Vergleich zwischen Ekko und Eisen nicht von der Hand weisen, denn wie der Stahl besaß der Regimentskommandeur eine harte und schneidende Art, die zwar noch in der Lage war, sich zu formen, aber von außen kaum bearbeitet werden konnte.

Wie ein Schwert oder ein Dolch parierte der Basteter jeden Angriff auf ihn, nur um dann selbst zuzustechen und seinen Feind zu töten †“ und wenn er selbst dieser Feind war … wer hatte nicht schon seine Waffe gegen sich selbst gerichtet? Dabei konnte er desinteressiert und berechnend sein, aber auch hitzig und brutal.

Und unter der Hülle von Colonel Ekkos Herz aus Eisen wartete eine glühende Wut, die jeden Tag eines imperialen Jahres damit beschäftigt war, sich durch den Kokon zu schmelzen, um den imperialen Offizier von innen hinaus zu verbrennen.

Seitdem Balgor Ekko kannte, fürchtete er sich vor dem Tag, an dem die geschmolzene Masse, die einst Ekkos Gefühlsleben gewesen war, aus dem ehernen Sarkophag floss und den dann seelenlosen Körper gegen all das richtete, was ihm noch geblieben war.

Ohne Frage †“ noch erschien dieser Tag fern und im Angesicht von Ekkos unglaublichem Glück, alle Unwägbarkeiten auf irgendeine Weise zu meistern, nicht wirklich wahrscheinlich.

Aber der Captain wusste: Jeder Mensch erreichte irgendwann den Punkt, an dem er den Dämonen in seinem Innersten nichts mehr entgegenzusetzen vermochte.

Und wenn Ekko diesen Punkt erreichte, dann war er endgültig verloren. Dann gab es keine Hoffnung mehr für ihn.

Schon vor langer Zeit hatte Balgor entschieden: würde sein Freund jemals dem Kampf gegen seine inneren Dämonen verlieren, würde ihm nichts anderes übrig bleiben, als die Leiden des Regimentskommandeurs selbst zu beenden.

Und danach würde er selbst in einen tiefen, langen Schlaf der Seelenlosigkeit fallen. In eine lange Nacht, aus der es kein Entkommen gab.

Als hätte Ekko die Gedanken seines Begleiters mitgehört, wandte er sich langsam Balgor zu. »Wir sollten zurückgehen. Die lange Nacht befindet sich bereits im Anmarsch.«

»Die lange Nacht? Woher wissen Sie das?«

Der Regimentskommandeur lächelte freudlos und vollführte eine Geste, die aussah, als würde er sich auf eine sehr elegante Weise Luft zufächeln. »Es riecht nach … Nacht.«

Er schob die Hände zurück in die Manteltaschen und trottete zurück in Richtung Landefeld.

Balgor blieb ein wenig länger und hielt seine Nase in den von den gewaltigen Energien erzeugten Wind. Er schnupperte nach dem ‚Nachtgeruch†˜, den der Colonel ihm eben beschrieben hatte, doch alles, was in seine Nase biss, war der Gestank von Fyzelen.

Woher hätte er auch wissen sollen, dass Ekko genau diesen Gestank gemeint hatte.

bearbeitet von SisterMaryNapalm

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»Verstehe.« Ekko verschränkte nachdenklich die Arme und strich sich mit der Linken über seinen unsauberen Drei-Tage-Bart. Ein neuer Plan begann, sich durch seine Gehirnwindungen zu schieben, zog ein Buch mit unkonventionellen Ideen aus dem Taktik-Regal, konsultierte danach die Erlebnisse der letzten Tage und den Erfahrungsschatz des Colonels, naschte schlussendlich an der Schublade des Wahnsinns und schickte sich dann an, mit erstaunlicher Lebensfreude zu Tage zu treten.

Welch herrlich bildlicher Satzbau der da aus deinen Fingern floß. :ok:

Vielen Dank für diesen Teil, er war die Wartezeit wirklich wert.

Weiter so!

Avalus

Meine bunten Allgemeinprojekte: Avalus Armeen II (aktuell), Avalus Armeen I (Geschlossen)

Spezifische Armeeprojekte: Imperiale Armee Schnelle EingreiftruppeProjekt 500: Orks (Doch nicht im Warp Verschollen)

 

Beste Beschreibung meines Malstils:

"Einen Avalus bauen: Ein Modell kaufen und jede Farbe aus dem Mega-Paintset mal dran ausprobieren, 95% davon fuers Base." Garthor

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Salve,

ja - der Satz erreicht irgendwie denn Wert eines geistigen Heiligtums ... na ja, obwohl ^^

Allerdings hat mir dabei die nachfolgende Sequenz sehr viel besser gefallen, weil das ganze Konstrukt, das sich Ekko über mehrere Zeilen hinweg aufgebaut wird, einfach so platzt ... *poff*.

Aber da hat wohl jeder seine Präferenzen ;-D

Nächster Teil kommt ... irgendwann (hoffe ich zumindest)

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Hallo, liebe Stargazer-Leser,

Hier das neue Kapitel!

Wie immer vielen Dank an Nakago, der den Fluff kontrolliert hat und viel Spaß beim Lesen!

34

Das rot-orange Band eines blutigen Morgens schob sich über den erwachenden Himmel, als die Orks zum nächsten Angriff ansetzten.

Die ganze Nacht über hatte ihr Artilleriebombardement den Stadtwall der Kathedralenstadt perforiert und gegen zwei Uhr morgens waren sogar einige kleinere Trupps zwischen dem Schutzschild und den aufgetürmten Trümmern des gesprengten Tores in das vom Imperium verteidigte Areal eingesickert, nur um dort von der kombinierten Gewalt vergrabener Sprengsätze und dem Abwehrfeuer der Basteter zerrissen zu werden.

Unbemerkt dabei blieb hingegen, dass der Feind auch an anderer Stelle in die Stadt eindrang.

Der fünfte Trupp des achtzehnten Zuges gehörte zu den wenigen Einheiten, welche vorgeschobene Positionen im Defensivperimeter des 512. einnahmen.

In zwei Halbtrupps aufgeteilt und mit einer Chimäre zur Feuerunterstützung und schnellen Verlegung versehen, besetzte die Einheit die Reste zweier Schützenlöcher. Ihre Order war klar gewesen: Feststellen und beobachten aller möglichen Feindaktivitäten in ihrem Gebiet und sofortiges Bekämpfen eindringender Streitkräfte bis zu dem Punkt, an dem die Truppe zum Rückzug gezwungen wurde.

Aber bisher hatte sich kein Feind blicken lassen.

Irgendwo an ihrer rechten Flanke hämmerte unablässig Waffenfeuer und aus den leise gestellten Funklautsprechern der Chimäre plärrten Befehle und Meldungen.

In ihrem Sektor dagegen war die Nacht verhältnismäßig ruhig geblieben, abgesehen vom dumpfen Krachen der feindlichen Artillerie auf der anderen Seite der Außenmauer.

Man hatte sie nicht einmal mit Mörsern oder Zzapwummen beschossen, wofür die Männer des fünften Trupps durchaus dankbar waren.

Denn so hatten sie sogar ein wenig Schlaf gefunden und waren frisch und ausgeruht. Natürlich hatten sie damit eine grundsätzliche Pflicht ihres Auftrages verletzt †“ aber welcher Ork wäre schon über diese Mauer gekommen? Zudem hatten ja immer zwei Männer jedes Halbtrupps in der Nacht Wache gehalten und so dafür gesorgt, dass sich niemand ihrer Stellung unbemerkt nähern konnte (wobei diese allerdings eher Augenmerk auf eventuell vorbeikommende Vorgesetzte gelegt hatten).

Und so war es auch kein Angriff der Orks, der Sergeant Saf Pakell weckte †“ auf jeden Fall nicht direkt.

Vielmehr wurde er durch ein kräftiges Rütteln an seiner Schulter aus einem friedlichen Schlaf gerissen. »Sergeant! Sergeant! Wachen Sie auf!«

»Was?!« Im ersten Moment vollkommen verwirrt richtete sich der Unteroffizier auf, bis ihn der Gestank umherwabernden Ozons deutlich in die Nase biss und die Alarmglocken in seinem Kopf losschrillten. Ein Schub Adrenalin schoss durch seine Adern, pumpte die Müdigkeit aus seinem Körper. Innerhalb kürzester Zeit taute die nächtliche Umwölkung aus seinem Geist. »Thronverdammt! Was ist los, Krem?«

»Es hat aufgehört«, bemerkte Soldat Krem und runzelte seine zerfurchte Stirn. »Sie schießen nicht mehr.«

»Was sagen Sie da?« Pakell erhob sich und runzelte die Stirn. Die Worte des Soldaten ergaben für ihn im ersten Moment keinen Sinn. Die Ork-Artillerie hatte die gesamte Nacht über …

Er verstummte.

Totenstille herrschte um sie herum. Es regte sich so gut wie kein Lüftchen, abgesehen vom heißen, elektrischen Knistern des Schutzschilds über ihren Köpfen.

Kein Waffenfeuer brandete mehr gegen die schweren Mauern der Kathedralenstadt. Das Jaulen der Mörsergeschosse hatte aufgehört und die dumpf zischenden Entladungen der Zzapwummen waren nicht länger zu vernehmen.

Verwundert richtete sich der Sergeant auf. »Sie haben Recht«, stellte er fest.

Er fragte sich noch, was das bedeuten konnte, als ihm etwas an der Chimäre auffiel: der Panzer schaukelte leicht. Die Lautsprecher verstummten.

In dem geschützten Körper des Kettenfahrzeugs regte sich etwas.

Der Kopf des Panzerkommandanten erschien in der Luke, wie Pakell offensichtlich aus einem friedlichen Schlummer gerissen.

Der Mann sah sich suchend um, bevor er schließlich die Infanteristen entdeckte.

»Irgendwas stimmt hier nicht!«, rief er ihnen zu.

Die Chimäre wackelte erneut. Laut röhrend sprang der Panzermotor an, hustete schwarzen Qualm in die morgendliche Luft.

Pakell runzelte die Stirn. Dieses Schaukeln konnte doch nicht nur von der Mannschaft und dem Anwerfen des Motors herrühren. Immerhin war der Schützenpanzer ein achtunddreißig Tonnen schweres Fahrzeug, das sich nicht einfach bewegte, nur weil die Besatzung zum Leben erwachte.

Der Fahrer trat das Gaspedal durch und die Chimäre heulte schrill auf.

Beunruhigt verfolgte der Sergeant, wie der Panzerkommandant seine Kopfhörer aufsetzte und dann in sein Kehlkopfmikrofon sprach. Der Turm des Schützenpanzers schwenkte nach links, während die Besatzung die Servomotoren testete.

Im nächsten Moment war das Kettenfahrzeug weg.

Ohne einen Ton oder sonstige Vorwarnung brach es einfach in den Erdboden ein.

Die imperialen Soldaten sprangen entsetzt auf. So etwas hatten sie vorher noch nie gesehen.

»Whahaa«, entwich es einem Infanteristen.

»Thronverdammte Scheiße«, fügte Corporal Siddig fassungslos an.

Das stakkatoartige Wummern des rumpfmontierten Schweren Bolters setzte ein, dröhnte dumpf zu ihnen hinauf. Fast so, als würde die Waffe gerade in der beengten Umgebung eines äußert langen Tunnels abgefeuert. Vor der Chimäre brach weiterer Erdboden weg, versank mit donnerndem Rauschen in der Tiefe.

Pakells Unterbewusstsein reagierte mit antrainierter Schnelligkeit, auch wenn der Rest seines Körpers noch in tiefster Schockstarre residierte.

»Hoch!«, hörte sich der Sergeant in die Luft bellen. »Alles auf und in Stellung!« Dann erst erlangte er die Kontrolle über seine Bewegungen zurück.

Um ihn herum sprangen Soldaten auf und rannten in die provisorisch verstärkten Schützenlöcher, in denen sie sich gegen einen plötzlich einfallenden Feind hatten wehren wollen.

Doch gegen das, wessen sie gerade Zeuge wurden, konnte man sich nicht in Schützenlöchern verteidigen.

Wie sollte man sich auch gegen einen Feind wehren, der aus der Tiefe kam?

Pakell knirschte mit den Zähnen, als er selbst neben seinem Funker in Deckung ging. Eine vom Chaos eingefädelte Teufelei! Es konnte gar nicht anders sein.

»Rufen Sie sofort die Kommandozentrale!«, befahl der Sergeant, an den Soldaten gewandt, doch der blickte ihn in einer Mischung aus Verwirrung und Entsetzen an.

»Unser Funkgerät ist in der Chimäre!«, meldete er schließlich.

»Was?« Pakell glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen. »In der …« Er wies auf das Loch, aus dem eine kleine Staubwolke aufstieg. Weitere Worte waren nicht notwendig.

»Ja, Sir«, bemühte sich sein Untergebener zu erklären. »Die Batterien hatten keinen Saft mehr. Daher habe ich die Anlage an den Akkumulator des Panzers angeschlossen.«

»Das†™n Scherz!«

»Nein, Sir.«

»Ich fass†˜ es nicht.« Der Sergeant hob seinen Kopf über den Rand der Deckung, sondierte das umliegende Gelände mit wachen Blicken. Wie es schien, waren keine Feinde in das Innere der Kathedrale eingesickert. Gut so.

Pakell wandte sich um und gab ein kurzes Handzeichen zum Schützenloch hinter ihnen.

»Brick!«, rief er einen der Soldaten zu sich. »Kommen Sie mit! Sie auch!«, fügte er, an seinen Funker gewandt, deutlich leiser an.

Dann schwang er sich aus der Deckung, die beiden Männer im Schlepptau.

Ihre Waffen im Anschlag gingen sie vor.

Der Weg bis zur eingebrochenen Chimäre war nicht weit, dennoch raste der Zeiger einer imaginären Uhr in Pakell vorwärts, trieb die Zeit mit unaufhörlicher Sturheit fort, sodass der Sergeant sich vorkam, als laufe die Welt um ihn herum im Zeitraffer ab.

Schon sah er vor seinem inneren Auge Horden von Orks durch die Mauer brechen und die imperialen Stellungen überrennen, weil er nicht schnell genug herausgefunden hatte, was mit der thronverdammten Chimäre geschehen war.

Glücklicherweise spielte ihm seine Fantasie einen Streich, und weder die Mauer, noch der Panzer oder irgendein Xeno machten Anstalten, seine Schreckensvorstellung wahr werden zu lassen.

Tatsächlich waren der Truppentransporter und das ihn umgebende Areal so tot, als hätte man ihnen das Genick gebrochen.

Unwillkürlich fragte sich Pakell, was für vom Chaos eingefädelte Teufelei wohl einen derartigen Effekt auf die Umwelt ausübte.

Er brauchte sich selbst gegenüber nicht einmal ausgesprochen ehrlich sein, um festzustellen, dass er so eine Szene, wie die, die sich ihm bot, noch nie zu vor gesehen hatte †“ geschweige denn davon gehört, dass es eine Waffe gab, die solch eine Auswirkung auf den Boden ausübte.

Als er und seine Begleiter die eingebrochene Chimäre erreichten, geriet der Sergeant umso mehr ins Staunen.

Tatsächlich erschien der um das Fahrzeug herum entstandene Graben nicht wirklich tief. Seine Ausdehnung mochte vielleicht viereinhalb oder fünf Meter in der Vertikalen betragen, sowie gute fünfeinhalb in der Horizontalen. Vermutlich hätte ein gut ausgebildeter Pioniertrupp der Imperialen Armee einen solchen Graben in gut einer Nacht ausheben können. Das wirklich bemerkenswerte allerdings war, wie sich dessen Entstehung auf die Chimäre ausgewirkt hatte.

Der Truppentransporter hatte sich in der plötzlich eingesunkenen Erde verkeilt wie ein Tier, das unvermittelt in einen Steinrutsch geraten und eingeklemmt worden war.

Wie sich erkennen ließ, war die Kommandantenluke teilweise aus ihrer Verankerung gerissen worden, was trotz der geringen Falltiefe auf eine beachtliche Krafteinwirkung hinwies †“ oder eine schlechte Verarbeitung der Scharniere.

»Umgebung sichern!«, befahl der Sergeant und wies auf das offene Turmluk des Panzerfahrzeugs. »Prüfen Sie, ob die Besatzung noch lebt.«

Brick und der Funker gingen bis zum Graben vor und suchten den Abgrund in nächster Nähe mit kurzen Blicken ab, bevor der Infanterist auf den verdrehten Rumpf des betäubten Panzers sprang.

Mehr rutschend als sich aufrecht bewegend, und unter Verwendung sämtlicher ihm bekannter Flüche, arbeitete er sich bis zur Kommandantenluke vor, um sich dann ein wenig schwerfällig in das beschädigte Fahrzeug zu schieben.

Pakell kniete sich hin und betrachtete den Graben eingehender. Erneut fragte er sich, welche Waffe zu solch einer Auswirkung in der Lage war, zumal sie die Außenmauer nicht einmal angekratzt zu haben schien. Immerhin ging es hier um Energien, die jenseits dessen lagen, was man mit einer herkömmlichen Handfeuerwaffe oder einem Panzerfahrzeug an Erdarbeiten durchführen konnte. Seine Überlegungen kreisten eine Weile um die Frage, bevor sie sich an einen vorherigen Gedankengang erinnerten. Ein ausgebildeter Pioniertrupp der Imperialen Armee war in der Lage, einen solchen Graben in gut einer Nacht auszuheben. Einen solchen Graben †“ oder einen Tunnel.

Nun war allerdings nicht nur die Imperiale Armee dafür bekannt, dass sie liebend gern das Gewehr schulterte und mehr mit dem Feldspaten exerzierte. Auch die meisten Xenos wühlten, zutiefst begeistert, in der Erde.

Der Sergeant sah auf. Konnte das sein? War es wirklich möglich, dass …?

Wütendes Fluchen schälte sich aus dem eingeklemmten Schützenpanzer, zerschlug Pakells Gedankengang mit dem Vorschlaghammer der Aufmerksamkeit.

Brick tauchte in der Kommandantenluke auf, bereit seine Meldung zum Zustand der Besatzung zu machen.

»Der Richtschütze ist tot, Sir«, rief der Soldat zu ihnen hinauf. »Kommandant und Fahrer leben noch, aber der Kommandant hat beide Beine gebrochen und der Fahrer ist unter dem Richtschützen eingeklemmt. Das schaffe ich nicht alleine. Ich brauche mehr Leute.«

»In Ordnung«, antwortete Pakell bellend. »Hilfe ist unterwegs! Kommen Sie wieder raus und sagen Sie mir, was weiter vorne ist.« Er wies auf den Verlauf der künstlichen Senke, die nahe der Außenmauer steil in den Erdboden abzufallen schien.

Brick Augen folgten der Geste des Vorgesetzten, und die Schultern des Infanteristen sanken. »Ist das Ihr Ernst?«

»Glauben Sie, ich gehe selbst nach vorne?«, erwiderte der Unteroffizier, worauf sein Untergebener einen kurzen Moment lang über seine Möglichkeiten resümierte.

Schließlich gab er auf und zog sich aus dem Fahrzeug.

Pakell rief seinen Funker zu sich. »Wo ist mein Funkgerät?«, wollte er wissen.

Der Soldat wies auf die offene Fahrzeugluke. »In der Chimäre«, meldete er wahrheitsgemäß.

»Ja, dann hopp!«, wie der Sergeant ihn an. »Melden Sie die Lage.«

Eilends sprang der Mann auf und machte sich daran, einen möglichst gefahrlosen Abstieg auf das schief liegende Dach des Kettenfahrzeugs zu finden. »Was beim Thron ist das bloß?«, murmelte er.

Pakell schüttelte den Kopf, auch wenn er wusste, dass ihn der Mann weder sehen, noch hören konnte. »Ich habe keine Ahnung.« Er wandte sich um und winkte weitere Infanteristen herbei.

Der erste, der ihn nach gut einer halben Minute erreichte, war sein Stellvertreter, Corporal Siddig.

Sein Sergeant hielt sich nicht lange mit Details auf. »Laufen Sie zum nächsten Posten und erstatten Sie Meldung!«, befahl er dem Mann. »Los!«

Siddig grüßte nachlässig und stürmte von dannen, während die restlichen Soldaten bei ihrem Sergeant eintrafen und sofort Deckungspositionen nahe des eingebrochenen Kampffahrzeugs einnahmen, auch wenn keine erkennbare Gefahr bestand.

Schnell selektierte der Sergeant vier von ihnen und schickte sie zur Bergung der Verletzten, um danach weitere Aufgaben zu verteilen. Er wollte gerade zwei Infanteristen losschicken, eventuelle Beschädigungen am Mauerwerk des Außenwalls zu begutachten, als er die Stimme von Soldat Brick vernahm.

Eigentlich ging ihm dessen pausenloses Gefluche bereits deutlich zu sehr auf die Nerven, aber dieses Mal steckte in jedem der Worte eine inbrünstige Angst, die Pakell aufhorchen ließ.

»Scheiße! Scheiße! Scheiße!«, näherte sich der Infanterist, das Gewehr mit den Händen so fest umklammert, als wollte er Griff und Handschutz mit einer einzigen Bewegung in Zwei brechen. »Scheiße! Scheiße! Scheiße!«

»Was ist denn?«, bellte der Truppführer und beobachtete, wie sein Untergebener den Panzer mit der Inbrunst einer paarungsbereiten Dogge ansprang.

»Thronverdammte Scheiße!«, schrie Brick und reichte mit den Händen in die Höhe. »Zieht mich hoch! Zieht mich sofort hoch!«

Infanteristen eilten herbei und ergriffen die ausgestreckten Arme ihres Kameraden, um ihn aus dem Graben zu ziehen.

»Was ist?«, wollte der Sergeant wissen.

»Sprengstoff!«, meldete der Soldat in atemloser Panik. »Sie haben die thronverdammte Mauer vermint!«

Hastig zog er sich an den Armen der anderen Soldaten hinauf, rutschte aus und schlug hart auf den Boden, nur um sich wieder aufzurappeln und mit vor Entsetzen verzerrter Miene vor der tiefen Wunde in der Erdoberfläche zu flüchten.

Pakell sah auf. Sprengstoff? Minen? Konnte das etwa bedeuten, dass die Orks den Schutz der eigenen Waffen genutzt hatten, um die Mauer zu unterminieren und Explosivstoffe auszubringen?

Waren Xenos wirklich so intelligent, dass sie eine so verschlagene Technik einsetzten?

Entsetzen grub sich seinen Weg in die Gedanken des Sergeants, als ihn seine Erfahrung anschrie. Ich habe es dir gesagt! Thronverdammte Scheiße! Ich habe es dir gesagt!, hörte er sich selbst im Geiste schreien.

Nein! Das konnte nicht sein! Das durfte nicht sein!

Er erhielt keine Gelegenheit mehr, die Wahrheit zu erkennen, geschweige denn, sie zu verstehen.

***

Eine gewaltige Explosion erschütterte die Himmelskathedrale, zerriss die von Unruhe erfüllte morgendliche Luft mit demselben Knall, mit dem eine aufschlagende Tür ein stilles Zimmer erbeben lässt.

Die Detonation erschreckte das archaische Gemäuer dermaßen, dass es regelrecht in sich zusammenfuhr. Einige der beeindruckenden Buntglasfenster sprangen entsetzt aus ihren Rahmen, nur um mit lautem Getöse auf den reich gefliesten Kirchenboden zu fallen und dort zu zerspringen. Wäre das Bauwerk ein Mensch gewesen, es hätte sich vermutlich vor Angst in die Hose gemacht.

Doch nicht nur die altehrwürdige Kathedrale fand sich im Schockzustand wieder.

Im schnellen Schritt stürmte Ekko durch die offenen Flügeltüren des Hauptschiffs in Freie, Major Carrick im Schlepptau. Bei der Geschwindigkeit, mit der sich die beiden Offiziere bewegten, verwunderte es, dass das unsichtbare Seil zwischen ihnen nicht bereits gerissen und der Major unkontrolliert gegen die nächste Säule geprallt war.

»Ich will wirklich hoffen, dass da nur jemand mit den Nachwirkungen der Frühverpflegung zu kämpfen hat«, warnte der Colonel seinen Stellvertreter mit erhobener Hand. Ganz so, als würde er Carrick dafür verantwortlich machen wollen, wenn dem nicht so war.

»Ich denke nicht, dass die Lösung so einfach ist«, erwiderte der Major bitter.

Ekko ließ ein unwilliges Grummeln ertönen. Dann allerdings entdeckte er den weit entfernt aufsteigenden Rauchpilz der kräftigen Detonation und blieb wie angewurzelt stehen. »Thronverdammt! Was für eine Wolke! Sind Sie sich sicher, dass da nichts im Essen war?«

»Colonel!«, rief der Major entrüstet aus.

Abwehrend hob sein Vorgesetzter die Hände. »Ist ja gut. Ich gehe dennoch vorsichtshalber darüber«, sagte er und wies auf die bereitstehende Walküre, das Shuttle zwischen Dachplattform und Haupteingang. »Nur für den Fall, dass die Mahlzeit auch bei Ihnen zu Reaktionen führt.«

Um einen schnellen Transport von Personal zu garantieren, befand sich der Senkrechtstarter seit der letzten Nacht im sogenannten »Alert fünf«, der fliegerischen Bezeichnung für einen Zustand, indem die Maschine innerhalb von fünf Minuten in die Luft steigen konnte. Normalerweise gab es einen solchen Zustand nicht (das für eine Besatzung ertragbare Maximum lautete »Alert fünfzehn«), aber seit dem Absturz von 0192 Galadriel hatte der Colonel jeden weiteren Einsatz der Luftunterstützung vorerst verboten, und so standen ihm rund um die Uhr zwei Maschinen mit zwei Besatzungen zur Verfügung, die er im zehn-Stunden-Rhythmus in Bereitschaft halten konnte.

Schon rief der Pilot seinem WSO zu, die Cockpitkanzel herunterzufahren, um Abflugbereitschaft herzustellen. Auch sie hatten die gewaltige Explosion beobachten können, die den gesamten Komplex erschüttert hatte und wussten, wie wichtig es war, dass der Colonel nun schnellst möglichst zu seinem Kommandozentrum gelangte. Leises Summen ertönte, als die Starter der Turbinen anliefen.

Ekko winkte ab, während er eilig in Richtung der einsatzbereiten Maschine lief. Noch bevor die Bodenmannschaft die Cockpitzugangsleiter von der Walküre lösen konnte, hatte der Basteter sie bereits erklommen und lehnte sich ins Cockpit.

»Kein Grund, gleich in Panik zu geraten!«, verlangte der Colonel. »Bleiben Sie ruhig und geben Sie mir ihren Feldstecher.«

Verwirrt starrten ihn Pilot und WSO an.

»Feldstecher! Jetzt«, wiederholte der Regimentskommandeur und vollführte eine drängende Geste.

»Ähm … natürlich, Sir! Hauptstarter in Bereitschaft runterfahren«, befahl der Pilot.

»Hauptstarter wieder in Bereitschaft«, echote der Waffensystemoffizier. Ein kleines Handbuch mit einer Checkliste löste sich aus seiner Halterung rechtseitig des Arbeitsplatzes und rutschte auf die Beine des Mannes.

Mehr mit sich selbst sprechend als irgendwen Spezielles adressierend begann der Mann, die Prüfliste nacheinander abzuarbeiten. »Hauptregler aus †“ checked; Treibstoffzufuhr aus †“ checked …«

Währenddessen begann der noch immer überraschte und verwirrte Pilot, sich aus seinen Sitzgurten zu schälen.

Vorsichtig im Cockpit manövrierend, als befände er sich inmitten eines Feldes aus ultrahoch erhitzten Kochplatten, wandte er sich um und fuhr damit fort, die Überlebensausrüstung in seiner Sitztasche zu suchen.

Durch die beengten Verhältnisse in der Flugzeugkanzel war das nicht ganz einfach und so dauerte es weitere wertvolle Minuten, bis er endlich gefunden hatte, was der Colonel suchte.

In jeder Überlebensausrüstung †“ zumindest der generischen †“ fand sich neben vielseitigen Hilfsmitteln für ein Überleben auch ein monokularer Feldstecher, damit ein abgestürzter Pilot das umliegende Gelände einer genauen Betrachtung unterziehen konnte, bevor er sich aus seiner schützenden Deckung begab.

Nun nahm Ekko den in Tarnfarben gemusterten Körper an sich, sprang von der Zutrittsleiter und lief zum Rand des Kirchenvorhofs.

Im Hintergrund bekam er die Meldung des WSO mit, dass die Prozedur zum Zurücksetzen des Bereitschaftszustandes erfolgreich gewesen war. Er ignorierte sie.

Am Rand des Kathedralenvorhofs angekommen, sprang er auf eine der Munitionskisten und setzte den Feldstecher an sein Auge. Mit schnellen, aber gezielten Bewegungen rasterte er die sich ausbreitende Staubwolke ab.

In der Nähe brüllten Captains ihre Züge in Gefechtszustand, während Panzersoldaten aufgeregt ihre Fahrzeuge besetzten.

Die gleiche Situation hatten sie bereits erlebt †“ am gestrigen Tage, als es den Orks für einige Stunden gelungen war, durch das Haupttor in den äußeren Ring der Kathedrale einzubrechen.

Dieses Mal jedoch war es anders. Man spürte diesen ungemeinen Druck, der sich durch den Boden in die Beine fortpflanzte. Ein verzweifelter Schrei, der alles sagte, das es zu sagen gab: Sie sind hier! Die Orks sind in der Stadt!

Allmählich lichtete sich der Staub um die Detonationsstelle. Schemenhafte Umrisse verfestigten sich zu schrecklichen Erkenntnissen und Ekko konnte nicht anders, als mit den Zähnen zu knirschen.

Teile der Außenmauer waren durch eine gewaltige Explosion aus dem Fundament gerissen und in die Stadt fortgeschleudert worden. Weitere Stück schienen eingebrochen zu sein oder sich gerade im Zusammensturz zu befinden.

Der Schutzschild über der zerstörten Stelle flimmerte unruhig.

»Oh, thronverdammt«, zischte der Regimentskommandeur und fuhr sich mit der Hand durch sein dunkles Haar. »Also ich glaube nicht, dass wir das Loch wieder zubekommen. Carrick«, wandte er sich an seinen Stellvertreter.

Der Major trat an seine Seite. »Colonel?«

»Sehen Sie sich das an.«

Unsicher, was er zu erwarten hatte, warf der stellvertretende Regimentskommandeur einen Blick durch das Monokular und runzelte erschrocken die Stirn. »Oh! Beim Barte des Propheten!«

»Das können Sie laut sagen.«

Carrick reichte den Feldstecher an seinen Vorgesetzten zurück. »Und was machen wir jetzt?«

»Sofort alles, was wir an Reserven haben, in den zweiten Ring.« Ekko betrachtete die Szenerie erneut.

Die Augenbrauen des blonden Basteters neben ihm schienen wegfliegen zu wollen, so schnell riss er die Augen auf. »Alle Reserven?!«

»Ja!« Ekko nickte. »Sofort! Lassen einen Zug hier, falls uns eine Überraschung ins Haus steht, den Rest aber sofort in den zweiten Ring. Es kann sein, dass wir bald überrannt werden.«

»Was haben Sie vor?«, erkundigte sich der hochgewachsene Basteter.

Sein Vorgesetzter schüttelte den Kopf. »Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht. Ich muss mir was überlegen. In allen Planungen war ich davon ausgegangen, dass die Orks durchs Haupttor brechen und sich dann von uns lenken lassen. Dadurch, dass sie weit ab von der geplanten Route durch die Mauer gebrochen sind, ändert sich die Lage vollständig.« Er streckte die Arme V-förmig von sich. »Unsere Abwehrlinie verläuft wie ein Kegel, dessen Spitze kurz vor dem Tor in den zweiten Ring endet.«

»Das weiß ich, Sir«, erwiderte der Major. »Die Mannstärke lässt eine andere Kräfteverteilung nicht zu. Aber haben wir dafür nicht die vielen Sprengfallen und Minen verlegt? Gerade deswegen ist doch nur ein schmaler Korridor übrig, in dem sich der Feind bewegen kann.«

»Das ist richtig«, stimmte der Regimentskommandeur zu. »Aber jetzt drehen Sie den Spieß mal um. Wo können sich denn unsere Truppen bewegen?«

Es dauerte eine Weile, bis Carrick die Antwort auf das fand, worauf Ekko eigentlich hinauswollte. »Den schmalen Korridor zwischen den Minen«, brachte er verstehend hervor. »Aber …?«

»Haben Sie schon einmal einen Kegel gekappt?«

»Einen Kegel?« Der abrupte und völlig zusammenhangslose Themenwechsel überraschte den Major.

Ekko präzisierte die Frage. »Was bleibt übrig, wenn Sie die Spitze vom Kegel abnehmen.«

Carrick überlegt kurz. »Ein offener … oh.«

»Ganz genau. Und in diesen ‚Offenen†˜ brauchen die Orks nur reinstoßen und schon sind sämtliche Verteidigungsgruppen voneinander abgeschnitten und werden Stück für Stück aufgerieben †“ und wir können zugucken und uns ärgern.«

»Aber sie müssen dafür doch erst einmal durch unser ausgeklügeltes Verteidigungsnetz«, gab der Stellvertreter zu bedenken.

»Machen Sie nicht denselben Fehler wie Ligrev«, wies der Regimentskommandeur seinen Untergebenen an. »Unterschätzen Sie Ihren Feind nicht. Der hat nämlich gerade ein Loch in eine Wallanlage gesprengt, die darauf ausgelegt ist, wochenlangen Dauerbeschuss auszuhalten. Glauben Sie, dass wir den Feind auch nur eine Stunde mit den Sprengfallen aufhalten würden, wenn er wirklich aggressiv auf den Perimeter drückt?«

Die Antwort darauf fand sich von selbst, und Carrick war professionell genug zu erkennen, dass es nun für die Orks kein Halten mehr gab. »Ihre Befehle?«

»Wir müssen schnellstmöglich alles in den zweiten Ring zurückschieben.« Ekko stieß gepresst Luft aus und überlegte, wie er der Situationsänderung begegnen sollte. Einige Momente lange kämpfte sein Geist gegen einen imaginären Feind, probte Angriffe und Rückzüge, wandte sich um, zeigte den Colonel einen Vogel, schleuderte die Waffen weg und begann dann, hemmungslos zu weinen. »Die gesamte Reserve soll um den Eingang in den zweiten Ring der Kathedrale in Stellung gehen. Schicken Sie die Leute in die Gräben, auf die Mauer, hinter Bäume, in Gebäude †“ eben alles, was wir als Schutz und Feuerposition nutzen können, ohne die zurückweichenden Kräfte zu gefährden. Dann brauche ich einen Bereitschaftsstatus der Raketenwerfer. Es kann doch nicht so lange dauern, diese thronverdammten Gerippe aufzubauen und abzufeuern. Und veranlassen Sie, dass die Generatoren im ersten Ring besetzt werden. Sobald der Rückzug im Gange ist, will ich den Schild zurücknehmen. Noch Fragen? Na, dann Tod und Verderben!«

Carrick nickte abgehackt, dann machte er sich auf den Weg, das nächste Funkgerät zu erreichen. »Gireth! Wo beim Thron sind Sie?! Regimentsfunker sofort zu mir!«

Ekko sah ihm kurz nach, während in seinem Kopf hämische Stimmen um die Vorherrschaft kämpften. Ja, er hatte einen Fehler gemacht. Er hatte seinen Feind unterschätzt. Solche Fehler passierten. Jeder Kommandeur machte früher oder später einen Fehler. Das war menschlich. Und wer menschlich war, konnte in den Augen des Imperators kein Feind sein. Hauptsache, der Unglückliche korrigierte diesen Fehler schnellstmöglich. Oder doch nicht? Beim Barte des Propheten.

Er hoffte, dass es ihm gelang. Dass es ihm möglich war, seine Fehleinschätzung zu korrigieren. Denn die Alternative dazu war viel zu schrecklich, um sie sich vorzustellen. Und dabei war sein eigener Tod noch das geringste Übel.

Der Colonel wandte sich um und lief zurück zur Walküre. Er sprang auf die Zutrittsleiter, dann warf er das Monokular in die Cockpitkanzel.

»So«, wandte er sich an den Piloten. »Jetzt können Sie in Panik geraten.«

***

»Richtschütze: neues Ziel! Zielanweisung Rot sechs †“ vier Komma sieben. Feindlicher Gargbot!«

»Erkannt.«

»Feuer frei!«

Jaorah Nurin blickte durch das Sichtperiskop von Enforcer eins und verfolgte, wie ein durch die Mauer gebrochener Gargbot schnurstracks in den Feuerbereich seines Jagdpanzers lief.

Mirak Redek war derweil damit beschäftigt, das Hauptgeschütz nach dem feindlichen Läufer auszurichten. »Zwo †“ eins †“ Feuer!«, rief er in sein Mikro.

»Feuer!«, wiederholte die Besatzung. Der Destroyer blies einen hochenergetischen Strahl auf den feindlichen Läufer.

»Bekämpft.«

»Verstanden.« Nurin ließ das Periskop auf der Suche nach dem nächsten Ziel über die Ansammlung feindlicher Kräfte streichen. Die Auswahl war schier überwältigend.

Wie grünes, klumpiges Wasser drängten die Grünhäute in die Makrokathedrale, von der entstandenen Lücke in der Verteidigung angezogen wie von einem schwarzen Loch.

Ein greller Lichtstrahl platzte in sein Lichtfeld, begleitet vom dumpfen Rumpeln sich schlagartig ausdehnender Luft. Weit entfernt erhob sich ein orangefarbener Feuerball in den Himmel.

Es war nicht lange her, dass eine gewaltige Explosion Nurin aus einem unruhigen Schlaf geweckt hatte, in dem ihm Geister seiner gefallenen Kameraden angeklagt hatten, nicht sein Bestes zur Verteidigung der Himmelskathedrale beigetragen zu haben. Teils schlaftrunken und teils von den Geschehnissen überrollt hatte er sich aus dem Landhaus begeben, nahe dem die Jagdpanzer in Stellung gegangen waren, nur um festzustellen, dass gerade ein gutes Stück des äußeren Schutzwalls zerstört worden war.

Nun versuchten seine Besatzung und ihre Schwadronskameraden, die in Bedrängnis geratene Infanterie mit gezielten Distanzschüssen zu unterstützen, um wenigstens den Druck durch einbrechende Feindfahrzeuge und †“läufer zu minimieren.

Aber irgendwie beschlich Nurin das dumpfe Gefühl, dass diese Maßnahme nur ein Tropfen auf dem heißen Stein war. Wie ein Nadelstich auf einer Orkhaut.

Schade, dass Orks keine Luftballons waren und platzten, sobald man sie mit einer Nadel stach.

Das Funkgerät erwachte knisternd zum Leben. »Enforcer Null Eins, hier 5121801. Neuer Zielkontakt. Feindlicher Schützenpanzer in Querfahrt. Zielanweisung: Sektor Rot Drei.«

Nurin kippte den Mikrofonschalter auf die externe Verbindung, kam jedoch nicht mehr dazu, den Funkspruch zu quittieren.

»Enforcer eins, hier 5122001. Neuer Zielkontakt. Feindlicher Gargbot. Zielanweisung Sektor Gelb vierzehn.«

»Hier Enforcer eins. Beide Funksprüche …«

»Enforcer eins, hier 5122201. Neuer Zielkontakt. Feindlicher Panzerwagen. Zielanweisung Sektor Gelb vier.«

Es hörte nicht auf.

Nurin konnte nicht anders, als erschöpft zu seufzen, als drei weitere Kontaktmeldungen über den externen Funkkreis aufliefen; verzweifelte Hilferufe, die adäquat zu beantworten ihm schlichtweg die Feuerkraft fehlte.

»Redek!«, rief er entschlossen, nachdem er den Mikrofonschalter erneut gekippt hatte.

»Ja, verstanden«, bestätigte der Richtschütze den unausgesprochenen Befehl. Ab jetzt wählte er die Ziele. Sein Kommandant würde nur noch als Ausguck dienen. Für eine längere Befehlskette blieb keine Zeit. »Zehn rechts, Ves.«

Ein weiter Laserstrahl hieb mit der Kraft eines gewaltigen Schwertes in den äußeren Ring der Kathedralenstadt, abgefeuert von Enforcer zwo.

Eilig schaltete Nurin sein Mikrofon erneut auf den externen Funkkreis. »Enforcer eins an Enforcer zwo. Feuer frei auf alle erkannten Ziele. Ich wiederhole: Feuer frei. Kein geleiteter Feuerkampf mehr. Meld…«

»Zwo †“ eins †“ Feuer!«, unterbrach ihn Redek.

»Feuer!«, wiederholte die Besatzung.

Enforcer eins saugte an seinem Generator, dann spie er einen gewaltigen Lichtstrahl aus.

»Enforcer zwo hat verstanden. Feuer frei! Melden.«

»Enforcer eins: Richtig! Ende.«

»Fünf mehr links«, ordnete Redek an. Heulend kam der Destroyer herum.

»Feindlicher Schützenpanzer in Querfahrt! Ziel erkannt! Feuer frei!«, gab sich der Richtschütze selbst das Kommando. »Zwo †“ eins †“ Feuer!«

»Feuer!«

Unheilverkündendes Jaulen erklang, doch es löste sich kein Schuss. Stattdessen erschauderte der Jagdpanzer und fiel dann in einen tiefen Schlaf. Sämtliche Anzeigen wurden dunkel.

»Scheiße!«, schnodderte Ves in den Funkkreis. »Wir verlieren Energie.«

»Was?!«, wollte Nurin wissen, obwohl ihm klar war, dass er sich die Zeit für eine solche Frage eigentlich nicht leisten konnte.

»Wir verlieren Energie«, wiederholte der Fahrer.

Nurin und Redek sahen sich an. »Haben wir den Maschinengeist verstimmt?«, fragte der Richtschütze sorgenvoll.

Der Captain konnte lediglich die Achseln zucken. Wenn ich das wüsste, dachte er bei sich. Die Beziehung zwischen sich und dem Maschinengeist ihres Fahrzeugs wurde jeder desposianischen Panzerbesatzung bereits während der Grundausbildung beigebracht. Panzerkommandanten wie Nurin erhielten in weiteren Lehrgängen genauere Anweisungen, wie mit dem Geist der Maschine umzugehen war. Ja, es gab sogar eigene Ausbildungsabschnitte in der Panzerführerausbildung, deren Bezeichnung passend ‚der Maschinengeist und ich†˜ lautete. Mit der Zeit allerdings war Nurin klar geworden, dass die doch eher generischen Ratschläge dem Realitätsfall in keinster Weise gerecht wurden. Und so hatten seine Besatzung und er damit begonnen, eher auf die spezifischen Bedürfnisse des Jagdpanzers einzugehen.

Vielleicht hatte eine dieser Maßnahmen dazu geführt, dass sich der Geist der Maschine nicht mehr mit den Seelen anderer Gerätschaften vertrug? Wie sonst sollte es dazu gekommen sein, dass der Destroyer den externen Betrieb durch den Generator nach einer längeren Phase problemloser Zusammenarbeit verweigerte?

Oder konnte es sein, dass sich die Maschinengeister des Energiegenerators und des Jagdpanzers zerstritten hatten?

Wie dem auch war †“ es hatte Nurin und seine Besatzung in arge Bedrängnis gebracht. Treulose Maschinenseelen! »Vergessen Sie es. Umschalten auf internen Betrieb. Weiterfeuern«, fügte der Captain, an den Richtschützen gewandt, hinzu.

Dass beide Männer bestätigten, hörte er bereits nicht mehr, als er seine Kopfhörer abnahm und sich an den Haltestangen unter der Kommandoluke in die Höhe zog.

Außerhalb des schützenden Panzerrumpfs tobte die Hölle. Heftiges Waffen- und Geschützfeuer hämmerte durch die rapide wärmer werdende Morgenluft wie zwei sich duellierende Gewitterfronten.

Immer wieder erschütterten Detonationen das gut viereinhalb Kilometer weit entfernte Gefechtsfeld, während beeindruckende Feuerbälle aus den imperialen Stellungen in die Höhe stiegen.

Nurin ließ sich für zwei Herzschläge von der Szenerie fangen, dann wirbelte er herum und suchte hinter seinem Panzer nach einer bestimmten Gruppe Personen. Er fand sie recht schnell, verborgen zwischen den Zierbäumen, die das Anwesen dir Terrasse schützten.

»Wir brauchen Hilfe!«, rief er, die Hände als Trichter um den Mund gelegt. »Wir können nicht mehr feuern!«

Zwei der Männer kamen zu ihm. Es waren Techniker der imperialen Instandsetzung, einer Untergruppe des Departmento Munitorium, aber den imperialen Einheiten direkt unterstellt. Eigentlich konnte man die Männer nicht wirklich als Techniker, Adepten oder Maschinenseher bezeichnen, denn sie war lediglich in der Lage, einfachste Feldreparaturen durchzuführen. Allerdings standen Nurin derzeit keine anderen Kräfte zur Verfügung und er hoffte inständig, dass die Instandsetzung in der Lage war, sein Problem zu lösen.

»Was ist passiert?«, fragte ihn einer der Techniker, indem er sich dicht hinter dem Panzer an den Boden duckte.

»Ich weiß nicht«, erklärte der Captain. »Ich habe das Gefühl, der Maschinengeist verweigert sich.«

Das verwirrte sein Gegenüber. »Wie?«

»Was weiß ich?!«, schnauzte Nurin. »Bringen Sie das in Ordnung!«

Er wollte gerade anfügen, wie sehr er dem anderen Soldaten den Arsch aufreißen würde, wenn das Problem nicht schnellstmöglich behoben wurde, als sich das tiefe Einatmen von Enforcer zwo in seine Gedankenwelt stahl.

Das Geräusch war penetrant und alarmierte Nurin, sofort in Deckung zu gehen, doch er befand sich noch mitten in der Bewegung abwärts, als der über Enforcer eins platzierte Jagdpanzer das Feuer eröffnete.

Schier unerträglich Hitze verbrannte dem Captain die Nackenhärchen, und der scharfe Schlag der sich ausdehnenden Luft trieb seinen Kopf gegen den Stahl der Kommandantenkuppel.

Leicht betäubt zog er sich wieder in die Höhe.

Grässlicher Gestank von verbranntem Haar und Ozon schwängerte die Umgebungsluft.

Die Antwort kam postwendend.

Ein greller Pfeil rauschte durchs Blickfeld, passierte die beiden Jagdpanzer in nur geringem Abstand und verschwand zwischen den Zierbäumen des Anwesens. Ein trockener Knall erschütterte die Umgebung, riss Ast- und Blattwerk mit grausamer Gleichgültigkeit von den einstmals ansehnlichen Pflanzen.

Thronverdammte Scheiße, schoss es dem Desposianer durch den Kopf. Sie haben uns entdeckt.

Er wandte sich wieder den Technikern zu. Inzwischen waren weitere Soldaten aus ihrer Deckung gekommen und dazu übergegangen, von langen, buchartigen Protokollen geleitete Hymnen anzustimmen, Anleitungen zum Wiedererwecken der Maschinengeister. Deren praktische Durchführung an dem schweren Generator, dessen Energieausgänge durch Starkstromkabel mit Enforcer eins verbunden waren, teilten sie unter sich auf.

»Vergessen Sie die Wiedererweckung!«, schrie der Panzerkommandant die Männer an. »Koppeln Sie uns ab!«

»Ja, aber die Maschinengeister«, widersprach einer der Techniker verzweifelt.

»Vergessen Sie die Maschinengeister.« Mit einer unmissverständlichen Geste durchtrennte Nurin jeden weiteren Gedanken an die Ausrüstung. »Sie werden es sicherlich verzeihen, wenn wir erst die Stellung räumen und sie in Sicherheit bringen. Sehen sie zu, dass Sie beide Panzer losmachen und dann verschwinden Sie von hier.« Im Geiste betete er dafür, dass er mit seiner Aussage auch wirklich richtig lag. Andernfalls konnte dies hier ihr Ende bedeuten.

Eine weitere Granate rauschte über die Jagdpanzer hinweg, schoss durch die Zierbäume und betrat das dahinter liegende Anwesen, um dessen Inventar in einem ungebändigten Wutanfall zu zertrümmern.

Nurin verfolgte, wie diese gesamte Gruppe von Technikern aus ihrem Versteck kroch und begann, die schweren Starkstromkabel aus den Anschlussbuchsen unter dem Heck beider Panzerjäger zu lösen, dann setzte er sich die Kopfhörer auf und betätigte das Kehlkopfmikrofon. »Ves?«

»Bin schon dabei, Boss.«

Nurin nickte, dankbar über die überraschend schnelle Auffassungsgabe des oftmals etwas langsamen Fahrers, dann wechselte er den Funkkreis. »Enforcer zwo, hier Enforcer eins. Melden!«

»Hier Enforcer zwo. Melden.«

»Rand, die Stellung wurde aufgeklärt. Klar machen zum Wechsel der Position. Umschalten auf internen Betrieb. Melden.«

»Hier Enforcer zwo: verstanden. Warten Sie.«

Derweil hatten die Soldaten der Instandsetzungsgruppe die Generatoren notabgeschaltet und die Trojan-Zugmaschinen gestartet. Nun lösten sie gerade die letzten Verbindungen zwischen den Panzern und den Generaten.

Rands Büste erschien über den Rand der Kommandantenkuppel von Enforcer zwo. Er warf einen Blick auf die hinter dem Panzer arbeitenden Männer, dann sah er zu Nurin. Sein Jagdpanzer spie schwarze Rauchwolken aus.

Nurin betätigte das Kehlkopfmikro. »Azrael, hier Enforcer eins, melden!«

»Ekko hier. Was gibt†™s?«

»Meine Stellung wurde aufgeklärt. Wir stehen unter Beschuss und wechseln die Position. Melden.«

»Was denn, jetzt schon?« Ehrliche Überraschung klang in der Stimme des Fragenstellers mit.

Nurin sah auf. »Wie bitte?«, entwich es ihm. »Ist das Ihr Ernst?«

»Ja.«

Heiße und kalte Schauer liefen über den Rücken des Panzerkommandanten, kitzelten ihn mit abartiger Freude. Meinte der Regimentskommandeur das wirklich ernst? Wollte er wirklich, dass Nurin seine Jagdpanzer an Ort und Stelle beließ, bis beide Fahrzeuge zerstört waren? Vorsichtshalber stellte er die Frage erneut, dieses Mal jedoch betont langsam. »Hier Einforcer eins. Bitte bestätigen: Wollen Sie, dass der Feuerkampf aus dieser Stellung fortgeführt wird? Melden.«

»Nein«, ertönte die Antwort ebenso betont langsam. »Ich wollte wissen, wie man Sie jetzt schon unter Beschuss nehmen kann. Finden Sie das heraus, sobald Sie eine neue Feuerposition erreicht haben.«

»Enforcer Eins: verstanden. Ende.«

»An alle 512, hier 0072 Azrael. Der Feind befindet sich im Angriff auf die zweite Verteidigungslinie. Die Linie ist unter allen Umständen zu Halten. Symmetrisches Zurückweichen aller im Kampf stehenden Gruppen erfolgt auf Anweisung. Alle Reserveeinheiten: Positionen für Zurücknahme der Hauptkampflinie in den zweiten Ring einnehmen.« Ein kurzes Knacken in der Sprechanlage ertönte. »Gruppe Enforcer †“ melden Sie sich, sobald Sie die neue Position erreicht haben.«

»Hier Enforcer eins. Verstanden. Ende.«

»Wir sind fertig!«, rief der Techniker zu Nurin hinauf und verabschiedete sich mit einem kurzen Salut, während seine Kameraden mit den Trojans bereits das Weite suchten. »Möge der Imperator Sie geleiten.«

»Enforcer zwo frei in der Bewegung«, bestätigte Rand die Meldung im Funk.

Nurin nickte, winkte den ungeschützten Soldaten von dannen und tauchte dann in den gepanzerten Rumpf von Enforcer eins ab. »Zurücksetzen!«, befahl der Kommandant. »Stellungswechsel!«

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Hab mir gerade die ganze Story auf einmal durch gelesen, kann nur sagen immer

weiter so , das ganze weis zu gefallen.

Wenn du unbedingt Kritik haben möchtest...

ein kleines Detail in den Häuserkämpfen viel mir auf. Du schreibst selten über den Einsatz von Granaten durch die Infanterie. Aus meiner eigenen Zeit beim Militär und diverser

Häuser- und Grabenkampfausbildung weiß ich, das man in diesen Situationen schnell dazu über geht wie wild mit Granaten um sich zu werfen, speziell sobald das ganze chaotische Formen annimmt. Also wenn der Gruppenführer und 50 % der Kameraden ausgefallen sind, man selbst in Panik gerät und den Überblick über die Situation verliert.

Ist eine persönliche Erfahrung, vielleicht siehst du das ja anders.

Zumal ich mir vorstellen könnte, das die Soldaten durch das fehlen schwerer Waffen zu dieser Alternative greifen müssen.

Ansonsten fällt mir das fehlen von Sturmwaffen wie Granatwerfern und Meltern auf.

Als Idee geht mir noch das Wort "Regimentsstandarte" und die Frage durch den Kopf, wo wohl die Imperiale Flotte geblieben ist, die die Armeegruppe auf dem Planeten abgesetzt hat.

Mein Persönlicher Lieblingscharakter ist Leitis Sile. Ich freue mich immer am meisten wenn sie in deinen Texten auftaucht. Und irgendwie warte ich auf den Moment wo sich die erotische Spannung zwischen ihr und Ekko entlädt. Das ist zumindest mein Wunschdenken ;-)

Ansonsten Hoffe ich auf weitere Texte, was bisher da ist macht lust auf mehr.

Zitat heute beim Abendessen: "Ich kaufe keine Lebensmittel wo Fitness draufsteht weil ich Angst habe das da kein Fett drin ist.....

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Hallo,

na da schreit ja fast nach einer Antwort …

Also aus meiner militärischen Erfahrung kann ich sagen: wir haben nie Handgranaten benutzt (zumindest keine scharfen) … vermutlich, weil die in meiner Ausbildung auch nie vorgesehen waren. Zudem bin ich jemand, der nicht zum exessiven Nutzen von Handgranaten neigt. Ich meine, bisher hat sich die Story hauptsächlich auf Veteranen konzentriert, die alle wissen, dass sie nur zwei, drei Handgranaten dabei haben und diese dann auch mit Bedacht einsetzen. Und ich fand jetzt auch nicht, dass der Einsatz besonders schonend war.

Hougner hat sich mit so einem Eierwärmer in die Luft geblasen, Rebis hat die Orks von der Walküre damit zugeschmissen, in den Gräben und im Häuserkampf meine ich mich zu erinnern, dass die Imps und Orks damit sogar Tennis gespielt haben. (also jetzt nicht echt, das wäre ja Quatsch …)

Außerdem gebe ich zu bedenken: Die meisten Granaten sind dabei draufgegangen, als die Seras ihre Sprengfallen gebaut und den Torbogen vermint haben.

Von daher ja: kein exessiver Nutzen von Handgranaten, aber vermutlich auch immer nur in den Phasen, in denen ich die Story schreibe. Man müsste die Charaktere mal fragen, wie die das sehen.

„Colonel, was machen Sie da?“

„Ich sammle Handgranaten.“

„Warum?“

„Eine Stimme hat mir zugeflüstert, wir sollen mehr Handgranaten einsetzen. Also hier – fangen Sie! Den Stift habe ich vorsorglich schon gezogen.“

„Wie vorausschauend von Ihnen.“

„Balgor.“

„Ja, Chef?“

„Sie können woanders blöd sein.“

„Woanders blöd sein, jawohl! Ich lasse die Granate dann hier liegen.“

Wie gesagt: Ich habe das jetzt so entschieden. Mag kontrovers sein, war für mich jetzt aber auch nicht allzu wichtig.

Ebenso mit den Panzerabwehrwaffen, Granatwerfern und Flammenwerfern. Die habe ich mit Major … na, wer weiß den Namen noch? … und General Iglianus mitgeschickt. Die Basteter haben kaum noch Panzerabwehrwaffen. Aber keine Sorge – das Thema wurde bereits angerissen und wird im nächsten Kapitel ein paar schärfere Noten erhalten. Be sure.

Auf die Regimentsstandarte habe ich verzichtet. Das Mistteil ist bei meinen Figuren immer abgebrochen, also habe ich es nicht dargestellt. Und Ekko kriegt nichts, das ich nicht auch darstellen könnte. Wer weiß, was er sonst mit dem Teil macht …

Die imperiale Flotte ist … nicht da. Allgemein ist der Einsatz der Imperialen Raumflotte meines Verständnisses nach eher an das Island Hopping im WWII angelehnt. Heißt – Flotte springt rein, schlägt zu, setzt Truppen ab, springt raus. Versorger kommen dann immer mal wieder. Auf jeden Fall ist das bei mir so passiert. Von daher … ja, wo fliegen sie denn? Ja wo fliegen sie? Ach, ist das Weltall schwarz.

Dass du jetzt so auf die fanatische Sista stehst, muss mich jetzt nicht beunruhigen, oder? Aber zur erotischen Spannung zwischen Ekko und Sile … wir werden sehen. Viel schlimmer fand ich, dass jemand Ekko und Doc Calgrow eine Affäre anhängen wollte ... der Colonel und die MILF-Doktorin … uhhahhaha … *fröstel* Geht gleich wieder … Was für ein Geschlabber …

Ansonsten freut mich, dass es dir gefällt und hoffe, dass du, wenn es denn weitergeht, auch weiterhin Spaß am Text hast.

Da Sista

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Wenn es denn weitergeht?

Es muss weitergehen, einen erst süchtig machen um ihn dann am langen Arm verhungern zu lassen wäre gemein.

Ich für meinen Teil freue mich jedenfalls wenn deine Muse noch lange bei dir bleibt und du uns weiterhin mit neuem Material versorgst. Ich weis aber auch, da ich selbst viele Ideen im Kopf habe und nicht zum schreiben komme, wie schwer so eine lange Geschichte ist und daher zolle ich dir hier gerne nochmal meinen Respekt für das bisher geschaffene und versuche gleich noch unterschwellig an die Vollendung deines Werkes zu appelieren.

Gruß vom SRS alias Chris

Das was mir dazu einfällt, für die Rettung dieser Welt Friedens Kitty - Sie schiesst Liebe in Dein Herz, bringt den Frieden ohne Schmerz Friedens Kitty - Macht Schluss mit jeder Diktatur, Ich frag mich wie macht Sie das nur Friedens Kitty - Sie hilft uns bei jedem Reim, trägt Oma´s Einkaufstüten heim Friedens Kitty

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Hallo,

okay, ich habe mich falsch ausgedrückt, teils aber auch richtig. Fakt ist, seid mir nicht böse, aber ich habe mit Stargazer viele gute Charaktere und Ideen verbraten, die ursprünglich für mein eigenes Universum gedacht waren. Aus diesem Grund habe ich mir ein paar neue Charaktere erstellt und möchte die Arbeit an meinem eigenen Universum wieder aufnehmen, allerdings den Stil von Colonel Ekko beibehalten. Dazu werde ich alle Ideen, die ich für eine Weiterführung von Ekko entwickelt habe, höchstwahrscheinlich auch transformieren. Stargazer wird weitergeschrieben, je nach Zeit, früher oder später.

Aber anders als ursprünglich gedacht, wird es höchstwahrscheinlich keine Fortsetzung nach diesem Teil geben. Es war eine schwierige Entscheidung, aber so, wie GW mit Fanwerken umgeht, sehe ich keinen Grund darin, ein ganzes Universum an Charakteren und elendig viel Zeit (Ich schreibe jetzt seit Juni 2009 an der Story) für einen Zweck zu verbraten, bei dem ich nicht mal sicher bin, ob er schlussendlich nicht doch der Panik eines Konzerns zum Opfer fällt, der sich fürchtet, den "Fans" seiner Arbeit ein wenig vom eigenen Universum zu "überlassen". Als Spielwiese, sozusagen.

Ihr hoffe, ihr seid nicht zu enttäuscht oder frustriert, aber ich möchte gerne wieder in meinem eigenen Werk arbeiten. Stargazer wird natürlich ordnungsgemäß fortgesetzt und beendet.

Da Sista

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Mavet Me†™shamaim, Kameraden!

Colonel Ekko ist zurück. Aber bevor wir uns ins nächste Kapitel seines irgendwie doch sehr abgefahrenen Abenteuers stürzen, noch mal ein kleines Vorwort von mir: Einige von euch wissen es bereits: Colonel Ekko ist eigentlich nicht Colonel Ekko. Er, wie auch seine Heimat Bastet und seine Kameraden des 512. gehörten ursprünglich einem anderen Universum an, nämlich einem, das ich selbst erfunden habe. Dort waren sie eigentlich ganz andere Charaktere und sicherlich nicht so humorvoll. Ich hatte sie mir lediglich entliehen, um meine Warhammerstory zum Laufen zu kriegen.

Nun hat sich bei mir einiges ergeben, das dazu führt, dass ich mich wieder auf die Fortführung meines eigenen Universums konzentrieren möchte. Dazu habe ich mir die ganzen Ideen und Charakterzüge, die ich für spätere Stories mit Ekko geplant hatte, wiederrum transformiert und werde das Konzept in meinem eigenen Universum wieder aufnehmen, natürlich dann ohne Warhammer.

Das heißt: Nachdem Stargazer beendet wurde, was sicherlich noch einige Zeit dauert, wird es keine neue Story von Ekko geben (auf jeden Fall wird keine mehr geplant). Und auch, wenn ich noch eine ganze Menge mit dem Colonel hier vorhabe, wollte ich darüber schon einmal informieren.

Der neue Held heißt bisher Elias Yadin und ich hoffe, dass selbst, wenn es ein eigenes, Warhammer-unrelated Universum sein wird, es vielleicht trotzdem einige von euch mögen und mir die Treue halten.

Und nun noch einmal zu was ganz anderem. Durch einen Freund wurde ich auf folgenden Link des Forums „Die Festung†œ aufmerksam gemacht (http://www.diefestung.com/forum/thread.php?threadid=55556&sid=6daba16a9c42767f6d7786cd1899ae18)

und wollte sagen: Lieber Bigmek, vielen Dank. Ich war überrascht und es hat mich gefreut, dass meine Story tatsächlich von jemandem außerhalb der mir bekannten Foren vorgestellt wird!

So, und nachdem diese Punkt jetzt abgearbeitet sind, kommen wir nun zu etwas wichtigem. Dem nächsten Kapitel:

35

Obwohl sie auf den nächsten Kampf gewartet hatten, traf der Schlag, mit dem die Orks den zweiten Teil der Schlacht um die Himmelskathedrale einleiteten, die meisten an der Front befindlichen Einheiten des 512. vollkommen unvorbereitet.

Nicht nur die Tatsache, dass die Attacke im Morgengrauen begann, sondern auch die Heftigkeit, mit der die Welle aus Ork-Panzern und Boyz gegen die Stellungen der Basteter brandete, erwischte viele Infanteristen auf dem falschen Fuß.

Es dauerte nur wenige Minuten, da befanden sich die ersten Angreifer bereits in Reihen der Verteidiger.

Und so entfaltete brutaler Nahkampf sein hässliches Gesicht, als Corporal Siddig den vorgeschobenen Kommandoposten Colonel Ekkos erreichte.

Gefechtsmeldungen aus den Funkgeräten, Befehle und Zurufe begrüßten den eintreffenden Unteroffizier, hießen ihn in eine Welt willkommen, von der er im Grunde nur wenig verstand. Tatsächlich wollte es ihm so vorkommen, als sei er der Fehler in einer vollkommenen Welt des organisierten Chaos. Ein Splitter, der gerade durch eine heile Haut gestoßen worden war und nun bald von den Abwehrkräften des darunter befindlichen Organismus attackiert werden würde.

Umso mehr überraschte es, dass zuerst der Datenglobus sein Eintreten mit einem kurzen Flimmern zur Kenntnis nahm.

Wäre das Gerät ein Mensch gewesen, der Unteroffizier hätte sich mit einer kurzen, zackigen Meldung vorgestellt. So allerdings nahm er das abgehackte Rauschen nur als eine Eigenheit des örtlichen Maschinengeists hin.

»Was gibt†™s, Corporal?«, sprach ihn jemand von der Seite an. Siddig wandte sich um.

Colonel Ekko, das ungewaschene Gesicht mit einem leichten Bart bedeckt und das dunkle Haar zerzaust, so als hätte er es sich vor kurzem gerauft, sah ihn aus einer Gruppe weiterer Offiziere an, die gerade über die Lage beratschlagten.

Es sprach für den etwas verwirrt wirkenden Offizier, dass er seinen Untergebenen bereits bemerkt und angesprochen hatte, während seine Ratgeber den weitaus rangniederen Soldaten geflissentlich ignorierten.

Siddig straffte sich, marschierte eilig zu den Vorgesetzten, die etwas abseits über einer Karte brüteten, und nahm Haltung an. »Sir, Sergeant Pakell †“ fünfter Truppe, achtzehnter Zug †“ hat mir befohlen, Meldung zu erstatten, dass die Außenmauer beschädigt worden ist.«

Der Colonel ließ ein paar Sekunden verstreichen, dann schürzte er die Lippen und schoss einen Blick zu den restlichen Offizieren. Augenscheinlich war er tief beeindruckt.

Der Major an seiner Seite hingegen versteifte sich kaum merklich. Als er die angenehme Stimme erhob, schwang in seinem Ton Ärger über die dreiste und vollkommen überflüssige Störung mit. »Ist Ihnen klar, dass sich die Situation bereits geändert hat, Corporal?«

»Ja, Sir. Aber ich dachte, es könnte Sie interessieren, wie dem Feind das gelungen ist.« Siddig war selbst erstaunt, wie selbstsicher er diese Worte herausgebracht hatte, vor allem, da Ekkos Augen ihn nun erst recht ins Visier nahmen. Der Regimentskommandeur ließ sich ein wenig Zeit, den verdreckten Infanteristen genauer zu betrachten. »Wie heißen Sie, Junge?«, wollte er schließlich wissen.

»Siddig, Sir.« Der Corporal spürte, wie in seinem Innersten Adrenalinpegel und Entschlossenheit gleichermaßen fielen. Sie platzten unter den Eindrücken der Ereignisse, der Erinnerung an die schrecklichen Sekunden an der Mauer und die unerwartete Aufmerksamkeit weg wie Farbe von einem rostigen Fahrzeug. Siddigs Herz raste in Panik, als er daran dachte, wie die gewaltige Explosion ihn sogar noch drei Straßen weiter von denen Beinen gehoben und in eine Wolke aus aufgeschrecktem Staub hatte fallen lassen. Seine Knie wurden weich und für kurze Zeit wölkte ein diffuser Nebel in seinem Kopf auf.

»Schnell!«, hörte er eine Stimme rufen. »Einen Stuhl.« War das die Stimme des Imperators?

»Einen Sanitäter!«

»Macht Platz!«

Irgendetwas packte ihn. Eine ganze Weile lang schien er in der Luft zu schweben, nur gehalten von flügelähnlichen Auswüchsen, die sich gleich Schlingpflanzen um seine Arme gewickelt hatten. Ihr Griff war fest, wenn auch nicht unangenehm, und eine Zeit lang genoss es Siddig, halb in der Schwebe vor sich hinzudämmern.

Dann allerdings ging es plötzlich recht schnell abwärts und der Corporal landete unsanft auf festem Boden.

Ganz allmählich klärte sich sein Blickfeld.

Zu seiner Überraschung fand er sich auf einem Stuhl sitzend wieder, umringt von diskutierenden Offizieren.

Ein Sanitäter kniete neben ihm, fühlte seinen Puls und nickte Ekko zu, der geduckt an seiner Seite stand und ihn festhielt, damit er nicht von dem Stuhl rutschte.

Als der Regimentskommandeur merkte, dass Siddig die Augen aufschlug, legte er dem atemlosen Corporal eine Hand auf die Schulter. »Gut, dass Sie wieder bei uns sind. Also«, beschwor er den Soldaten, dessen pures Entsetzen sich glasklar in seinen weit aufgerissenen Augen abzeichnete. »Was ist da unten passiert?«

»Sie haben die Mauer unterminiert«, brachte Siddig heraus, kaum dass die ersten klaren Gedanken zurück in seinen Kopf strömten.

»Unterminiert? So wie so lange auf den Fuß der Mauer schießen, bis sie einstürzt?«, hakte ein Captain, der über Ekkos Schulter lehnte, ungläubig nach.

»Nein«, erwiderte der Corporal. »Unterminiert wie: Einen Tunnel graben …«

»…mit Sprengstoff füllen und den ganzen Laden in die Luft jagen«, beendete Ekko den Satz und richtete sich auf.

In einer entnervten Bewegung schlug er die Hände über dem Kopf zusammen, bevor er sie zum Himmel reckte. »Beim Arsch … ich meine natürlich: beim Barte des Propheten! Woher, beim Thron, können die so etwas?! Ich steige da nicht hinter! Meine Herren«, sagte er mehr an sich, denn an die Anwesenden gerichtet, »wir haben ein ernstes Problem.« Und das war nicht einmal übertrieben. Sicherlich: das 512. Regiment Sera hatte bereits das eine oder andere ernste Problem überstanden (nahm man einmal die fast völlige Vernichtung der Einheit außen vor), und auch während der Agos Virgil-Kampagne waren sie nicht unbedingt erfolgreich gewesen. Doch die Information Siddigs hob ihre Sorgen in eine vollkommen neue Sphäre.

»Also gut«, ordnete der Regimentskommandeur an, während seine Gedanken bereits wieder um taktisch-operative Fragen kreisten. »Gehen Sie zu Doktor Calgrow. Sagen Sie ihr, dass Sie von mir kommen und lassen Sie sich irgendetwas geben, dass ihre Nerven auf ein normales Maß herunterfährt. Der Sanitäter wird sie begleiten. Wenn es Ihnen danach besser geht, melden Sie sich bei Captain Balgor. Wir brauchen jeden Mann, und jemanden wie Sie möchte ich nicht verlieren †“ verstanden?«

»Ja, Sir«, erwiderte Siddig und erhob sich gerade, als Major Carrick seinen Vorgesetzten von der Seite ansprach. »Entschuldigen Sie, Sir. Das wird nicht möglich sein.« Auf Ekkos Blick hin präzisierte er: »Doktor Calgrow ist nicht im Notlazarett.«

»Ist sie nicht?«, überlegte der Colonel. »Und wo ist sie dann?«

»Beim Sanitätsvorposten im ersten Ring«, antwortete der Major.

Das interessierte den Colonel. »Sie hat einen Sanitätsvorposten im ersten Ring?«, hakte er nach.

»Ja«, nickte Carrick. Einige Sekunden völliger Stille vergingen, während sich die konzentrischen Ringe des Gedankens ausbreiteten, von den Schallwellen der menschlichen Stimme wie ein Ball vorwärts getrieben.

»Und ich hatte mich bereits gewundert, weshalb Doktor Feelgood so nett war und mich die letzten Stunden vollkommen in Ruhe gelassen hat«, brummte der Regimentskommandeur in Erwartung, dass sein Stellvertreter ihm weitere Informationen zukommen ließ.

Allerdings ließ sich nur beobachten, wie der Major den Kopf hob, als ihm die volle Tragweite seiner Worte klar wurde. Seine Miene veränderte sich deutlich, und die Umstehenden glaubten zu erkennen, wie sich sein blondes Haar vor Wut dunkel färbte. »Oh, thronverdammt!«, zischte er. »Thronverdammt!«

»Nichtsdestotrotz«, wischte Ekko die laut aufkeimenden Selbstvorwürfe des hochgewachsenen Basteters zur Seite, nachdem er ihnen eine Weile gelassen hatte, Besitz von seinem Stellvertreter zu nehmen. »Ab ins Lazarett, Corporal.« An den Sanitäter gewandt fuhr er fort: »Sie garantieren dafür, dass der Junge heil dort an- und auch wieder zurückkommt.«

»Ja, Sir«, bestätigte der Soldat und geleitete Siddig zum Eingang des Beobachtungspostens.

Ekko sah ihnen nach, wie sie durch den aufgespannten Vorhang verschwanden, dann richtete sich sein Interesse erneut auf den Major, dessen Wut gerade in häretischem Fluchen gipfelte. Er zog die Augenbrauen hoch. »Carrick?«

Der Major versteifte sich. »Sir!«, rief er aus als befänden sie sich im gewaltigen Hauptschiff der Kathedrale, das jedes einzelnes Wort bis in die Unendlichkeit hallen ließ, »es tut mir leid, aber ich muss Ihnen melden, dass mir ein Fehler unterlaufen ist.«

»Gut zu wissen, dass auch Sie Scheiße bauen.«

»Ich finde das nicht witzig.«

»Ich schon. Wenn Sie es wünschen, kann ich für Sie mitlachen.«

»Nein, das wünsche ich nicht.«

»Dann eben nicht.« Der Colonel zuckte die Schultern. »Und was genau ist das Problem?«

»Doktor Calgrow hat mich ausgetrickst, Sir.«

»Hm. Ich dachte, Sie haben den Fehler gemacht?«

»Ja, Sir.«

Der dunkelhaarige Basteter runzelte die Stirn. »Also hat Calgrow Sie nicht ausgetrickst?«

»Doch, Sir.« Das doch recht hübsche Gesicht des stellvertretenden Regimentskommandeurs verzerrte sich zu einer Maske aus nur schwer unterdrückter Aggression. Offensichtlich machte es ihm zu schaffen, dass sein Vorgesetzter sein Problem (was auch immer es war), einfach annahm und es zu einer eher unwichtigen Nebensächlichkeit degradierte. Natürlich war ihm klar, dass es zu diesem Zeitpunkt weitaus wichtigere Dinge zu erledigen gab als sich um seine Sorgen zu kümmern, aber dennoch ließ ihm der Fehler keine Ruhe. Denn wer konnte schon wissen, was geschah, wenn er während einer Gefechtsoperation plötzlich in seiner Aufmerksamkeit nachließ und ihm ein möglicherweise tödlicher Irrtum unterlief?

»Darf ich raten?« Gespielt nachdenklich begann Ekko, mit dem Zeigefinger der linken Hand gegen seine Oberlippe zu tippen und zog so seinen Stellvertreter aus dessen Zweifeln. »Irgendwie hat Calgrow Ihnen die Erlaubnis abgerungen, ein Lazarett im ersten Ring errichten zu dürfen, ohne dass ich davon in Kenntnis gesetzt werde?«

Für einen Augenblick vergaß der Major seine Selbstvorwürfe und starrte seinen Kommandeur lediglich an. »Woher wissen Sie das?«

»Na ja, ich bin immerhin der Colonel. Denken Sie nicht, dass ich zumindest darüber informiert bin, was meine Offiziere tun?«

»Aber wenn Sie davon wussten, wieso haben Sie nichts gesagt?«, wollte sein Untergebener wissen. »Ich war der Meinung, sie würden Calgrows Vorschlag missbilligen!«

»Oh, ich war keineswegs begeistert«, offenbarte Ekko, »hatte aber auch nicht unbedingt etwas dagegen. Ich meine, wenn sich unsere rechthaberische Spritzfetischistin zur Truppenunterhaltung nah der Front einquartieren möchte, dann soll sie das tun.« Er zuckte die Schultern.

»Aber Sir«, widersprach Carrick, der bereits auf das von Ekko angeschnittene neue Thema ansprang. »Das Notlazarett wird niemals rechtzeitig evakuiert werden. Sie werden eingeschlossen!«

»Ich weiß.«

»Aber warum haben Sie nichts unternommen?«

»Eigentlich wollte ich nur sehen, ob Sie selbst daran denken, rechtzeitig eine Evakuierung einzuleiten.«

Das machte den blonden Basteter sprachlos. Am liebsten wäre er seinem Vorgesetzten in diesem Moment an die Kehle gesprungen, hätte ihm die Nase ins Gehirn getrieben und die Augen ausgekratzt, nur um sich dann abzuwenden und zurück an die frische Luft zu gehen, wo sich deutlich mehr Intelligenz fand als hier drinnen in dem kleinen, vorgeschobenen Beobachtungsposten der imperialen Armee.

In der Theorie klang der Plan gut, hatte allerdings auch die eine oder andere Schwachstelle.

Elender Mistkerl von einem Colonel! »Und nun?«

Ekko schürzte die Lippen. »Haben Sie keinen Plan?« Auf Carricks Blick hin winkte er ab. »Schon gut, schon gut. Ich hab da schon was vorbereitet.«

Nur eine Sekunde später eilte der Knall seinen Schnippen durch die Kommandozentrale zu den beiden Funkern, die an einer der Seitenwände die eingehenden Meldungen annahmen und ihnen gereichte Befehle ausgaben.

Jetzt fuhr einer der beiden auf, wandte sich um und nahm Haltung an. »Sir?!«

»Finden Sie heraus, wo sich Sergeant Krood befindet«, befahl Ekko. »Und dann stellen Sie mir eine Verbindung zu ihm her. Außerdem muss ich mit Captain Solmaar sprechen. Sagen wir … in zehn Minuten.«

»Ja, Sir!« Der Funker ließ sich zurück auf seinen Sitz fallen, schob die Kopfhörer über die Ohren und fing an, mit dem Frequenzregler die entsprechende Truppenfrequenz zu suchen.

»Warum so lange?«, wollte Carrick, an seinen Vorgesetzten gerichtet, leise wissen.

»Wir müssen erst noch eine andere Sache erledigen«, erklärte der Colonel und marschierte in die Mitte der Kommandozentrale, wo der Hauptplot von Offizieren und Adepten belagert wurde. In der Zeit, während der die beiden Regimentsführer abgelenkt gewesen waren, hatte sich die Gruppe in ein unkontrollierbares Knäuel aus gestikulierenden Armen, Beinen und umher schwirrenden Worten verwandelt, dessen Zentrum das unruhig flackernde Bild der hololithischen Anzeige bildete. Und im Gegensatz zum Beinhaus, in dem die Männer dafür noch ein wenig mehr Platz gehabt hatten, bot dieser Ort ihnen eigentlich kaum die Möglichkeit zu einer Bewegung.

Um möglichst nah an der Front und dennoch gut geschützt und nicht weit entfernt von seinem eigentlichen Kommandozentrum zu sein, hatte sich Ekko ein Herrenhaus im zweiten Ring ausgesucht, dessen Wohnbereich ausräumen lassen und dort den mobilen Plot seiner Kommandowalküre untergebracht. Das Gerät aus dem Sturmtransporter auszubauen, war nicht gerade einfach gewesen, und noch immer fürchteten die Techpriester, dass sich die Maschinengeister von Walküre und Datengerät über die widernatürliche Separation erbosten und in der Folge ihren Dienst quittierten.

Ebenso war das Einrichten des vorgeschobenen Kommandopostens nicht ganz einfach gewesen. Die Energie, die benötigt wurde, um Funkanlagen, Plot und Anzeigen in Betrieb zu halten, überstieg die vorhandene Netzkapazität bei weitem, sodass die Imperialen auf die Hilfe eines externen, vom Strom unabhängigen Generators angewiesen waren.

Diesen stellte nun der Motor eines Salamander-Kommandopanzerwagens, der im laufenden Betrieb nur wenige Meter entfernt hinter der Gebäudemauer stand und über Starkstromkabel und Verteiler mit den Systemen der Zentrale verbunden war.

Der geneigte Geist hätte es wohl als Wunder des Imperators bezeichnet, dass trotz dieser Widrigkeiten dennoch eine funktionierende Befehlsstelle entstanden war.

Ein größeres Wunder war jedoch, wie Ekko es schaffte, zielsicher durch die wogende Masse seiner eigenen Leute zu navigieren und neben dem Hauptplot aufzutauchen, welcher sich sichtlich erleichtert zeigte.

»Also, meine Herren«, rief der Colonel in die Runde, die daraufhin allmählich verstummte. »Lagebericht! Sind wir bereit zur Sprengung?«

»Die Pioniertrupps im ersten Ring sind bereit«, meldete Captain Tius, der Führer der eingeteilten Sondertrupps. »Ebenso die Einheiten für die Rücknahme des Schildgitters in den zwoten Ring.«

»Sehr schön. Oberster Konsul?«

Der unruhig vor sich hin rasselnde Oberste Konsul, der die Konstruktion der Raketenbatterien überwacht hatte, versteifte sich merklich. »Die Raketenbatterien sind einsatzbereit!«, antwortete er, aber nicht ohne zwei Mal tief und besorgt Atem zu holen.

Der Regimentskommandeur klatschte in die Hände. Das Unwohlsein seines Gegenübers missachtete er dabei vollkommen. »Sehr gut. Dann werden wir jetzt den Schild zurücknehmen.«

»Ähm, Colonel. Wir haben da noch ein Problem«, sprach ihn der Maschinenseher erneut an. Er hätte es besser sein lassen.

Ekko sah auf. An seinem Gesichtsausdruck ließ sich deutlich ablesen, dass er eine derartige Entwicklung bereits erwartet hatte, aber seine Begeisterung darüber ausgezeichnet im Zaum halten konnte. »Warum überrascht mich das nicht? Was hindert uns denn nun am Rückzug?«

»Na ja, eigentlich … also, genau genommen … sind es zwei Probleme.«

Der imperiale Offizier schürzte entnervt die Lippen und ließ einige Sekunden vergehen. »Das klingt nicht gut. Haben Sie die Probleme denn identifizieren können?«

»Leider nicht«, zischte der Konsul. In seiner verzerrten Stimme klang eine Mischung zwischen Ärger und eine Spur Angst mit. Angst von der unkontrollierbaren Reaktion des Festungskommandanten.

Doch der runzelte lediglich die Stirn. »Verstehe. Das ist wirklich nicht gut. Tatsächlich klingt das nach einem Auftrag für einen Profi.« Er senkte nachdenklich den Kopf und suchte selbst nach einer Idee zur Lösung der Situation.

Es dauerte, bis sich seine eigene Unzufriedenheit über diese Notwendigkeit schließlich auf ein Niveau einpegelte, auf dem sie einfach nicht mehr hinter sarkastischen Bemerkungen zurückstehen wollte. »Vielleicht sollte ich selbst hingehen und es mir ansehen«, schlug er vor und sah wieder auf. »Und Sie übernehmen solange das Kommando über diese Festung. Immerhin sind Sie später nur dem Imperator Rechenschaft schuldig, nicht wahr?«

Seine Kopfbedeckung, weit weniger erfreut, segelte in Richtung des Konsuls. Es deutlich vernehmbares Geräusch erklang, als sie irgendwo zwischen der zweiten Schutzmauer und der Kathedrale inmitten der Anhäufung von Photonen auf dem Holotisch landete.

Für einen Moment lang herrschte Stille zwischen den anwesenden Offizieren, während um sie herum Aufregung und wilde Eile grassierte. Die Worte des Colonels mussten erst ihren Weg durch die Hirnwindungen der Gruppe von Menschen bahnen, dort eine Reaktion auslösen und diese für andere sichtbar zurück an die Oberfläche transportieren.

Der Oberste Konsul gewann das Rennen, indem er als erster dem kollektiven Erbleichen anheimfiel. »Niemals!«, rief er entsetzt aus.

»Das dachte ich mir. Ihnen könnte ich noch nicht einmal die Latrine anvertrauen«, stellte Ekko fest und wandte sich dem Ausgang zu. »Carrick übernimmt das Kommando. Vielleicht sollten Sie ihm über die Schulter sehen. Da können Sie sicherlich noch etwas lernen. Und ich werde jetzt mal sehen, ob ich diese thronverdammten Raketenwerfer zum Laufen kriege.«

»Colonel!«, rief ihm Carrick seinem Vorgesetzten hinterher, als sich dieser bereits auf dem Weg zum Ausgang befand. Die peinliche Stille in der Kommandozentrale schrie ihre Verzweiflung in die aufgeheizte Luft hinaus, lediglich übertönt vom dumpfen Krachen und den Funksprüchen der Schlacht. »Sir, das kann doch jetzt nicht Ihr Ernst sein!«

Der Regimentskommandeur verzog keine Miene. Lediglich ein trockenes »doch« quälte sich über seine Lippen.

»Colonel!« Erneut setzte sein Stellvertreter in dem Bemühen an, die Paragraphen des Uplifting Primer zu zitieren, die sein Gegenüber durch diese Haltung verletzte. Ekko stoppt den drohenden Ausbruch mit einer energischen Bewegung seines Zeigefingers. »Kein Wort! Ich kann ernst sein, wann ich will! Und ich will jetzt ernst sein!«

Carrick fand darauf keine Erwiderung.

Dafür meldete sich einer Funker. »Entschuldigen Sie, Colonel?«, sprach er den dunkelhaarigen Basteter an, der mit hoch erhobener Hand inmitten der Kommandozentrale stand.

»Was ist?!«, fuhr Ekko ihn an.

Der Soldat versteifte sich. »Captain Solmaar für Sie!«

»Sagen Sie ihm, er soll seine Nummer dalassen. Ich rufe ihn dann zurück.«

»Ähm«, brachte der Funker verwirrt heraus. »Wie bitte?«

Ekko winkte ab. »Vergessen Sie es.« Ohne auf die Gruppe von Adepten und Offizieren zu achten, deren erschütterte Blicke auf ihm ruhten, trat er an die Seite des Funkers und nahm ihm die Kopfhörer aus der Hand. »Und während ich mit dem Captain spreche, laufen Sie los und besorgen mir Armasec für diesen Maschinengeist.«

»Armasec?«

»Ja. Es heißt, dass ein betrunkener Geist entschlussfreudiger sei. Ich würde gerne ausprobieren, ob das auch auf Maschinen zutrifft.«

***

Leuchtspurmunition zischte über Gren Krood hinweg, als sich der Grenadiersergeant über die Schulter abrollte und die HE-Laserpistole auf einen nahen Boy richtete.

Die Waffe spie einen grellen Blitz gegen den Feind, der lediglich mit einem überraschten Grunzen antwortete und vorüberfiel.

Links neben ihm ging Cedd in den Schießhalt, zur besseren Stabilität vorn übergebeugt, und vernichtete in kurzer Reihenfolge drei Gegner, um dann von Tall überholt zu werden, der sich bereits im Schnellschuss der nächsten Angreifer annahm.

Die Kasrkin befanden sich im Angriff. Es war der schwerste und bisweilen erfolgreichste Angriff, den die Imperialen seit der Rückeroberung des umkämpften Haupttores der Außenmauer zustande gebracht hatten. Überraschte und schlecht vorbereitete Orks fielen in den staubigen Sand, der sich auf den zerbrochenen Pflastersteinen angesammelt hatte, während die Elite-Infanteristen gnadenlos vorstießen.

Um sie herum lief der Rückzug.

Schüsse und Schreie, donnernde Explosionen und gebellte Befehle bildeten die chaotische Kulisse dessen, was Krood als vollkommenes Versagen einer Armee bezeichnete. Ohne die Möglichkeit zum Gegenschlag hatten sich die imperialen Truppen von den Orks in einen blutigen Nahkampf verwickeln lassen. Den Orks an Masse und vor allem Kraft gnadenlos unterlegen, blieb ihnen nun nichts anderes übrig als sich mit dem Mut der Verzweiflung gegen den Feind zu werfen. Es galt, den Feind so lange zu beschäftigen, bis die hinter ihnen im Aufbau befindliche Front endlich stand.

Nicht, dass Krood etwas anderes erwartet hatte. Normale waren kraftlos. Willensschwach. Männer, denen das eigene Wort weit mehr bedeutete als die Tat. Eben solch jene, die im Angesicht eines übermächtigen Feindes verzweifelten, statt ihm gepflegt den Arsch zu versohlen.

»Whaaaaargh!« Aus den Augenwinkeln sah der Grenadier-Sergeant einen Schatten in seine Richtung huschen und wirbelte herum. Ein Ork-Boy, die Spaltaxt weit über das hässliche Haupt erhoben, sprang zwischen den Trümmern eines einstmals dreistöckigen Gebäudes hervor. Krood befand sich noch mitten in der Drehung, als ihm klar wurde, dass die Distanz zwischen ihm und dem Feind nicht mehr ausreichte, um die HE-Laserpistole ans Ziel zu bringen. Kurzentschlossen winkelte er seine Schwerthand an, das sirrende Energieschwert auf den Feind gerichtet, und beugte sich vor. Er hatte sich nicht verschätzt.

Vor Wut brüllend stürzte sich der Angreifer in die schimmernde Waffe, um dann überrascht inne zu halten. Doch mehr war auch nicht nötig. Von der kinetischen Energie des Aufpralls regelrecht in die Knie gezwungen, verloren Kroods Stiefel den Halt auf dem sandigen Boden.

Ohne, dass er reagieren konnte, wurde er zurückgeschoben und gegen Tall gedrückt, der seine nächste Salve wirkungslos in die gegenüberliegende Hauswand setzte. »Gnarr! Thronverdammt!«

Ohne auf den Fluch seines Kameraden zu achten, nutzte Krood den Aufprall, um mitsamt des Orks eine Drehung zu vollführen und den Gegner zu Boden zu werfen.

»Urgh!«, brüllte der Xeno, als er auf die Erde prallte. Rotz und Speichel bliesen Krood als stinkender Wasserdampf entgegen. Er erweiterte das Hirn des Xenos um ein Luftloch. Der Boy verstummte.

Schon wälzten sich die nächsten Angreifer über den Schutt, eine Lawine aus grünen Körpern, welche die Verteidigung der Menschen zu erdrücken versuchte.

»Zurück«, befahl Krood rufend. »In Feuerlinie ausweichen!«

»Verstanden!« In Linie aufgereiht, die Waffen im Dauerfeuermodus geschaltet, gingen die die drei Kasrkin langsam rückwärts in Richtung der imperialen Schützengräben. Ihre Offensive war gescheitert.

Sie konnten nicht mehr tun, als die Xenos der Bedrohung nach zu vernichten und zu hoffen, dass die verbliebenen Soldaten in der Lage waren, die Elitekämpfer in ihre Abwehrstellung zu integrieren.

Die Xenos der Bedrohung nach vernichten.

Immer nur in kurzen Zielphasen mit den Augen an der Waffe, suchte Krood die Umgebung nach der größten Bedrohung für ihn und seine Männer ab. Wäre es nach ihm gegangen, er hätte die Umgebung mit einer Punisher-Gatlinggun bestrichen, um sicher zu gehen, dass wirklich kein Feind mehr übrig war.

Aber da er weder über solch eine Waffe verfügte, noch in nächster Zeit verfügen würde, blieb ihm nur seine HE-Laserpistole. Doch selbst mit einem Batterietornister waren Feuerkraft und Munitionsvorrat einer solchen Waffe begrenzt. Die präzise Zielwahl wurde dadurch zu einem notwendigen Übel.

»Flammenwerfer links!«, bellte Krood, während er bereits die ersten Schüsse auf den nächsten Gegner abgab.

Ein Brennaboy hatte sich durch das Chaos an sie herangearbeitet. Sein Versuch, den Angriff seines Kameraden zu Ende zu bringen, verpuffte jedoch †“ im wahrsten Sinne des Wortes.

Von den ersten drei Treffern durchlöchert blies der Rückentank des Boy gasförmigen Brennstoff in die Luft. Der vierte Treffer, eigentlich nur ein Streifschuss, setzte mit seiner großen Hitze den Brennstoff um.

Der grünliche Leib des Ork entzündete sich mit dem Geräusch eines feuchten Niesens. Vor Schmerzen jaulend begann das Wesen zu laufen, versuchte den grässlichen Flammen zu entkommen, die auf seiner Haut brannten.

»Neutralisiert!«, schrie Krood und wandte sich dem nächsten Feind zu, während die rennende und stolpernde Fackel in den nächsten imperialen Verteidigungsgraben stürzte.

Weitere Schreie setzten ein, als sich Infanteristen an dem lichterloh lodernden Körper ansteckten.

»Thronverdammt«, zischte Cedd ein kurzes Wort des Mitleids, bevor auch er den nächsten Gegner anvisierte. »Haben Sie das gesehen, Sergeant?«

»Ja«, erwiderte Krood knapp, während er einem anstürmenden Boy in den Bauch schoss. Der Xeno grunzte und klappte in sich zusammen. »Kann man nichts machen.«

»Kann man nichts machen?« Tall ließ ein kurzes, freudloses Lachen erklingen. »Das war unsere Rückendeckung.«

»Was für eine Rückendeckung?«, wollte Cedd wissen.

»Hey«, brummte Krood, vollkommen unbeeindruckt. »Bleibt fokussiert. Wir haben einen Job zu erledigen.«

Er legte auf den nächsten Boy an und drückte ab, doch dieses Mal war etwas anders. Ein merkwürdiges Rumoren, das durch seine Waffe und seinen Arm lief, begleitete den Schuss. Eine Fehlfunktion der Laserpistole? Möglicherweise eine Energierückkopplung? Nein, dafür war das Geräusch bei Weitem zu unterschwellig. Aber was konnte es dann sein? Die Identifikation war wirklich nicht einfach, zumal der Lärm der Schlacht das Geräusch immer wieder übertönte und Erschütterungen im Erdboden eine genaue Lokalisierung unmöglich machten. Aber so viel stand fest: es bewegte sich. Es kam näher.

Nein!, dachte Krood.

Im nächsten Moment brach ein stählerner Drache durch die Häuserruinen. Zumindest sah das Objekt genauso scheußlich aus.

»Panzer!«, schrie Krood die Warnung, die seine Kasrkin veranlasste, auseinander zu springen wie die Splitter einer explodierenden Handgranate. Keine Sekunde zu früh. Mit einem ohrenbetäubenden Knall spie die Hauptwaffe des Kampffahrzeugs eine Granate auf die imperialen Linien.

Ein grelles Pfeifen rauschte über Krood hinweg, holte den Elite-Grenadier mit einem kräftigen Luftzug von den Beinen. Krood schlug hart hin. Pistole und Energieschwert glitten polternd aus seinen Händen.

Nicht einmal die schwere, stabilisierende Plattenpanzerung konnte verhindern, dass ihm kurzzeitig schwarz vor Augen wurde und er verzweifelt um Atem rang.

Eine trockene Explosion ertönte. Erde regnete auf den Kasrkin herab.

»Sergeant!« Schon in der nächsten Sekunde wurde er in die Höhe gehievt und eilends über den Boden geschleift. Energieschwert und Laserpistole rutschten nutzlos hinter ihm her, lediglich durch die Verbindungsstränge an Kroods Rückenkanister gefesselt. Wären sie mit Energiezellen betrieben worden, er hätte sie im Kampf sicherlich verloren.

Krood strampelte mit den Beinen, versuchte sich aufzurichten und seine Freiheit wiederzuerlangen. Irgendwie schafften es seine Stiefel, Halt zwischen zwei aufgesprungenen Pflastersteinen zu finden und der Sergeant kam endlich wieder auf die Füße.

Ein schweres Maschinengewehr hämmerte los, erfreut über das plötzliche Auftauchen von Zielen in seinem Schussfeld. Erde schoss um die drei Männer in die Höhe. Querschläger prallten heulend von den Pflastersteinen ab.

»Los!«, schrie Krood, während er um die eigene Achse wirbelte und versuchte, Pistole und Energieschwert zu greifen. »In Deckung!«

Von der aggressiven Order ihres Vorgesetzten aufgepeitscht, sprinteten die beiden Kasrkin los. Der nächste Verteidigungsgraben der imperialen Truppen lag nicht weit entfernt, und dort gab es zumindest eine einigermaßen gute Deckung vor der überwältigenden Feuerkraft des Feindfahrzeugs.

Aber, wo beim Thron, war die Panzerabwehr? Wo, waren die Jagdpanzer?

Krood bekam seine Pistole zu fassen und ließ sie ins Holster gleiten. Das Energieschwert folgte einige Sekunden später.

Lange Ketten aus Leuchtspurmunition zischten dicht über seinen Kopf hinweg, als der Grenadiersergeant seinen beiden Elitesoldaten hinterher in Richtung der imperialen Linie folgte.

Mehr rutschend als laufend erreichten die drei den Schützengraben und glitten in schneller Reihenfolge hinein.

Von purer Angst gezeichnete Gesichter blickten ihnen entgegen.

Gut ein Dutzend Soldaten hatten sich in dem schwer zerstörten Graben verschanzt, in der Hoffnung, sie könnten so dem schweren Feindbeschuss entgehen.

Ein Captain, dessen Namen Krood nicht kannte (und der ihm im Grunde auch egal war), schrie Befehle in das Funkgerät seines Adjutanten, der mit halbzerschossenem Kopf neben ihm an der Grabenwand lehnte und ins Nirgendwo starrte.

»Feindpanzer im Anmarsch!«, meldete Krood mit lauter Stimme, während er in die Richtung zeigte, als der das angreifende Gefährt herandröhnte. »Etwa einhundert in dieser Richtung!«

»Wir haben es gesehen!«, rief der Captain, bevor er erneut in das Handgerät schrie, das mit dem Tornister auf dem Rücken des Funkers verbunden war. »Alles im Rückzug formieren!«

»Rückzug? Soll das ein Witz sein?« Krood fuhr herum. »Wir sind keine Raumflotte, die schnell in den Warp transitiert, weil der Angriff auf die riesige, bewaffnete Raumstation mit ihrem Superlaser nicht funktioniert hat. Wenn wir jetzt den Rückzug einleiten, dann bricht die linke Flanke ein!«

»Was soll ich machen? Darauf warten, dass meine Männer massakriert werden?« Der Offizier schüttelte den Kopf. »Ihr Vorhaben in allen Ehren, Sergeant, aber was ist mit der linken Flanke, wenn niemand mehr da ist, um sie zu verteidigen?«

Das leuchtete ein. Darüber brauchte man nicht streiten. Und selbst, wenn. Krood hätte auf die Schnelle kein Argument gefunden, das die Worte des Anderen entkräftet hätte.

»Haben Sie Raketenwerfer?«

»Nein, natürlich nicht!«, antwortete der Captain gleichermaßen gestresst und ungläubig. »Wo sollte ich die hernehmen? Die meisten Spezialwaffen sind mit dem Detachement an General Iglianus verloren gegangen und die wenigen verbliebenen Plattformen hat Colonel Ekko an strategisch wichtigeren Positionen in Stellung bringen lassen. Das Einzige, was ich im Überschuss habe, ist Munition. Also †“ wie soll ich die thronverdammten Panzer bekämpfen? Mit Geschossen bewerfen?«

Krood blieb ihm die Antwort schuldig, fragte stattdessen nach anderen Panzervernichtungsmitteln: »Laserkanonen? Melter? Hohlladungen? Panzerminen? Panzerabwehrgranaten? Geballte Ladungen? Valhallanische Panzerabwehrhunde?«

Der laute Geschützknall des Orkpanzers tönte über sie hinweg, erinnerte sie drängend daran, sich möglichst bald eine Lösung für ihr Problem einfallen zu lassen.

Nicht weit entfernt zerplatzte eine Hauswand mit ohrenbetäubendem Getöse. Eine Flutwelle aus Staub und Trümmerstücken ergoss sich über die umliegenden Gebäuderuinen.

»Haben Sie nicht zugehört, Sergeant?«, schrie der imperiale Offizier gegen den tosenden Lärm an. »Oder machen Sie Witze?«

»Ich bin nicht Colonel Ekko«, erschoss ihn der Kasrkin mit seinen Blicken.

Die Erwähnung des zweifellos irrsinnigen Regimentskommandeurs schließlich stürzte den Captain vollends in Agonie. »Natürlich nicht. Dafür fehlt Ihnen der gelangweilte Gesichtsausdruck.«

»Und das verfilzte Haar«, fügte Cedd trocken an.

Ein zweiter Mann fiel Kroods tödlichen Laseraugen zum Opfer, bevor er sich wieder an den Offizier wandte. »Was haben sie an Waffen?«

»Lasergewehre.«

»Und sonst?«

»Handgranaten.«

Das reichte. Auch eine professionell antrainierte und über Jahre verfeinerte Ruhe fand bisweilen ihr Ende. In dem Moment, als dem anderen Infanteristen das Wort ‚Handgranaten†˜ aus dem Mund rutschte, verlor Krood zum ersten Mal seit seiner Begegnung mit Ekko die Beherrschung. Zumindest, soweit es seine Professionalität zuließ.

Kraftvoll packte er den überraschten Offizier am Kragen und schüttelte ihn. Seine Stimme blieb jedoch vollkommen ausgeglichen und entspannt. »Wollen Sie leben? Dann geben Sie mir eine ordentliche Antwort.«

»Rauchgranaten, Sprenggranaten und Phosphor«, stotterte der Mann.

»Sie haben Phosphorgranaten?« Die Miene des Elite-Sergeants hellte sich auf, als er den Captain losließ.

Mit Rauchgranaten und Sprenggranaten, sogenannten Frags, ließ sich kein Panzerfahrzeug ordentlich bekämpfen.

Phosphorsprengsätze spielten hingegen in einer völlig anderen Liga. Eigentlich zum Knacken von gepanzerten Zugängen gedacht, ebenso wie zum Ausschalten von Kampfanzügen, waren Phosphorgranaten so etwas Ähnliches wie Melterbomben †“ nur eben deutlich kleiner.

Und wenn man keine besseren Panzerabwehrwaffen besaß, waren diese ultraheißen Sprengkörper das Mittel der Wahl, ein feindliches Gefechtsmittel rabiat außer Dienst zu stellen. Besonders, wenn es sich bei den Anwendern besagter Abwehrwaffen um Elitesoldaten handelte.

»In Ordnung. Ich brauche etwas von allem: Rauch, Frags und Phosphor.«

Der Captain ließ das Sprechgerät sinken und musterte den Grenadiersergeant mit ernstem Blick. Irgendwo vor dem Graben dröhnte der Motor des Panzers.

»Was haben Sie vor?«, zischte der Offizier, bevor er einen der Soldaten heranrief. »Wart!«

»Den Panzer vernichten«, erklärte Krood, dann war der Infanterist, der mehr durch den Graben kroch denn lief, auch schon heran.

»Sir?«

»Nehmen Sie Fohma und sammeln Sie alle verfügbaren Handgranaten ein. Frags, Rauch und Phos.«

»Alle? Jetzt?« Die Stimme des Soldaten zitterte leicht.

»Ja †“ und wenn es sein muss, dann verlassen Sie dafür die Stellung.«

Weiter hinten erhob sich ein Soldat und gab ein paar Schuss mit seinem Lasergewehr ab, um danach wieder hinter die Deckung zu tauchen.

»Los!«; verlieh der Zugführer seinen Worten Ausdruck. Wart nickte und kroch zurück zu den restlichen Infanteristen.

Krood hob seinen Kopf über den Rand der Stellung und riskierte einen Blick.

Der orkische Panzer rollte unaufhaltsam vorwärts, unterstützte die vorrückenden Boyz mit seinen Maschinenwaffen. Gerade drehte der Geschützturm auf ein Widerstandsnest der Imperialen ein. Die dort verschanzten Soldaten hatten es fertiggebracht, die angreifenden Grünhäute für einige Zeit lang von der Seite aus zu attackieren und so ihren Vormarsch aufzuhalten. Immer wieder spien ihre Laserwaffen kohärentes Licht gegen die Angreifer, fällten Gegner um Gegner.

Bisher war es den Orks nicht gelungen, die mit Leichen und Erde verstärkte Verteidigung zu durchbrechen. Dank des Panzers änderte sich das nun.

Schreie der Panik klangen an, als sich das Rohr des Panzers senkte. Einige letzte Laserschüsse prallten wirkungslos in die Panzerung des Kettenfahrzeugs, bevor die Ork-Besatzung das Ziel erfasste.

Der satte Knall des Geschützes peitschte durch die Luft, blies den Sand um das Gefährt fort. Fast im gleichen Moment explodierte die Stellung in einer riesigen Fontäne aus Sand, Staub und Trümmern. Leiber wurden in die Luft gewirbelt. Dann waren auch schon die Orks heran und stürmten die Überreste der Verteidigungsanlage. Wenn es Überlebende gegeben hatte, war ihr Schicksal somit besiegelt.

Der Panzer rollte wieder an.

Nun blieb ihnen nicht mehr viel Zeit. Irgendwie mussten sie das Kampfgefährt stoppen.

Die Jagdpanzer schienen kein Schussfeld zu haben, oder sie wussten nichts von dem Feindfahrzeug. Und höchstwahrscheinlich blieb auch keine Zeit, die Destroyer ins Ziel zu leiten.

Aber wenn der Infanterie nichts anderes übrig blieb, als das schwerbewaffnete Fahrzeug im Nahkampf (vielleicht sogar frontal) anzugehen, dann konnten sie sich genauso gut vom Panzer überrollen lassen. Beides kam einem Selbstmord gleich.

Krood sah sich um.

Nicht weit entfernt stand eine abgeschossene Chimäre in hellen Flammen. Schwarzer Rauch stieg aus den geöffneten Luken in den azurblauen Himmel hinauf, um sich unter der unsichtbaren Mauer des energetischen Schutzschilds zu sammeln und mit den dort wabernden Schaden zu vereinigen.

Der Kommandant, bereits nicht mehr als ein schwelender Rumpf, hing zerschmettert aus dem geöffneten Turmluk des Panzerfahrzeugs.

Ein geschultes Auge wie das von Gren Krood brauchte nicht lange rätseln, was mit dem Schützenpanzer geschehen war. In seiner Aufgabe als Infanterieunterstützungsfahrzeug schien er in seiner Stellung überrascht und von Moschaboyz sowie Stikkbombaz geentert worden zu sein, die das Fahrzeug zu gleichen Teilen hatten erobern und zerstören wollen.

Offensichtlich hatten die Moschaboyz die Chimäre zuerst durch die Dachluken über dem Truppenkompartment gestürmt und die Besatzung niedergemacht, nur um dann ihrerseits von den Stikkbombs vernichtet zu werden, welche von den nachfolgen Xenos durch dieselben Luken geworfen wurden. Jedoch hatte der Freundbeschuss (oder Freundbewurf †“ je nachdem, wie man die Sache betrachten wollte), nicht alle Angreifer getötet. Wie das Umfeld der Chimäre verriet, hatten einige überlebende Grünhäute den Panzer verlassen und einen Gegenangriff gestartet.

Tote Orks, teilweise schwer zugerichtet, lagen in unregelmäßigen Abständen um das Fahrzeug verstreut.

Ein unglaubliches Gemetzel †“ aber hier ließ sich ansetzen.

Das Wrack bot einen guten Ausgangort für einen Angriff gegen den Panzer, weil man von dort aus über zwei wichtige Dinge verfügte: eine gute Sicht und verlässliche Deckung.

Das war es! Jetzt brauchten sie nur noch ein Mittel, um den Feind zu bekämpfen.

Schwer atmend fielen zwei dreckstarrende Infanteristen zu ihnen die Stellung, die Drilliche und Hosentaschen schwer mit Handgranaten bepackt.

»Alles, was wir auftreiben konnten«, japste Soldat Wart mit von Angst erfüllter Stimme.

Die Kasrkin nahmen die Granaten wortlos an und verstauten sie in ihren Drillichtaschen, Hosentaschen und an den Gürteln. Nicht weit entfernt krachte das Hauptgeschütze des Panzers. Orks brüllten. Die Erde bebte.

»Wie gehen wir vor?«, fragte Tall, kaum dass die drei sich ausgerüstet hatten. Etwas anders brauchte nicht gesagt zu werden. Es wäre Zeitverschwendung gewesen.

»Wir nutzen die Chimäre als Deckung«, wandte sich Krood an seine Grenadiere. »Sobald der Panzer nah an der Chimäre ist, einnebeln, ran an die Kiste und rauf auf den Rumpf. Frags rein, dann Phosphor. Zeiteinsatz: maximal zwo Minuten.«

»Ziemlich lang«, überlegte Cedd.

Krood nickte. »Unwägbarkeiten miteingerechnet. Noch irgendwelche Fragen?«

Die Kasrkin schüttelten die Köpfe.

»Gut. Klar machen zum Sprung.« Krood wandte sich um. »Geben Sie uns Feuerschutz!«, befahl der Grenadier, als würde er seinen Untergebenen befehlen. In jeder anderen Situation hätte der imperiale Offizier, der ihm faktisch vorgesetzt war, den Unteroffizier höchstwahrscheinlich zurückgepfiffen und versucht ihm klar zu machen, wie er mit Vorgesetzten umzugehen hatte. Es wäre bei dem Versuch geblieben.

Jetzt jedoch zuckte der andere lediglich die Schultern. »Warum nicht?«, brachte er hervor. Was konnte es schaden, wenn die drei Elitesoldaten zeigten, über welche Fähigkeiten sie verfügten? Ihnen konnte es lediglich gelingen, die Moral seiner Leute wieder zu heben.

»Sprung auf! Marsch! Marsch!«

Mit der routinierten Eile jahrelangen Trainings rollten die Kasrkin aus der Stellung, sprangen auf und sprinteten los. Gut fünfzig Meter trennten sie vom schützenden Rumpf des vernichteten Schützenpanzers, doch bereits nach wenigen Metern wurden sie entdeckt. Sturmwaffen und Maschinengewehre donnerten los, deckten die drei Imperialen mit einem tödlichen Hagel aus Geschossen ein. Erde explodierte in die Höhe, sprang die Männer in dichten Schüben Form gewordenen Hasses an. Querschläger heulten und sirrten um sie herum, sprengten den Pflasterstein der Straße in fingergroße Stücke. Schrapnelle, teils aus den zerborstenen Steinen, teils aus zersplitterter Munition, schnitten ihnen pfeifend in Kleidung und Haut.

Das Gegenfeuer der imperialen Truppen machte dagegen wenig Eindruck †“ fast so wie ein Gartenschlauch beim Brand einer Makropolenspindel.

Vielleicht war es Glück, vielleicht vom Imperator vorherbestimmtes Schicksal, doch die Boyz, die den Panzer begleiteten, trafen nicht †“ die Imperialen hingegen schon.

Mehrere Grünhäute gingen jaulend und winselnd zu Boden, von den energiereichen Kaskaden regelrecht durchlöchert.

Die Reaktion erfolgte prompt.

Schwerfällig drehte sich der Turm des vorwärtskriechenden Panzers, schwenkte von seinem vormaligen Ziel auf die neu erkannten Angreifer ein.

Die sich nähernden Grenadiere bemerkte die Besatzung hingegen nicht.

Rutschend und schlitternd schafften es die drei hinter den schützenden Rumpf der Chimäre. Die Geschosse, welche sie gerade noch gnadenlos über die verwüstete Ebene gejagt hatten, prallten nun fröhlich, aber wirkungslos gegen mehrere Zentimeter dicke Panzerung. Eine unwillkürliche Melodie des Todes, die untermalt wurde vom gutturalen Brüllen der Orks.

Ihnen lief die Zeit davon.

»Und durch!«, rief Krood, während er an seinen Gürtel fasste und die Rauchgranate abzog. Mit einem kurzen Griff waren Sicherungsstift und Splind gezogen. Ohne im Laufschritt innezuhalten, schleuderte der Sergeant den Sprengkörper mit aller Kraft in die Luft. Einen weiten Bogen beschreibend segelte die Granate auf das Dach des Beutepanzers, prallte von der angeschrägten Panzerung ab und fiel auf der dem Feind zugewandten Seite wieder vom Fahrzeug herunter.

Ein metallenes Geräusch erklang.

In einer chemischen Reaktion, dem Anzünden eines Feuers nicht unähnlich, hustete die über den Boden rollende Handgranate ungesund ölig-graue Rauchschwaden in die vom Gefechtslärm erfüllte Luft.

Nur Augenblicke später war das Areal um den langsam vorwärtsrollenden Panzer in künstlich erzeugten Nebel gehüllt.

Doch das hinderte die Kasrkin nicht bei ihrem Angriff. Im Gegenteil.

Noch während die Granate über den Rumpf des Panzers kullerte, tauchten Krood und seine Grenadiere hinter dem ehemaligen Schützenpanzer auf, die Körper in Schnellschusshaltung geduckt.

Verdutzte Orks starrten sie an, als HE-Laserwaffen ihr Vernichtungswerk aufnahmen.

Wie vorausgesagt konnte der feindliche Panzer sie bereits nicht mehr ausmachen und rasselte daher weiter, während sich der dunkle Rauch um ihn herum ausbreitete.

Ab jetzt zählte jede Sekunde.

»Rauf!«, schrie Krood und wies auf eine nicht sehr sicher aussehende Trittleiter, deren abgewetzte und rostige Metallstufen die Kasrkin einladend anlächelten. Sie führte, der Breitseite des Panzers folgend, fast vom Boden an hinauf auf den Rumpf des Kampfgefährts. Ideal, um das Orkfahrzeug zu entern und zu vernichten †“ zumindest solange die Leiter das Gewicht der Elitesoldaten hielt.

Cedd voran, erklommen sie den über das unebene Terrain schwankenden Körper des Metallungetüms. Die Sprossen waren glitschig und nicht nur einmal rutschte einer von ihnen ab und konnte sich nur mit Mühe festhalten.

Als der erste Kasrkin schließlich den Fahrzeugrumpf bestiegen hatte, fand er sich Auge in Auge mit einem Ork wieder, der gerade die Turmluke öffnete um festzustellen, weshalb bei der Verderbtheit allen menschlichen Abschaums, die Nacht über ein taghelles Schlachtfeld hereingebrochen war.

»Git!«, rief die Grünhaut begreifend, ehe Cedd ihr mit dem HE-Lasergewehr ins Gesicht schoss. Dumpf rumpelnd fiel der Fleischberg zurück in das eigentlich viel zu enge Luk des Kommandanten.

»Da hast du Recht«, bekräftigte der Kasrkin den Ausruf des Xeno, dann wandte er sich um undt griff den Hand seines Sergeants, um ihn zu sich auf den Panzer zu ziehen.

Unbemerkt tauchte eine grüne Hand aus dem Innern des Panzers hervor, bemüht die kurze Pause zu nutzen und das Fahrzeug zu verriegeln.

»Er versucht die Luke zu schließen!«, schrie Tall, der sich hinter Krood auf das Kampfgefährt schwang und wies auf den Arm, der nach dem Sicherungsrad auf der Innenseite der Luke tastete.

Sofort rissen alle drei Soldaten die Waffen hoch, doch ihre Hochenergiestrahlen prallten lediglich gegen den gepanzerten Stahl.

»Haltet ihn auf!«, bellte ihr Anführer. »Cedd! Ran an die Luke! Offen halten!«

Der Ork hatte die Dachöffnung schon beinahe geschlossen, als die Kasrkin die Kommandantenkuppel erreichten. Wenn es ihm gelang, den Einstieg vollends zu verriegeln, dann war ihr Angriff gescheitert.

Cedd stemmte sich mit aller Kraft gegen den Turm des feindlichen Kampfgefährts, die behandschuhten Finger fest um den Rand des Kommandantenluks geklammert.

»Thronverdammt!«, grunzte er, die Röte der Anstrengung im Gesicht stehend. »Ich hasse diese Drecksviecher! Jetzt, Sergeant! Ich kann sie nicht länger halten!«

Aus dem Innern des Panzers brüllten die Xenos zu ihnen hinauf, trieben ihren Kameraden offensichtlich an, fester zu ziehen.

Für einen Moment zumindest war Cedd stärker. Die Luke öffnete sich ein Stück weit.

Das reichte.

Krood setzte eine Salve aus seiner Laserpistole in den dadurch entstandenen Spalt. Plötzlich ließ der Druck nach. Die Luke sprang auf.

»Frag!«, bellte Krood und gestikulierte wild in Richtung des Fahrzeugzugangs. »Feind bekämpfen!« Er wollte den Xenos keine Zeit zum Reagieren geben.

Noch in der Bewegung die Splinde ziehend, leiteten die Kasrkin die nächste Phase ihres Angriffs ein.

Sicherheitsbügel flogen ploppend von den Sprengkörpern. Zünder brannte sich zur Detonationsladung vor.

»Drei … zwei … eins!«, zählte Krood die Reaktionszeit herunter.

Zu dritt warfen sie die erste Ladung Handgranaten durch die Öffnung in das Fahrzeug.

Wütendes und entsetztes Brüllen klang an, als die Orks begriffen, was gerade zu ihnen hereingeflogen kam.

»Luke zu! Schließt die Luke!«

Nun war es an ihnen, den Einstieg zumindest zu versperren, sodass die Kraft der Explosion nicht nach oben aus dem Innenraum des Kampfgefährts verpuffte.

Mit einiger Anstrengung gelang es ihnen, die Luke zuzuwerfen.

Ein kurzer, heftiger Schlag ging durch den Panzer, röhrte in Form eines dumpfen, metallenen Dröhnens zu den Kasrkin hinauf. Der erste Teil ihrer Aktion schien geglückt zu sein, doch Krood wollte nicht erst warten, bis er sich dessen sicher sein konnte.

»Jetzt das Phosphor. Zwei pro Mann«, befahl der Sergeant und zog an der Luke, die quietschend in die Höhe schwang.

Heiße Luft atmete ihm entgegen. Es war ein hässlicher, Übelkeit erregender Gestank, der ihn mit derselben Heftigkeit anfiel, die man normalerweise von einem wütenden Ork erwartete.

In routinierter Eile zogen die Elitegrenadiere die länglichen, dosenförmigen Sprengkörper hervor, mit denen sie dem Orkgefährt den Todesstoß verpassen wollten. Splinde wurden gezogen, Sicherheitsbügel sprangen aus ihren Halterungen.

Dann rollten die Phosphorgranaten ins das Fahrzeug, sechs Stück an der Zahl.

Über ihnen fiel die Luke zu.

»In Deckung!«, schrie Krood und scheuchte seine Elitesoldaten vom Kampffahrzeug.

Mehr abstürzend denn springend lösten sie sich von dem Gefährt.

Krood schlug hart auf den unebenen Boden und verlor das Gleichgewicht. Er stechender Schmerz fraß sich durch seinen Körper. Die Kette des Panzers dröhnte nur wenige Zentimeter neben seinem Kopf vorbei.

Jetzt noch aufzuspringen und in Deckung zu hechten wäre zwecklos gewesen. Wenn er sich verletzt hatte, würde er es nicht schnell genug schaffen, sich von dem riesigen Stahlkoloss zu entfernen. Explodierte der Panzer †“ bei der gewaltigen Hitze, die ein Phosphorbrandsatz entwickelte, konnte es ohne Weiteres dazu kommen †“ dann würde er direkt im Explosionsradius stehen. In dem Fall sanken alle möglichen Überlebenschancen gen null … oder sogar noch darunter.

Krood kauerte sich zusammen und legte die Arme schützend um seinen Kopf. Er hatte sich nicht verschätzt.

Sonnenhelles Licht flackerte durch schlecht zusammengeschweißte Nähte und nicht verdichtete Löcher im Innern des Panzers. Für einen Moment lang erstrahlte das Kampfgefährt in grellem Schein, so als wäre es durch das Erscheinen einer Lebenden Heiligen von allem Übel gereinigt worden. Und tatsächlich rollte der Panzer allmählich aus und begann, über den Grund seines Hierseins zu philosophieren. Die Munition explodierte glücklicherweise nicht.

Irgendwie schaffte Krood es, sich auf die Knie zu erheben. Noch immer schmerzte sein Körper, als hätte man ihn mit metallenen Platten beworfen, aber der Elitesergeant blendete das Brennen und Stechen mit eisernem Willen aus.

Während seiner jahrelangen Ausbildung auf Cadia hatte er gelernt, Schmerz nicht nur zu erleben, sondern ihn zu leben. Schmerzen und Leid waren ein Teil von ihm geworden, hatten sich mit stoischer Gleichgültigkeit in seinem Herzen festgebrannt und die Triebfeder ersetzt, die bis dato sein Leben vorwärtsstieß.

Kasrkin zu sein bedeutete, marternde Qualen zu erdulden und Pein, gegen die die schlimmste Inquisitionsfolter lediglich den Wert einer Vorspeise besaß.

Schwere Schritte tanzten heran. Es waren Cedd und Tall.

»Sergeant!«, rief Tall und ging neben seinem Vorgesetzten in die Knie. Sein Kamerad stellte sich in Feindrichtung auf und nahm die Schnellschussposition ein, um die beiden anderen Kasrkin abzuschirmen.

»Ist alles in Ordnung?«

Krood runzelte die Stirn und sah zu seinem Untergebenen auf. In seinem Blick lag eine Mischung aus Ärger und Qual. »Helfen Sie mir hoch«, forderte er den anderen schließlich auf.

Es bedurfte einiger Anstrengung von Seiten Talls, um dem Befehl nachzukommen, denn er musste nicht nur den Unteroffizier, sondern auch dessen noch einmal gut halb so schwere Panzerung und Ausrüstung mit in die Höhe hieven.

Dennoch gelang es ihm mit überraschender Agilität, seinen lädierten Vorgesetzten wieder auf die Beine zu befördern.

Über ihnen quietschte das Turmluk des Kampfpanzers.

Ein Ork †“ oder zumindest das, was einmal ein Ork gewesen war †“ bemühte sich das, das verwüstete Innere seines vormaligen Kampfgefährts zu verlassen.

Teilweise bis zur Unkenntlichkeit verbrannt, grenzte es fast an eine Teufelei des Chaos, dass es der Grünhaut dennoch gelungen war, die kombinierte Energie von neun Handgranaten zu überleben.

Schwerfällig und von Krämpfen geschüttelt, bei denen er schmerzerfüllt jaulte, zwängte sich der Xeno durch den engen Ausstieg.

»Achtung, Feind!«, bellte Cedd, fuhr herum und deckte das schwarz verkohlte Wesen mit Salven aus hochenergetischem Laserfeuer ein. Von den kaskadierenden Strahlen regelrecht zersiebt, brach das Ziel in sich zusammen und blieb als abartig verkrümmte Statue über dem Turmluk hängen.

»Los«, keuchte Krood, noch immer damit beschäftigt, seine schmerzenden Lungen mit Luft zu füllen. »Lasst uns verschwinden.«

Im Eilschritt, zumindest so schnell, wie Krood laufen konnte, zogen sie sich zu den imperialen Linien zurück.

»Thronverdammt«, brachte der Captain hervor, als die drei Kasrkin zurück in den Graben sprangen. Seine Männer starrten die Elitegrenadiere fassungslos an. »Und ich dachte, unser Colonel wäre wahnsinnig.«

»Ein Elitesoldat definiert sich nicht durch Wahnsinn«, grenzte sich Krood sofort gegen Ekko ab, noch bevor jemand auf den Gedanken kommen konnte, er und der offensichtlich geisteskranke Stabsoffizier würden auch nur irgendeine Gemeinsamkeit teilen. »Nein. Er definiert sich durch die Fähigkeit, aus jedem erdenklichen Gegenstand eine Waffe zu schmieden und die Entschlossenheit, diese auch einzusetzen.«

»Schöne Worte«, erwiderte der Offizier, dessen Namen Krood noch immer nicht wusste. Cedd und Tall begannen bereits damit, ihr Feuer auf die nächste Welle aus anstürmenden Grünhäuten zu konzentrieren. »Aber den Unterschied zu Colonel Ekko müssen Sie mir jetzt noch einmal erläutern.«

Endlich setzten auch die restlichen Soldaten in das Schießen ein.

Krood derweil lehnte sich zu dem Offizier vor. Eine Hitzewelle der Wut schob sich seinen Unterleib hinauf, kroch über seine Haut und setzte sich schließlich in seinem Kopf fest. Wie konnte dieser ‚Normale†˜ es wagen, ihn mit dem verrückten Halbhäretiker zu vergleichen? »Wie meinen Sie das?«

Der Captain hielt ihm das Sprechgerät entgegen, das mit dem Tornister auf dem Rücken des gefällten Infanteristen verbunden war.

Der tote Funker starrte Krood mit leblosem Blick ins Gesicht. Er schien den Elitesergeant auszulachen.

Böses ahnend nahm der den Hörer entgegen. Seine Vorahnung wurde nicht enttäuscht.

»Krood?«, rief die Stimme. »Hallo, Krood? Können Sie mich hören?«

»Ich wünschte, es wäre nicht so«, grummelte der Sergeant.

»Stellen Sie sich nicht so an, denn was jetzt kommt, dürfte Ihnen bekannt sein.« Am anderen Ende der Leitung wurde eingeatmet. »Ich habe einen Auftrag für Sie.«

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Ekko! Ekko! Ekko!:D

Du musst die Geschichte auf jedenfall zu Ende bringen, sonst kann ich Nachts nicht mehr schlafen^^

Es freut mich auch sehr, das deine Geschichte auch noch in anderen Foren gezeigt wird, da sie wirklich Top ist!

Mfg Stefan

Der Tod hat einen Plan!Und die Orks sind ein teil davon!

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Für weiteren Wahnsinn mit Ekko und Ko sind wir gern geduldig :ok:

Meine bunten Allgemeinprojekte: Avalus Armeen II (aktuell), Avalus Armeen I (Geschlossen)

Spezifische Armeeprojekte: Imperiale Armee Schnelle EingreiftruppeProjekt 500: Orks (Doch nicht im Warp Verschollen)

 

Beste Beschreibung meines Malstils:

"Einen Avalus bauen: Ein Modell kaufen und jede Farbe aus dem Mega-Paintset mal dran ausprobieren, 95% davon fuers Base." Garthor

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Das du quasi gleich um die Ecke wohnst ist mir die ganze Zeit noch gar nicht aufgefallen, warum eigentlich nicht?

Dann einfach mal einen Gruß aus Wanderup und wie mein Vorredner schon sagte, auf weiteren Wahnsinn von Ekko wartet man doch gerne, denn gut Wahnsinn will Weile haben :naughty:

Das was mir dazu einfällt, für die Rettung dieser Welt Friedens Kitty - Sie schiesst Liebe in Dein Herz, bringt den Frieden ohne Schmerz Friedens Kitty - Macht Schluss mit jeder Diktatur, Ich frag mich wie macht Sie das nur Friedens Kitty - Sie hilft uns bei jedem Reim, trägt Oma´s Einkaufstüten heim Friedens Kitty

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Da du selbst Sororitas spielst - müsstest du das wissen ;-D Bei einer Sororita guckt man nicht, von wo sie kommt, sondern wohin sie geht^^

Und der Wahnsinn wird weitergehen :-D Auf jeden Fall. Wäre ja verrückt, wenn nicht ...

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UND UUUUP!!! ;-D

Hallo ihr Lieben,

Ich wollte mich nur einmal melden - ich lebe noch und auch die Geschichte ist nicht vergessen!

Ich habe zur Zeit nur leider nicht Selbige, um weiterzukommen. Von daher habt bitte noch etwas Geduld.

Schönen dritten Advent wünsche ich!

Da Sista

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Keine sorge, wir sind geduldig.

Also zumindest ich.

RL geht klar vor Geschichten! Aber danke, dass du uns Lesern so ein Update zukommen lässt!

Grüße

Avalus

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Hallo, liebe Stargazer-Leser,

Auch wenn es so erscheinen mag †“ keine Sorge! Ich habe euch nicht vergessen. Es war nur viel in meinem Privatleben los. Ich war einige Zeit lang unterwegs, hatte auch sonst viel zu tun und irgendwie ließ sich Colonel Ekko da nicht unterbringen. Hinzu kamen Geburtstag, Weihnachten und jetzt †“ der Imperator beschützt †“ beginnt auch schon ein neues Jahr. Und wer bin ich schon, dass ich das nicht mit einem neuen Kapitel beginnen würde?

Hier kommt es also †“ dieses Mal ganz unspektakulär! Das Kapitel 36!

Viel Spaß beim Lesen ;-D

36

Balgor hob seinen Kopf über den Rand des Schutthaufens, hinter dem er Deckung gesucht hatte und ließ seinen Blick den umkämpften Straßenzug entlang wandern.

Unter wütendem Schreien und gebrüllten Befehlen versuchten die Truppen des Imperiums verzweifelt, sich der feindlichen Übermacht entgegenzustemmen und einen Durchbruch des Xeno-Abschaums zu verhindern. Das Geheul der Grünhäute hallte als vom Schall der Umgebung grässlich verzerrtes Getöse über sie hinweg.

Zumindest für den Captain bestand kein Zweifel mehr: schlussendlich würden sie den Ring verlieren.

Immer mehr Angreifer strömten durch die in der Mauer entstandene Lücke unaufhaltsam ins Innere der Kathedrale. Sie nahmen sogar in Kauf, den hochenergetischen Schutzschild zu berühren und im Herzschlag einer Sekunde zu einem Häufchen Asche verschmort zu werden. Wo ein Xeno fiel, kamen fünf nach.

Noch allerdings gaben sich die Basteter nicht vollständig geschlagen. Kohärente Lichtstrahlen und Leuchtspuren vorbeizischender Projektile erhellten das Gefechtsfeld als wütendes Feuerwerk der Vernichtung.

Heiß pfiffen Querschläger zwischen den engen Grenzen der Straßen umher, prallten an den Gebäuden ab und rissen Wunden in die Mauerwerke.

Knisternd und brechend platzte der Putz von den Fassaden, regnete als Durcheinander aus Kleinstteilen und Sprühnebel auf die Kämpfenden herab.

Statische Entladungen knackten triumphierend aus dem Funkgerät, das Jelard neben ihm auf seinem Rück trug, so als würde das Gerät dem Lärm um sich herum trotzen wollen. »0072 Azrael, hier 5121102 †“ melde: nördliche Ausfallstraße jetzt gesperrt. Kommen.«

»0072 Azrael verstanden. Nördliche Ausfallstraße jetzt gesperrt. Frage: Sperrmittel? Kommen

»5121102 †“ Orkpanzer, vernichtet durch Kasrkin im Nahkampf. Kommen

Eine Antwort blieb aus, auch wenn es nicht viel Fantasie brauchte sich vorzustellen, wie diese gelautet hätte. Vermutlich plante Ekko gerade, die Verteidigung der Himmelskathedrale ganz den cadianischen Grenadieren zu überlassen, sodass er seine Soldaten in den letzten Ring zurückziehen konnte. Die Idee hatte etwas für sich. Und auch, wenn Balgor ein wenig für die Elitesoldaten fühlte, so hätte er sich gerne die eine oder andere Pause gewünscht, um bei einem guten Glas Armasec einfach nur ein wenig blöd zu sein.

Aber so, wie Grenadiere bisher auf den Feind zugegangen waren, war es genauso gut vorstellbar, dass sie die Verteidigung der Himmelskathedrale managten, ohne dass es regulärer Truppenverbände bedurfte.

Leider sah das die Realität anders.

Unter dem sardonischen Krachen einer gewaltigen Explosion zerbarst die inzwischen immer weiter in die Ferne rückende behelfsmäßige Sperre des Haupttores. Tonnenschweres Mauerwerk, Trümmerstücke und Erde wurden wie Papier in die Luft gewirbelt und mühelos über die Stadt verteilt.

Die Erde bebte. Sämtliche Infanteristen in Balgors Nähe gingen in Deckung.

Auch der Captain zog unwillkürlich den Kopf ein. Er wusste, dass sie inzwischen eigentlich weit genug vom Ort der Explosion entfernt waren, um nicht von den Auswirkungen getroffen zu werden. Aber wer wie er lange genug mit Colonel Ekko befreundet war und seinen Lebensweg geteilt hatte, der wusste, dass das Wort ‚eigentlich†˜ im positiven Sinne so gut wie nie vorkam.

Es hieß zwar, für seine Bekanntschaften konnte man nicht verdammt werden, aber dennoch …

Der Captain wandte sich seinem Funker zu. »Befehl an alle Einheiten: Truppen klar machen zum Sammeln.«

Jelard, von einer nahen Explosion in Deckung getrieben, zuckte eher zusammen, als dass er nickte. Mit zitternden Fingern hob er das Handgerät des Funktornisters an sein Ohr. »An alle Einheiten Ring eins, hier 5120201 …«

Das grelle Pfeifen eines nahenden Artilleriegeschosses warf sich zwischen die Worte des Soldaten, den Kampflärm und Balgors Gehör, verlangte nach der vollen Aufmerksamkeit des imperialen Offiziers.

Balgor sah in dem Versuch auf, die Flugbahn der einkommenden Granate verfolgen zu können.

Es dauerte einige Sekunden, bis er begriff, dass sie in seine Richtung unterwegs war.

»Deckung!«, rief er und zog den ungeschützten Jelard an seine Seite, als das Geschoss direkt in das Gebäude neben ihnen einschlug.

Glas und Staub wurden durch die Druckwelle der Detonation aus dem Innern gepresst. Fast schien es, als würde das Bauwerk kräftig niesen.

Ein gefährlicher Niederschlag aus Splittern und Trümmern regnete auf die Verteidiger herab, trieb die Männer in jede ihnen zur Verfügung stehende Deckung †“ und sei es nur aus der Hoffnung, die Trümmerhaufen um sie herum böten ein lohnenderes Ziel für Schrapnelle.

»Sanitäter!«, schrie irgendjemand. Es klang wie Ironie unter dem Donnern der um sie tobenden Feuergefechte.

»Artillerie?«, schrie Captain Prish, der mit etlichen seiner Soldaten an der gegenüberliegenden Straßenseite in Deckung gehechtet war, ungläubig.

Balgor nickte. »Sie schießen von innerhalb!«, rief er zurück. Eigentlich unnötigerweise, denn wie sich recht eindrucksvoll gezeigt hatte, schoss der Gegner tatsächlich von innerhalb des Schutzschildes. Allerdings †“ und das überraschte die kampferprobten Imperialen, war es den Grünhäuten offensichtlich gelungen, ihre Waffensysteme so auszurichten, dass sie die Energiebarriere des Schutzschilds unterflogen.

Haubitzen, also Projektile verschießende Mehrzweckgeschütze, gehörten zu den ältesten bekannten Waffenmustern, die im Universum existierten. Das Prinzip, nach dem sie arbeiteten, war so einfach wie effektiv und verlangte dennoch nach einigen der komplexesten Handlungen, die eine Bedienmannschaft beim Abfeuern eines Waffensystems vollführen musste.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Artilleriewaffen, den Feldkanonen und Mörsern, waren die Haubitzen in der Lage, sowohl in der unteren als auch der oberen Winkelgruppe zu schießen. Damit wurden sie einer Rolle als Steilfeuer- und Flachfeuerwaffe gerecht und boten ihrem Nutzer eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten. Vor allem in räumlich begrenzten Gefechtsfeldern, wie etwa der Himmelskathedrale, ließ sich mit ihrer Hilfe ein gewaltiger artilleristischer Vorteil gewinnen, denn dank ihrer Treffsicherheit und Durchschlagskraft konnten sie feindliche Verbände gezielt niederhalten oder auslöschen.

Doch dafür musste man sie zielgenau einsetzen. Um nun eine solche Genauigkeit innerhalb eines geschlossenen Raumes †“ dank ihres Schutzschilds konnte man die Himmelskathedrale dazu zählen †“ zu erreichen, waren präzise ballistische Berechnungen vonnöten. Etwas, das man nicht unbedingt von einem Xeno erwartete.

Dass die Grünhäute nicht nur über diese Waffen verfügten, sondern offensichtlich auch in der Lage waren, diese von innerhalb eines in allen drei Dimensionen beengten Gefechtsfeld einzusetzen, bedeutete eine vollkommen neue Form der Bedrohung für die imperialen Verteidiger.

Sie mussten die Artillerie ausschalten. Schon hörte Balgor die betont neutral gehaltene Stimme des Colonels durch seine Ohren flöten, ein hämisches Flüstern: ‚Nicht, wenn wir die Artillerie ausschalten †“ Captain Baaaaaalgor!†˜

Doch die Funkgeräte blieben stumm. Möglicherweise war Colonel Ekko gerade woanders gebunden.

Man konnte bei einer sich derart schnell bewegenden Schlacht wie dieser auch nicht erwarten, dass der Colonel jeden Zug des Gegners erkannte oder richtig deutete. Die Tatsache allerdings war: je länger sie warteten, die ihre ausgedünnte Verteidigungslinie weiter zurückzunehmen und so die Überlebensfähigkeit der eigenen Truppen zu stärken, umso wahrscheinlicher wurde es, dass der Druck durch die Feindkräfte zu groß wurde. In dem Fall waren die Kampftruppen verloren †“ und die Kathedrale (mitsamt allen in ihr verbarrikadierten Imperialen) würde mit ihnen untergehen. Zeit, die Angelegenheit in die eigenen Hände zu nehmen und zumindest in ihrem Sektor die Defensive neu zu organisieren.

»Prish!«, rief Balgor noch, um den ranggleichen Offizier anzuweisen, seine Truppen zum Überqueren der Straße vorzubereiten, doch er beendete den Satz nicht.

Eine kräftige Explosion hieb den Gebäudekomplex, an dem der erste Trupp des elften Zugs Deckung gesucht hatte, regelrecht in zwei.

Steine und Splitter pfiffen davon, eilten einer schnell expandieren Staubwolke voraus in die vom Gefechtslärm erfüllte Luft.

Erneut zog Balgor den Kopf ein, suchte Schutz vor einer Mauer aus feingemahlenem Sand, vor der es schlussendlich doch kein Entrinnen gab.

Wie wahrscheinlich war es wohl, dass er bei all dem Sand, den er inzwischen geschluckt hatte, mitten in der Schlacht an innerer Austrocknung starb? Dass er sich gerade jetzt die Frage stellte und dabei dem Gefühl anheimfiel, sich mit dem Wahnsinn von Colonel Ekko angesteckt zu haben, half ihm auch nicht wirklich. Zumal der Humor des Gedankens plötzlich nicht mehr präsent war, wie erschossen vom gnadenlosen Vorrücken des eigentlich Unmöglichen.

Der Kommandant des zweiten Zugs hob den Kopf um festzustellen, was genau gerade geschehen war, und in wie fern es seine taktischen Möglichkeiten beeinflusste. Was er sah, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren.

Captain Prish starrte ihn an, das von Dreck und Ruß bedeckte Gesicht in einer Mischung aus Schreck und unendlichem Schmerz eingefroren. Sein Körper, ebenso steif in der Bewegung erstarrt, die ihn um ein Haar noch aus dem Gefahrenbereich gebracht hätte, lag bis zum Bauch hinauf zerquetscht unter einem großen Stück aus Mauerwerk. Ein dünner Stahlträger hatte sich in seinen Rücken gebohrt, hielt ihn senkrecht und verhinderte, dass sein Körper in sich zusammensackte, obwohl er bereits sämtlicher Lebenskraft beraubt worden war.

Um ihn herum lagen die Leiber seiner Untergebenen, teils verkrümmt, teils unter herabgefallenen Steinen zerquetscht oder von der der Wucht der Explosion zerrissen.

Ein einzelner Soldat, wie durch ein Wunder von den herabfallenden Steinen unbehelligt, saß eng an die verbliebenen Mauerstücke des Gebäudes gepresst, seine Waffe an den Körper gedrückt. Abwesend starrte er an seinen gefallenen Kameraden vorbei in die Leere der Erkenntnis, dass er der einzige Überlebende seines Trupps war.

»Es bringt nichts«, entschied Balgor gleichermaßen für sich und seine Männer, ihren Kampfgeist an einem anderen Ort erneut zu entfachen. »Dieses Gebiet ist nicht mehr zu halten.«

Er nahm seinem erschütterten Funker das Sprechgerät des Funktornisters aus der Hand und drückte die Sprechtaste. »0072 Azrael, hier 5120201, kommen.«

»Hier 0072 Azrael.«

»5120201 erbittet Erlaubnis zur Rücknahme alle Kampfaktivitäten in den zweiten Ring.«

»Verstanden, 5120201. Warten Sie

»Warten?!« Balgor senkte kurz das Handsprechgerät und sah den neben ihm kauernden Gireth an. »Will der mich verarschen?«

Der Funker wusste darauf keine Antwort.

Es knackte in der Sprechverbindung. »Hier Ekko. Ich höre, Balgor

Der Captain wiederholte sein Anliegen.

»Nein«, schmetterte der Colonel die Anfrage ab. »Wir können nicht zurück

»Sir, womit soll ich die Moral der Truppe erhalten? Wir sind so ausgemergelt wie ein Infanterist mit Durchfall.«

»Negativ!«, sperrte sich die Stimme im Funkgerät gegen das metaphorische Argument. »Sie müssen den Gegner weiter beschäftigen! Organisieren Sie den Einsatz der Truppen mit Captain Prish

Balgor ließ einen Augenblick verstreichen, in dem er darüber nachdachte, auf welche Weise er dem Colonel die Neuigkeiten beibringen sollte. Eigentlich hätte ihm ein bissiger, zynischer Spruch über die Lippen kommen müssen. Aber sein Kopf fühlte sich mit einem Mal so leer und gleichzeitig so schwer an, dass er vermutlich einem gewaltigen, schwarzen Loch ernsthafte Konkurrenz gemacht hätte. Schließlich brach es mit ruhiger Verbitterung, ja, fast vollendeter Lethargie, aus ihm heraus. »Wir haben Prish verloren und einen Großteil seiner Einheit.«

Stille.

»Also gut. Ich genehmige das Ausweichen. Aber †“ ziehen Sie den Gegner auf sich. Das ist wichtig. Alle feindlichen Einheiten müssen sich auf die zurückweichenden Kräfte konzentrieren

»Colonel, der Feind setzt bereits Artillerie von innerhalb des Schutzschilds ein«, wandte der Captain ein. »Dagegen können wir nicht lange aushalten.«

»Das ist so verstanden, Balgor. Wir haben noch Leute da draußen. Die werde ich nicht aufgeben

»Ich hoffe, Sie setzen da nicht zu sehr auf das falsche Pferd, Sir.«

»Ich wette nicht, Balgor. Nicht ohne einen Trumpf. Und ich habe da bereits etwas vorbereitet

»Verstanden, Colonel. 5120201, Ende.« Balgor reichte das Sprechgerät an seinen Funker zurück, während bereits die ersten Rückzugsbefehle durch den Hörer knisterten.

Gireths Stimme klang beinahe dürr gegen das wilde Brüllen der tobenden Schlacht. »Ich hoffe, der Colonel hat einen taktischen Plan, um uns aus dieser Situation zu retten.«

Balgor schnaubte missvergnügt, bevor er sich in die Richtung eines seiner Truppführer wandte, dem Mann zupfiff und, sich dessen Aufmerksamkeit bewusst, eine halsabschneidende Geste vollführte.

Der andere nickte und gab die Geste weiter.

Weit über ihnen heulten Artilleriegranaten heran, prallten mit lautem Krachen gegen den energetischen Schutzschild und zerplatzten zu glutroten Wolken.

»Ich denke, wir sollten dann allmählich gehen«, schlug Balgor dem jungen Mann an seiner Seite vor, während er aufstand.

Jelard nickte schwach, hakte das Handgerät an seiner Koppel ein, und erhob sich dann ebenfalls.

Vom schweren Gewicht seiner Ausrüstung in die Knie gebeugt, benötigte er deutlich länger, um seine Waffe aufzunehmen und seinem Vorgesetzten in Richtung des zweiten Rings zu folgen.

Um sie herum erhoben sich nun Soldaten, verließen ihre Deckungen und Stellungen, um unter abwechselndem Schießen den Rückzug anzutreten.

Das laute Heulen eines unter Leistung gesetzten Motors setzte ein, verschluckte die Geräusche des mannigfachen Waffenfeuers. Mit klirrenden Gleisketten setzte eine der in Stellung gebrachten Chimären aus ihrer improvisierten Deckung zurück auf die inzwischen zerschundene Straße, um den Rückzug der Bodentruppen zu sichern.

Das harte Wummern ihres Multilasers bahnte sich seinen Weg durch die Körper der Infanteristen, ließ Zähne und Knochen gleichermaßen im unregelmäßigen Rhythmus des Waffenfeuers mitschwingen. Es war, als würde die nackte Furcht durch ihre Leiber pulsieren.

Der einsame Soldat hingegen saß noch immer an die Wand gepresst. In der Eile des Rückzugs schließlich wurde er vergessen.

***

Das Feuergefecht intensivierte sich, als Doktor Marith Calgrow entschied, einem unmenschlich schwer verbrannten Soldaten die Gnade des Imperators zu gewähren. Ob diese beiden Geschehnisse jedoch miteinander in Verbindung standen, ließ sich nicht ermitteln. Für einen Menschen wie Calgrow, in der Gleichung des göttlichen Imperators ebenso viel wert wie eine Ameise, wäre eine solche Verbindung auch höchstunverständlich geblieben, selbst wenn sie ihr bekannt gewesen wäre.

Lediglich ein entschiedenes Kopfschütteln war ihr das Leid des Mannes wert, der in seinem Zustand nicht mehr als eine unerwünschte Belastung darstellte.

Einer ihrer Sanitäter nickte und machte sich wortlos auf, eine Spritze zu besorgen, mit der das restliche Häufchen Mensch, das sich wie eine verbrühte Kaulquappe auf dem Feldbett wandte, von seinen Qualen erlöst werden konnte.

Marith Calgrow hingegen nahm bereits das nächste Opfer ihrer antrainierten Barmherzigkeit ins Visier: einen Infanteristen, dem die Explosion einer Panzergranate Brust- und Bauchbereich aufgerissen hatte, und der nun dick verbunden auf einem anderen Feldbett vor sich hinvegetierte. Von Schmerzmitteln durchtränkt und somit nicht mehr als ein lethargisches Überbleibsel seiner Selbst, würde dieser Soldat bald ebenfalls das Elysium des Imperators betreten. So wahr Marith Calgrow Ärztin war.

Sie verfolgte, wie der Sanitäter sich an zwei Soldaten vorbeischob, die einen strampelnder Körper auf einer blutverschmierten Bahre hereintrugen, bevor sie ihn herbeiwinkte. »Danach diesen hier«, wies sie den Infanteristen an.

Er nickte erneut, dann fuhr er damit fort, seine entsetzliche Arbeit zu tun.

Derweil wandte sich die Regimentsärztin an einen der zwei Wachsoldaten, die sie in weiser Voraussicht innerhalb des Lazaretts stationiert hatte. Die Ereignisse mit Rahael und der Sororita hatten sie vorsichtig gemacht und auch wenn kaum zu befürchten stand, dass ein Soldat die gleichen kämpferischen Qualitäten wie die Adepta freisetzte, Calgrow konnte auf eine weitere Zerreißprobe ihres Höschens gut und gerne verzichten.

»Diese beiden hier werden nicht mehr lange leben«, erklärte sie. »Sorgen Sie dafür, dass sie abgerüstet werden und das verbliebene Material sinnvoll weiterverwendet wird.«

Abrüsten in diesem Fall bedeutete nicht mehr, als dass sich die Lebenden mit den Magazinen, Waffen und Ausrüstungsmaterial der Getöteten beluden. Die verbliebenen, teilweise unbekleideten Leichen der Gefallenen danach um den Sanitätsvorposten aufzutürmen, damit sie bereits bestehenden Sandsackwälle und improvisierten Barrikaden verstärkten, nannte die Regimentsärztin sinnvoll verwenden.

Der Soldat schlug die Hacken zusammen und verschwand durch den halb geöffneten Eingang.

Marith Calgrow war in ihrem Element: Herrin über Leben und Tod.

Aber selbst in diesem Moment gab es etwas, das ihr kalte Schauer über den Rücken jagte. Etwas, das ihre in vielen grausamen Jahren geschärften Kommissarinnen-Instinkte aufschreckte.

Etwas, das sich mit ihrem natürlichen, matriarchalischen Machtanspruch auf dieselbe Weise duellierte wie zwei seit langem verfeindete Panzerfahrer, deren ewige Fehde schließlich damit endete, dass ihre Leman Russ-Kampfpanzer auf hunderten Kilometern freier Fläche frontal zusammenstießen.

Es als Angst zu bezeichnen, hätte man einem Eingeständnis von Häresie gleichsetzen können, sodass sich Calgrow darauf beschränkte, es als unwillkürliche Vorahnung besorgniserregender Ereignisse zu betiteln.

Als wenn das wirklich einen Unterschied gemacht hätte. Es war egal, wie viele Helden es gab, wie viele Inquisitoren oder wie viele Adepten, in deren Meinung der Glaube an den Imperator und der glühende Hass auf die Feinde des Imperiums häretische Empfindungen wie Furcht überflügelte. Die Chronisten mochten Worte wie Angst aus ihren Wortschatz gestrichen und sie durch Hingabe ersetzt haben †“ doch die Wahrheit war: Die Furcht hielt die Sinne eines Soldaten geschärft und mahnte ihn, wachsam zu sein. So sehr der göttliche Imperator auch seine Hand über die Abermilliarden hielt, die in seinem Namen kämpften; was einen Soldaten in erster Linie schützte, waren Vorsicht und Ahnung.

Sie seufzte und schüttelte sich. Auf solch ketzerische Gedanken konnte nur kommen, wer zu viel Zeit mit Colonel Ekko verbrachte.

Aber das minderte ihre Sorgen darüber nicht, dass der Kampf in der Nähe des Sanitätsvorpostens abnahm, auch wenn er sich gleichzeitig zu intensivieren schien. Was, beim Thron, hatte das zu bedeuten?

»Doktor«, rief ihr ein Offizier zu, der gerade durch die halb geöffnete Tür eingetreten war. Der Mann, dessen linke Kopfhälfte sich unter einem dicken Verband verbarg, hatte lediglich kurz innegehalten, um sich in dem mit Verletzten, Versprengten und Ausrüstung zu orientieren, dann war er direkt in Calgrows Richtung marschiert.

»Was gibt es, Captain Daun?«, erkundigte sich die Ärztin mit ruhiger, befehlsgewohnter Stimme.

Captain Daun, ursprünglich Führer des dreiundzwanzigsten Zugs des 512., hatte sich nach dem heftigen Gefecht um das Haupttor mit den Überlebenden seiner Einheit rings um Calgrows Sanitätsvorposten eingegraben und eine provisorische Bastion errichtet. Er hatte sogar dafür gesorgt, dass die Leiber der Erlösten die Schutzwälle verstärkten, hinter die sich ihr kleiner Stützpunkt duckte.

Nun umgab eine Aura aus Sorge die verbliebene Gesichtshälfte des Basteters, als er begann, der ehemaligen Kommissarin die aktuelle Situation darzulegen. »Wir haben eine beunruhigende Entdeckung gemacht.« In Ermangelung ausreichend taktischer Unterstützungshilfen †“ große Teile ihres Kartenmaterials, ihrer Kompasse und Funkgeräte waren während der Schlacht beschädigt oder zerstört worden oder verloren gegangen †“ mussten sich die Verteidiger von Calgrows Fort zum größten Teil damit begnügen, den Verlauf der Schlacht durch visuelle Erkenntnisse und Funksprüche nachzuverfolgen, was die Interpretation der dynamischen Gefechtsbewegungen deutlich erschwerte. »Die Kämpfe verlagern sich sehr schnell.«

Die Regimentsärztin nickte verstehend. »Verlagern sie sich in unsere Richtung?«

»Nein, nicht nach den Funksprüchen zu urteilen.«

»Was soll das heißen?« Calgrow wandte sich um, nun vollkommen auf den Dreck starrenden Offizier konzentriert. Ihre alten Kommissarinnen-Instinkte begehrten mit derselben Beharrlichkeit auf, mit der sich verdorbenes Essen durch den Magen brennt, warnten sie mit der religiösen Beharrlichkeit imperialer Litaneien vor einer nicht sichtbaren Gefahr.

»Also wenn ich die Befehle und Anweisungen richtig deute, klingt es eher, als wenn sich die Frontlinie von uns entfernt.«

»Aber das ist doch gut«, stellte die Regimentsärztin fest. Immerhin bedeutete ein Abrücken der Hauptkampflinie mehr Luft für den Sanitätsvorposten.

»Ich glaube, Sie verstehen mich falsch.« Zur Erklärung nahm der Offizier seine Hände zur Hilfe. »Die Kämpfe verlagern sich nicht in diese Richtung …« Er deutete auf einen Punkt irgendwo vor sich, bevor er mit seinem Daumen über die eigene Schulter wies. »Sondern in diese.«

Es war, als hätte er ihr eine Ohrfeige verpasst. Die hallende Stille, mit der die Erkenntnis Besitz von Marith Calgrow ergriff, erweckte zumindest den Eindruck, sie sei gerade geschlagen worden. Hätte in diesem Moment jemand anderes dicht neben ihr gestanden, derjenige hätte schwören können den Knall gehört zu haben, mit der die flache Hand der Wahrheit die Regimentsärztin traf.

Das also war die Vorahnung gewesen, die Furcht, die sich ihrer Gedanken bemächtigt hatte. Einen Moment lang starrte sie dem Offiziers ins Gesicht, so als würde sie ihn für diese Nachricht bestrafen wollen.

Schließlich entschied sie sich anders und ließ den Captain stehen, um stattdessen durch die Eingangstür ins Freie zu treten.

Dort erschreckte sie mit ihrem energischen Auftreten einen Sanitäter, der am Eingang gelehnt und mit vor Aufregung zitternden Händen geraucht hatte.

»Ma-Ma†™am!«, brachte er hervor und bemühte sich im Angesicht seiner Vorgesetzten Haltung anzunehmen. Sie ignorierte ihn.

»Hören Sie das?«, erkundigte sie sich, während sie allmählich die Deckung der notdürftig befestigten Sandsackwälle verließ, den Blick auf die sie umgebenden Hauserblöcke gerichtet.

Ursprüngliche eine kleine Basilika des imperialen Glaubens gewesen, und umringt von einem weitläufigen Forum, hatte sich der jetzige Sanitätsvorposten durch seine Geräumigkeit und seine gut zu verteidigende Lage für Calgrows Vorhaben besonders geeignet. Nun allerdings, mit dem Wissen des laufenden Rückzugs der imperialen Armee aus diesem Gebiet und der offenen Fläche, die ihr kleines Bollwerk umgab, kam sich die Ärztin beinahe entblößt vor. Und irgendwie wollte sich ihr Kopf der schreienden Stille ergeben, die sie an diese Tatsache laufend erinnerte.

»Was hören?«, fragte der jüngere Soldat. Angestrengt lauschte er in das Schreien und Stöhnen der Verwundeten und Sterbenden innerhalb des Außenpostens, versuchte Jammern und Klagen gleichermaßen auszublenden und sich auf das zu konzentrieren, was um den Sanitätsposten herum passierte. Doch so sehr er sich auch anstrengte, er fand nicht heraus, worauf die Regimentsärztin hinauswollte. Schließlich gab er es auf und sprach aus, was er dachte: »Ich höre nichts, Ma†™am.«

»Ja«, bestätigte sie in arrogantestem Hochgotisch. »Richtig.«

Eine Weile lang standen sie schweigend in dem Versuch da, eventuelle Veränderungen der Geräuschkulisse auszumachen. Doch außer dem unablässigen Knistern und Wummern des imperialen Abwehrfeuers, dem Knattern und Tackern der Sturmwaffen der Orks und den entfernt scheppernden Schlägen der Abschüsse und Explosionen tat sich im näheren Umfeld des Sanitätspostens nichts.

Grund genug für Marith Calgrow, schließlich ihrem sechsten Sinn nachzugeben und militärische Vernunft walten zu lassen.

»Ich denke, wir haben Sein Wohlwollen nun genügend strapaziert«, entschied die Regimentsärztin. Auf wen genau sie sich bezog, ließ sich aus den Worten nicht ableiten. Immerhin gab es mindestens zwei höhere Mächte, mit deren Geduld die ehemalige Kommissarin gespielt hatte †“ und deren Wechselbeziehung zu stören, konnte im Fall der Fälle zu einem späten, aber sehr, sehr bösen Erwachen führen. Natürlich hatte Marith Calgrow schon während ihrer Zeit im Kommissariat gelernt, ihren Geist in einem steten Zustand der Wachsamkeit zu halten. Doch wer Colonel Ekko kannte und bereits mit ihm … ‚gearbeitet†˜ hatte, der wusste, dass selbst der wachsamste Kopf nicht davor gefeit war, von einem schrecklichen Ereignis überrollt zu werden. Dafür geschah in Ekkos Umgebung viel zu viel viel zu schnell.

Und ging man danach, dann befand sich Marith Calgrow gerade irgendwo zwischen der REM-Phase und dem Wiedereinsetzen der aktiven Bewusstseinswahrnehmung.

Sie wollte sich gerade dem Sanitäter zuwenden und ihn anweisen, Fahrzeuge für eine Verlegung des Vorpostens anzufordern, als sie eine Bewegung wahrnahm, die irgendwo am rechten Rand ihres Sichtfelds stattfand.

Und dann stand er plötzlich vor ihr.

Normalerweise konnte man Orks bereits auf mittlere Entfernungen riechen, was eine ausgebildete Kommissarin von der Sorte Marith Calgrows eigentlich dazu befähigte, ihren Gegner mit derselben Zielstrebigkeit zu erfassen, mit der ein hitzesuchender Flugkörper ein laufendes Turbojettriebwerk ansteuerte.

Doch der mannigfaltige Gestank der Schlacht überdeckte das Heranwabern der Dunstwolke, mit der sich diese Grünhaut umgab, sodass sie es fertigbrachte, unbemerkt bis vor den Sanitätsvorposten zu gelangen und vor der Regimentsärztin in die Höhe zu sprießen.

Es vergingen nur Momente zwischen der bösen Vorahnung, mit der Marith Calgrows Sinne aufbegehrten und dem Auftauchen des Orks. Zu wenig Zeit, um überhaupt zu reagieren.

Der Sanitäter neben der Ärztin versuchte es dennoch. Wie in Zeitlupe begab er sich in Abwehrhaltung, bemüht das vor der Brust baumelnde Gewehr in die Höhe zu reißen.

Sein Mund formte den ersten Laut des Wortes »Ork«, doch jede Reaktion des Soldaten wäre in diesem Augenblick schon zu spät gekommen.

Entsetzt starrte die Ärztin auf das Xeno-Monster, das zu einem gewaltigen Sprung ansetzte, um seine beeindruckende Axt mit einem mächtigen Hieb auf die Menschenfrau niedergehen zu lassen.

Im darauffolgenden Moment erstarrte der hasserfüllte Gesichtsausdruck des Xeno, so als wäre die Welt in eine Art der Zeitlupe versunken. Vollkommen regungslos, nur vor seinem Schwung getrieben, folgte das Wesen seiner Flugbahn auf die Regimentsärztin zu, die sie selbst nicht rühren konnte und das auf eine ihr selbst unverständliche Art faszinierend fand. Calgrow kannte dieses Phänomen, das man im Kommissariat selbst als ‚Kampfzeit†˜ bezeichnete, und das die teilweise intensiven, ja beinahe sogar ekstatischen Sinneserfahrungen in einem besonders hitzigen Gefecht beschrieb. Es gab unterschiedliche Erklärungen über die Herkunft dieser ‚Kampfzeitlupe†˜, welche von der natürlichen Stimulanz durch die körpereigene Droge Adrenalin bis hin zum persönlichen Eingreifen des Imperators reichten.

Calgrow selbst kannte die Kampfzeit bisher nur aus Erzählungen, Beschreibungen und Büchern, da sie selbst nie in eine solch extreme Situation gekommen war, dass sich der schützende Schild der Kampfzeit um sie herum aufbaute.

Das Gefühl, das hingegen jetzt in ihr aufbegehrte, war unglaublich †“ zumindest jedoch interessant. Eine Mischung aus Panik und Furcht kopulierte mit dem außergewöhnlich eindrucksvollen Hormonschub, der ihren Körper in eine aggressive Euphorie versetzte. Es fühlte sich besser an als jede Befriedigung, jeder Sex, jeder Orgasmus.

Und doch begriff sie, dass in ihrem Fall weder der Gedanke an Befriedigung, noch an Sex oder Orgasmen hilfreich war.

Immerhin würde sie in wenigen Sekunden sterben.

Eigenartige Zuckungen durchliefen den muskulösen Körper des Xeno wie Schläge, die ihm rücklings verpasst wurden. Einen Ausdruck des Erstaunens auf dem Gesicht, erhob sich das Wesen kopfvoran in die Luft. Wie es schien, wollte der Xeno in den Himmel aufsteigen und davonfliegen.

In Ermangelung von Flügeln oder einem aus technologischer Sicht weitaus hochwertigeren Raketentriebwerk für die konstante Beschleunigung seines Körpers war der Startvorgang jedoch nicht von langer Dauer. Und so relativierte sich die Flugbahn des Unmenschen nach wenigen Ewigkeiten bereits wieder, verlagerte sich erst in die Horizontale, dann exponentiell zur zurückgelegten Strecke in die Negative.

Calgrows Unterbewusstsein riet ihr, dem anfliegenden, grünhäutigen Geschoss auszuweichen. Und obwohl ihr Körper und ihr Verstand dem Gedanken voll und ganz zustimmten, konnte sie sich dennoch nicht bewegen.

War es nicht eigentlich Sinn der Kampfzeit, einem eine angemessene Reaktion auf die wildesten und unübersichtlichsten Ereignisse zu ermöglichen? Im Augenblick hingegen kam es der Regimentsärztin so vor, als sei sie lediglich Komparsin einer unglaublich schlecht gestalteten Zeitlupenszene in einem Televid-Drama.

In ihrem Höschen machte sich eine verdächtige Feuchte breit. Sie stammte sicherlich nicht von dem intensiven Gefühl, das ihr für einen kurzen Augenblick wie Sex vorgekommen war.

Mit einem dumpfen Poltern kam der Ork am Ende seiner ballistischen Flugbahn auf dem Boden an und rutschte direkt bis an die Stiefel der Regimentsärztin. Ein letztes »Urgh«, entwich ihm, dann erloschen seine Lebensgeister.

Stille übernahm das Zepter.

Für einen Augenblick lang blieb Calgrow stumm vor dem toten Körper stehen und wurde sich vollends über das klar, was sie soeben erlebt hatte. Urplötzlich fühlte sie sich sehr, sehr matt und müde.

Tief hinter ihre Waffen geduckt und im schnellen Schritt vorrückend glitten Kroods Kasrkin um die Ecke einer der gegenüberliegenden Gebäude.

Ihre HE-Laserwaffen knisterten energetische Stakkatos in eine Gruppe noch nicht sichtbarer Angreifer, fällten Grünhäute mit der Kraft und Präzision, die den Unterschied zwischen einem normalen Lasergewehr und einer Hochenergiewaffe ausmachte.

Ohne das mögliche Resultat ihres Feuerüberfalls zu prüfen, änderten die Männer im Schritt ihre Richtung und bewegten sich auf den Sanitätsvorposten zu.

Calgrow hatte noch nie erlebt, dass es drei imperialen Soldaten gelang, einen ganzen Straßenzug für sich so einzunehmen, dass es den Eindruck erweckte, als sei diese Straße gesperrt.

In ihrer Eigenschaft als Kommissarin hatte sie die Effektivität und Zielstrebigkeit der Kasrkin zu schätzen und zu bewundern gelernt. Später war sie auch dankbar gewesen, Elitetruppen um sich zu haben und ihre taktischen Fähigkeiten nutzen zu können.

Aber sich dem Können der Spezialeinheit unterlegen zu fühlen, ihnen einfach sprachlos zusehen zu müssen und zu wissen, dass selbst sie zu ihren besten Zeiten niemals ein derartiges Können besessen hatte, das war eine neue Erfahrung für die Regimentsärztin.

Mittlerweile, durch den Ruf des Sanitäters aufgeschreckt, hatten sich die improvisierten Stellungen um den Vorposten mit mehr oder weniger Versehrten gefüllt, die in dichten Trauben darauf warteten, die Orks mit einem Gewitter aus Laserstrahlen zu empfangen. Stattdessen blieb ihnen nur, das Näherkommen der Kasrkin mit demselben hilflosen Erstaunen zu verfolgen, in das auch Calgrow verfallen war.

Sich schnell um die Schutthaufen und Krater herumarbeitend, mit denen das Forum übersät war, rückten die Kasrkin in wechselnden Formationen auf die Basilika vor, bis sie schließlich das Bollwerk erreichten. Schnell und geschickt verteilten sie sich, gleich einer Staffel Thunderbolts, die nach einem erfolgreichen Erdkampfanflug auseinanderstoben. Jeder kannte seinen Platz und das Gebiet, das er zu beobachten hatte, so wie die Piloten der Senkrechtstarter wussten, wie ihre Manöverbereiche bei Schwarmangriffen gestaltet waren. Die Bewegung war so perfekt choreografiert und lautlos, dass sich ein einfacher Soldat für seine eigenen, unbeholfenen Bewegungen geschämt hätte und im Grunde fehlte lediglich das obligatorische Auswerfen von Täuschkörpern, um die elegante Bewegung ganz an die Flugmanöver der Kampfflugzeuge anzugleichen.

»Alles in Ordnung?«, fragte Krood die Ärztin und senkte die Pistole, während er ihr an die Schulter fasste. Calgrow, durch die Geste aus ihrer an Apathie grenzenden Starre aufgeschreckt, blickte den Kasrkin lediglich an. Es dauerte, bis sie seine Worte verarbeitet hatte und sich zu einem Nicken durchringen konnte.

»Das ist gut«, bemerkte der Sergeant, während seine beiden Eliteinfanteristen abgekniet die Umgebung durch ihre Zielvisiere im Blick behielten. »Die erste Verteidigungslinie ist gefallen. Colonel Ekko hat einen Rückzug in den zweiten Ring angeordnet.«

Captain Daun, inzwischen ebenfalls aus dem schützenden Körper der Basilika hervorgetreten, runzelte die Stirn. »Wir leiten also die Evakuierung ein?«

»Das ist korrekt«, bestätigte Krood die Vermutung des Ranghöheren. »Aufgrund der Entwicklung auf dem Gefechtsfeld gehe ich allerdings sehr stark davon aus, dass unser geplanter Rückweg inzwischen abgeschnitten ist. Wir sollten uns eine Alternative überlegen.«

Daun nickte. »Verstanden. Und wer wird uns unterstützen?«

Krood öffnete den Mund … und verschloss ihn unverrichteter Dinge wieder. Er wandte sich um, suchte Hilfe bei seinen beiden Elitesoldaten, die ihn aber ignorierten und sich stattdessen in urplötzlicher Konzentration versteiften.

»Kontakt«, meldete Tall mit beiläufiger Stimme und lehnte sich in seine Waffe. Cedd ließ sich galant zu Boden sinken und legte erneut an.

Beide Männer verharrten bewegungslos, während die drei anderen Imperialen ihrem Blick folgten.

Tief an die zertrümmerte Straße geduckt und jede Deckung nutzend, tauchte eine Gruppe Infanteristen zwischen den Gebäuden auf, verteilte jenseits des Forums und ging in Stellung. Welcher Einheit sie angehörten, ließ sich nicht Anhieb sagen, auch wenn klar zu erkennen war, dass es sich bei ihnen nicht um Orks handelte.

Eine Weile lang lagen sich die Elitesoldaten und Infanteristen gegenüber und beäugten den jeweils anderen durch das eigene Zielvisier.

»Sind unsere«, meldete Cedd.

»Jupp«, stimmte Tall zu. »Basteter.«

Dann sind es ganz sicher nicht ‚unsere†˜, dachte Calgrow.

Auf der Gegenseite erhob sich einer der Männer, trat einige Schritte aus dem Schutt heraus und begann dann †“ erst zaghaft, schließlich immer schneller und entschiedener †“ mit der freien Hand zu winken.

»Was macht er da?«, wollte Cedd wissen. »Wieso hampelt der so rum?«

Tall neben ihm rümpfte hörbar die Nase, obwohl sich sein gepanzerter Körper kein Stück bewegte. »Ja, definitiv Basteter. Glauben Sie, dass es uns jemand übel nimmt, wenn wir ihn durchlöchern?«

»Ja«, antworte eine starke, weibliche Stimme, deren Besitzerin neben Krood stand. »Ich.«

»Ich dachte immer, Sie begrüßen ein hohes Maß an Professionalität?«, gab sich der Elitegrenadier überrascht. »Immerhin waren Sie einst Kommissarin.«

»Das mag stimmen«, gab die Cadianerin zu. »Aber da drüben steht ein ganzer Zug. Und wenn die das Feuer erwidern, dann stehe ich mitten in der Schusslinie.«

Damit brach sie die Konzentration der Kasrkin. Eher unwillkürlich denn gewollt wandten sich Tall und Cedd um und richteten ihre verwirrten Blicke auf die Ärztin, um dann †“ wie zufällig †“ ihren Truppführer anzusehen.

Kroods Miene hingegen zeigte keine Regung, doch das Blitzen hinter seinen Augen verriet, was er in diesem Moment dachte. Er tat gut daran, es nicht auszusprechen.

Derweil geriet die andere Straßenseite in Bewegung, als sich die Infanteristen zum Sprung (oder besser Sturm) auf Calgrows Sanitätsvorposten sammelten.

Wie Insekten, die sich auf einem Feld niederließen, schwärmten die Männer um das Lazarett aus, während sich der Captain, seinen Funker im Schlepptau, zu Calgrow, Krood und Daun gesellte. »Doktor, Captain, Sergeant«, begrüßte er sie knapp.

»Captain Solmaar«, erwiderte Daun, auf dessen verbliebener Gesichtshälfte sich die dankbare Erleichterung dafür zeigte, dass ihm das Zepter der Führung endlich abgenommen wurde.

Der andere Offizier wirkte nicht ganz so glücklich. Man konnte es ihm nicht verdenken.

***

»Also gut«, entschied Solmaar, nachdem er sich die Lage hatte erklären lassen. »Ich habe nicht die Kräfte, um mich um jeden Verwundeten zu kümmern.«

»Ihre Kräfte brauche ich auch nicht«, gab die Ärztin zurück, ebenso der Diskussion überdrüssig wie er. »Es reicht mir, wenn Sie mir Ihre Leute zur Verfügung stellen.«

Seit nun knapp zehn Minuten waren der Captain und die Doktorin in eine Auseinandersetzung über die Frage verwickelt, ob und wie viele Soldaten Solmaar entbehren konnte, um Calgrows Lazarett zu räumen. Inzwischen war der Streit soweit ausgeartet, dass sogar Krood und seine Kasrkin Abstand von den beiden Diskutierenden genommen hatten. Und das nicht etwa, weil sie sich davor fürchteten, von den sich aneinander reibenden Gemütern zufällig zermahlen zu werden. Tatsächlich war es die Lautstärke, in der der Disput ausgefochten wurde, der sie zur regelrechten Flucht veranlasst hatte. Selbst durch den Gefechtslärm konnte man den Basteter und die Cadianerin gut genug verstehen, dass sich ein Mörsertrupp auf die beiden einschoss oder ein Kommando Boys urplötzlich um die Ecke stürmte, mit kochendem Blut in den Adern und vor Lust geifernd, noch mehr Gitz abschlachten zu können. Und in dem Moment wollten die Kasrkin weit genug von den Streitenden entfernt sein, um sich eine angemessene Reaktionszeit erhalten zu können. Dem Wortgefecht konnten sie auch aus Ferne wunderbar lauschen.

»Doktor«, erinnerte Solmaar sie, die Stimme vor unterdrückter Wut zitternd, »das hier ist kein MedEvac. Wir sind in einer Kampfzone.« Unter MedEvac, der medizinischen Evakuierung, bezeichnete man in der Imperialen Armee das großflächige Räumen (euphemistisch als ‚Klären†˜ tituliert) militärmedizinischer Einrichtungen, um die vorhandenen Kapazitäten für neue Verwundete freizumachen. »Und in dieser Kampfzone werde ich mir als kommandierender Offizier das Recht herausnehmen, Kampftruppen zum Kampf einzusetzen.« Das Wort ‚Kampf†˜ betonte er besonders.

Die Ärztin erwiderte den Blick ruhig, auch wenn in ihren Augen wilder Trotz funkelte. »Aber ist es nicht Ihr Auftrag, dieses Lazarett zu evakuieren?«, fragte sie zuckersüß. »Was wollen Sie, Captain? Blut lechzend Feinde abschlachten oder Ihren Auftrag erledigen?«

Sie standen wieder am Anfang. Mit genau diesen Worten hatte ihr Streitgespräch vor nicht allzu langer Zeit begonnen †“ und dem gesamten Argumentationsfaden hindurch erneut zu folgen, das wollte sich Solmaar nicht noch einmal antun. Also ließ er es dabei bewenden und winkte stattdessen einen seiner Untergebenen herbei, Sergeant Fehrn. Fehrn zu beschreiben wäre dem Versuch gleichgekommen, eine Explosion zu beschreiben. Denn anders als etwa Colonel Ekko, der alltags einem unglücklichen Backenhörnchen ähnelte, das auf eine Nuss mit Nitroglyzerinfüllung gebissen hatte, machte Fehrn tatsächlich den Eindruck, eine personifizierte Explosion zu sein. Er strahlte Kraft und Energie aus, ließ aber die versteckte kindliche Freude vermissen, mit der manch andere … »Explosion« zu Werke ging. Stattdessen wohnte ihm eine verborgene Gefährlichkeit inne, die sich durch seine dunklen, funkelnden Augen zu befreien versuchte.

»Ja, Sir?!«, fragte er mit ruhiger und dennoch fesselnder Stimme.

»Zugehört«, ordnete der Captain an, ohne seinen Untergebenen anfangs direkt zu adressieren. »Wer noch laufen kann, soll laufen. Alle, die gestützt werden müssen, sollen sich gegenseitig stützen. Wer getragen werden muss, soll getragen werden.« Er gestikulierte entschieden, ständig eine Hand lang am Abzug des in Pirschhaltung umgehängten Lasergewehrs. Irgendwann während der Schlacht hatte er seine Pistole in die Reserve verbannt und das deutlich kraftvollere Lasergewehr zu seiner Hauptwaffe gemacht. »Und sorgen Sie dafür, dass wir möglichst wenige von unseren Leuten dafür einsetzen. Ich will Reserven für den Fall, dass wir in ein Feuergefecht verwickelt werden.«

Die beiden Basteter sahen sich kurz an, tauschten einige letzte Gedanken aus, die man in diesem Moment nicht aussprach, dann brach ein kurzes »Verstanden«, aus dem Sergeant heraus und er rauschte von Dannen, zwei seiner Untergebenen im Schlepptau.

Calgrow, endlich wieder mit dem Gefühl vertraut, Herrin der Situation zu sein, nutzte ihre zurückerhaltene Macht, Solmaar auf ein Problem aufmerksam zu machen, das er in seiner Anweisung vergessen †“ oder zumindest missachtet zu haben schien. »Und was machen wir mit denen, die sich nicht bewegen können?«

Der Basteter bedachte sie mit einem Blick, aus dessen ablehnender Kälte bereits klare Worte sprachen. Für alle, die ihn jedoch nicht direkt ansahen oder den Ausdruck falsch deuteten, tat er seine Entscheidung dennoch laut kund. »Wir können sie nicht mitnehmen.«

»Ich werde sie nicht hier lassen«, wiegelte Calgrow entschieden ab, wenn auch zähneknirschend. Das Gefühl, Herrin über die Situation zu sein, entglitt ihr erneut.

Der Captain blieb unbeeindruckt. »Meine Kräfte werden nicht aufgeteilt, nur um ein paar Kranke mehr zu bewegen. Wer sichert den Transport dann?«, verlangte er zu wissen. Natürlich war die Frage rein rhetorisch.

Doch auch die Ärztin beharrte weiterhin auf ihrem Standpunkt. Der tiefere Sinn hinter ihren Worten ließ sich nicht sofort erkennen und so blieb den Soldaten nur zu mutmaßen, ob sie vielleicht lediglich aus dem Glauben widersprach, als Ärztin und Ex-Kommissarin Recht haben zu müssen. »Ich werde sie nicht den Orks überlassen. Eher gewähre ich ihnen die Gnade des Imperators.«

Sichtlich von der Erkenntnis genervt, dass sich die Evakuierung des für weitere Kampfoperationen wichtigen Lazaretts und seines Personals wegen der Beratungsresistenz der Regimentsärztin verzögerte †“ und das bereits zum wiederholten Male †“ spie Solmaar aus. »Thronverdammt †“ Sie sind genau wie Colonel Ekko.« Damit traf er einen bereits entzündeten Nerv.

»Nein! Colonel Ekko ist dumm!«, herrschte ihn die Ärztin an, wohl wissend, dass Soldaten aller Ranggruppen ihre Worte hörten. »Ich will nur nicht, dass man die Überlebenden gegen uns verwendet.«

»Aber das sind mindestens fünfzig Leute!«, brachte der Captain hervor. Seine eine Hand gestikulierte wild in Richtung des improvisierten Sanitätsvorpostens, während die andere nach wie vor am umgehängten Gewehr klebte.

Calgrow schwieg. An dieser Aussage gab es nichts zu rütteln. Tatsächlich konnte sie sechsundfünfzig ihrer Verwundeten nicht zu Fuß transportieren. Dreiundzwanzig ließen sich nicht einmal per Sanitätsfahrzeug oder Lastkraftfahrzeug bewegen. Sie mussten mit einer Walküre oder einer Vendetta verlegt werden †“ wenn man ihnen überhaupt eine Überlebenschance einräumen wollte.

Und da lag der Punkt, in dem sich Solmaar nicht wiederlegen ließ.

Es musste eine Entscheidung getroffen werden †“ eine schnelle, saubere Lösung, die weder die Räumung des Sanitätsvorpostens, noch die Verteidigung der Himmelskathedrale verzögerte oder gar gefährdete. Calgrow seufzte leise. In ihrer Zeit im Kommissariat hatte sie gelernt, erbarmungslos zu sein, sich leiten zu lassen von der Idee, Ihm zu dienen. Nun musste sie dieses Können abrufen und eine Entscheidung treffen.

Eine heftige Explosion, nicht weit entfernt, erschütterte die arkanen Gebäude. Regen aus abplatzendem Putz rieselte langsam zu Boden. Die Entscheidung fiel.

»Geben Sie mir die Waffe und ihre Ersatzmagazine.«

»Was?«, fragte Solmaar, von der gesprächstaktischen Flexibilität der Ärztin vollkommen auf dem falschen Fuß erwischt.

»Geben Sie mir die Pistole und die Ersatzmagazine. Ich werde es persönlich tun.«

»Das ist Munitionsverschwendung«, widersprach er, auch wenn sie fühlte, dass er es besser wusste.

»Blödsinn! Wir sitzen auf so viel von dem Scheißzeug, dass wir uns damit bis ins Sol-System blasen könnten. Wofür sollten wir sparen?«, erinnerte nun sie ihn an das Offensichtliche. »Für die Orks?«

Er antwortete nicht.

»Sie wissen, wie das hier enden wird. Also ersparen Sie mir Ihr plötzlich aufgetautes Herz. Sie wollen die Männer nicht mitnehmen, ich werde sie nicht hierlassen. Das hier ist die einzige Möglichkeit, mit der wir beide zu einer einigermaßen zufriedenstellenden Lösung finden.«

Die Augen hasserfüllt auf die Ärztin gerichtet †“ immerhin hatte sie Recht und ihm damit den Spiegel vorgehalten †“ riss Solmaar seine Laserpistole aus dem Holster an seiner Koppel und bewarf Calgrow mehr damit, als dass er sie ihr reichte. Drei Magazine folgten. »Ich werde niemanden meiner Männer abstellen, Ihnen zu helfen«, machte er deutlich. »Das ist nicht unsere Aufgabe.«

Calgrow schwieg, doch dem Blick nach zu urteilen, mit dem sie ihn antwortete, hätte er die Pistole lieber im Holster behalten.

Krood trat vor. »Ich helfe Ihnen«, bot er sich an.

Überrascht starrte Calgrow ihn an.

Solmaar seinerseits warf jedem von ihnen einen kurzen Blick zu. Schließlich gab er nach und nickte sie gutheißend fort. »In Ordnung. Beeilen Sie sich.«

Mit einer eleganten Bewegung ließ Calgrow das Magazin aus der Halterung der Pistole fallen, kontrollierte den Ladezustand und setzte das Energiereservoir dann wieder ein. Die Waffe seufzte leise, als sie neu geladen wurde.

»Ich brauche maximal zwanzig Minuten«, versprach sie.

»Korrekt«, erwiderte der Captain. Es klang wie ein Befehl.

Und weder Calgrow, noch Krood zögerten seine Ausführung heraus.

Am Ende brauchten sie wirklich fast zwanzig Minuten.

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So, jetzt finde ich auch mal Zeit mehr als nur per "Danke" zu kommentieren.

grad das ende ist harter Tobak. Auch ist wieder schön zu sehen, das (fast) alle Orks fälschlich für Dumm halten. Go Kommandoz^^.

Hat lang gedauert, hat sich aber gelohnt.

Grüße

Avalus

Meine bunten Allgemeinprojekte: Avalus Armeen II (aktuell), Avalus Armeen I (Geschlossen)

Spezifische Armeeprojekte: Imperiale Armee Schnelle EingreiftruppeProjekt 500: Orks (Doch nicht im Warp Verschollen)

 

Beste Beschreibung meines Malstils:

"Einen Avalus bauen: Ein Modell kaufen und jede Farbe aus dem Mega-Paintset mal dran ausprobieren, 95% davon fuers Base." Garthor

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Na ja, mir wurde ja schon öfter vorgeworfen, ich sei nicht "hart" genug in der Geschichte für dieses "böse", "böse" Zeitalter.

Ich fand die Situation passend, den Ton mal zu verschärfen. Und mit Calgrow als Badass-Ex-Kommissarin und ihrem neuen Handlanger Krood ließ sich das gut bewerkstelligen. Auch der Tod von Prish, der ja in der Mitte neben Solmaar und Balgor recht stark aufgetreten ist, lässt sich der Ton der allmählichen Auflösung anschlagen.

Ich bemühe mich, die Story dieses Mal nicht so lange auf Eis zu legen.

Schön, dass es dir gefallen hat und danke, du trotz der langen Wartezeit treu geblieben bist (gilt für euch alle, die noch mitlesen :-D)

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Hallo, liebe Stargazer-Leser. Wieder einmal ist ein neues Kapitel fertig und bereit, sich euch zu präsentieren.

Wie immer gilt der Dank Nakago für die Fluffkontrolle. Und euch wünsche ich viel Spaß beim Lesen ;-D

Eure Sista

37

Das Feuergefecht in der Ferne intensivierte sich abermals. Inzwischen war selbst das zuvor noch deutlich vernehmbare Brüllen und Schreien der Infanteristen von dem mannigfaltigen Waffenlärm verschluckt worden.

Die Front entfernte sich schnell.

Captain Solmaars hochaufragende Gestalt verfolgte das, was Colonel Ekko ihm über Funk todernst als »Exodus der Versehrten« und »Reise ins gelobte Land der inneren Festung« beschrieben hatte: eine lange Schlange aus Infanteristen, Zivilisten und Verletzten die aus dem Lazarett strömte, zu beiden Seiten durch einem dünnen Schild aus imperialen Soldaten gesichert.

Das vordere Ende der Gruppe, dort, wo Kroods Kasrkin schweigend die Führung übernommen hatten und als Fernspäher für die ihnen nachfolgenden Imperialen agierten, war bereits nicht mehr sichtbar †“ sofern hier von einer Gruppe die Rede sein konnte. ‚Invalidentross†˜ wäre in diesem Fall wohl die richtigere Bezeichnung gewesen.

Solmaar war sich sicher: hätte er von Anfang an gewusst, um was genau es sich bei Ekkos geheimnisvollen Vorhaben handelte, er wäre umgehend aufgesprungen und hätte sich von dem nächstbesten Ork, der ihm über den Weg lief, den Schädel spalten lassen.

Und irgendwie keimte in ihm der Verdacht, dass Colonel Ekkos sich dessen bewusst gewesen war.

Aber das machte im Augenblick auch keinen Unterschied. Der Regimentskommandeur hatte ihm einen Auftrag gegeben †“ und Solmaar gehörte zu dem Schlag von Offizieren, die einen Auftrag nach bestem Wissen und Gewissen ausführten, egal für wie dämlich sie ihn auch halten mochten.

Lediglich die Erkenntnis, dass mehr als eine halbe Hundertschaft seiner Kameraden gerade in den Tod ging, nur weil irgendjemand es verträumt hatte, den Sanitätsposten rechtzeitig zu evakuieren, nagte an ihm wie ein valhallanischer Bluthund an seinem Knochen.

Wer dafür verantwortlich war, das wusste er nicht und im Grunde war es auch nicht wichtig. Selbst, wenn sich ein Schuldiger finden würde, was stark bezweifelt werden konnte, so brachte das die Toten auch nicht wieder zurück. Vermutlich konnte man die ganze Situation als eine unglückliche Fügung in der Hitze der Schlacht bezeichnen; einen Moment, in dem der Imperator gerade nicht hingesehen hatte.

Doch das schmälerte seine Wut auf Doktor Calgrow, die der Grund für dieses Desaster war und Colonel Ekko, der all das zugelassen hatte, kein bisschen.

Dass Doktor Calgrow den Wert des Lebens nicht verstand, konnte man ihr nicht verdenken. Als Cadianerin, Bewohnerin einer Welt, die als Frontbastion dem Strudel des Erzfeindes entgegenstand, und die ihre Ressourcen in gewaltigen Massen in Richtung des Gegners warf, war ihr ein anderer Gedankengang vermutlich nicht einmal geläufig. Die Front befand sich dort, wo der Mensch stand †“ und der Lebensraum des Menschen war die Front.

Ekko hingegen … Ekko als Basteter hätte den Grundsatz nicht vergessen dürfen, dass Menschen dieselbe wertvolle Ressource waren wie jede Waffe, die vom Imperium genutzt wurde. Vor allem, da er Basteter war.

Wer verletzt wurde, blieb nicht zurück und wer starb, wurde nicht vergessen. Diese Prinzipien, vom Armeeoberkommando Bastets mit stillschweigender Billigung der Imperialen Armee und des Departmento Munitorium in Form verschiedenster Weisungen ausgegeben, wurden von jedem militärischen Führer respektiert und befolgt. Bisher hatte Solmaar geglaubt, auch Ekko würde diesen Regeln folgen. Und trotz der Eskapaden des Vorgesetzten klammerte er sich an diese Auffassung. Immerhin hatte der Colonel bisher alles dafür getan, seinen Männern die bestmöglichen Chancen auf ein Überleben zu sichern.

Aber nach einem Blick auf das trostlose Drama, das sich vor seinen Augen entspannt, reiften allmählich Zweifel in ihm.

Ekko war nicht nur soweit gegangen zuzulassen, dass Calgrow sich und die ihr anvertrauten Leben in tödliche Gefahr brachte, genauso wie das restliche Regiment, das ohne seine Chefärztin deutlich weniger Überlebensfähigkeit aufweisen würde. Nein, er hatte auch noch Truppen abgestellt, um seinen Fehler zu korrigieren und diese somit ebenfalls einem unkalkulierbaren Risiko ausgesetzt, das sicherlich kein anderer militärischer Führer eingehen würde.

Wie sollte man einem Regimentskommandeur trauen, der die grundlegenden Codizes der eigenen Armee außer Acht ließ?

Diese Frage zu beantworten, wühlte sich wie ein vordringlicher Wunsch durch Solmaars Gehirnwindungen, auch wenn er wusste, dass es weder Sinn ergab, sich jetzt damit zu beschäftigen, noch er irgendwelche geistigen Ressourcen freihalten konnte, die wie eine wütende Walküre um das Thema kreisten.

Es war nur …

»Feindkontakt!«, schrie jemand. Ein schwerer Bolter donnerte los.

Solmaar fuhr herum.

Nicht weit entfernt warfen sich Infanteristen zu Boden und begannen, ein Gebäude zu beschießen, das jenseits des Forums platziert lag, während Zivilisten und Versehrte sich eilends bemühten, aus dem unmittelbaren Bereich und die Kämpfenden zu gelangen. Trotz des plötzlich aufbrandenden Gefechtslärms blieben sie dabei erstaunlich ruhig.

»Neev!«, bellte der Captain, sich nach einem seiner Untergebenen umsehend.

Sergeant Neev, Truppführer des dritten Trupps, glitt knapp über den Boden hinweg und kam bei seinem Vorgesetzten zum Halten. »Sir?«

»Was, beim Thron, soll das?!«, verlangte Solmaar zu wissen.

»Orks, Sir«, erklärte der Unteroffizier eilig. »Ein ganzer Stoßtrupp an der Gebäudeflanke.« Er wies auf das Haus, das von den Soldaten unter Beschuss genommen wurde. »Wir waren nicht sicher, ob sie uns bemerkt haben.«

»Na ja, selbst wenn nicht, dann haben sie uns spätestens jetzt bemerkt.« Solmaar wirbelte herum. Eile war geboten.

»Fehrn«, winkte er einen anderen Sergeant heran.

»Sir?«

»Erster Trupp an die Spitze.«

»Ja, Sir.«

Der Captain adressierte Neev erneut. »Dritter und vierter Trupp bilden die Nachhut. Nehmen Sie das Gefecht auf und geben Sie uns Rückendeckung. Dann folgen Sie uns.«

»Verstanden, Captain.«

Ein erneuter Warnruf schallte über das Forum. »Da kommen noch mehr!«

Solmaar und seine Unteroffiziere fuhren herum.

Jetzt waren sie deutlich zu erkennen: Orks †“ soweit sichtbar Ballaboys und Moschaz, sprossen aus den Trümmerfeldern und Gebäuden jenseits des Forums, wie zuvor Solmaars Infanteristen bereit zum Sturm auf den Lazarettvorposten.

»Na, dann los!«, rief der Captain den Unteroffizieren zu und erhob sich. Er winkte seinen Funker herbei, während die Sergeants im Laufschritt zu ihren Einheiten zurückkehrten.

»0072 Azrael, hier 5120301 †“ unter Beschuss am Objekt! Operation weitestgehend erfüllt! Wir werden versuchen, jetzt auszuweichen!«, meldete Solmaar der Kommandozentrale, während sich seine Truppen das Gefecht aufnahmen.

»0072 Azrael verstanden! Viel Erfolg

Mehr gab es nicht zu sagen.

Solmaar reicht das Handgerät an den Funker zurück und sah sich um. Der Strom aus dem Sanitätsvorposten war zwischenzeitlich verebbt.

Gerade trat Calgrow aus dem Eingang der Basilika. Krood folgte ihr. Während die Ärztin sich umsah, ging der Kasrkin sofort in Schnellschusshaltung und begann, die Umgebung der Bedrohungslage nach zu sondieren.

»Doktor!«, rief Solmaar und winkte die Ärztin herbei.

Den Kasrkin-Sergeant im Schlepptau, eilte sie geduckt an die Seite des Captains.

»Sind alle raus?!«, verlangte er zu wissen. Vor ihnen setzten weitere Soldaten in das Schießen ein.

»Ja«, erwiderte die Cadianerin. »Zumindest alle, die rauskommen sollten.«

Der Basteter zögerte kurz. In seinem Blick spiegelte sich die Verachtung, die er in diesem Moment empfand. Aber wie jeder gute Offizier wusste Solmaar, welche Prioritäten zu welchem Zeitpunkt zu setzen waren. Und der Hexenkessel, der gerade in seinem Innersten rumorte, konnte auch an einem anderen Tag zur Explosion gebracht werden.

Eine heranjaulende Mörsergranate bestätigte seine Auffassung. Mit einem trockenen Knall platzte das altehrwürdige Dach der Basilika auf. Trümmerstücke und zerfetztes Baumaterial wirbelten durch die Luft davon.

»Los!«, schrie Solmaar Calgrow an und deutete so ruckartig über die Schulter, dass er sich mit der Bewegung den Daumen in den Schädel hätte treiben können. »Abmarsch!«

Dann adressierte er seinen Funker, während Krood die plötzlich sprachlose Frau packte und sie hinter sich her in Richtung der abgerückten Kolonne zog. »Winn! Auf geht†™s!«

Der junge Corporal nickte und sprang auf.

Solmaar wandte sich um, den Kopf voller Gedanken über ihre bevorstehende Flucht. Es gab viele Dinge zu bedenken und noch mehr im Blick zu behalten. Ekko hatte ihm per Funk eine alternative Rückzugsroute skizziert, aber die handgezeichneten Notizen auf der Karte, die er bei sich trug, gaben diese Informationen nur ungenügend wieder. Solmaar war sich bisher noch nicht ganz sicher, wo das Problem lag, aber wenn man ihn nach seiner ehrlichen Meinung gefragt hätte, er hätte sich unzureichend beraten gefühlt.

Doch diese Sorge lag in seiner inzwischen sehr langen Liste von Problemen auf Platz fünftausendsiebenhundertachtunddreißig. Er hingegen war erst bei Nummer vier.

»Thronverdammt!«, brach es ihm heraus. »Wo kommen Sie denn her?«

Problem Nummer fünf, betitelt als ‚alte Ekklesiarchin†˜, stand vor ihm und betrachtete ihn aus hellgrauen Augen. Entschlossenheit stand in ihrem von der Zeit gezeichneten Gesicht.

Vor ihrer Brust prangte, an einer schweren Kette hängend, eine Insignie des Ministorums.

Das Abzeichen, eine stilisierte gotische Säule, flankiert von zwei Engelsflügeln und mit einem Totenkopf in der Mitte, befand sich in einer festen Umklammerung ihrer blassen Hand. Fast so, als würde sie es im nächsten Augenblick von ihrem Hals reißen und damit einen Dämon austreiben wollen, der an Solmaars Seele nagte. Vermutlich hätte sie sich bei diesem Versuch eher den Kopf von ihrem dünnen Hals getrennt.

In ihrer anderen Hand ruhte ein ekklesiarchisches Signum. Bestehend aus einem langen, reich verzierten Stab, auf dessen Spitze eine imperiale Säule thronte, wies diese Pontifikale, Ferula Imperialis genannt, die alte Frau als Astralis, Kardinälin einer fremdweltliche Diözese, aus.

Tatsächlich wollte es Solmaar aber so vorkommen, als seien nicht nur ihre sakralen Erkennungszeichen, sondern auch ihr Rang viel zu groß und zu schwer, als dass die alte Frau sie noch länger hätte tragen können.

Und dennoch - dass sie einem Orden des Adeptus Sororitas entstammte, stand mittlerweile außer Frage. Sie besaß, genau wie Prioris Leitis Sile, das einzigartige Talent, lautlos dort aufzutauchen, wo sie keiner erwartete und dabei eine Entschlossenheit und Hingabe auszustrahlen, dass selbst ein Hüne wie Soldat Melbin vor ihr zurückgewichen wäre.

»Ich bin gekommen, um zu helfen«, erklärte sie mit ruhiger, und dennoch kräftiger Stimme.

»Ehrenwerte Mutter †“ Sie wissen schon, dass dies eine Kampfzone ist?«, versuchte er ihr klar zu machen. Aus einem nicht definierbaren Grund kam er sich dabei wie ein Progena vor.

»Es ist meine Aufgabe, den Feinden der Menschheit die Stirn zu bieten«, erwiderte sie lediglich, bevor sie ihn stehen ließ und gemessenen Schrittes in Richtung der Orks marschierte.

Solmaar seufzte unglücklich. Ihre Entscheidung stand fest. Und gegen den Glauben, mit dem sie zu Werke schritt, konnte er mit seinem militärischen Verständnis nicht bestehen.

Blieb lediglich die Frage zu klären, wie man das Kommende den Überlebenden erklären wollte †“ sollten sie denn lange genug leben, um vom Tode der Pontifice Urba zu erfahren.

»Möge der Imperator Ihrer Seele gnädig sein«, flüsterte der Basteter, bevor er seine Konzentration auf die verbliebenen Infanteristen richtete. »Also gut! Wir rücken ab!«, rang seine Stimme mit dem durchdringenden Waffenfeuer.

In einem fließenden Ablauf von antrainierten Prozessen, gleich einer detailliert durchgeplanten Zeremonie, erhoben sich die Infanteristen einer nach dem anderen und setzten einige Meter zurück, um dann wieder damit zu beginnen, auf die erkannten Ziele zu feuern.

Dieses wechselnde Schießen und Laufen †“ häretischer Weise als Königsdisziplin der Imperialen Armee bezeichnet †“ ermöglichte es ihnen, auch im Rückzug eine gewisse Feuerüberlegenheit aufrecht zu erhalten. Offiziell betitelte man diese Art des taktischen Rückzugs als ‚Ausweichen†˜. Als wenn eine derart bürokratische Benennung den Soldaten in diesem Moment geholfen hätte.

Solmaar voran, löste sich die Nachhut auf diese Weise vom Forum und verschwand zwischen den hochaufragenden Gebäuden.

Lediglich ein Waffenteam, ausgerüstet mit einem schweren Bolter und drei weitere Infanteristen zu deren Sicherung, blieben zurück, um den Gegner ein wenig länger zu beschäftigen und möglicherweise wertvolle Sekunden für die Fliehenden zu erkämpfen.

Aber das war gar nicht notwendig. Die Ekklesiarchin beschäftigte die Orks selbst lange genug.

Mit festem und entschlossenem Schritt trat sie den angreifenden Grünhäuten entgegen.

Wütendes Brüllen klang an. Fast wie eine Aufforderung, die ‚Git†˜ in papierfetzengroße Stücke zu zerreißen.

Doch davon ließ sich die Alte nicht beeindrucken. Mit überraschend starker Stimme brüllte sie den Erzfeinden eine Provokation entgegen. Eine Aufforderung zum Duell.

Und damit wurde sie für die Orks weitaus interessanter als jede Division, mit der die imperiale Armee jemals auf den Feind zugestürmt wäre.

Die Soldaten beobachteten etwas, das sie ihr restliches Leben nie mehr vergessen würden.

In beeindruckend kurzer Zeit staute sich eine Mauer aus grünen Körpern auf, formiert im Halbkreis um die imperiale Priesterin.

Sie blieb ruhig stehen und wartete auf ihren ersten Gegner.

Dieser schälte sich recht bald aus der Menge der Xenos: ein Boy, nicht größer als ein Spind der Imperialen Armee, Standardmodell, aber dennoch bei weitem massiver als die gebeugte Frau, mit der er nun kämpfen sollte.

Der Boy ließ seine Nahkampfwaffe, eine unförmig geschnitzte Keule, durch die Luft schwingen, um der Git-Braut zu zeigen, auf welche Weise sie gleich zu Tode kommen würde.

Sie blieb unbeeindruckt.

Wütend, dass seine Demonstration die Herausforderin offensichtlich kalt ließ, grunzte und heulte der Angreifer, forderte sie auf, nun ihr Können zu demonstrieren.

Sie kam dem gerne nach.

Mit einem Schrei der Wut, der den Soldaten das Blut in den Adern gefrieren ließ, wirbelte die Ekklesiarchin um die eigene Achse und rammte, von ihrem Schwung getrieben, den Fuß der Ferula zielgenau in den kräftigen Hals des Boys.

Urplötzlich erstarb das Grölen der umstehenden Grünhäute, während das soeben gepfählte Xenos langsam und mit quiekenden Lauten zu Boden sank.

Verwirrung und Überraschung griffen um sich, während die Ekklesiarchin das Signum aus dem Rumpf des getöteten Feindes zog.

Sie musste dafür sogar einen ihrer Füße auf seinen Leib stellen.

»Und?«, gellte ihre Stimme über das Forum, untermalt vom Krachen der fernen Schlacht. »Wer will jetzt?«

Ein anderer Boy, deutlich größer als der erste, preschte aus der Menge hervor, eine mächtige, mit Totenschädeln verzierte Axt in den fleischigen Pranken. Vor Wut brüllend stürzte er sich auf die alte Frau, die es kaum schaffte, schnell genug herumzukommen, um den Angriff in ihre Flanke zu parieren. Geräuschvoll prallten Ferula und Axt aufeinander.

»Der Imperator beschützt«, flüsterte der Ladeschütze des Bolterteams. »Die wird vollkommen zerfetzt.«

»Klar machen zum Schuss«; ordnete der Bolterschütze an.

Gefangen im tödlichen Nahkampf duckte sich die Ekklesiarchin unter der erneut in ihre Richtung schwingenden Axt hindurch und nutzte die Behäbigkeit des Angreifers, um ihm mit der Ferula in das stinkende Fleisch zu stechen.

Der Bolterschütze riss den Spannschieber seiner Waffe zurück, bereit, im Falle des unglücklichen Verlebens der Astralis sofort das Feuer auf die Ansammlung von Grünhäuten zu eröffnen. Die restlichen Soldaten hoben ihre Lasergewehre.

Der Ork jaulte und fuhr herum. Dabei hob er die noch immer an ihr Signum geklammerte Frau vom Boden und schleuderte sie durch die Luft. Die Kardinälin rutschte vom Griff der heiligen Reiquie und segelte davon, bevor sie mit einem dumpfen Geräusch nicht weit entfernt auf den Boden schlug. Die restlichen Grünhäute brüllten, hocherfreut über das Spektakel.

Schwerfällig torkelnd zog das nichtmenschliche Ungetüm fest an dem in seinem Körper steckende Fremdkörper, bis es ihm schließlich gelang, diesen aus seinem Fleisch zu entfernen.

Dann wandte er sich seiner Gegnerin zu und stapfte in ihre Richtung, die Axt fest in der rechten Faust und vor Schmerzen grunzend. Kaum zu einer Bewegung fähig und sicherlich nicht in der Lage, seine nächste Attacke zu parieren, griff sie unter ihre Robe, um dort nach ihrer Insignie zu suchen. Ein letztes Gebet vor dem nahen Tode.

Schließlich erreichte der Xeno die auf dem Boden liegende Frau und stellte sich über sie, starrte ihr in die Augen. Sein Opfer sollte sich bewusst sein, mit wem es sich angelegt hatte und wer nun sein Ende sein würde.

Er beugte sich sogar ein wenig vor, während er die Axt hob. Es wollte einem vorkommen, als plante er, der den Schädel zu spalten, um dann nachzusehen, ob sie sich seine Fratze auch wirklich gemerkt hatte.

Doch soweit kam es nicht. Urplötzlich schnellte die Ekklesiarchin in die Höhe, rammte ihrem Feind die geballte Faust in den Magen. Für einen kurzen Moment blieb die Zeit stehen.

Der Ork erstarrte, dann kippte er zur Seite.

Erneut brüllten die Grünhäute auf, dieses Mal jedoch aus Wut über den Tod ihres Kameraden.

Langsam, fast zögerlich, erhob sich die Imperiale. So, als würde sie aus dem Boden wachsen, gleich einer einmal niedergetretenen Blume, gefangen in einem nicht enden wollenden Todeskampf.

In ihrer rechten Hand ruhte eine Sarissa, ein reich verziertes Kettenbajonett des Adeptus Sororitas. Auf die Entfernung konnte man nicht viel erkennen, dennoch ließ sich ausmachen, dass es sich um eine Sonderanfertigung zu handeln schien. Eine Reliquie, mit der man eine Schwester verabschiedete, wenn sie ihren Dienst in den Reihen der Kampftruppen lebend quittierte †“ eine der Seltenheit angemessene Rarität und sicherlich sehr wertvoll. Nun allerdings tropfte dickes Blut von Klinge, beschmutzte den geweihten Stahl mit seiner Unreinheit.

»Das ist alles?«, hallte ihre Stimme erneut über das Forum. Verhöhnend. Provozierend. »Mehr habt ihr einer alten Dienerin des Imperiums nicht entgegenzusetzen?«

Sie hatten. Ob es Ziel der Ekklesiarchin gewesen war, nun endgültig in Grund und Boden gestampft zu werden, das ließ sich im Nachhinein nicht mehr klären. Fakt jedoch war, dass sich nun ein drei Meter großer Ork aus dem Mob der Umstehenden manifestierte. Mit wuchtigen Schritten, von denen jeder einzelne die Vertreterin des Ministorums zu erschüttern schien, baute er sich schließlich vor der Frau auf, die ihm nicht einmal bis zur Hüfte reichte. Und wäre das nicht schon einschüchternd genug gewesen, trug die zerrissene Darstellung eines unmenschlichen Lebens überdies in seiner rechten Hand auch noch einen Hammer, dessen Kopf von der Größe her dem Oberkörper eines gewöhnlichen Infanteristen entsprach, während seine Länge einen hochgewachsenen Menschen übertraf.

Der Ork, höchstwahrscheinlich der ‚Boss†˜ des Mobs, starrte die alte Frau lediglich an, während seine Kameraden brüllten und fauchten.

Das Thema ‚faltige Git-Braut†˜ wurde nun Chefsache.

Unbeeindruckt hob sein Gegenüber ihre Insignien und hielt sie ihm entgegen. »Weiche von mir, du grünhäutige Bestie! Stirb!«

Die Xenos, vollkommen überrascht von der Dreistigkeit und dem Wagemut der Menschenfrau, verstummten urplötzlich. Lange Zeit galoppierte die Stille mit dröhnenden Hufen über das Forum, während sich die beiden Kontrahenten gegenüberstanden. Eine gegen mehrere Dutzend. Die Chancen schienen ausgeglichen.

Es mochte sein, dass der Imperator beschützte, aber wie es schien, war sein Blick gerade an einem anderen Ort gebannt.

Wieder stieß die Frau ihr Kultsiegel und die Sarissa in Richtung des Angreifers. »Weiche!«, sprach sie mit beschwörender Stimme.

Der Ork-Boss wich nicht zurück. Im Gegenteil. Er machte einen Schritt auf die Vertreterin des Ministorums zu †“ und jeder, der ein wenig Ahnung von Xenos besaß, wusste, dass er nicht dem imperialen Glauben beitreten wollte.

Die am Rande des Forums verbliebenen Infanteristen hielten den Atem an, als der Ork langsam seine Nahkampfwaffe hob … und zögerte.

Konnte es wirklich sein? Vollbrachte die Ekklesiarchin das Wunder, auf das niemand zu hoffen gewagt hatte?

Das Zögern währte nur kurz. Tatsächlich zündete der Ork-Boss während dieser Zeit zwei kleine Düsen, die an seinem Hammer befestigt waren, und die als ‚Gimmeck†˜ die Schlagkraft der Waffe erhöhten.

Mit ungeheurer Geschwindigkeit ging der Hammer nieder, traf die Pontifice Urba und schmetterte sie mit brachialer Gewalt zu Boden. Knochen zersplitterten wie explodierender Beton, Fleisch zerfetzte mit der Gewalt platzender Pestbeulen, Haut riss mit dem Geräusch einer gewaltsam geöffneten Pappschachtel.

Eine Viertelsekunde später zündete der Sprengstoffgürtel, den sie unter ihrer Kleidung trug.

***

»Gnaaar!«, grunzte Captain Balgor, als er um eine Ecke sprinten wollte, dabei auf einem schmierigen Film ausrutschte und hinschlug.

Der stählerne Rumpf eines Salamander-Aufklärungspanzers röhrte an ihm vorbei, gefolgt von einigen Infanteristen, die sich in wilder Flucht befanden.

Schwerfällig richtete sich der Captain auf und versuchte, wieder auf die Beine zu kommen. Er fasste in etwas Klebriges.

Es war Blut.

Eilig sah der Basteter an sich herunter. Hatte es ihn etwa erwischt? War er getroffen worden und hatte es nur nicht gemerkt?

Nein. Auf den ersten Blick fand er keine Spuren an sich, die darauf hindeuteten, dass er …

»Captain!« Als hätte er Balgor gerade sterben sehen, sprang Jelard auf, um zu seinem Vorgesetzten zu rennen. Dabei missachtete er wohlwollend, dass dieser sich auf der anderen Straßenseite befand und er die Hauptrückzugsroute der imperialen Panzerfahrzeuge überqueren musste, um zu ihm zu gelangen.

Balgor musste hilflos mit ansehen, wie der junge Funker plötzlich und überhastet abbremste, dann war er bereits verschwunden. Der Rumpf einer Chimäre dröhnte durch sein Sichtfeld, rasselte mit wild drehenden Ketten die ansteigende Straße empor.

»Thronverdammt, Jelard«, brachte Balgor hervor. In seinem Herz zerbrach etwas. War der Gottimperator wirklich zu derartig grausamem Humor fähig? Ließ er den jüngeren Mann wirklich sterben, weil er aus Sorge einmal unachtsam gewesen war?

Jelard war nicht nur ein Untergebener gewesen, sondern so etwas wie ein entfernter Vertrauter. Ein Freund. Ein Teil der Familie, die der Mikrokosmos eines imperialen Infanteriezugs bildete.

Und das war jetzt vorbei? Ganz plötzlich?

Er konnte bereits eine ganze Liste von Kameraden aufzählen, die er hatte sterben sehen. Jelard war einer von ihnen. Prish ein anderer. Das hatte nichts mehr mit Krieg zu tun. Es war ein Abschlachten, in dem die Reste einer geschlagenen Armee einem Insekt glichen, das man totschlug, einfach weil man es konnte.

Ein weiterer Zug Infanteristen sprintete vorbei. Mit lauten Rufen, die von den umliegenden Gebäuden wiederhallten, trieben sich die Männer gegenseitig zu noch höheren Leistungen in der Königsdisziplin der Imperialen Armee an. Es fiel ihnen nicht mal auf, dass einer ihrer Vorgesetzten nur einige Meter entfernt an eine Hauswand gelehnt saß. Für sie war er inzwischen auch nur noch ein Soldat, den die Ereignisse überrollt hatten.

Balgor sah ihnen nach. Ganz allmählich trübte sich sein Blick.

Das war nicht fair. Aber wer hatte behauptet, dass das Leben fair war?

Irgendwas bewegte sich in seinem Augenwinkel, eilte schnell auf ihn zu.

»Ich bin schon hier«, hörte er eine vorsichtige, fast beschwichtigende Stimme, die allerdings viel zu aufgeregt war, als dass sie irgendwen beschwichtigt hätte. Jemand ließ sich an seiner Seite nieder. Das scharfe Geräusch eines Metallkörpers, der auf Stein trifft, erklang. Kurz darauf wühlte etwas an seiner Hose. »Halten Sie durch, Captain!«

»Jelard«, murmelte Balgor, gleichermaßen entnervt und glücklich. »Was machen Sie da?«

Die Bewegungen hörten auf. Stattdessen seufzte jemand erleichtert.

»Captain!«, entwich es dem Funker. »Ich bin so froh, dass Ihnen nichts passiert ist.«

»Ja †“ aber wenn Sie noch so einen Stunt versuchen, dann wird was passieren, seinen Sie sich dessen sicher.« Erleichtert wischte sich der Captain über die Augen. Immerhin war Jelard nach wie vor ein Untergebener, der nicht sehen brauchte, wie sein Vorgesetzter Tränen vergoss. Vor allem nicht, wenn es seinetwegen war.

»Captain, Sie sehen aus, als wenn Sie gerade …«, begann Jelard, wurde aber sofort von Balgor unterbrochen.

»Mir ist nur kurz die Luft weggeblieben«, erklärte der dunkelhaarige Basteter dem besorgten Soldaten und rang sich ein müdes Lächeln ab. »Wie läuft der Rückzug?«

»Chaotisch, Sir. Ich glaube, uns geht allmählich der Überblick verloren.«

Balgor nickte verstehend. »Das ist nicht gut«, erkannte er die Situation vollkommen richtig und sah auf.

Nur einen Häuserblock weiter erhob sich die mächtige Mauer des ersten Rings weit über die mehrstöckigen Gebäude, betrachtete die ihr gebotene Szenerie mit dem allessehenden Blick einer göttlichen Manifestation.

Doch die Entfernung, in menschlichen Maßstäben nicht mehr als der galaxisweit bekannte ‚Katzensprung†˜, erschien dem Basteter, als benötige er ein Menschenleben, um sie zu überbrücken. Und nach all der Belastung, der sie ausgesetzt worden waren, versagten seine Beine den Dienst. Sie schafften es einfach nicht, ihn in die Höhe zu wuchten und den ersten Schritt in Richtung des rettenden Gemäuers zu wagen.

In dem verzweifelten Versuch, trotzdem etwas zu tun, hob er stattdessen seine in Blut gebadete Hand und hielt sie sich ans Gesicht.

Er roch kurz daran, nur um angewidert zurückzuzucken.

Ja, definitiv menschliches Blut.

Krieg war die Hölle. Zumindest stank er so.

Aber was hatte die blutige Pfütze verursacht, in die er sich gesetzt hatte … wollte man seine wenig elegante Landung denn als ‚Setzen†˜ bezeichnen?

Erst jetzt ging ihm auf, dass er nicht in eine blutige Pfütze gefasst hatte, sondern den zerschmetterten Leib eines Infanteristen, der hier einen wenig ruhmreichen Tod gestorben war.

Was genau den Mann derart zugerichtet hatte, dass sein Innerstes nach außen gekehrt auf dem Bürgersteig residierte, ließ sich inzwischen nicht mehr feststellen. In der Hitze eines Tages auf Agos Virgil hatten die Überreste inzwischen ein interessantes Eigenleben entwickelt, das vermutlich sogar zu einem philosophischen Gespräch mit dem Basteter in der Lage gewesen wäre †“ hätte es denn einen Mund besessen.

Schwere Schritte trommelten näher.

Aus einer Seitengasse, nur ungefähr dem Strom der zurückweichenden Armee folgend, tauchte Corporal Rebis mit seinem Trupp auf †“ beziehungsweise dem, was davon noch übrig war.

Rebis, das zerschundene Gesicht mit dicken Schichten aus Staub und Blut verkrustet, führte eine Formation aus nur noch fünf Männern an, zu denen er selbst zählte; außerdem Itias, Rahael, Gorak und Melbin.

Ihnen allen war die Erschöpfung anzusehen, und Itias und Rahaels Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hätten sie im Grunde auf der Stelle umfallen und einschlafen können. Sie trauten sich nur nicht, höchstwahrscheinlich aus Furcht, Captain Retexer tauche plötzlich hinter ihnen auf.

Lediglich Melbin, der unverwüstliche Riese, wirkte so frisch und ausgeruht, als hätte er gerade ein entspannendes Staubbad genossen, massiert von einer Sororita und manikürt von einer Assassine.

Statt dem schweren Bolter, mit dem er ins Gefecht gegangen war, trug der riesige Infanterist einen Raketenwerfer über der rechten Schulter. Der Riemen eines Standard-Lasergewehrs straffte sich über seiner verdeckten Uniform.

Balgor konnte nicht behaupten, dass es ihn allzu glücklich stimmte, Melbin ohne die ihm angestammte Unterstützungswaffe zu sehen. Aber wo und aus welchem Grund der Hüne seinen Bolter liegen gelassen hatte, das wollte er ebenso wenig wissen.

Immerhin brachte er stattdessen ein Waffensystem, das es Balgor ermöglichte, Panzer endlich wieder offensiv zu bekämpfen und ihnen nicht in blutigen Nahkampfangriffen mit improvisierten Abwehrmaßnahmen den Garaus machen zu müssen.

»Captain?« Rebis trat näher. Die vier Soldaten folgten ihm in einer losen Sicherungsformation. »Oh †“ hui! Was ist das denn?«

Balgor sah zu den Überresten des Toten, die sich auf dem Bürgersteig offensichtlich heimisch fühlten, und zuckte die Achseln. »Nicht fragen. Für die Identifizierung haben wir einen Experten«, bemerkte er, um, nach einer kleinen Pause, deutlich leiser anzufügen: »sollte er je mit seiner Rationspackung fertig werden.«

Rebis hob beide Augenbrauen, sagte aber nichts.

Zeit, das Thema zu wechseln. Und die passende Überleitung dazu fand fast von selbst ihren Weg ins Balgors Sprachzentrum, auch wenn sein Erinnerungsvermögen nicht herausfinden konnte, wer einen entsprechenden Satz verausgabt hatte. »Wo haben Sie denn den Rest des Trupps gelassen?«

»Auf dem Feld der Ehre«, erwiderte der Corporal bissig. »Allerdings waren sie schon da, bevor wir unseren Gegenschlag führten.«

Die Worte brauchten einen Moment, um über die analogen Datenbahnen in Balgors organisches Rechenzentrum zu gelangen. Dort allerding lösten sie eine ungeahnte Reaktion aus. Der Captain schnellte hoch. »Soll das ein Scherz sein?«

»Nein, Sir«, erwiderte Rebis.

»Und ich habe das die ganze Zeit über nicht gemerkt?«

»Nein, Sir.«

Balgor warf einen Blick zu dem Corporal, bevor er seinen Funker an ansah. »Helfen Sie mir hoch«, bat er schließlich in die Runde.

Melbins mächtige Pranke erschien in seinem Gesichtsfeld, bot eine stützende Hand. Balgor nahm sie dankend an.

»Rebis«, sagte er schließlich, zeitgleich damit beschäftigt, vergebens seine Uniform abzuklopfen, »es tut mir leid. Offensichtlich war ich … abgelenkt. Wird Zeit, dass wir die ganze Sache zu einem guten Ende bringen, hm?«

»Hua, Sir«, stimmte der Unteroffizier zu, auch wenn seine Stimme nach wie vor verbissen klang.

»Gut! Dann los!«

In enger Formation betraten sie die Hauptstraße, über die auch die imperialen Panzer und Infanteristen vor dem Gegner zurückwichen.

Die einstmals aus dichten Reihen Pflastersteinen bestehende Fahrbahndecke war von Gleisketten und Rädern zerschunden und aufgerissen worden.

Gelöste Pflastersteine, Kiesel und Asphaltbrocken, durch das Gewicht der Aufklärungsfahrzeuge und Schützenpanzer wie in einem Mörser zerstoßen, säumten das auf diese Weise entstandene Geröllfeld als loser Belag. Ein Trampelpfad der Verwüstung, Zeuge des fortwährenden Verfalls, welcher mit dem Erscheinen der Imperialen Armee an diesem heiligen Ort eingesetzt hatte, breitete sich vor dem Trupp aus.

Eine weitere Gruppe metallener Ungeheuer röhrte den Weg entlang, überholte Balgors kleine Gemeinschaft bei ihrem Versuch, dem näher rückenden Gefechtslärm wie einer Gewitterfront zu entkommen. Sie kamen nicht sehr weit.

Um das Tor, den einzigen Weg in den nächsten Ring des Verteidigungswerks, hatte sich eine Traube aus Menschen und Material gebildet; ein Stau, der jedes Weiterkommen effektiv verhinderte.

Linker und rechter Hand durch die gewaltigen Fronten der gotischen Bauwerke begrenzt, blieb den Chimären und Salamandern nicht mehr übrig als zu bremsen und stehenzubleiben, während sie von einer dynamischen Masse eingeschlossen wurde, deren Konsistenz entfernt der von Treibsand glich.

Hunderte Infanteristen drängten sich jenseits der Häuserblöcke an der Außenmauer, versuchten das breite Tor gleichzeitig mit den verbliebenen Panzern zu durchqueren.

Balgor hatte diese Ansammlung von organischen und metallischen Körpern bereits einmal gesehen. Vor einer schier unendlich langen Zeit, als sie die Himmelskathedrale zum ersten Mal betreten hatten.

Doch jetzt war es anders.

Hier ließ sich keine Aufregung spüren, so wie sie die Männer damals überkommen hatte, als sie in die Nekropole eingerückt waren. Nein. Die fast greifbare Spannung, die über den Köpfen der Soldaten grassierte, war Angst. Pure, nackte Angst. Jene Art von Angst, die ein Kommissar gerne nutzte, um seine neu erworbene Boltpistole einem ersten Praxistest zu unterziehen.

»Gott-Imperator, verdamm†˜ mich«, entwich es Itias, als sie sich, Balgor voran, in das Chaos stürzten.

Wilde Schreie und wütendes Gebrüll begleiteten die kleine Gruppe, während sie sich Armen, Händen und Beinen erwehren mussten, die in alle Richtungen reichten und nach allem griffen, was sie finden konnten.

Innerhalb von Sekunden waren die sieben Männer voneinander getrennt.

Es wurde geschubst, gestoßen, und gerangelt. Irgendjemand schaffte es, Rahael zu Boden zu reißen und über ihn hinweg zu klettern, sodass der junge Soldat keine Möglichkeit fand, um sich wieder zu erheben.

Mehrmals trafen ihn schwere Kampfstiefel am Helm. Irgendetwas stieg auf seinen Rücken. Er schrie.

Jemand trat ihm gegen die Hand. Sein Lasergewehr verschwand in der Menge.

Plötzlich packte ihn wer am Rettungsgriff seiner Armaplast-Weste und zerrte ihn in die Höhe.

»Alles in Ordnung?!«, rief Melbin und zog den jungen Cadianer hinter sich her, während er brutal dem Rand der Menschenansammlung entgegenstrebte, seinen Raketenwerfer dabei immer wieder als Schild und Schlagwaffe nutzend. »Du musst besser auf dich aufpassen! Komm mit mir!«

Sein Begleiter brachte vor Schreck nicht mehr als ein paar gemurmelte Worte des Dankes hervor.

Derweil hatte Balgor, begleitet von Rebis und Gorak, eine kleine, aber doch passierbare Lücke gefunden, durch die er sich schnell zwischen seinen aufgeregten Landsleuten hindurchschieben konnte.

Er kam eine kurze Zeit lang gut voran, doch dann schlossen sich die Reihen um ihn, sodass er alsbald vollkommen allein in der wogenden Masse aus vor Schweiß und Angst stinkenden Leibern stand.

»Ich hätte nicht gedacht, dass sie so panisch sind!«, hörte der Captain Rebis Stimme irgendwo zu seiner Rechten verklingen, dann wurde er durch die malmende Menge gegen eine Chimäre gedrückt, vor der Captain Greij stand und hitzig mit einem Panzerkommandanten diskutierte.

»Greij!«, rief er aus und rammte einen Soldaten zur Seite, der ihn packen und wegstoßen wollte, um seinen Platz einzunehmen.

»Balgor!«, antwortete der andere Captain, um den einige seiner Infanteristen einen Schutzwall aufgebaut hatten und in unregelmäßigen Abständen mit ihren Gewehrkolben in die Menge hieben.

Es dauerte nur Augenblicke, dann absorbierte der Wall auch Balgor und entließ ihn in einen kleinen, wunderbar freien Hohlraum, in dem eine andere Form von Wahnsinn grassierte.

»Was ist hier los?!«, verlangte er zu wissen.

Greij kam gar nicht dazu, die Situation zu erklären.

»Ihre Leute sind vollkommen wahnsinnig!«, fuhr ihn der Kommandant der Chimäre, ein Lieutenant, aus seinem Turmluk an. »Sie wollen sogar meine Panzer entern!«

»Warum?«

»Die Verteidigung ist überrannt worden«, erklärte Greij. »Wir haben vielleicht noch zwei, drei Züge, die da draußen die Front halten. Der Rest versucht, schnellst möglich die in die Kathedrale zurückzukommen. Und dabei ist ihnen jedes Mittel recht.«

Balgor fasste sich an den Kopf. »Der Imperator beschützt. Wieso ist das Tor nicht groß genug für einen geordneten Rückzug?!«, hatte er sagen wollen, aber als er mitten im Satz auf den Einlass wies, verebbte seine Stimme.

Erst jetzt sah er, dass das Portal nicht geöffnet war. Lediglich die kleinen Eingänge, die in die gewaltige Pforte eingelassen waren, hatte man aufgesperrt. Und durch diese Zutritte versuchten nun Dutzende von Panzern und hunderte von Infanteristen zu drängen.

Nun ergab das panische Gewühl auch einen Sinn.

»Das kann nicht sein Ernst sein«, brachte der Captain hervor und starrte, ungläubig und entsetzt zugleich, auf das mächtige Tor, das ihn wie das Maul eines gewaltigen Tieres anstarrte, das ihn einfach nicht fressen wollte †“ wobei der Vergleich sicherlich ein wenig hinkte.

Er wandte sich den beiden anderen Offizieren erneut zu. Seine Gedanken rasten.

»Ich werde keine Rücksicht auf Ihre Landser nehmen«, beendete der Lieutenant die Diskussion. »Wir haben einen Auftrag zu erfüllen! Wer keinen Platz macht, wird überrollt!« Mit diesen Worten schloss er die Luke.

Die Motoren des Panzers röhrten auf.

»Scheiße«, murmelte Greij. »Der macht ernst.«

»Lassen Sie das!«, bellte Balgor den stählernen Rumpf an. Hätte er gekonnte, er hätte das Fahrzeug am Liebsten getreten, auch wenn er wusste, dass er derjenige mit dem gebrochenen Fuß gewesen wäre. »Hören Sie sofort auf! Thronverdammt! Jelard!«

Der Funker antwortete nicht. Jede Kommunikation blieb ein vager Wunsch.

Die Captains sahen sich an. Sie begriffen. Hitze der Panik wallte in Balgor auf. Immerhin standen sie direkt vor dem Panzer.

»Weg!«, bellten Greij und er gleichzeitig. »Aus dem Weg!«

Die Chimäre brüllte auf, dann rollte sie an. Die Besatzung meinte es todernst.

Mit rudernden Bewegungen kämpften die Captains darum, irgendwie aus dem Weg des Fahrzeugs zu gelangen.

Die Soldaten, die Balgors und Greijs Rufe gehört hatten, versuchten ebenfalls, dem wildgewordenen Schützenpanzer auszuweichen und pressten sich gegen die anströmende Masse aus Leibern, die von den Geschehnissen nichts wusste.

Da sich diese Kräfte nicht nur gegeneinander aufhoben, sondern durch die weit größere Kraft der außenstehenden Masse negiert wurden, füllte sich der Raum vor dem Schützenpanzer umgehend wieder.

Was nun die Kraftunterschiede zwischen einem gut achtzig Kilogramm schweren Infanteristen und einem achtunddreißig Tonnen schweren Kettenfahrzeug angeht …

Der passende Vergleich dafür wäre besagter Infanterist, der auf ein ungekochtes Hühnerei tritt. Zumindest lässt sich dabei ein ähnlicher Effekt beobachten.

Natürlich ging dieser Vergleich Balgor nicht durch den Kopf, als er es irgendwie schaffte, sich zwischen seine Kameraden zu werfen und so der unmittelbaren Gefahr zu entgehen, auch wenn ihm die rechte Kettenabdeckung des Schützenpanzers den Drillich aufriss.

Viele seiner Kameraden hatten nicht so viel Glück.

Tatsächlich kostete es den Panzer ein wenig Überwindung, die Mauer aus Leibern niederzureißen, denn die Masse, die anfangs auf die Fahrzeugfront drückte, machte es erforderlich, dass der Fahrer den Schub erhöhte. Als die Außenstehenden dann erkannten, was gerade geschah, klärte sich der Raum um das Kettenfahrzeug erstaunlich schnell. Dennoch war es zu spät.

Das Knirschen zermahlener Knochen und Schmatzen von zerdrücktem Fleisch ging zwar im Röhren des Triebwerks unter, die Schreie der Panik und des Schmerzes hörte man hingegen deutlich.

»Thronverdammte Scheiße!«, zischte Balgor, als er die Szenerie verfolgte, noch selbst ganz benommen.

Jetzt wünschte er sich ein improvisiertes Panzervernichtungsmittel. Er wäre damit am liebsten selbst auf den Panzer gestiegen und hätte es dem thronverdammten Wichser von einem Panzerkommandanten in den Hals gestopft. Elender Dreckskerl! Wo war Nurin, wenn man ihr brauchte?!

Hinter sich hörte er, wie der nächste Schützenpanzer den Motor startete, bereit, seinem Kameraden zu folgen.

»Ofenrohr!«, brüllte der Basteter. »Wir brauchen eine Panzerfaust!«

Eines der wenigen verbliebenen ‚Ofenrohre†˜, Startersystem für flügelstabilisierte, reaktive Panzerabwehrgeschosse, tauchte in der Menge imperialer Soldaten auf, die versuchten, ihre im Grunde gar nicht existente Stellung gegen einen gnadenlos vorrückenden Gegner zu halten und die nun durch ihre eigenen Kameraden verraten wurden.

Es war Melbin.

»Die Chimäre!«, schrie Balgor und wies auf den Panzer, der gerade ein neues Opfer unter seinen Ketten zerquetschte. »Neutralisiert den Mistkerl! Sofort!«

Weitere Worte waren nicht notwendig. Gesagt wurden sie dennoch.

»Melbin!«, kreischte Rahaels Stimme heiser. »Die Chimäre!«

»Ich habe es gesehen!«, erhielt er zur Antwort. »Geh zur Seite!«

Der riesige Infanterist kniete sich hin. Zwar konnte er ohne Mühe einen Raketenwerfer im Stehen abfeuern, aber in diesem speziellen Fall wollte er kein Risiko eingehen.

Dann war es Goraks Stimme, die aus der Menge erklang. »Geradeaus †“ fünfzig Meter †“ Schützenpanzer in Querfahrt †“ Neutralisieren!«

Ein Moment verstrich, in dem die Galaxie die Luft anhielt. Bruderkrieg.

»Imperator, vergib mir!«, brummte Soldat Melbin und löste aus.

Mit einem Geräusch, das sich am ehesten mit dem Öffnen der Flasche eines kohlensäurehaltigen Getränks vergleichen ließ, stürmte das Raketengeschoss aus seinem Starter.

Zuschauer regelmäßig im Televid gezeigter, trivialer Heldenepen wären überrascht gewesen. Im Gegensatz zu den gewaltigen Feuerschweifen, mit denen Panzerfäuste und Bunkerbrecher in den wuchtigen Schlachtszenen auf ihre Ziele zuflogen, glich diese flügelstabilisierte Granate eher einem Blindgänger.

Sie ließ sich mit einem Stein vergleichen, den man mit dem Fuß von einem staubigen Boden aus in die Höhe trat: Von einem noch recht beeindruckenden Energiestoß aus dem Werfer getrieben, folgte das Geschoss der ihm vorbestimmten Flugbahn, einen dünnen Schweif aus Rauch hinter sich herziehend.

Und im Gegensatz zu den Televid-Filmen ließ es dem Betrachter auch nicht genügend Zeit, damit ein imperialer Offizier seine Waffe zog und es mit einem Kugelhagel zur Explosion brachte (was dann den gesamten feindlichen Trupp in einer fehlfarbenen Blume aus Hitze vergehen ließ), eine Sororita die Granate graziös umtanzte und sie mit ihrer Servorüstung ablenkte, sodass sie zum gegnerischen Trupp zurückflog (was diesen ebenfalls in einer fehlfarbenen Blume aus Hitze vergehen ließ), oder ein Space Marine sie aus der Luft fischte und in der Mitte durchbrach, bevor er zum gegnerischen Trupp stürmte und diesem dasselbe Schicksal zuteilwurde.

Nein, diese Granate flog einfach †“ und zwar so schnell, dass auf den Betrachter wirkte, als sehe er zwei Granaten vor sich: Eine, die abgefeuert wurde und eine, die in das Ziel einschlug.

Und auch der Treffer war bei weitem nicht so beeindruckend, wie man dem geneigten imperialen Bürger glauben machen wollte.

Der Panzer rülpste kurz, dann erbrach er Flammen aus seinen Luken.

Doch der Imperator kannte ein kleines bisschen Gerechtigkeit, denn das Geschoss penetrierte die Panzerung direkt unter dem Geschützturm des Fahrzeugs, wo normalerweise die Munition für die Hauptwaffe gelagert wurde. Da es sich in diesem Fall um ein Schweren Boltern ausgerüstetes Fahrzeug handelte, wurde die Munition von dem Hohlladungsgeschoss stark genug penetriert, dass sie sich zur Umsetzung entschied.

Das Endergebnis blieb so spektakulär, wie man es aus Televidfilmen kannte: Die Chimäre explodierte in einem Feuerball.

Ein Sturm der Erleichterung, Dankbarkeit über die gewährte Gerechtigkeit, setzte ein. Jubelnde Rufe und Hasstriaden auf die dreckigen Panzerleute klangen an.

Balgor atmete tief ein. Der Schützenpanzer hinter ihm bremste hörbar.

Schritte näherten sich. Greij, Rebis und Gorak trafen bei Balgor ein, der nach wie vor auf dem Boden saß und dabei zusah, wie ein von Promethium genährtes Feuer die Überreste des Schützenpanzers in eine Gluthölle verwandelte.

»Gute Arbeit, Soldat!«, lobte Greij Melbin und nickte ihm zu.

Eine neuerliche Detonation echote über die gespenstische Szenerie hinweg. Sie kam nicht von der explodierten Chimäre.

Dann folgte noch eine. Und noch eine.

Der Krieg ging weiter.

»Hat sich das wirklich gelohnt?«, wollte Rebis wissen.

Balgor bedachte ihn mit einem finsteren Blick, bevor ihm etwas auffiel, beziehungsweise er merkte, dass ihm etwas fehlte, das er seit geraumer Zeit als gegeben angenommen hatte. Das leichte Vibrieren, mit dem sich das Vorhandensein des Schutzschilds in seinem Kopf bemerkbar gemacht hatte, war urplötzlich nicht mehr da.

Entgeisterte starrte er in den Himmel. Seine schlimmsten Befürchtungen wurden wahr.

»Woaah †“ unser Schutzschild!«, schrie jemand.

Weit über ihnen zog sich die energetische Schutzhülle, unter deren Schirm sie in den letzten Stunden gekämpft hatten, in den Hauptturm der Himmelskathedrale zurück, so wie Wasser, das durch einen Strohhalm eingesaugt wurde.

Die schwarzen Wolken, die sich während der Schlacht unter dem Schild gesammelt hatten, strichen an der rapide kleiner werdenden Front aus konzentrierter Energie entlang in den azurblauen Himmel davon. Ein gewaltiger Pilz formte sich über der Stadt.

Das konnte nur eines bedeuten: Ekko machte ernst.

***

»Colonel, woran denken Sie?«, wollte die hochgewachsene Gestalt von Major Carrick wissen, als die beiden Regimentskommandeure verfolgte, wie sich ihr Schutzschirm rasend schnell auflöste. Ein Poet, der diesem Schauspiel beigewohnt hätte, dass die Geschehnisse mit dem Versiegen der großen Flüsse Bastets gleichgesetzt und sofort ein Limerick angestimmt.

Und auch in Ekko löste das Ereignis ungeahnte lyrische Ergüsse aus.

Der Colonel ließ das Fernglas kurz sinken, um sich zu vergewissern, dass er nicht nur das Schlachtfeld, sondern auch seine Gedanken im Fokus behielt, bevor er den Feldstecher wieder an die Augen hob. »Magnetfelder, die bauen auf und bauen ab und machen schlapp … das macht mich wirklich ganz nervös.«

Sein Stellvertreter zögerte. »Danke für diese … hilfreiche Antwort«, brachte er schließlich hervor.

»Keine Ursache.« Der Colonel löste sich ganz vom Anblick der brennenden Außenbezirke seines Kommandos, um sich dem Major an seiner Seite zuzuwenden. »Nun, denn wollen wir mal, oder?«

Er griff die Armasec-Flasche, die er auf einem der nahen Generatoren abgestellt hatte und wandte sich um.

Carrick folgte ihm.

Ein gewaltiges Feld aus halb fertigen Baugerüsten entspann sich vor ihnen. Zumindest hätte der unbedarfte Betrachter darauf kommen können, wenn er nicht gewusst hätte, wessen er sich gegenüber sah.

Tatsächlich aber waren es jene Konstruktionen, an denen die Administraten und Techpriester seit Beginn der Verteidigungsplanungen gearbeitet hatten †“ zuerst viel zu langsam und zögerlich, dann aber immer schneller. Und irgendwie war es ihnen gelungen. aus den Plattformen, Fahrzeugen und Anhängern beeindruckende mobile und statische Komplexe zu kreieren, die alle nur einem Zweck dienten: Feuerunterstützung für die stark bedrängte Armee.

Ein Großteil dieser Konstruktionen basierte auf einem einfachen Prinzip, bei dem zwölf unterschiedlich große Stangen aneinander geschweißt wurden, sodass sie eine Rakete halten und abfeuern konnten. Diese Werke waren primitiv genug, dass sie keinen Maschinengeist benötigten und daher aus dem Reglement des Munitoriums fielen, nie einen Geist der Maschine unnötig aufzuregen. Auf diese Weise waren beeindruckende Werferbatterien entstanden, auf denen nun eine Unmenge an Raketengeschossen darauf wartete, sich in Richtung des Gegners in Bewegung zu setzen.

Andere improvisierte Bauten bestanden aus Fahrzeugen und Anhängern verschiedenster Art, auf die man provisorisch Behälter mit Mehrfachraketenwerfern verbracht hatte, Schienen mit Panzerjägerraketen oder Höllenfeuerraketen. Nachschub hatten sie genug.

Tatsächlich waren die Maschinenseher in ihren Berechnungen so weit gegangen zu vermuten, ihnen Munitionsvorräte für drei Tage Dauerbeschuss zu bescheinigen †“ inklusive der Lagevorgänge, welche die Feuerüberlegenheit im artilleristischen Sektor deutlich reduzierten.

Und Ekko hatte vor, diesen Zeitraum so weit wie möglich auszunutzen. Immerhin ging es hier trotz allem um die Leben seiner Männer.

Mit einer geschickten Bewegung schob sich der Colonel zwischen wild diskutierenden Administraten, umhereilenden Adepten und ratlosen Offizieren hindurch.

»Haben Sie das Problem inzwischen gelöst?«, adressierte er Captain Sewed, einen kleinen Mann, dessen Gesicht aussah, als habe er es mit Klebstoff eingerieben und dann in ein Gestrüpp getaucht.

»Nein, Sir. Die Nebelwerfer funktionieren immer noch nicht«, brachte es der Captain auf den Punkt, sichtlich dankbar für das Erscheinen seines Vorgesetzten. Natürlich war er sich voll und ganz der Tatsache bewusst, dass Ekko auch nicht mehr tun konnte, als angespannt zu nicken und einen ernsten Gesichtsausdruck aufzusetzen.

Allerdings hielten fast alle imperialen Soldaten an einer Militärtradition fest, die seit zig tausenden Jahren in der Imperialen Armee †“ und allen davor bestehenden Armeen †“ praktiziert wurde: Melden macht frei und belastet den Vorgesetzten.

Sollte sich der Colonel des Problems annehmen.

Dieser Ansicht waren offensichtlich auch die Umstehenden, denn überraschender Weise wichen Administraten, Adepten und Soldaten gleichermaßen zurück. Die Aufregung, welche sie bis dahin im Griff gehalten hatte, transformierte zu etwas, das man als Anspannung bezeichnen konnte. Selbst Major Carrick bemühte sich, aus einem möglichen Gefahrenbereich zu kommen.

Vielleicht lag es an der Tatsache, dass Colonel Ekko zugegen war. Es hieß nicht umsonst, dass in seiner Gegenwart schreckliche Unglücke geschahen, die er überlebte, alle anderen hingegen …

»Und wo liegt das Problem?«, wollte der Colonel wissen.

»Colonel, der Geist dieser Maschine zeigt sich äußert unkooperativ, dieses nicht vom Kult des Mars sanktionierte Schema zu akzeptieren«, wusste sein Gegenüber zu berichten. »Bis jetzt sind alle unsere Rituale fehlgeschlagen, ihn zur Mitarbeit zu bewegen.«

»Verstehe.« Ekko nickte langsam. Dann wandte er sich um, suchte nach einem der Männer, der ihm seine nächste Frage beantworten konnte. Er fand ihn bei einer der Gruppen aus Maschinensehern, die skeptisch die Konstruktionen beäugten, die sie in seinem Auftrag erstellt hatten.

Ekko bedeutete dem Techpriester, dass er gemeint war und winkte ihn dann herbei.

Nur zögerlich kam das Mischwesen aus Mensch und Maschine der Anweisung nach, doch schließlich straffte es die Schultern und trat zu dem Colonel und seinem Untergebenen. Seine metallene Stimme kratzte über die Haut der beiden Offiziere. »Colonel?«

»Warum funktionieren unsere Raketenwerfer nicht?«, verlangt der Regimentskommandeur zu wissen.

»Es ist ein Zeichen des Maschinengottes, dass dieses Schema nicht seinem Willen entspricht …«

»Ersparen Sie mir den Blödsinn«, unterbrach Ekko eine beginnende Ausführung zum Verhalten von Maschinengeistern. »Ich habe gerade für meine Leute die Hosen heruntergelassen. Und jetzt will ich, dass wir denen da draußen ein beeindruckendes Schauspiel liefern. Eines mit Blitz und Donner. Und ich will, dass jemand vom Blitz getroffen wird †“ vorzugsweise die da draußen.«

»Das verstehe ich, aber …«

»Ich bin noch nicht fertig.« Der Colonel rümpfte die Nase. »Haben Sie dem Maschinengeist erklärt, dass er jetzt gerade auch entblößt vor den Orks steht?«

»Ja«, gab der Techpriester rasselnd zu.

»Und haben Sie ihm auch erklärt, was passiert, wenn er nicht mitmacht?«

»Ja, Sir.«

»Und was hat er gesagt?«

»Nichts«, musste der Maschinenseher gestehen.

Ekko seufzte. »Aha. Ich hab†™s mir fast gedacht.« Er kratzte sich am Kopf. »Und was genau funktioniert nicht?«

»Der Strom der Generatoren läuft. Das Zündsignal wird auch gesendet. Nur leider kommt nichts davon bei den Raketenwerfern an«, erklärte der Maschinenseher knapp. »Das Problem muss der Geist des Energieverteilers sein.«

»Aha.« Der Colonel nickte erneut, während sich in seinen Gehirnwindungen Gedanken verknoteten und wie der Motor eines Jagdpanzers protestierend aufheulten.

Er betrachtete das abartige Gebilde, das die Adepten und Pioniere erdacht hatten, dann wies er auf eine unscheinbare Kiste, die wie ein plattgefahrener Frosch auf dem staubigen Boden kauerte und bemüht war, möglichst wenig Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Doch die Kabelstränge, die zu ihm hin- und von ihm wegführen, prädestinierten das Gerät für den Fokus, in dem Ekko es nun hielt. »Der Übeltäter?«, fragte er ruhig.

»Ja«, erhielt er zur Antwort.

»Gut.« Der Regimentskommandeur wies auf einen anderen Kasten, der in Seweds Hand ruhte. »Das ist der Zünder?«

»Ja, Colonel.«

»Und wenn Sie den drücken, wird ein kontinuierliches Signal gesendet?«

»Ja, Sir.«

»Gut.« Ekko reichte sein Fernglas an den verdutzten Maschinenseher weiter, dann zog er sein Kampfmesser.

»Nein!«, rief der Maschinenseher entsetzt aus, als er zu begreifen schien.

»Was denn?«, fragte der Colonel, bevor er die Flasche mit einem kräftigen Hieb köpfte. Klirrend fiel der abgetrennte Kopf auf die Erde »Mag er keinen Armasec?« Er meinte den Maschinengeist. Ein knappes Lächeln folgte. »Halten Sie den Auslöser fest«, wandte sich Ekko an Sewed. »Und schön fest drücken.« Dann marschierte er zu dem widerspenstigen Verteiler.

Einen kleinen Schluck aus der Flasche genehmigte er sich selbst, eine weit größere Menge goss er auf die Apparatur.

Schließlich hob der Colonel die Flasche gebietend in Richtung des von schwarzem Rauch dominierten Himmels. »Geist der Maschine, dieses Opfer biete ich dir an, auf dass du dem Imperator deine Treue hältst und diese Dreckbiester in die Ewigkeit des Vergessens bläst. Amen!« Mit aller Wucht schleuderte er die noch halb volle Flasche Armasec auf den Verteiler. Das grelle Geräusch, als das Gefäß in tausende Scherben zerplatzte und die in ihr gelagerte Flüssigkeit in alle Richtungen davonspritzte, übertonte für eine Sekunde oder zwei sogar das nahende Feuergefecht. »Und jetzt flieg!«

Er hob den Fuß, um auf den Verteiler zu treten. Im nächsten Augenblick war der Colonel verschwunden. Er hatte das Gerät nicht einmal berührt.

Das heiße Rauschen der Achtzig-Millimeter-Salvenraketen, wie sie von den Salvenraketenwerfern der Walküren abgefeuert wurden, leitete das Bombardement ein. Mit der haltlosen Panik geschlagener Pferde lösten sie sich aus ihren Behältern, galoppierten los und ließen lange Schweife sich nur langsam verflüchtigenden Nebels zurück.

Beißende Hitze spie aus den improvisierten Waffenbehältern, wirbelte Sand und Staub in gewaltigen Mengen in die Luft, wo sie sich mit den Verbrennungsrückständen vereinigten und eine Barriere ungeahnter Festigkeit erzeugte, die lediglich mit einem Bajonett hätte durchstoßen werden können.

Dann folgten ganze Batterien Höllenfeuerraketen, die von ihren Startschienen in die Luft brüllten wie ein Chaosdämon, dem ein Space Marine auf den Fuß getreten war.

Salve um Salve stieg in den Himmel, jagte die jeweils zuvor aufgestiegene Gruppe auf ihrem Weg in Richtung der feindlichen Streitmacht

Unter dem Geräusch asthmatischer Hustenanfälle schleuderten notdürftig zusammengeschusterte Raketenwerfer Unmengen ungelenkter Geschosse in die Luft. RPG†™s, raketengetriebene Geschosse für die in viel zu geringer Zahl vorhandenen Raketenwerfer, hatten ihren Weg aus den Depots in selbstkonstruierten Abschussvorrichtungen gefunden, denen man den passenden Namen ‚Sixpacks†˜ gegeben hatte. Nun verließen die Geschosse ihre Halterungen, von der elektrischen Energie der Zündanlagen wie von Peitschen in Richtung Himmel getrieben.

Fehlfarbene Kaskaden aus Blitzen tanzten durch die dicken Qualmsäulen, malten wirre Formen in die hellblaue Unendlichkeit, die sich allmählich zu verdüstern schien.

Ohrenbetäubender Lärm ließ die Fenster auch entfernter Gebäude vibrieren. Die Scheiben eines nahen Lastwagens kapitulierten und platzten unter der plötzlichen Druckverlagerung, der sie ausgesetzt wurden.

Luft und Boden erbebten. Die Anwesenden sprangen in Deckung.

Weit unter ihnen erstarb der Lärm der Schlacht, als der zweite Ring der Himmelskathedrale in einer gewaltigen Front aus Lärm, Feuer und Qualm unterzugehen schien.

Selbst die hartgesottenen Veteranen des 512. konnten sich nicht erinnern, jemals zuvor ein solch überwältigendes Inferno aus Farben und Geräuschen gesehen zu haben.

Das elektrische Signal pflanzte sich durch die Reihen der Batterien fort, zündete Werfer um Werfer.

Langsam, fast schwerfällig, fauchten Panzerjägerraketen von ihren Schienen, nicht sicher, worauf sie eigentlich abgefeuert wurden, aber willig, das Ziel auf jeden Fall zu vernichten.

Unsichtbare Geister schrien Tod und Verderben, stürzten sich mit wutentbranntem Geheul auf die Xenos, die den Menschen von Agos Virgil so viel Tod und Verderben gebracht hatten.

Selbst die gewaltigen Breitseitenbatterien imperialer Schlachtschiffe wären neidisch auf das Spektakel gewesen, das ihnen hier geboten wurde.

Und über all dem klangen die entzückten Stimmen derer, die dieses Wunder des Imperators möglich gemacht hatten.

»Endlich!«, rief einer der Techpriester erleichtert und reckte die Hände zum Himmel. »Lobet den Geist der Maschine!« Wie sollte er auch wissen, dass Ekko lediglich einen Kurzschluss ausgelöst hatte?

Ein vielstimmiger Chor setzte ein: »Preiset den Ommnessiah! Lobet den Maschinengott! Ein neues Schema hat seinen Segen erhalten!«

Es hätte niemanden gewundert, wenn diesem physisch gewordenen Wahnsinn plötzlich ein Dämon entstiegen wäre.

Und tatsächlich: schemenhafte Bewegungen kämpften sich durch die Front aus Wolken, welche im Begriff war, die gesamte Himmelskathedrale hinter einer schützenden Mauer aus flüchtigem Kordit zu verbergen. Schatten, die mit derselben langsamen Beständigkeit Form annahmen, mit der sich ein Kristall bildete.

Ekko trat aus der mächtigen Rauchwolke hervor, über und über mit Ruß bedeckt. Er machte eher den Eindruck einer lebendigen, schlecht verputzten Statue, als den eines Menschen.

Wind pustete behutsam über seine Uniform, fegte die dicken Schichten steinfarbener Verbrennungsrückstände schichtweise von seiner in Mitleidenschaft gezogenen Kleidung, während der Colonel sich bemühte, die Szenerie nicht wirken lassen, als habe er sich gerade durch eine äußert dumme Handlung regelrecht selbst verkohlt.

Tatsächlich jedoch hätte man leicht auf den Gedanken kommen können, der Colonel sei gerade ausgebrannt und schwele noch nach.

Raues Husten zwang sich so penetrant aus der ausgetrockneten Kehle des imperialen Offiziers, dass es wirkte, als wollte seine Lunge durch die Luftröhre auf den Erdboden emigrieren.

Es dauerte eine Weile, während der Colonel allerlei Dinge ausspie, die sicherlich nichts im Körper eines Menschen zu suchen hatten, bevor er es schaffte, sich auf seine wackeligen Beine zu erheben.

»Sagen Sie nichts!«, befahl er Major Carrick, der bereits im Begriff war, selbst aus seiner Deckung aufzutauchen, um dem Vorgesetzten seine Meinung zu den Ereignissen kund zu tun.

Dann straffte der Colonel seine Uniform †“ wobei ein neuerlicher Schwall aus Ruß und Kordit von seinem Drillich platzte †“ und humpelte tapfer an den Soldaten und Zivilisten vorbei, die ihm entsetzte Blicke zuwarfen.

»Ja, ein neues Schema hat seinen Segen erhalten …«, echote seine sarkastisch klingende Stimme in die von Rauch gesättigten Luft, bevor alle weiteren Worte in dem Beben untergingen, mit dem sich eine Front aus detonierenden Gefechtsköpfen über den ersten Ring der Kathedralenstadt ergoss. „Hurra …†œ

Genauso gut hätte er sich auch beim Maschinengott für dessen Kooperation bedanken können.

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Die Wüste lebt, wenn ich mich nicht irre^^

Meine bunten Allgemeinprojekte: Avalus Armeen II (aktuell), Avalus Armeen I (Geschlossen)

Spezifische Armeeprojekte: Imperiale Armee Schnelle EingreiftruppeProjekt 500: Orks (Doch nicht im Warp Verschollen)

 

Beste Beschreibung meines Malstils:

"Einen Avalus bauen: Ein Modell kaufen und jede Farbe aus dem Mega-Paintset mal dran ausprobieren, 95% davon fuers Base." Garthor

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Ja, super ... jetzt hast du mich.

Ich musste wirklich gerade eine Weile überlegen, bevor mir aufging, dass sich das auf die schlappmachenden Magnetfelder bezog.

Tja, Sista Obvia übersieht mal wieder das Offensichtliche.

Nächstes Kapitel kommt ... demnächst irgendwann ;-D

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